Handelsgesetzbuch: Band 2/1 §§ 84-88a [6. neu bearb. Aufl.] 9783110558401, 9783110552751

The 6th edition of the renowned Staub commentary on the German Commercial Code (HGB) was launched in 2021 and comprises

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German Pages 1337 [1338] Year 2021

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Verzeichnis der Bearbeiter der 6. Auflage
Vorwort zur 6. Auflage
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
ERSTES BUCH Handelsstand
SIEBENTER ABSCHNITT Handelsvertreter
Vorbemerkungen vor § 84 part 1
Vorbemerkungen vor § 84 part 1
§ 84 [Begriff des Handelsvertreters]
§ 85 [Vertragsurkunde]
§ 86 [Pflichten des Handelsvertreters]
§ 86a [Pflichten des Unternehmers]
§ 86b [Delkredereprovision]
§ 87 [Provisionspflichtige Geschäfte]
§ 87a [Entstehen und Fälligkeit der Provision]
§ 87b [Höhe der Provision]
§ 87c [Abrechnung der Provision]
§ 87d [Aufwendungsersatz]
§ 88a [Zurückbehaltungsrecht]
Sachregister
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Handelsgesetzbuch: Band 2/1 §§ 84-88a [6. neu bearb. Aufl.]
 9783110558401, 9783110552751

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Großkommentare der Praxis

STAUB Handelsgesetzbuch

Großkommentar 6., neu bearbeitete Auflage begründet von Hermann Staub herausgegeben von Stefan Grundmann, Mathias Habersack, Carsten Schäfer Zweiter Band Teilband 1 §§ 84–88a

Bearbeiter: §§ 84–88a: Raimond Emde

Bearbeitungsstand: Oktober 2020 Zitiervorschlag: Emde in Großkomm. HGB, 6A, § 86 Rn 12 oder GroßKommHGB/Emde § 86 Rn 12 Bandherausgeber: Professor Dr. Mathias Habersack, Ludwig-Maximilians-Universität München Sachregister: Christian Klie

ISBN 978-3-11-055275-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-055840-1 e-ISBN (E-PUB) 978-3-11-055776-3 Library of Congress Control Number: 2020951342 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Datenkonvertierung und Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: C. H. Beck, München www.degruyter.com

Verzeichnis der Bearbeiter der 6. Auflage Professor Dr. Jochen Axer, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, axis Rechtsanwälte, Köln Professor Dr. Jens-Hinrich Binder, LL.M. (London), Universität Tübingen Professor Dr. Benjamin B. von Bodungen, LL.M. (Auckland), GGS, Heilbronn Professor Dr. Jens Bülte, Universität Mannheim Professor Dr. Ulrich Burgard, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Professor em. Dr. Dr. h.c. mult. Claus-Wilhelm Canaris, Ludwig-Maximilians-Universität München † Professor Dr. Matthias Casper, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Professor Dr. Klaus-Dieter Drüen, Ludwig-Maximilians-Universität München Max Ehrl, Notarassessor, Geschäftsführer des Deutschen Notarvereins, Berlin Dr. Raimond Emde, Rechtsanwalt, GvW Graf von Westphalen, Hamburg Prof. Dr. Philipp S. Fischinger, Universität Mannheim Jun.-Prof. Dr. Stephan Gräf, Universität Konstanz Professor Dr. Hans Christoph Grigoleit, Ludwig-Maximilians-Universität München Professor Dr. Dr. Stefan Grundmann, LL.M. (Berkeley), Humboldt-Universität zu Berlin und European University Institute in Florenz Professor Dr. Mathias Habersack, Ludwig-Maximilians-Universität München Professor Dr. Stephan Harbarth, LL.M. (Yale), Präsident des Bundesverfassungsgerichts Professor Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Professor Dr. Henning Jessen, LL.M. (Tulane), World Maritime University Malmö Professor Dr. Christian Kersting, LL.M. (Yale), Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Professor Dr. Peter Kindler, Ludwig-Maximilians-Universität München Professor Dr. Detlef Kleindiek, Universität Bielefeld Professor Dr. Jens Koch, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Dr. Ernst-Thomas Kraft, Rechtsanwalt, Hengeler Mueller, Frankfurt am Main Daniela Mattheus, Rechtsanwältin, Präsidentin der FEA, Berlin Professor Dr. Andreas Maurer, LL.M. (Osgoode), Universität Mannheim Professor Dr. André Meyer, LL.M. Taxation, Universität Bayreuth Professor Dr. Florian Möslein, LL.M. (London), Phillips-Universität Marburg Professor Dr. Hartmut Oetker, Christian-Albrechts-Universität, Kiel Professor Dr. Karsten Otte, M.J.C. (Austin), außerplanmäßige Professur an der Universität Mannheim, Direktor bei der Bundesnetzagentur, Bonn PD Dr. Moritz Pöschke, LL.M. (Harvard), Universität zu Köln, Rechtsanwalt, Dipl.-Kfm. Professor Dr. Moritz Renner, Universität Mannheim Dr. Fabian Reuschle, Richter am Landgericht Stuttgart Professor Dr. Carsten Schäfer, Universität Mannheim Professor Dr. Patrick Schmidt, Rechtsanwalt, NJP Grotstollen, Duisburg Harald Schoen, LL.M., Referatsleiter BMJV Berlin Professor Dr. Martin Schwab, Universität Bielefeld Professor Dr. Jan Thiessen, Humboldt-Universität zu Berlin PD Dr. Chris Thomale, LL.M. (Yale), Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg PD Dr. Andreas Weber, Ludwig-Maximilians-Universität München Professor Dr. Christoph Weber, Julius-Maximilians-Universität Würzburg

V https://doi.org/10.1515/9783110558401-202

Vorwort zur 6. Auflage Die sechste Auflage des von Hermann Staub begründeten Großkommentars zum HGB hat noch einmal stärker als schon die fünfte Auflage ein breites, dynamisches, herausforderndes Gebiet zu erfassen. Zunehmend handelt es sich um Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, die handelsrechtlichen Normen und die wichtigsten handelsrechtlichen Akteure (einschließlich Banken und Transportwesen), das nationale Recht ebenso wie die internationalen Bezüge und die immer stärker dominierenden unionsrechtlichen Grundlagen und Vorgaben, und schließlich ein Handelsrecht der Liberalität und eines der Regulierung. Tempo und Intensität der Reformen haben – gerade auf der stärker regulierenden Seite – beständig und während der vergangenen zwei Dekaden nochmals verstärkt zugenommen. All diese Einflüsse bewirken tiefgreifende und stets fortschreitende Änderungen des Textes und der Systematik des HGB, die es in der Neuauflage aufzubereiten und in ihren praktischen Folgen zu würdigen gilt. Auch nach Ausgliederung des Aktienrechts 1937 blieb das Handelsgesetzbuch das Grundgesetz von Handel und Wirtschaft. Dem damit aufgerufenen Reichtum der Phänomene, Regelungskomplexe und Methoden stellt sich dieser Kommentar auch in der Neuauflage in besonderem Maße. Der Kommentar hat heute eine nahezu 130-jährige Tradition, die ersten sieben Auflagen besorgte Hermann Staub selbst in einer Dekade (bis zu seinem Tod). Aus diesem Erbe erwuchs der erste Großkommentar überhaupt, langsamer im Takt, vertieft. Anspruch und inhaltliche Konzeption blieben jedoch stets gleich: Der Kommentar soll in einer sowohl wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden als auch die Belange und Gepflogenheiten der Praxis berücksichtigenden Art und Weise über den Stand der Diskussion informieren und Entwicklungslinien aufzeigen. Die Neuauflage wird durch den Tod von Claus-Wilhelm Canaris überschattet, der am 5. März 2021 im Alter von 83 Jahren verstorben ist. Er war dem Kommentar seit der 3. Auflage verbunden, zunächst als Autor nicht nur, aber insbesondere des gerade durch seine Kommentierung nachhaltig geprägten „Bankvertragsrechts“, sodann – zusammen mit Wolfgang Schilling und Peter Ulmer – auch als Herausgeber der 4. Auflage und – zusammen mit Mathias Habersack und Carsten Schäfer – als Herausgeber der 5. Auflage. Auch in die Konzeption der 6. Auflage hatte sich Claus-Wilhelm Canaris noch eingebracht. Verlag und Herausgeber der 6. Auflage – neben Mathias Habersack und Carsten Schäfer nun auch Stefan Grundmann – danken Herrn Canaris an dieser Stelle sehr für sein Jahrzehnte währendes erfolgreiches Wirken für den „Staub“. Im Unterschied zur Vorauflage bleibt es zwar bei einer – erweiterten – Bandfolge, werden jedoch Neuauflagen auch einzelner Bände innerhalb der 6. Auflage – als Neubearbeitungen – möglich sein, um den Ansprüchen einer nochmals gestiegenen Dynamik im Handels- und Wirtschaftsrecht gerecht zu werden. Mit der Neuauflage des Staub soll also eingeführt werden, was für die dreizehnte Auflage des Staudinger längst bewährte Realität ist. Siebzehn Bände sind vorgesehen, und damit liegt die Gesamtzahl über derjenigen der Vorauflage, dem Anwachsen des Rechtsstoffes geschuldet. Der jetzt vorgelegte zweite Band umfasst das Handelsvertreterrecht und das Handelsmaklerrecht. Er erscheint in zwei Halbbänden; dem zunächst vorgelegten Band 2/1 mit der Kommentierung der §§ 84–88a HGB (nebst umfangreichen Vorbemerkungen zu § 84 HGB) folgt mit kurzem Abstand Band 2/2 mit der Kommentierung der §§ 89–104 HGB. Der Kreis der Bearbeiter hat gegenüber der Vorauflage keine Änderungen erfahren; die Kommentierung des Handelsvertreterrechts ist mithin von Raimond Emde besorgt worden, diejenige des Handelsmaklerrechts von Jan Thiessen. März 2021

VII https://doi.org/10.1515/9783110558401-203

Herausgeber und Verlag

Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Bearbeiter der 6. Auflage V VII Vorwort zur 6. Auflage XI Abkürzungsverzeichnis XXIII Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur ERSTES BUCH Handelsstand SIEBENTER ABSCHNITT 1 Handelsvertreter 1 Vorbemerkungen vor § 84 482 § 84 [Begriff des Handelsvertreters] 591 § 85 [Vertragsurkunde] 603 § 86 [Pflichten des Handelsvertreters] 717 § 86a [Pflichten des Unternehmers] 829 § 86b [Delkredereprovision] 855 § 87 [Provisionspflichtige Geschäfte] § 87a [Entstehen und Fälligkeit der Provision] 1032 § 87b [Höhe der Provision] 1058 § 87c [Abrechnung der Provision] 1228 § 87d [Aufwendungsersatz] 1238 § 88a [Zurückbehaltungsrecht] Sachregister

IX

1249

948

Abkürzungsverzeichnis aA aaO abl. ABl. ablehn. Abs. Abschn. abw. AcP ADAC ADHGB aE AEUV a.F. AG AGB AGG AiB AIF AIFM AIFMD AktG Aktz. allg. allgM a.M. amtl. amtl. Begr. AnfG Anh. Anl. Anm. AnzV AO AöR AP ApothekenBetrO ApothekenG ArbG ArbGG AR-Blattei ArbR ArbstättVO ArbZG ArchBürgR Art. AUG Aufl. AV AWD AZR

anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Amtsblatt ablehnend Absatz Abschnitt abweichend Archiv für civilistische Praxis Allgemeiner Deutscher Automobil-Club Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch v. 1861 am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung 1. Amtsgericht 2. Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitsrecht im Betrieb Alternativer Investmentfonds Alternative Investment Fund Manager Alternative Investment Fund Managers Directive, Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds Aktiengesetz Aktenzeichen allgemein allgemeine Meinung andere(r) Meinung amtlich(e) Amtliche Begründung Anfechtungsgesetz Anhang Anleitung Anmerkung(en) Anzeigenverordnung: Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem Kreditwesengesetz 1. Amtsordnung (Schleswig Holstein) 2. Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis Apothekenbetriebsordnung Apothekengesetz Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrecht-Blattei Arbeitsrecht Arbeitsstättenverordnung Arbeitszeitgesetz Archiv für Bürgerliches Recht Artikel Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Auflage Ausführungsverordnung Allgemeiner Wirtschaftsdienst Gesetz über das Ausländerzentralregister

XI https://doi.org/10.1515/9783110558401-205

Abkürzungsverzeichnis

Baden-Württ. BaFin BAnz Basel I Basel II Basel III BauspG BayERVV BaWüNotZ BayObLG BayZ BAG BAO BAO BB BBG; BBAnkG BBiG BC Bd. BdB BDSG Bek. v. Begr. Beschl. BetrAVG BetrVG BeurkG BfA BFH BFHE BFuP BGB BGBl. BGH BGHR BGHZ BIZ BKartA BKR Bl. BMJ BNotO BoHdR BörsG BörsO BörsZulV BPatG BPatGE BR-Drucks. BRAGO

Baden-Württemberg Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesanzeiger Ausschuss für Bankenbestimmmungen und -überwachung: Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen (1988) Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht: Internationale Konvergenz der Kapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, überarbeitete Rahmenvereinbarung (2004) Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht: Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähige Banken und Bankensysteme (2010) Gesetz über Bausparkassen Bayerische Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr und elektronische Verfahren (E-Rechtsverkehrsverordnung – ERVV) Baden-Württembergische Notarzeitung Bayerisches Oberlandesgericht Bayerische Zeitung Bundesarbeitsgericht Bundesabgabenordnung Bundesärzteordnung Der Betriebs-Berater Gesetz über die deutsche Bundesbank Berufsbildungsgesetz Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling Band Bundesverband deutscher Banken e. V. Bundesdatenschutzgesetz Bekanntmachung vom Begründung Beschluss Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) Betriebsverfassungsgesetz Beurkundungsgesetz Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofes Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896 Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof BGH-Rechtsprechung, hrsg. von den Richtern des Bundesgerichtshofes Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Basel Bundeskartellamt Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Blatt Bundesministeriums der Justiz Bundesnotarordnung Bonner Handbuch der Rechnungslegung Börsengesetz Börsenordung Börsenzulassungs-Verordnung; Verordnung über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse Bundespatentgericht Entscheidungen des Bundespatentgerichts Bundesratsdrucksache Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte

XII

Abkürzungsverzeichnis

BRAK-Mitt BRRD BRRD-Richtlinie

Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Bank Recovery and Resolution Directive Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.05.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapieren; ABl. EU L 173 v. 12.06.2014 BSpKG Gesetz über Bausparkassen BStBl Bundessteuerblatt BT Bundestag BT-Drucks., BT-Drs. Bundestags-Drucksache BuB Bankrecht und Bankpraxis, hrsg. v. Hellner/Steuer/Piekenbrock/Siegmann/Höche, LoseblattSammlung, Köln BUrlG Bundesurlaubsgesetz vom 8.1.1963 BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVK Bayerische Versicherungskammer BWNotZ Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise CaR CD CDH CDS cic CISG CRD IV

Credit at Risk Certificate of Deposit Centralvereinigung Deutscher Wirtschaftsverbände für Handelsvermittlung und Vertrieb e.V. Credit Default Swap(s) culpa in contrahendo United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, UN-Kaufrecht Capital Requirements Directive IV; Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, ABl. EU L 176 v. 27.06.2013 CRDIVAnpV Verordnung zur Anpassung von aufsichtsrechtlichen Verordnungen an das CRD IVUmsetzungsgesetz CRR Capital Requirements Regulation; Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) 6486/2012; ABl. EU L 321 v. 30.11.2013 CRR-Kreditinstitute Kreditinstitute, die (ggf. auch allein) das Einlagen- und das Kreditgeschäft betreiben (früher Einlagenkreditinstitute) DAR DAV DepG ders. DB DepG DGS d.h. dies. DIHT Dipl. Diss DJT DNotZ DR DSGV

XIII

Deutsches Autorecht Deutscher Anwaltsverein Depotgesetz; Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren derselbe Der Betrieb Depotgesetz; Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren Depot Guarantee Scheme (Einlagensicherungssystem) das heißt dieselbe(n) Deutscher Industrie- und Handelstag Diplom Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Notarzeitung Deutsches Recht Deutscher Sparkassen- und Giroverband

Abkürzungsverzeichnis

DStR

DV DVBl DVO DZWIR E EABG EBA EBE/BGH EBJS EDV EFG EFSF EFZG EG EGBGB EGHGB EGInsO EGVP EGVVG ehem. EHUG einh. Einl. EIOPA

e.K. Entsch. ErbStG E-Register ERJuKoG Erl. ESA ESFS ESM ESMA ESRB EStG ESZB et al. etc. EU EUFAAnpG

EuGH EuGHE EuG EuGVVO

1. Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) 2. Deutsche Steuerrundschau 3. Deutsches Strafecht 1. Durchführungsverordnung 2. Deutsche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Entscheidung Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz European Banking Authority (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) Eildienst Bundesgerichtliche Entscheidungen Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Elektronische Datenverarbeitung Entscheidungen der Finanzgerichte European Financial Stability Facility (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) Entgeltfortzahlungsgesetz Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach Einführungsgesetz zum Versicherungsvertragsgesetz ehemalige Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Einheitlich Einleitung European Insurance and Occupational Pensions Authority (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge) Eingetragener Kaufmann/Eingetragene Kauffrau Entscheidung schaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz elektronisches Register Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation Erläuterung European Supervisory Authorities European System of Financial Supervision (Europäisches Finanzaufsichtssystem) European Stability Mechanism (Europäischer Stabilitätsmechanismus) European Securities and Markets Authority European Systemic Risk Board (Europäischer Ausschuss für Systemrisiken) Einkommenssteuergesetz Europäisches System der Zentralbanken Et alii (und andere) Et cetera Europäische Union Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU vom 24. November 2010 im Hinblick auf die Einrichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems Europäischer Gerichtshof Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Europäisches Gericht Erster Instanz Verfahrensverordnung des Europäischen Gerichts Erster Instanz vom 1.3.2002

XIV

Abkürzungsverzeichnis

EuGVÜ

EuInsVO EuLF EuZVO EuZW EuroEG EWiR EWIV EWR EWS EV EzA EZB f FamFG FAZ FeiertagslohnzahlungsG ff FG FGG FGPrax FMFG

Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, vom 27.9.1968, seit dem 1.3.2002 weitgehend durch die EuGVVO ersetzt Europäische Insolvenzverordnung European Law Forum Europäische Zustellungsverordnung Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Euro- Einführungsgesetz Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum 1. Europäisches Währungssystem 2. Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht 1. Eigentumsvorbehalt 2. Einführungsverordnung Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht Europäische Zentralbank folgende Familienverfahrensgesetz Frankfurter Allgemeine Zeitung Feiertagslohnzahlungsgesetz

FS FSB

fortfolgende Finanzgericht Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit Praxis der freiwolligen Gerichtsbarkeit Finanzmarktförderungsgesetz; Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung Finanzmarktstablisierungsfondsgesetz v. 17.10.2008 (BGBl. I S. 1982) Fußnote Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 16.07.2007 Festschrift Financial Stability Board (Rat für Finanzstabilität)

GBO GbR gem. GenG GewO GesRZ GG ggf. GK GmbH GmbHG GmbHR GenG GewO GewStG GoA GOÄ GOZ

Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Genossenschaftsgesetz Gewerbeordnung Der Gesellschafter Grundgesetz gegebenenfalls Großkommentar Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Genossenschaftsgesetz Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Geschäftsführung ohne Auftrag Gebührenordnung für Ärzte Gebührenordnung für Zahnärzte

FMSA FMStFG Fn FRUG

XV

Abkürzungsverzeichnis

GREStG GroMiKV

Großkreditrichtlinie GRUR GRUR-RR GSG GV GVG GVO GWB hA HAG Halbbd. HansGZ HandelsR Hdb. HdJ HGB HK HKO hL hM HOAI HRefG HRegGebV HRegGebNeuOG HRR Hrsg., hrsg. HRV Hs./Hs HSG HuRB HV HVR HVuHM HWK IAS IASB ICC idF idR idS IDW ie iE i.E. ieS IFRC

Grunderwerbsteuergesetz Großkredit- und Millionenkreditverordnung; Verordnung über die Erfassung, Bemessung, Gewichtung und Anzeige von Krediten im Bereich der Großkredit- und Millionenkreditvorschriften des Kreditwesengesetzes EG-Richtlinie für die Überwachung und Kontrolle der Großkredite von Kreditinstituten Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht/Rechtsprechungsreport Gerätesicherheitsgesetz Gebührenverzeichnis Gerichtsverfassungsgesetz Gerichtsvollzieherordnung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen herrschende Ansicht 1. Heimarbeitsgesetz 2. Hessisches Ausführungsgesetz Halbband Hanseatische Gerichtszeitschrift Handelsrecht Handbuch Handbuch des Jahresabschlusses Handelsgesetzbuch Handelskammer Haager Landkriegsordnung herrschende Lehre herrschende Meinung Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der Bekanntmachung vom 4.3.1991 Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.1998 Verordnung über Gebühren in Handels, Partnerschafts- und Genossenschaftsregistersachen Handelsregistergebührenverordnung) Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber, herausgegeben Verordnung über die Einrichtung und Führung des Handelsregisters Halbsatz Hochschulgesetz Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB Handelsvertreter Humanitäres Völkerrecht Der Handelsvertreter und Handelsmarker Handwerkskammer IASC Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, International Accounting Standards International Accounting Standards Board 1. Intergovernmental Copyright Committee 2. International Chamber of Commerce in der Fassung in der Regel in diesem Sinne Institut der Wirtschaftsprüfer id est im Einzelnen im Ergebnis in engerem Sinne International Financial Reportings Committee

XVI

Abkürzungsverzeichnis

IFRS IFSt IHR iHv insbes. Ind.- u. Handelsk. InsO InsoBekV InvG InvStG IOSCO IPRax IPRsp. iRd iS iSd ISDA iSv i.V.m. i.w.S. IZPR

International Financial Reporting Standards Institut Finanzen und Steuern Internationales Handelsrecht in Höhe von insbesondere Industrie- und Handelskammer Insolvenzordnung Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet Investmentgesetz Investmentsteuergesetz International Organization of Securities Commissions Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Die Deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts im Rahmen des im Sinne im Sinne des/der International Swaps and Derivatives Association, Inc. im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Das Internationale Zivilprozess

JA JbFSt jew. JMBl. JR JRPV JURA JuS JVKostO JW JZ

Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht jeweils Justizministerialblatt Juristische Rundschau Juristische Rundschau für Privatversicherung Juristische Ausbildung Juristische Schulung Justizverwaltungskostengesetz Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

KAG KAGB Kapitaladäquanzrichtlinie Kart Kfm. KFR KfW Kfz KG KGaA KGJ

Kapitalanlagegesellschaft Kapitalanlagegesetzbuch Richtlinie 2006/49/EG v. 14.06.2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABl. EU 177/201 v. 30.06.2006 Kartell Kaufmann Kommentierte Finanzrechtsprechung Kreditanstalt für Wiederaufbau Kraftfahrzeug 1. Kammergericht 2. Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Kosten-, Stempel- und Strafsachen Kleines oder mittelständisches Unternehmen 1. Kassenordnung 2. Konkursordnung Kommissionsdokumente Königlich Kölner Steuerdialog Kostengesetz Kostenordnung kritisch Kündigungsschutzgesetz in der Bekanntmachung vom 25.8.1969

KMU KO KOM Königl. KÖSDI KostG KostO krit. KSchG

XVII

Abkürzungsverzeichnis

KTS KWG

Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen 1. Kommunalwahlgesetz 2. Kreditwesengesetz; Gesetz über das Kreditwesen

LAG LG lit. LM LS Ltd. LVA LZ

Landesarbeitsgericht Landgericht litera Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes, hrsg. v. Lindemaier 1. Landessatzung 2. Leitsatz Private Company Limited by Shares Landesversicherungsanstalt Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

m. M. MaRisk

Mio. MitbestG MittRhNotK MittBayNot MiZi mN MoMiG Mrd. MünchKomm MuW m.w.N. m.W.v.

mit. Meinung Mindestanforderungen an das Risikomanagement, Rundschreiben der BaFin 10/2012 (BA) v. 14.12.2012 Markengesetz Mindestanforderung an die Ausgestaltung von Sanierungsplänen, Rundschreiben der BaFin 3/2014 (BA) v. 25.04.2014 mit anderen Worten mit Besprechung meines Erachtens möglicherweise Markets in Financial Instruments Directive; Richtlinie 2004/39/EG v. 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG L 145/1 v. 30.4.2004 Richtlinie 2014/65/EU v. 15.05.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (Neufassung), ABl. EU L 173/349 v. 12.06.2014 Markets in Financial Instruments Regulation; Verordnung (EU) Nr. 600/2014 v. 15.05.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl. EU L 173/84 v. 12.06.2014 Millionen Mitbestimmungsgesetz Mitteilungen Rheinische Notar-Kammer Mitteilungen der Bayerischen Notarkammer Mitteilungen in Zivilsachen mit Nachweisen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Milliarde Münchener Kommentar Markenschutz und Wettbewerb mit weiteren Nachweisen; mit weiteren Nennungen mit Wirkung vom

Nachw. NaStraG NdsRpfl. n.F. NJOZ NJW NJW-RR NotBZ Nr. NRW n.v.

Nachweise Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung Niedersächsische Rechtspflege neue Fassung Neue Juristische Online Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift, Rechtssprechungsreport Zeitschrift für die notarielle Beurkundungspraxis Nummer Nordrhein-Westfalen nicht veröffentlicht

MarkenG MaSan m.a.W. m. Bespr. m.E. mglw. MiFID

MiFID II MiFIR

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

NVwZ NWB NZA NZA-RR NZG NZI NZM

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NWB Steuer- und Wirtschaftsrecht (bis 2008: Neue Wirtschafts-Briefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht) Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht, Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht

o. o.ä. ÖBA OFD OGA OGAW (ö)OGH OGHZ OHG OLG OLGR österr. OTC OWiG

oben oder ähnliches Österreichisches Bankarchiv (Zeitschrift) Oberfinanzdirektion Organismus für Gemeinsame Anlagen Organismus für Gemeinsame Anlagen in Wertpapieren Oberster Gerichtshof (Österreich) Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone in Zivilsachen Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht OLG-Report: Zivilrechtsprechung der Oberlandesgerichte Österreichisches Over The Counter Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

PartGG PfandBG; PfandbriefG PflegeVG PflegeVG PiR ppa. ProdHaftG PublG

Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Pfandbriefgesetz

PucheltsZ RabelsZ RAG RAG ARS

RBerG RdA Rdsch. RdW RefE RegBegr RegE RG RGSt RGZ RIW RJA RKS RL

XIX

Pflege-Versicherungsgesetz Pflege-Versicherungsgesetz NWB Internationale Rechnungslegung per procura (in Vollmacht) Produkthaftungsgesetz Publizitätsgesetz; Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen Zeitschrift für französisches Zivilrecht Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Reichsarbeitsgericht Reichsarbeitsgericht, Arbeitsrechts-Sammlung (Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und des Reichsehrengerichts, der Landesarbeitsgerichte, Arbeitsgerichte und Ehrengerichte, 1928 ff) Rechtsberatungsgesetz Recht der Arbeit Rundschau Das Recht der Wirtschaft Referentenentwurf Regierungsbegründung Regierungsentwurf 1. Reichsgericht 2. Reichsgesetz Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, zusammengestellt im Reichsjustizamt Rechtsprechung kaufmännischer Schiedsgerichte Richtlinie

Abkürzungsverzeichnis

RNotZ Rn ROHG ROHGE Rpfleger RPflG Rs. Rspr. RUF RuS RVO Rz

Rheinische Notar-Zeitschrift Randnummer Reichsoberhandelsgericht Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Rechtssache Rechtsprechung Revolving Unterwriting Facility Recht und Schaden Rechtsverordnung Randziffer

s. S. s.a. SAE Sächs. ScheckG SE SEAG

siehe Seite siehe auch Sammlung arbeitsgerichtlicher Entscheidungen Sächsisch Scheckgesetz vom 14.8.1933 Societas Europaea – Europäische Gesellschaft Gesetz zur Ausführung der Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Sozialgericht Sozialgesetzbuch Systemically Important Financial Institutions Signaturgesetz Sammlung Sogenannt Solvabilitätsverordnung, Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding Gruppen Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren – Spruchverfahrensgesetz Single Resolution Mechanism, Einheitlicher Abwicklungsmechanismus Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften … im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus. ABl. EU 2014 L 225/1 Single Supervisory Mechanism, Einheitlicher Aufsichtsmechanismus Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. EU L 287 v. 29.10.2013 ständige Die steuerliche Betriebsprüfung ständige Rechtsprechung Die Steuerberatung Strafgesetzbuch Strafprozessordnung streitig Zeitschrift für das Steuerrecht und die Rechnungslegung der Unternehmen Steuer und Wirtschaft siehe unten

Sg SGB SIFI SigG Slg. sog. SolvV SpruchG SRM SRM-Verordnung

SSM SSM-Verordnung

st. StBp std. Rspr. Stgb StGB StPO str. StuB StuW s. u. TB-Merkmale TDG teilw. TransPuG TranspR

Tatbestandsmerkmale Gesetz über die Nutzung von Telediensten – Teledienstegesetz teilweise Transparenz- und Publizitätsgesetz; Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität Transportrecht

XX

Abkürzungsverzeichnis

TUG TVG Tz TzBfG Tz.

Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Tarifvertragsgesetz Teilziffer Teilzeit- und Befristungsgesetz Textziffer

u.a. u.ä. Ubg UG umf. UmwG unstr. Unterabs. UrhG Urt. URV usf. UWG u.U.

unter anderem; und andere und ähnliches Die Unternehmensbesteuerung Unternehmergesellschaft umfassend Umwandlungsgesetz unstrittig Unterabsatz Urheberrechtsgesetz Urteil Verordnung über das Unternehmensregister und so fort Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb unter Umständen

v. VAG VerBAV Verf. VerkprospG VersVerm Vertikal-GVO VertriebsR VGA Vgl. v.H. VO Vol. Voraufl. Vorb. VRS VvaG VVG VW VwVfG

von/vom Versicherungsaufsichtsgesetz Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen Verfasser Verkaufsprospektgesetz Versicherungsvermittlung Die Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen Vertriebsrecht Bundesverband der Geschäftsstellenleiter und Assekuranz Vergleiche von Hundert Verordnung Volume Vorauflage Vorbemerkung Verkehrsrechts-Sammlung Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Gesetz über den Versicherungsvertrag Versicherungswirtschaft Verwaltungsverfahrensgesetz

WarnRprs

1. Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des RG abgedruckt ist, hrsg. v. Warnmeyer 2. Sammlung zivilrechtlicher Entscheidungen des Reichsgerichts hrsg. von Buchwald (Begründet von Warnmeyer) Wechselgesetz weitere(n) 1. Wassergesetz 2. Wechselgesetz 3. Wohnwirtschaftliche Gesetzgebung Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 1. Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) 2. Wohnwirtschaft und Mietrecht weitere Nachweise Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wertpapierhandelsgesetz Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer. (Wirtschaftsprüferordnung)

WechselG weit. WG Wistra WM wN WpAIV WPg WpHG WPO

XXI

Abkürzungsverzeichnis

WpÜG WRP WuB WuW WuW-E WVK

Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wettbewerb in Recht und Praxis Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wirtschaft und Wettbewerb Wirtschaft und Wettbewerb, Entscheidungen zum Kartellrecht Wiener Vertragsrechtskonvention

Z z.B. ZBB ZBH ZBR ZErb ZEuP ZEV ZfA ZfBF ZfgK ZfIR ZfV ZGR ZHR ZIP ZInsO ZPO ZR ZRP ZS ZSR z.T. zust. ZustErgG zutr. ZVersWiss ZVglRWi(ss) zwh.

(in Zusammenhängen) Zeitschrift, Zeitung, Zentralblatt zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zentralblatt für Handelsrecht Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrechts- und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Immobilienrecht 1. Zeitschrift für Versicherungswesen 2. Zeitschrift für Verwaltung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zivilprozessordnung Zivilrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zivilsenat 1. Zeitschrift für Schweizerisches Recht 2. Zeitschrift für Sozialrecht zum Teil zustimmend Zuständigkeitsergänzungsgesetz zutreffend Zeitschrift für Versicherungswissenschaft Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft zweifelhaft

XXII

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Soweit andere als im nachfolgenden Verzeichnis angegebene Auflagen zitiert werden, sind diese mit einer hochgestellten Ziffer gekennzeichnet. Adler ADS

Das Handelsregister, seine Öffentlichkeit und sein öffentlicher Glaube, 1908 Adler/Düring/Schmaltz (Hrsg.),Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Stuttgart, 6. Aufl. 1995–2000 ADS International Adler/Düring/Schmaltz (Hrsg.), Rechnungslegung nach Internationalen Standards, Stuttgart, 7. Ergänzungslieferung August 2011 (Loseblatt) AnwKommBGB Dauner-Lieb/Heidel/Ring (Hrsg.), Anwaltkommentar BGB, 5 Bd., Bonn, 2005 ff Assmann/Schneider/Mülbert/ Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), Wertpapierhandelsrecht – Kommentar – Bearbeiter WpHG, MAR, PRIIP, MiFIR, Leerverkaufs-VO, EMIR, Köln, 7. Aufl. 2019 Assmann/Schütze/Buck-Heeb/ Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, Bearbeiter München, 5. Aufl. 2020 Baetge et al./Bearbeiter Baetge/Kirsch/Thiele/ Bearbeiter Ballwieser et al./Bearbeiter Bamberger/Roth/Hau/Poseck BankR-HdB Bassenge/Roth FamFG/RPflG Bauer/Diller Wettbewerbsverbote Baumbach/Hefermehl/Casper WechselG u. ScheckG Baumbach/Hueck/Bearbeiter GmbHG Baumbach/Hopt/Bearbeiter Baumbach/Lauterbach/Albers/ Bearbeiter Baums Beck-HdR-Bearbeiter Beck IFRS-Hdb/Bearbeiter BeckRS Beck BilKomm-Bearbeiter BoHdR - Bearbeiter Bohl/Riese/Schlüter/ Bearbeiter Bohnert OWiG Bokelmann Firmenrecht Boos/Fischer/Schulte-Mattler/ Bearbeiter KWG

Baetge/Wollmert/Kirsch/Oser/Bischof (Hrsg.), Rechnungslegung nach IFRS, Stuttgart, 41. Ergänzungslieferung Juni 2020 (Loseblatt) Baetge/Kirsch/Thiele (Hrsg.) Bilanzrecht, Bonn/Berlin, 92. Ergänzungslieferung Juni 2020 (Loseblatt) Ballwieser/Beine/Hayn/Peemöller/Schruff/Weber (Hrsg.), Wiley IFRS-Handbuch 2010, Weinheim, 7. Aufl. 2011 Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 5 Bd., München, 4. Aufl. 2019 f. Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.) Bankrechts-Handbuch, 2 Bd., 5. Aufl. 2017 Bassenge/Roth, Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Rechtspflegergesetz, Kommentar, Heidelberg, 12. Aufl. 2009 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, München, 8. Aufl. 2019 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der kartengestützten Zahlungen: WG, ScheckG, Kartengestützte Zahlungen, München, 24. Aufl. 2020 Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, München, 22. Aufl. 2019 Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, München, 39. Aufl. 2020 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Anders/Gehle, Zivilprozessordnung: ZPO, München, 78. Aufl. 2020 Eintragung und Löschung von Gesellschafterbeschlüssen, 1981 Böcking/Gros/Oser/Scheffler/Thormann (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, München 62. Aufl. 2020 (Loseblatt) Brune/Driesch/Schulz-Danso/Senger (Hrsg.), Beck’sches IFRS-Handbuch, München, 6. Aufl. 2020 Beck Rechtsprechung Grottel/Schmidt/Schubert/Störk (Hrsg.), Beck’scher Bilanz-Kommentar, München, 12. Aufl. 2020 s. Hofbauer/Kupsch s. Beck IFRS-Hdb Bohnert, OWiG, Kommentar zum Ordnungswidrigkeitenrecht, München, 3. Aufl. 2010 Bokelmann, Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, Freiburg, 5. Aufl. 2000 Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO: Kommentar zu Kreditwesengesetz, VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) und Ausführungsvorschriften, 2 Bd., 5. Aufl. 2016

XXIII https://doi.org/10.1515/9783110558401-206

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Bork Braun/Bearbeiter InsO Brox/Henssler Brox/Walker Bruck/Möller Bürgers/Körber/Bearbeiter AktG Bumiller/Harders FamFG

Busse von Colbe/Ordelheide Konzernabschlüsse

Bork, Der Vergleich, Berlin 1988 Braun (Hrsg.), Insolvenzordnung: InsO, München, 8. Aufl. 2020 zitiert: Bearbeiter in: Braun, InsO Brox/Henssler, Handelsrecht mit Grundzügen des Wertpapierrechts, München, 23. Aufl. 2020 Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 44. Aufl. 2020 Baumann/Beckmann/Johannsen/Johannsen, (Hrsg.), Großkommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Berlin, 9. Aufl. 2008 ff. Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz, Heidelberg, 5. Aufl. 2020 Bumiller/Harders/Schwamb, Kommentar zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, München, 12. Aufl. 2019 Busse von Colbe/Ordelheide, Konzernabschlüsse, 9. Aufl. 2009

Canaris Handelsrecht Canaris Vertrauenshaftung Christ/Müller-Helle

Canaris, Handelsrecht, München, 24. Aufl. 2006 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, München 1971 Christ/Müller-Helle Veröffentlichungspflichten nach dem neuen EHUG, Freiburg 2007

Deloitte iGAAP 2011 Derleder/Knops/Bamberger

Deloitte (Hrsg.), iGAAP 2011, London, 4. Aufl. 2010 Derleder/Knops/Bamberger, Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, Berlin/Heidelberg, 3. Aufl. 2017 Düringer/Hachenburg, Das Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 (unter Ausschluß d. Seerechts) auf d. Grundlage d. Bürgerl. Gesetzbuchs, Mannheim 1935

Düringer/Hachenburg

Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Bearbeiter; EBJS Ehrenbergs Hdb Eidenmüller Emmerich/Habersack KonzernR Ensthaler Erman/Bearbeiter Ernst & Young International GAAP 2011 Fezer MarkenG FK-InsO/Bearbeiter Fleischhauer/Wochner Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht/Bearbeiter Fülbier/Aepfelbach/Langweg

Gesetzgebungsmaterialien zum ADHGB Geßler/Hefermehl v. Gierke/Sandrock Handelsund Wirtschaftsrecht

Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), Handelsgesetzbuch: HGB, München, 2 Bd., 3. Aufl. 2014 f., 4. Aufl. 2020 Ehrenbergs Handbuch des gesamten Handelsrechts, 5. Band, I. Abteilung, 1. Hälfte, 1. Lieferung, 1926 Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, München 2004 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, München, 11. Aufl. 2020 Ensthaler (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Handelsgesetzbuch: HGB, 8. Aufl. 2015 Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, Köln, 15. Aufl. 2017 Ernst & Young (Hrsg.), International GAAP 2011, Chichester 2011

Fezer, Markenrecht, Kommentar, München, 4. Aufl. 2009 Wimmer (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, München, 9. Aufl. 2018 Fleischhauer/Wochner (Hrsg.), Handelsregisterrecht: Verfahren – Anmeldemuster – Erläuterungen, Berlin, 4. Aufl. 2019 Jaeger, u.a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 96. Ergänzungslieferung Juni 2020 (Loseblatt) Fülbier/Aepfelbach/Langweg, GWG – Kommentar zum Geldwäschegesetz, 5. Aufl. 2006 Lutz, Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches 1858 ff Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, 1973 ff v. Gierke/Sandrock, Handels- und Wirtschaftsrecht, Berlin, 9. Aufl. 1975

XXIV

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Goldmann Gortsos Single Supervisory Mechanism Grabitz/Hilf/Nettesheim/ Bearbeiter Großkommentar AktG/ Bearbeiter Großkomm/Bearbeiter GroßkommUWG/Bearbeiter

Goldmann, Unternehmenskennzeichen, Berlin, 4. Aufl. 2019 Gortsos, The Single Supervisory Mechanism (SSM) – Legal aspects of the first pillar of the European Banking Union, 2015 Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union: EUV/AEUV, 70. Aufl. Mai 2020 (Loseblatt) Hirte/Mülbert/Roth (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, Berlin, 5. Aufl. 2015 ff. Staub, Handelsgesetzbuch: Großkommentar, Berlin, 5. Aufl. 2008 ff. Teplitzky/Pfeifer/Leistner (Hrsg.), Großkommentar zum UWG, Berlin, 2. Aufl. 2013 ff. Grüll/Janert, Die Konkurrenzklausel, Heidelberg, 5. Aufl. 1993

Grüll/Janert Die Konkurrenzklausel Grundmann EG-Schuldvertrags- Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht – das Europäische Recht der recht Unternehmensgeschäfte (nebst Texten und Materialien zur Rechtsangleichung), 1999 Grundmann Europäisches Ge- Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011 sellschaftsrecht Grundmann Treuhandvertrag Grundmann, Der Treuhandvertrag – insbesondere die werbende Treuhand, 1997 Habersack Hachenburg/Bearbeiter GmbHG Hahn ADHGB Handbuch des Außendienstrechts I Hartmann-Wendels/Pfingsten/ Weber Bankbetriebslehre HdJ-Bearbeiter

HdR-EA/Bearbeiter Heidel/Bearbeiter AktienR Herrmann/Heuer/Raupach/ Bearbeiter Hess/Binz/Wienberg Gesamtvollstreckungsordnung Hess/Weis/Wienberg InsO Heuser/Theile/Bearbeiter Heymann/Bearbeiter HGB

Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, München, 5. Aufl. 2019 Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG – Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, Berlin, 3 Bd., 8. Aufl. 1992/1997 von Hahn, Das Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 (mit Ausschluss des Seerechts) auf der Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Braunschweig, 4. Aufl. 1894 s. Küstner/Thume I-III Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019 Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann (Hrsg.), Handbuch des Jahresabschlusses (HdJ), Bilanzrecht nach HGB, EStG und IFRS, Köln, 74. Ergänzungslieferung April 2020 (Loseblatt) Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss, Stuttgart, 28. Ergänzungslieferung Juni 2019 (Loseblatt) Heidel (Hrsg.), Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, Kommentar, Baden-Baden, 5. Aufl. 2019 Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Köln, 298. Ergänzungslieferung Juli 2020 (Loseblatt) Hess/Binz/Wienberg, Gesamtvollstreckungsordnung, Neuwied, 4. Aufl. 1998

Hess/Weis/Wienberg (Hrsg.), Insolvenzordnung, Heidelberg, 2. Aufl. 2001 Heuser/Theile (Hrsg.), IFRS-Handbuch, Köln, 6. Aufl. 2019 Horn/Balzer/Borges/Herrmann (Hrsg.), Heymann, Handelsgesetzbuch (ohne Seerecht), Kommentar, 4 Bd., Berlin, 3. Aufl. 2019 f. HuRB Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, Köln 1986 Hirte/Bücker Hirte/Bücker (Hrsg.), Grenzüberschreitende Gesellschaften, Berlin, 2. Aufl. 2006 HK-HGB/Bearbeiter Glanegger/Kirnberger/Kusterer u.a., Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Heidelberg, 7. Aufl. 2007 Hoeren/Sieber/Bearbeiter Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimediarecht – Rechtsfragen des elektronischen Geschäftsverkehrs, München 52. Aufl. April 2020 (Loseblatt) Hofbauer/Kupsch/Bearbeiter Hofbauer/Kupsch, Rechnungslegung, hrsg. v. Kupsch/Scherrer/Grewe/Kirsch, 103. Ergänzungslieferung Stand Mai 2020 Hopt/Mössle/Bearbeiter Hopt/Mössle, Handels- und Gesellschaftsrecht, Band I: Handelsrecht, München, Handelsrecht 2. Aufl. 1999 Hueck/Canaris Recht der Wert- Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, München, 12. Aufl. 1986 papiere

XXV

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Hueck/Nipperdey Arbeitsrecht A. Hueck OHG Hüffer/Koch AktG

Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band 2: Kollektives Arbeitsrecht, Berlin, 7. Aufl. 1967/1970 Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, Berlin, 4. Aufl. 1971 Hüffer/Koch, Aktiengesetz, München,14. Aufl. 2020

Ingerl/Rohnke

Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Kommentar, München, 3. Aufl. 2010

Jansen/Bearbeiter

von Schuckmann/Sonnenfeld (Hrsg.), Großkommentar zum FGG, 3 Bd., Berlin, 3. Aufl. 2005 f.

Kallmeyer/Bearbeiter Kreidel/Krafka/Bearbeiter RegisterR Keidel/Bearbeiter FamFG Köhler BGB, Allgemeiner Teil Köhler/Bornkamm/Bearbeiter

Kallmeyer u.a., Umwandlungsgesetz, Köln, 7. Aufl. 2020 Krafka/Kühn RegisterR

Koller/Kindler/Roth/Drüen/ Bearbeiter KölnKomm-AktG/Bearbeiter KK-OWiG/Bearbeiter KPMG Insights into IFRS Krafka /Bearbeiter RegisterR Küstner/Thume/Bearbeiter Küstner/Thume I/Bearbeiter Küstner/Thume II/Bearbeiter

Küstner/Thume III/Bearbeiter Küting/Weber/Bearbeiter

Lackhoff Single Supervisory Mechanism Lettl Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff/Bearbeiter Lohmüller/Beustien/Josten

FamFG, Kommentar, München, 20. Aufl. 2020 Köhler, BGB Allgemeiner Teil, München, 44. Aufl. 2020 Köhler/Bornkamm/Feddersen, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb: UWG, München, 38. Aufl. 2020 Koller/Kindler/Roth/Drüen, Handelsgesetzbuch: HGB, München, 9. Aufl. 2019 Zöllner/Noack (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Köln, 3. Aufl. 2004 ff Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten: OWiG, München, 5. Aufl. 2018 KPMG (Hrsg.), Insights into IFRS, London, 9. Aufl. 2012/2013 Krafka/Kühn (Hrsg.), Registerrecht, München, 11. Aufl. 2019 Küstner/Thume, Handelsvertreterverträge, Frankfurt am Main, 2. Aufl. 2011 Küstner, Thume (Hrsg.), Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 1: Das Recht des Handelsvertreters, Heidelberg, 5. Aufl. 2016 Küstner, Thume (Hrsg.), Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 2: Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters (Warenvertreter, Versicherungs- und Bausparkassenvertreter) , Heidelberg, 9. Aufl. 2014 Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 3: Besondere Vertriebsformen, Heidelberg, 4. Aufl. 2014 Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Konzernrechnungslegung, Stuttgart, 2. Aufl. 1998 Lackhoff, Single Supervisory Mechanism – A Practitioner’s Guide, München/ Oxford/Baden-Baden 2017 Lettl, Handelsrecht, München, 4. Aufl. 2018 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann (Hrsg.), München, 4. Aufl. 2020 Lohmüller u.a., Handels- und Versicherungsvertreterrecht, 2. Aufl. 1970/71, Loseblatt Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Kommentar, Freiburg, 17. Aufl. 2019 Bayer/Vetter (Hrsg.), Umwandlungsgesetz, 2 Bd., Köln, 6. Aufl. 2019 Lutter/Hommelhoff u.a., GmbH-Gesetz, Köln, 20. Aufl. 2020

Lüdenbach/Hoffmann/ Bearbeiter Lutter/Bearbeiter UmwG Lutter/Hommelhoff/Bearbeiter GmbHG Luz/Neus/Schaber/Schneider/ Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber (Hrsg.), KWG und CRR: Kommentar Wagner/Weber KWG und zu KWG, CRR, SolvV, WuSolvV, GroMiKV, LiqV und weiteren aufsichtsrechtlichen CRR Vorschriften, 3. Aufl. 2015 Manigk Martinek Franchising Martinek/Bearbeiter

Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft, Berlin 1907 Martinek, Franchising, Heidelberg 1987 Martinek/Semmler/Flohr (Hrsg.), Handbuch des Vertriebsrechts, München, 4. Aufl. 2016

XXVI

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Medicus AT Meilicke/von Westphalen PartGG Michalski/Bearbeiter GmbHG

MünchHdbGesR/Bearbeiter

MünchKommAktG/Bearbeiter MünchKommBGB/Bearbeiter MünchKommBilR/Bearbeiter MünchKommHGB/Bearbeiter MünchKommInsO/Bearbeiter MünchKommZPO/Bearbeiter Musielak/Voit/Bearbeiter ZPO

Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Heidelberg, 11. Aufl. 2016 Meilicke/Graf von Westphalen/Hoffmann/Lenz/Wolff, Kommentar, Partnerschaftsgesellschaftsgesetz: PartGG, Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe, München, 3. Aufl. 2015 Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt (Hrsg.), Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz), 2 Bd., München, 3. Aufl. 2017 Beuthien/Gummert/Schöpflin (hrsg. der 4. Aufl.), Gummert/Weipert (Hrsg. der 5. Aufl.),Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, div. Bd., München, 4. Aufl. 2014 ff., 5. Aufl. 2019 ff. Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, München, 4. Aufl. 2012 ff., 5. Aufl. 2019 ff. Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg. der 8. Aufl.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, München, 7. Aufl. 2015 ff., 8. Aufl. 2018 ff Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, Band 1 IFRS, München September 2014 (Loseblatt) Schmidt, Karsten (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch: HGB, München, 4. Aufl. 2016 ff. Kirchhof/Lwowski/Stürner (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3 Bd., München, 2. Aufl. 2007 f Rauscher/Wax/Wenzel (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4 Bd., München, 3. Aufl. 2007 ff Musielak/Voit (Hrsg.), Kommentar zur Zivilprozessordnung: ZPO, München, 17. Aufl. 2020

Noack/Bearbeiter

Noack (Hrsg.), Das neue Gesetz über elektronische Handels- und Unternehmensregister – EHUG, 2007

Oetker Handelsrecht Oetker/Bearbeiter Oppenländer/Bearbeiter

Oetker, Handelsrecht, Heidelberg, 8. Aufl. 2019 Oetker, HGB, Kommentar, München, 6. Aufl. 2019 Oppenländer/Trölitzsch (Hrsg.), Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, München, 3. Aufl. 2020

Palandt/Bearbeiter Prölss/Martin/Bearbeiter VVG PWW/Bearbeiter

Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, München, 80. Aufl. 2021 Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz: VVG, München, 30. Aufl. 2018 Prütting/Wegen/Weinrich (Hrsg.), BGB Kommentar, Köln, 15. Aufl. 2020

Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, München, 6. Aufl. 2015 Reithmann/Martiny/Bearbeiter Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Köln, 8. Aufl. 2015 RGRK-BGB/Bearbeiter Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, Berlin, 12. Aufl. 1975–1999 RGRK-HGB/Bearbeiter Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Berlin, 1. Aufl. 1939 ff Richardi Wertpapierrecht Richardi, Wertpapierrecht, Heidelberg 1987 Ritter HGB Ritter, Kommentar zum HGB, 2. Aufl. 1932 Röhricht/Graf v. Westphalen/ Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas (Hrsg.), Handelsgesetzbuch: HGB, Kommentar Haas/Bearbeiter zu Handelsstand, Handelsgesellschaften, Handelsgeschäften und besonderen Handelsverträgen (ohne Bilanz-, Transport- und Seerecht), Köln, 5. Aufl. 2019 Roth/Altmeppen Roth/Altmeppen, GmbHG-Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, München, 9. Aufl. 2019 Rowedder/Schmidt-Leithoff/ Rowedder/Schmidt-Leithoff (Hrsg.), Gesetz betreffend die Gesellschaften mit Bearbeiter GmbHG beschränkter Haftung: GmbHG, München, 6. Aufl. 2017 Schlegelberger/Bearbeiter K. Schmidt Gesellschaftsrecht

XXVII

Schlegelberger/Geßler, Handelsgesetzbuch Kommentar, München, 5. Aufl. 1973 Schmidt, Gesellschaftsrecht, Köln, 4. Aufl. 2002

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

K. Schmidt Handelsrecht K. Schmidt/Lutter AktG Scholz/Bearbeiter GmbHG

Schmidt, Handelsrecht, Köln, 6. Aufl. 2014 Schmidt,/Lutter, Kommentar zum Aktiengesetz, Köln, 4. Aufl. 2020 Scholz (Hrsg.), Kommentar zum GmbHG, 3 Bd., Köln, 11. Aufl. 2013 ff., 12. Aufl. 2017 ff. Schönke/Schröder/Bearbeiter Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch: StGB, Kommentar, München, StGB 30. Aufl. 2019 Schubert/Schmiedel/Krampe Schubert/Schmiedel/Krampe (Hrsg.), Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Frankfurt am Main 1988 Schultze/Wauschkuhn/ Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/Kübler, Der Vertragshändlervertrag, Spenner/Dau Frankfurt am Main, 5. Aufl. 2015 Schwark/Zimmer/Bearbeiter Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, München, 5. Aufl. 2020 Soergel/Bearbeiter Soergel/Siebert (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Stuttgart, 13. Aufl. 2001 ff Spindler/Stilz/Bearbeiter AktG Spindler/Stilz (Hrsg.), Aktiengesetz, Kommentar, 2 Bd., München, 4. Aufl. 2019 Staub ADHGB Staub, Kommentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, Berlin, 5. Aufl. 1897 Staub/Bearbeiter Canaris/Habersack/Schäfer (Hrsg.), Staub, Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, HGB, Berlin, 5. Aufl. Berlin 2008 ff Staudinger/Bearbeiter J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Bearbeitung, Berlin 1993 ff Stolterfoht Stolterfoht, Handelsrecht, Berlin 1973 Straatmann/Ulmer traatmann/Ulmer, Handelsrechtliche Schiedsgerichts-Praxis (HSG), 1975 ff Straube/Bearbeiter Straube (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Wien, 3. Aufl. 2003 ff Ströbele/Hacker Ströbele/Hacker/Thiering (Hrsg.), Markengesetz, Kommentar, Köln; 12. Aufl. 2018 Stumpf/Jaletzke/Bearbeiter Stumpf/Jaletzke, Der Vertragshändlervertrag, Heidelberg, 3. Aufl. 1997 Stüsser Stüsser, Die Anfechtung der Vollmacht nach Bürgerlichem Recht und Handelsrecht, Berlin 1986 Thiele Finanzaufsicht Thiele/von Keitz/Brücks/ Bearbeiter Thomas/Putzo/Bearbeiter

Thiele, Finanzaufsicht – Der Staat und die Finanzmärkte, Tübingen 2014 Thiele/von Keitz/Brücks (Hrsg.), Internationales Bilanzrecht, Bonn/Berlin, 46. Ergänzungslieferung Mai 2020 (Loseblatt) Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung: ZPO, München, 41. Aufl. 2020

Uhlenbruck/Bearbeiter

Hirte/Vallender (Hrsg.), Uhlenbruck, Insolvenzordnung: InsO, Kommentar, München, 15 Aufl. 2019 f. Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht Kommentar, Köln, 12. Aufl. 2016

Ulmer/Brandner/Hensen/ Bearbeiter AGB-Recht Ulmer/Habersack Ulmer/Habersack/Löbbe/ Bearbeiter GmbHG Ulmer/Schäfer

Ulmer/Habersack, Verbraucherkreditgesetz, München, 2. Aufl. 1995 Ulmer/Habersack/Löbbe (Hrsg.), GmbH-Gesetz, Kommentar, 3 Bd., Tübingen, 2. Aufl. 2016 Ulmer/Schäfer, Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Partnerschaftsgesellschaft: GbR PartG, München, 7. Aufl. 2017

Vater et al./Bearbeiter IFRS Änderungskommentar 2009 von Godin/Wilhelmi von Wysocki et al./Bearbeiter

Vater/Ernst/Hayn/Knorr/Mißler (Hrsg.), IFRS Änderungskommentar 2009, Weinheim 2009 von Godin/Wilhelmi, Aktiengesetz, Kommentar, Berlin, 4. Aufl. 1971 Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann (Hrsg.), Handbuch des Jahresabschlusses (HdJ), Bilanzrecht nach HGB, EStG und IFRS, Köln, 74. Ergänzungslieferung April 2020 (Loseblatt) Vortmann Aufklärungspflichten Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, 12. Aufl. 2018 Wessel/Zwernemann/Kögel Fir- Wessel/Zwernemann/Kögel, Firmengründung, Heidelberg, 7. Aufl. 2001 mengründung Zöller/Bearbeiter ZPO Zöllner Wertpapierrecht

Zöller, Zivilprozessordnung: ZPO, Kommentar, Köln, 33. Aufl. 2020 Zöllner, Wertpapierrecht, München, 14. Aufl. 1987

XXVIII

ERSTES BUCH Handelsstand SIEBENTER ABSCHNITT Handelsvertreter Vorbemerkungen vor § 84 Schrifttum Albaric/Dickstein International Commercial Agency and Distribution Agreements, 2011; Detzer/Ullrich „Internationale Vertriebsvereinbarungen“, 2014; Eberstein „Der Handelsvertreter-Vertrag“, 9. Aufl. 2008; Emde Die Handelsvertreter-GmbH, 1994; ders. Rechtsprechungsreport zum Vertriebsrecht BB 2012, 3029; 3087 m. Hinweisen zu den Vorjahresübersichten; Ensthaler/Funk/Stopper „Handbuch des Automobilvertriebsrechts“, 2003; Genzow „Vertragshändlervertrag“, 1996; Giesler (Hrsg.) „Praxishandbuch Vertriebsrecht“, 1. Aufl. 2005, 2. Aufl 2011; Graf v. Westphalen „Handbuch des Handelsvertreterrechts in EU-Staaten und der Schweiz“, 1995; Henschel/Beine/Buchwald Handbuch zum Recht des Handelsvertreters 1954; Hirsch Der gesetzlich fixierte „Typ“ als Gefahrenquelle der Rechtsanwendung, erläutert am Beispiel des „Handelsvertreters“ Festschrift Tiburtius (1964) 383; Hopt „Handelsvertreterrecht“,4 2009; Hopt/Tzouganatos Europäisierung des Handels- und Wirtschaftsrechts, 2006; Josten/ Lohmüller/Beuster Handelsvertretergesetz, Kommentar2 1970; Hübsch/Hübsch Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Handelsvertreterrecht WM Sonderbeil. Nr. 1/2011; Nr. 2/2016; Kindler/Menges Die Entwicklung des Handelsvertreter- und Vertragshändlerrechts seit 2005, DB 2010, 1109; Martinek Vertriebsrecht als Rechtsgebiet und Aufgabe, ZVertriebsR 2012, 2 ff.; Martinek/Semler/Habermeier/Flohr „Handbuch des Vertriebsrechts“, 3. Aufl. 2010; Metzlaff (Hrsg.) „Praxishandbuch Franchising“, 2003; Niebling „Vertragshändlerrecht“,2 2003; Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau „Der Vertragshändlervertrag“,4 2008 (teilweise auch 3. Aufl 1997, zit. als Stumpf/Jaletzke/Schultze); Wachter Handbuch des Fachanwalts für Handels- und Gesellschaftsrecht, Münster 2007; Westphal „Vertriebsrecht“, Band 1 Handelsvertreter, 1998; ders. „Vertriebsrecht“, Band 2 Vertragshändler, 2000.

Übersicht A.

Der Befund

1

7.

B.

Die Genese des Handelsvertreter10 rechts

8.

I.

Gesetzgebungsgeschichte bis zur Handelsvertre10 ter-Richtlinie 1986 (RL)

II. 1. 2. 3. 4. 5.

16 Die HV-Richtlinie 1986 (RL) und ihre Folgen 16 Übernahme in deutsches Recht 19 Zweck der RL 20 Zwingender Charakter der RL-Vorschriften 21 Abschließender Charakter 22 Anwendungsbereich der RL a) Persönlicher und sachlicher Anwendungsbe22 reich 30 b) Örtlicher Anwendungsbereich 31 c) Zeitlicher Anwendungsbereich 32 d) Örtlicher Anwendungsbereich 33 Auslegung der RL 35 a) RL-konforme Auslegung b) Handelsvertreterfreundlichste Ausle36 gung

6.

1 https://doi.org/10.1515/9783110558401-001

12.

Analoge Anwendung der RL-konform umgesetzten Vorschriften innerhalb des Anwendungsbe40 reichs der RL? Anwendung der RL auf nicht von der RL erfasste 41 Mittler 41 a) HV-Recht b) Im Bereich der Analogie – Eigenhändler45 und Kommissionsagentenrecht 47 Regelt die RL Beweislastfragen? Grundsatz effektiver Durchsetzung zwingenden Rechts im Verwaltungs-/Gerichtsverfah48 ren Diskrepanzen zwischen RL und deutschem 49 Recht 50 Vorlageverfahren zum EuGH

C.

Grundgesetzlicher Schutz

D.

Innere Ordnung des HV-Rechts

E.

Das auf Vertriebsmittler anwendbare 55 Recht

I.

HGB

9. 10.

11.

52 53

55

Emde

Vor § 84

II.

Handelsbräuche

1. Buch. Handelsstand

56

57 BGB 59 Allgemeiner Teil des BGB 60 Allgemeines Schuldrecht Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 63 BGB 65 4. Gegenseitiger Vertrag 66 5. Aufklärungspflichten 67 6. Widerrufsrecht 7. §§ 305 ff. BGB – Allgemeine Geschäftsbedingungen. Vertriebsrecht ist zugleich meist AGB68 Recht 79 a) Unwirksame Klauseln 99 b) Wirksame Klauseln 100 8. §§ 478, 445a BGB 101 9. §§ 611 ff., 675 ff 102 10. § 611 BGB 103 11. § 612 BGB 104 12. § 612a BGB 105 13. § 613 BGB 117 14. § 613a BGB 118 15. § 614 BGB 119 16. § 615 BGB 123 17. § 616 BGB 124 18. § 617 BGB 125 19. § 618 BGB 126 20. § 619a BGB 127 21. §§ 620–622 BGB 128 22. § 623 BGB 129 23. § 624 BGB 130 24. § 625 BGB 131 25. §§ 626, 627 BGB 133 26. § 628 BGB 134 27. § 629 BGB 135 28. § 630 BGB 136 29. § 655a BGB 137 30. § 675 BGB 138 31. §§ 675, 663 139 32. §§ 675, 665 140 33. §§ 675, 666 141 34. §§ 675, 667 BGB 142 35. §§ 675, 668 BGB 143 36. §§ 675, 669, 670 BGB 144 37. §§ 675, 671 BGB 145 38. §§ 675, 672, 673 BGB 146 39. §§ 675, 674 BGB 147 40. § 810 BGB 148 41. § 855 BGB III. 1. 2. 3.

IV. 1.

2.

149 Datenschutzrecht Datenschutzrechtliche Fragen bei Vermittlung bzw. Abschluss von Geschäften durch den 152 HV 156 Kundenbetreuung durch den HV

Emde

3. 4.

5.

6. 7.

V. 1.

Vermittlung von Geschäften über Produkte 157 oder Dienstleistungen des Unternehmens Zulässigkeit der Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten für die Kundenanspra158 che Anzeige des Ausscheidens des bisherigen HV aus der Absatzorganisation des Unternehmens 159 und Eintritt eines neuen HV 160 Gemeinsamer Verantwortlicher Datenschutzrechtliche Fragen im Franchise161 recht 162 Kartellrecht 163 Europäisches Kartellrecht 164 a) Einleitung b) Häufige Formen wettbewerbsbeschränken166 der Abreden in Vertriebsverträgen c) Verbot wettbewerbsbeschränkender Abreden 169 nach Art. 101 AEUV 169 aa) Grundlagen bb) Kartellrechtsneutrale Nebenabreden 170 (Immanenztheorie) 173 cc) Wettbewerbsverhältnis dd) Spürbarkeit der Wettbewerbsklau174 sel 178 ee) Zwischenstaatlichkeitsklausel 181 ff) Art. 101 Abs. 3 AEUV 181 (1) Einleitung (2) Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) als Konkretisierung der Generalklausel des Art. 101 186 Abs. 3 AEUV (2) Fallgruppen des Art. 101 Abs. 3 188 AEUV (a) Verbesserung der Warener188 zeugung (b) Verbesserung der Warenver189 teilung (c) Förderung des technischen 190 Fortschritts (d) Förderung des wirtschaftli191 chen Fortschritts (e) Gewinnbeteiligung der Ver192 braucher 193 gg) Prüfungsreihenfolge 197 hh) Umfang der Nichtigkeit 198 ii) Beweislast d) Selektive Vertriebssysteme und Art. 101 199 AEUV aa) Qualitativ-selektive Vertriebssys199 teme 199 (1) Überblick (2) Zulässigkeit des selektiven Ver201 triebs 201 (a) Einführung

2

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

(b)

e) f)

g)

3

Kriterien für die Zulässigkeit des Selektivvertrie202 bes (c) Insbesondere Luxuswa209 ren (d) Produkte, bei denen die Zulässigkeit eines selektiven Vertriebssystems diskutiert 212 wird (3) Internetvertrieb im selektiven Ver214 triebssystem (4) Beispiele zulässiger und unzulässiger Selektionsmerk220 male 225 (5) Zulassungsanspruch bb) Quantitativ-selektive Vertriebssys226 teme 227 Art. 106 AEUV 228 Handelsvertreter-Kartellrecht aa) Historie des Handelsvertreter-Kartell228 rechts bb) Die Leitlinien zur GVO 330/ 242 2010 242 (1) Genese (2) Übersicht über Inhalt und Syste245 matik der LL 250 (3) Rechtsnatur der LL 251 (4) Zeitliche Geltung der LL 252 (5) Handelsvertreterverträge (a) TB-Voraussetzungen eines Handelsvertretervertrages im kartellrechtlichen Sinne („echter“ HV-Ver252 trag) (b) Rechtsfolgen „echter“ Handelsvertreterver275 träge (6) Eigenhändlergleiche „unechte“ 281 Handelsvertreterverträge 282 (7) Zwischenergebnis cc) Unechte Vertragshändler- oder Franchi283 severträge? Freistellung nach der kartellrechtlichen 284 Gruppenfreistellungsverordnungen 284 aa) Die GVO 330/2010 284 (1) Einleitung (2) Franchisesysteme, GVO und Kar290 tellrecht bb) Zu den Einzelregelungen der GVO 330/ 291 10 (1) Erwägungsgründe der GVO 330/ 291 10 293 (2) Art. 1 GVO 298 (3) Art. 2 GVO 306 (4) Art. 3 GVO 309 (5) Art. 4 GVO

2.

Vor § 84

352 (6) Art. 5 GVO 368 (7) Art. 6 GVO 369 (8) Art. 7–10 GVO 370 cc) Die Kfz-GVO 461/10 370 (1) Historie der Kfz-GVOs (2) Ergänzende Leitlinien (LL) und häufig gestellte Fragen zur 375 Kfz-GVO (3) Kfz-Vertrieb unter den neuem Re376 gelungsregime der GVOs (a) Wo wird der Kfz-Vertrieb ge376 regelt? (b) Zulässige Vereinbarungen 378 zum Vertrieb (c) Neuwagenvertrieb durch autorisierte Werkstät382 ten? 387 (d) Kündigungsgründe (4) Fortschreibung einzelner Händlerschutzbestimmungen in den Selbstverpflichtungskatalogen und den Händlerverträ388 gen (5) Zu den einzelnen Regelungen 396 der Kfz-GVO 396 (a) Art. 1 Kfz-GVO 399 (b) Art. 2 Kfz-GVO 403 (c) Art. 3 Kfz-GVO 404 (d) Art. 4 Kfz-GVO 407 (e) Art. 5 Kfz-GVO 412 (1) Zu (1) 417 (2) Zu (2) 418 (3) Zu (3) (4) Zugang zu technischen 419 Informationen 420 (f) Art. 6 Kfz-GVO 421 (g) Art. 7 Kfz-GVO 422 (h) Art. 8 Kfz-GVO 423 cc) Alt Kfz-GVO 1400/02 424 dd) GVO 1217/10 425 Deutsches Kartellrecht 425 a) Einleitung 432 b) Bagatellbekanntmachung 434 c) §§ 19, 20 Abs. 1 GWB 434 aa) Einführung 434 (1) Bedeutung des § 19 GWB (a) Anwendungsbe434 reich (b) Systematik der Vor436 schrift 439 (2) Kündigungsschutz? 442 (3) Auslauffrist? 443 (4) Beweislast (5) Unterschiedliche Behand444 lung 446 (6) Unbillige Behinderung

Emde

Vor § 84

1. Buch. Handelsstand

(7)

Ermessen des Unternehmers bei der Gestaltung des Vertriebssys447 tems (a) Gleichbehandlung der selbständigen Vertriebsmittler 449 untereinander (b) Gleichbehandlung zwischen Vertriebsmittlern und konzerneigenen Vertriebsge450 sellschaften (c) Vertragliche Verpflichtung des Unternehmers zum Vertriebssystem ausschließlich mit unabhängigen Vertriebs455 mittlern 456 bb) Zu § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB (1) Marktbeherrschende Unterneh456 men (2) Gleichartiges Unterneh457 men 458 (3) Maßgeblicher Markt 459 (4) Alleinbezugsverpflichtungen 460 (5) Verkaufsanreize 461 cc) Zu § 20 Abs. 1 GWB dd) Rechtsfolgen des Verstoßes gegen das Behinderungs- und Diskriminie465 rungsverbot ee) Kontrahierungsanspruch, Belieferungsanspruch und ihr Verhältnis zum Scha466 denersatzanspruch 466 (1) Einleitung (2) Kontrahierungsanspruch aus §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB i. V. m. 468 § 33 Abs. 3 GWB (a) Grundlagen des Kontrahie468 rungsanspruchs (b) Kontrahierungsanspruch ist nicht auf selektive Vertriebssysteme be470 schränkt (c) Zeitpunkt des Vorhandenseins der Selektionskrite471 rien 472 (d) Abhängigkeit (3) Anspruch aus § 33 Abs. 1, 3 i. V. m. 473 Art. 101 AEUV 473 (a) Streitstand 474 (b) Ansicht des BGH (c) Zustimmung und Kritik an der Ansicht 476 des BGH (4) Kein Kontrahierungs- und Belieferungsanspruch bei Unwirksamkeit 479 des Vertriebssystems (5) Sachlicher Grund für die Nichter480 füllung des Anspruches

Emde

(6)

Kündigung trotz Kontrahierungs481 zwanges? (7) Verweigerung der Aufnahme nach 484 vorheriger Kündigung? (8) Darlegungs- und Beweis485 last (9) Entscheidung über den Zulas486 sungsanspruch (10) Gerichtlicher Rechts487 schutz 488 (11) Beispiele (12) Aufnahme als Vertragswerkstatt in das Werkstattnetz des Unterneh489 mers 511 (13) Belieferungsanspruch 511 (a) Zulässigkeit 512 (b) Begründetheit (c) Belieferungspflicht in quantitativen Vertriebsbindungs513 systemen (14) Belieferungspflicht mit Ersatztei514 len 515 Gerichtlicher Rechtsschutz

ff) VI. 1. 2.

3.

516 UWG Zulässigkeit UWG-rechtlicher Streitigkei517 ten Begründetheit UWG-rechtlicher Streitigkei518 ten 518 a) Fehlende Wettbewerbswidrigkeit 519 b) Wettbewerbswidriges Verhalten 520 Zurechnung

VII. Das Antidiskriminierungsgesetz (AGG) VIII. ZAG

521

524

IX.

Versicherungsrechtliche Repräsentanteneigen525 schaft

X.

Berufsverbote

XI.

Beweislast

F.

Zwingendes Recht

G.

Spannungsverhältnis zwischen gesetzlichem Leitbild und rechtstatsächlicher Erscheinungs531 form

H.

Andere Formen von Absatzmittlern

I. 1. 2. 3.

Wahl der Vertriebsform 533 Arbeitnehmer? Eigene Niederlassungen? 535 Vertriebsmittler?

526 527 528

532

532 534

4

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

a) b)

4.

Franchisenehmer? 536 537 Handelsvertreter oder Makler? aa) Abgrenzung zwischen Handelsvertre538 ter- und Maklervertrag bb) Nachteil des Handelsvertretervertrages: Zwingendes Recht und Ausgleichsan539 spruch 540 c) Eigenhändlerverträge? 543 Vergütung

II.

Handelsvertreterähnliche Mittler

III.

Handelsvertreterähnliche Stellung

IV.

Beispiele

V.

Typenkombinationsverträge

VI. 1.

562 Vertragshändler Übereinstimmungen und Unterschiede in 562 der Funktion 569 Abgrenzung vom Fachhändler 570 Vertragsschluss Anwendbares Recht und wechselseitige Pflich571 ten 598 Die Entlohnung des Vertragshändlers Preisanpassung – Anpassung des Händlerrabat599 tes 601 a) Individualverträge 604 b) AGB 605 Änderungen des Sortiments Rückgaberecht/Rücknahmepflicht für Vertragswa606 re nach Vertragsende a) Rechtsgrundlage der Rücknahme607 pflicht 608 b) Grund der Vertragsbeendigung c) Vertragliche Bestimmung des Rücknahme609 rechts d) Vertragliche Beschränkung des Rücknahme610 rechts 611 e) Umfang der Rücknahmepflicht 612 f) Rücknahmepreis 613 g) Fälligkeit des Rücknahmeanspruchs 614 h) Verjährung und Verwirkung 616 i) Darlegungs- und Beweislast 617 j) Rückkaufrecht des Unternehmers

5. 6.

544 548

560 7.

2. 3. 4. 5. 6.

7. 8.

561

618 VII. Franchiserecht 620 1. Die unterschiedlichen Franchisesysteme 623 2. Abgrenzung vom Unselbständigen 623 a) Einleitung: 624 b) Fallgruppen 629 c) Arbeitnehmerüberlassung 630 3. Rechtsnatur 4. Abgrenzung zu anderen vertriebsrechtlichen Ver631 trägen

5

8. 9.

10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.

632 Abschluss 634 Aufklärungspflichten und Täuschung 635 a) Pflichten des FG aa) Pflicht zur vollständigen Aufklä636 rung 638 (1) Inhalt 642 (2) Zeitpunkt 643 (3) Form 645 bb) Täuschungshandlungen 646 cc) Rechtsfolgen 648 dd) Beweislast 649 ee) Mitverschulden ff) Haftung von Verhandlungsgehil650 fen 651 b) Pflichten des FN 652 Widerrufsrecht a) Widerrufsrecht nur bei Verbraucherverträ652 gen 654 b) Inhalt der Widerrufsbelehrung c) Rechtsmissbräuchlichkeit des Widerrufs655 rechts 656 d) Rechtsfolgen des Widerrufsrechts 660 Anwendbare Vorschriften 661 Leistungsinhalt a) Leistungspflichten des Franchiseneh662 mers b) Leistungspflicht des Franchisege664 bers c) Änderungen des Franchisehandbu665 ches 667 Gleichbehandlungsgebot 668 Vertragliche Vereinbarung 669 Leistungsstörungen 672 Nichtigkeit Teilhabe des Franchisenehmers an Einkaufsvortei676 len des Franchisegebers 684 Franchisenetzwerkhaftung Vertragspartner des Kunden – Geschäft mit dem 685 FG? 686 Vertragsende 687 Steuerrecht

VIII. Tippgeber IX. 1. 2.

Vor § 84

688

689 Kommissionär und Kommissionsagent Erscheinungsbild, Rechtsnatur und anwendbares 689 Recht Abgrenzung von anderen Vertriebsverträ693 gen 696

X.

Handelsmakler

I.

Gerichtliche Zuständigkeit und Auslegungsfra697 gen

Emde

Vor § 84

1. Buch. Handelsstand

I.

Erfüllungs- und Leistungsort sowie Gerichtsstand 697 des Erfüllungsortes

II.

Erfüllungsort für die Pflichten des Vertriebsmitt700 lers

III.

Erfüllungsort für die Pflichten des Unterneh704 mers

IV.

Einheitserfüllungsort nach Art. 7 Nr. 1 lit b. 706 EuGVVO

V.

Weitere vertriebsrechtliche Gerichtsstände nach 719 der EuGVVO 719 Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 3 EuGVVO Niederlassung des Prinzipals i. S. d. Art. 7 Nr. 5 721 EuGVVO

1. 2.

VI.

Einheitserfüllungsort und -gerichtsstand außerhalb des Anwendungsbereichs 722 der EuGVVO?

VII. „Ingmar-Gerichtstand“

733

VIII. Gerichtsstandsklauseln und ihre Unwirksamkeit, 737 etwa wegen Vereitelung der Ziele der RL 737 1. Zulässigkeit von Gerichtsstandsklauseln 741 2. Unwirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln a) Wege zur Kontrolle der Gerichtsstandsklau742 seln b) Verfahrensrechtliche Sicherung der „Ing743 mar-Rechtsprechung“ aa) Effektive Durchsetzung des materiellrechtlichen Schutzes durch das Verfah743 rensrecht bb) Ausdehnung des Schutzes auf andere zwingende Vorschriften als den Aus749 gleichsanspruch? cc) Verfahrensrechtlicher Schutz der euro751 päischen Rechte voreinander? dd) Ausdehnung der Ingmar-Rechtspre752 chung? ee) Schutz durch die §§ 305 ff. 755 BGB? IX. 1. 2. 3.

757 Schiedsabreden 757 Einführung 760 Inhalt der Streitigkeiten 761 Schieds- und Rechtswahlklausel a) Schiedsort und Schiedsgerichtsord761 nung 764 b) Unwirksamkeit der Schiedsklausel aa) Unwirksamkeit aus europäischer 764 Sicht bb) Unwirksamkeit aus außereuropäischer 772 Sicht

Emde

4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.

Wie lassen sich mögliche Unwirksamkeitsgründe 773 in das Schiedsverfahren einführen? 784 Umfang der Unwirksamkeit 785 § 1051 ZPO und Rechtswahl 786 Anerkennung und Aufhebungsverfahren Wahl der Schiedsrichter und der Parteivertre787 ter 793 Schriftsätze 799 Gutachten zum anwendbaren Recht 802 Andere Gutachten 803 Mündliche Verhandlung „Closing Statement“ und „Post hearing 818 brief“ Besondere Anforderungen an die Sorgsam819 keit 821 Verteilung der Kosten

J.

Allgemeines zum gerichtlichen Verfah823 ren

I.

Sachliche Zuständigkeit

II.

Schiedsverfahren

III.

Örtliche Zuständigkeit

IV.

Beweislast

V.

Eilverfahren

VI.

Revisionsgerichtliche Überprüfung

823

824 825

826 827 828

VII. Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündi829 gung VIII. Internationale Vertriebsrechtsstreitigkei830 ten 832

K.

Verjährung

I.

Inhalt der gesetzlichen Regelung

II.

Geltungsbereich der gesetzlichen Rege834 lung

III. 1. 2. 3. 4.

835 Verjährung in Einzelfällen 835 Provisionen 836 Informationsrechte (§ 87c) 837 Ausgleichsanspruch 838 Kenntnis oder Kennenmüssen a) Kenntnis oder Kennenmüssen bei Provisi839 onsansprüchen b) Kenntnis oder Kennenmüssen beim Aus840 gleichsanspruch Ergänzend: Deliktischer Verjährungsschutz/§ 242 841 BGB

5.

832

6

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

6.

Vereinbarungen über die Verjährungs842 frist

L.

Verwirkung

Vor § 84

845

A. Der Befund Die Bedeutung der §§ 84 ff. sowie des gesamten Vertriebsrechts wird unterschätzt. Jeder Unterneh- 1 mer muss seine Produkte absetzen, sei es über eigene Arbeitnehmer oder selbständige Vertriebsmittler. Durch das Internet hat sich die Bedeutung des klassischen Vertriebsrechts der §§ 84 ff. kaum reduziert,1 zumal auch viele Internet-Vermittler HV oder andere Vertriebsmittler sind.2 Entweder ist daher Arbeits- oder Vertriebsrecht berufen, die Absatzbemühungen der Unternehmer normatorisch zu regeln. Letzteres3 – im überkommenen, engeren Sinne – unterfällt der unmitelbaren, jedenfalls aber der analogen Anwendung der §§ 84 ff. Die §§ 84 ff. regeln seit Bestehen des heutigen HGB das Handelsvertreterrecht. Alle wesentli- 2 chen Rechte und Pflichten des HV sind hier niedergelegt. Schließen die Vertragspartner keinen abweichenden Vertrag, wird durch die §§ 84 ff. ein gesetzestypischer „Mustervertrag“ formuliert. Analog angewandt haben diese Normen Bedeutung im ungeschriebenen Recht handelsvertreterähnlicher Mittler (Rn 544 ff.), etwa im Vertragshändler-, Franchise- und Kommissionsagentenrecht. Gleichwohl sind HV-Recht und das aus ihm entwickelte Recht HV-ähnlicher Vertriebsmittler, wie das gesamte deutsche Recht, Fallrecht. Die Mär kodifizierten Rechts stammt aus der Zeit der Begriffsjurisprudenz. Die §§ 84 ff. bleiben ausfüllungsbedürftig. Paradigma sind die §§ 89a, 89b, bei denen unbestimmte Rechtsbegriffe der Präzisierung durch Richterrecht harren. Weder lassen sich § 89a wichtige Gründe zur Vertragskündigung entnehmen, noch regelt § 89b die Berechnungsgrundlagen des Ausgleichs in der erforderlichen Präzision. Vertriebsrecht ist zudem typisches Praktikerrecht, was zu einer gewissen Phantasielosigkeit der Rechtsauslegung geführt hat. Wenn systematische Inkonsistenz gerügt wird, entgegnen die Richter, entschieden werde der Einzelfall unter Betonung der Einzelfallgerechtigkeit. Interessenwahrungspflicht (§ 86 Abs. 1) und Billigkeit (§ 89b Abs. 1 Nr. 2) geben hier besondere weit geöffnete Einfallstore. Der HV-Vertrag gehört zur Gruppe der Vermittlerverträge, zu denen die gesetzlich kodifi- 3 zierten Typen des Makler- und des Handelsvertretervertrages zählen. Gesetzlich nicht normiert sind etwa Vertragshändler-,4 Franchise-, Kommissionsagenten- und Vertriebslizenzverträge, de-

1 Gleichwohl wird vielfach eine Gegenansicht vertreten: Durch die zunehmende Bedeutung des Internets als Vertriebsplattform, die Online-Angebote auf den Plan gerufen hat, soll die Bedeutung der stationären Vertriebsstätten sinken. Der Unternehmer soll nicht mehr im selben Maße wie früher auf die Kooperation mit HV oder anderen Vertriebsmittlern angewiesen sein, um seine Leistungen flächendeckend zu vermarkten und anbieten zu können. Der funktionelle Schwerpunkt der Tätigkeit stationärer Verkaufsstellen soll künftig nicht auf dem Veräußerungsvorgang, sondern auf Service- und Beratungsleistungen liegen (s. etwa LG Frankfurt/M., Urt. v. 15.6.2016 – 2-06 O 79/16, NZKart 2016, 389 Rn 2 zu Reisebüros; Thume BB 2018, 770 zu Kfz-Mittlern Martinek ZVertriebsR 2019, 273). Martinek ZVertriebsR 2018, 139 (143) weist jedoch zutreffend darauf hin, dass sich das klassische Vertriebsrecht gut behauptet. Auch im Versicherungsvertrieb hat der Direktvertrieb über das Internet wenig geändert, s. Kaesler VW 11/2019, S. 33. 2 Siehe Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659 (663); Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359; Emde/Valdini BB 2016, 899 zu Hotelportalen. 3 Der Begriff des „Vertriebsrechts“, früher eindeutig nur als Absatzmittlerrecht der §§ 84 ff., direkt oder analog angewandt, verstanden, hat heute eine weniger eingegrenztes Bedeutung (Martinek ZVertriebsR 2016, 343 ff.) – siehe etwa die §§ 312 bis 312k BGB. 4 Das Vertragshändlerrecht blieb in den meisten europäischen Ländern ungeregelt, s. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2017, 60 (62). Ausnahme: Belgien. 7

Emde

Vor § 84

1. Buch. Handelsstand

ren vertriebsrechtliche Bestimmungen dem analog angewandten HV-Recht unterstehen.5 Vor allem das HV-Recht und das letztgenannte Recht HV-ähnlicher Vertriebsmittler werden unter dem Begriff des Vertriebsrechts zusammengeführt.6 Zahl und Bedeutung der Äußerungen in der Literatur sowie der richterlichen Entscheidungen verschiebt sich immer mehr vom Handelsvertreterrecht zum Recht HV-ähnlicher Vertriebsmittler.7 4 § 84 spricht allgemein von der Vermittlung oder dem Abschluss von „Geschäften“. Im Wirtschaftsleben überwiegt die Vermittlung im Warengeschäft, weshalb auch das Recht des Warenvertreters – und nur dieses – durch die HV-Richtlinie 1986 (RL) geregelt wurde. Rechtstatsächlich bedeutsam sind jedoch auch HV als Vermittler anderer Wirtschaftsgüter, etwa von Versicherungen über Bausparverträge bis zu Patentlizenzen. Der HV ist der vorgeschobene Beobachtungsposten seines Auftraggebers. Seine Tätigkeit wird oft der von eigenen Mitarbeitern oder Niederlassungen des Unternehmers vorgezogen8: Für Unternehmer ist es günstiger und rationeller, sich der Dienste eines selbständigen Mittlers zu versichern.9 Ihm schuldet der Unternehmer weder Urlaub10 oder Sozialabgaben, noch muss er die Kosten des Personals des Mittlers tragen. Der Mittler hat den Unternehmer über die Strömungen des Marktes, die Aufnahmefähigkeit desselben, das marktwirksame Auftreten neuer Technologien und die Reaktion der Kundschaft hierauf, die Liquidität der Kunden und ihre Wünsche informiert zu halten. Er ist Geschäftsmittler in einem erweitert zu denkenden Pflichtenkreis zur Förderung und Wahrung der Interessen dessen, für den er tätig wird und von dem er hierzu bestellt ist. 5 Vor allem in der älteren Literatur wurde dem HGB-Gesetzgeber unterstellt, er habe den HV als eine Art Handelsgehilfen,11 nicht als selbständigen Kaufmann, skizziert.12 Von Brunn13 sah den Handelsvertreter der Novelle 1953 als eine Art Zwitter zwischen Unternehmer und Angestelltem.14 Aber dieses Bild des Handelsvertreters entspricht nicht dem Gesetz. Denn das HGB 1897 sowie alle folgenden Novellierungen hatten die rechtliche Selbständigkeit des Handelsvertreters bewusst betont15 und dem Vertreter einen Raum eigenständiger Organisationsautonomie und unternehmerischer Verantwortlichkeit zugewiesen, der die rechtliche Stellung des Handelsvertreters mit der des Handlungsgehilfen unvergleichbar macht. Bereits die Materialien zum HGB 1897 gingen mit Selbstverständlichkeit davon aus, dass es dem HV als selbstständigem Kaufmann oblag, die äußeren Rahmenbedingungen seiner Tätigkeit, wie etwa die Herstellung einer einsatzfähigen, planmäßig gegliederten Ge-

5 Übersichtsartige Darstellung der Vor- und Nachteile der verschiedenen Vertragstypen bei Emde NJOZ 2018, 441 ff.

6 Hierzu und zu den Untergruppen des Vertriebsrechts Martinek ZVertriebsR 2018, 139 ff.; ZVertriebsR 2012, 2 ff. 7 Zu statistischen Erhebungen über richterliche Entscheidungen Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (5). 8 Zu den Varianten eines unternehmerischen Vertriebssystems Karsten Schmidt JuS 2008, 665 ff. 9 Hopt/Tzouganatos/Mankowski 131 (132). 10 OLG München, Urt. v. 26.1.2012 – 23 U 3798/11, WM 2012, 1743. 11 AA mit klarer Darstellung des Problemkreises Michalski S. 282 ff. vgl. zum Parallelproblem beim Prokuristen Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 48 Rn 13.

12 Tendenziell oder ausdrücklich Antrag zu § 89 des Entwurfes, in: Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines H.G.B., S. 50; Schubert/Schmiedel/Krampe II/2 S. 1296; Düringer/Hachenburg1 § 84 Anm. I 1 (zum 1. Entwurf); Gutachten der Handelskammern zu Hamburg, Bremen und Lübeck, S. 15 (zum 2. Entwurf); v. Gierke ZHR 117 (1955), 138 (141 f.); Rodig BB 1952, 893, überzeugend dagegen Engel BB 1953, 47. 13 S. 5. 14 Vgl. auch Rittner WuW 1993, 592 (605): „rechtstatsächlich zwischen Arbeitnehmern und Vertragshändlern“. 15 Denkschrift zur Reichstagsvorlage eines HGB, S. 67, 72 f.; Schubert/Schmiedel/Krampe II/2, S. 1005, 1009 f.; Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines H.G.B., S. 49 f.; Schubert/Schmiedel/Krampe II/2, S. 1296; Handelsblatt v. 14.7.1952; Würdinger JR 1953, 437; Staub/Brüggemann4 Vor § 84 Rn 2. Emde

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schäftsorganisation in Eigenverantwortung zu planen. Der besondere Stellenwert dieser Organisationsautonomie16 und die aus ihr folgende Abgrenzung des HV vom Handlungsgehilfen wurde gerade in der Wissenschaft wiederholt hervorgehoben.17 Der Vertreter sei in der Schaffung seiner Vertriebsorganisation „rechtlich selbstbestimmt“ und in der Organisation des Geschäftes sein eigener Herr.18 Eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Vertriebsmittlers vom Unternehmer ist auch angesichts 6 der kurzen Kündigungsfristen des § 89 gleichwohl unverkennbar.19 Sie wird durch erhebliche Investitionen des Mittlers (Paradigma: Kfz-Vertriebsmittler, als Handelsvertreter etwa Mercedes-BenzHändler) noch intensiviert. Auch sie erschweren es dem HV, gegenüber dem Unternehmer gleichberechtigt aufzutreten,20 und dies nicht erst seit 1918.21 Die Selbständigkeit des HV erschöpft sich daher oft in seinem rechtlichen Status. Deshalb ist das Handelsvertreterrecht, auch unter der RL, in weitem Umfang Schutzrecht zu Gunsten des HV22 und enthält zahlreiche zwingende Normen. Schon ob der Unternehmer das vermittelte Geschäft abschliessen will, steht grundsätzlich bei ihm. Nicht nur, dass der HV der Entlohnung für seine Vermittlungsbemühungen, seiner Provision, verlustig geht, wenn der Unternehmer das vermittelte Geschäft ablehnt: die endgültige Entstehung des Provisionsanspruchs hängt im Falle des Abschlusses noch davon ab, ob das vermittelte und abgeschlossene Geschäft ausgeführt wird und die Gegenleistung beim Unternehmer eingeht (§ 87a). Aber auch jede Umstellung in der Produktion, jede Maßnahme der Preispolitik, jede Disposition über Vertriebsschwerpunkte hat der Handelsvertreter im Grundsatz so hinzunehmen, wie sie vom Unternehmer getroffen werden, und selbst wenn sie – im Rahmen eines Ermessensspielraums (Business judgement rule) – fehlerhaft getroffen werden. Nur für diese Grenze überschreitende Dispositionen, insbesondere willkürliche, haftet der Unternehmer nach § 280 BGB (zum Dispositionsrecht, s. § 86a). Verlieren die Produkte des Unternehmers an Attraktivität, wirkt sich das auf die Verdienst- 7 chancen des Handelsvertreters unmittelbar aus. Er ist in seinem wirtschaftlichen Schicksal mit dem Wohl und Wehe des Unternehmens, für das er tätig wird, verbunden. Gegen solche Abhängigkeit ist seine Selbständigkeit ein Korrektiv nur insofern, als sie ihm gestattet, sein Risiko zu verteilen und Agenturverträge mit mehreren Unternehmern nebeneinander einzugehen – sofern diese nicht miteinander in Wettbewerb stehen oder dem Unternehmer die Mehrfachtätigkeit aus anderem Grunde unzumutbar bleibt. Selbst das noch kann dem sogenannten Einfirmenvertreter des § 92a vertraglich untersagt oder praktisch unmöglich sein. Vor allem aber beschränkt den Handelsvertreter die Endlichkeit seiner Arbeitskraft. Nur wenigen Groß-Handelsvertretern gelingt es, ein auf viele Vertretungen gestütztes Handelsvertreterunternehmen mit zahlreichen Untervertretern oder Angestellten aufzubauen. Realistischerweise kann ein typischer HV ohne Angestellte nur zwischen ein und vier Vertretungen betreuen, es sei denn, die von ihm beworbenen Produkte werden an einen einheitlichen Kundenkreis veräußert. Damit ist er regelmäßig von den wenigen, vertretenen Unternehmen wirtschaftlich abhängig. Unter dem Druck eines kurzfristigen Kündigungsrechts nach § 89 und ohne gewerkschaftliche Repräsentanz – ein „Streik“ wäre eine zur Kündigung berechtigende Leistungsverweigerung – ist der Mittler – insbesondere zur Höhe der Provision – schnell bereit, Zugeständnisse zu machen. Gerade nach Ende der

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Vgl. hierzu auch Ekkenga S. 118; Glanegger/Ruß § 86 Rn 6. Overlach S. 41 f.; Schmidt-Rimpler S. 28 f.; Stolterfoht S. 125 ff.; Hirsch in: FS Tiburtius, S. 396. Schmidt-Rimpler S. 28 f. BGH, Urt. v. 25.10.2012 – VII ZR 56/11, NJW 2013, 2027 = BB 2012, 3098 Rn 28 m. Anm. Hilgard zum HV und § 90a. BVerfG, Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NZA 1990, 389 (390); BGH, Urt. v. 20.9.2006 – VIII ZR 100/05, BB 2006, 2492 (2493). 21 So aber BVerfG, Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NZA 1990, 389 (390). 22 Canaris § 17 Rn 16. 9

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Aufbauphase und wenn die Vertretung „gut läuft“ neigen Unternehmer dazu, Provisionskürzungen durchzusetzen und notfalls den Vertrag zu beenden. Um den Ausgleichsanspruch zu sparen, sind sie bei der Suche nach „wichtigen Kündigungsgründen“ im Sinne der § 89a, § 89b Abs. 3 erfinderisch. Der Ausgleichsanspruch als „kleiner Kündigungschutz“ des HV bildet eine vergleichsweise niedrige Kündigungsschranke. Dabei trifft insbesondere den älteren HV eine solche Kündigung hart. Weil Unternehmen mit ihren Handelsvertretern langfristig zusammenarbeiten wollen, findet etwa ein 55-jähriger Vertreter meist keine neue, zufriedenstellende Vertretung. 8 Diese Diskrepanz zwischen gesetztem Recht – das HGB von 1897 hatte mit den §§ 84 bis 92 (a. F.) erstmals in der Welt eine gesetzliche Regelung des Rechts des Handelsvertreters, damals Handlungsagent genannt, gebracht – und der beruflich-ökonomischen Wirklichkeit war, beginnend mit den Jahren nach dem ersten Weltkrieg, unübersehbar geworden. Nicht wenige Unternehmer gingen dazu über, anstelle der durch Tarife und Sozialversicherung teurer gewordenen Arbeitskraft von angestellten Reisenden äußerlich selbständige Handelsvertreter einzusetzen. Diese waren auf die Fristung ihrer Existenz mit oft kümmerlichen Provisionen angewiesen. Die Berufsnot nach dem zweiten Weltkrieg stärkte die Dringlichkeit einer Reform. Sie erfolgte durch das „Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuches (Recht der Handelsvertreter)“ vom 6.8.1953 (BGBl. I, 771), in Kraft seit 1.12.1953.23 9 Der 7. Abschnitt des HGB gibt vor, vom geschlossenen Bild eines Berufsstandes des HV auszugehen. Dabei dürfte es sich um ein Missverständnis handeln: Die Gesetzesfassung scheint auf die Person des HV abzustellen (vgl. Wortlaut des § 84 Abs. 1 „Handelsvertreter ist …“). Tatsächlich wird in § 84 nicht die Person des HV definiert, sondern ein schuldrechtlicher Vertrag, der noch nicht einmal mit einer natürlichen Person geschlossen sein muss. Vielmehr können auch juristische Personen24 jeder Art und sogar Anstalten des öffentlichen Rechts, die privatrechtlich tätig werden, Handelsvertreter sein. Der Vertragsschließende braucht noch nicht einmal ausschließlich als Handelsvertreter Geschäfte zu schließen. Wie schon § 92b zeigt, kann er außerhalb des HV-Vertrages in gänzlich anderen Tätigkeiten seinen Erwerb finden. Die §§ 84 ff. regeln mithin nicht ein Berufsbild oder die rechtlichen Verhältnisse einer Person. Sie sind vertragsund nicht personenbezogen.25 Handelsvertretertätigkeit ist eine rein schuldrechtliche Funktion. Rechtstatsächlich beweisen dies die HV im Nebenberuf, von der historischen, mit einem Ladengeschäft verbundenen Annahmestelle für Laufmaschenreparaturen bis hin zu dem Studenten, der für Zeitschriftenabonnements wirbt, von der Agentur für bestimmte Versandhäuser, die sich ein Geschäftsmann nebenher übertragen lässt, bis zu den großen Import- und Exportagenturen, die nicht selten ebenfalls neben sonstiger handelsgewerblicher Betätigung ihrer Inhaber (Makelei, Kommissionshandel) betrieben werden. Es gibt nicht „den“ Handelsvertreter als berufsständisch fixierten Typ. Einiges wertvolles Material zum rechtstatsächlichen Phänotyp findet sich bei Stolterfoth Die Selbständigkeit des Handelsvertreters (1973), der der Novelle 1953 (S. 32 ff.) einen Leitbild-Pluralismus bescheinigt, bei Emde Die Handelsvertreter-GmbH, 1994, sowie für eine Einzelsparte in der Schrift von Rehbinder Der Tankstellenvertrag im Blickfeld der Rechtstatsachenforschung (1971). Eine Konturenschwäche des Spektrums kann konstatiert werden. Sie verstärkt sich aus dem Bestreben aller Branchen, den personalkostenaufwendigen und durch arbeitsrechtliche Schutzvorschriften eingeengten Vertrieb durch angestellte Vertreter oder durch Filialen zu ersparen und stattdessen auf den Vertrieb durch Handelsvertreter oder anderer Vertriebsmittler auszuweichen.

23 Amtliche Begründung des Entwurfs: BT-Drucks. I/3856. 24 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, 1994, passim; Emde GmbHR 1999, 1005 ff. 25 S. Canaris § 17 Rn 5. Gleiches gilt für die RL, s. Schlussanträge des Generalanwalts Szpuna v. 10.9.2015 – C-315/ 14, ZVertriebsR 2015, 336, Rn 47 – geschäftsbezogener-, nicht personenbezogener Ansatz der RL. Emde

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B. Die Genese des Handelsvertreterrechts I. Gesetzgebungsgeschichte bis zur Handelsvertreter-Richtlinie 1986 (RL) Der Begriff des HV blickt auf eine überschaubare Lebenszeit zurück. Gesetzessprache wurde er erst 10 durch die HGB-Novelle vom 6.8.1953.26 Zuvor hieß der Handelsvertreter gegen den Widerstand der Berufsverbände27 „Handlungsagent“. Obwohl der Berufsstand rechtstatsächlich längst bekannt war28 wurde er erst nach langem Zögern des Gesetzgebers, das sich über das ADHGB,29 welches nur Dienstvertrags- sowie Handelsmaklerrecht (Art. 66 ff.) kannte,30 bis in das HGB31 fortsetzte, erstmals im Handelsgesetzbuch von 189732 einer umfassenden gesetzlichen Regelung unterworfen. Der Vergleich der historischen Gegebenheiten zur bis dato fehlenden Kodifikation des Vertragshändler- und Franchiserechts darf gezogen werden. Heute erscheint die Existenz des HV-Rechts selbstverständlich. Wohl die meisten Rechtsordnungen haben ebenso wie Deutschland das HV-Recht kodifiziert.33 Das gesetzliche Leitbild des HV, insb. über die verschiedenen Novellen, zu bestimmen 11 wurde als „hoffnungslos“34 oder gefährlich35 bezeichnet. Am ehesten lag dem HGB 1897 das Leitbild des selbstständigen, „königlichen Kaufmanns“36 zugrunde. Hierbei handelte es sich um einen Einzelkaufmann ohne Angestellte und Betriebsorganisation, der in Bildsprache als eleganter Geschäftsreisender mit Zylinder, Schnauzbart und Spazierstock37 oder als „Diplomat der Volkswirtschaft“38 beschrieben wurde.39 Dieses rechtstatsächliche Leitbild entsprach möglicherweise nie den Tatsachen und entspricht es auch heute nicht. Es wurde durch die Novelle 1953 vom Bild des eher schutzbedürftigen HV abgelöst. Im 20. Jahrhundert unterlag das Handelsvertreterrecht, motiviert durch das Bestreben, die 12 Vertreter vor dem regelmäßig existenten wirtschaftlichen Übergewicht des Unternehmers zu schützen, stärkeren Wandlungen als andere Bestimmungen über Handelsgeschäfte.40 Parallelen

26 BGBl. I/S. 771. 27 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, 1994, S. 11. 28 Garies Handelsgesetzbuch,2 1900, Vorb. zu § 84 I, S. 93 – spricht insoweit allerdings von einem Chaos von Namen, Beziehungen und Regeln, das zuerst der HGB-Gesetzgeber ordnete; sehr zurückhaltend auch Overlach Der Rechtsbegriff „Handlungsagent“, Diss. iur, Göttingen, 1926, S. 2 ff. 29 Vgl. Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Protokoll I – XVL, S. 105 f. Erwähnt wurden die Verhältnisse der Handlungsagenten (ohne diesen Begriff zu gebrauchen) nur in Art. 272 Nr. 4 ADHGB. Eine lesenswerte Zusammenfassung der ADHGB-Kommissionsberatungen zum Handlungsagentenrecht findet sich bei Hirsch in: FS Tiburtius, S. 386 ff. 30 Schmidt-Rimpler Der Handlungsagent, in: Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, 1926; Hopt § 84 Rn 2; MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 1; Oetker/Busche § 84 Rn 3. 31 Vgl. noch das Gutachten der Handelskammern zu Hamburg, Bremen und Lübeck, angefertigt zum 2. HGBEntwurf, S. 15 – das die Streichung der HGB-Vorschriften zum Agentenrecht empfahl. 32 V. 10.5.1897, RGBl. S. 219; eingehend zur Gesetzesgeschichte Eberstein S. 19 ff. Zum rechtstatsächlichen Erscheinungsbild damaliger HV siehe Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 11 ff. 33 Wirtschaftlich bedeutende Ausnahme: China, s. Glück ZVertriebsR 2015, 93 (100). 34 Behm Der Handelsagent, 1913, S. 1 f. 35 Stolterfoht Die Selbständigkeit des Handelsvertreters 1973, S. 54; hierzu auch Emde Die Handelsvertreter-GmbH, 1994, S. 52 ff. 36 Vgl. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches (Recht der Handelsvertreter), BT-Drucks. I/3856, S. 11. Stolterfoht S. 31 nimmt diesen Begriff auf. Siehe auch BVerfGE 81, 242 (257). 37 Jeske FAZ v. 29.3.1986. 38 Martin Deutsche Bergwerks-Zeitung v. 25.12.1932. 39 Eingehend Emde Die Handelsvertreter-GmbH, 1994, S. 12. 40 Karsten Schmidt Handelsrecht5 § 27 II 1. 11

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zum BGB-Dienstvertragsrecht, welches durch Schutzrecht zu Gunsten der Arbeitneh-mer ergänzt wurde, sind naheliegend. Die HGB-Novelle 1953 als erste große Neuordnung reformierte das HV-Recht umfassend und stärkte die Stellung des Mittlers.41 Neben der neuen gesetzlichen Bezeichnung, sozialen Schutzvorschriften zu Gunsten des wirtschaftlich unterlegenen HV,42 wurde, aufbauend auf ausländischen, z. B. österreichischen, polnischen, holländischen, jugoslawischen, französischen und rumänischen Vorgaben, der Ausgleichsanspruch eingeführt.43 Seine Vorbilder waren etwa § 25 des Österreichischen Handlungsagentengesetzes v. 24.6.1921 (das österreichische HV-Recht ist bis heute aus dem dortigen HGB ausgegliedert); Art. 1751 des italienischen Codice Civile v. 16.3.1942; Art. 418u des schweizerischen Obligationsrechts in der Regelung des schweizerischen Bundesgesetzes über den Agenturvertrag v. 4.2.1949; für Frankreich einerseits das loi instituant le statut légal de voyageurs représentants et placiers du commerce et de l’industrie v. 18.7.1937 i. V. m. Art. 29k – 29r Code du Travail, andererseits Art. 1984 ff. Code Civil, aber auch Vorarbeiten der Akademie des Deutschen Rechts44 und der Centralvereinigung der Deutschen Handelsvertreter- und Handelsmakler-Verbände (CDH)45 des Jahres 1949.46 Die bedeutsamste und für Mittler (wie Anwälte und Justizkassen) gewinnbringendste Ände13 rung der Novelle 1953 war die Normierung des zwingenden Ausgleichsanspruchs nach Beendigung des Vertragsverhältnisses (§ 89b). Auch zahlreiche andere den HV begünstigende Vorschriften hat die Novelle für zwingend erklärt. Der Novellengesetzgeber ist damit den Bestrebungen der Interessenvereinigungen der HV gefolgt, die am Gesetzgebungsverfahren maßgebend beteiligt waren. Abzulehnen ist die ohnehin der RL widersprechende und nur de lege ferenda interessieren14 de Ansicht von Staub/Brüggemann4, den zwingenden Schutz der Novelle 1953 auf den Kreis der HV des § 92a zu beschränken, so wie das Gesetz den Handelsvertreter im Nebenberuf von der Anwendung einiger zwingender Bestimmungen ausgenommen hat. Vielmehr sprechen, wie auch Staub/Brüggemann4 erkannt hat, zahlreiche Gründe für zwingendes Recht zugunsten jedes HV, vor allem dessen wirtschaftliche Abhängigkeit von seinem Unternehmer, die sich nicht auf den kleinen Kreis der von § 92a angesprochenen HV beschränkt. Weiter erbringt der HV persönliche Leistungen, mit denen er in Vorlage zu treten hat, was das Risiko der ausbleibenden Honorierung und damit der Abhängigkeit potenziert. Dies gilt auch für den Ausgleichsanspruch. Denn auch insoweit tritt der HV in Vorlage, da die gewonnenen Stammkundenbeziehungen durch die Provision für die vermittelten einzelnen Geschäfte noch nicht abgegolten sind. Schließlich wird durch die zwingenden Normen verhindert, dass Zustände wiederkehren, die jeweils nach den beiden Weltkriegen auftraten, als die Rechtsform des HV zur Umgehung einer Beschäftigung als angestellter Reisender benutzt werden konnte und benutzt worden ist. Die Gefahr, in diese Grenzzone zu geraten, ist für den HV immer gegeben. 15 Das Bild der heutigen Vermittler ist vielfältiger denn je. Als Vermittler agierende OnlinePlattformen sind weltweit agierende Großunternehmen, deren Geschäftsumfang weit über dem ihrer eigentlichen Auftraggeber liegt und denen vielfach erhebliche Verhandlungsmacht zukommt.47 Sie haben sich vom traditionellen Leitbild eines abhängigen Mittlers weit entfernt.48

41 Schlegelberger/Schröder Einl. § 84. 42 Vgl. BT-Drucks. I/3856, S. 10 f. zur faktischen Unterlegenheit des HV, die zur Einführung der Schutzvorschriften führte. So auch Canaris § 17 Rn 16 f.; zur Schutzbedürftigkeit des HV auch BVerfGE 81, 242 (256 ff.). 43 Ebenroth S. 15; Hopt § 84 Rn 2. 44 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsvertretergesetzes, in: Nipperdey/Dietz, Entwurf eines Handelsvertretergesetzes. Arbeitsberichte der Akademie für Deutsches Recht Nr. 17, Berlin 1940; zusammenfassend Eberstein S. 19 ff. 45 Heute: Centralvereinigung Deutscher Wirtschaftsverbände für Handelsvermittlung und Vertrieb (CDH). 46 Eingehend Eberstein S. 19 ff. 47 Kumkar NZKart 2017, 47 (53). Zum Marktmissbrauch von Internet-Plattformen Hoffer/Lehr NZKart 2019, 10 ff.; Lohse ZHR 182 (2018), 321 ff. 48 Kumkar NZKart 2017, 47 (53). Emde

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II. Die HV-Richtlinie 1986 (RL) und ihre Folgen49 1. Übernahme in deutsches Recht Die Novelle des Jahres 1990,50 in Kraft seit dem 1.1.1990 (für Altverträge seit dem 1.1.1994),51 setzte 16 die RL der EG v. 18.12.198652 in deutsches Recht um. Novelliert wurden u. a. die Kündigungsfristen des § 89 sowie die Ausschlussgründe beim Ausgleichsanspruch (§ 89b Abs. 3). Zahlreiche weitere Bestimmungen erhielten entsprechend dem Vorbild der RL zwingenden Charakter. Die RL wurde im Verlauf ihres langwierigen, in die 60iger Jahre des 20. Jahrhunderts zurückreichenden53 Entstehungsprozesses54 nach zunächst über das Schutzniveau des deutschen Rechts hinausgehenden,55 teilweise unveröffentlichten56 ersten Vorschlägen57 in einer von 37 auf 23 Vorschriften verkürzten Fassung58 stark durch das HGB geprägt.59 Der erste Entwurf scheiterte vor allem an dem auch durch das unterschiedliche Schutzverständnis motivierten,60 später aufgegebenen Widerstand Großbritanniens61 und dann auch Frankreichs.62 Allgemein waren die Unterschiede im HV-Recht der seinerzeitigen Mitgliedsstaaten bei aller Ähnlichkeit in der Struktur nicht unerheblich.63 Der Einfluss des HGB auf die später verabschiedete RL war so bedeutend, dass der nach der Umsetzung zur RL verfasste Bericht der Kommission v. 23.7.199664 die deutsche Rspr. zu § 89b im Kurzüberblick wiedergab, verbunden mit dem Hinweis, sie biete Rechtsanwendern anderer Staaten Hilfestellung und Orientierung.65 Während in vielen europäischen Ländern das Vorbild gebende deutsche Recht häufig zitiert werden soll,66 findet die Rspr. anderer EU-Staaten relativ selten Zugang zur deutschen Rechtsdiskussion – vielleicht mit Ausnahme des vereinheitlichten europäischen Vertriebskartell49 Dazu Emde ZVertriebsR 2017, 3 ff.; 2016, 353 ff.; 2014, 218 ff; Emde in: Mankowski (Hrsg.), Commercial Law, Kommentar zur Handelsvertreterrichtlinie, 2019, S. 1247 ff. 50 BGBl. I/1910. Amtl. Begr. BT-Drucks. Nr. 3856, Erste Wahlperiode. Zum Umsetzungsgesetz Kuther NJW 1990, 304; Eckert NZA 1990, 384. 51 Siehe Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 32 ff. 52 86/653/EWG, ABl. EG v. 31.12.1986, Nr. L 382/17, wiedergegeben bei Hopt Materialien I und Ebenroth/Hakenberg2 Vor § 84 Anh. Rn 1. Zu den Zielen der Richtlinie ausführlich Eberstein, S. 27 ff. 53 Ankele RdA 1982, 157; Hagemeister Der HV im englischen Recht und seine Ansprüche, 2004, S. 8. 54 Zur Genese der RL Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in den Mitgliedsstaaten der EU, Diss. iur Köln 1994, S. 3 ff.; Westphal EWS 1996, 43; Ebenroth/Hakenberg2 Vor § 84 Anh. Rn 2. 55 Hagemeister Der HV im englischen Recht und seine Ansprüche, 2004, S. 9. 56 Hagemeister Der HV im englischen Recht und seine Ansprüche, 2004, S. 8. 57 Die RL-Entwürfe wurden veröffentlicht in ABl EG 1977 C 13 S. 2 sowie ABl. EG 1979 C 56 S. 5. Der erste veröffentlichte RL-Entwurf war recht detailliert; die Fassung des Jahres 1979 war eine geänderte Fassung des 1. RL-Entwurfs; vgl. Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 34 ff.; Küstner/von Manteuffel BB 1990, 291; Eberstein S. 26. 58 Hagemeister Der HV im englischen Recht und seine Ansprüche, 2004, S. 10. 59 Westphal DB 2010, 1333 (1334); ders. EWS 1996, 43; Küstner/Thume/Thume I4 Kap. XI Rn 10; Ebenroth/Hakenberg2 Vor § 84 Anh. Rn 2. Das galt auch für die ersten Entwürfe von 1977 und 1979, s. Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 34. 60 Großbritannien betonte eher den Schutz des vom überseeisch, in den Kolonien tätigen HV fernen Unternehmer, der einen Mißbrauch der Vertretungsmacht fürchten musste, s. Martinek ZVertriebsR 2014, 139; Saintier ZVertriebsR 2014, 166 (167 f.). 61 Hagemeister Der HV im englischen Recht und seine Ansprüche, 2004, S. 9; Martinek ZVertriebsR 2014, 139 f.; Ebenroth/Hakenberg2 Vor § 84 Anh Rn 2. 62 Hagemeister Der HV im englischen Recht und seine Ansprüche, 2004, S. 9; Martinek ZVertriebsR 2014, 139 f. Der Widerstand Frankreichs wurde nach der Option auf Einführung des Schadenersatzmodells aufgegeben. 63 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 6 ff. 64 Bericht der Europäischen Kommission über die Anwendung von Art. 17 der HV-Richtlinie, COM (96) 364. 65 Zum Einfluss deutschen Ausgleichsrechts auf die Rechtsprechung nationaler Gerichte anderer EG-Staaten Krusche EWS 2001, 523. 66 Sellhorst EWS 2001, 481 (484). 13

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rechts und österreichischer Entscheidungen. Dies mag auch am mangelnden Zugriff zu den maßgeblichen Quellen liegen. Die ZVertriebsR hat die Zugriffsmöglichkeiten erheblich verbessert. 17 Insgesamt stärkte die RL und ihr Umsetzungsgesetz die Position des HV gegenüber dem Unternehmer erneut.67 Das HV-Recht wurde damit zu europäischem Recht68 und europäische Rspr. formt es seither mit. Die RL hat, anders als im Vertragshändlerrecht,69 nach ihrer teilweise erheblich verspäteten Umsetzung in einigen Mitgliedsländern,70 zu einer weitgehenden Angleichung des HV-Rechts innerhalb der EU und sogar des EWR (da Norwegen, Island und Lichtenstein die Regelung übernommen haben)71 geführt.72 Die i. E. erfolglosen73 Bestrebungen innerhalb der EU, die RL aufzuheben, waren daher abzulehnen.74 Die Aufhebung hätte ein Stück mühsam errungener, praktizierter und bewährter Rechtsvereinheitlichung beseitigt und damit einen „Erfolgsbeweis“ des EU-Rechts.75 Genug Beleg für die Akzeptanz der RL bei Unternehmern und Mittlern ist das langjährige Fehlen jeder wissenschaftlichen Diskussion über ihre Aufhebung. Die Aufhebung hätte nur multinational tätigen Unternehmen geholfen, die auf das für sie günstigste Recht ausgewichen wären. Eine Abschottung der nationalen Rechte voneinander durch international zwingendes „Partikularrecht“ wäre die Folge gewesen. Folglich erleichtert die RL laut einer Stellungnahme des CDH76 erheblich die grenzüberschreitende Handelsvermittlung. Genannt werden die Reduzierung von Beratungs-, Rechtsverfolgungs- und Übersetzungskosten, ein EU-weiter Mindestschutz für HV, die geringere Scheu vor fremdem Recht und die Bereitschaft, sich auf ein solches Recht einzulassen. Der Nutzen der RL überwiege daher deutlich, die wichtigsten Rechtsbegriffe des HV-Rechts seien für die Vertragsgestaltung in 23 Sprachen der EU verfügbar, die Transaktionskosten würden gesenkt, Unterschiede in den Wettbewerbsbedingungen aufgehoben, die Berufsausübung erleichtert, eine Rechtszersplitterung verhindert, ebenso das „Forum Shopping“. Trotz der Harmonisierung fehlt eine absolute Rechtsidentität.77 Dies beruht nicht nur auf der trotz der Umsetzung fortbestehenden Bedeutung des (lokalen) Fallrechts sowie der Unabhängigkeit der Richter mit unterschiedlichen, national tradierten Interpretationsansätzen,78 sondern auch auf (z. T. unterstelltem) Umsetzungsermessen,79 Umsetzungsfehlern80 und – soweit es § 89b betrifft – unterschiedlichen Berechnungswe-

Ebenroth/Hakenberg2 Vor § 84 Anh. Rn 11; Oetker/Busche § 84 Rn 4. Eberstein S. 22; Emde DStR 2009, 1478. Hier gibt es jedoch durch die Analogiebildung zum Vertreterrecht einen faktischen Zwang zur Angleichung. Westphal EWS 1996, 43. EWR-Abkommen, Anhang VII E.30 (ABl EG 1994 L 1, S. 392); s. Martinek ZVertriebsR 2014, 139 (141). Siehe Eberstein S. 28; Graf v. Westphalen Handelsvertreterrecht in den EU-Staaten und der Schweiz, 1995, passim; Küstner/Thume/Thume I4 Kap. XI Rn 21 ff. Kritisch zu den Chancen der Rechtsangleichung Sellhorst EWS 2001, 481. 73 Siehe Bericht der Kommission zur RL/Refit Evaluierung; Döpfer ZVertriebsR 2015, 273; Wurster EuZW 2015, 612 sowie Pressemitteilung des CDH, ZVertriebsR 2015, 333 zu den Bemühungen um den Erhalt der RL. 74 Döpfer ZVertriebsR 2014, 137; Martinek ZVertriebsR 2014, 139; Emde ZVertriebsR 2014, 218, wobei Martinek eine mit Mehrheit der Mitgliedsstaaten zu implementierende HV-VO fordert. Zum Ergebnis Pressemitteilung des CDH, ZVertriebsR 2015, 333; Döpfer ZVertriebsR 2015, 273. Thume (BB 2016, Heft 51/52, I) nennt die RL „eine krisenerprobte Erfolgsgeschichte“. 75 Siehe auch Rohrßen ZVertriebsR 2019, 153. Kritisch Martinek ZVertriebsR 2014, 139 ff., der die RL gem. S. 144 für „im Wesentlichen gescheitert“ und „nicht reformierbar“ hält. Er fordert deshalb eine weitergehende HV-VO. 76 ZVertriebsR 2014, 336 ff. 77 Ebenroth/Kindler2 § 92c Anh. Rn 2; Westphal EWS 1996, 43; nach Sellhorst EWS 2001, 481 soll dies auch nicht bezweckt gewesen sein; zum Ausgleichsrecht Krusche EWS 2001, 523. 78 Sellhorst EWS 2001, 481. 79 Westphal EWS 1996, 43. 80 Westphal EWS 1996, 43; Westphal I Rn 6; Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 215 ff.; zum italienischen Recht Lauser/Reifenrath RIW 2002, 746; Kindler RIW 2000, 161.

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gen.81 Britische Gerichte verneinen etwa, abweichend von der deutschen Rspr., die HVEigenschaft eines Tankstellenpächters und damit sein Ausgleichsrecht.82 Ein Mittler, der für einen Hersteller von Fenstern warb, wurde als nicht ausgleichsberechtigter HV im Nebenberuf angesehen, da Fenster überwiegend nur einmal gekauft würden.83 Gerade bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs ergeben sich signifikante Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten. Kritisiert wird auch die Häufung unbestimmter Rechtsbegriffe,84 etwa die „Interessenwahrnehmungspflicht“ nach Art. 3 Abs. 1 RL, die Termini „in angemessener Weise“ und „erforderliche Informationen“ in Art. 4 Abs. 1 RL, die „angemessene Vergütung“ des Art. 6 RL sowie die in Art. 18 RL genannten „Umstände, die dem Unternehmer zuzurechnen sind“. In jedem Fall wird man bei der Prüfung von Rechtsfragen nicht nur in das nationale Recht, sondern gleichfalls auf die RL blicken müssen. Dies gilt insb. für ihre zwingenden und halbzwingenden Vorschriften.85 Selbst die unterschiedlichen Sprachfassungen der RL können zu divergierenden Verständnissen führen.86 Während Art. 1 Abs. 2 der deutschen RL ein „Vermitteln“ des HV für seine Qualifikationen genügen lässt, setzen die französische, italienische, spanische und britische Version dem Wortlaut nach ein „Verhandeln“ voraus, damit der HV ein solcher i. S. d. RL (und meistens auch i. S. d. nationalen Rechts) ist.87 Seit dem 1.1.1994 gilt das HGB auch für HV-Verträge, die in der früheren DDR nach damali- 18 gem Recht begründet wurden.88 Das Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.199889 fügte § 84 Abs. 4 ein, hob § 90a Abs. 2 Nr. 2 auf und änderte § 90a Abs. 4. Desgleichen ist der HV nun nicht mehr „Musskaufmann“ i. S. d. § 1 Abs. 2 a. F.90 Er ist aber regelmäßig Gewerbetreibender und folglich Kaufmann i. S. d. § 1 Abs. 2 n. F., daneben sind nach der Neufassung des § 84 Abs. 4 die Vorschriften der §§ 84 ff. – nicht aber das übrige HGB91 – auch dann auf HV anwendbar, wenn ihr Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

2. Zweck der RL Das wohl wichtigste, gerade im Rahmen der teleologischen Auslegung92 immer93 wieder zitierte 19 Ziel der RL ist – auch ausweislich ihrer Erwägungsgründe 2 und 3 – der Schutz des HV.94 Dies zeigen die Einleitung der RL, die den „Schutz der HV in ihren Beziehungen zu ihren Unternehmern“ hervorhebt und die Vielzahl zwingender Vorschriften, die sich in der RL finden. Dieser 81 Zu Frankreich Heinicke ZVertriebsR 2013, 275 (278); Kiene RiW 2007, 287 ff.; Klein RIW 2002, 348 (351); Küstner/ Thume/Schröder I4 Kap XI Rn 51; zu Italien Heinicke ZVertriebsR 2013, 275 (279). 82 Gary Parks vs. Esso, Supreme Court of Judicature in the Court of Appeal, Urt. v. 23.7.1999, CHANI 98/1482/3; zit. nach Sellhorst EWS 2001, 481. 83 Colin Stewart Hunter vs. Zenith Windows, Urt. v. 13.6.1997, Case No. 507457; zit. nach Sellhorst EWS 2001, 481. 84 Martinek ZVertriebsR 2014, 139 (143). 85 Emde DStR 2009, 1478. 86 Siehe etwa Stade IHR 2016, 49 f. 87 Stade IHR 2016, 49 ff.; Bottiau ZVertriebsR 2015, 205. 88 Einigungsvertrag Anl. I Kap. III D Abschn. III 2; Ebenroth/Löwisch3 Vor § 84 Rn 4. 89 BGBl. I/1474. 90 Emde VersR 1999, 1464. 91 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 62; Emde VersR 1999, 1464. 92 Gräfe/Boerner ZVertriebsR 2017, 282 (283). 93 Gegen eine Gewichtung der Ziele der RL und eines Vorranges des Schutzzweckes Gräfe/Boerner ZVertriebsR 2017, 282 (283). 94 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 Rn 25 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard); v. 19.4.2018 – C-645/ 16, BB 2018, 1037 m. Anm. Otz Rn 33; Anm. Valdini ZVertriebsR 2018, 169 Anm. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2018, 173; Gramlich ZVertriebsR 2018, 250; v. 16.2.2017 – C-507/15, ZVertriebsR 2017, 182 Rn 29 m. Anm. Rohrßen; v. 17.5.2017 – C-48/16, IHR 2017, 258 = BB 2017, 1420 Rn 41 m. Anm. Zipse; v. 7.4.2016 – C-315/2014, BB 2016, 910 Rn 33 m. Anm. 15

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Schutzzweck lag anderen europäischen Rechten, etwa dem englischen, bis zur Umsetzung der RL nicht zugrunde. Der Harmonisierungswunsch95 steht fast gleichrangig neben diesem Primärziel. Nach der zweiten Begründungserwägung soll die RL u. a. der Aufhebung der Beschränkungen der Ausübung des HV-Berufs, der Vereinheitlichung der Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Union96 und Stärkung der Sicherheit im Handelsverkehr97 dienen. Die RL bezweckt also auch die Niederlassungsfreiheit und einen unverfälschten Wettbewerb im Binnenmarkt zu schützen. Wie sich aus der dritten Begründungserwägung der RL ergibt, möchte sie schließlich den Warenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern, indem die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des betroffenen Warenvertreterrechts (unten, Ziff. 5) angeglichen werden.98 Erschwernisse beim Abschluss internationaler Handelsvertreterverträge wurden vor allem darin gesehen, dass das Schutzniveau der einzelnen EU-Rechtsordnungen unterschiedlich ausgeprägt war und folglich jede Vertragspartei bemüht war, ein für sie günstigeres Recht mit seinen Eigentümlichkeiten zu vereinbaren.99 Insbesondere wurde die unterschiedliche Belastung der Unternehmer innerhalb der EU gerügt.100 Das galt nicht nur für die zu leistende Provision, sondern auch für den Aufwendungsersatzanspruch, den Ausgleichsanspruch, aber auch für das vertragsbegleitende Wettbewerbsverbot.101 Unternehmer, deren HV-Verträge einem niedrigeren Schutzniveau unterlagen, konnten ihre Waren günstiger anbieten, was die Wettbewerbsbedingungen beeinflusste.102 Dies hat sich angesichts der Rechtswahlfreiheit außerhalb der EU als Problem fortgetragen. Was der europäische RL-Geber wollte, kann auch außerhalb des Warenvertreterrechts für die Auslegung des nach dem Vorbild der RL novellierten Rechts von Interesse sein (unten, Ziff. 7).

3. Zwingender Charakter der RL-Vorschriften 20 Der Inhalt der RL steht nicht zur Disposition von Gerichten oder nationalen Gesetzgebern, es sei denn, die RL räumt ausdrücklich Umsetzungsermessen ein.103 Umsetzungsermessen wurde den nationalen Gesetzgebern etwa für den Bereich der nebenberuflichen Tätigkeit des HV (Art. 2 Abs. 2), den Provisionsanspruch (Art. 3 Abs. 2 S. 2), das Bezirks- und Alleinvertretungsrecht (Art. 7 Abs. 2), das Einsichtsrecht (Art. 12 Abs. 4), das Schriftformerfordernis (Art. 13 Abs. 2), die Kündigungsfrist (Art. 15 Abs. 3), die Freiheit, zwischen der Ausgleichs- und Schadenersatzlösung zu wählen sowie –

von Bodungen; v. 17.1.2008 – C-19/07, EWS 2008, 151 (153); v. 30.4.1998 – C-215/97, Slg. 1998, I – 2191 Rn 13; v. 9.11.2000 – C-381/98, Slg. 2000, I – 9305, Rn 20; v. 23.3.2006 – C-465/04, Slg. 2006, I – 2879 Rn 19; Schlussantrag des GA beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677 Rn 61 (zu Art. 17–19); Emde ZVertriebsR 2014, 218 (219); Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 61. Nach Ansicht von Martinek ZVertriebsR 2014, 139 (143) ist der Harmonisierungsgedanke vorrangig. 95 EuGH, Urt. v. 16.2.2017 – C-507/15, ZVertriebsR 2017, 182 Rn 28 m. Anm. Rohrßen. 96 Siehe die Ermächtigungsgrundlagen der Artt. 47 Abs. 3, 94 EG sowie Eberstein S. 22; Küstner/Thume/Thume I4 Kap. XI Rn 8; Ebenroth/Hakenberg2 Vor § 84 Anh. Rn 2; zum polnischen Handelsvertreterrecht Franek RIW 2002, 359. 97 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 Rn 26 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard). 98 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 Rn 26 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard); v. 23.3.2006, Honyvem Informazioni Commerciali – C-465/04, Slg. 2006, I-2879 Rn 19; Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677 Rn 62. 99 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 31/32. 100 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 26 ff. 101 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 27/28. 102 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 28. 103 Siehe etwa Art. 2 Abs. 2, 12 Abs. 4, 13 Abs. 2, 15 Abs. 3, 16, 17 Abs. 1, 20 Abs. 4 RL; hierzu Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 58 f., der auf S. 60 den ausdrücklich genannten Fällen des Umsetzungsermessens fehlendes Umsetzungsermessen in anderen Fällen entnimmt. Emde

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im Gegensatz zu Vorentwürfen der RL104 – die außerordentliche Kündigung (Art. 16)105 eingeräumt. Nur außerhalb ihrer für die Parteien zwingenden und halbzwingenden Bestimmungen, neben den praxisrelevanten Art. 17–19 RL des Ausgleichsrechts etwa Art. 3, 4, 10 Abs. 2 und 3, 11 Abs. 3, 12 Abs. 1 und 2 sowie 13 Abs. 1 RL,106 steht die RL zur Disposition der Vertragsparteien.107 Zum Teil enthalten die parteizwingenden Vorschriften ein Verbot jeder abweichenden Parteivereinbarung, zum Teil lediglich ein Verbot einer abweichenden Parteivereinbarung zum Nachteil des HV. Diese detailliert ausgearbeiteten Verbotsnormen und der Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit indizieren, dass alle Vorschriften, die keine Verbotsnorm enthalten, für die Parteien abdingbar sein sollen.108 Neben den ausdrücklich genannten Fällen zwingender Natur soll nach Ansicht von Westphal109 auch Art. 6 RL zwingend sein, demzufolge bei Fehlen einer Vereinbarung der HV Anspruch auf eine Vergütung hat, die am Ort seiner Tätigkeit üblich ist. Zur Ingmar-Rechtsprechung, s. Kommentierung zu § 92c, zu Artt. 3 Abs. 3, 4 und 9 Rom I-VO s. Kommentierung zu § 92c.

4. Abschließender Charakter Gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV ist die RL für jeden Mitgliedstaat hinsichtlich des zu erreichenden 21 Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.110 In den von ihr geregelten Bereichen ist die RL abschließend.111 Dem lokalen Gesetzgeber ist auf dem Gebiet der Harmonisierung eine abweichende und die RL verwässernde eigene Tätigkeit untersagt,112 und zwar wegen des Ziels, einheitliche Regeln innerhalb der EU zu erreichen. Insbesondere dürfen einer innerstaatlichen Maßnahme keine Rechtswirkungen zukommen, durch die die volle Wirksamkeit der RL beeinträchtigt werden kann.113 Auch zugunsten des HV114 ist eine solche Tätigkeit der nationalen Gesetzgeber nicht gestattet. Es gibt jedoch Teile des HV-Rechts, welche in der RL nicht abschließend kodifiziert wurden,115 etwa zu Verjährung, Vollmacht des HV, Inkasso und Delkredere, Aufwendungsersatz sowie die außerordentliche Kündigung.116 Speziell der Provisionsanspruch wird in der RL nur in Hinblick auf die Vermittlungs-, Folge-, Bezirks- sowie Alleinvertretungsprovision geregelt. In diesen Segmenten sind die Mitgliedsstaaten nahezu frei, ihre eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Sie haben jedoch Sinn und Zweck der RL zu beachten.117 Deren Ziele dürfen nicht konterkariert werden.118 Verfah-

104 RL-Vorschläge v. 17.12.1976, ABl. C 13, S. 2 ff. sowie v. 2.3.1979, ABl. C 56, S. 5 ff. 105 Siehe Küstner/Thume/Thume I4 Kap. XI Rn 12 ff. und 51. Zur Umsetzung in den Mitgliedsstaaten Westphal EWS 1996, 43 (47).

106 Emde DStR 2009, 1478. 107 BGH, Beschl. v. 24.4.2014 – VII ZR 163/13, NJW 2014, 1735 Rn 11 f.; Karsten Schmidt Handelsrecht5 § 27 II 1; Canaris § 17 Rn 23; aA Jörg Schmidt ZHR 156 (1992), 512 ff. 108 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 70 f. 109 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 71 f. 110 EuGH, Urt. v. 19.4.2018 – C-645/16, BB 2018, 1037 m. Anm. Otz Rn 19; Anm. Valdini ZVertriebsR 2018, 169 Anm. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2018, 173; Gramlich ZVertriebsR 2018, 250. 111 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 68 f. 112 Ebenroth/Hakenberg2 Vor § 84 Anh. Rn 6. 113 EuGH, Urt. v. 19.4.2018 – C-645/16, BB 2018, 1037 m. Anm. Otz Rn 19; Anm. Valdini ZVertriebsR 2018, 169 Anm. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2018, 173; Gramlich ZVertriebsR 2018, 250. 114 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 62 f. 115 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 64; Westphal EWS 1996, 43, insb. 49; Eckert NZA 1990, 384. 116 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 62; Westphal EWS 1996, 43 (49) auch zu unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedsstaaten. 117 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 62; Westphal EWS 1996, 43 (49). 118 Westphal EWS 1996, 43. 17

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rens- und Beweisfragen des nationalen Verfahrensrechts regelt die RL gleichfalls nicht unmittelbar119 (dazu unten, Ziff. 9).

5. Anwendungsbereich der RL 22 a) Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich. aa) Die RL gilt unmittelbar nur für HV. Unmittelbar gilt sie hingegen nicht für Repräsentanten, die keine HV sind, also HVähnliche Mittler, etwa Kommissionsagenten,120 Vertragshändler121 und Franchisenehmer (zur analogen Anwendung, s. u., Ziff. 8). Es gab in der Vergangenheit aber Bestrebungen, die RL auf Vertragshändler zu erstrecken oder eine vergleichbare Vertragshändler-RL zu schaffen.122 Diese Bestrebungen haben sich durch die Diskussion um die Abschaffung der RL vorerst erledigt. bb) Innerhalb des HV-Bereichs gilt die RL nur für Waren-HV,123 nicht für Dienstleistungs23 vertreter.124 Dies ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 RL, demzufolge HV i. S. d. RL ist, wer damit betraut ist, für eine andere Person den „Verkauf oder den Ankauf von Waren“ zu vermitteln oder hierüber Geschäfte abzuwickeln. Ob es sich dabei um eine Frage des „persönlichen“ oder „sachlichen“ Anwendungsbereiches handelt, mag diskutiert werden. Da das HV-Recht einen Vertragstyp und nicht eine persönliche Stellung regelt, dürfte es sich in erster Linie um eine Frage des sachlichen Anwendungsbereichs handeln. Damit ist zu bestimmen, wer ein Waren-HV ist.125 Weder die RL noch das Umsetzungsgesetz enthalten einen Hinweis darauf, was Waren i. S. d. RL sind. Aus dem europarechtlichen Ursprung der RL folgt, dass dem europarechtlichen Verständnis des Warenbegriffs in Art. II 28 AEUV (ex Art. 23 EU) Rechnung zu tragen ist. Zwar findet sich dort, insb. innerhalb der Vorschriften zum freien Warenverkehr, keine Definition der Waren, so dass allenfalls die Abgrenzung zu anderen Grundfreiheiten Orientierung bieten kann. Der EuGH hat jedoch in einer Vielzahl von Entscheidungen konkretisiert, was unter den europäischen Warenbegriff fällt. Waren im europarechtlichen Sinne sind danach alle beweglichen Güter126 einschließlich nicht körperlicher Energien wie Elektrizität,127 Gas sowie Wasser.128 Auch elektronische Datenträger mit darin enthaltener Software sowie Abfälle fallen unter diesen Ter-

119 Emde EWiR 2009, 240. 120 EuGH, Beschl. v. 10.2.2004 – C-85/03, BeckRS 2004, 77842; Thume IHR 2018, 231 (234); Flohr/Wauschkuhn/ Fröhlich2 § 89b Rn 451. 121 Siehe BGH, Vorlagebeschl. v. 6.8.2009, EWS 2009, 440 = Vorlagebeschl. v. 29.4.2009 – VIII ZR 226/07, RIW 2009, 640 = VersR 2009, 116 = EWiR 2009, 611 (Emde) = BeckRS 2009, 13178; Mankowski RIW 2016, 457. 122 Genzow ZVertriebsR 2013, 81 (82). 123 EuGH, Urt. v. 17.5.2017 – C-48/16, IHR 2017, 258 = BB 2017, 1420 Rn 28 m. Anm. Zipse; v. 3.12.2015 – C-338/14, ZVertriebsR 2016, 15 = EuZW 2016, 221 m. Anm. Emde EuZW 2016, 218 und Anm. Franke IHR 2016, 100; BGH, Urt. v. 25.10.2012 – VII ZR 56/11, NJW 2013, 2027 = BB 2012, 3098, Rn 38; v. 23.11.2011 – VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 = WM 2012, 469 = IHR 2012, 63 m. Anm. Thume = EWiR 2012, 207 (Emde); Flohr/Wauschkuhn/Billing2 Vorb § 84 Rn 66; Martinek ZVertriebsR 2014, 139 (141); Westphal EWS 1996, 43; Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 38; Grundmann Europäisches Schuldvertragsrecht, 1999, S. 566, 572; Ebenroth/Löwisch3 Vor § 84 Rn 7. 124 EuGH, Urt. v. 3.12.2015 – C-338/14, ZVertriebsR 2016, 15 = EuZW 2016, 221 m. Anm. Emde EuZW 2016, 218 und Anm. Franke IHR 2016, 100; Martinek 338/14, ZVertriebsR 2016, 15 = EuZW 2016, 221 m. Anm. Emde EuZW 2016, 218 und Anm. Franke IHR 2016, 100; ZVertriebsR 2014, 139 (141); Westphal EWS 1996, 43 (44). 125 Dazu Emde DStR 2009, 1478 (1479 ff.). 126 So soll der Begriff auch im englischen Recht verstanden werden, s. Hagemeister Der HV im englischen Recht und seine Ansprüche, 2004, S. 33. 127 EuGH, Slg. 1964, 1251 ff.; EuGH – C-393/92, Slg. 1994, I-1477 (1516). Der HV, der Energieverträge vermittelt, soll nach Thume BB 2012, 975 aber kein Warenvertreter sein. 128 Hagemeister Der HV im englischen Recht und seine Ansprüche, 2004, S. 36; Emde DStR 2009, 1478 (1480); Thume BB 2009, 2490 (2491). Emde

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minus.129 Dies gilt jedenfalls dann, wenn Software auf einem Datenträger verkörpert vertrieben wird.130 Richtigerweise kommt es auf die Verkörperung nicht an.131 Hilfsweise könnte auch auf Art. 2 Warenkauf-RL132 rekurriert werden. Danach sind Waren a) bewegliche körperliche Gegenstände; Wasser, Gas und Strom gelten als Waren, wenn sie in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden sowie b) bewegliche körperliche Gegenstände, die in einer Weise digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht erfüllen könnten. Jedenfalls sind Warenvertreter schon nach bisherigem Verständnis insb. Vermittler von Abfallbeseitigungsverträgen133 und TankstellenHV.134 HV, die Dienstleistungen, geistiges Eigentum oder Rechte an Waren vertreiben, sind nach bisherigem Verständnis keine Warenvertreter. Bank-,135 Bauspar-,136 Finanzanlagen137-, Immobilien-,138 Konzert-,139 Lotterie-,140 Musikvertreter,141 Reisebüros,142 Schifffahrtsvertreter,143 Sportagenten,144 Telefondienstevermittler,145 Theateragenten,146 sowie Versicherungsvertreter,147 angeblich auch Vermittler von Energielieferverträgen,148 fallen nach heute h. M. nicht in den Adressatenkreis der RL. Die Mitgliedsstaaten sind in diesem Bereich in ihrer Rechtssetzung frei.149 Folglich steht etwa dem Versicherungsvertreter in Ungarn RL-konform kein Ausgleichsanspruch zu150 und § 92c Abs. 2 lässt gegenüber dem als Dienstleistungsvertreter

129 130 131 132 133 134 135

Hagemeister S. 36. English Court of Appeal (1995), FCR 686; (1986) 15 Tr LR 444. Hagemeister S. 31. RL 2019/771. Thume BB 2009, 2490 (2491). Thume BB 2009, 2490 (2491). EuGH, Urt. v. 3.12.2015 – C-338/14, ZVertriebsR 2016, 15 = EuZW 2016, 221 m. Anm. Emde EuZW 2016, 218 und Anm. Franke IHR 2016, 100. 136 BGH, Urt. v. 23.11.2011 – VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 = WM 2012, 469 = IHR 2012, 63 m. Anm. Thume = EWiR 2012, 207 (Emde) Rn 24 ff.; Thume BB 2012, 975; Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 38; Martinek ZVertriebsR 2014, 139 (141); Westphal EWS 1996, 43 (44). 137 Semler ZVertriebsR 2016, 139 (140). 138 Semler ZVertriebsR 2016, 139 (140). 139 BGH, Urt. v. 20.2.1986 – I ZR 105/84, NJW-RR 1986, 709. 140 Vgl. EuGH, Urt. v. 24.3.1994, NJW 1994, 2013 (2014) – Schindler Rn 24 f.; Thume BB 2012, 975. Darüber ließe sich diskutieren, denn er vertreibt Lose als körperliche Gegenstände und auch Gewinnchancen sind Gegenstände des Warenverkehrs im wirtschaftlichen Sinn. 141 Martinek ZVertriebsR 2014, 139 (141). 142 Martinek ZVertriebsR 2014, 139 (141); Thume BB 2012, 975; Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 38; Westphal EWS 1996, 43 (44). 143 EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-184/12, EWS 2013, 422 = RIW 2013, 874 = EWiR 2014, 11 (Mankowski) Rn 30; Semler ZVertriebsR 2016, 139 (140). 144 Martinek ZVertriebsR 2014, 139 (141). 145 Thume BB 2012, 975. 146 EuGH, Urt. v. 3.12.2015 – C-338/14, ZVertriebsR 2016, 15 = EuZW 2016, 221 m. Anm. Emde EuZW 2016, 218 und Anm. Franke IHR 2016, 100; Martinek ZVertriebsR 2014, 139 (141). 147 EuGH, Urt. v. 17.5.2017 – C-48/16, BB 2017, 1420 Rn 31 m. Anm. Zipse; BGH, Urt. v. 25.10.2012 – VII ZR 56/11, NJW 2013, 2027 = BB 2012, 3098 Rn 38; v. 23.11.2011 – VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 = WM 2012, 469 = IHR 2012, 63 m. Anm. Thume = EWiR 2012, 207 (Emde) Rn 24 ff.; Martinek ZVertriebsR 2014, 139 (141); Thume BB 2012, 975; Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 38; Westphal EWS 1996, 43 (44). Aber mglw. mittelbare Wirkung der RL, s. Emde IHR 2016, 266. 148 Thume BB 2012, 975. 149 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 38 f. 150 Pajor-Bytomski RIW 2005, 263 (269). 19

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verstandenen Schifffahrtsvertreter auch bei innereuropäischer Tätigkeit den Ausgleichsausschluss zu. Vereinfacht könnte man sagen, Warenvertreter sei, wer Kaufverträge vermittle. Ein Mischvertreter fällt bei einheitlichem Vertrag unter die Vorschriften der RL. Denn er vertreibt „auch“ Waren.151 Selbst im Zollrecht werden alle Handelsgüter, die sich in das Zolltarifsschema einordnen lassen, vom Warenbegriff erfasst. Als Waren im zollrechtlichen Sinne kommen somit alle beweglichen, körperlich bestimmbaren Gegenstände in Betracht, welche durch den menschlichen Willen beherrschbar sind. Nach dem UN-Kaufrecht sind Waren gleichfalls nur bewegliche Sachen. Das Kriterium der Körperlichkeit ist jedenfalls dann erfüllt, wenn die Kaufsache bei der Übergabe beweglich war. Aus einer bewussten Änderung der Terminologie im französischen Text wird dort aber eine Ausdehnung des Warenbegriffs auf alle Sachen abgeleitet, die Gegenstand von Handelskäufen sein können. Dienstleistungen unterfallen allerdings auch nach dem UN-Kaufrecht nicht dem Warenbegriff. Es fragt sich jedoch, ob das Verständnis der Waren heute nicht weit i. S. aller Gegenstände des Handelsverkehrs ausgelegt werden sollte. Wirtschaftswissenschaftlich als Ware werden nämlich auch Dienstleistungen verstanden. Nach der Wirtschaftswissenschaft ist Ware jedes wirtschaftliche, materielle Gut, welches Gegenstand des Handels sein kann. Der seinerzeitige Wille des RL-Gebers und der Kompromisscharakter der RL sprechen innerhalb ihres Anwendungsbereiches aber wohl gegen eine solche weite Auslegung.152 Unvertretbar ist sie nicht.153 cc) Außerdem sind gem. Art. 1 Abs. 3 RL Vertragspartner nicht vom Anwendungsbereich der RL erfasst, die als Organe befugt sind, für eine Gesellschaft oder Vereinigung verbindlich zu handeln, Gesellschafter, die rechtlich befugt sind, für die anderen Gesellschafter verbindlich zu handeln und Zwangsverwalter (receiver, gerichtlich bestellte Vermögensverwalter, Liquidatoren oder Konkursverwalter (trustee and bank trustee). Wenn jedoch ein Insolvenzverwalter nach deutschem Recht für einen insolventen HV handelt, sollte der Vertrag trotz der – umstrittenen – Amtstheorie gleichwohl von der RL erfasst bleiben, wenn er es zuvor war. Es kommt auf den Vertragsschließenden, den HV, und nicht seinen Insolvenzverwalter an. dd) Art. 2 Abs. 1 RL nimmt weitere Vertragspartner vom Anwendungsbereich der RL aus, nämlich z. B. HV, die für ihre Tätigkeit kein Entgelt erhalten. Warum solche besonders schutzbedürftigen HV vom Anwendungsbereich der RL ausgenommen wurden, ist nicht leicht erkennbar. Jedenfalls dürfte die Ausnahme nicht für HV gelten, die irgendein Entgelt, auch von Dritten, erhalten, wie beispielsweise HV, die vom Kunden bezahlt werden.154 ee) Weiter sind HV vom Anwendungsbereich ausgenommen, soweit sie an Handelsbörsen oder auf Rohstoffmärkten tätig sind und die unter der Bezeichnung „Crown Agents for Overseas Governments and Administrations“ bekannte Körperschaft, wie sie im Vereinigten Königreich nach dem Gesetz von 1979 für die „Crown Agents“ eingeführt worden sind oder deren Tochterunternehmen. ff) Darüber hinaus kann jeder Mitgliedsstaat nach Art. 2 Abs. 2 RL vorsehen, dass die RL nicht auf Vertragspartner anwendbar ist, die HV-Tätigkeiten ausüben, welche nach dem Recht dieses Mitgliedsstaates als nebenberufliche Tätigkeiten angesehen werden. Vorbild dieser Regelung war der in Deutschland seit 1953 existierende § 92b. Bei den unter cc) und ee) genannten Fällen handelt es sich z. T. um Ausnahmen, die insbesondere Großbritannien forderte.

151 152 153 154

Hagemeister S. 36 ff., insb. S. 43. Emde DStR 2009, 1478 (1480). Emde DStR 2009, 1478 (1480). Außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs der RL s. etwa die Nettopolicen der Versicherer, hierzu BGH, Urt. v. 12.12.2013 – III ZR 124/13, NJW 2014, 1655 = WM 2014, 159 = DB 2014, 176 = EWiR 2014, 283 (Emde); Reiff VersR 2012, 645 ff. Emde

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b) Örtlicher Anwendungsbereich. Aussagen des EuGH zum räumlichen Geltungsbereich der 30 RL sind spärlich.155 Die RL erfordert einen hinreichenden Unionsbezug.156 Sie ist nach ihrem Wortlaut anwendbar, soweit der Warenvertreter in einem Mitgliedsstaat „niedergelassen“ ist. Dies ergibt sich aus der Einleitung („whereas“-Section) der RL, in der es heißt: „Diese Unterschiede erschweren im Übrigen auch erheblich den Abschluss und die Durchführung von Handelsvertreterverträgen zwischen einem Unternehmer und einem Handelsvertreter, die in verschiedenen Mitgliedsstaaten niedergelassen sind“. Im Übrigen wird in dieser Einleitung auch auf den Warenaustausch „zwischen den Mitgliedsstaaten“ hingewiesen und auf die „Wettbewerbsbedingungen und die Berufsausübung innerhalb der Gemeinschaft“. In der englischen Fassung der RL heißt es „established“, was in Richtung der Gründungstheorie des Gesellschaftsrechts und damit auf den Gründungsort weisen könnte. Damit ist die RL zumindest anwendbar, falls der Warenvertreter eine eigene Niederlassung innerhalb der EU besitzt oder innerhalb der EU gegründet wurde (wenn man die englische Fassung so versteht). „Irgendeine“ geringfügige Tätigkeit innerhalb der EU oder des EWR wird für die Anwendbarkeit der RL wohl nicht genügen. Insb. reicht der private Wohnsitz des HV nicht aus. Jedoch hat die seit „Ingmar157“ ständige Entscheidungspraxis des EuGH klargestellt, dass der in der EU tätige HV ebenfalls durch die RL geschützt wird.158 Denn auch dann existiert ein hinreichender Unionsbezug. Ein HV, der seine Tätigkeit etwa in der Türkei159 ausübt, fällt deshalb nicht unter den Schutz der RL.160 Die RL ist jedoch auch auf Verhältnisse ohne Auslandsbezug anwendbar.161 Auch andere Faktoren können einen ausreichenden Unionsbezug begründen.162 c) Zeitlicher Anwendungsbereich. Die RL ist zumindest anwendbar, sobald der Vertrag ab- 31 geschlossen worden ist, selbst wenn eine Probezeit vereinbart wurde.163 Auch während einer Probezeit besteht eine Rechtsbeziehung zwischen einem HV und einem Unternehmer i. S. d. Art. 1 RL ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses.164 Folglich ist die RL anwendbar, sobald der Vertrag abgeschlossen worden ist, auch wenn eine Probezeit vereinbart wurde.165 Die RL entfaltet zudem vor- und nachvertragliche Wirkungen, sofern es ihr Schutzzweck erfordert. d) Örtlicher Anwendungsbereich. Zum örtlichen Anwendungsbereich vgl. die Kommentie- 32 rung zu § 92c. 155 Walter RIW 2019, 570 (572). 156 EuGH Slg. 2000, I-9305 = RIW 2001, 133 Rn 25; Walter RIW 2019, 570 (572). 157 EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – C-381/98, NJW 2001, 2007 = VersR 2001, 617 = ZIP 2000, 2108 = EWiR 2000, 1061 (Freitag) = EWS 2000, 550 = BB 2001, 10 m. zust. Anm. Kindler = DB 2001, 36 = EuZW 2001, 50 m. Anm. Reich = RIW 2001, 133 = NJW 2001, 2007 m. Anm. Staudinger NJW 2001, 1974. 158 EuGH, Urt. v. 16.2.2017 – C-507/15, ZVertriebsR 2017, 182 Rn 35 m. Anm. Rohrßen; v. 17.10.2013 – C-184/12 Rn 48 f., EWS 2013, 422 = RIW 2013, 874 = EWiR 2014, 11 (Mankowski) m. Anm. von Bodungen BB 2014, 403 sowie Gräfe/Giesa ZVertriebsR 2014, 29 (Schifffahrts-HV). Ebenso Walter RIW 2019, 570 (572). 159 Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Türkei (EuGH, Urt. v. 16.2.2017 – C-507/15, ZVertriebsR 2017, 182 Rn 37 m. Anm. Rohrßen). 160 EuGH, Urt. v. 16.2.2017 – C-507/15, ZVertriebsR 2017, 182 Rn 35 m. Anm. Rohrßen. 161 Schlussanträge des GA zum Verfahren EuGH, Urt. v. 19.4.2018 – C-645/16 Rn 21; Gramlich ZVertriebsR 2018, 250. 162 Vgl. Walter RIW 2019, 570 (573). 163 EuGH, Urt. v. 19.4.2018 – C-645/16, BB 2018, 1037 m. Anm. Otz Rn 26; Anm. Valdini ZVertriebsR 2018, 169 Anm. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2018, 173; Gramlich ZVertriebsR 2018, 250. 164 EuGH, Urt. v. 19.4.2018 – C-645/16, BB 2018, 1037 m. Anm. Otz Rn 27; Anm. Valdini ZVertriebsR 2018, 169 Anm. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2018, 173; Gramlich ZVertriebsR 2018, 250. 165 EuGH, Urt. v. 19.4.2018 – C-645/16, BB 2018, 1037 m. Anm. Otz Rn 26; Anm. Valdini ZVertriebsR 2018, 169 Anm. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2018, 173; Gramlich ZVertriebsR 2018, 250. 21

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6. Auslegung der RL 33 Sowohl bei der allgemeinen, der richtlinenkonformen (unten, Ziff. 6a) wie auch der handelsvertreterfreundlichsten (unten, Rn 36) Auslegung, stellt sich die Frage, nach welchen Maßstäben die RL auszulegen ist. 34 Die Auslegung ist anhand aller Umstände des Einzelfalls und des RL-Textes vorzunehmen. Der EuGH166 nennt die wörtliche167 und die systematische,168 zudem die teleologische Auslegung169 nach Sinn und Zweck der RL.170 In erster Linie scheint sich der EuGH, wohl auch der Multinationalität des Gerichts mit den daraus entstehenden unterschiedlichen Auslegungstraditionen geschuldet, am Wortlaut171 unter besonderer Berücksichtigung der Erwägungsgründe der RL172 und erst in zweiter Linie an der teleologischen Auslegung173 zu orientieren. Bei der Wortlautauslegung sind alle Sprachfassungen der RL gleichermaßen bindend,174 ohne dass einer Fassung der Vorrang zukommt. Diese sind zu vergleichen.175 Weichen sie voneinander ab, muss ein in der RL verwendeter Begriff unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Kontexts der Vorschrift und des mit ihr verfolgten Ziels in der gesamten EU eine autonome, einheitliche Auslegung erhalten.176 Zulässig ist weiter die grammatikalische (wobei die ggf. divergierende sprachliche Fassung aller Amtssprachen zu untersuchen ist177), gemeinschaftsrechtkonforme178 sowie historische179 Auslegung, etwa anhand von Vorentwürfen.180 Alle Auslegungsschritte müssen autonom erfolgen.181 Da das deutsche Recht Pate gestanden hat, mag das deutsche Verständnis zur Zeit des Entstehens der RL gleichwohl im Rahmen der historischen Auslegung

166 EuGH, Urt. v. 19.4.2018 – C-645/16, BB 2018, 1037 m. Anm. Otz Rn 22; Anm. Valdini ZVertriebsR 2018, 169 Anm. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2018, 173; Gramlich ZVertriebsR 2018, 250; v. 26.3.2009 – C-348/07, EWS 2009, 150 (152) Rn 27, 29, 31. 167 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard); v. 19.4.2018 – C-645/16, BB 2018, 1037 m. Anm. Otz Rn 22, Anm. Valdini ZVertriebsR 2018, 169 sowie Anm. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2018, 173; v. 28.10.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677 = DB 2010, 2495. 168 EuGH, Urt. v. 19.4.2018 – C-645/16, BB 2018, 1037 m. Anm. Otz Rn 22; Anm. Valdini ZVertriebsR 2018, 169 Anm. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2018, 173; Gramlich ZVertriebsR 2018, 250. 169 EuGH, Urt. v. 19.4.2018 – C-645/16, BB 2018, 1037 m. Anm. Otz Rn 22; Anm. Valdini ZVertriebsR 2018, 169 Anm. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2018, 173; Gramlich ZVertriebsR 2018, 250; hierzu auch Gräfe/Boerner ZVertriebsR 2017, 282 (283). 170 S. a. Thume IHR 2018, 231 (234). 171 Paradigmatisch die Prüfung in EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 Rn 38 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard); aA Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 56 („tritt zurück“). 172 Thume IHR 2018, 231 (234). 173 Siehe EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 Rn 39 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard); Bleckmann ZGR 1992, 364 (365); ders. RIW 1987, 929 (930); ders. NJW 1982, 1177 (1178); Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 55 („stärkste Bedeutung“); Westphal DB 2010, 1333 (1334). 174 Walter NJW 2019, 959 (960). 175 Gräfe/Boerner ZVertriebsR 2017, 282. 176 EuGH, Urt. v. 17.5.2017 – C-48/16, BB 2017, 1420 Rn 37 m. Anm. Zipse; Schlussanträge des GA Szpuna v. 10.9.2015 – C-315/14, ZVertriebsR 2015, 336 Rn 45; Gräfe/Boerner ZVertriebsR 2017, 282. 177 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 56. 178 EuGHE 1983, 4063 ff.; Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 57. 179 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 56. 180 Bleckmann NJW 1982, 1177 (1178); Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 56. 181 Ebenroth/Hakenburg2 Vor § 84 Anh. Rn 10; Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 57; Emde DStR 2009, 1478 (1479). Emde

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eine Rolle spielen.182 Denn immerhin verweist die Kommission zur Erläuterung des in der RL Gewollten selbst auf die deutsche Rspr.183 Die Auslegung ist soweit wie möglich an Wortlaut sowie Zweck der RL auszurichten. Wie das HGB folgt die RL eher einem geschäftsorientierten als einem personenorientierten Ansatz, was bei ihrer Auslegung zu beachten ist.184

a) RL-konforme Auslegung. Im Verhältnis Privater zum Staat bleibt die RL innerhalb ihres 35 Regelungsbereichs, dem Recht der Warenvertreter, stets unmittelbar anzuwenden, sofern Umsetzungsfehler gerügt werden.185 Dies gilt jedoch nicht im horizontalen Verhältnis unter Privaten, um die es in Streitigkeiten meist geht.186 Im Rechtsverhältnis unter Privaten kommt nur eine RL-konforme Auslegung in Betracht. Das Verhältnis zwischen RL-konformer Auslegung und nationalen Auslegungsmethoden ist umstritten. Der RL-konformen Interpretation gebührt innerhalb des Anwendungsbereichs der RL gegenüber nationalen Auslegungsmethoden absoluter Vorrang.187 Dies beruht auf dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht.188 Notfalls muss die Auslegung sogar contra legem erfolgen.189 Damit müssen nationale Gerichte alle Vorschriften des HV-Rechts autonom und losgelöst von nationalem Recht190 europarechtsund richtlinienkonform interpretieren.191 Das folgt auch aus dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue.192 Gleichwohl liegt ein Umsetzungsfehler vor, wenn der Text der nationalen Gesetze eine Frage nicht regelt, obwohl die RL dies fordert und sich das von der RL geregelte Ergebnis nur mittels RL-konformer Auslegung in das nationale Recht transportieren lässt.193 Die Gegenansicht will einen Vorrang der RL nicht anerkennen194 oder zumindest eine Grenze an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubtem ziehen.195 Zumindest verlangt der EuGH196 von den nationalen Gerichten eine volle Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, welchen das nationale Recht einräumt. Er hat dabei zum Ausgleichsrecht den Grundsatz HV-

182 AA Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 57. 183 Bericht der Kommission über die Anwendung des Art. 17 der Richtlinie auf den Handelsvertreter, COM (96) 364 endg. 184 Schlussanträge des Generalanwalts Szpuna v. 10.9.2015 – C-315/14, ZVertriebsR 2015, 336 Rn 47. 185 Ebenroth/Hakenberg2 Vor § 84 Anh. Rn 7; Lauser/Reifenrath RIW 2002, 746 (752) unter Hinweis auf EuGH Slg. 1986, 723 Rn 48. 186 Ebenroth/Hakenberg2 Vor § 84 Rn 7, siehe auch Lauser/Reifenrath RIW 2002, 746 (752) unter Hinweis auf EuGH Slg. 1986, 723 Rn 48. 187 EuGH, Urt. v. 26.3.2009 – C-348/07, EWS 2009, 150 = EWiR 2009, 239 (Emde); Auer ZBB 1999, 170; Bach JZ 1990, 1111; Lutter JZ 1992, 604; Spetzler DB 1993, 554. 188 EuGH, Slg. 1964, 1251. 189 Riesenhuber/Domröse RIW 2005, 47 (51); aA BVerfG, Beschl. v. 26.9.2011 – BvR 2216/06 u. a., NJW 2012, 669 Rn 47, 56 (kein Vertriebsrechtsfall); Walter RIW 2019, 570 (575); Tiedtke/Schmitt ZIP 2005, 681 (682): Falls das nationale Recht eine RL-konforme Interpretation nicht zulässt, verpflichtet auch der EuGH die Gerichte nicht zu einem contra-legem-Judikat, letztgenannte Ansicht wohl durch EuGH, Urt. v. 26.3.2009 – C-348/07, EWS 2009, 150 = EWiR 2009, 239 (Emde) in Frage gestellt. Eine teleologische Reduktion einer Norm soll aber zulässig sein: BVerfG, Beschl. v. 26.9.2011 – BvR 2216/06 u. a., NJW 2012, 669 Rn 58 ff. – kein Vertriebsrechtsfall. 190 Westphal DB 2010, 1333 (1334). 191 EuGHE 1990 I 4135; BGH, Urt. v. 13.1.2010 – VIII ZR 25/08 Rn 33 – Kfz-Vertragshändler; OLG Hamburg, Urt. v. 27.1.2011 – 3 U 260/08 (zum Recht des VV, ohne Diskussion des Anwendungsbereichs der RL); Martinek ZVertriebsR 2014, 139 (141); Thume BB 2011, 1800; Westphal DB 2010, 1333 (1334); Steinhauer EuZW 2009, 887 (888) zu § 89b; Hopt FS Medicus, S. 99; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. XI Rn 16; Ebenroth/Hakenberg3 Vor § 84 Anh. Rn 9; Hopt § 84 Rn 3; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 89b Rn 7; allgemein Lutter JZ 1992, 593; Götz NJW 1992, 1853. 192 Thume BB 2015, 387 (388). 193 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 91. 194 Di Fabio NJW 1990, 947; Dänzer-Vanlotti StVJ 1991, 2. 195 BVerfG, Beschl. v. 26.9.2011 – BvR 2216/06 u.a, NJW 2012, 669 Rn 47. 196 EuGH Slg. 1984, 1891; EuGH Slg. 1994, 3325. 23

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freundlichster Auslegung der RL197 aufgestellt, der über das Ausgleichsrecht hinausreichen dürfte (dazu unten, Rn 36). Auch bei der RL-konformen Auslegung besitzen Wortlaut sowie teleologische Auslegung einen hohen Stellenwert (s. o.). Unberechtigt dürfte die Ansicht sein, ein unmittelbarer Rückgriff auf die RL sei unzulässig.198 Schweigt die RL und ist ihr Sinn und Zweck nicht zu ermitteln, bedarf es keiner RL-konformen Interpretation. Die Pflicht zur RL-konformen Auslegung besteht, jedenfalls gegenüber dem Adressatenkreis der RL, sogar, wenn der Text der nationalen Regelung nach Erlass der RL unverändert blieb.199 Die RL überlagert den alten Text und richtet ihn europarechtlich aus.200 Er muss trotz identischen Wortlauts mglw. abweichend von dem früheren nationalen Verständnis und aus seinem nationalem Kontext gelöst ausgelegt werden201 (wobei die Herleitung der RL aus deutschem Recht mildernd wirkt). Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Entwurzelung nationaler Bestimmungen selbst bei Übernahme der europarechtlichen Regelung in nationales Recht.202 Die Fortsetzung der bisherigen nationalen Rspr. wird aber nicht ausgeschlossen, soweit sie Art. 17 RL nicht widerspricht. Denn die RL verlangt nicht, dass der Ausgleich gerade in derjenigen Auslegung des nationalen Rechts von 25 Mitgliedsstaaten umgesetzt wird, die die nationalen und auch die deutschen Gerichte in jahrzehntelanger Rechtsprechung ihrem Ausgleichsrecht gegeben haben.203 Die deutsche Rechtsprechung zu § 89b zählt nur soweit zum international-zwingenden Gehalt, als dies durch den Wortsinn des Art. 17 Abs. 2 RL gefordert wird.204

36 b) Handelsvertreterfreundlichste Auslegung. Nach dem EuGH,205 ist wegen der besonderen Bedeutung der Artt. 17, 18 RL jedenfalls in ihrem Normanwendungsbereich allein eine nicht zum Nachteil des HV gereichende Auslegung zulässig. Es ist also zweistufig vorzugehen. Zunächst ist bei zwingenden Vorschriften mittels Auslegung nach einem klaren Auslegungsergebnis zu fahnden. Die Auslegung ist anhand der o. g. Maßstäbe vorzunehmen. Der EuGH206 zitiert gerade im Zusammenhang mit der handelsvertreterfreundlichsten Auslegung die wörtliche und die systematische Auslegung, zudem die Auslegung nach Sinn und Zweck der RL. Ergibt dieser erste Schritt kein klares Ergebnis, ist von den verbleibenden Varianten die handelsvertreterfreundlichste zu wählen. 37 Zumindest bei zwei Auslegungsalternativen – aber wohl auch sonst – bedeutet dies immer die Auslegung zu bevorzugen, welche nach der RL die einerseits mögliche, also vertretbare (die Auslegung der RL geht also vor), und andererseits HV-freundlichste ist.207 Dies erinnert an das 197 EuGH, Urt. v. 26.3.2009 – C-348/07, EWS 2009, 150 = BB 2009, 1607 = EWiR 2009, 239 (Emde), Tz 21, 23; aA Semler BB 2009, 2327 (2328 f.). Ebenso Schlussanträge des Generalanwalts Szpuna v. 10.9.2015 – C-315/14, ZVertriebsR 2015, 336, Rn 46 für Art. 17 RL. 198 Freitag/Leible RIW 2001, 287 (293); zwh., denn die RL ist zumindest Auslegungsmaßstab. 199 Westphal DB 2010, 1333 (1334). 200 EuGH, Urt. v. 22.11.1978, EuGHE 1978, 2183; Hopt Neue Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit, in: FS Medicus, S. 235, 247; Kiene RIW 2007, 287 (297). 201 Westphal DB 2010, 1333 (1334). 202 Kiene RIW 2007, 287 (297). 203 Semler ZVertriebsR 2016, 139 (140). 204 Semler ZVertriebsR 2016, 139 (140). 205 EuGH, Urt. v. 19.4.2018 – C-645/16, BB 2018, 1037 m. Anm. Otz Rn 35; Anm. Valdini ZVertriebsR 2018, 169 Anm. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2018, 173; Gramlich ZVertriebsR 2018, 250; v. 26.3.2009 – C-348/07, EWS 2009, 150 = BB 2009, 1607 = EWiR 2009, 239 (Emde) Rn 21, 23; zu dem letztgenannten Urteil Emde DStR 2009, 1478 ff.; ders. EWiR 2009, 239; Eckhoff BB 2009, 1609. 206 EuGH, Urt. v. 26.3.2009 – C-348/07, EWS 2009, 150 (152) Rn 27, 29, 31. 207 Emde DStR 2009, 1478 (1479); Emde ZVertriebsR 2014, 218 (222); Hopt § 84 Rn 3; wohl auch Ebenroth/Löwisch3 Vor § 84 Rn 10; aA Pauly MDR 2013, 694 (695); Koch ZIP 2011, 1752 (1753); Semler ZVertriebsR 2013, 137; BB 2009, 2327 (2328 f.); Westphal DB 2010, 1333 (1337); Balke/Evke de Groot NJOZ 2010, 1551; Lilje Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs im Versicherungsvertrieb, 2015, S. 61. Emde

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verwenderfeindlichste Verständnis des AGB-Rechts, meint aber nach dem Schutzzweck der RL wohl etwas anderes. Es kommt kaum darauf an, welche Auslegung im spezifischen Fall HVfreundlich ist, sondern welche es bei abstrakt-genereller Betrachtung in typischen Fällen wäre. Bliebe der konkrete Fall maßgeblich, gelangte man in unterschiedlichen Rechtsstreitigkeiten zu divergierenden Ergebnissen. Das wäre – anders als bei der auf die Prüfung eines individuellen Vertrages zielenden AGB-Kontrolle – mit der Auslegung abstrakt-genereller Normen unvereinbar und der Rechtsvereinheitlichung widerstreitend.208 Man wird also rglm. den Wortlaut der RL prüfen müssen und ob das tradierte Verständnis von Literatur und Rspr. im Lichte dieses Wortlauts das HV-freundlichste Ergebnis beinhaltet. Die Urteile des EuGH209 betrafen mit den Artt.17/18 RL zwingendes Ausgleichsrecht und 38 seine von Gerichten gefundene Auslegung. Hierauf beziehen sich seine Aussagen und damit auch die zur HV-freundlichsten Auslegung. Für wen zwingend sagt der EuGH nicht. Es gibt Vorschriften, die für die Parteien und/oder die Nationalstaaten zwingend sind (s. o., Ziff. 3). Gemeint sein könnte, für die Mitgliedsstaaten zwingend, d. h. ihre Verpflichtung, die RL inhaltsgetreu umzusetzen. Rn 17 des Urteils hilft mit einem Verweis auf das Ingmar-Urteil des EuGH.210 Dort versteht sich zwingendes Recht zum einen i. S. d. der vorgenannten Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, die in „Ingmar“ relevanten Vorschriften des Ausgleichsrechts zwingend ohne Umsetzungsermessen einzuführen,211 zum anderen i. S. fehlender Parteidispositivität.212 Die Entscheidung C-348/07213 scheint auf den ersten Blick, da es um einen Umsetzungsfehler geht und die Parteidispositivität insoweit nicht interessiert, mehr das mangelnde Umsetzungsermessen des nationalen Gesetzgebers zu betonen, „Ingmar“ eher die fehlende Parteidispositivität. Da das Urteil C-348/07 Art. 17 RL betrifft und Art. 17 Abs. 1 RL den Mitgliedsstaaten insoweit Umsetzungsermessen zubilligt, als sie zwischen dem Ausgleichs- und Schadensersatzmodell des Art. 17 RL wählen konnten, muss die Entscheidung sich auf parteizwingendes Recht beziehen. Letztlich dürfte die Frage, welches zwingendes Recht gemeint ist, irrelevant sein. Denn jede nationale Norm, die sich an der RL orientiert, ist in ihrem Lichte auszulegen, also RL-konform und vor dem Hintergrund des Zwecks der RL, der u. a.214 dem Schutz des HV dient.215 Dies zeigen Rn 21, 14 des Urteils C-348/07. Hier wird zur Begründung des Ergebnisses auf das Ziel des RL-Rechts verwiesen, die Interessen des HV gegenüber dem Unternehmer zu schützen und mit den Artt. 13–20 RL sogar auf dispositives Recht. Der zusätzliche Hinweis auf die zwingende Natur sollte also nur den Stellenwert des Ausgleichsrechts innerhalb des HV-Rechts hervorheben und vor allem deutlich machen, dass das HGB nicht von der RL abweichen darf.216 Vor allem bezog sich die Aussage des EuGH auf eine Auslegung deutscher Gerichte zum Ausgleichsrecht. Im Vordergrund stand mithin eine Auslegungsfrage. Es spricht viel dafür, dass die HV-freundliche Auslegung damit auf jeden vor Gericht anhängigen Auslegungsstreit anwendbar ist, soweit sich keine klare „HV-unfreundliche“ Auslegung ergibt. Zumindest gilt die Verpflichtung zur HV-freundlichsten Auslegung für parteizwingendes RLRecht. Auch außerhalb des Ausstrahlungsbereichs zwingender RL-Vorschriften dürfte eine zumindest analoge Anwendung des Grundsatzes HV-freundlichster Auslegung angezeigt sein.

208 Emde DStR 2009, 1478 (1479). 209 EuGH, Urt. v. 19.4.2018 – C-645/16, BB 2018, 1037 m. Anm. Otz Rn 34; Anm. Valdini ZVertriebsR 2018, 169 Anm. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2018, 173; Gramlich ZVertriebsR 2018, 250; v. 26.3.2009 – C-348/07, EWS 2009, 150 = BB 2009, 1607 = EWiR 2009, 239 (Emde). 210 EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – C-381/98, Slg. 2000 I-9305 = NJW 2001, 2007. 211 EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – C-381/98, Slg. 2000 I-9305 = NJW 2001, 2007 Rn 23. 212 EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – C-381/98, Slg. 2000 I-9305 = NJW 2001, 2007 Rn 27. 213 EuGH, Urt. v. 26.3.2009 – C-348/07, EWS 2009, 150 = BB 2009, 1607 = EWiR 2009, 239 (Emde). 214 Zu den Zwecken der RL Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 32 f.; 79 ff. 215 Zu diesem Schutzzweck bereits EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – C-381/98, Slg. 2000, I-9305 (Ingmar); Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 29 f.; 82. 216 Emde DStR 2009, 1478 (1481). 25

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Teilweise wird die Existenz des vom EuGH ausdrücklich postulierten Grundsatzes HVfreundlichster Auslegung bestritten. Die Ansichten und Begründungen sind recht indifferent: der Grundsatz HV-freundlichster Auslegung bedeutet nach Semler217 nur, dass nationales Recht nicht zu Ungunsten des HV von der RL abweichen dürfe. Zudem gelte der Grundsatz nur für Art. 17 RL.218 Gegen das erstgenannte Verständnis ist einzuwenden, dass der EuGH nicht den nationalen Gesetzgeber rügte, sondern eine Auslegungsfrage entschied und anzumerken, dass dann gerade wieder das nationale Recht auf seine HV-freundlichste Fassung zu prüfen, also auszulegen, wäre. Gegen die Beschränkung auf Art. 17 RL streitet, dass andere Vorschriften der RL kaum weniger bedeutend sind als diese sogar mit nationalem Umsetzungsermessen (Schadenersatz-, Ausgleichsmodell) versehene Norm. Nach Auffassung von Koch219 ist dem Grundsatz nur zu entnehmen, dass eine Auslegung RL-widrig sei, die immer nachteilig für den HV sei. Aber was bedeutet das? Eine in jeder Situation nachteilige Auslegung wird es kaum geben. Laut Westphal220 gilt der Grundsatz nur für die Prüfung der Provisionsverluste. Aber das hat der EuGH eindeutig nicht gesagt. Zudem steht auch der Ansicht von Westphal die gegenüber den „Provisionsverlusten“ nicht mindere Bedeutung anderer RL-Vorschriften entgegen. Auch die von Westphal DB 2010, 1337, linke Spalte,221 beispielhaft genannte, angeblich HV-unfreundliche Auslegung des EuGH, derzufolge Vorteile der Muttergesellschaft nicht notwendigerweise denen der Tochter entsprechen müssen, überzeugt nicht. Denn hier war die Auslegung der RL nach anderen Maßstäben ergiebig und vorrangig. So ist die HV-freundlichste Auslegung ausgeschlossen, wenn die wörtliche, systematische, teleologische oder historische Auslegung der RL zu einem klaren Ergebnis führt.222 Selbst Semler gibt zudem zu, dass der Wortsinn der Rn 21 des Urteils v. 26.3.2009 – C-348/07 die hier vertretene Ansicht stützt.

7. Analoge Anwendung der RL-konform umgesetzten Vorschriften innerhalb des Anwendungsbereichs der RL? 40 Die analoge Anwendung einer in der RL vorgebildeten und in deutsches Recht transformierten Vorschrift ist auch im Anwendungsbereich der RL (außerhalb des Anwendungsbereichs ist dies unstrittig, siehe die Analogie zum HGB im Vertragshändler- und Franchiserecht223) in gleicher Weise zulässig wie die analoge Anwendung deutschen Rechts.224 Dies gilt zumindest, wenn die Analogie HV-freundlich wirkt. Diskutiert wurde dies vor allem zu § 89b Abs. 3 Nr. 2 und seinem RL-Vorbild, Art. 18 Abs. 1a RL.225 Dort stand eine Analogie zu Lasten des durch die RL geschütz-

217 218 219 220 221 222

Semler BB 2009, 2327 (2328 f.). So auch Walter NJW 2019, 959 (963). Koch ZIP 2011, 1752 (1753). Westphal DB 2010, 1333 (1337). Ebenso Lilje Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs im Versicherungsvertrieb, 2015, S. 61. Beispiel: Entscheidung EuGH, Urt. v. 3.12.2015 – C-338/14, ZVertriebsR 2016, 15 = EuZW 2016, 221 m. Anm. Emde EuZW 2016, 218 und Anm. Franke IHR 2016, 100. S. Emde EuZW 2016, 218. 223 Siehe Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677. 224 Siehe BGH, Vorlagebeschl. v. 6.8.2009, EWS 2009, 440; Vorlagebeschl. v. 29.4.2009 – VIII ZR 226/07, RIW 2009, 640 = VersR 2009, 1116 = EWiR 2009, 611 (Emde) = BeckRS 2009, 13178, der diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorlegte (Entsch. in EuGH, Urt. v. 28.10.2010 – C-203/09, DB 2010, 2495); zumindest implizit Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677; Emde EWiR 2009, 386; für Art. 18 lit. a RL aA EuGH, Urt. v. 28.10.2010 – C-203/09, DB 2010, 2495; aA Magnus IHR 2018, 49 (51) für Vertragshändlerverträge. 225 Siehe EuGH, Urt. v. 28.10.2010 – C-203/09, DB 2010, 2495; BGH, Vorlagebeschl. v. 6.8.2009, EWS 2009, 440 = Vorlagebeschl. v. 29.4.2009 – VIII ZR 226/07, RIW 2009, 640 = VersR 2009, 1116 = EWiR 2009, 611 (Emde); Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677; aA OLG Rostock, Urt. v. 4.3.2009 – 1 U 57/08, EWiR 2009, 385 mit abl. Anm. Emde. Emde

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ten HV in Frage, die der EuGH ablehnte.226 Ebenso wie deutsches Recht definiert die RL nur den unmittelbaren Anwendungsbereich ihrer Normen. Sie schließt nicht aus, ihren Regelungsgehalt auf vergleichbare Sachverhalte anzuwenden. Bei der Analogie RL-konform transformierter Regelungen geht es um eine Analogie im EU-Sekundär- und nicht Primärrecht. Selbst auf der Ebene des EU-Primärrechts stellt die Rechtsanalogie eine gebräuchliche Praxis dar.227 Ein Übergriff in die alleinige Rechtssetzungskompetenz der Gemeinschaftsorgane dürfte mit einer Analogie nicht verknüpft sein.228

8. Anwendung der RL auf nicht von der RL erfasste Mittler a) HV-Recht. Auf nicht von der RL erfasste Mittler, etwa Dienstleistungsvertreter, VV sowie HV- 41 ähnliche Vertriebsmittler sind die RL, die RL-konforme Auslegung sowie das Gebot HV-freundlichster Auslegung unmittelbar nicht anwendbar.229 Eine europarechtliche Pflicht zur Anwendung besteht nicht.230 Es könnte aber eine analoge Anwendung in Frage kommen;231 jedenfalls aber eine Ausstrahlungswirkung der RL-Vorschriften.232 Die RL entfaltet aber keine Sperrwirkung dergestalt, dass es den Mitgliedsstaaten verboten 42 wäre, nationale Schutzregimes für Vertragshändler zu errichten oder Regeln der RL auf Vertragshändler zu erstrecken.233 Hat der nationale Gesetzgeber, wie es in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Österreich234 geschehen ist, Fragen für von der RL erfasste und nicht von der RL erfasste Mittler parallel und einheitlich geregelt („überschießende Umsetzung“235), können und sollten die Aussagen der RL und die RL-konforme Auslegung auch auf die Verhältnisse von Mittlern erstreckt werden, die nicht von der RL erfasst sind.236 Denn nationale Rechtsvorschriften, so der EuGH,237 seien zur Vermeidung von Auslegungsdivergenzen, Diskriminierung und Wettbewerbsverzerrungen unabhängig davon, unter welchen Bedingungen sie angewendet würden, einheitlich und europarechtskonform auszulegen. Das gilt auch dann, wenn es sich 226 EuGH, Urt. v. 28.10.2010 – C-203/09, DB 2010, 2495. 227 Emde EWiR 2009, 386; Bleckmann/Pieper in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 22. EL 08, Rn 165; Borchardt in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 15 Rn 22; Weber RIW 2009, 620 (622); vgl. auch Wiedemann Kommentar zu den GVOs des EWG-Kartellrechts, Bd. I, 1989, AT Rn 83 ff. zu EU-VO. 228 Emde EWiR 2009, 386. 229 EuGH, Urt. v. 3.12.2015 – C-338/14, ZVertriebsR 2016, 15 = EuZW 2016, 221 m. Anm. Emde EuZW 2016, 218 und Anm. Franke IHR 2016, 100 (Dienstleistungs-HV); BGH, Urt. v. 23.11.2011 – VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 = WM 2012, 469 = IHR 2012, 63 m. Anm. Thume = EWiR 2012, 207 (Emde) Rn 24 ff.; Mankowski RIW 2016, 457; Thume BB 2015, 387 (388). 230 EuGH, Urt. v. 16.7.1998 – C-246/96, EuZW 1999, 21 = EWS 1998, 344 = RIW 1999, 981; Thume BB 2011, 1800 (1801). 231 Thume BB 2015, 387 (388); Gegen die analoge Anwendung Reithmann/Martiny/Dutta 7. Aufl., Rn 2120, weswegen etwa die Vorschriften zum Ausgleichsrecht international nicht zwingend seien. 232 Tendenziell wohl BGH, Urt. v. 13.1.2010 – VIII ZR 25/08 Rn 33 – Kfz-Vertragshändler. 233 Mankowski RIW 2016, 457. 234 Rohrßen ZVertriebsR 2019, 153 (154). 235 Gräfe/Giesa ZVertriebsR 2014, 29 (34). 236 EuGH, Urt. v. 3.12.2015 – C-338/14, ZVertriebsR 2016, 15 = EuZW 2016, 221 m. Anm. Emde EuZW 2016, 218 und Anm. Franke IHR 2016, 100; v. 17.10.2013 – C-184/12 Rn 31, EWS 2013, 422 = RIW 2013, 874 = EWiR 2014, 11 (Mankowski) m. Anm. von Bodungen BB 2014, 403 sowie Gräfe/Giesa ZVertriebsR 2014, 29; BGH, Urt. v. 23.11.2011 – VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 = WM 2012, 469 = IHR 2012, 63 m. Anm. Thume = EWiR 2012, 207 (Emde); v. 16.2.2011 – VIII ZR 226/07, NJW-RR 2011, 614 Rn 19; Beschl. v. 29.4.2009 – VIII ZR 226/07, VersR 2009, 1116 Rn 9; Urt. v. 9.4.2002 – XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248 (260 f.); Thume IHR 2018, 231 (232); Thume BB 2015, 387 (388). 237 EuGH, Urt. v. 17.5.2017 – C-48/16, BB 2017, 1420 Rn 31 m. Anm. Zipse; v. 3.12.2015 – C-338/14, ZVertriebsR 2016, 15 = EuZW 2016, 221 m. Anm. Emde EuZW 2016, 218 und Anm. Franke IHR 2016, 100; v. 17.10.2013 – Rs. C-184/12 Rn 31, EWS 2013, 422 = RIW 2013, 874 = EWiR 2014, 11 (Mankowski) m. Anm. von Bodungen BB 2014, 403 sowie Gräfe/Giesa ZVertriebsR 2014, 29; wohl aA Magnus IHR 2018, 49 (51) für Vertragshändlerverträge. 27

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um einen HV handelt, der, wie ein Schifffahrtsvertreter238 oder VV,239 nicht in den Anwendungsbereich der RL fällt. Ein derartiger Wille zur einheitlichen Auslegung muss aber im Einzelfall feststellbar sein.240 Bereits Thume241 leitete aus der überschießenden Umsetzung eine innerstaatliche Pflicht zur Gleichbehandlung aller HV untereinander, also Waren- und Nichtwarenvertreter, auch in Bezug auf die bei beiden Gruppen erforderliche RL-konforme Auslegung her. 43 Ob nicht von der RL erfasste Mittler dem Schutzniveau des RL-Rechts gleichgestellt werden, darf vom nationalen Gesetzgeber und Richter entschieden werden.242 Im HV-Recht hat sich der deutsche Gesetzgeber aufgrund der – von Sondervorschriften (§§ 89b Abs. 5, 92) abgesehen – mangelnden Abgrenzung nicht von der RL erfasster Mittler von solchen, die die RL erfasst, für eine solche Gleichstellung entschieden243 und auch Dienstleistungsvertreter244 in den Anwendungsbereich der §§ 84 ff. einbezogen. Es liegt also, abweichend von anderen europäischen Ländern, deren HV-Recht nur für den Warenvertreter gilt,245 eine sog. „überschießende“ Umsetzung246 der RL über ihren eigentlichen Anwendungsbereich hinaus vor. Insb. bei Diskrepanzen zwischen HGB und RL könnte man bei HV-ähnlichen Mittlern, deren Recht in einer Analogie zu den §§ 84 ff. gebildet wird, darüber nachdenken, zu welchen Normen die Analogie gesucht wird, HGB oder RL.247 Erste Rechtsquelle für nicht von der RL erfasste Mittler bleiben zwar die §§ 84 ff.,248 so dass das HGB anzuwenden ist. Sofern allerdings das HGB kraft unmittelbarer oder analoger Anwendung auch für nicht von der RL erfasste Mittler gilt, sollte es in gleicher Weise (einheitlich) und damit RL-konform so ausgelegt werden, wie es auch bei von der RL erfassten HV geschieht.249 Dies ergibt sich zwar weder aus der RL noch dem HGB, ist aber ein Gebot der Vernunft und mglw. auch des Art. 3 GG. Denn eine aufgrund unterschiedlicher Auslegung, einmal unter Einbeziehung und ein anderes Mal unter Nichteinbeziehung der RL sowie der RLkonformen Auslegung entstehende Disparität des Vertriebsrechts, ist angesichts seiner relativen Einheitlichkeit kaum sinnvoll.250 Die sich entwickelnde Rspr. zum HV-Recht wäre auf andere Vertriebsmittler nur noch eingeschränkt zu übertragen.251 Für deutsches Umsetzungsrecht, welches bewusst nach dem Willen des Umsetzungsgesetz44 gebers über das RL-Recht hinausgeht, gibt es damit einen gesetzgeberischen Willen zu einheitlicher Auslegung.252 Das gilt insb. für den zwecks Umsetzung der RL novellierten Teil der §§ 84 ff., 238 EuGH, Urt. v. 3.12.2015 – C-338/14, ZVertriebsR 2016, 15 = EuZW 2016, 221 m. Anm. Emde EuZW 2016, 218 und Anm. Franke IHR 2016, 100. 239 EuGH, Urt. v. 17.5.2017 – C-48/16, BB 2017, 1420 Rn 31 m. Anm. Zipse. 240 BGH, Urt. v. 23.11.2011 – VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 = WM 2012, 469 = IHR 2012, 63 m. Anm. Thume = EWiR 2012, 207 (Emde) Rn 26. 241 Thume BB 2015, 387 (388); Thume BB 2012, 975; BB 2011, 1800 (1802); aA Reiff VersR 2012, 645 (653). 242 AA mglw. BGH, Vorlagebeschl. v. 6.8.2009, EWS 2009, 440; Vorlagebeschl. v. 29.4.2009 – VIII ZR 226/07, RIW 2009, 640 = VersR 2009, 1116 = EWiR 2009, 611 (Emde), der in einem Vertragshändlerfall um eine Entscheidung des EuGH nachsuchte. 243 BGH, Urt. v. 25.10.2012 – VII ZR 56/11, NJW 2013, 2027 = BB 2012, 3098 Rn 38 – zu Versicherungsvertretern; Thume BB 2011, 1800 (1802); Küstner/Thume/Thume I4 Kap IX Rn 20. 244 Ebenso der slowakische Gesetzgeber, siehe EuGH, Urt. v. 17.5.2017 – C-48/16, BB 2017, 1420 Rn 31 m. Anm. Zipse. 245 Laut Westphal EWS 1996, 43 (44) Dänemark, Finnland, Griechenland, Großbritannien, Luxemburg und Schweden. 246 Siehe Gräfe/Giesa ZVertriebsR 2014, 29 (34). 247 Eingehend Emde DStR 2009, 1478 (1479 ff.). 248 Eingehend Emde DStR 2009, 1478 (1479 ff.). 249 BGH, Urt. v. 25.10.2012 – VII ZR 56/11, NJW 2013, 2027 = BB 2012, 3098; v. 16.2.2011 – VIII ZR 226/07, DB 2011, 645 = WM 2011, 630. 250 BGH, Urt. v. 25.10.2012 – VII ZR 56/11, NJW 2013, 2027 = BB 2012, 3098, Rn 38. 251 Emde DStR 2009, 1478 (1479 f.). 252 EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-184/12 Rn 31, EWS 2013, 422 = RIW 2013, 874 = EWiR 2014, 11 (Mankowski) m. Anm. von Bodungen BB 2014, 403 sowie Gräfe/Giesa ZVertriebsR 2014, 29; Walter RIW 2019, 570 (574); vgl. auch BGH, Urt. v. 9.4.2002 – XI ZR 91/99, NJW 2002, 1881; Emde DStR 2009, 1478 (1481). Emde

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da der Gesetzgeber die Überlagerung durch die RL damit in Kauf genommen hat. Zweifel könnten bei nicht novellierten Teilen entstehen, etwa § 89b Abs. 5 (Ausgleichsrecht des VV). Demzufolge soll es nach Aussicht des BGH Sondervorschriften geben, wie z. B. §§ 92, 89b Abs. 5 für VV, welche innerhalb ihres Anwendungsbereiches die Analogie und auch eine RL-konforme Auslegung ausschließen. Dies hat der BGH insbesondere für § 89b Abs. 5 angenommen und mit zweifelhaften Argumenten aus der Entstehungsgeschichte dieser Norm hergeleitet.253

b) Im Bereich der Analogie – Eigenhändler- und Kommissionsagentenrecht. Wie verhält 45 es sich nun im Bereich des analog angewandten HV-Rechts? Die Rspr. des BGH zur RL-konformen Auslegung auf den grundsätzlich von der RL nicht erfassten VV ist recht disparat.254 So hat der BGH etwa bei der Anwendung des § 90a Abs. 1 S. 2 auf den VV die Wertung des Art. 20 RL geprüft und folglich eine RL-konforme Auslegung erwogen.255 Er hat in seinem Urt. v. 25.10.2012256 ausgeführt, da der VV von der RL nicht erfasst sei, ergäbe sich die Notwendigkeit einer RL-konformen Auslegung nicht aus dem Europarecht selbst. Sie sei jedoch wegen des Gebots der einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts erforderlich. Eine gespaltene Auslegung des § 90a je nachdem, ob er direkt oder kraft des Verweises des § 92 Abs. 2 Anwendung finde, komme nicht in Betracht. Denn es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber HV und VV hinsichtlich der nachvertraglichen Wettbewerbsabreden unterschiedlich behandeln wollte. Auch zu § 89b Abs. 1 hat der BGH eine RL-konforme Auslegung für möglich gehalten.257 Wie oben ausgeführt wird man jedenfalls den in § 89b Abs. 5 in Bezug genommenen Abs. 1 nach dem oben zitierten Urt. des EuGH v. 17.10.2013258 anhand der RL und ggf. auch RL-konform auslegen müssen.259 Abweichende Ansichten sind wenig überzeugend.260 Selbst im im Bereich der Analogie zu den §§ 84 ff. (Eigenhändler- und Kommissions- 46 agentenverträge) und insb. im Franchise- und Vertragshändlerrecht ist eine Analogie zur RL und eine RL-konforme Auslegung möglich und richtig.261 Die RL-konforme Auslegung im KfzVertragshändlerrecht hat der BGH262 wie folgt begründet: Die RL-konforme Auslegung gelte nicht nur für HV-Verträge. Zwar regele die RL nur das Recht der HV, nicht das der Vertragshändler. Nach deutschem Recht sei aber HV-Recht auf Vertragshändler entsprechend anzuwenden. Dies gelte auch insoweit, als die Auslegung HV-rechtlicher Bestimmungen durch die RL beeinflusst werde. Für den vom BGH beurteilten Vertrag war eine Analogie zum Warenvertreterrecht zu ziehen, so dass die Begründung schon deshalb zutraf. Richtig dürfte es sein, die zum Waren253 BGH, Beschl. v. 21.2.2013 – VII ZA 14/12, EWiR 2013, 485; Urt. v. 23.11.2011 – VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 = WM 2012, 469 = IHR 2012, 63 m. Anm. Thume = EWiR 2012, 207 (Emde) für VV und Bausparkassen-HV und § 89b Abs. 5; krit. zu dieser Differenzierung Emde ZVertriebsR 2012, 137; Emde EWiR 2013, 486; Emde EWiR 2012, 208 (da § 89b Abs. 5 auf Abs. 1 verweist); Thume VersR 2012, 665 (668); Ebenroth/Löwisch3 § 89b Rn 182. Thume IHR 2012, 70 bezeichnet die Differenzierung des BGH als „überraschend“. 254 Emde EWiR 2013, 485 (486). 255 BGH, Urt. v. 25.10.2012 – VII ZR 56/11, NJW 2013, 2027 = BB 2012, 3098 Rn 38. 256 BGH, Urt. v. 25.10.2012 – VII ZR 56/11, NJW 2013, 2027 = BB 2012, 3098 Rn 38. 257 BGH, Nichtannahmebeschl. v. 8.3.2011 – VIII ZR 75/09 in Bestätigung des Urt. d. OLG Rostock v. 4.4.2009 – 1 U 57/08, NJW-RR 2009, 1631 = EWiR 2009, 385 (Emde). 258 Urt. v. 17.10.2013 – C-184/12 Rn 31, EWS 2013, 422 = RIW 2013, 874 = EWiR 2014, 11 (Mankowski) m. Anm. von Bodungen BB 2014, 403 sowie Gräfe/Giesa ZVertriebsR 2014, 29. 259 AA wohl BGH, Urt. v. 8.5.2014 – VII ZR 282/12, WM 2014, 1197. 260 Emde ZVertriebsR 2014, 218 (225); EWiR 2013, 486; EWiR 2012, 208. 261 Rohrßen ZVertriebsR 2019, 153. 262 BGH, Urt. v. 16.2.2011 – VIII ZR 226/07, DB 2011, 645 = WM 2011, 620 Rn 19; aA Küstner/Thume/Thume I4 Kap. IX Rn 24; Thume IHR 2011, 7 (9). Anders für § 89b Abs. 5 (Ausgleichsrecht der VV und Bauspar-HV) BGH, Beschl. v. 21.2.2013 – VII ZA 14/12, EWiR 2013, 485 (Emde); Urt. v. 23.11.2011 – VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 = WM 2012, 469 = IHR 2012, 63 m. Anm. Thume = EWiR 2012, 207 (Emde) Rn 24 ff.; u. U. eine wenig geglückte Differenzierung, vgl. Emde a. a. O. und Emde ZVertriebsR 2012, 137. 29

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vertreterrecht erforderliche RL-konforme Auslegung auf alle Bereiche des überschießend geregelten (HV) oder in Analogie zu HGB-Vorschriften entwickelten (Eigenhändler, Kommissionsagenten) Vertriebsrechts zu erstrecken, auch wenn es nicht um Warenvertreter geht.263

9. Regelt die RL Beweislastfragen? 47 Im Grundsatz regelt die RL keine Beweislastverteilung.264 Dies obliegt – soweit das materielle RL-Recht schweigt – nationalem Prozessrecht. Am ehesten iS. einer Beweislastregelung wird noch Art. 18 RL zu verstehen sein, der als Ausnahme-TB im Einklang mit § 89b Abs. 3 den Ausgleich unter bestimmten Umständen entfallen lässt. Art. 18 lit. b RL enthält eine Beweislastregel, indem er ausführt, der Ausgleich bestehe nicht, falls der HV das Vertragsverhältnis beendet habe, „es sei denn“, jene Beendigung sei aus Umständen, welche dem Unternehmer zuzurechnen sind oder durch Alter, Gebrechen oder Krankheit des HV gerechtfertigt. Hier gibt es nur eine Auslegungsvariante, die damit auch der HV-freundlichsten entspricht, nämlich, dass der HV Alter, Krankheit oder dem Unternehmer zuzurechnende Umstände nachweisen muss.265 Der Grundsatz HV-freundlichster Auslegung sowie der effektiven Durchsetzung der HV-schützenden Regelungen bedeutet nicht, dass nun sämtliche TB-Merkmale der RL vom Unternehmer zu beweisen wären. Soweit die RL zur Darlegungs- und Beweislast schweigt, kann ihr im Wege der Auslegung auch nicht die HV-freundlichste Aussage entnommen werden.266

10. Grundsatz effektiver Durchsetzung zwingenden Rechts im Verwaltungs-/ Gerichtsverfahren 48 Wenngleich die RL kein Verfahrensrecht regelt – dessen Ausgestaltung obliegt den nationalen Gesetzgebern –, muss es die effektive Durchsetzung insbesondere der zwingenden Rechte des HV gewährleisten. Die Grundsätze der Ingmar-Entscheidung des EuGH267 finden hier ihr verfahrensrechtliches Pendant. Diesen Weg sind – vom BGH nicht beanstandet268 – mehrere Gerichte269 für durch die RL vorgeformtes, zwingendes Recht gegangen (dazu unten, Rn 743 ff.). Also werden selbst verfahrensrechtliche Vorschriften und erst recht materiell-rechtliche Beweislastre-

263 264 265 266 267 268

Walter RIW 2019, 570 (574). Emde DStR 2009, 1478 (1485); Emde EWiR 2009, 239 (240); Eckhoff BB 2009, 1609 (1610). Emde DStR 2009, 1478 (1485). Emde DStR 2009, 1478 (1485). Urt. v. 9.11.2000 – C-381/98, Slg. 2000, I-9305 = NJW 2001, 2007. BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm Ayad/Schnell sowie zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358). 269 OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 29.12.2011 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18825; Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18704, bestätigt durch BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/ Schnell sowie zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358); OLG München, Urt. v. 17.5.2006 – 7 U 1781/06, WM 2006, 1556 = EWiR 2006, 621 (Emde) m. partiell krit. Anm. Rühl IPRax 2007, 294; LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2012 – 39 O 74/11; zust. Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (48 f.); Oetker/Busche § 92c Rn 3; ablehnend Dathe NJOZ 2010, 2196 = NJW 2010, 3194; Quinke SchiedsVZ 2007, 246; Rühl IPRax 2007, 294 (297 ff.); Horn SchiedsVZ 2008, 210 (217 f.); Michaels/Kamman EWS 2001, 301 (310); Hopt § 92c Rn 12; i. E. auch ablehnend (aber zum Rechtszustand vor der RL BGH, Urt. v. 30.1.1961, NJW 1961, 1061 (1062). Kleinheisterkamp RabelsZ 73 (2009), 818 (829) stimmt dem OLG München mit der Begründung zu, Schiedsgerichte seien nicht an die Kollisionsnormen der lex loci arbitrii gebunden. Der belgische Cour de Cassation v. 16.11.2006 (Van Hopplynus Instruments S.A. ./. Coherent Inc.), Rev. Dr. com belge 2007, 889 (890) m. Anm. Mertens sowie Kleinheisterkamp RabelsZ 73 (2009), 818 ff. hat eine im Ergebnis identische Entscheidung getroffen. Jedenfalls wäre eine klagstattgebende kalifornische Entscheidung in Europa anerkennungs- sowie vollstreckungsunfähig (Kleinheisterkamp RabelsZ 73 (2009), 818 [832 ff.]; Quinke SchiedsVZ 2007, 246 [250]). Emde

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geln an den Aussagen des EuGH zu messen sein. Auch bei der gerichtlichen Durchsetzung des RL-Rechts bleibt immer die HV-freundlichste Auslegung der RL zu beachten.270

11. Diskrepanzen zwischen RL und deutschem Recht Diskrepanzen zwischen der RL und dem HGB sind vielfach erkennbar.271 Teilweise unterblieb die 49 Übernahme von RL-Recht in deutsches Recht, weil der Gesetzgeber meinte, sich auf eine im Einklang mit der RL stehende gefestigte Rspr. berufen zu können. Dieses Vorgehen ist wohl zu Recht Angriffen ausgesetzt,272 und zwar schon deshalb, weil die vorgeblich „feststehende“ Rspr. durch Gesetz vor Veränderungen geschützt werden müsste.273 Richtig wäre, soweit ihr Regelungsbereich reicht, die wörtliche Übernahme der RL gewesen. Dies hätte zudem, wenn alle EU-Staaten so verfahren wären, zu einem weitgehend einheitlichen innereuropäischem Recht geführt. Gerade wegen der Unheitlichkeit sowie der Umsetzungsfehler behält die RL ihren eigenen Anwendungsbereich. Etwas spitz könnte bei manchem „Umsetzungsfehler“ gefragt werden, ob die RL das Vorbild gebende Deutsche Recht fehlerhaft übernahm oder ob es sich umgekehrt verhält. Eine Diskussion hierüber ist müßig. Diskutiert werden Abweichungen zwischen RL und deutschem Recht insb. zu §§ 84, 86, 86a, 87, 87b Abs. 1, 87a Abs. 2, 87c, 89b und 92c. Siehe dazu bei den jeweiligen Kommentierungen. Die nicht umgesetzten Regelungen gelten aber zumindest kraft RL-konformer Auslegung.

12. Vorlageverfahren zum EuGH Für Zweifelsfragen bei der Auslegung der RL ist ausschließlich der EuGH im Vorlageverfahren 50 nach Art. 267 AEUV (früher: Art. 177 EWG, Art. 234 EG) zuständig.274 Letztinstanzlich entscheidende Gerichte müssen, nicht letztinstanzlich entscheidende dürfen vorlegen.275 Die recht selektive Vorlagepflicht hat zu einer eher zufallsabhängigen, aber gleichwohl existenten Rechtsvereinheitlichung geführt.276 Die Vorlagepflicht ist nicht auf Fälle des unmittelbaren Anwendungsbereichs der RL, also den Warenvertreter, beschränkt, solange nicht offensichtlich ist, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder dass die Frage allgemeiner oder hypothetischer Natur ist. Eine Vorlagerecht besteht also auch außerhalb des Warenvertreterrechts, etwa im Recht der Dienstleistungsvertreter,277 etwa VV,278 der Schifffahrts-HV279 und wohl auch im Bereich der analogen Anwendung der §§ 84 ff., soweit sie auf der RL beruht, etwa im Vertragshändlerrecht280: Falls sich nationale Rechtsvorschriften zur Regelung rein innerstaatlicher Sachverhalte nach den im Unionsrecht getroffenen Regelungen richten sollen, um u. a. zu verhindern, dass es zu Benachteiligungen der eigenen Staatsangehörigen oder zu Wett270 Emde DStR 2009, 1478 (1486). 271 Emde ZVertriebsR 2014, 218 (226); zusammenf. Thume BB 2004, 2473; s. a. Sellhorst EWS 2001, 481; Westphal EWS 1996, 43 ff.

272 EuGH ZIP 2001, 1373 = EWiR 2001, 969 (Reich). 273 EuGH NJW 2001, 2244; Graf v. Westphalen BB 2002, 209 (210). 274 Thume IHR 2018, 231 (232); Hopt § 92c Rn 1, Beispiel: EuGH, Urt. v. 26.3.2009 – C-348/07, EWS 2009, 150 = EWiR 2009, 239 (Emde).

275 Martinek ZVertriebsR 2014, 139 (141). 276 Martinek ZVertriebsR 2014, 139 (141). 277 EuGH, Urt. v. 17.5.2017 – C-48/16, BB 2017, 1420 Rn 31 m. Anm. Zipse –VV; v. 3.12.2015 – C-338/14, ZVertriebsR 2016, 15 = EuZW 2016, 221 m. Anm. Emde EuZW 2016, 218 und Anm. Franke IHR 2016, 100. 278 EuGH, Urt. v.17.5.2017 – C-48/16, BB 2017, 1420 m. Anm. Zipse. 279 v. 17.10.2013 – C-184/12 Rn 31, EWS 2013, 422 = RIW 2013, 874 = EWiR 2014, 11 (Mankowski) m. Anm. von Bodungen BB 2014, 403 sowie Gräfe/Giesa ZVertriebsR 2014, 29. 280 EuGH, Urt. v. 28.10.2010 – C-203/09, DB 2010, 2495. 31

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bewerbsverzerrungen kommt oder um sicherzustellen, dass in vergleichbaren Fällen ein einheitliches Verfahren angewandt wird, besteht ein klares Interesse daran, dass die aus dem Unionsrecht übernommenen Bestimmungen oder Begriffe unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden sollen, einheitlich ausgelegt werden, um künftige Auslegungsunterschiede zu verhindern.281 Das gilt auch, wenn sich einzelstaatliche Rechte nur mittelbar auf zwingendes RL-Recht auswirken.282 Von der Vorlagefähigkeit ist also auszugehen, solange die Frage für die Auslegung nationalen Rechts Bedeutung hat.283 Eine gegenteilige Ansicht würde zudem zu einer Rechtsdisparität inner- und außerhalb des Adressatenkreises der RL führen.284 Nach der neuen Rspr. des BGH soll aber im Bereich der Analogie eine Vorlagepflicht fehlen: 51 Ein Vorlageverfahren nach Art. 267 Abs. 3 AEUV soll mangels Entscheidungserheblichkeit nicht in Betracht kommen, wenn es darum gehe, ob und in welchem Umfang Vorschriften des deutschen HV-Recht auf Vertragshändler entsprechend anzuwenden seien, sofern deutsches Recht als Vertragsstatut des Vertragshändlervertrages berufen ist. Denn die Frage sei europarechtlich nicht präformiert, sondern vom deutschen Recht autonom zu beantworten.285 Das halte ich für unzutreffend, da auch Richterrecht Recht begründet. Selbst wenn sich die Gerichte aber nicht für verpflichtet halten, in einem solchen Fall vorzulegen, wird ihnen aber gleichwohl ein Vorlagerecht zustehen.286 Besteht keine Vorlagepflicht, ist es nach std. Rspr. ausschließlich Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, das die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung zu übernehmen hat, im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls sowohl zu beurteilen, ob eine Vorabentscheidung erforderlich ist, damit es sein Urteil erlassen kann, als auch, ob die dem EuGH vorgelegten Fragen erheblich sind.287

C. Grundgesetzlicher Schutz 52 Die HV-Tätigkeit unterfällt dem grundgesetzlichen Schutz des Art. 12 GG.288 Gleiches gilt für die Tätigkeit des Unternehmers. Die betrieblichen Mittel des HV und des Unternehmers unterfallen dem Schutz des Art. 14 GG.

281 EuGH, Urt. v.17.5.2017 – C-48/16, BB 2017, 1420 Rn 29 m. Anm. Zipse. 282 Valdini EWiR 2018, 429 (430). 283 Für die Entscheidungszuständigkeit EuGH, Urt. v. 3.12.2015 – C-338/14, ZVertriebsR 2016, 15 = EuZW 2016, 221 m. Anm. Emde EuZW 2016, 218 und Anm. Franke IHR 2016, 100 (Dienstleistungs-HV); v. 17.10.2013 – C-184/12 Rn 31, EWS 2013, 422 = RIW 2013, 874 = EWiR 2014, 11 (Mankowski) m. Anm. von Bodungen BB 2014, 403 sowie Gräfe/ Giesa ZVertriebsR 2014, 29 (Schifffahrts-HV); v. 28.10.2010 – C-203/09, DB 2010, 2495 Rn 23 f.; Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677 Rn 30; BGH, Vorlagebeschl. v. 6.8.2009, EWS 2009, 440; Vorlagebeschl. v. 29.4.2009 – VIII ZR 226/07, RIW 2009, 640 = VersR 2009, 1116 = EWiR 2009, 611 (Emde), der die Frage RL-konformer Auslegung des § 89b Abs. 3 Nr. 2 innerhalb eines Vertragshändlervertrages dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegt. Ebenso EuGH, Urt. v. 17.7.1997 – C-28/95, EuGHE 1997 I, 4161 = EuZW 1997, 658 = DB 1997, 1851 (aber keine vertriebsrechtliche Entscheidung). 284 Emde EWiR 2009, 612. 285 BGH, Urt. v. 25.2.2016 – VII ZR 102/15, BB 2016, 845 (846) Rn 34; wie der BGH Mankowski RIW 2016, 457 mit der Begründung, das deutsche Richterrecht begründe noch nicht einmal eine überschießende Umsetzung der RLVorschriften; Hopt § 84 Rn 3; zweifelnd hinsichtlich der Vorlagepflicht auch Salomon/Wegstein BB 2010, 339; Ebenroth/Hakenberg2 § 84 Rn 118. Zur Problematik Gaitanides in: von der Groeben/Schwarze, Vertrag über die Europäische Union, 6. Aufl. Art. 234 Rn 29. 286 EuGH, Urt. v. 28.10.2010 – C-203/09, DB 2010, 2495; BGH, Vorlagebeschl. v. 6.8.2009, EWS 2009, 440; Vorlagebeschl. v. 29.4.2009 – VIII ZR 226/07, RIW 2009, 640 = VersR 2009, 1116 = EWiR 2009, 611 (Emde). 287 EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-184/12 Rn 28, EWS 2013, 422 = RIW 2013, 874 = EWiR 2014, 11 (Mankowski) m. Anm. von Bodungen BB 2014, 403 sowie Gräfe/Giesa ZVertriebsR 2014, 29 – Unamar. 288 BVerfG, Beschl. v. 7.2.1990 – I BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 = NJW 1990, 1469; OLG Naumburg, Beschl. v. 12.2.2010 – 6 U 164/09. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

Vor § 84

D. Innere Ordnung des HV-Rechts Durch die Vielzahl der „Buchstabenparagraphen“, um welche die ursprünglich nur neun Vor- 53 schriften des HV-Rechts 1897 durch die Novellen bereichert wurden, ist das Gesetz trotz seiner relativen Kürze auf den ersten Blick unübersichtlich geworden. Dennoch bildet es die nachfolgend genannte innere Ordnung ab289:

Die 86er Gruppe:

Die 87er Gruppe:

Die 88er Gruppe:

Die 89er Gruppe:

Die 90er Gruppe:

Die 91er Gruppe:

Die 92er Gruppe:

§ 84: Einleitende Legaldefinition § 85: Beurkundungsanspruch Gegenseitige Rechte und Pflichten im allgemeinen § 86: Rechte und Pflichten des Handelsvertreters § 86a: Rechte und Pflichten des Unternehmers § 86b: Erweiterung dieser Rechte und Pflichten durch das Delkredere Vergütung des Handelsvertreters § 87: Grundnorm § 87a: Der konkrete Provisionsanspruch (Verfestigung, Fälligkeit) § 87b: Berechnung der Provision § 87c: Nachprüfbarkeit der Provision § 87d: Auslagenersatz Einreden aus dem Vertragsverhältnis § 88: Verjährung (nach Streichung jetzt § 195 BGB) § 88a: Zurückbehaltungsrechte des Handelsvertreters Ende des Handelsvertreterverhältnisses § 89: Ordentliche Kündigung § 89a: Außerordentliche Kündigung § 89b: Ausgleichsanspruch Nachvertragliche Bindungen § 90: Verschwiegenheitspflicht (wobei hier auch vertragsbegleitende Verschwiegenheitspflichten geregelt werden) § 90a: Wettbewerbsverbot Außenverhältnis im Handelsvertreterrecht § 91: Gesetzlicher Ermächtigungsrahmen § 91a: Überschreitung der Außenermächtigung Besondere Erscheinungsformen des Handelsvertreters § 92: Versicherungs- und Bausparkassenvertreter § 92a: Einfirmenvertreter § 92b: Handelsvertreter im Nebenberuf § 92c: Außereuropäischer Vertreter, Schiffslinienvertreter.

Damit reichen die §§ 84 ff. – ähnlich dem BGB – von Geburt zum Tod, nämlich vom Entstehen 54 des Handelsvertretervertrages zu seiner Beendigung durch Kündigung, woran sich Vorschriften über die Rechtsfolgen solcher Beendigung, besondere Sonderformen der HV sowie zum Geltungsbereich der Normen anschließen.

E. Das auf Vertriebsmittler anwendbare Recht I. HGB Wie dargelegt untersteht der HV-Vertrag in erster Linie den hier kommentierten §§ 84–92c. Sie 55 sind vorrangig und verdrängen innerhalb ihres Anwendungsbereichs andere Gesetze, insbeson289 Ebenroth/Löwisch3 Vor § 84 Rn 5. 33

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dere das Dienstvertrags- und Geschäftsbesorgungsrecht des BGB. Ist also ein Beauftragter als ständiger Geschäftsvermittler tätig, wird auf ihn zuvörderst Handelsvertreterrecht angewandt und es darf nur subsidiär auf das BGB zurückgegriffen werden. § 75f erlaubt in Vertriebsverträgen wegen der mit ihren verbundenen hohen Treupflichten und des engen Vertrauensverhältnisses der Parteien die Vereinbarung von Abwerbeverboten.290 § 362, nach dem ein Kaufmann unverzüglich auf einen Antrag über die Besorgung von Geschäften antworten muss, falls dessen Gewerbebetrieb die Besorgung solcher Geschäfte für andere mit sich bringt, ist auf HV- und andere Vertriebsmittlerverträge (Vertragshändler, FN) anwendbar, weil es sich um Geschäftsbesorgungsverträge handelt. Doch gilt die Vorschrift nicht zur Lasten des Unternehmers, sofern er nicht ebenfalls Geschäftsbesorger ist (keine Wirkung daher gegenüber einem Lieferanten, der Waren verkauft291).

II. Handelsbräuche 56 Auch Handelsbräuche bestimmen den HV-Vertrag (§§ 157 BGB, 346 HGB).292 Mangels abweichender Rechtswahl (eine allgemeine Rechtswahlklausel genügt) sind die am Erfüllungsort – meist dem Sitz des HV (dazu unten) – geltenden Handelsbräuche293 maßgeblich.

III. BGB 57 Subsidiär ist neben anderen Gesetzen294 vor allem das BGB auf HV anwendbar. Das Recht des HV-Verhältnisses ist ein Teil des allgemeinen Geschäftsbesorgungs- und Dienstvertragsrechts des BGB, für welches es eine Reihe von Sonderregeln gibt. Denn der Handelsvertreter schuldet eine Tätigkeit, Dienste i. S. d. § 611 BGB, die eine Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB) zum Gegenstand haben.295 Mangels Spezialität und entgegen anderslautender Stimmen296 sind im Grundsatz alle Regeln des BGB-Dienstvertrags- wie Geschäftsbesorgungsrechts anwendbar.297 Da der HV lediglich Vermittlungsbemühungen und keinen Vermittlungserfolg schuldet,298 bleibt Werkvertragsrecht unanwendbar.299 Daran ändert sich auch nichts, wenn er sich verpflichtet, eine bestimmte Zahl von Geschäften zu vermitteln oder abzuschließen.300 Arbeitsrechtliche Schutzvorschriften können allenfalls im Einzelfall analoge Anwendung finden,301 insb. auf den Einfirmenvertreter (siehe Kommentierung zu § 92a). Keine Anwendung findet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz302 (zum AGG Rn 309). Der Unternehmer darf seine HV auch unngleich behandeln.303 Jedoch kann sich im Ausnahmefall aus der Treu290 Naber DB 2015, 2945 (2947); Pottgießer EWiR 2015, 48; wohl auch BGH, Urt. v. 30.4.2014 – I ZR 245/12, DB 2014, 2223.

291 292 293 294 295 296 297

Baumbach/Hopt § 362 Rn 3. Hopt § 86 Rn 3; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 22. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 22. Zum Rechtsrahmen der Vertriebsverträge übersichtsartig Martinek/Habermeier und Martinek/Wank3 §§ 6, 12. Hopt § 86 Rn 1; Oetker/Busche § 86 Rn 1. Missverständlich Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 4 ff. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 67; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 85 Rn 6; Oetker/Busche § 84 Rn 52 u. § 86 Rn 1. 298 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 67. 299 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 1. 300 RGZ 87, 441; 95, 135; Eberstein S. 68. 301 Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss iur Mainz 2004, S. 155; Hopt § 92a Rn 1. 302 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 (55); Hopt ZIP 1996, 1538; Hopt § 86 Rn 10, 30; § 86a Rn 15; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 1; LG Hamburg, Urt. v. 15.12.2006 – 406 O 175/06. 303 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 (55). Emde

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pflicht,304 oder schützenswertem Vertrauen auf Gleichbehandlung305 und schließlich aus § 19 GWB eine Pflicht des Unternehmers ergeben, HV innerhalb des Systems nicht willkürlich, insb. in Grundsatzfragen, ungleich zu behandeln (§ 86a Rn 49). Verhandlungsgeschick ist dem Unternehmer jedoch nicht untersagt. Er darf mit einem HV einen günstigeren Vertrag als mit einem anderen schließen. Bei Vertragshändlern und Franchisenehmern soll regelmäßig eine Gleichbehandlungspflicht bestehen, die sich jedoch auch hier wahrscheinlich nur aus § 19 GWB ergeben könnte. Ob allein die stärkere Einbindung der letztgenannten unter Treupflichtgesichtspunkten die Gleichbehandlung fordert, ist unsicher. Allerdings werden die Normen außerhalb der §§ 84 ff. teilweise durch speziellere Vorschrif- 58 ten des HV-Rechts verdrängt. Dies bedeutet jedoch nicht ihre strukturelle Unanwendbarkeit. Vielmehr treten sie hinter die spezielleren HGB-Normen zurück. Dies kommt in der Sache meist einer Unanwendbarkeit gleich, ist jedoch rechtstechnisch ein Aliud, was eine Rolle spielen kann, wenn dispositive HGB-Vorschriften explizit abbedungen wurden. Die verdrängten BGBBestimmungen werden regelmäßig wieder anwendbar, soweit sich aus der Derogation nicht eine speziellere Vertragsregelung oder ein Ausschluss auch des BGB entnehmen lässt. In der Praxis spielen die BGB-Vorschriften jedoch eine untergeordnete Rolle, während das HGB im Vordergrund steht.

1. Allgemeiner Teil des BGB Der HV kann Repräsentant des Unternehmers nach §§ 30, 31 BGB sein306 (s. Kommentierung 59 zu § 86a). Ein rechtlich selbstständiger Vertragshändler muss sich aber im Verhältnis zum Käufer kein Verhalten des Unternehmers nach § 31 BGB zurechnen lassen307 (näher § 86 zur Haftung des Mittlers). Anwendbar sind die §§ 134, 138 BGB. Nach diesen Vorschriften kann der HVVertrag nichtig sein (siehe Kommentierung zu § 84). Der Abschlussvertreter besitzt Vollmacht zum Handeln für den Unternehmer i. S. d. § 164 BGB. Wegen der Erkundigungs- und Informationspflichten innerhalb des Vertriebssystems könnte unter den Mitgliedern des Vertriebssystems zurückhaltend an eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB gedacht werden. Der Unternehmer muss sich nach § 166 BGB Wissen des HV beim Abschluss als das seines Verhandlungsgehilfen zurechnen lassen,308 nicht jedoch das des Vertragshändlers.309 Immer aber ist zu berücksichtigen, dass es sich um selbständige Unternehmen handelt.

2. Allgemeines Schuldrecht Die §§ 241 ff. BGB, insb. die §§ 311 ff. BGB sind anwendbar. Der HV hat seine Pflichten 60 gemäß § 242 BGB so zu erfüllen, wie es Treu und Glauben erfordern.310 § 275 BGB soll nicht anwendbar sein.311 Das betrifft aber nur die Unmöglichkeit des Vertriebsvertrages im Ganzen.312 Einzelne aus ihm stammende Leistungspflichten können durchaus unmöglich

304 305 306 307 308 309 310 311

Hopt § 86 Rn 10. BGH BB 1971, 484; Hopt § 86 Rn 10; bei Mehrfirmenvertreter kritisch Oetker/Busche § 86 Rn 21. BGH, Urt. v. 14.3.2013 – III ZR 296/11, DB 2013, 1107 = WM 2013, 692 = ZIP 2013, 729. OLG Frankenthal, Urt. v. 12.5.2016 – 8 O 208/15, VersR 2016, 1516 (1517). BGHZ 82, 222; BGH NJW 1965, 1174; 1985, 1080; Hopt § 84 Rn 52. OLG Frankenthal, Urt. v. 12.5.2016 – 8 O 208/15, VersR 2016, 1516 (1517). Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 5. OLG Braunschweig NJW-RR 1994, 34; Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 98; s. a. OLG Nürnberg BB 1969, 933. 312 Vgl aA Emde ZVertriebsR 2020, 138 (141) – dort wird darauf hingewiesen, dass sich das aus § 275 BGB hergeleitete Ergebnis auch aus § 313 BGB oder der Interessenwahrungspflicht herleiten lässt; Thume IHR 2020, 163 Rn 46. 35

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werden. Weitreichende Investitionsverpflichtungen bedürfen einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung und können nicht auf § 242 BGB gestützt werden.313 Zu § 278 BGB siehe die Ausführungen zur Haftung des Mittlers bei § 86 sowie zur Haftung des Unternehmers bei § 86a. 61 Der HV-Vertrag bildet ein Dauerschuldverhältnis.314 Die für Dauerschuldverhältnisse geltenden allgemeinen Regeln, insbesondere das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund (§§ 314, 626 BGB), werden weitgehend durch die spezielleren Vorschriften des HV-Rechts verdrängt, nicht jedoch § 314 Abs. 2–4 BGB, die ohne Äquivalent im HV-Recht blieben.315 Daneben gelten die Regeln über Anfechtung und Nichtigkeit316 (hierzu Kommentierung zu § 84) sowie die Rechtsinstitute der CIC (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB)317 und PFV (§ 280 Abs. 1 BGB). Anwendbar sind die aus den vorvertraglichen Schutzpflichten hergeleiteten Grundsätze über den Abbruch von Vertragsverhandlungen.318 Sie werden auf den Fall der Nichtverlängerung eines bestehenden Vertrages angewandt.319 Besteht ein triftiger Grund für die Nichtverlängerung, entfällt ein Schadenersatzanspruch. An diesen triftigen Grund sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen.320 62 Aus §§ 242, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249, 311 Abs. 2 BGB (cic) – nicht aus der vorvertraglich noch nicht geschuldeten Interessenwahrungspflicht – leiten sich vorvertragliche Aufklärungspflichten der Parteien her, z. B. die Verpflichtung über Risiken, die der Vertragserfüllung entgegenstehen könnten, unaufgefordert hinzuweisen.321 Das gilt insbesondere für (wirtschaftliche) Risiken, die einer Vertragspartei – meist dem HV – nicht erkennbar sind. Besonders ausgeprägt ist die Diskussion zu diesen Pflichten im Franchiserecht (Rn 618). Gemäß § 315 BGB darf der Unternehmer Weisungs- und Bestimmungsrechte nur nach billigem Ermessen ausüben.322

3. Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB 63 Auch § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage, ehemals WGG) ist anwendbar.323 Gedacht wird an Fälle notwendiger Änderungen infolge wirtschaftlichen oder marktpolitischen Anpassungsbedarfs bzw. des Wegfalls der Existenzgrundlage, etwa Irrtümer der Parteien über die steuerlichen Folgen des abgeschlossenen Vertrages, wie z. B. die irrtümlich angenommene Umsatzsteuerfreiheit von Franchisegebühren,324 das Nichtentstehen öffentlich-rechtlicher Sondernutzungsgebühren bei Verkauf aus einem Verkaufswagen heraus,325 etc. Force-Majeure-Klausel können vorrangig sein. § 313 BGB könnte im Rahmen der „Corona-Krise“ neue Bedeutung erlangen.326 Denn jene Krise werden die Parteien kaum vorhergesehen haben. M. a. W.: Sie 313 LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 10335/15, ZVertriebsR 2019, 34 Rn 99 zu einem Franchisevertrag. 314 Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 2; ebenso Oetker/Busche § 84 Rn 2. 315 Das Erfordernis einer Abmahnung vor Kündigung entspricht ohnehin §§ 241 Abs. 2, 242 BGB wie auch der BGH-Rechtsprechung, vgl. BGH NJW-RR 1999, 539 = EWiR 1999, 611 (Emde); 705 (Emde); VersR 2001, 370 = BB 2001, 645 = NJW-RR 2001, 677 = EWiR 2001, 483 (Emde). 316 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 69. 317 Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 126; im Franchisevertrag OLG München BB 2001, 1759 m. Anm. Böhner BB 2001, 1749. 318 OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 1001/18, IHR 2020, 17 (19). 319 OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 1001/18, IHR 2020, 17 (19). 320 OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 1001/18, IHR 2020, 17 (19). 321 Siehe etwa Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 124 f. 322 Zum Franchiserecht Giesler/Nauschütt § 5 Rn 92. 323 Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 48 ff.; Ende BB 1996, 2260 (2263); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 70. 324 Flohr ZVertriebsR 2018, 147 (149). 325 Flohr ZVertriebsR 2018, 147 (149). 326 Emde ZVertriebsR 2020, 138 ff.; Thume BB 2020, 1419; JHR 2020, 163; Korte GWR 2020, 194. Emde

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werden die Abwesenheit einer Pandemie als selbstverständlich angenommen haben. Rechtsfolge des § 313 BGB ist in erster Linie die Vertragsanpassung.327 Ist die Vergütung variabel, bleibt für eine solche Vertragsanpassung weniger Raum als bei festen Vergütungen und Leistungspflichten.328 Zu letzteren zählen etwa Eintrittsgelder und Franchisegebühren.329 Die Praxis wendet in Fällen des WGG meist den in seiner Rechtsfolge starren § 89a an,330 wobei sogar vertreten wird, für einen Rücktritt vom Vertrag wegen WGG sei neben § 89a kein Raum,331 vielleicht zu Unrecht, weil die von § 313 Abs. 2 BGB geforderte Vertragsanpassung, die auch unter dem Gesichtspunkt der Treupflicht geschuldet sein mag, die sensiblere Regelung bilden kann.332 So dürfte dauerndes Leistungsunvermögen des HV im Einzelfall wegen WGG eine fristlose Kündigung333 oder einen Rücktritt334 (der wie eine fristlose Kündigung behandelt wird)335 rechtfertigen. Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und unter Treupflichtgesichtspunkten darf nicht außerordentlich gekündigt werden, wo eine Vertragsanpassung gemäß WGG-Grundsätzen oder eine ergänzende Vertragsauslegung möglich ist und die Anpassung aus dem Mittlervertrag kein von den Parteien nicht gewünschtes „aliud“ formt. Spiegelbildlich wird die Anpassung eines HV-Vertrags an veränderte Umstände nach § 313 BGB durch § 89a nicht berührt.336 Nur hinsichtlich der eigentlichen Vertragsbeendigung ist § 89a lex specialis.337 Gründe, die nicht als „wichtige“ i. S. d. § 89a gelten, werden meist auch nicht zu einem WGG führen.338 Weder Umsatzrückgang, Absatzchancen, Gewinn-, Ertragserwartungen oder die fehlende wirtschaftliche Tragfähigkeit der Vertretung begründen im Regelfall einen Fall des 313 BGB339 oder können zu einer Vertragsanpassung nach § 242 BGB leiten,340 mglw. aber eine Wettbewerbslage aufgrund unvorhergesehener technischer Entwicklungen oder der Nichtabsatz aufgrund von Gesetzesänderungen.341 Gleiches gilt, wenn im Gefolge einer Umgliederung der Wirtschaftsstruktur eines bestimmten Gemeinwesens die Existenzmöglichkeiten für den HV nicht mehr gegeben sind oder eine Fusion auf Unternehmerseite dem HV unerwartet hohe, ganz außergewöhnliche Vorteile bringt. Das infolge eines WGG eintretende Vertragsende führt zur Ausgleichsberechtigung. Die Ausgleichsauschlussgründe des § 89b Abs. 3 sind (analog) anzuwenden, wenn nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt der Vertragsanpassung (§ 313 Abs. 1 BGB) ein anderes Ergebnis sachgerecht ist. Sofern die Voraussetzungen des § 89b Abs. 3 Nr. 1 nicht eingreifen, verliert der Vertreter infolge einer Eigenkündigung nach § 313 Abs. 3 BGB den Ausgleich.

327 328 329 330

Emde ZVertriebsR 2020, 138 (148). Emde ZVertriebsR 2020, 138 (148, 149 ff.) Emde ZVertriebsR 2020, 138 (149 ff.) Siehe Staub/Brüggemann4 § 85 Rn 4 sowie BGH RIW 1959, 29 für einen in der DDR arbeitenden Vertreter bundesdeutscher Unternehmungen. 331 Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 5; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 89a Rn 4; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89a Rn 2; Schlegelberger/Schröder § 89a Rn 1; vgl. BGH, Urt. v. 11.4.1957 – VII ZR 280/56, BGHZ 24, 91 (95, 96) = NJW 1957, 989. 332 Martinek/Flohr/Pohl3§ 18 Rn 48. 333 Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 7. 334 BGH, Urt. v. 26.4.1995 – VIII ZR 124/94, ZIP 1995, 910 (912); Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 11; aA Schlegelberger/ Schröder § 84 Rn 43. 335 Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 11. 336 Emde BB 1996, 2260 (2263); Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 5. 337 Zum Ganzen Emde BB 1996, 2260 (2263); Emde Vertriebsrecht3 Vor § 84 Rn 46; Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 5; Palandt/Grüneberg77 § 313 Rn 14. 338 Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 49. 339 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 70; Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 49. 340 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 70. 341 Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 49. 37

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Neben „Corona“ stellt sich die Frage, ob der Brexit342 oder generell der Austritt eines Landes aus der EU einen Fall des § 313 BGB darstellt.343 Für die Anwendung des § 313 BGB müsste der Brexit eine schwerwiegende/wesentliche Änderung der Grundlage des Vertrages bilden. Davon wird man regelmäßig nicht ausgehen können,344 ebenso wenig wie bei sonstigen Änderungen des Gesetzesumfeldes. Dagegen spricht schon die lange Umstellungsphase345 mit der Möglichkeit, die Verträge zu modifizieren und notfalls zu kündigen (etwa: Änderungskündigung). Ein Fall des § 313 BGB wäre allenfalls anzunehmen, wenn nicht ernsthaft zweifelhaft ist, dass die Parteien in Kenntnis der Änderungen den Vertrag nicht oder nur zu anderen Bedingungen geschlossen hätten (Bsp. dramatischer Währungsverfall). Grundsätzlich genügen Währungs- und Finanzierungsrisiken oder -schwierigkeiten,346 ein erschwerter Warenoder Rohstoffbezug sowie sonstige erschwerte Lieferbedingungen jedoch nicht.347 Die Einführung von Zöllen oder Steuern348 reicht für die Anwendung ebenfalls nur in Ausnahmesituationen. In erster Linie wäre wohl bei langjährig unkündbaren Verträgen mit untragbaren Bestimmungen an eine Anpassung zu denken. Zudem begründen vorhersehbare Änderungen i. d. R. keine Anpassungsrechte. Daher ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (mit-)entscheidend. Das Vorliegen von Anpassungsrechten oder eines Wegfalls/einer Störung der Geschäftsgrundlage generell für nach dem EU-Mitgliedschaftsreferendum vom 23.6.2016 geschlossene Verträge ist daher gleichfalls sehr zweifelhaft. Eine grundsätzliche Risikozuweisung (da Großbritannien den Brexit initiierte) zu Lasten der britischen Vertragspartei349 dürfte infolge Fehlens eines zivilrechtlich relevanten Zurechnungszusammenhanges zu den Vertragspartnern kaum sachgerecht sein. Das gilt auch für den nachfolgend genannten Fall der außerordentlichen Kündigung.

4. Gegenseitiger Vertrag 65 Der HV-Vertrag ist gegenseitiger Vertrag im Sinne der §§ 320 ff. BGB.350 Der HV verpflichtet sich zur Vermittlung oder zum Abschluss, der Unternehmer zur Zahlung der vereinbarten Vergütung, welche meist – aber nicht notwendigerweise – eine Provision ist. Wirbt der Mittler in Ausführung seiner Vertriebspflicht Stammkunden, erwirbt er eine ebenfalls im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Ausgleichsvergütung (§ 89b). Begleitet werden die Haupt- durch zahlreiche Nebenpflichten, insbesondere über §§ 241 Abs. 2, 242 BGB hinausgehende Schutz- und Treupflichten.351 Das allgemeine Leistungsstörungsrecht der §§ 320 ff. BGB ist damit auch im Vertretervertrag anwendbar,352 wobei beide Vertragsparteien jedoch in der Regel eher auf das präsentere Kündigungsrecht des § 89a ausweichen werden. Bei Untätigkeit des Vertreters kann der Unternehmer dem Vertreter eine Frist gemäß § 323 (früher: § 326) BGB setzen.353 Der HV darf seine Dienste zurückhalten, je nachdem, ob es sich um eine Haupt- oder Nebenleistungspflicht handelt, gemäß § 320 Abs. 1 S. 1 BGB oder § 273 BGB.354 342 343 344 345 346 347 348 349 350

Eher zweifelnd Emde ZVertriebsR 2018, 77 (78) – auch wegen der langen Umstellungszeit. Emde ZVertriebsR 2018, 77 (78). Siehe auch Reif/David/von Hauch ZVertriebsR 2017, 35 (36). Siehe Reif/David/von Hauch ZVertriebsR 2017, 35 (37), nach denen § 313 BGB eng auszulegen ist. Vgl. Palandt/Grüneberg77 § 313 Rn 34. Palandt/Grüneberg77 § 313 Rn 30. Siehe etwa Reif/David/von Hauch ZVertriebsR 2017, 35 (37); Palandt/Grüneberg77 § 313 Rn 30. Siehe Palandt/Grüneberg77 § 313 Rn 34, 38. Dazu Palandt/Grüneberg77 § 313 Rn 19. Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 1; Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 44 ff.; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 67; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 67; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume3 § 85 Rn 1. 351 Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 1 f. 352 Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 44. 353 Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 45 ff. 354 Für Franchiseverträge Giesler ZIP 2002, 420 (424). Emde

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5. Aufklärungspflichten Im stationären Handel sind die in § 312a Abs. 2 S. 1 BGB i. V. m. Art. 246 Abs. 1 EGBGB ge- 66 nannten Informationen über die wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung zu geben, die Identität des Unternehmers, den Gesamtpreis der Ware und Dienstleistung inkl. Steuern und Abgaben, die Zahlung-, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie der Lieferendtermin, das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrechts, ggf. auch weitere Garantien oder ähnliches, Vertragslaufzeiten und Kündigungsbedingungen, Funktionsweise, digitale Inhalte sowie etwaige Kompatibilitätsbeschränkung digitaler Inhalte mit sonstiger Soft- und Hardware. Unterlässt der Unternehmer die Informationen, droht eine Pflicht zum Schadenersatz wegen Schutzpflichtverletzung. Bei Geschäften des täglichen Lebens, die nach Vertragsschluss sofort erfüllt werden, entfällt die Informationspflicht (Art. 246 Abs. 2 EGBGB).

6. Widerrufsrecht Insb. im Vertragshändler- und Franchiserecht können Widerrufsrechte des Händlers oder des 67 FN bestehen. Dazu näher Rn 652 ff. beim häufigsten Anwendungsfall, dem Franchisevertrag. Bei den Büroräumen eines selbstständigen HV handelt es sich auch um Geschäftsräume des Unternehmers i. S. d. §§ 312b, 312g, 355 BGB.355

7. §§ 305 ff. BGB – Allgemeine Geschäftsbedingungen. Vertriebsrecht ist zugleich meist AGB-Recht356 Dies wird oft unzureichend beachtet. Wird in den Tatsacheninstanzen einer gerichtlichen Ausei- 68 nandersetzung nichts zur Qualifikation als AGB vorgetragen,357 werden Gerichte außer in Evidenzfällen die §§ 305 ff. BGB nicht anwenden. Diese Bestimmungen haben eine zunehmende Bedeutung. Noch in der4 des Staub spielte das AGB-Recht kaum eine Rolle, die dortigen Ausführungen müssen heute als rudimentär und überholt angesehen werden. Jeder Unternehmer, der ein Vertriebsnetz mit mehreren Repräsentanten unterhält, achtet auf die Einheitlichkeit der ihnen gegenüber verwandten Verträge, etwa im Kfz-Vertragshändlerbereich.358 Ein Aushandeln, welches zur Einordnung als Individualabrede führt, fehlt regelmäßig.359 Es würde voraussetzen, dass der Verwender das Vertragsgefüge in seiner Gänze ernsthaft zur Disposition stellt.360 Ein Vertriebsvertrag wird nur dann als Individualvertrag anzusehen sein, wenn der Partner die Gelegenheit der Einbringung eigener Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung im Rahmen der Vertragsverhandlungen besaß.361 Der Partner muss die reale Möglichkeit besitzen, die inhaltliche Ausgestaltung zu beeinflussen.362 Ein Formular-Vertriebsvertrag wird nicht zu einem Individualvertrag, indem der Vertragstext lediglich mit dem Hinweis

355 OLG Nürnberg, Urt. v. 13.6.2018 – 12 O 1919/16, NJW–RR 2018, 1390 Rn 130. 356 Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (7); Graf v. Westphalen DB 1984, 2335; Preis/Stoffels ZHR 160 [1996], 442 (443); Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 102, 112; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 86; für Kfz-Vertragshändlerverträge Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2006, 2589. 357 Charakteristisch für ein derartiges Unterlassen BGH, Urt. v. 10.11.2010 – VIII ZR 327/09 Rn 21. 358 Habersack/Ulmer S. 21; Niebling ZVertriebsR 2012, 79. 359 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 86. 360 Zu Vertriebsverträgen Flohr ZVertriebsR 2019, 15; Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (81). 361 Flohr ZVertriebsR 2019, 15. 362 Flohr ZVertriebsR 2019, 15. 39

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übersandt wird, der Partner möge etwaige Ergänzungen/Änderungen mitteilen.363 Praktisch alle Vertriebsverträge qualifizieren sich deshalb als AGB mit allenfalls marginalen Abweichungen. Insbesondere bei Vertragshändler- und Franchiseverhältnissen ergibt sich die Einheitlichkeit der Verträge und die daraus resultierende Vermutung der Mehrfachverwendung364 auch aus dem Gleichbehandlungsgebot und dem Gleichbehandlungswillen des Unternehmers. Unerheblich ist, ob der Unternehmer die Verträge nur für eine begrenzte Anzahl von Fällen verwenden will. Dieser Wunsch liegt in der Natur geschlossener Vertriebssysteme begründet.365 Innerhalb eines Vertriebssystems könnte eine Vermutung für die Bewertung als AGB366 diskutiert werden, die der Unternehmer zu widerlegen hätte. Denn er kann vortragen, welche Verträge er mit welchen Mittlern gezeichnet hat. Im Prozess darf etwa ein HV die Eigenschaft als AGB beweisen, indem er den Beweis „Vorlage aller HV-Verträge durch den Unternehmer“ anbietet. Möglicherweise können auch andere HV und Unternehmer als Wettbewerber gegen unwirksame AGB im Wege der „Konkurrentenklage“ nach UWG vorgehen.367 Überraschende Klauseln werden nicht in den Vertrag einbezogen. Vor diesem Hintergrund 69 problematisch sind etwa die bisweilen am Seitenende abrufbare AGB von als HV agierenden Vergleichsplattformen und ihr Hinweis auf die Praxis, Angebote in der Ergebnisliste oben zu platzieren und/oder in sonstiger Weise hervorzuheben, sofern ausschließlich Angebote angezeigt werden, für deren Abschluss die Plattform eine Provision erhält.368 Solche AGB werden oft nicht wirksam in den Vermittlungsvertrag einbezogen. Denn sie sind überraschend, weil sie vom durchschnittlichen Nutzer weder erwartet werden. Noch wird er einen derart versteckten Hinweis zur Kenntnis nehmen.369 Bei der Prüfung einer Klausel auf ihre Gesetzeskonformität ist zwischen dem Interesse des 70 Unternehmers am Aufbau eines einheitlichen Vertriebssystems, möglichen Benachteiligungen von Unternehmern mit vielgliedrigem Vertriebssystem sowie dem Schutzbedürfnis des Mittlers unter Berücksichtigung der Gebräuche des Handelsverkehrs (§ 310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB)370 abzuwägen. Ein Verstoß gegen zwingendes Recht (§ 134 BGB) begründet zugleich einen Verstoß gegen § 307 BGB.371 Charakteristisch ist das Urteil des OLG München zu Einstandszahlungen.372 Es begründet die Unwirksamkeit einer Einstandszahlungsabrede, die nicht regelte, dass die vom Erstvertreter geworbenen Kunden ausgleichsrechtlich als Kunden des den Einstandspreis leistenden Nachfolgevertreters anzusehen sind, aus § 307 BGB, § 89b Abs. 4. Wie die Herleitung auch aus § 89b Abs. 4 zeigt, hätte das Ergebnis im Rahmen einer Individualvereinbarung nicht anders lauten dürfen. Eine Bedeutung haben die §§ 305 ff. BGB damit vor allem bei Vertragsklauseln, mit denen dispositive Regelungen abbedungen werden.373 Da der Prinzipal ebenso wie sein HV meist Unternehmer i. S. d. § 310 Abs. 1, § 14 BGB ist, 71 sind vorrangiger Prüfungsmaßstab nicht die §§ 308, 309 BGB sondern ist es § 307 BGB.374 Für die Unternehmereigenschaft genügt, dass der Mittler sie durch den Vertragsschluss begrün363 364 365 366

Flohr ZVertriebsR 2019, 15. Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 294. Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 295. Emde EWiR 2002, 486; ders., VersR 2003, 549 (553); zu Bauträgerverträgen auch Gero Fischer WM 2003, 1. Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (81) bemerkt, dass es dieser Vermutung nicht bedürfe, da die AGB-Eigenschaft unschwer nachzuweisen sei. 367 Köhler NJW 2008, 177. 368 Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1427). 369 Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1427). 370 Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (88). 371 Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume3 § 85 Rn 2. 372 OLG München, Urt. v. 20.10.2004 – 7 U 3194/04, BB 2005, 630 m. Anm. Semmler BB 2005, 965 und Emde EWiR 2005 471. 373 Eberstein S. 18 f.; Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 73 ff.; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 88; Emde MDR 2002, 190 (191); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 72. 374 Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 112. Emde

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det.375 Eine mit § 512 BGB vergleichbare Regelung ist im AGB-Recht nicht vorgesehen.376 Auch im Franchiserecht kommt dem übereinstimmend Gewollten Vorrang vor einer objektiven Auslegung der AGB zu.377 Gem. § 307 BGB sind AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entge- 72 gen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich daraus ergeben, dass die Klausel nicht klar und verständlich ist. Die Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, falls die Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), oder wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass der Vertragszweck gefährdet ist. Teilweise wird vertreten, in AGB dürfe überhaupt nicht zu Lasten des Mittlers von dispositivem Recht abgewichen werden.378 Dies ist etwas weitgehend, wenngleich die gemäß § 307 BGB gebotene Einzelfallbetrachtung oft zum selben Ergebnis führt. Generell kann aus dem Umstand, dass gesetzliche Regelungen abdingbar sind, nicht auf die Zulässigkeit bestimmter Abweichungen gerade in AGB geschlossen werden.379 Ob eine kartellrechtliche GVO das „gesetzliche“ Leitbild widerspiegelt, könnte wegen des Vorrangs und der Spezialität deutschen Gesetzesrecht diskutiert werden. Die Rechtsprechung ist dabei uneinheitlich. So hat der BGH Klauseln am Leitbild der GVO gemessen.380 Auch wenn es sich bei einer GVO nicht um ein gesetzliches Leitbild handelt,381 kommt den durch die Kommission erlassenen GVOs richtigerweise eine wichtige oder zumindest indizielle382 Stellung als Wertungsentscheidung zumindest im Rahmen der Billigkeitsabwägung383 zu, da sie nach Anhörung der beteiligten Kreise erlassen wurden.384 Insbesondere im unnormierten Vertragshändler- und Franchiserecht kann eine Leitbildwirkung auch nach Wegfall der zivilrechtlichen Schutzbestimmungen aus der alten Kfz-GVO 1400/02 akzeptiert werden. Es bleibt das Problem ständiger Änderungen der GVOs und damit möglicher Wechselhaftigkeit der Rspr. Verstößt eine Klausel gegen eine GVO, folgt dem regelmäßig die Unwirksamkeit nach § 307 BGB.385 Schwierig ist die Berücksichtigung des Art. 101 Abs. 3 AEUV. Will man die Leitbildfunktion der GVO anerkennen und widerspricht eine Klausel ihren Bestimmungen, wird die Nichtigkeit nur ausgeschlossen, wenn bei abstrakt-genereller Betrachtung jeder Vertrag des Vertriebssystems nach Art. 101 Abs. 3 AEUV befreit wäre.386

375 OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.11.2001 – 9 SchH 12/01, BB 2001, 2499 ff. = DB 2002, 423 (424); Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (80); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 87; aA Giesler/Vogels2 § 3 Rn 65. 376 OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.11.2001 – 9 SchH 12/01, BB 2001, 2499 ff. = DB 2002, 423, 424; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 87. 377 BGH NJW–RR 2000, 1159 (1160). 378 Röhricht/Graf v. Westphalen/Küstner2 § 85 Rn 2; von Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume3 § 85 Rn 3 wohl aufgegeben. 379 OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 (1700) = MDR 2009, 703 = BBL 2009-225-4, www.betriebsberater.de. 380 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15; siehe auch BGH BB 2000, 60 m. Anm. Emde = EWiR 2000, 153 (Emde). 381 Ulmer/Schäfer ZIP 1994, 753; Habersack/Ulmer S. 30; aA Niebling WRP 2009, 153 (154) = WRP 2010, 81 (82) = WRP 2010, 1454 (1455) = WRP 2011, 1518 (1519) = WRP 2012, 1361 (1362) = MDR 2015, 616 (618) = Niebling MDR 2018, 712 (717) – sowohl für die Vertikal- wie die Kfz-GVO. 382 Habersack/Ulmer S. 30. 383 So BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 (209) = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.1.2008 – VI-Kart 11/06 (V), GRUR-RR 2008, 324; OLG München, Urt. v. 8.1.2009 – U (K) 1501/08, BB 2009, 518 m. Anm. Schultze/Spenner bei der Billigkeitsabwägung im Rahmen des § 19 GWB. 384 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 64; aA Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 303, 319; Niederleithinger NJW 1991, 3078. 385 Niebling WRP 2006, 1334. 386 Vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz). 41

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Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB unterliegen nur Bestimmungen einer Inhaltskontrolle, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Rechtsvorschriften i. S. d. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB sind alle Gesetzesvorschriften im materiellen Sinne sowie ungeschriebene Rechtsgrundsätze, die ohne die inkriminierte Klausel gelten würden, im Vertriebsrecht auch die RL.387 Damit ist Kontrollmaßstab die Gesamtheit der wesentlichen Rechte und Pflichten, welche sich aus der Natur des Vertrages ergeben.388 Klauseln, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflicht beschreiben (Leistungsbeschreibungen) und den dafür zu zahlenden Preis unmittelbar regeln (Preisvereinbarungen) sind einer Inhaltskontrolle entzogen (kontrollfreie Klauseln).389 Die Höhe der Hauptleistung ist daher – mit der Ausnahme des § 307 Abs. 3 S. 2 BGB390 – gem. § 307 Abs. 3 BGB – wohl trotz § 87b Abs. 1 – nicht Gegenstand einer Kontrolle nach dem AGB-Recht, sondern in erster Linie nach § 138 BGB, ggf. §§ 242 und 313 BGB.391 Die Kontrollfreiheit trifft etwa die Höhe der Provision,392 wegen ihrer Normierung in den §§ 87 ff. aber wohl nicht ihre generelle Abdingbarkeit.393 Von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind ferner die Bestimmung der Vertragsparteien, Änderung der Vertragspartnereigenschaft,394 Preisvereinbarungen, Hauptleistungsbeschreibungen, Warenbeschreibungen,395 Gebietszuweisungen396 und rein deklaratorische Klauseln. Kontrollfähig sind jedoch Regelungen zur Gebietsbeschränkung,397 einseitige Preisänderungsvorbehalte,398 Klauseln über die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen im Falle der Kündigung399 sowie Anforderungen an die Ausgestaltung des Betriebes (Vertragshändler, FN!).400 Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind nur insoweit als Hauptleistungspflicht gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogen, als in § 90a kein Kontrollmaßstab gebildet wurde.401 Klauseln zum Ausgleichsanspruch werden wegen der Existenz des § 89b als Kontrollmaßstab nicht als kontrollfrei angesehen. Der Ausgleich ist allerdings ohnehin gem. §§ 307 BGB, 89b HGB derogationsfest. Auch sind Formularklauseln kontrollfähig, die Leistungsversprechen ausgestalten und 387 Thume BB 2012, 975 (979). 388 BGH, Urt. v. 6.2.1985, BGHZ 93, 358 (360); v. 14.10.1997, BGHZ 137, 27 (29); v. 12.5.2004 – VIII ZR 159/03; Giesler/ Klapperich2 § 2 Rn 89. 389 BGH, Urt. v. 12.5.2004 – VIII ZR 159/03. 390 Das Transparenzgebot bildet nach § 307 Abs. 3 S. 2 BGB auch bei Leistungsbeschreibungen einen Kontrollmaßstab, s. etwa LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700. 391 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 89. 392 LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700; Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (82). 393 Siehe BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, DB 2009, 2652 (2654) Rn 21 – zumindest für Überhangprovision; OLG München, Beschl. v. 22.3.2012 – 23 U 4793/11, BeckRS 2012, 07024 = GWR 2012, 183 m. Anm. Köhl; für ein Derogationsverbot in AGB wohl Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 76; streng auch OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, MDR 2009, 703 = NJW-RR 2009, 1699. 394 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 304. 395 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 306. 396 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 306. 397 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 306. 398 BGH NJW-RR 2005, 1496 (1500); BGHZ 81, 229 (232); 93, 252 (255); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 66; Habersack/Ulmer S. 36. Denn es wird von dem Grundsatz abgewichen, dass Leistung und Gegenleistung im jeweiligen Vertrag festzulegen sind. AA für Listenpreisvereinbarungen OLG München, Urt. v. 22.1.2004 – U (K) 3329/03, WuW 2004, 644. 399 Kontrollmaßstab wären die selbst in Individualvereinbarungen zwingenden §§ 89, 89a; aA (ohne Auseinandersetzung mit diesen Vorschriften) BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455 Rn 41; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.1.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700 (es handelt sich um eine rein deklaratorische, von Rechtsvorschriften nicht abweichende und damit kontrollunfähige Bestimmung); LAG München, Urt. v. 30.9.2008 – 8 Sa 697/07; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.9.2007 – 12 Sa 876/07; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.12.2006 – 11 Sa 686/06. 400 Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (82). 401 Im Arbeitsrecht besteht hingegen eine größere Kontrollfreiheit, weil die §§ 74 weniger enge Regeln für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot treffen, siehe LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18.12.2008 – 2 Sa 378/08, LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508; Straube BB 2013, 117. Emde

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modifizieren;402 ebenso Preisnebenabreden, die zwar mittelbar Auswirkungen auf die Preisgestaltung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlte, dispositives Recht treten kann. Dies gilt etwa für eine Formularklausel in einem HV-Vertrag zwischen einem Luftfahrtunternehmen und dem Reisebüro, der zufolge Provisionen, welche die Reisebüros erhalten, allein auf Grundlage der Flugkosten und nicht der von Flughafen zu Flughafen variierenden Landegebühren berechnet werden.403 Der BGH hat diese Klausel an § 307 BGB gemessen und für wirksam gehalten. Hingegen hat er Einstandszahlungen des HV für den Kauf einer Vertretung als kontrollfrei angesehen,404 weil insoweit nicht von Rechtsvorschriften abgewichen wird. Bei so genannten Händlerstandards kann es sich um Vertragsbestandteile und damit um 74 AGB handeln. Verbleiben Zweifel, sind sie – wenn dies zum Vorteil des Händlers gereicht – gemäß § 305c BGB nur als Empfehlungen des Herstellers anzusehen.405 Für die Änderung von Händlerstandards gelten die gleichen Anforderungen wie bei sonstigen Änderungsvorbehalten,406 es sei denn, es handelt sich lediglich um Empfehlungen. Die Einordnung als AGB ändert sich nicht dadurch, dass der Hersteller den Mittler in Beiräten oder Ausschüssen, die sich aus dem Kreis der Mittler gebildet haben, in die Gestaltung der Verträge einbezieht.407 Selbst wenn diese Organisationen Änderungen einzelner Klauseln durchsetzen, gelten sie nicht als zwischen den Parteien ausgehandelt.408 Die Stellungnahme der Mittlervertretungen können jedoch für die Bewertung der Angemessenheit der Klausel Bedeutung gewinnen, da sie bei unbeeinflusstem Zustandekommen die Sichtweise der Mittler ausdrücken.409 Nur wenn die Vertretung der Mittler von allen Händlern zum Aushandeln der Verträge bevollmächtigt war, kann ein individuelles Aushandeln vorliegen.410 Soweit in dem Vertriebsvertrag die Geltung der dem Vertrag beigefügten allgemeinen AGB einer Partei (etwa Verkaufsbedingungen) vereinbart wird, ist dies zulässig. Falls nicht auf die jeweils aktuellen AGB verweisen wird, bleibt die Änderung dieser AGB eine Vertragsänderung, die nur konsensual erfolgen darf.411 Die Verwendung unwirksamer AGB begründet eine Verletzung von Nebenpflichten nach den §§ 311, 280 BGB412 und verpflichtet zum Schadenersatz.413 Ansprüche von Wettbewerbern dürfen nach § 8 UWG geltend gemacht werden.414 Zahlreiche, typischerweise in den Ein- oder Verkaufsbedingungen eines Unternehmers 75 übliche Regelungsgegenstände, etwa Preisgestaltung, Eigentumsvorbehalt, Zahlungsbedingungen etc., werden oft in den eigentlichen Vertriebsvertrag (Rahmenvertrag) eingefügt. Dafür wie dagegen gibt es Argumente: Dagegen könnte eingewandt werden, dass diese Regelungen dann den Kündigungsbestimmungen des Vertriebsvertrages unterliegen und nur mit Einverständnis des Vertragspartners oder diesen Kündigungsbestimmungen gemäß geändert werden könnten. Bei langfristig fest geschlossenen Verträgen wäre damit über lange Zeit keine Änderung möglich. Für eine Fassung in dem Vertriebsvertrag selbst spricht das Argument, dass aufgrund widerstreitender AGB beider Seiten die AGB der Einzelgeschäfte mglw. nicht Vertragsbestandteil 402 BGH v. 24.4.1991, NJW–RR 1991, 1013. 403 BGH, Urt. v. 12.5.2004 – VIII ZR 159/03, MDR 2004, 1009 = NJW–RR 2004, 1206 = WM 2004, 2453. 404 BGH, Urt. v. 9.12.1992 – VIII ZR 23/92, NJW–RR 1993, 376 = MDR 1993, 1060; aA KG Berlin, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. 405 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 108. 406 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 110. 407 Habersack/Ulmer S. 29; Westphal II Rn 64. 408 Westphal II Rn 64. 409 Habersack/Ulmer S. 29; Westphal II Rn 64. 410 Westphal II Rn 64. 411 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 114. 412 Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (82); Niebling WRP 2009, 153 (155); Palandt/Grüneberg Vor § 307 Rn 14; aA LG Hamburg, Urt. v.5.12.2008 – 412 O 152/06. 413 AA LG Hamburg, Urt. v. 5.12.2008 – 412 O 152/06. 414 Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (82). 43

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(„battle of forms“) werden und wenig helfen. Man könnte daran denken, die Verwendung abweichender AGB des Vertriebsmittlers schon im Vertriebsvertrag auszuschließen. Da der Rahmenvertrag gegenüber den AGB der Einzelgeschäfte vorrangig ist, wäre dies eine Gestaltungsalternative. Man würde den Vertragspartner allerdings hinsichtlich der Einzelgeschäfte beschränken, was jedoch aus Sicht des Unternehmers ohnehin Sinn eines Rahmenvertriebsvertrages sein dürfte. Solange nicht bindend vorgeschrieben wird, dass jeweils wechselnde (und folglich unbekannte) AGB des Unternehmers zwingend Vertragsinhalt der Einzelverträge werden (was mglw. intransparent und damit nach § 307 BGB unwirksam wäre), halte ich eine solche Gestaltungsform für zulässig. Nimmt ein Rahmenlieferungsvertrag Bezug auf für die Einzelgeschäfte geltende AGB, ignoriert jedoch der Vertragspartner diese Regelung und verweist in seinen AGB zu den Einzelverträgen routinemäßig auf die eigenen AGB, dürfte der Rahmenvertrag vorrangig sein.415 Das wird auch in der Konstellation gelten, in der die Parteien nach Abschluss des Rahmenvertrages wechselseitig in ihren AGB auf deren Geltung verweisen.416 Ob AGB-Recht auf Kaufverträge, die unter einem individuell verhandelten Rahmenlie76 fervertrag abgeschlossen werden, Anwendung finden, ist umstritten. Hat der Rahmenliefervertrag selbst AGB-Charakter, handelt es sich um AGB.417 Nach Ansicht von Budde418 besteht bei Rahmenverträgen, die den Inhalt künftiger Einzelkaufverträgen regeln, regelmäßig die Absicht der Mehrfachverwendung. Es lägen AGBs vor. Der Rahmenliefervertrag entwickele einen „Vervielfältigungseffekt“.419 Dem dürfte widersprechen, dass allein das häufige Zugreifen auf bestehende Bedingungen keine Einordnung als AGB rechtfertigt.420 Ist der Rahmenvertrag individuell verhandelt worden, wurden auch die für die Einzelkaufverträge geltenden Bedingungen verhandelt.421 AGB-Recht ist zudem unanwendbar, wenn zwar eine Bezugnahme auf AGB im Rahmenvertrag erfolgt, diese jedoch individuell vereinbart wurde.422 Auf Sukzessivlieferverträge folgen keine Einzelkaufverträge, so dass mangels Geltung für eine Vielzahl von Verträgen schon deshalb eine Anwendbarkeit des AGB-Rechts ausscheidet.423 77 Im Zweifel ist gem. § 306 Abs. 1 BGB nur die einzelne Klausel unwirksam. Der Gesamtvertrag bleibt wirksam. Insb. soll die Unwirksamkeit einzelner Klauseln eines Franchisevertrages gem. § 306 Abs. 1 BGB nicht zur Unwirksamkeit des Gesamtvertrages führen.424 78 Reformvorschläge, nach denen großvolumige (Vertriebs-)verträge, deren Volumen mindestens 1 Mio. EUR beträgt, aus dem Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle ausgenommen werden sollen, sind abzulehnen.425 Gerade im Vertriebsrecht besitzt die AGB-Kontrolle eine besondere Bedeutung und Leitbildwirkung. Solche Vorschläge würden zur Rechtsunsicherheit führen, da sich daneben eine Leitbildkontrolle nach § 242 BGB, wie vor Einführung des AGBG, etablieren müsste. Außerdem stellt sich die Frage, wie die Millionengrenze zu bestimmen ist, nämlich für welchen Zeitraum, welche Leistungen einzubeziehen sind (Bau der Gebäude? Gegenleistungen, Provisionen, Einkaufspreise, Verkaufspreise?).426 I. E. dürfte es sich bei einer solchen Novelle um ein Beschäftigungsprogramm für Gerichte und Parteien handeln, da vor der eigentlichen Kontrolle erheblicher Streit über den Schwellenwert vorgeschaltet wird, ggf. mit Beweiserhebungen. Bisher kamen AGB-Verfahren ohne Beweiserhebung aus, da der Vertragstext feststand.

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Budde ZVertriebsR 2019, 348 (351). AA Budde ZVertriebsR 2019, 348 (350). Budde ZVertriebsR 2019, 348 (349). Budde ZVertriebsR 2019, 348 (349); Budde in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht,4 2016, § 39 Rn 58. Budde ZVertriebsR 2019, 348 (349). Teichmann/Laitenberger ZVertriebsR 2019, 214 (216). Teichmann/Laitenberger ZVertriebsR 2019, 214 (217); Budde ZVertriebsR 2019, 348 (350). Budde ZVertriebsR 2019, 348 (350); Teichmann/Laitenberger ZVertriebsR 2019, 214 (218). Teichmann/Laitenberger ZVertriebsR 2019, 214 (219). LG Dortmund, Urt. v. 30.3.2012 – 3 O 31/11, ZVertriebsR 2013, 163 (165). Genzow IHR 2015, 133. Genzow IHR 2015, 133.

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a) Unwirksame Klauseln. Siehe zunächst die umfangreiche und sorgfältig erstellte Liste un- 79 wirksamer Klauseln von Rothermel/Dahmen.427 Unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe sind Bestimmungen mit folgendem Inhalt in Vertriebsverträgen für unwirksam gehalten worden: – Abbuchungsklauseln und Lastschriftverfahren: Eine in einem Tankstellen-HV-Vertrag enthaltene Klausel, die den Tankstellen-HV wegen der Ansprüche aus der laufenden Geschäftsverbindung mit dem Mineralölunternehmen, insb. der Abrechnungen aus Kraftstoffverkaufserlösen, Schmierstofflieferungen aus dem Agenturgeschäft und Lieferungen von Shopware, zur Teilnahme am Lastschriftverfahren in Form des Abbuchungsauftragsverfahrens verpflichtet, benachteiligt den HV unangemessen.428 Das gilt auch, wenn zwar die Alternative der Einzugsermächtigung besteht, die Wahlmöglichkeit jedoch nur eine scheinbare ist.429 Bei dem Lastschriftverfahren im Wege des Abbuchungsverfahrens kann der HV nach Einlösung der Lastschrift die Kontobelastung nicht mehr rückgängig machen. Er gibt die Bestimmung, ob und wann er Zahlungen an den Unternehmer leistet, in dessen Hand. Darin liegt ein schwerwiegender Eingriff in seine Dispositionsfreiheit, der nicht durch Vorteile, etwa Rationalisierungseffekte, ausgeglichen wird. Insb. ist nicht ersichtlich, dass das Einzugsermächtigungsverfahren als Alternative unzureichend wäre. Nicht entschieden wurde, wie die Klausel zu beurteilen wäre, wenn das Sonderkonto ausschließlich zur Aufnahme der Erlöse diente, welche der HV im Namen und für Rechnung des Unternehmers vereinnahmt, und die Verpflichtung zur Teilnahme am Abbuchungsauftragsverfahren nur für diese Fremdgelder Gültigkeit hätte. Als Argument für die Zulässigkeit einer derartigen Klausel könnte der Unternehmer ein Sicherungsinteresse hinsichtlich der ihm unmittelbar zustehenden Einnahmen geltend machen.430 Steinhauer431 schlägt als Abhilfe zu Gunsten der Unternehmer vor, eine Factoringvereinbarung zwischen HV und Unternehmer zu schließen, damit die eingenommenen Gelder zu Fremdgeldern würden. Unwirksam ist auch die Klausel in den AGB des Mineralölunternehmers, nach der er berechtigt sein soll, von einem Agenturkonto, auf welches der Tankstellen-HV die Erlöse aus den Verkäufen einzuzahlen hat, im Lastschriftverfahren Abschläge für Verkaufserlöse abzubuchen, die der HV noch nicht vereinnahmt hat.432 Begründung: Es zähle nicht zu den gesetzestypischen Pflichten des HV, für Verkaufserlöse in Vorlage zu treten. Er habe diese Beträge vielmehr herauszugeben (§ 667 BGB). Bei einem Franchisevertrag mit kurzer Abrechnungsperiode hat das OLG Düsseldorf433 keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel. – Ablehnung von Aufträgen: Das in den AGB vereinbarte Recht des Unternehmers, Aufträge willkürlich abzulehnen.434 – Abmahnung: Wenn eine außerordentliche Kündigung bei verwenderfeindlicher Auslegung ohne die nach § 314 BGB geforderte Abmahnung zulässig sein soll.435 – Abrechnung: • Regelung, dass Abrechnungen nach Schweigen des Vertreters auf deren Zusendung als anerkannt gelten. Diese Gestaltung wird gewählt, um die Höhe der Provision dem 427 Rothermel/Dahmen IHR 2017, 45 ff. 428 BGH, Urt. v. 14.10.2009 – VIII ZR 96/07, BB 2010, 205 m. abl. Anm. Steinhauer = WM 2010, 277; KG Berlin, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06; zweifelnd BGH, Urt. v. 13.12.2012 – IX XR 1/12, NJW-RR 2013, 950 = BB 2013, 655 m. Anm. Berger, das die Klausel jedenfalls für wirksam hält, wenn eine Bank Verwenderin der Klausel ist, und die Klausel dazu dient, zur Händlereinkaufsfinanzierung gewährte Darlehen mittels Abbuchungsauftragsverfahren zu tilgen. 429 KG Berlin, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. 430 BGH, Urt. v. 14.10.2009 – VIII ZR 96/07, BB 2010, 205 m. abl. Anm. Steinhauer = WM 2010, 277. 431 Steinhauer BB 2010, 207 (208). 432 BGH, Urt. v. 8.11.2005 – KZR 18/04, BB 2006, 180; ebenso KG, Urt. v. 20.5.2007 – 23 U 87/05. 433 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466. 434 Reithmann/Martiny/Häuslschmid 7. Aufl. Rn 2186. 435 KG Berlin, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. 45

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Streit zu entziehen und die Kontrollrechte des § 87c als Hilfsrechte auszuschließen. Das Ergebnis dürfte sich auch aus § 87c Abs. 5 begründen. Das LG Frankfurt/M.436 hat jedoch in einem Einzelfall ein Interesse des Unternehmers anerkannt, durch eine solche Vereinbarung rasche und klare Verhältnisse zu schaffen. • Verpflichtung des HV, Durchschriften der Abrechnungen innerhalb einer Frist von 2 Wochen nach Zugang zu prüfen und mit einem Bestätigungsvermerk oder evtl. Einwendungen an den Hersteller zurückzusenden.437 Es muss zumindest eine angemessene Prüfungszeit vereinbart werden. Absatzrisiko: Das Absatzrisiko des Unternehmers darf nicht auf den HV verlagert werden.438 Nach Ansicht des OLG Stuttgart439 sowie des OLG Hamburg440 ist es sogar sittenwidrig, wenn dem HV die Verpflichtung auferlegt wird, die zu vermittelnden Waren zu erwerben und er auf diese Weise das Absatzrisiko übernehmen muss. Der BGH441 teilt diese Auffassung zumindest für den Fall, in dem das Unternehmerrisiko ohne besonderes Entgelt auf den HV übertragen wird. Die Verpflichtung des HV zum Erwerb von Waren bzw. Produkten des Unternehmers widerspricht damit dem Wesen des HV-Vertrages und ist regelmäßig unwirksam.442 Abwerbeverbote: Die in einem HV-Vertrag enthaltene AGB: „Der Vermögensberater verpflichtet sich, es für die Dauer von 2 Jahren nach Beendigung des HV-Verhältnisses es zu unterlassen, der Gesellschaft Kunden abzuwerben oder dies auch nur zu versuchen“, ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 1 i. V. m. S. 2 BGB unwirksam.443 Der Begriff der „Kunden“ ist nicht hinreichend klar definiert. So ist nicht klar, ob nur Personen, die Verträge mit Partnerunternehmen des Unternehmers oder solche, die derartige Verträge aufgrund einer dem HV zuzurechnenden Vermittlungstätigkeit abgeschlossen haben, erfasst werden sollen, ebensowenig, ob sich das Wettbewerbsverbot auf Personen erstreckt, die erst nach Beendigung des HV-Vertrages, aber binnen zweier Jahre nach dessen Beendigung, Verträge geschlossen haben. Zudem ist unklar, ob sich das Verbot nur auf eine Ausspannung erstreckt, bei der Kunden veranlasst werden, mit Partnerunternehmen des Unternehmens bestehende Verträge vorzeitig zu beenden oder ob es dem HV auch untersagt ist, Personen, die bereits einen Vertrag mit Partnerunternehmen des Unternehmers geschlossen haben, weitere Produkte zu vermitteln, die in der Produktpalette des Unternehmers eine Entsprechung haben.444 Es könne damit offen gelassen werden, ob die Regelung schon wegen Fehlens einer Karenzentschädigung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wegen Abweichung vom Leitbild des § 90a Abs. 1 S. 3 unwirksam sei.445 Nach Ansicht von Dück446 widerspricht die Bestimmung zudem § 90a Abs. 1 S. 3. Sie sei damit gem. § 307 BGB unwirksam. Denn für die Zeit der Abrede stehe der HV ohne Kompensation dar. Außerdem

436 VersR 1998, 1238. 437 Emde MDR 1999, 1108 (1113); Emde EWiR 1999, 328. 438 Vgl. BGH, Urt. v. 20.3.1981 – I ZR 12/79, MDR 1982, 200; OLG Hamburg, Urt. v. 31.1.1940, HVR Nr. 2; OLG Stuttgart, Urt. v. 5.7.1957- 5 U 169/56, NJW 1957, 1281; OLG München, Urt. v.8.8.2001 – 7 U 5118/00, OLGR 2000, 82; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 69. 439 Urt. v. 5.7.1957 – 5 U 179/56, NJW 1957, 1281. 440 Urt. v. 31.1.1940, HVR Nr. 2. 441 Urt. v. 20.3.1981 – I ZR 12/79, MDR 1982, 200; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 69. 442 Ulmer/Brandner/Hensen10 Anh. § 310 BGB Rn 407 m. w. N. 443 BGH, Urt. v. 3.12.2015 – VII ZR 100/15, ZVertriebsR 2016, 26 = NJW 2016, 401 = DB 2016, 824 = ZIP 2016, 676 = BB 2016, 84 m. Anm. Dück NJW 2016, 368. 444 BGH, Urt. v. 3.12.2015 – VII ZR 100/15, ZVertriebsR 2016, 26 = NJW 2016, 401 = DB 2016, 824 = ZIP 2016, 676 = BB 2016, 84 m. Anm. Dück NJW 2016, 368. 445 BGH, Urt. v. 3.12.2015 – VII ZR 100/15 Rn 20, ZVertriebsR 2016, 26 = NJW 2016, 401 = DB 2016, 824 = ZIP 2016, 676 = BB 2016, 84 m. Anm. Dück NJW 2016, 368. 446 NJW 2016, 368 (369). Emde

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sei die Abrede wegen Verstoßes gegen § 90a Abs. 1 S. 1, 2 gem. § 134 BGB unwirksam.447 Die nachvertragliche Wettbewerbsabrede sei auch gem. § 1 GWB unwirksam.448 Eine Rechtfertigung des Wettbewerbsverbots nach den Grundsätzen der Vertragsimmanenz oder nach Art. 5 Abs. 1 lit. b GVO 330/10 scheide aus.449 Ein Rückgriff auf § 138 Abs. 1 BGB sei nur ausnahmsweise möglich, und zwar außerhalb des Anwendungsbereichs des § 90a.450 Abrechnung: die Klausel „Unternehmer hat das Recht, jederzeit Zwischenabrechnungen vorzunehmen oder das Abrechnungsverfahren zu ändern.“.451 Es handelt sich um ein unzulässiges einseitiges Vertragsänderungsrecht. Außerdem fehlt jede Konkretisierung, in welcher Hinsicht bzw. nach welchen Kriterien das Abrechnungsverfahren geändert werden soll.452 Adressen: Zahlungspflicht des Vertreters für die Mitteilung von Kundenadressen.453 Die wechselseitigen Informationspflichten forderten deren kostenlose Überlassung. Änderungsvorbehalte, einseitige Leistungs- oder Preisbestimmungsrechte454: Das er- 80 gibt sich schon aus § 308 Nr. 4 i. V. m. § 307 BGB. Zur Frage der Kontrollfähigkeit oben, Rn 73. Als Grundregel gilt: Unzulässig ist das Recht einer Partei, jederzeit (ohne Ankündigung) einseitig Preise, Provisionen,455 Rabatte (Handelsspannen),456 Boni,457 Gebühren, Nachlässe, Finanzierungsbedingungen, Werbeaufwendungen, Zuschüsse, Garantiekarten oder andere Verkaufsbedingungen zu ändern,458 vor allem bei wesentlichen Änderungen. Formularmäßige einseitige Leistungsänderungsrechte sind im Grundsatz nur wirksam, wenn die Klausel konkrete, schwerwiegende Änderungsgründe benennt und sie erkennbar die Interessen des Mittlers angemessen berücksichtigt.459 Dazu muss das Änderungsrecht in der fraglichen Klausel

447 Dück NJW 2016, 368 (369). Dück problematisiert nicht, dass kartellrechtliche Vorschriften auf den HV nur anwendbar sind, sofern er mehr als unerhebliche Risiken trägt. Dück NJW 2016, 368 (369). Dück NJW 2016, 368 (369/370). Dück NJW 2016, 368 (370). KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. OLG Saarbrücken NJW-RR 1997, 99. BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = EWiR 2005, 815 (Emde); v. 13.7.2004 – KZR 10/03, GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz); generell zu Preisanpassungsklauseln Hilber BB 2011, 2691. Das OLG München, Hinweisbeschl. v. 29.1.2014 – 23 U 4161/13 weist darauf hin, der Unternehmer sei aufgrund seiner Treupflichten in der Änderung nicht vollkommen frei. Zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten in Franchiseverträgen Kroll ZVertriebsR 2016, 284. 455 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 9. 456 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 – Daihatsu; Niebling WRP 2009, 153 (158). 457 OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.8.2019 – 10 U 214/18, ZVertriebsR 2020, 90 Rn 13. 458 BGH, Urt. v. 6.10.1999 – XIII ZR 125/98; Röhricht/Graf v. Westphalen/Küstner § 85 Rn 2; aA. noch Staub/Brüggemann4 § 85 Rn 5: Entweder sind die niedrigeren Provisionssätze, die Verkleinerung oder Verlegung des Bezirks sachlich vertretbar – bei der Provisionskürzung der Fall der vermehrten Hereinbringung von Versicherungsverträgen mit schlechtem Risiko: aber der Versicherer könnte den Vertragsabschluss überhaupt ablehnen, und eine geringere Provision ist für den Vertreter immer noch besser als gar keine –; dann ist der Vorbehalt hinsichtlich seiner konkreten Auswirkungen nicht zu beanstanden. Ist er dagegen sachlich nicht vertretbar (und wirkt sich so auch aus), was bei einer einseitigen Verkleinerung des Bezirks sehr viel häufiger zutreffen wird, dann hat der HV das Recht zu kündigen und erhält dafür seinen Ausgleich (§ 89b Abs. 3). Er ist also durchaus nicht schutzlos. Schon die drohende Ausgleichsberechtigung sorgt mit steigender Dauer des Vertragsverhältnisses dafür, den Unternehmer von einem unangemessenen Gebrauch einseitig diktierter Änderungen abzuhalten. Übersichtsartig zur Rspr. und zulässigen Klauseln (außerhalb des Vertriebsrechts) Kessel/Schwedler BB 2010, 585 ff. 459 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15; ZIP 2000, 138 (145); v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 (1063) – Daihatsu; BGHZ 89, 206 (211) = NJW 1984, 1182; NJW-RR 1988, 1077 = WM 1988, 1344 unter A I 3 b aa); OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.8.2019 – 10 U 214/18, ZVertriebsR 2020, 90 Rn 14; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 131; Flohr/ Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 9, 68; aA Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (83), der lediglich Präzision, objektive Anknüpfung und Wahrung der Interessen des Mittlers fordert.

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genau eingegrenzt werden und sich im Rahmen des Angemessenen halten.460 Es müssen konkrete Regeln vorgesehen werden, wann und wie der Änderungsvorbehalt ausgeübt werden kann und soll.461 Bereits am Transparenzgebot scheitert der Änderungsvorbehalt, wenn er aus sich heraus nicht hinreichend klar ist. Oft ist es hierfür erforderlich, dass Beispiele für das einseitige Änderungsrecht genannt werden. Diese Grundregeln werden durch eine kaum überschaubare Zahl von Untergruppen und eine einzelfallbezogene Kasuistik differenziert. Zu unterscheiden sind Regelungen innerhalb und außerhalb des Rahmenvertrages, ob die Handelsspanne des Mittlers betroffen ist (dann strengere Voraussetzungen) oder nur der Listenpreis bestimmter Produkte (der sich leichter an Abkäufer weitergeben lässt). Schließlich spielt die Frage der Ankündigungsfrist eine Rolle. Über allem schwebt der Grundsatz, dass die Interessen beider Parteien angemessen zu berücksichtigen sind. aa) Änderungen der Rabatte, Provisionen und der Handelsspanne, die direkt den Gewinn beeinflussen, werden streng beurteilt. Sie berühren unmittelbar das Leistungs-Gegenleistungsverhältnis des Rahmenvertrages. In der Daihatsu-Entscheidung462 hat der BGH eine Klausel für unwirksam gehalten, nach der der Unternehmer berechtigt sein sollte, die Höhe des dem Vertragshändler eingeräumten Rabattsatzes jederzeit einseitig zu ändern und durch Mitteilung die Änderung Vertragsbestandteil werden zu lassen. Die Unangemessenheit, so der BGH, liege bereits darin, dass der Änderungsvorbehalt das wesentliche Recht des Händlers, nämlich die Verdienstmöglichkeiten, in einer solchen Weise einschränkt, dass das Erreichen des vom Händler erstrebten Vertragszweckes gefährdet wird.463 Ein im AGB-Rahmenvertrag selbst zugesicherter Preis soll zudem nur geändert werden dürfen, wenn die Klausel keine nachträgliche Änderung des vertraglich vereinbarten Äquivalenzinteresses, etwa eine Gewinnerhöhung, ermöglicht.464 Ob als Äquivalent für die Preiserhöhung ein Vertragslösungsrecht ausreicht, ist unsicher.465 Aufgrund dieser hohen Erfordernisse erscheint es in der Praxis nahezu ausgeschlossen, eine wirksame Änderungsvorbehaltsklausel auf dem notwendigen Abstraktionsgrad zu formulieren, welche die konkreten Umstände in ausreichendem Maße berücksichtigt.466 Regelmäßig wird damit eine Änderung des Rabattsatzes oder der Marge unangemessen und unwirksam sein.467 Insb. wird es dem Unternehmer kaum gelingen, eigene Kostensteigerungen als schwerwiegenden Änderungsgrund zu vereinbaren.468 bb) Weniger streng sollten bloße Änderungen des Listenpreises beurteilt werden.469 Umstritten ist aber bereits, ob der Händlervertrag als Rahmenvertrag die Bedingungen der Einzelgeschäfte und die Preise der Einzelgeschäfte nennen muss.470 Insbesondere ist fraglich ist, ob in den AGB vorgesehen werden kann, dass die jeweils zum Zeitpunkt des Eingang der Willenserklärung des Käufers maßgebliche Preisliste gilt. (1) Nach einer Ansicht braucht der Vertriebsvertrag als Rahmenvertrag die Bedingungen der Einzelgeschäfte nicht fix zu vereinbaren. Derartiges sei kaum praktikabel, da jene Bedingungen dann über die Vertragsdauer festgeschrieben seien oder sich der Unternehmer ein wirksames Änderungsrecht vorbehalten müsse,471 was in AGB kaum möglich sei. Oft wer-

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BGH, Urt. v. 26.11.1984, ZIP 1985, 161 (163); Becker in: Metzlaff, Praxishandbuch Franchising, 2003, § 9 Rn 110. BGH, Urt. v. 26.11.1984, ZIP 1985, 161 (163); Becker in: Metzlaff, Praxishandbuch Franchising, 2003, § 9 Rn 110. BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 – Daihatsu. BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 (1063) – Daihatsu. BGHZ 94, 335 (339) = NJW 1982, 331 (332); BGH NJW 1985, 855 (856); NJW–RR 1986, 211 (212); NJW 1986, 3134 (3135); Borges ZIP 2007, 1438. 465 Vgl. Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (41); Borges ZIP 2007, 1441 ff. 466 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 135. 467 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 70; Pfeffer NJW 1996, 681 (684). 468 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 70. 469 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 71. Für Kontrollfreiheit OLG München, Urt. v. 22.1.2004 – U (K) 3329/03, WuW 2004, 644. 470 Vgl. Martinek/Manderla3 § 22 Rn 18. 471 Becker in: Metzlaff, Praxishandbuch Franchising, 2003, § 9 Rn 108. Emde

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den deshalb im Rahmenvertrag Listenpreisklauseln eingefügt, nach denen der jeweils geltende Listenpreis des Herstellers472 oder die jeweils gültige Provisionstabelle gelten soll, mit der Folge, dass keine Festpreise oder Festprovisionen über die gesamte Vertragslaufzeit vereinbart sind. Der Unternehmer behält sich also das Recht vor, seine Preisliste, auf die der Vertriebsmittler, etwa ein Vertragshändler, ein bestimmter Rabatt gewährt wird, anzupassen.473 Gemäß der hier unter aaa) referierten Ansicht ist der Hersteller berechtigt, im Vertriebsvertrag als Rahmenvertrag keine Preise zu nennen oder zu vereinbaren, dass seiner Abrechnung die zum Zeitpunkt der Bestellung gültige Preisliste zugrunde gelegt werden474 bzw. auf seine aktuelle Preisliste zu verweisen.475 Ein Vertragshändler dürfe, so das OLG Frankfurt/M.,476 nicht davon ausgehen, dass er die Vertragswaren über einen längeren Zeitraum stets zu dem bei Abschluss des Händlervertrages gültigen Preis beziehen kann. Dies gelte insb. bei einer Vertragslaufzeit von 3–5 Jahren und wenn es sich um kurzfristig verfügbare Massenwaren handele, und zwar sowohl bei der Vereinbarung von AGB wie im Falle einer Individualvereinbarung. Der Mittler müsse vor dem Abschluss der Anschlußkäufe die Preise des Deckungsgeschäftes prüfen; dem Unternehmer dürfe kein Geschäft aufgezwungen werden, welches für ihn unwirtschaftlich sei. In der Sache handelt es sich um ein einseitiges Preisbestimmungsrecht des Unternehmers nach § 315 BGB.477 Besonders großzügig war das OLG Düsseldorf478: Ein Preisänderungsrecht in einem Franchisevertrag soll zulässig sein, sofern die Preisänderungsklausel einen dynamischen Bezug mit der Verweisung auf die „jeweils aktuelle“ Preisliste aufweise, so dass es kein anfängliches „Vertrauen“ in einen bestimmten Preis gebe. Außerdem seien im Handelsverkehr Preiserhöhungsklauseln auch ohne Angabe der Erhöhungskriterien zulässig, selbst wenn dem Kunden für den Fall einer erheblichen Preissteigerung kein Lösungsrecht eingeräumt werde, sofern seine Interessen in anderer Weise ausreichend gewahrt würden.479 Diese Ansicht würde zu dem Gestaltungshinweis einladen, im Rahmenvertrag keine Verkaufspreise zu vereinbaren. (2) Die Gegenansicht hält es für unzulässig, dem Vertrag gar keine Preisliste beizufügen und 85 den Vertriebsmittler auf die jeweils aktuellen Preise zu verweisen.480 Grds. sei zwar das Interesse des Unternehmers anzuerkennen, die Preise für die an den Mittler zu verkaufenden Produkte verändern zu können.481 Auf der anderen Seite besitze der Mittler ein schutzwürdiges Interesse, dass sich seine Einkaufspreise nicht beliebig erhöhen.482 Aufgrund der insb. FN auferlegten Bezugsverpflichtung könnten jener nicht auf andere, mglw. preiswertere Anbieter ausweichen.483 Es stelle deshalb keine ausreichende Interessenabwägung dar, wenn man argumentiere, willkürliche und unangemessene Preissteigerungen seien aufgrund der gleichgerichteten Interessen nicht zu befürchten.484 Der Mittler werde durch das Änderungsrecht Unsicherheit ausgesetzt. Deshalb wird „als unterste Grenze“ des Mittlerschutzes vertreten, die Interessen des Händlers seien im Rahmen von Listenpreisklauseln zumindest dann gewahrt, 472 473 474 475 476 477 478 479

Vgl. Horn NJW 1985, 1122. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 71. OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 27.9.1984 – X ZR 12/84, BGHZ 92, 203; v. 16.1.1985 – VIII ZR 153/83, BGHZ 93, 256 ff. 480 Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (289); Liesegang BB 1999, 857 (859); Ekkenga AG 1989, 301 (313); Liesegang BB 1991, 2381 (2384), jeweils zum Franchisevertrag; so aber OLG München, Urt. v. 22. 01.2004 – U (K) 3329/03, WuW 2004, 644 Rn 78. 481 Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (289); Liesegang BB 1991, 2381 (2384) – zum Franchisevertrag. 482 Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (289) – zum Franchisevertrag. 483 Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (289) – zum Franchisevertrag. 484 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – I-16 U 72/08. 49

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wenn sich der Unternehmer die Änderungen seiner Preisliste nur vorbehalte, um eigene Kostensteigerungen durchzureichen und zusätzlich eine angemessene Ankündigungsfrist bis zum Wirksamwerden der Preiserhöhung einzuhalten ist485 bzw. sich die Preisänderung jedenfalls nicht auf bereits abgeschlossene Einzelgeschäfte zwischen Händler und Endkunden (Anschlussgeschäfte) erstreckt.486 Denn mglw. habe sich der Eigenhändler bereits gegenüber seinem Kunden gebunden und kenne bei Abschluss des Anschlussgeschäftes die neuen Preise nicht. Der Händler könne sich kaum in den Anschlussverträgen vor jeder Preiserhöhung schützen. Daher sei zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung des Mittlers das Preisänderungsrecht auf konkrete, schwerwiegende Gründe einzuschränken.487 (3) Mir scheint im Grundsatz die unter aaa) genannte Ansicht vorzugswürdig. Anderenfalls würde sich ein Unternehmer besser stellen, der dem Mittler gar keinen Rahmenvertrag und die dadurch gegebene Sicherheit bietet. Wie bei jedem Deckungsgeschäft muss sich der Vertragsschließende vor dem Anschlusssgeschäft darum kümmern, ob er ein profitables Deckungsgeschäft schließen kann. Es darf daher wohl vereinbart werden, dass die jeweils zum Zeitpunkt des Eingangs der Willenserklärung des Käufers ihm mitgeteilte Preisliste gilt (hierdurch und erst Recht durch den Zusatz „die für alle Käufer im Gebiet geltende Preisliste“), wird Willkür ausgeschaltet.488 Für die Zulässigkeit einer solchen Klausel könne z. B. sprechen, wenn die Parteien bei abstrakter Betrachtung im Wesentlichen gleichgerichtete Interessen verträten, was zwischen FN und FG der Fall sein soll.489 Der Interessengegensatz könnte aufgelöst werden, indem Preisänderungsklauseln, bei denen die Gewinnmarge des Unternehmers erhöht werden könnte, die unten genannten, angemessenen Umstellungsfristen regeln müssen. Wurden Listenpreise vereinbart, sollten sie geändert werden können, solange die Interessen des Vertriebsmittlers hinreichend gewahrt sind. Der Hersteller wird, anders als bei der unter aa) genannten Reduzierung der Händlerspanne, schon deshalb bei Preisänderungen zurückhaltend sein, weil seine eigenen Absatzchancen von übermäßigen Preiserhöhungen betroffen sind. Jedoch muss auf der Marktgegenseite dem Händler Planungssicherheit gegeben werden. U. U. hat er Ware bereits verkauft und muss sie nun zu einem unerwartet hohen Preis erwerben. Z. T. werden deshalb als Schutzmechanismus generell an die Fristen des § 89 angelehnte Ankündigungszeiten befürwortet.490 Richtigerweise wird für AGB in Anlehnung an § 309 Nr. 1 BGB (Ausstrahlungswirkung) eine viermonatige Bindungsfrist an die Preise für erforderlich gehalten.491 Zwar trifft § 309 Nr. 1 BGB den vorliegenden Fall nicht, da die Vorschrift nur die Preiserhöhung zwischen Vertragsschluss und Lieferung regelt, nicht jedoch den bei Preisänderungsklauseln meist allein relevanten Fall der Preisänderung zwischen Abschluss des Rahmenvertrages und ihn ausführendes Einzelgeschäft (Kaufvertrag).492 Zudem würde zumindest die im zweiten Hs. enthaltene Ausnahme für Dauerschuldverhältnisse den Rahmenvertrag selbst treffen.493 Bei abstrakt-genereller Betrachtung sind aber Deckungslücken zu befürchten, falls der Hersteller die Preise innerhalb eines kürzeren Zeitraums als vier Monate erhöht, der Händler diese Preiserhöhung aber wegen § 309 Nr. 1 BGB nicht an den Endverbraucher weitergeben darf.

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Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 71. AA Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 72. Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (289) – zum Franchisevertrag. Für eine Listenpreisklausel, derzufolge die bei Abschluss des Einzelgeschäfts jeweils aktuelle Preisliste des Unternehmers maßgeblich sein soll Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 73; BGH NJW 1985, 853 mit dem Argument, dass aufgrund der instabilen Mineralölpreise es kaum möglich sei, die Preise für die vertriebenen Schmiermittel bereits bei Abschluss der langfristigen Bezugsverträge festzusetzen. 489 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466 (zwh.). 490 Gräfe ZVertriebsR 2013, 227. 491 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 129. 492 Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (41). 493 Vgl. Stumpf/Jaletzke/Schultze Der Vertragshändlervertrag/Nagel3 Rn 405; Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (41).

485 486 487 488

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Denn der Händler kann seinen Gewinn wegen des mglw. geänderten Einkaufspreises nicht sicher kalkulieren, sofern er sich gegenüber dem Kunden bindet und erst dann bestellt. Der Unternehmer hat im Rahmen der ihm obliegenden Treupflicht hierauf Rücksicht zu nehmen.494 Dem mag er möglicherweise durch eine Voranfrage beim Hersteller oder einen Vorvertrag mit ihm entgegenwirken. Daher sollte der Viermonatszeitraum im Falle einer in AGB enthaltenen Preisanpassungsklausel als Regelankündigungsfrist angesehen werden, es sei denn, die ordentliche Kündigungsfrist ist kürzer oder der Sachverhalt fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 1 BGB (Änderungsfrist dann wohl ca. 4–8 Wochen). Sollen Preiserhöhungsklauseln auch Preise in bereits abgeschlossenen Kaufverträgen zwischen Hersteller und Händler ergreifen, so kann der Änderungsvorbehalt im Hinblick auf die Bindung des Händlers an § 309 Nr. 1 BGB für die ersten vier Monate nach Vertragsschluss nur vereinbart werden, falls er Waren ausnimmt, welche der Händler im Zeitpunkt der Preisänderung seinerseits schon weiterverkauft hat.495 Jedenfalls darf ein Recht zur angemessenen Änderung der Listenpreise vereinbart werden, wenn der Wert des Produkts verbessert wird (Modellpflege) oder ein neues Produkt eingeführt wird. Schließlich ist das einseitige Recht der Preisanpassung in Rahmenvereinbarungen nach §§ 307, 308 Nr. 4 BGB nur wirksam, wenn es unter Berücksichtigung der Interessen des Vertragshändlers zumutbar ist.496 Schwieriger ist der Fall bei Provisionstabellen zu beurteilen. Hier dürften die o. g. Schwierigkeiten des Unternehmers nicht eintreten, da sie lediglich Provisionssätze nennen und Preiserhöhungen des Unternehmers daher möglich sind. Ich neige daher eher der Auffassung zu, dass sie nicht einfach geändert oder ausgewechselt werden dürfen. Vielfach wird, um dem Mittler möglichst wenig Angriffsfläche zu geben, eine allgemeine 87 und rechtlich unwirksame Preisänderungsklausel eingefügt.497 Der dahinter stehende Gedanke ist, dass eine ins Einzelne gehende Klausel mehr Anlass zur Diskussion innerhalb des Vertriebssystems gibt und Argumente, eine Änderung abzulehnen. Im Zweifel wird der Unternehmer versuchen, gegenüber widerspenstigen Mittlern die Änderung durch eine ordentliche Kündigung durchzusetzen. Dies kann zwar eine Schikanekündigung sein, führt aber oft zum wirtschaftlich gewollten Erfolg.498 cc) Fraglich ist, ob weniger strenge Voraussetzungen gelten, wenn keine Regelungen zur Preis- 88 findung im Rahmenvertrag vereinbart werden. Das ist zumindest diskussionswürdig. Denn gerade langfristige Vertriebsverträge, deren Laufzeit auch den Mittler schützt, könnten anderenfalls kaum vereinbart werden. Das Preisrisiko würde überwiegend dem Unternehmer aufgebürdet. Es darf daher wohl vereinbart werden, dass die jeweils zum Zeitpunkt des Eingangs der Willenserklärung des Käufers ihm mitgeteilte Preisliste gilt (s. o.), s. a. unten, Rn 599 ff. Die Rspr. ist teilweise streng: Es soll formularmäßig nicht festgesetzt werden, dass der Ver- 89 kaufspreis am Tag der Rechnungsstellung gilt.499 Nichtig ist ferner die Klausel, die Vertragsware werde zu dem jeweils zur Zeit der Auslieferung an den Händler geltendem Händlereinkaufspreis in Rechnung gestellt. Hierdurch kann der Hersteller den Gewinn des Händlers einseitig beschneiden, falls jener bereits zu einem festen Preis an seine Kunden verkauft hat. Es könnte auf den Tag der Auftragserteilung des Einzelgeschäfts abgestellt werden.500 Wegen

494 Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (41). 495 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 72; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer AGB-Recht10 Anh. § 310 BGB, Rn 953. Becker in: Metzlaff, Praxishandbuch Franchising, 2003, § 9 Rn 109. Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (289) – zum Franchisevertrag. Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (289) – zum Franchisevertrag. OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2008 – VI U (Kart) 3/08; Niebling WRP 2009, 153 (158). BGH BB 2000, 60 m. Anm. Emde = NJW 2000, 515 = EWiR 2000, 153 (Emde); v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15; NJW 1985, 853 (854); Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (40).

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des einseitigen Änderungsrechts ebenso unwirksam soll die in Vertragshändler-AGB enthaltene Klausel sein: „Für Bestellungen des Händlers gelten die Listenpreise für Vertragsware in ihrer zum Zeitpunkt der Annahme der Bestellung gültigen Fassung. Der Unternehmer ist berechtigt, die Listenpreise für Vertragsware jederzeit neu festzusetzen und wird den Händler von einer Neufestsetzung unverzüglich unterrichten“.501 Dies gilt auch, sofern sich der Unternehmer bereit erklärt, dem Vertragshändler die Preisdifferenz zu erstatten, falls jener wegen eigener wirtschaftlicher Bindungen nicht in der Lage ist, den erhöhten Preis an den Endabnehmer weiterzugeben und selbst, wenn der Unternehmer lediglich Importeur und nicht Hersteller ist.502 Denn der Unternehmer könnte einen Vorbehalt des Inhalts aufnehmen, dass die Preiserhöhung nur eintritt, falls sich der Importeur erhöhten Kaufpreisen ausgesetzt sieht. Letztlich werden sich die Voraussetzungen an die Änderungen von Listenpreisen zunehmend reduzieren, je weniger der Mittler in das Vertriebssystem des Unternehmers eingebunden ist. Muss er zum Beispiel keine Kosten für Investitionen tätigen, so nähert sich der Vertrag immer mehr einer bloßen Käufer-Verkäuferbeziehung an, in der die Preise jederzeit erhöht werden können. Nur durch die Einbindung und durch die Investitionen rechtfertigen sich überhaupt Einschränkungen der Vertragsfreiheit zu Lasten des Unternehmers. Lässt der Unternehmer den Händler weitgehend frei agieren, so wird er eher auf jeweils gültige Listenpreise oder jedenfalls auf Listenpreise verweisen können, die mit einer kurzen Ankündigungsfrist geändert werden. dd) Bei Kostenpositionen gelten generell die o. g. Ankündigungsfristen. Ausnahmsweise dürfen sie mit einer verkürzten Umstellungsfrist geändert werden. Jedenfalls darf ein Recht zur Änderung der Listenpreise bei Existenz schwerwiegender Änderungsgründe vereinbart werden, etwa plötzlicher Preiserhöhungen des Vorlieferanten, der Vorprodukte und für Rohstoffe503 sowie in Fällen des WGG.504 Daneben hat die Klausel auch hier dem Transparenzgebot zu genügen;505 die kostenbildenden Faktoren sind hinreichend transparent zu benennen.506 Der Vertragspartner muss erkennen, in welchem Umfang Preiserhöhungen auf ihn zukommen und er muss die Berechtigung der Preiserhöhungen in etwa überprüfen können.507 Mglw. wird man auch eine Klausel zur korrespondierenden Preissenkungspflicht wie bei Zinsanpassungsklauseln fordern müssen.508 ee) Bei Änderungen des Vertragsgebietes eines Vertragshändlers ist bedeutend, ob ihm ein Alleinvertriebsrecht zustand: Wurde dem Händler lediglich ein bestimmtes Gebiet ohne Zusicherung des Alleinvertriebs übertragen, so ist es mit § 307 Abs. 1 BGB vereinbar, wenn der vom Hersteller vorformulierte Vertrag auch ohne besondere Änderungsgründe dem Hersteller das Recht einräumt, einen weiteren Händler einzusetzen.509 Wurde der Vertragshändler hingegen zur alleinigen Betreuung des Vertragsgebietes berufen, so ist die Änderungsbefugnis des Herstellers nur dann mit § 307 Abs. 1 BGB vereinbar, wenn sie erhebliche Gründe voraussetzt und dem Vertragshändler eine angemessene Übergangszeit sowie einen angemessenen Ausgleich einräumt.510 Eine bloße Anknüpfung des Änderungsrechts an die „Sicherung des Marktanteils“ ist nicht ausreichend, auch dann nicht, sofern die Klausel dahin lautet, dass eine angemessene Berücksichtigung der Interessen des Vertragshändlers vorgenommen wird.511 Auch könnte für 501 OLG Bremen, Urt. v. 5.10.2006- 2 U 47/06, OLGR 2007, 1 im Anschluss an BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR12/04, BGHZ 164, 11: aA OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466. 502 OLG Bremen, Urt. v. 5.10.2006- 2 U 47/06, OLGR 2007, 1. 503 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 131. 504 Habersack/Ulmer S. 37. 505 Borges ZIP 2007, 1438. 506 Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (41). 507 BGHZ 94, 335 (340); BGH NJW 1986, 3136; Borges ZIP 2007, 1438. 508 Borges ZIP 2007, 1440; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 9 – Provisionen. 509 BGH BB 1985, 218 – Opel. 510 BGH NJW-RR 2005, 1496 (1500) – Honda; NJW 2000, 515 (521) – Kawasaki; BB 1984, 233- Ford; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 67. 511 BGH BB 1988, 2101 (2205) – Peugeot. Emde

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die Unzulässigkeit die zwingende Natur der Kündigungsfristen des § 89, bei Gewährung einer an § 89 angelehnten Umstellungsfrist das Verbot der Teilkündigung, zudem die zwingende Natur des § 89a angeführt werden. Unzulässig ist ferner der Vorbehalt der einseitigen Änderung des Vertreterbezirks bzw. des Kundenstamms durch den Unternehmer.512 Der Vertreterbezirk ist nicht nur wegen der Bezirksvertreterprovision des § 87 Abs. 2 ein wesentliches Vertragsrecht, welches einseitig nicht geändert werden darf. ff) Problematisch ist auch der Vorbehalt der Änderung der CI.513 Ein jederzeitiges Änderungsrecht ist wohl unzulässig.514 Nicht zu verkennen ist jedoch, dass der Unternehmer an solchen Änderungen ein berechtigtes Interesse haben mag, etwa wenn er seinen Markenauftritt ändert. Man wird hinreichend präzise definierte Voraussetzungen fordern müssen (Transparenz), die das Regel-Ausnahme-Verhältnis wahren und eine gewisse Eingriffschwere als Voraussetzung des Änderungsrechtes definieren. Die Leistungsfähigkeit der Mittler darf nicht überschritten werden.515 U. U. ist auch eine Kostenbeteiligung des Unternehmers zu fordern. gg) Was für das Preisänderungsrecht gilt, gilt entsprechend für Änderungen des Sortiments. Änderungen des Sortiments des Unternehmers unterfallen grunds. der unternehmerischen Dispositionsfreiheit516 (zur unternehmerischen Dispositionsfreiheit s. Kommentierung zu § 86a). Bei der Festlegung des Sortiments handelt es sich um eine kontrollfreie Leistungsbeschreibung,517 nicht aber bei dem Änderungsvorbehalt als solchem. Änderungen dürfen sich jedenfalls nicht als völlige Abkehr von dem im Vertriebsvertrag festgelegten Geschäftskonzept darstellen. Die Veränderung muss stets eine sinnvolle, marktgerechte Ergänzung oder Erneuerung des bisherigen Warensortiments bilden. Außerdem können Ankündigungs- bzw. Übergangsfristen zumindest bei größerer Sortimentsbereinigung geboten sein.518 Sie sind wohl in Anlehnung an die zum Preisänderungsrecht benannten Fristen zu bilden. Hinsichtlich der Änderungen des Sortiments soll es falsch sein, solche Änderungen nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zuzulassen.519 hh) Kroll520 schlägt für das Franchiserecht in Bezug auf das Sortiment- und Preisliste folgende Klausel vor: „Das jeweils aktuelle Warensortiment wird vom FG festgelegt. Die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Franchise-Vertrages geltende Sortimentsliste ist als Anlage beigefügt. Der FG bestimmt die Sortimentspolitik in Ausübung seiner Verantwortung für die Einhaltung und Verbesserung der Markttauglichkeit des Franchise-Konzepts. Eine grundliegende Veränderung des Sortiments, die zur einer erheblichen Veränderung des Charakters des Franchise-Systems führen würde, ist unzulässig. Im Übrigen sind geplante Änderungen der Sortimentsliste so früh wie möglich, mindestens mit einer Frist von 14 Tagen, anzukündigen. Die Preise für die vom FN zu beziehenden Waren ergeben sich aus der als Anlage beigefügten Preisliste. Mit einer Ankündigungsfrist von 3 Monaten dürfen die Preise angehoben werden, wenn insoweit die Kosten für Produktion, Logistik oder die sonstigen Einstandskosten gestiegen sind. Die Preissteigerung darf maximal 5 % des zuvor gültigen Preises pro Artikel ausmachen. Nach einer wirksamen Preisanhebung ist eine weitere Preisanhebung für die betroffenen Artikel für 6 Monate ausgeschlossen. Für nachträglich neu in diese Sortimentsliste aufgenommene Artikel erfolgt die erstmalige Preisbestimmung nach billigem Ermessen des FG (§ 315 BGB).“

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AA Staub/Brüggemann4 § 85 Rn 5. Hierzu Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (83). Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (83). Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (83). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (288) – zum Franchisevertrag. Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (288) – zum Franchisevertrag. Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (289) – zum Franchisevertrag. Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (289) – zum Franchisevertrag. ZVertriebsR 2016, 284 (289 f.). Emde

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ii) Eine Ausnahme vom Verbot einseitiger Leistungsänderungen sollte nach der früheren Rspr des BGH für freiwillige Nebenleistungen des Unternehmers gelten, also solchen, die nicht im Synallagma zu Vertriebsbemühungen des Mittlers stehen und zusätzlich zu dem im Vertrag Versprochenen für Nebenleistungen gewährt werden.521 Die bloße Freiwilligkeit der Gewährung ist jedoch ein schlechter Maßstab. Dies scheint nun auch die Auffassung des BGH zu sein. Denn in BGH, Urt. v. 5.11.2015 – VII ZR 59/14522 entschied er, soweit der Entscheidung BGH v. 12.1.1994523 der Grundsatz entnommen werden könnte, dass dem Unternehmer ein freies Gestaltungsrecht für von ihm gewährte zusätzliche Leistungen insoweit zukomme, als er die Zahlung einer Zusatzleistung vom Bestehen eines ungekündigten Vertragsverhältnisses abhängig machen dürfe, halte der BGH daran nicht fest. Habe der Unternehmer in AGB einen Anspruch des HV auf Gewährung einer Sonderleistung begründet, könne seine spätere einseitige Erklärung, auf die Leistung bestehe kein Rechtsanspruch, das Leistungsversprechen nicht beseitigen. Im Ergebnis wird jede vertragliche Leistung freiwillig gewährt (sonst § 123 BGB). Die Auslagerung von Hauptleistungen,524 etwa der Marge, in „freiwillige Leistungen“ ist folglich unzulässig. jj) Die vorgenannten Anforderungen treffen jedes vertragliche Leistungsversprechen, unabhängig von seiner Benennung und seiner objektiven Rechtsnatur. Würde man dies gegenteilig sehen, wäre eine strukturelle Verschiebung in den Kalkulationsgrundlagen sowie im Gewicht der gewährten Vergütungsbestandteile zu befürchten, die mglw. einen Umgehungstatbestand im Sinne des § 306a BGB begründen würden.525 Die Möglichkeit einer Änderungskündigung bleibt unberührt.526 Aufwendungsersatz: § 87d bestimmt das gesetzliche Leitbild. Durch AGB darf ein Verwender nicht ohne guten Grund von dessen Regelungsgehalt abweichen.527 Eine vom HV vorgegebene Klausel, durch die der Unternehmer zum Ersatz sämtlicher vom HV im Rahmen seines regelmäßigen Geschäftsbetriebs getroffener Aufwendungen verpflichtet werden soll, soll unwirksam und nicht durchsetzbar sein.528 Ausbildung: Entgelt für die Ausbildung des Mittlers, wenn ihr keine Gegenleistung gegenübersteht.529 Das ergibt sich bereits aus § 138 BGB. Ausgleichsanspruch: Der Ausgleichsanspruch ist auch bei einem Vertragshändler ein wesentliches, sich aus dem Vertrag ergebendes Recht. Sein Ausschluss benachteiligt ihn daher regelmäßig unangemessen.530 Unwirksam sind im Ausgleichsrecht insbesondere: • Anrechnungsklauseln, nach denen „in Höhe des Barwerts der Altersversorgung kein Ausgleichsanspruch gemäß § 89b entsteht“.531 Die Klausel verstößt gegen § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 4 i. V. m. § 307 BGB und ist daher unwirksam. Sie schreibt den Abzug des Anwartschaftsbarwerts einer Altersversorgung bindend und ohne Berücksichti-

521 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 (1063) = BGHZ 124, 351 Rn 68 – Daihatsu unter Hinweis auf BGHZ 104, 82 (86); 104; 78; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.8.2019 – 10 U 214/18, ZVertriebsR 2020, 90 (91/92); Flohr/ Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 68; Habersack/Ulmer S. 35. 522 WM 2015, 2315 = BB 2016, 18 m. Anm. Thies. 523 VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 = BGHZ 124, 351 Rn 68 – Daihatsu. 524 Habersack/Ulmer S. 35. 525 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 124 f. 526 Habersack/Ulmer S. 37. 527 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87d Rn 23; Ebenroth/Löwisch/Hakenberg3 § 87d Rn 15. 528 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87d Rn 23. 529 OLG Hamm NJW-RR 1990, 567; LG Mönchengladbach NJW-RR 1991, 1207. 530 BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623 (630). 531 BGH, Urt. v. 20.11.2002 – VIII ZR 211/01, DB 2003, 144 = MDR 2003, 277 = WM 2003, 691 = EWiR 2003, 231 (Emde) = VersR 2003, 368; v. 20.11.2002 – VIII ZR 146/01, ZIP 2003, 264 = MDR 2003, 278 = WM 2003, 687 = EWiR 2003, 229 (Küstner) = VersR 2003, 323; OLG München, Urt. v. 5.8.2009 – 7 U 2055/09, VersR 2010, 209 (210); v. 10.3.2003 – 29 U 2509/02, NJW-RR 2003, 1286 = VersR 2003, 368; zusf. Graf v. Westphalen NJW 2003, 1988. Emde

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gung von Einzelfallmomenten vor. Eine differenzierende, jedoch von § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 als zwingendem Recht angeordnete Billigkeitsabwägung ist damit ausgeschlossen. Jedoch wird im Einzelfall ein Abzug des Anwartschaftsbarwerts der Altersversorgung vom Ausgleich unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit nicht beanstandet.532 Im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung kann z. B. eine lange zeitliche Differenz zwischen Vertragsbeendigung und Fälligkeit des Versorgungsanspruches die Anrechnung verbieten. Die Klausel weicht auch insoweit vom Gesetz ab, als die von § 89b Abs. 1 Nr. 3 vorgeschriebene Billigkeitsprüfung den Ausgleich nicht reduziert, wenn der errechnete Rohausgleich oberhalb der Ausgleichshöchstgrenze valutiert. Billigkeitskriterien beschneiden lediglich den Rohausgleich. Die Klausel schreibt den Abzug jedoch nicht vom Rohausgleich sondern vom tatsächlich zu zahlenden und durch die Höchstgrenze bereits begrenzten Ausgleich vor. • Eine Formulierung in einer solchen Anrechnungsklausel, „diese Regelung beruht auf der Rechtsprechung des BGH“ verstößt gegen das Transparenzgebot, wenn die Klausel tatsächlich nicht dieser Rechtsprechung entspricht.533 • Ausschluss des Ausgleichs in einem Franchisevertrag: Da die analoge Anwendung des § 89b in Fällen des Subordinationsfranchising unzweifelhaft sei, liege eine unangemessene Benachteiligung vor.534 • Die Vereinbarung eines festen verwaltenden Vergütungsbestandteils der Provisionen (mit dem Ziel, den für die Ausgleichsberechnung maßgeblichen werbenden Teil zu reduzieren),535 insb. die Klausel, „Die Parteien sind sich darüber einig, dass 1 % des inkassierten Betrages, höchstens jedoch 50 % der vereinbarten Provisionen, für die Übernahme der vermittlungsfremden Leistungen und des Risikos der Durchführung des Inkasso gezahlt werden.“.536 Die Unwirksamkeit ergibt sich daraus, dass ein bestimmter Betrag der verwaltenden Provision zugerechnet wird und damit nicht dem Ausgleichsanspruch unterliegen soll.537 • Ein von ESSO als Ersatz für den durch die Einstufung als Handelsvertreter im Nebenberuf entfallenden Ausgleichsanspruch gezahltes Überleitungsgeld darf nicht aufgrund einer AGB-Klausel zurückgefordert werden, nach der jede Kündigung von Seiten des HV – mit Ausnahme der Kündigung aus Altersgründen – das Rückforderungsrecht auslöst. Eine solche Regelung widerspricht dem Derogationsverbot des § 89b Abs. 4. Die Ausschlussgründe des § 89b Abs. 3 werden unzulässig erweitert.538 Austrittsgebühr: Siehe Eintrittsvereinbarung. Auswechslung des Vertragspartners: Auch in einem Franchisesystem hat der Unternehmer regelmäßig kein berechtigtes Interesse daran, einen anderen Vertragspartner an seiner Stelle einzusetzen.539 Eine dies gestattende Klausel kann nur zulässig sein, wenn eine Umgestaltung konkret geplant ist und der neue Vertragspartner individualisierbar benannt wird. Der Franchisenehmer braucht sich keinen ihm unbekannten und möglicherweise insolventen Vertragspartner aufdrängen zu lassen.

532 Vorgenannte Rspr. a. a. O.; so bereits Küstner VersR 2001, 58. 533 BGH, Urt. v. 20.11.2002 – VIII ZR 146/01, ZIP 2003, 264 = MDR 2003, 278 = WM 2003, 687 = EWiR 2003, 229 (Küstner) = VersR 2003, 323. 534 OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, BB 2002, 2521 = DB 2002, 2433; Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (83). 535 BGH, Urt. v. 19.1.2011 – VIII ZR 168/09; BeckRS 2011, 03879 Rn 13 (Tankstellen-HV); v. 21.4.2010 – VIII ZR 108/ 09, BB 2010, 1685 = DB 2010, 1343 Rn 15 – Tankstellen-HV. 536 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06 – Tankstellen-HV. 537 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06 – Tankstellen-HV. 538 OLG Hamburg, Urt. v. 30.3.2006 – 10 U 16/05. 539 AA Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 360. 55

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Belieferungspflicht: Eine Klausel, die die Belieferungspflicht des Unternehmers gegenüber einem Vertragshändler oder FN ohne sachliche Gründe einschränkt, ist unwirksam.540 Die Verpflichtung des Unternehmers zur jederzeitigen Belieferung des Eigenhändlers kann nach den Umständen des Einzelfalls unwirksam sein, da damit allein der Unternehmer das Risiko trägt, produktions- und lieferbereit zu sein.541 Die bedenkliche Klausel kann aber durch andere Klauseln innerhalb des Vertragswerkes kompensiert werden und eine angemessene Risikoverteilung begründen, etwa bei Regelung von Kapazitätsgrenzen und einem Verweigerungsrecht des Unternehmers bei bestimmten Gründen.542 Belieferungsrecht: Wird vereinbart, der Unternehmer dürfe einen Vertragshändler auch ohne Bestellung beliefern, widerspricht dies den §§ 145 ff. BGB und ist unwirksam, und zwar nicht erst dann, wenn ein korrespondierendes Rückgaberecht nicht vereinbart wurde.543 Außerdem wird die Selbstständigkeit des Händlers beeinträchtigt. Berichtspflicht: Ihre Ausgestaltung und Erweiterung, sofern der HV keine hochwertigen Produkte, sondern preiswerte Massenartikel vertreibt.544 Auch bei Massenartikeln dürfte jedoch das Informationsbedürfnis des Unternehmers wegen des wirtschaftlichen Risikos der großen Zahl und der Produkthaftungsgefahren erheblich sein. Bestimmungsrechte, einseitige: Siehe Änderungsvorbehalte. Betretungsrecht: die Klausel, jederzeit das Grundstück sowie alle Räumlichkeiten des HV betreten und prüfen zu dürfen.545 Das Betretungsrecht könnte jederzeit, also im Extremfall auch in der Nacht und ohne besonderen Anlass, eingefordert werden.546 Betriebspflicht: Vereinbarung einer automatischen Beendigung des Vertrages, wenn ein Franchisenehmer den Betrieb nicht innerhalb einer bestimmten Frist eröffnet oder keinen wirtschaftlichen Erfolg hat.547 Die Unwirksamkeit der Klausel begründet sich vor allem aus dem vorgesehenen Automatismus.548 Zulässig dürfte jedoch die Vereinbarung eines Eröffnungsdatums sein. Der Unternehmer darf bei Verfehlung dann ggf. außerordentlich kündigen. Bezugsbindungen: wenn sie Querlieferungen kartellrechtswidrig beeinträchtigen. Nach aA sind sie nicht zu beanstanden, falls sie etwa in einem Franchisesystem dazu dienen, die charakteristischen Qualitätsanforderungen des jeweiligen Systems und der ihm zugrunde liegenden Geschäftsidee zu sichern.549 So soll eine Klausel, derzufolge in einem Franchisevertrag nur zertifizierte Lieferanten als Lieferanten vorgesehen werden können, nicht entgegen Art. 4 lit. d GVO 330/10 unzulässig Querlieferungen unter den einzelnen FN untersagen. Dies ergebe jedenfalls eine kundenfreundliche Auslegung.550 Eine Unwirksamkeit nach § 307 BGB tritt ein, wenn Waren nicht genutzt werden dürfen, die in keiner Konkurrenz zu den Vertragsprodukten stehen und das Marken-, System- und Qualitätsbild des Franchisesystems nicht zu gefährden geeignet sind.551

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Rothermel/Dahmen IHR 2017, 45 (50). Rothermel/Dahmen IHR 2017, 45 (50); Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (40). Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (40). Für die Unwirksamkeit nur in diesem Fall Giesler/Vogels2 § 3 Rn 232; die Klausel halten Stumpf/Jaletzke/ Schultze, Rn 256 für wirksam. 544 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 48. 545 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. 546 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. 547 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 379. 548 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 379. 549 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2013 – VI-U (Kart) 1/13, BeckRS 2014, 12436 – Subway; Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466; OLG Schleswig, Urt. v. 26.9.2013 – 16 U (Kart) 50/13, BeckRS 2013, 21955 – Subway; LG Düsseldorf, Urt. v. 21.11.2013 – 14c O 129/12U, BeckRS 2014, 10383; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 342. 550 LG Kiel, Urt. v. 18.1.2013 – 14 O 63/11.Kart, BeckRS 2014, 13988. 551 LG Düsseldorf, Urt. v. 21.11.2013 – 14c O 129/12U, WuW DE-R 4417 = BeckRS 2014, 10383 (Putzmittel bei Restaurant-Franchise); Giesler/Giesler/Kroll 1 § 4 Rn 243. Emde

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Bildmarke, Verbot der Nutzung: BMW-Werkstätten dürfen trotz einer entgegenstehenden Regelung in den Werkstattverträgen die Bildmarke „BMW“ für den Verkauf von Gebraucht-Kfz nutzen. Sollte sich das Verbot der Nutzung auch auf deren Verkauf erstrecken, wäre es gem. § 307 BGB nichtig, entschied das OLG München552 im Anschluss an den BGH553 und den EuGH.554 Boni und Rabatte: Sofern sich der Händler Boni und Rabatte durch den vorangegangenen Einkauf von Vertragsprodukten bei dem Unternehmer verdient hat, ist der Ausschluss dieser Ansprüche in AGB unzulässig.555 „Change of Control“-Klausel: Sie berechtigt nur zur außerordentlichen Kündigung, sofern die Änderung des Gesellschafterbestandes die Interessen des Kündigenden schwer berührt.556 Als AGB darf sie nur vorsehen, dass der Gesellschafterwechsel bei einer schwerwiegenden Verletzung der Interessen des Kündigenden zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.557 Das Gleiche gilt dann für eine auflösende Bedingung. Möglich ist eine Generalklausel oder die konkrete Bestimmung, welche Änderungen die Interessen schwerwiegend berühren, ebenso die Kombination beider Gestaltungsmöglichkeiten.558 Eine Generalklausel steht eher unter Unwirksamkeitsverdacht, und zwar wegen ihrer mangelnden Konkretisierung.559 In Individualverträgen dürfte grds. nichts anderes gelten, da § 89a HGB, § 314 BGB zwingend sind;560 Direkt- oder Eigengeschäfte; Vorbehalt solcher Geschäfte des Herstellers: Der uneingeschränkte Vorbehalt von Eigengeschäften des Herstellers in einem Händlervertrag ist nur in Ausnahmefällen, etwa bei Existenz eines dem Mittler zugesicherten Alleinvertriebsrecht oder alternativ dessen erheblicher Eingliederung in die Vertriebsorganisation des Unternehmers und Abhängigkeit von seinen Weisungen und Entscheidungen,561 gem. § 307 BGB unzulässig.562 Unzulässig ist ein derartiger AGB-Vorbehalt auch, sofern sich dem Vertrag auf andere Weise ein Wettbewerbsverbot des Unternehmers entnehmen lässt (§ 86a Rn 35 ff.). Soll die Klausel wirksam sein, dürfen dem Unternehmer in solchen Fällen Eigengeschäfte nur begrenzt gestattet werden (etwa beschränkt auf Großkunden oder Altkunden)563 und dem Mittler muss ein angemessener Ausgleich für die entgangenen Geschäfte gewährt werden (§ 86a Rn 35 ff.). Für den Ausgleich maßgeblich ist der entgehende Gewinn.564 Nach Ansicht von Ensthaler/Gesmann-Nuissl hat die Vertragsklausel Höhe und Berechnungsgrundlagen der Kompensation zu regeln.565 Die Gründe für eine Eigenbelieferung müssen angeblich erheblich sein.566 Außerdem

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Urt. v. 6.4.2006 – 29 U 5193/05. BGH GRUR 2003, 340 (342) – Mitsubishi; BGH GRUR 2003, 878 (879) – Audi. EuZW 1999, 244 (247) Tz. 47 – 54 – BMW. BGH NJW 1994, 1060 (1063 ff.) – Daihatsu; Küstner/Thume/Thume III Kap. II Rn 26; Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 77. 556 Mesch ZVertriebsR 2015, 8 (14); BGH NJW 1985, 623 (624 ff.). 557 BGH NJW 1985, 623 (624 ff.); Mesch ZVertriebsR 2015, 8 (14). 558 Mesch ZVertriebsR 2015, 8 (14). 559 Mesch ZVertriebsR 2015, 8 (14). 560 AA Mesch ZVertriebsR 2015, 8 (14), der Grenzen nur durch § 138 BGB sowie die §§ 19, 20 GWB gezogen sieht. 561 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 562 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 – Daihatsu; s. aber BGH, Urt. v. 4.3.2008 – KZR 36/05, WRP 2008, 1376, 1379 = WM 2008, 1894 = WuW 2008, 1087 (DE-R 2363) Rn 39 f.; Emde VersR 2012, 536 (546); Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2003, 533 (535 f.). 563 Siehe Emde VersR 2012, 536 (546); Giesler/Vogels2 § 3 Rn 276 f. – Vertragshändler. 564 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15; Gräfe ZVertriebsR 2013, 227. 565 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2006, 2589 (2590); aA wohl BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15; Gräfe ZVertriebsR 2013, 227. 566 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2006, 2589 (2590). 57

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wird vertreten, dass die Klausel eine angemessene Ankündigungsfrist für die Direktbelieferung vorzusehen hat (fraglich567), wobei die Orientierung an den Kündigungsfristen des § 89568 wohl prohibitiv wirken und Direktgeschäfte ausschließen würde. Nach Ansicht von Niebling569 kommt der Vorbehalt von Direktgeschäften nur in HV-Verträgen in Betracht und sei im Kfz-Bereich unzulässig. Generell darf die Klausel keinen Dispens vom Wettbewerbsverbot in Fällen vorschreiben, in welchen nach den von Rspr. und Literatur entwickelten Fällen ein Konkurrenzverbot des Unternehmers besteht. Da es kaum möglich ist, alle jene Fälle aus dem Anwendungsbereich der Klausel zu nehmen, ist eine solche Klausel schwierig zu fassen. Außerdem darf sie, um eine Überraschung zu vermeiden, nicht versteckt werden und muss hinreichend transparent gefasst werden. Einsatz weiterer Händler im Vertragsgebiet nach Marktlage und Kundendienstbelangen: Ein dem einzelnen Händler zugesichertes Marktgebiet gehört zum wesentlichen Kern des Händlervertrages. Ein rechtmäßiger einseitiger Änderungsvorbehalt des Herstellers würde voraussetzen, dass die Änderung des Vertriebssystems die Belange des Händlers in angemessener Weise berücksichtigt.570 Einseitige Leistungsbestimmungsrechte des Unternehmers: s. Änderungsvorbehalte. Einsichtsrechte in die Bilanz und Buchführung des Mittlers dürfen nicht ausgeübt werden, falls keine objektiven Anhaltspunkte vorliegen, welche die Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen in Folge finanzieller Unsicherheit oder Unregelmäßigkeiten nahe legen.571 Diese objektiven Anhaltspunkte müssen zwecks Vermeidung der Unwirksamkeit in der Klausel transparent aufgeführt werden. Einstandsvereinbarung: die Klausel „Auf der Basis der in der Zeit zwischen dem … und dem … mit den Kunden der oben genannten Station erzielten Absatzmengen (Anhang zu dieser Anlage) legen die Parteien das Entgelt für die Übertragung des Kundenstammes mit … fest.“.572 Einem Pächter, der zuvor noch keine Tankstelle betrieben hat, ist eine Beurteilung der Zahlen nicht möglich.573 Außerdem liegt eine Umgehung des § 89b Abs. 4 S. 1 vor.574 Eine Eintrittsvereinbarung, die gem. § 89b Abs. 3 Nr. 3 zum Ausgleichsausschluss führt, soll nur individualvertraglich zulässig sein.575 Weitere Voraussetzung: ihr muss eine Gegenleistung gegenüberstehen.576 Die Pflicht zur Zahlung des Eintrittsgeldes nach Kündigung, ohne Differenzierung nach Kündigungsgrund und Vertragslaufzeit, ist ebenfalls unwirksam.577 Eintrittsgebühr, Rückzahlung: Der Ausschluss der Rückzahlung der Eintrittsgebühr eines FN für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Franchisevertrages ohne Rücksicht auf die Vertragsdauer und den Beendigungsgrund.578 Einzahlung auf das Agenturkonto: Die Klausel „Kommt HV der Verpflichtung zur täglichen Einzahlung nicht nach, so ist … berechtigt, die Verkaufseinrichtung für das Agenturgeschäft zu sperren, es sei denn, es handelt sich um einen unverschuldeten Ausnahmefall.“. Hier ist gerade vor dem Hintergrund, dass der HV Sicherheiten gestellt hat, eine vorherige Abmahnung erforderlich.579

S. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87 Rn 151. Gräfe ZVertriebsR 2013, 227. Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (83) – sehr zweifelhaft. LG Düsseldorf, Urt. v. 20.2.1991 – 12 O 284/90. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 190. Ein solcher Ausnahmefall lag der Entscheidung OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.11.1961 – 6 U 71/60, NJW 1962, 870 zugrunde. 572 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. 573 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. 574 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. 575 Ebenroth/Löwisch3 § 89b Rn 68. 576 OLG Hamm NJW-RR 1990, 567; LG Mönchengladbach NJW-RR 1991, 1207; Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 116. 577 Zum Franchiserecht: Giesler/Nauschütt, § 9 Rn 95. 578 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 391. 579 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06 – Tankstellen-HV.

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Erfolgshaftung des HV: Eine Erfolgshaftung des HV für Erfolg und Erfüllung eines Geschäftes durch den Kunden oder seine Vermittlung, auch falls der Unternehmer Forderungen gegen Kunden in ein für Forderungen von HV und Unternehmer zu führendes Kontokorrent einstellen.580 Die Unwirksamkeit dürfte jedoch bei der klassischen Delkrederehaftung nicht eintreten, weil sie dem gesetzlichen Leitbild entspricht. Ersatzteile: Die Klausel, nicht vom Kfz-Hersteller stammende Ersatzteile dürfe der Händler nicht verwenden, solange sie nicht den Qualitätsstandard der Herstellerteile erreichten, wobei bis zum Beweis des Gegenteils durch den Händler die Vermutung bestehe, dieser Standard werde verfehlt: Der Händler könne kaum nachweisen, dass Identteile denselben Standard besäßen wie Originalteile. Die Klausel sei wegen Intransparenz unwirksam: Ihr könne nicht entnommen werden, dass jene Bestätigung des Produzenten für den Nachweis genüge. Es könne offen bleiben, ob die Klausel für sog. Nachbauteile zulässig sei. Für Identteile bleibe sie unzulässig, was zur Gesamtnichtigkeit führe.581 Ersatzfahrzeuge: Eine uneingeschränkte Vorhaltepflicht von Ersatzfahrzeugen ist auch unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt einer interessengerechten Wahrnehmung der Händlerbelange überzogen und bildet eine unangemessene Benachteiligung, da dem Reparaturkunden auch ein Vorführwagen zur Verfügung gestellt werden könnte. Außerdem war die verwendete Formulierung „angemessene Anzahl“ zu unbestimmt und verstieß gegen das Transparenzgebot.582 Angeblich eine feste Vergütung statt Provision,583 und zwar wegen des Leitbildes des § 87. Finanzierung: die in einem Kfz-Händlervertrag enthaltene Regelung, alle vom Hersteller gekauften Fahrzeuge seien über eine konzerneigene Bank zu finanzieren.584 Fixkosten: Eine erheblich ins Gewicht fallende Belastung des Mittlers mit Fixkosten,585 die an den Unternehmer zu zahlen ist, etwa für Werbeunterlagen.586 Franchiserichtlinien: Beachtung der jeweils als verbindlich bezeichneten Franchiserichtlinien, weil hierdurch eine dem Direktionsrecht des Arbeitgebers vergleichbare Abhängigkeit geschaffen werden soll587 (zwh.). Unter Umständen liegt ein unzulässiger einseitiger Änderungsvorbehalt vor. Freistellung: Im Arbeitsrecht wird überwiegend die Unzulässigkeit der Freistellungsklauseln vertreten, in Vorstandsverträgen soll sie zulässig sein.588 Wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses im HV-Recht, das die Möglichkeit der Freistellung bei Entfallen geben muss, dürfte sie bei voller finanzieller Kompensation wohl eher zulässig sein,589 es sei denn, seine Tätigkeit ist für den HV bei abstrakt-genereller Betrachtung von besonderer Bedeutung, etwa um den Verlust von Kundenbindungen auszuschließen, was ggf. eine Frage des Ausübungsermessens sein kann. Unzulässig ist die Freistellung ohne Entschädigung590 (Rechtsgedanke der § 90a, § 249 BGB, Umgehung der Kündigungsfristen). Nach einer Ansicht soll die Klausel nur wirksam sein, falls sie eine Entschädigungsregelung

580 OLG Düsseldorf OLGR 1994, 281; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 581 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus, NJW 2006, 15. Die Entsch. dürfte trotz ihrer teilweise aus der Alt-GVO 1400/02 hergeleiteten Begründung nach wie vor zutreffend sein. 582 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.3.2004 – 1 U 31/03. 583 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 77; sehr zweifelhaft, da kontrollfreie Hauptleistung. 584 Graf v. Westphalen BB 1999, 1519 (1520). 585 Roth BB 2010, 2000 (2004). 586 Roth BB 2010, 2000 (2004) – aber Werbeunterlagen sind ohnehin nach § 86a Abs. 1, 3 zwingend kostenlos bereitzustellen. 587 OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, BB 2002, 2521. 588 Vgl. Bauer/Arnold ZIP 2006, 2337 (2341). 589 Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 42. 590 Rothermel/Dahmen IHR 2017, 45 (52). 59

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enthält.591 Unwirksam soll sie auch sein, wenn dem Unternehmer gestattet wird, eine gegen Bezahlung erfolgte Freistellung des HV jederzeit zu widerrufen.592 Die einseitig eingeräumte Möglichkeit des „sich Umentscheidens“ setze den HV einer unerträglichen Lage aus (im Falle des OLG Celle wurde die Unwirksamkeit in Verbindung mit zu langer Kündigungsfrist bejaht). Garantie-/Gewährleistungsvergütung: Für Garantiearbeiten, die dem Unternehmer obliegen, weil jener eine Garantiezusage gegeben hat, erhält der Vertragshändler Aufwendungsanspruch aus GoA einschließlich eines angemessenen kalkulatorischen Gewinns.593 Durch die Verkaufsmarge werden solche Tätigkeiten nicht abgegolten; sie entlohnt nur den Verkauf eines fehlerfreien Produktes.594 Bei einem Geschäftsbesorgungsvertrag muss der Geschäftsbesorger die vereinbarte oder eine übliche (§§ 612, 632 BGB) Vergütung erlangen, die den Gewinn einschließt.595 Auftragsrecht wird über § 675 BGB nur „entsprechend“ angewandt, so dass ein fehlender Anspruch auf Gewinn des von vergütungsfreier Tätigkeit ausgehenden Auftragsrechts im Vertragshändlerrecht596 kein Leitbild geben kann597 (s. auch § 1835 Abs. 3 BGB). Zudem resultiert ein Regressanspruch aus der zwischen den wechselseitigen Treupflichten,598 wenn der Mangel vom Hersteller zu vertreten ist; hilfsweise – bei entsprechendem Vertrag – aus §§ 612, 632 Abs. 2 BGB599 und ergänzender Vertragsauslegung, weil der Unternehmer nicht erwarten kann, dass der Vertragshändler gewinnbringende Tätigkeiten zu Gunsten nicht gewinnbringender Garantie-/Gewährleistungsarbeiten ohne Vergütung vernachlässigt (§ 354 HGB). Schließlich besitzt der Händler eigene Sachmängelrechte im Gewährleistungsfall600 und ggf. einen Regressanspruch nach §§ 445 a, b BGB.601 In AGB darf der Anspruch des Vertragshändlers nicht auf eine Kostenpauschale ohne kalkulatorischen Gewinn beschränkt werden.602 Das Garantierisiko liegt in der Sphäre des Garantiegebers, so dass dieser die daraus resultierenden Aufwendungen zu tragen hat.603 Unwirksam ist deshalb die Klausel, für seine im Rahmen von Garantiearbeiten erbrachten Leistungen erhalte der Händler Aufwendungsersatz nach Maßgabe einheitlicher Berechnungsgrundlagen, welche der Hersteller unter Berücksichtigung des für die jeweilige Garantieleistung technisch notwendigen Arbeitsaufwandes und der betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten bei dem Durchschnitt der hinsichtlich ihrer Betriebsgröße und Kostenstruktur vergleichbaren Händlerbetriebe nach billigem Ermessen bestimme: Es ergibt sich aus ihr nicht, ob der Händler Anspruch auf den ihm zustehenden kalkulatorischen Gewinn

591 Küstner/Thume/Thume I4 Kap. VIII Rn 87; Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 43. 592 OLG Celle, Beschl. v. 9.6.2005 – 11 U 110/05, OLGR 2005, 650. 593 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 (1065); Graf v. Westphalen Vertragsrecht und AGBKlauselwerke, Vertragshändlervertrag, Rn 21; Genzow Rn 75; Küstner/Thume III Rn 1353; II, 5. Kap., C II Rn 73; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 250; Westphal II Rn 106; Graf v. Westphalen DB 1999, 2553 (2555); Graf v. Westphalen NJW 1980, 2227; v. Sachsen Gessaphe RIW 2001, 721 (728); aA Ströbl BB 2012, 1625 m. w. N.; Nickel NJW 1981, 1494; angeblich auch OLG Köln, Beschl. v. 9.1.2012 und 7.12.2011 – 19 U 155/11, zit. nach Ströbl BB 2012, 1625. 594 AA Ströbl BB 2012, 1625 (1627). 595 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 596 Diese Regelungen sind Teil des Vertragshändlervertrages, aA Ströbl BB 2012, 1625 (1626). 597 AA Ströbl BB 2012, 1625. 598 Siehe Emde kfz-betrieb 48/2001, 26. 599 Ströbl BB 2012, 1625 (1626). 600 Siehe Ströbl BB 2012, 1625. 601 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 246; v. Sachsen Gessaphe RIW 2001, 721. 602 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 (1065); Graf v. Westphalen Vertragsrecht und AGBKlauselwerke, Vertragshändlervertrag, Rn 21; Genzow Rn 75; Westphal II Rn 106; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 251; aA Ströbl BB 2012, 1625. 603 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 251. Emde

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hat.604 Soweit der Händler verpflichtet ist, Gewährleistungsarbeiten auch für die Kunden anderer Vertragshändler zu erbringen, gelten die vorstehenden Grundsätze entsprechend. Eine dahingehende Klausel wäre auch als AGB zulässig.605 Sofern bei Gewährleistungsarbeiten Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen für Lagerhaltung, Fracht und Verpackung ausgeschlossen werden, widerspricht dies §§ 670, 307 BGB, weil der Beauftragte nach diesen Normen ein Recht auf Ersatz seiner Aufwendungen besitzt.606 Unwirksam ist ferner die Klausel, der Stunden-Verrechnungssatz für Gewährleistungsarbeiten werde der Kostenentwicklung angepasst und jeweils durch separate Rundschreiben bekannt gegeben: Dem Hersteller wird durch die Klausel ein einseitiges Recht zur Änderung des Preises eingeräumt. Zur Wirksamkeit einer solchen Klausel bedarf es zumindest einer Konkretisierung der Preisänderungsfaktoren.607 Gebietsschutz, Verlust: Entfallen eines Gebietsschutzes bei Nichterreichen einer unrealistischen Umsatzvorgabe;608 siehe auch Teilkündigung. Gerichtsstandsklausel: Siehe unten zu Gerichtsstandsklauseln. Geschäftsgeheimnisse: Durch AGB kann eine Erweiterung der Geheimhaltung über § 90 hinaus zu Lasten des HV nicht wirksam begründet werden, weil solches im Regelfall dem gesetzlichen Leitbild des HV widerspricht.609 Jedenfalls gilt dies, sofern es an einem berechtigten Grund für die Erweiterung des Geheimnisschutzes fehlt.610 Insbesondere ist das generelle Verbot der Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen unwirksam.611 Unwirksam ist die Klausel auch, sofern nicht im Einklang mit § 90 geregelt wurde, dass die Verwertung oder Preisgabe des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses gegenüber Dritten nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns widersprechen muss.612 Geschäftsleitung des HV-Unternehmens, Zustimmung des Unternehmers zur Besetzung: Ein Zustimmungsvorbehalt bildet eine unangemessene Benachteiligung des Mittlers. Es ist auch nicht klar, wie der Hersteller bei einer Veränderung des mit der Geschäftsleitung betrauten Personenkreises beurteilen kann, ob damit der angestrebte Erfolg ernsthaft gefährdet wird.613 Deshalb darf hieran mittels AGB auch kein außerordentliches Kündigungsrecht geknüpft werden,614 es sei denn, der Geschäftsleiter ist dem Unternehmer unzumutbar. Gratisinspektion: Für Gratisinspektionen an Fahrzeugen, die der Direkthändler nicht verkauft hat, steht den Vertragshändlern ein Anspruch auf eine Vergütung in der vom Herstel-

604 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 605 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 255. 606 BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz); Graf v. Westphalen DB 1999, 2553. 607 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – XIII ZR 165/92. 608 OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, BB 2002, 2521 (für einen Franchisevertrag). 609 BGH, Urt. v. 28.1.1993 – I ZR 294/90, NJW 1993, 1786 = ZIP 1993, 703 (704); OLG Koblenz, Urt. v. 24.7.1986 – 6 U 604/86, NJW-RR 1987, 95; Ebenroth/Löwisch3 § 90 Rn 14 – jeweils für Geheimhaltung von Kundenanschriften, sofern auch im Gedächtnis verhaftete Kundenadressen geschützt sein sollen; Ebenroth/Löwisch3 § 90 Rn 18; Oetker/ Busche § 90 Rn 20; Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht2 § 90 Rn 18. 610 OLG Koblenz, Urt. v. 24.7.1986 – 6 U 604/86, NJW-RR 1987, 95; Oetker/Busche § 90 Rn 21. 611 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 90 Rn 31. 612 OLG Koblenz, Urt. v. 24.7.1986 – 6 U 604/86, NJW-RR 1987, 95; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 90 Rn 31. 613 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.3.2004 – 1 U 31/03; Emde GmbHR 1999, 1005 (1012); Emde Die HandelsvertreterGmbH, 1994, S. 106 ff. 614 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.3.2004 – 1 U 31/03. 61

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ler festgesetzten Höhe gegen den Vertragshändler zu, von dem das Fahrzeug verkauft wurde.615 Eine davon abweichende Klausel wäre unwirksam. Großkundengeschäft: falls sich der Unternehmer das Großkundengeschäft vorbehält, selbst wenn ihm Direktgeschäfte gestattet sind.616 In der Übernahme des Großkundengeschäfts sei eine Teilbeendigung des Händlervertrages zu sehen, die ausgleichsbegründend wirke. Haftungsbegrenzungs- und Freizeichnungsklauseln: Klauseln, in denen der Unternehmer die Haftung für Vorsatz617 und grobe Fahrlässigkeit ausschließt, sind an § 309 Nr. 7a und b BGB zu messen, die auch im unternehmerischen Verkehr indirekt über § 310 Abs. 1 BGB i. V. m. § 307 BGB gelten.618 Eine Haftungsfreizeichnung in einer Formularklausel soll gegen § 307 Abs. 1 BGB verstoßen.619 Unwirksam sind etwa Klauseln wie „Wir haften nur für Vorsatz“, „Wir haften nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit“ oder „Wir haften nicht für mittelbare Schäden oder Folgeschäden wie entgangenen Gewinn“.620 Sie halten die Vorgaben der §§ 309 Nr. 7 b, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht ein, weil die in § 309 Nr. 7 BGB genannten Verschuldensformen, nämlich Haftung infolge einer fahrlässigen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung bei der Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit, nicht von der Haftungsbegrenzung ausgenommen werden.621 Halteklauseln: AGB, die es dem Käufer eines fabrikneuen Ferraris bei Meidung einer Vertragsstrafe von 25.000 EUR verbieten, das Kfz innerhalb von 12 Monaten nach Übergabe zu veräußern.622 HV im Nebenberuf: Ein HV, der nach der Verkehrsauffassung hauptberuflich tätig ist, kann nicht durch Parteivereinbarung zum nebenberuflichen HV herabgestuft werden,623 erst recht nicht mittels AGB.624 Eine AGB-Klausel, die die Nebenberuflichkeit des HV bestimmt, muss bei abstrakt-genereller Betrachtung in allen außer fern liegenden Fällen zutreffend sein. Im Individualklageverfahren muss eine unbillige Benachteiligung des HV hinzukommen, die aber bereits in der Verwendung der den HV in Beweisschwierigkeiten bringenden Klausel zu finden sein dürfte. Die Klausel in einem Tankstellen-HV-Vertrag, der HV übernehme als HV im Nebenberuf im Namen und für Rechnung des Mineralölunternehmens den Verkauf sowie den Einzug der Verkaufserlöse, ist gemäß § 307 BGB unwirksam.625 Nach der herrschenden Übergewichtstheorie wird als HV im Hauptberuf nur ein HV angesehen, der vorwiegend als solcher tätig ist und aus dieser Tätigkeit den größten Teil seines Einkommens bezieht. Dabei werden der Shopbereich und der Betrieb der dazugehörigen Tankstelle als Einheit empfunden. Eine Vertretertätigkeit im Nebenberuf ist nicht anzunehmen, wenn zwischen der Vertretertätigkeit und der sonstigen Berufs- oder Erwerbstätigkeit ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht und nach der Verkehrsauffassung gerade diese Verbindung in den betreffenden Wirtschaftskreisen häufig anzutreffen ist.626 TankstellenHV sind angesichts des Shop-Geschäfts nicht Ladeninhaber im „Hauptberuf“ und HV im

615 616 617 618 619

OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.6.1992 – 6 U 105/91. Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2003, 533. Unzulässig; Leitbild des § 276 Abs. 3 BGB – s. Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (84). Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (84). Graf v. Westphalen in: Graf v. Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf den Schuldvertragsrecht, Rn 1 ff.; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 97. 620 Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (44). 621 Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (44). 622 OLG Hamburg, Urt. v. 29.5.2002 – 5 U 170/01, OLGR 2003, 31; Niebling WRP 2012, 1361 (1366). 623 BGH, Urt. v. 18.4.2007 – VIII ZR 117/06, WRP 2007, 977 = BB 2007, 1750 m. Anm. Thume = EWiR 2008, 17 (Döpfer). 624 BGH, Urt. v. 18.4.2007 – VIII ZR 117/06, WRP 2007, 977 = BB 2007, 1750 m. Anm. Thume = EWiR 2008, 17 (Döpfer); Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (84). 625 BGH, Urt. v. 18.4.2007 – VIII ZR 117/06, WRP 2007, 977; OLG Hamburg, Urt. v. 30.3.2006 – 10 U 16/05. 626 OLG Hamburg, Urt. v. 30.3.2006 – 10 U 16/05. Emde

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„Nebenberuf“.627 Damit wird ihre Rechtslage durch eine derartige Klausel generell unzutreffend dargestellt.628 Die Kündigung des HV-Vertrages führt auch zur Beendigung des ShopVertrages. Deshalb entspricht die Schutzbedürftigkeit des Tankstellen-HV nicht der eines HV im Nebenberuf, der noch anderweitiges Einkommen hat.629 Höhere Gewalt: Wird die Lieferzeit in Fällen „höherer Gewalt“ auf einen unbestimmten Zeitpunkt hinausgeschoben, widerspricht dies dem Bestimmtheitsgebot und ist unwirksam, sofern es dem Vertragspartner nicht möglich ist, das Ende der Lieferfrist zu erkennen und zu berechnen.630 Intransparenz: In ihrer Gesamtheit intransparente Vertriebsmittlerverträge.631 Investitionen sollten sich innerhalb der Vertragslaufzeit amortisieren. Unangemessen kurz ist eine Kündigungsfrist, wenn die Amortisation nicht innerhalb der Vertragslaufzeit möglich ist und ein Alleinvertriebsrecht bereits mit Zugang der Kündigung enden soll.632 Investitionsersatzanspruch: Der vollständige Ausschluss des Investitionsersatzanspruches (siehe Kommentierung zu § 89) durch Formularvertrag verstößt gegen § 307 BGB und ist unwirksam.633 In seinem Umfang kann er durch AGB angemessen beschränkt werden.634 Kaufpreis für das Alleinvertriebsrecht, wenn der Kaufpreis pauschal bestimmt ist.635 Kontrollrechte: Klauseln, nach denen der Vertreter die Kosten der Kontrollrechte gemäß § 87c tragen soll,636 es sei denn, der HV hat nach dispositivem Recht die Kosten ohnehin zu übernehmen, regelm. etwa bei Ausübung des Einsichtsrechts. Die genannte Regelung dürfte auch § 87c Abs. 5 widersprechen. Kreditkartengebühren: Die Übernahme der Kreditkartengebühren durch einen HV soll unzulässig sein, weil die Überbordung der Kosten für dem Unternehmer obliegende Pflichten unzulässig ist.637 Die Kreditkartengebühren entstehen dem Unternehmer in Folge der durch ihn mit dem Kreditkartenunternehmen geschlossenen Vereinbarungen. Es handelt sich um Kosten, die er zu tragen hat.638 Kundenadressen: Vertragsstrafe für jede nach Vertragsende zurückbehaltene Kundenadresse, sofern sich das Verbot auch auf solche Anschriften bezieht, die der HV im Gedächtnis behalten hat und ohne Fristbegrenzung für alle Zeit gilt. Durch diese Vereinbarung wird es dem HV weitgehend unmöglich gemacht, nach Beendigung des HV-Vertrages in Wettbewerb um Kunden zu treten, die vorher einmal bei dem Unternehmer gekauft haben oder auch sich ihr gegenüber nur als Interessenten zu erkennen gegeben haben. Das ist mit dem Leitbild des dispositiven Rechts, wie es in § 90 seinen Niederschlag gefunden hat, unvereinbar.639 Das gilt insbesondere, wenn die Vertragsstrafe 125 EUR pro zurückbehaltener Adres-

627 628 629 630 631 632 633

BGH, Urt. v. 18.4.2007 – VIII ZR 117/06, WRP 2007, 977 = BB 2007, 1750 m. Anm. Thume = EWiR 2008, 17 (Döpfer). BGH, Urt. v. 18.4.2007 – VIII ZR 117/06, WRP 2007, 977 = BB 2007, 1750 m. Anm. Thume = EWiR 2008, 17 (Döpfer). BGH, Urt. v. 18.4.2007 – VIII ZR 117/06, WRP 2007, 977 = BB 2007, 1750 m. Anm. Thume = EWiR 2008, 17 (Döpfer). LG Köln. Urt. v. 11.7.2018 – 26 O 128/17, ZVertriebsR 2018, 367. Vgl. Emde MDR 2006, 301 (302) zu Lizenzverträgen. OLG Hamburg, Urt. v. 5.12.2002 – 5 U 69/02. Graf v. Westphalen Klauselwerke, Vertragshändlervertrag, Rn 51; Martinek/van der Moolen3 § 23 Rn 85; Giesler/ Köhnen2 § 3 Rn 463; Westphal II Rn 679; Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (84); ders. WRP 2010, 1454 (1459); Foth BB 1987, 1270 (1273). 634 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 463. 635 OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1987, 548; LG Paderborn NJW-RR 1987, 872; LG Aachen NJW-RR 1994, 60; Martinek/ Flohr/Pohl3 § 17 Rn 115. 636 Vgl. Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 16. 637 OLG Hamm, Urt. v. 17.6.2016 – 12 U 165/15, NJW-RR 2016, 1134 Rn 45; LG Essen, Urt. v. 27.8.2015 – 43 O 30/15 – BeckRS 2015, 20237 = IHR 2016, 72 (74) m. Begründung aus § 86a. 638 OLG Hamm, Urt. v. 17.6.2016 – 12 U 165/15, NJW-RR 2016, 1134 Rn 46; LG Essen, Urt. v. 27.8.2015 – 43 O 30/15 – BeckRS 2015, 20237 = IHR 2016, 72 (74) m. Begründung aus § 86a. 639 BGH, Urt. v. 28.1.1993 – I ZR 294/90, NJW 1993, 1786 = ZIP 1993, 703 (704) = BB 1993, 818; best. durch Urt. v. 14.1.1999 – I ZR 2/97, BB 1999, 1452; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Thume4 § 90 Rn 7; Eberstein S. 83. 63

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se beträgt.640 Wettbewerbsrechtlich sei das Vorgehen eines früheren HV nur dann zu beanstanden, wenn er sich bei dem Wettbewerb um die Kundschaft unlauterer Mittel bediene. Es dürfe aber ein Verbot geregelt werden, bei der Beendigung des Vertragsverhältnisses von Kundenanschriften Aufzeichnungen zu behalten. Denn nach § 667 BGB sei der HV ohnehin verpflichtet, Kundenanschriften herauszugeben.641 Eine solche Vereinbarung führt – sollte sie einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nahekommen – zu den Folgen des § 90a, insb. zur Pflicht, eine Karenzentschädigung zu zahlen.642 Ein Verwertungsverbot mag aber für vom Unternehmer mitgeteilte Kundendaten zulässig sein, weil sie bereits nach dispositivem Recht als Geschäftsgeheimnis einzuordnen sind. Unwirksam ist ferner die Klausel, derzufolge die Namen und Adressen der vom HV selbst geworbenen Kunden zum Geschäftsgeheimnis erklärt werden.643 Das Gleiche gilt, sofern nicht im Einklang mit § 90 geregelt wurde, dass die Verwertung oder Preisgabe des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses gegenüber Dritten nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns widersprechen muss.644 Kündigungsklauseln: Gegenüber dem Mittler, im entschiedenem Fall ein Vertragshändler, obliegen dem Unternehmer gesteigerte Treue- und Rücksichtnahmepflichten, so dass aufgrund des wirtschaftlichen Ungleichgewichts der Vertragspartner nur außerordentlich schwerwiegende, vereinbarte Kündigungsgründe einer Überprüfung gem. § 307 BGB standhalten.645 Sind Regelungen zu Kündigungsfristen unwirksam, scheidet eine geltungserhaltende Reduktion regelmäßig aus.646 Mesch führt aus, zumindest in AGB dürfe nicht von § 314 BGB abgewichen werden. Ein vollständiger Ausschluss der außerordentlichen Kündigung sei daher ebenso wie eine Erweiterung der außerordentlichen Kündigungsrechte über § 314 BGB hinaus unzulässig.647 Ferner sei eine Einschränkung des § 314 BGB, z. B. durch Ausschlussfristen, zusätzliche Nachfristen, Verpflichtung zur Abstandszahlung, Heraufsetzung des Haftungsmaßstabes, in AGB nicht möglich.648 In AGB könnten damit nur außerordentliche Kündigungsgründe bestimmt werden, die unabhängig von einer ausdrücklichen Regelung zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen.649 Kündigungsklauseln sind unwirksam: • Bei Intransparenz;650 • Bei Vereinbarung von Kündigungsgründen, die ohne sachlichen Grund nur einer Partei zustehen. Das ist etwa bei den Strukturkündigungsklauseln des Kfz-Vertragshändlerrechts problematisch, die nur dem Hersteller ein Strukturkündigungsrecht zubilligen.651 Auch Händlerketten können Interesse an einer Strukturkündigung haben;652 • Wenn vom gesetzlichen Leitbild des § 89a abgewichen wird und dies den Verwendungsgegner benachteiligt: Auch in AGB könnten zwar wichtige Kündigungsgründe

640 BGH, Urt. v. 28.1.1993 – I ZR 294/90, NJW 1993, 1786 = ZIP 1993, 703 (704) = BB 1993, 818; v. 10.5.1995 – VIII ZR 144/94, MDR 1995, 916 (wobei der Zurückbehalt inaktiver Adressen keine Vertragsstrafe auslöst). 641 BGH, Urt. v. 14.1.1999 – I ZR 2/97, BB 1999, 1452. 642 Röhricht/Graf von Westphalen/Thume3 § 90 Rn 6. 643 OLG Koblenz, Urt. v. 24.7.1986 – 6 U 604/86, NJW-RR 1987, 95; Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 116. 644 OLG Koblenz, Urt. v. 24.7.1986 – 6 U 604/86, NJW-RR 1987, 95; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 90 Rn 31. 645 OLG Braunschweig, Hinweisbeschl. v. 6.3.2009 – 2 U 29/09, ZIP 2009, 1336 (1337); Ensthaler/Genzow § 89a Rn 30. 646 OLG Celle, Beschl. v. 9.6.2005 – 11 U 110/05, OLGR 2005, 650. 647 Mesch ZVertriebsR 2015, 8 (12). 648 BGH, NJW-RR 2003, 1060; Mesch ZVertriebsR 2015, 8 (12). 649 Mesch ZVertriebsR 2015, 8 (12). 650 BGH BB 2000, 60 (63) m. Anm. Emde. 651 Vgl. Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618; Emde BB 2009, 2330 ff. 652 Emde BB 2009, 2330 (2332). Emde

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vereinbart werden.653 Sie sind jedoch unwirksam, wenn bei abstrakt-genereller Prüfung Kündigungsgründe geregelt werden, die keinen wichtigen Grund konstituieren.654 Die Unwirksamkeit lasse sich nicht vermeiden, indem man derartige Kündigungskataloge nur als Indizien ansehe, was die Parteien als der Vertragsfortführung entgegenstehend ansähen.655 In der Sache laufe dies auf eine unzulässige, geltungserhaltende Reduktion hinaus.656 Das gelte insbes., wenn bereits einfache Vertragsverstöße oder Verstöße gegen Verhaltensrichtlinien ein außerordentliches Kündigungsrecht geben sollten; Falls ein Kündigungsrecht bei „wirtschaftlichem Misserfolg“657 oder „Zahlungseinstellung“658 vereinbart werden soll. Den Begriffen mangelt es an Transparenz. Zudem ist eine Kündigung bei Nichterreichen von Zielvorgaben unzulässig (s. u.); Sollte die Klausel lauten: „ohne dass ein wichtiger Grund i. S. d. Gesetzes vorliegt, kann … jede Partei diesen Vertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen, wenn das Vertrauensverhältnis ernsthaft gestört ist“.659 Sie ist intransparent und verstößt gegen die zwingenden Kündigungsfristen des § 89; Falls die Klausel den Anspruch eines HV auf eine Gewinnbeteiligung ausschließt, wenn er selbst aus wichtigem Grund kündigt. Denn der Kündigungsgrund liegt in der Sphäre des Unternehmers;660 Wenn eine einseitige Vertragsbeendigung ohne Zustimmung des Unternehmers ausgeschlossen wird.661 In dieser Fassung liegt ein Verstoß gegen das zwingende Recht auf außerordentliche Kündigung nach § 89a; Die für HV geltenden Kündigungsfristen des § 89 sind gesetzlicher Mindeststandard auch gegenüber anderen Vertriebsmittlern (etwa Vertragshändlern und Franchisenehmern).662 Da die Kfz-GVO 1400/02 eine 24-monatige Mindestkündigungsfrist vorschrieb, wird man jene in dieser Branche – möglicherweise auch nach 2013 – als Leitbild heranziehen und kürzere Fristen für unzulässig halten müssen; Unangemessen ist die Vereinbarung einer 12-monatigen Kündigungsfrist in einem KfzVertragshändlervertrag oder einem anderen Händlervertrag mit investitionsträchtigem Geschäftsfeld.663 Eine Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres in einem solchen Vertrag ist folglich erst recht unangemessen kurz.664 Das gilt auch für einen Vertragshändlervertrag außerhalb des Kfz-Bereiches, wenn der Mittler nach der vertraglichen Situation eine Umstellungsfrist benötigt, um für die Zeit nach Vertragsbeendigung eine Tätigkeit für andere Unternehmer aufzunehmen oder um sein Geschäftsfeld umzustellen, weil er seinen Geschäftsbetrieb zuvor weitgehend auf das Vertriebs-

653 BGH, Urt. v. 12.3.1992 – I ZR 117/90, NJW-RR 1992, 1059; OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.7.1999 – 1 U 332/99, NJWRR 1999, 1713; Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (77).

654 BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/63; Rothermel/Dahmen IHR 2017, 45 (53); Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 59; aA MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89a Rn 85. 655 Woraus der Gestaltungshinweis entnommen wird, solche „Kündigungskataloge“ in den Vertrag hineinzuformulieren, s. Mesch ZVertriebsR 2015, 8 (12/13). 656 AA Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 59; Schlegelberger/Schröder § 89a Rn 12. 657 Zum Franchiserecht: Giesler/Nauschütt, § 9 Rn 86. 658 KG Berlin, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. 659 BGH, Urt. v. 20.5.2003 – KZR 19/02, BB 2003, 2254 (2258). 660 LG Bonn, Teilurt. v. 13.6.2012 – 16 O 4/11, BeckRS 2013, 17651. 661 OLG München, Urt. v. 20.11.1996, NJW–RR 1997, 1057. 662 Emde VersR 2001, 148 (159); Westphal OLGR 16/2000, K 35 (K 37); Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (85) – „in engen Grenzen“. 663 BGH, Urt. v. 21.2.1995 – KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260 = BB 1995, 1657 („Citroen“); Emde BB 2000, 63 (65); Emde VersR 2001, 148 (159); wohl auch Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 139; offen gelassen von Westphal II Rn 151. AA OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.8.2020 – VI-U(Kart) 10/20, WuW 2020, 542 (545). 664 OLG Stuttgart, Urt. v. 15.9.1989 – 2 U 63/88, NJW-RR 1990, 491. 65

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konzept des Prinzipals zuzuschneiden hatte und hat.665 Die Regelung wird durch eine angemessene Kündigungsfrist von einem Jahr zum Monatsende ersetzt.666 Es ist immer zu prüfen, ob sich aus anderen Klauseln des Vertrages eine Rechtfertigung für die kürzere Kündigungsfrist findet,667 etwa aus einem Kündigungsverzicht für einen begrenzten Zeitraum;668 Falls ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung vorliegen soll, sofern der Vertragshändler seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Hersteller oder einem verbundenen Unternehmen nachhaltig nicht nachkommt: Der Begriff „nachhaltig“ sei zu unbestimmt. Außerdem sei die Klausel nicht ausreichend konkretisiert, da ein Vertragshändler nicht erkennen könne, welche Verbindlichkeiten gegenüber welchem konzernverbundenen Unternehmen eine außerordentliche Kündigung auslösen könnten;669 Sofern ein Vertragshändlervertrages vorsieht: „Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liegt insb. vor, wenn der Haupthändlervertrag zwischen … und dem Hersteller beendet wird“. Nicht jede Beendigung eines Hauptvertrages bilde einen wichtigen Grund. Es komme vielmehr darauf an, ob die Fortsetzung des Hauptvertrages unzumutbar sei. Anderenfalls käme es zu einer unangemessen Verlagerung des Risikos des jeweiligen Hauptvertrags auf den Unterhändler;670 Ein uneingeschränktes Kündigungsrecht des Herstellers bei Änderungen der sachlichen und personellen Ausstattung des Vertragshändlers benachteiligt den Händler jedenfalls dann unangemessen, wenn es unabhängig davon eingreifen soll, ob und inwieweit durch derartige Veränderungen die Interessen des Herstellers oder Importeurs beeinträchtigt werden. Denn nicht jede Änderung der sachlichen oder personellen Ausstattung des Händlerbetriebs berührt nachteilig die Belange des Herstellers, wodurch sich durch eine derartige Klausel ein fast uneingeschränktes Kündigungsrecht ergeben würde;671 Kündigungserschwerende Klauseln, die die Rückzahlung „freiwilliger und bevorschusster“ Vergünstigungen in nicht unerheblicher Höhe an die Kündigung knüpfen (s. a. Kommentierung zu § 89; es handelt sich um ein Problem, das ebenso bei Individualverträgen auftreten kann). Das gilt etwa für die Rückzahlung einer gewährten Sonderbonifikation. Sie wirkt unbillig kündigungserschwerend, sofern eine Sonderbonifikation vom HV nach einer von ihm erklärten Kündigung binnen 12 Monaten nach Zahlung zurückzugewähren ist.672 Anders jedoch bei einer Fälligkeitsregelung, derzufolge eine Bonuszahlung ein ungekündigtes Vertragsverhältnis voraussetzt.673 Auch reine Treueprämien ohne Gegenleistungscharakter sind zulässig. Angeblich ein langfristiger Ausschluss des Kündigungsrechts.674 Aber Festlaufzeiten sind üblich. Zudem zeigt das Leitbild des § 624 BGB die Üblichkeit. Angesichts dieser Strenge kann Unternehmern nur geraten werden, eine kurze Kündigungsfrist zu vereinbaren, und bei Nichteintritt bestimmter Gründe ausnahmsweise eine verlängerte Kündigungsfrist zu vereinbaren (spiegelbildliche Regelung).

665 OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166. Diese Voraussetzungen dürften in fast allen Fällen gegeben sein. 666 OLG Stuttgart, Urt. v. 15.9.1989 – 2 U 63/88, NJW-RR 1990, 491. 667 Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (140). 668 Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (140). 669 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.2.2003 – 26 O 218/97. 670 LG München I, Urt. v. 20.10.2014 – 10 HKO 7132/14. 671 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.2.2003 – 26 O 218/97. 672 OLG Naumburg, Beschl. v. 12.2.2010 – 6 U 164/09, m. zust. Anm. Evers VW 2010, 444; OLG Rostock, Urt. v. 25.9.2009 – 8 O 11/09; LG Münster, Urt. v. 16.9.2010 – 24 O 94/09, BeckRS 2010, 23928. 673 OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 = MDR 2009, 703. 674 OLG München VersR 1997, 1003; Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 45. Emde

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wenn die Klausel die außerordentliche Kündigung bei Zahlungseinstellung wie folgt zulässt: „Unternehmer ist zur Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund berechtigt, wenn HV seine Zahlungen einstellt oder über sein Vermögen ein Insolvenz-, Vergleichs-, oder ein anderes Schuldenregelungsverfahren eingeleitet wird.“.675 Der Begriff der Zahlungseinstellung soll unbestimmt sein. Erforderlich sei ein bestimmter oder erheblicher Rückstand.676 Außerdem sei eine vorherige Abmahnung erforderlich.677 Lagerhaltung: Die Verpflichtung zur Lagerhaltung muss bei abstrakt-genereller Betrachtung Absatzfähigkeit und Nachfrage der gelagerten Produkte widerspiegeln.678 Selten benötigte Produkte, deren Absatz Schwierigkeiten entgegenstehen, dürfen nur im geringen Umfang zur Lagerung vorgeschrieben werden.679 Spiegelbildlich dürfen häufig nachgefragte Produkte auch in einem größeren Umfang zur Lagerhaltung vorgeschrieben werden. Die in einem Kommissionsagenturvertrag enthaltene Regelung, wonach der Kommissionsagent für den Warenschwund ab einem bestimmten Prozentsatz unabhängig davon haftet, ob er den Schwund zu vertreten hat, benachteiligt ihn auch als Unternehmer in unangemessener Weise.680 Die verbindliche Vorgabe eines festen Lagerbestandes an Neuwagen im Händlervertrag, welche den Vertragshändlern keine wenigstens verfahrensmäßig abgesicherte Möglichkeit einräumt, in ihrem wirtschaftlichen Interesse eine Herabsetzung dieser Vorgabe zu verlangen, stellt eine unangemessene Benachteiligung der Händler dar.681 Der Händler darf nicht verpflichtet werden, Ersatzteile Dritter getrennt von den Ersatzteilen der Vertragsware zu lagern.682 Löschungsanspruch: Die Klausel, der FN sei verpflichtet, Eintragungen in Verzeichnissen in der nächsten erreichbaren Ausgabe zu ändern und die Veranlassung dieser Änderungen nachzuweisen, ist gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.683 Bei kundenfeindlichster Auslegung erfasst die Klausel auch Eintragungen, die kein schutzfähiges Element der Schutzrechte übernehmen, und verbietet damit dem FN Werbemaßnahmen, die jedem anderen Mitbewerber, der vorher nicht an den FG gebunden waren, erlaubt wären.684 Marktverantwortungsbereich: War dem Mittler ein Alleinvertriebsrecht in seinem Gebiet eingeräumt worden, benachteiligt ihn eine Klausel, die dem Hersteller das Recht geben soll, einen weiteren Mittler einzusetzen, unangemessen und ist unwirksam.685 Auch hier dürften richtigerweise die o. g. Grundsätze zum Änderungsvorbehalt gelten, und zwar auch dann, wenn dem Händler kein Alleinvertriebsrecht zugesichert wurde.686 Außerdem kann der Einsatz anderer Händler den Treupflichten des Unternehmers widersprechen, sofern er zum „Kannibalismus“ unter den Händlern führt. Mehrmarkenvertrieb, Zustimmungsvorbehalt zu diesem: Wenn die Zustimmung des Herstellers zu einem Mehrmarkenvertrieb daran geknüpft ist, dass dem Vertragshändler der Ausbau seiner Kapazität und der Umfang seiner Investitionen vorgeschrieben wurde, und

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KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 265. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 265. BGH, Urt. v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, BB 2003, 1463 (1464). OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.2.2003 – 26 U 218/97. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.3.2004 – 1 U 31/03. OLG München, Beschl. v. 10.2.2014 – W 121/14 Kart, ZVertriebsR 2015, 256 (257) m. Anm. Böhner. OLG München, Beschl. v. 10.2.2014 – W 121/14 Kart, ZVertriebsR 2015, 256 (258) m. Anm. Böhner. BGHZ 89, 206 (211 ff.) = NJW 1984, 1182; BGHZ 93, 29 (52 f.) = BB 1985, 218; BGH NJW-RR 1988, 1077 (1080); Westphal II Rn 77; Ebenroth/Parche BB 1988 Sonderbeil. 10, S. 25; kritisch Bunte NJW 1985, 600 ff.; Habersack/Ulmer S. 90 mit kartellrechtlicher Begründung. 686 Habersack/Ulmer S. 91 unter Hinweis auf BGHZ 124, 351 (354 ff.), wo die auch ohne Alleinvertriebsrecht bestehenden Treupflichten des Herstellers gegenüber dem Händler betont werden und deshalb ein Recht des Herstellers verneint wird, in unbeschränkte Konkurrenz zum Händler zu treten. 67

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er seine Kapazität allein mit Vertragsware unverschuldet und unvermeidlich nicht ausnutzen kann und deshalb nicht nur vorübergehend eine Bedrohung seiner wirtschaftlichen Existenz zu befürchten ist. Eine solche Regelung ist intransparent und widersprach zum Zeitpunkt der Entscheidung zudem den Anforderungen der früheren Kfz-GVO 1400/02.687 Mindestumsatz oder Mindestabnahmepflichten: Die Vereinbarung eines Mindestumsatzes688 und hieran anknüpfendes Kündigungsrecht689 kann jedenfalls dann unwirksam sein, wenn die Mindestumsätze bei abstrakt-genereller Betrachtung nur schwer zu erreichen sind690 oder der Umfang der abzunehmenden Vertragsware vollkommen außerhalb der Relation zur Größe und Wirtschaftskraft des Händlers steht.691 Nach aA dürfen Mindestumsätze ohne Rechtsfolgenverweis vereinbart werden, jedenfalls wenn sie realistisch sind.692 Die Rspr. zu Mindestumsätzen ist indifferent. Die Grundsatzentscheidung bildet die sog. „Citroen“-Entscheidung des BGH.693 Einerseits hat der BGH dort den Grundsatz ausgesprochen, die Festlegung von Mindestabsatzmengen und Bezugspflichten in AGB von Händlerverträgen benachteilige die Händler grds. nicht unangemessen. Weiter tritt Unwirksamkeit nach dem „Citroen-Urteil“ des BGH694 jedenfalls ein, falls die Klausel die Kündigung des Händlervertrages selbst dann gestattet, wenn der Mittler sich nach besten Kräften um das Absatzziel bemüht hat, es aber aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen verfehlt.695 In AGB geregelte Kündigungsgründe müssten objektiv so erheblich sein, dass sie eine fristlose Kündigung als angemessen erscheinen ließen. Außerdem ist nach dem Citroen-Urteil Unwirksamkeit anzunehmen, wenn der Unternehmer Mindestabsatzmengen seiner Händler einseitig festsetzen darf.696 Mindestumsatzklauseln beinhalten zudem eine unzulässige Kernbeschränkung, sofern sie Querlieferungen697 zwischen den Händlern begrenzen. Bis zum Erreichen der Mindestabsatzmenge seien die Händler gehindert, Waren von anderen Händlern zu beziehen. Soweit der Vertrag vorschreibe, die Mindestabnahmemenge werde unter Einbeziehung der „Vertriebspolitik“ des Herstellers bestimmt, liege wegen der Verwendung dieses konturlosen Begriffs ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.698 Für eine auch nur vorläufige oder vorübergehende Berechtigung, Mindestabsatzmengen einseitig festzusetzen, fehle ein Bedürfnis.699 Unzulässig ist es ferner, wenn die Klausel bestimmt, es sei nach Durchführung des Abmahnverfahrens davon auszugehen, dass sich der Händler nicht nachhaltig bemüht. Damit wird zu Lasten des Händlers eine gem. § 309 Nr. 12 BGB, § 307 BGB auch unter Unter-

687 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.2.2004 – 1 U 31/03. 688 Graf v. Westphalen AGB-Klauselwerke, Handelsvertretervertrag, Rn 21; Palandt/Heinrichs § 307 Rn 111; kritisch auch Niebling WRP 2010, 631. 689 BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz) zum Kfz-Vertragshändler mit speziell kartellrechtlicher Begründung, BGH, Urt. v. 22.2.2005 – KZR 28/03, WRP 2005, 628 (631) = WuW 2005, 521 = NJW 2005, 1660 m. Anm. Thoma WRP 2005, 1132. 690 BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, WRP 2004, 1378 = WuW 2004, 1165 = GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz); zum Franchiserecht: Giesler/Nauschütt, § 9 Rn 84. 691 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 228; nach Niebling WRP 2010, 631 ist Unwirksamkeit bereits wegen Intransparenz anzunehmen. 692 Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (75). 693 BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, WRP 2004, 1378 = WuW 2004, 1165 = GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz). 694 BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, WRP 2004, 1378 = WuW 2004, 1165 = GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz); ebenso OLG Koblenz, Urt. v. 22.4.2010 – 2 U 352/09, BB 2010, 1691. 695 Ebenso OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.8.2016 – 5 W 22/16, IHR 2017, 95. 696 BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, WRP 2004, 1378 = WuW 2004, 1165 = GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz); Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (74); s. a. Niebling WRP 2010, 631. 697 Art. 4 Abs. 1 lit. c der früheren GVO 1400/02 = Art. 4 lit. d GVO 330/10, s. Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71. 698 Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (77). 699 BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, WRP 2004, 1378 = WuW 2004, 1165 = GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz). Emde

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nehmern unzulässige Umkehr der Beweislast geregelt.700 Intransparenz der Klausel tritt ein, wenn die Klausel die Kündigung des Vertrages bei fehlender Einigung über die Mindestabnahme gestattet. Denn der Händler kann nicht vorhersehen, bei welcher Mindestabnahmepflicht eine Einigungspflicht besteht und welche Zahl seiner Absatzförderungspflicht entspricht.701 Sieht die Klausel eine außerordentliche Kündigung bei fehlender Einigung über Abnahmeziele oder deren Nichterreichen vor, ist sie nur wirksam, sofern die Kündigung ausdrücklich an ein Verschulden,702 mglw. sogar an eine schwerwiegende Verletzung der Absatzförderungspflicht,703 etwa eine Verletzung der Bemühenspflicht,704 anknüpft. Die Regelung, wonach der Mittler und der Unternehmer „einvernehmlich davon ausgehen“, dass der Mittler bei einer Vertragslaufzeit von 5 Jahren eine bestimmte Mindestabsatzmenge pro Jahr erreichen werde, bringt zwar eine Erwartung der Vertragspartner zum Ausdruck; eine Verpflichtung des Kunden, die angegebene Mindestmenge tatsächlich abzunehmen, lässt sich einer solchen Formulierung jedoch nicht ohne Weiteres entnehmen.705 Eine Teilkündigung darf nicht daran angeknüpft werden, dass der Anteil der Zulassungen des Händlers an der Gesamtzahl der Zulassungen im Vertragsgebiet 25 % unter dem bundesweiten Anteil der Zulassungen der Kfz des Herstellers liegt.706 Mindestabnahmemengen können daher kaum in AGB garantiert und wohl nur als Mengenrabatte vereinbart werden, wobei Mengenrabatte jedoch wettbewerbsrechtlich problematisch sind, wenn sie keine Kostenvorteile beim Hersteller widerspiegeln.707 Bei derartigen Klauseln besteht auch das Problem, dass außerordentliche Kündigungsgründe nicht über § 89a hinaus erweitert werden können und damit de facto nur die ordentliche Kündigung binnen der Fristen des § 89 bleibt – was wenig hilft. Für auflösende Bedingungen dürfte nichts Abweichendes gelten, zumal auch hier das Spannungsverhältnis zu den Mindestkündigungsfristen des § 89 verbleibt. Mithaftung: Folgende gegenüber einem FG übernommene Mithaftung der Gesellschafter einer FN ist zwar nicht gem. § 309 Nr. 11 lit. a BGB, jedoch wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 3 S. 2 BGB unwirksam, da der präzise Umfang der Garantieübernahme aus ihr nicht ersichtlich wird708: „Alle Gesellschafter des Franchisenehmers – mehrere als Gesamtschuldner – stehen für die vollständige und rechtzeitige Erfüllung aller aus dieser Vereinbarung und seiner Beendigung resultierenden Zahlungsverpflichtungen des Franchisenehmers garantiemäßig ein“. Nachbearbeitung: Der Unternehmer darf weder individualvertraglich (§ 87a Abs. 5) noch durch AGB709 von seiner Obliegenheit zur Nachbearbeitung stornierungsgefährdeter Verträge (siehe Kommentierung zu § 87a) dispensiert werden. Unwirksam ist deshalb die in einem HV-Vertrag enthaltene Klausel „bei Vertragsaufhebung von Versicherungsverträgen innerhalb der Provisionshaftungszeit erfolgt eine zeitanteilige Rückbuchung der Abschlussprovision. Dies gilt auch, wenn die X die Beiträge rückwirkend ermäßigt bzw. bereits entrichtete Beiträge zurückzahlt, auch wenn die Provisionshaftungszeit bereits abgelaufen ist“.710

700 701 702 703 704 705 706

OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.8.2016 – 5 W 22/16, IHR 2017, 96. Niebling WRP 2010, 631. Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (78); Niebling WRP 2010, 631 (632). OLG Köln, Urt. v. 23.2.1996 – 19 U 114/95, NJW-RR 1997, 101; vgl. Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (78). Flohr/Wauschkuhn/Flohr Vertriebsrecht2 § 307 BGB Rn 78. OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2012 – 9 U 188/10, MDR 2013, 80 zu einem Bierlieferungsvertrag. BGH, Urt. v. 6.10.1999 – VIII ZR 125/98, BB 2000, 60 m. Anm. Emde = NJW 2000, 515 = EWiR 2000, 153 (Emde) und Anm. Westphal OLGR 16/2000, K 35 (Benachteiligung bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs, fehlender Ausgleich der Interessen). 707 Lorenz WRP 2005, 992 (995). 708 BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, ZIP 2006, 474 m. Anm Billing WM 2007, 245. 709 Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht2 § 92 Rn 37; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 28. 710 OLG Köln, Urt. v. 9.8.2013 – 19 U 149/12, IHR 2014, 103. 69

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Musterkollektion: Eine Vereinbarung, die den HV zum Kauf der ihm vom Unternehmer überlassenen Musterkollektion verpflichtet, ist als Individualabrede unwirksam.711 Umso eher muss dies für eine AGB-Klausel gelten.712 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot713: § 90a hat Leitbildfunktion auch für nach Vertragsende getroffene Wettbewerbsvereinbarungen.714 Eine Unwirksamkeit gem. § 307 BGB liegt daher regelmäßig vor, wenn die Abrede von § 90a abweicht. Aus § 307 BGB ergibt sich zunächst, dass das Verbot hinsichtlich Zeit, Ort und Gegenstand in der Weise begrenzt sein muss, dass es nicht zu einer Vernichtung der beruflichen Existenz des Verpflichteten führt.715 Auch sind Klauseln unwirksam, die überhaupt keine Karenzentschädigung vorsehen, selbst dann, wenn diese nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird.716 Ein einjähriges, nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung ist auch in einem Franchisevertrag unwirksam.717 Grund: § 90a Abs. 1 S. 3 sowie Verstoß gegen § 307 BGB.718 Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von 3 Jahren im Inland und 2 Jahren im Ausland ist gem. § 307 BGB auch dann unwirksam, wenn es erst nach Vertragsende getroffen wurde, sofern das Vertriebsgebiet lediglich Deutschland betraf.719 § 90a hat Leitbildfunktion auch für nach Vertragsende getroffene Wettbewerbsvereinbarungen.720 Eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede ist weiter gem. § 307 BGB unwirksam, falls sie nicht zum Schutz von berechtigten geschäftlichen Interessen des Prinzipals erforderlich ist.721 Wirksam ist sie nur, sofern die Abrede unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Art, Zeit und Gegenstand erforderlich ist und keine unbillige Einschränkung des Fortkommens des HV darstellt. Der Prinzipal als AGB-Verwender kann die Vertragsgestaltungsfreiheit nur dann in Anspruch nehmen, wenn er dabei die berechtigten Belange des HV im Auge behält.722 Gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist eine Wettbewerbsabrede bei mangelnder Transparenz wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam.723 Wird die Gegenleistung für das Verbot geregelt, muss dies transparent geschehen.724 Daran kann es fehlen, wenn die Gegenleistung (Karenzentschädigung) mit anderen Leistungen des Unternehmers für den HV schwer bestimm- und bewertbar vermengt wird.725 Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von 3 Jahren im Inland und 2 Jahren im Ausland ist gem. § 307 BGB selbst dann unwirksam, wenn es erst nach Vertragsende getroffen wurde und das Vertriebsgebiet lediglich Deutschland betraf.726 Unwirksam ist die Klausel: „Kün-

711 OLG München DB 1999, 1007 = BB 1999, 2320. 712 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1994 – 16 U 279/93, HVR Nr. 770; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 12.3.1996 – 2 HKO 6793/94, HVR Nr. 842 = VersR 1997, 967 (L). 713 Zu der arbeitsrechtlichen Judikatur auf der Basis der §§ 74 ff. Straube BB 2013, 117. 714 LG Hamburg, Urt. v. 5.12.2008 – 412 O 152/06; im selben Verfahrensgang offen gelassen von BGH, Urt. v. 25.10.2012 – VII ZR 56/11, NJW 2013, 2027 = BB 2012, 3098 m. Anm. Hilgard = EWiR 2013, 13 (Emde). 715 BGH DB 1989, 1620. 716 KG Berlin MDR 1974, 144 f.; Herrfeld S. 281; Höpfner in: Giesler/Nauschütt Franchiserecht, § 8 Rn 64. AA für den HV OLG Hamburg, Urt. v. 27.1.2011 – 3 U 260/08; MünchKomm/v. Hoyningen-Huene § 90a Rn 51. 717 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2013 – VI-U (Kart) 1/13, BeckRS 2014, 12436; OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, BB 2002, 2521. 718 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2013 – VI-U (Kart) 1/13, BeckRS 2014, 12436 (Franchisevertrag – es ist aber immer vorweg zu prüfen, ob ein solches Verbot in Eigenhändlerverträgen kartellrechtlich wirksam ist); OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, BB 2002, 2521. 719 LG Hamburg, Urt. v. 5.12.2008 – 412 O 152/06; LG Detmold, Urt. v. 19.2.2010 – 1 O 335/08. 720 LG Hamburg, Urt. v. 5.12.2008 – 412 O 152/06; LG Detmold, Urt. v. 19.2.2010 – 1 O 335/08. 721 LG Hamburg, Urt. v. 5.12.2008 – 412 O 152/06; Graf v. Westphalen Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Handelsvertreterrecht Rn 65. 722 Graf v. Westphalen Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Handelsvertreterrecht, Rn 65. 723 LG Hamburg, Urt. v. 5.12.2008 – 412 O 152/06; LG Detmold, Urt. v. 19.2.2010 – 1 O 335/08. 724 LG Hamburg, Urt. v. 5.12.2008 – 412 O 152/06; LG Detmold, Urt. v. 19.2.2010 – 1 O 335/08. 725 LG Hamburg, Urt. v. 5.12.2008 – 412 O 152/06; LG Detmold, Urt. v. 19.2.2010 – 1 O 335/08. 726 LG Hamburg, Urt. v. 5.12.2008 – 412 O 152/06. Emde

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digt der FG aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des FN, entfällt die Karenzentschädigung“. Die Nichtigkeit trifft nur diese Klausel.727 Schließlich ist ein kartellrechtlich unwirksames Verbot regelmäßig auch unbillig i. S. d. § 307 BGB. Für ein Wettbewerbsverbot, das sich nicht auf die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften als selbständiger Kaufmann bezieht728 oder das Verbot einer andersartigen Tätigkeit, als sie der HV für den Geschäftsherrn ausgeübt hat, soll es einer Individualvereinbarung bedürfen.729 Bei letzterem stellt sich allerdings die Frage, ob eine derartige Vereinbarung in den Grenzen des § 90a überhaupt gestattet ist (§ 90a Rn 19, 33). Neuwagenverkauf: Vgl. zunächst Rn 382 ff. zum dispositiven Recht. Eine Klausel, die einer zugelassenen Werkstatt den Neuwagenverkauf verbieten soll, ist gem. § 307 BGB unwirksam.730 Die Klausel setzt den markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz unzulässig außer Kraft und sieht eine weitergehende Einschränkung des Markengebrauchs vor, der über das Verbot der Verwendung der Marken im Neuwagengeschäft hinausgeht und sogar (unzulässig) Gebrauchtwagenverkaufsfälle erfasst.731 Die Werkstatt darf nicht schlechter gestellt werden als ein völlig ungebundener, freier Betrieb. Allein die Zugehörigkeit zum Werkstattsystem rechtfertigt keine weitergehende Einschränkung.732 Die autorisierte Werkstatt eines Händlers darf folglich auch Neufahrzeuge der von dem Servicevertrag getroffenen Marke vertreiben, solange sie nicht vorspiegelt, Vertragshändler zu sein oder sonst irre führt.733 Dies gilt nach Ansicht des LG Köln734 jedenfalls so lange, wie der Hersteller sein Vertriebssystem nicht geschlossen hält. Eine solche Geschlossenheit verneinte das LG Köln bei der Marke Nissan, solange Nissan dulde, dass Verwertungsgesellschaften in ihrem Namen Kfz aus der Insolvenzmasse von Händlern an unabhängige Wiederverkäufer veräußert.735 Die Werkstatt darf die Wort- und Bildzeichen des Herstellers wegen des Erschöpfungsgrundsatzes des § 24 Abs. 1 MarkenG auch für die Bewerbung von Neufahrzeugen nutzen. Nicht zugelassene Zahlungsmittel: Eine Vereinbarung, wonach ein Tankstellenvertreter sämtliche Umsätze, die nicht mit zugelassenen Zahlungsmitteln erzielt werden, dem Mineralölunternehmen sofort zu vergüten hat, benachteiligt den HV unangemessen, auch wenn ihm die Gewährung von Stationskrediten untersagt ist. Dies ergibt sich aus der gerichtsbekannten Praxis der Mineralölunternehmen, die Vergabe von Stationskrediten nicht nur zu billigen, sondern zu fördern.736

727 OLG Hamm, Urt. v. 28.4.2009 – 4 U 13/09, NJW-RR 2009, 1707 (1708). 728 Ebenroth/Löwisch2 § 90a Rn 5. 729 Ebenroth/Löwisch2 § 90a Rn 5 nennt das Beispiel, in dem sich das Wettbewerbsverbot nicht auf die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften als selbständiger Kaufmann bezieht.

730 OLG Rostock, Urt. v. 21.5.2008 – 2 U 75/07, S. 5/6; OLG Thüringen, Urt. v. 25.6.2008 – 2 U 21/08, GRUR-RR 2008, 397; LG Köln, Urt. v. 24.4.2008 – 86 O 8/08; v. 6.3.2008 – 84 O 159/07, S. 10; LG Erfurt, Urt. v. 13.12.2007 – 2 HK O 244/07; aA LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 92 ff. (das Verbot sei keine überraschende Klausel, es handele sich um eine übliche und nicht um eine ungewöhnliche Klausel. Es fehle auch an einer Abweichung vom dispositiven Recht); Niebling MDR 2018, 712 (717) = Niebling WRP 2012, 1361 (1366) = WRP 2006, 1334 (1335) und wohl auch WRP 2011, 1416 (1417) – letztgenannte Quelle ohne Differenzierung zwischen Individualverträgen und AGB. Hielte man das Verbot für zulässig, könnten auch Wettbewerber nach UWG gegen den Neuwagenverkauf vorgehen, s. Niebling WRP 2012, 1361 (1366). Zum Thema Spix ZVertriebsR 2015, 283. 731 OLG Jena, Urt. v. 25.6.2008 – 2 U 21/08, GRUR-RR 2008, 397. 732 OLG Jena, Urt. v. 25.6.2008 – 2 U 21/08, GRUR-RR 2008, 397; Spix ZVertriebsR 2015, 283 (284). 733 Siehe BGH, Urt. v. 17.3.2011 – I ZR 170/08, WRP 2011, 1417 m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416; v. 17.7.2003 – I ZR 256/00, GRUR 2003, 878 = NJW-RR 2003, 1402; Köhnen kfz-Betrieb 14/2017, 10; Lamberti/Wendel WRP 2009, 1479 (1480); Niebling WRP 2010, 81 (84). 734 Urt. v. 24.4.2008 – 86 O 8/08. 735 Urt. v. 24.4.2008 – 86 O 8/08. 736 KG, Urt. v. 21.5.2007 – 23 U 87/05, DB 2007, 1355. 71

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Option: Ein einseitiges Recht des Unternehmers zur Vertragsverlängerung, das, sofern es geltend gemacht wird, die ordentliche Kündigung ausschließt, soll unwirksam sein.737 Personalpolitik: Einstellung von Mitarbeitern des Mittlers nach Weisung, Mitwirkung oder Zustimmung des Unternehmers. Preise Änderung: Siehe dazu „Änderungsvorbehalte“. Provisionsregelungen • § 87 Abs. 1: Der BGH738 hat offen gelassen, ob § 87 Abs. 1 mittels AGB geändert werden darf. • Abweichungen von § 87a Abs. 2 und 3: Sie sind zwar auch in Individualverträgen gem. § 87a Abs. 5 unwirksam, widersprechen als AGB jedoch auch § 307 BGB.739 • Änderungsvorbehalt zur Provisionshöhe740: Ein in AGB enthaltenes Provisionsbestimmungsrecht des Unternehmers ist unwirksam, sofern die Preisbestimmung des Unternehmers sich bei abstrakt-genereller Betrachtung nicht in etwa in dem durch Treu und Glauben gebotenen Rahmen eines angemessenen Verhältnisses zwischen Einstandspreisen, Geschäftskosten, Geschäftsrisiken und dem Gewinn hält. Außerdem darf die Klausel nicht seine beliebige und unverhältnismäßige Ausübung gestatten.741 • Änderung der Auszahlungsvoraussetzungen mit Kündigung: Dass mit Ausspruch einer ordentlichen Kündigung der Unternehmer die Provision – anders als zuvor – erst auszahlen soll, nachdem der Kunde die Prämie für den vermittelten Versicherungsvertrag gezahlt hat (Entfallen der Vorfinanzierung), benachteiligt den HV unangemessen.742 • Bezirksprovision: Es werden Zweifel geäußert, ob bei Zuweisung eines Bezirkes die Bezirksvertreterprovision ausgeschlossen werden darf.743 Es soll einer Kompensation bedürfen.744 • Bezugnahme auf andere Dokumente: Folgende Vertragsklausel hält einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 3 S. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 2 BGB nicht stand: „Voraussetzung für die Zahlung von Superprovisionen und Provisionen für Eigengeschäft ist, dass der Mitarbeiter die Provisionsbedingungen, insb. die Stornohaftungsbedingungen, der einzelnen Gesellschaften anerkennt und das vertragsgemäß akzeptiert. Gleiches gilt für die allgemeinen Provisionsbestimmungen der Gesellschaft. Die Gesellschaft wird das Prozedere hierzu noch festlegen und dem Mitarbeiter mitteilen.“. Da die Provisions- und Stornohaftungsbedingungen dem Vertrag nicht beigefügt waren, fehlt es an der nötigen Transparenz. Außerdem legt die Bestimmung nahe, dass der Vertragspartner ohne nähere

737 OLG München NJW-RR 1997, 1057; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 60; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89 Rn 37. 738 BGH, Urt. v. 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, NJW-RR 1998, 629 (630) – Überhangprovision; v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07 Rn 21, VersR 2010, 249 = NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. v. Bodungen/Hesse = EWiR 2010, 119 (Emde); NJW-RR 1998, 629 (unter II 1 b). 739 BGH, Urt. v. 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, NJW-RR 1998, 629 (630); v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, VersR 2010, 249 = NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. v. Bodungen/Hesse = EWiR 2010, 119 (Emde); v. 10.12.1997 –VIII ZR 107/97, BB 1998, 391; Thume BB 2012, 975 (979). 740 LG Mainz, Urt. v. 20.6.2006 – 12 HKO 82/05, BeckRS 2007, 08487; Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (87); Preis/ Stoffels ZHR 160 (1996), 442 (477 ff.); Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 13. 741 LG Mainz, Urt. v. 20.6.2006 – 12 HKO 82/05, BeckRS 2007, 08487. 742 In diese Richtung OLG München, Urt. v. 29.7.2010 – 23 U 5643/09, BB 2010, 2987 m. Anm. von Bodungen/ Schnell, das die Frage aber offen lässt. 743 OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.5.2005 – 8 U 242/04, HVR Nr. 1156; v. 13.7.1971 – 8 U 104/71, BB 1971, 1123 = HVR Nr. 446 (Gebietschutz wurde übertragen und HV durfte auf Stellung als Bezirksvertreter vertrauen); wohl auch Thume BB 2012, 975 (981). 744 Thume BB 2012, 975 (981). Emde

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Kenntnis des Bezugnahmeobjekts auf jegliche Einwendung verzichten soll, was ebenfalls § 307 BGB widerspricht.745 Nachvertragliche Provision: Unwirksam ist angeblich der Wegfall der Pflicht zur Leistung nachvertraglicher Provision gem. § 87 Abs. 3 ohne Entschädigung746 (zur Provisionsverzichtsklausel s. auch unten bei wirksamen Klauseln und § 89b Rn 711 ff.). Provisionsgutschrift: Die Klausel eines Versicherungsvertretervertrages mit folgenden Worten747: „Sofern es sich um eine unbegrenzte Zusage handelt, erfolgt eine Auszahlung erst, wenn ausreichende Sicherheiten beigebracht worden sind (z. B. Vertrauensschadenversicherung, Bankbürgschaft)“. Die Regelung widerspreche dem Transparenzgebot und führe zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertreters (§ 307 BGB). Sprunghaftungsklauseln: Sprunghaftungsklauseln, bei denen der Unternehmer in durch Einmalprovision vergüteten Dauerschuldverhältnissen definiert, wann das Geschäft für ihn so werthaltig geworden ist, dass es vollständig zu vergüten ist, können unwirksam sein.748 Üblich sind Definitionen des Inhalts, denen zufolge eine gezahlte Provision nur rückerstattet werden muss, falls der Vertrag innerhalb einer festgelegten „Sprunghaftungsfrist“ scheitert. Gebräuchlich sind „Sprunghaftungsfristen“ von 12 oder 18, jedoch auch 27 Wochen.749 Derartige Klauseln sollen nach Ansicht von Dänekamp/Kölln den HV unangemessen benachteiligen, und zwar auch dann, wenn – wie häufig behauptet – vergleichsweise hohe Einmalprovisionen geleistet werden.750 Wären derartige Klauseln wirksam, könnte der Unternehmer beliebig bestimmen, wann der Ertrag die Größenordnung erreicht, die seinen Vorstellungen entspricht.751 Dies hätte die Konsequenz, dass Leistungen des Kunden, die innerhalb der Sprunghaftungsfrist von Kunden erbracht werden, vom Unternehmer vereinnahmt werden, ohne dass er Provision leisten müsste.752 Überhangprovision: Der BGH753 lässt offen, ob sie ihr durch AGB derogiert werden darf. Das sei jedenfalls unzulässig, wenn eine Fristenregelung die Provision auch für den Fall verspäteter und folglich vertragswidriger Lieferung ausschließt.754 Unwirksam ist daher die Klausel: „Für Verträge, die während der Vertragszeit abgeschlossen werden, die aber erst nach Vertragsbeendigung ausgeführt werden, erhält der HV Provision nur dann, wenn die Ausführung des Auftrags innerhalb von 6 Monaten nach Ausscheiden des HV erfolgt“.755 Eine Einmonatsfrist dürfte regelm. zu knapp bemessen sein. Verspätete Provisionsauszahlung: Gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist die Klausel, nach der Provisionszahlungen 3 Jahre auf einem Sicherheitskonto des Unternehmers festgelegt und erst dann an den HV ausgezahlt werden.756 Widersprüchliche Provisionsbestimungen in in einem HV-Vertrag und einem zeitgleich abgeschlossenen Kooperationsübereinkommen sind wegen Verstoßes gegen das

745 BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364 Rn 45 f. 746 Thume BB 2012, 975 (981); v. Bodungen/Hesse BB 2010, 533; BAG, Urt. v. 20.8.1996 – 9 AZR 471/95, BAGE 84, 17 (aber ausdrücklich nur für den AN unter Abgrenzung zum HV); aA Gräfe ZVertriebsR 2013, 362 (364); Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (529); Westphal I Rn 524. 747 OLG Köln VersR 2002, 355. 748 Mit individualvertraglicher Begründung aus § 87a Abs. 1 S. 3: BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220. 749 Dänekamp/Kölln NJW 2015, 3126 (3130). 750 Dänekamp/Kölln NJW 2015, 3126 (3130). 751 Dänekamp/Kölln NJW 2015, 3126 (3130). 752 Dänekamp/Kölln NJW 2015, 3126 (3130). 753 BGH, Urt. v. 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, NJW-RR 1998, 629 (630). 754 BGH, Urt. v. 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, NJW-RR 1998, 629 (630). 755 BGH, Urt. v. 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, NJW-RR 1998, 629. 756 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.2.1990, BB 1990, 1068; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 98. 73

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Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam, wenn unklar bleibt, welche Regelung unter welchen Voraussetzungen gelten soll.757 • Provisionsminderung bei Preisnachlässen: wenn der HV anteilige Provisionsminderungen hinzunehmen hat, falls der Unternehmer Preisnachlässe gewährt.758 • Verlustfreie Abwicklung: Die Vereinbarung einer Provision nur bei „verlustfreier Abwicklung des Kundengeschäfts“ ist unwirksam, sofern damit das vom Unternehmer zu tragende Verlustrisiko auf den HV verlagert werden soll. Der HV erwirbt seinen Provisionsanspruch auch bei Verlustgeschäften des Unternehmers. Ist er für jene verantwortlich, kann er einem Schadensersatzanspruch ausgesetzt sein.759 • Verwaltungsprovision: Bestimmung des Anteils verwaltender Provisionen in AGB, was die Einordnung als kontrollfähige Preisnebenabrede voraussetzt.760 Denn der werbende und verwaltende Provisionsanteil darf nicht abstrakt sondern nur konkret-individuell festgelegt werden.761 Die Klausel, 40762 bzw. 50 %763 der Provisionen seien verwaltende, ist gem. § 89b Abs. 4, § 307 BGB unwirksam. Deshalb dürfte eine konkrete Bestimmung in AGB schwierig sein. Sie setzt eine plausible, in allen außer fernliegenden Fällen zutreffende, klare Zuordnung zu den übernommenen Tätigkeiten voraus, die mit der Provision abgegolten werden.764 Unwirksam ist folglich die Klausel „Die Parteien sind sich darüber einig, dass 1 % des inkassierten Betrages, höchstens jedoch 50 % der vereinbarten Provisionen, für die Übernahme der vermittlungsfremden Leistungen und des Risikos der Durchführung des Inkasso gezahlt werden.“.765 Die Unwirksamkeit ergibt sich daraus, dass ein bestimmter Betrag der verwaltenden Provision zugerechnet wird und damit nicht dem Ausgleichsanspruch unterliegen soll.766 Rückgaberecht/Rücknahmepflicht von Lagerware und Ersatzteilen: Die Rücknahmepflicht des Unternehmers kann in AGB wegen § 307 BGB nur begrenzt eingeschränkt werden.767 Die Rücknahmepflicht kann formularmäßig insb. nicht generell ausgeschlossen,768 von der Zustimmung des Unternehmers769 oder in Fällen beschränkt werden, in denen das Vertragsende auf dem Verschulden des Unternehmers beruht.770 Sie kann auch nicht davon abhängig gemacht werden, dass den Hersteller keinerlei Verantwortlichkeit für die Vertragsbeendigung trifft. Denn der Hersteller ist zur Rücknahme auch verpflichtet, wenn die Kündigung von beiden Seiten zu vertreten ist.771 Ebenso unzulässig sind Klauseln, welche die Rücknahme ausschließen, falls den Händler keinerlei Verantwortung für das Vertragsende

757 758 759 760 761 762 763

OLG München, Beschl. v. 22.3.2012 – 23 U 4793/11, BeckRS 2012, 07024 = GWR 2012, 183 m. Anm. Köhl. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.4.1969, BB 1969, 1326; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 99. Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 9 sogar bei Individualverträgen. KG Berlin, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06; Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 528. Graf v. Westphalen NJW 2003, 1988. BGH, Urt. v. 21.4.2010 – VIII ZR 108/09, BeckRS 2010, 13559 Rn 15 (Tankstellen-HV). BGH, Urt. v. 11.11.2009 – VIII ZR 249/08, BeckRS 2009, 88043 Rn 16; v. 10.7.2002 – VIII ZR 58/00, BB 2002, 2151 = DB 2002, 2321 = NJW-RR 2002, 1548 = EWiR 2002, 1011 (Albicker) = WM 2003, 491 = VersR 2003, 242; Urt. v. 25.9.2002 – VIII ZR 253/99, ZIP 2003, 34 (38) = DB 2003, 146 = NJW 2003, 290 = WM 2003, 504 = MDR 2003, 279 = EWiR 2003, 435 (Just); KG Berlin, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06; OLG Hamm, Urt. v. 2.9.1999 – 4 U 26/99, EWiR 1999, 1127 (von Manteuffel/Evers). 764 BGH, Urt. v. 22.10.2003 – VIII ZR 117/03, NJW-RR 2004, 469; v. 1.6.2005 – VIII ZR 335/04, NJW-RR 2005, 1274. 765 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. 766 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. 767 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (151). 768 Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (87); Niebling WRP 2010, 1454 (1459). 769 Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (87). 770 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (151). 771 BGH BB 1988, 2201; Westphal II Rn 93. Emde

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trifft772 oder der Händler den Vertrag ordentlich gekündigt hat.773 Die ordentliche Kündigung ist keine Vertragsuntreue, sondern die Ausübung eines vertraglichen Rechts.774 Unwirksam ist die Klausel, zur Rücknahme der Vertragsware sei der Hersteller nicht verpflichtet, falls die Beendigung des Vertragsverhältnisses auf Umständen beruhe, die den Hersteller zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt haben oder hätten oder der Vertragshändler das Vertragsverhältnis auflöst, ohne seinerseits zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt zu sein. Die Klausel schließt den Anspruch auch für den Fall aus, dass den Vertragshändler keinerlei Verantwortlichkeit für die Vertragsbeendigung trifft. Darin liegt eine mit Treu und Glauben unvereinbare, unangemessene Benachteiligung des Händlers.775 Die Klausel eines Kfz-Händlervertrags mit der Verpflichtung, gelieferte Kfz nach Vertragsende zum Netto-Rechnungswert (Händlereinkaufspreis gem. Faktura Händler ohne MwSt. und Fracht- und sonstige Nebenkosten, abzüglich gewährter Preisnachlässe oder Rückvergütungen sowie abzüglich etwaiger Wertminderungen) zurückzukaufen, ist gem. § 307 BGB unwirksam.776 Die Klausel müsse so verstanden werden, als ob der Abzug für Wertminderungen auch Minderungen erfasse, die aufgrund des Alters der Kfz oder der Einführung eines Nachfolgemodells einträten. Dabei werde nicht danach differenziert, ob die Kündigung durch eine Vertragsverletzung des einen oder des anderen Teils ausgelöst werde, und von wem eine Kündigung ausgegangen sei. Vielmehr werde das Wertverlustrisiko infolge Zeitablaufs in allen Fällen einseitig auf den Händler verlagert, der eine Minderung des Rückkaufpreises selbst dann hinzunehmen habe, wenn sein Vertragspartner durch schuldhaftes Verhalten die Kündigung veranlasst habe. Zu erstatten sei der Händlereinstandspreis; Abzüge für Wertminderungen blieben ausgeschlossen. Der Rückkaufpreis sei zuzüglich gesetzlicher MwSt. zu entrichten.777 Ein zur Bestimmung des Rückkaufswertes vorgesehener Abzug von 25 % von dem Erstkaufpreis ist unangemessen. Eine geltungserhaltende Reduktion auf das gerade noch zulässige Maß von 10 %778 ist nicht möglich.779 Auch 15 % sollen zu beanstanden sein.780 In der Praxis sind die Verluste und Aufwendungen des Unternehmers höher.781 Die Klausel darf nicht so zu verstehen sein, dass der Abzug auch erfolgen soll, wenn das Rückkaufsrecht auf Grund einer gegen den Lieferanten gerichteten Schadenersatzanspruch eingreift. Denn dann besäße der Händler einen Anspruch auf den vollen Schadenersatzanspruch. Eine Klausel über den Abzug ist intransparent, wenn die zugrunde liegenden Bezugspreise nicht klar sind.782 Folglich ist auch eine Klausel, die für die Preisbestimmung auf generell übliche Bewertungsmaßstäbe, etwa steuerlicher Art, verweist, intransparent und unwirksam.783 Dem Händler darf nicht der Nachweis eines konkret geringeren Abzugs für die Kosten von Bearbeitung und Handling abgeschnitten werden (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. 309 Nr. 5b BGB).784 Unwirksam ist die Klausel, bei Rücknahme von Vorführwagen und gefahrenen Lagerwagen werde zusätzlich zu einer Pauschale von 15 % je gefahrenen Kilometer 772 BGHZ 128, 67; Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 178; Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (151). 773 BGH NJW-RR 1995, 524 (525) = BB 1995, 113; Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 46. 774 BGH NJW-RR 1995, 524 (525) = BB 1995, 113; OLG München BB 1993, 1753; Westphal II Rn 93; Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 178. 775 BGH, Urt. v. 23.11.1994 – XIII ZR 254/93. 776 OLG Hamburg, Urt. v. 20.11.2002 – 4 U 211/01, n. v. 777 OLG Hamburg, Urt. v. 20.11.2002 – 4 U 211/01, n. v. 778 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15; BB 1995, 113 (114); Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (150). 779 BGH, Urt. v. 23.11.1994 – XIII ZR 254/93, BGHZ 124, 351; Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 189. 780 OLG Stuttgart, Urt. v. 22.12.1994 – 13 U 72/94; aA Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 191. 781 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (150). 782 BGHZ 124, 351 = ZIP 1994, 461; Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 193 f. 783 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (150). 784 BGH NJW 1994, 1060 (1067); NJW 1985, 320 (326); Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 420. 75

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0,06 Cent zu Lasten des Vertragshändlers berechnet, jeweils zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Die Pauschale von 15 % verstoße gegen das Transparenzgebot und sei daher unangemessen, da nicht erkennbar werde, von welcher Bezugsgröße die Pauschale von 15 % zu berechnen sei. Allerdings blieben die restlichen Bestandteile der Klausel wirksam, da eine pauschale Nutzungsentschädigung in Höhe von 0,06 Cent zuzüglich der tatsächlich anfallenden Umsatzsteuer nicht unangemessen sei.785 Die Regelung, nach der der Händler verpflichtet wird, auf Verlangen des Herstellers den gesamten Lagerbestand an den Hersteller zu verkaufen, ist ebenfalls unwirksam: Der Händler werde bei kundenfeindlichster Auslegung gezwungen, auch solche Lagerware an den Hersteller zu veräußern, die er bereits anderweitig verkauft habe. Damit könne er sich nur entweder gegenüber dem Hersteller oder dem Abkäufer vertragsbrüchig verhalten.786 Die Rücknahmepflicht darf nicht auf „im Eigentum des Händlers stehende Ware“ beschränkt werden. Der Hersteller hat vielmehr auch Ware zurückzunehmen, die der Händler zum Zweck der Eigenfinanzierung an eine konzerneigene Bank des Herstellers sicherungsübereignet hat.787 Unwirksam ist ferner die Klausel, nur beim Hersteller erworbene Lagerware des Kfz-Vertragshändlers werde zurückgekauft. Damit würden Käufe bei anderen Händlern (Querlieferungen) erschwert.788 Gleiches gilt für die Klausel, Fahrzeuge mit einem Alter von mehr als einem Jahr nicht rückzukaufen.789 Unwirksam ist die Beschränkung der Rücknahmepflicht auf solche Teile, die weniger als 3 Jahre vor Vertragsende geliefert wurden,790 ein aktuelles Modell,791 auf in einer gültigen Ersatzteilliste genannte Teile,792 wiederverkaufsfähige793 oder hochfrequente Teile. Die Rücknahmepflicht darf auch nicht auf 55 % des Jahreseinkaufes beschränkt werden.794 Eine eventuelle Ausschlussfrist für die Rücknahme muss angemessen sein. Eine Ausschlussfrist von drei Monaten für den Rückkauf ist zu knapp,795 von 6796 oder 12 Monaten bleibt sie jedoch unbeanstandet.797 Der Händler wäre gerade in der mit vielen Schwierigkeiten verbundenen Umstellungsphase nach Ende des Händlervertrages erheblich belastet,798 zumal er in der vom BGH überprüften Klausel u. a. zu untersuchen hatte, ob die Teile neu, unbeschädigt, originalverpackt, fachgerecht gelagert und wiederverkaufsfähig waren. Nach Ansicht von Wauschkuhn799 stellt heute, angesichts der Möglichkeit der Erfassung des La785 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – XIII ZR 165/92. 786 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 787 KG BB 1999, 1518 m. Anm. Graf v. Westphalen. 788 BGH NJW 2000, 1191 = EWiR 2000, 361 (Emde); v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15; aA OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.7.2005 – 1 U 532/04, BeckRS 2005, 11628. In BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 93/08 wurde die Klausel nicht geprüft, aber auch nicht beanstandet. 789 KG BB 1999, 1518 m. Anm. Graf v. Westphalen. 790 BGHZ 124, 351 = BB 1995, 113; Westphal II Rn 98; Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 187. 791 BGH NJW 1994, 1060 (1066); aA für zum aktuellen Verkaufsprogramm des Unternehmers zählende Teile BGH WM 2007, 2048; DB 2008, 1913. 792 OLG Stuttgart, Urt. v. 22.12.1994 – 13 U 72/94; Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 182 – der Hersteller könnte sonst über die Rücknahmepflicht disponieren. In BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 93/08 wurde die Klausel nicht geprüft, aber auch nicht beanstandet. 793 BGH NJW 1994, 1060 (1067); Urt. v. 20.9.2006 – VIII ZR 127/04; Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 183. 794 Graf v. Westphalen Klauselwerke, Vertragshändlerverträge, Rn 43; Westphal II Rn 97; aA OLG Köln, BB 1987, 148 bei einer Umschlagshäufigkeitslage von zweimal im Jahr. 795 BGH BB 1995, 113 (115) = ZIP 1995, 222 (224); OLG München BB 1996, 1685 = ZIP 1996, 1550 (1553); krit. Flohr/ Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 51. 796 OLG Köln, Urt. v. 28.4.2006 – 19 U 195/05, BeckRS 2008, 12151; Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 51. 797 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.12.2006 – 5 U 124/05; aA KG BB 1999, 1518 (1519). 798 BGH BB 1995, 113 (115) = ZIP 1995, 222 (224); OLG München BB 1996, 1685 = ZIP 1996, 1550, 1553. 799 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (150). Emde

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gers per EDV, eine Frist von 3 Monaten keine unangemessene Benachteiligung des Händlers dar. Dies gelte zumindest für Güter mit beschränkter Haltbarkeit.800 Der Vorschlag einer wirksamen AGB-Klausel findet sich bei Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 152. Rückkaufrecht des Unternehmers: Hat der Unternehmer sich ein Rückkaufrecht hinsichtlich der noch beim Mittler vorhandenen Vertragsware vorbehalten (was zulässig ist801), so darf er weder einen Abzug für die Kosten des Transports, noch der Gefahrtragung oder eine sonstige Reduzierung des Rückkaufpreises gegenüber dem Einkaufspreis durch Formularvereinbarung regeln,802 da sonst die Dispositionsfreiheit des Mittlers sowie das Äquivalenzprinzip des Vertrags gestört würden.803 Die Verpflichtung eines HV, vom Unternehmer an Dritte veräußerte Waren vom Unternehmer nach Rückgabe durch den Dritten an den Unternehmer zurückzukaufen (Leasingrückläufer) soll unwirksam sein.804 Zudem trägt der HV hier leitbildwiderstreitend das Geschäftsrisiko. Nach Ansicht des BGH ist die Rückkaufgarantie als Hauptleistungsabrede einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB entzogen.805 Rücksendung von Ersatzteilen: Sie darf nicht von der Genehmigung des Herstellers abhängig gemacht werden.806 Schiedsgerichtsklausel: Unwirksam ist die nach New York weisende Schiedsgerichtsklausel in einem Subway-Franchisevertrag.807 Schulungskosten: Um die Unwirksamkeit der Klausel zu vermeiden, dürfen die Kosten von Schulungsmaßnahmen bei abstrakt-genereller Betrachtung nur in einem angemessenen Verhältnis zu den Umsatzerwartungen des Vertragshändlers stehen.808 Möglicherweise ist, um Unwirksamkeit zu vermeiden, zwischen den Kosten der Schulungsveranstaltung (Unternehmer) und des zu schulenden Personals (etwa Reisekosten) zu unterscheiden.809 Sieht der HV-Vertrag vor, dass der HV auf Kosten des Unternehmers zum Versicherungsfachmann ausgebildet wird, ist eine Klausel, nach welcher er die summenmäßig nicht bekannten Ausbildungskosten bei Abbruch der Ausbildung zurückzahlen muss, wegen § 307 BGB unwirksam. Dies gilt insbesondere, wenn diese Regelung auch bei fristloser Kündigung durch den Handelsvertreter gelten soll, weil sie dann dem zwingenden § 89a widerspricht.810 Schriftformklauseln, und zwar qualifizierte811 sowie einfache812 (zweifelhaft). Schweigen als vereinbarte Zustimmung, etwa bei der Anerkennung von Provisionsabrechnungen (s. auch § 308 Nr. 5 BGB). Steuerberater: Bestimmung eines vom Unternehmer vorgeschriebenen Steuerberaters oder anderen Beraters.813 Stornoreserve: Auch im Lichte des zwingenden § 87a Abs. 4 (Verschiebung des Fälligkeitszeitpunkts der Provisionszahlung) soll der Abzug von Teilen der Provision, um eine Storno-

800 801 802 803 804 805 806 807

Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (150). Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 55. Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 55. Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 426. Graf v. Westphalen BB 2009, 2378 (2384). BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, BeckRS 2014, 09743. BGH, Urt. v. 12.1.1994 – XIII ZR 165/92. OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2013 – VI-U (Kart) 1/13, BeckRS 2014, 12436. Für die Anerkennung eines Schiedsspruches auch OLG Bremen, Beschl. v. 30.10.2008 – 2 Sch 2/08, OLGR 2009, 155. 808 Genzow Rn 78; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 185. 809 Habersack/Ulmer S. 65. 810 OLG Celle, Urt. v. 24.4.2003 – 11 U 226/02; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 101; aA BAG, Urt. v. 24.10.2002, MDR 2003, 814 (815). 811 BGH NJW 1985, 630; Hopt § 85 Rn 5. 812 Hopt § 85 Rn 5. 813 Zum Franchiserecht: Giesler/Nauschütt § 9 Rn 71; Giesler/Kroll1 § 4 Rn 167; Liesegang BB 1991, 2381 (2383); aA Flohr Franchise-Vertrag, S. 164. 77

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reserve aufzufüllen, grds. zulässig sein (siehe Kommentierung zu § 92), etwa in Höhe eines 10 %igen Anteils der verdienten Provision.814 Es müssen aber transparente und durch den HV beweisbare Voraussetzungen für die Auszahlung der Stornoreserve vereinbart sein, damit die Klausel über den Stornoeinbehalt wirksam ist. Der allgemeine Vorbehalt, demzufolge der HV dem Unternehmer angemessene Sicherheiten zu stellen hat, ist vor diesem Hintergrund problematisch. Die Klausel in dem Vertrag eines VV, wonach dessen Anspruch auf Auszahlung der Stornoreserve nach seinem Ausscheiden erst entsteht, wenn sämtliche Forderungen des Unternehmers gegen ihn ausgeglichen sind und sämtliche Verträge sich außerhalb der Haftungszeit befinden, ist unwirksam, weil sie den VV entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.815 Unwirksam ist auch die Regelung, derzufolge der HV erst über die auf das Stornokonto gebuchten Provisionsanteile verfügen kann, nachdem sich kein Vertrag mehr in der Haftungszeit befindet und auch sonst keine Rückforderungsansprüche „bestehen oder entstehen können“. Denn damit scheidet während des laufenden Vertragsverhältnisses eine Verfügung über das Konto aus.816 Die Klausel über den Einbehalt der Stornoreserve muss vorsehen, dass die Stornoreserve nach Vertragsende binnen eines angemessenen Zeitraums ausbezahlt wird,817 wobei die Auszahlung innerhalb eines Jahres nach Vertragsende noch angemessen sein soll,818 nicht jedoch erst drei Jahre nach Vertragsende.819 Im Versicherungsvertrieb wird man wegen § 49 VAG (früher: 80 Abs. 5 VAG) in den von dieser Regelung betroffenen Sparten einen Auszahlungszeitraum von 5 Jahren zulassen müssen.820 Sie orientiert sich an der 5jährigen Stornohaftzeit i.s.d. § 49 VAG und ist daher risiko- und interessengerecht.821 Ist die Regelung zum Einbehalt der Stornoreserve unwirksam, muss das Guthaben vollständig und sofort ausgezahlt werden.822 Strukturkündigung: Ein außerordentliches Kündigungsrecht wegen einer Strukturkündigung ist gem. § 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB unwirksam, wenn dem Mittler für die Strukturkündigung kein angemessener Ausgleich geleistet wird, etwa ihm die Umsatz- und Gewinneinbußen erstattet werden.823 Zudem wird oft nur nur dem Hersteller ein Strukturkündigungsrecht zubilligt.824 Das benachteiligt den Händler. Denn auch Händlerketten können Interesse an einer Strukturkündigung haben;825 Teilkündigungsklauseln.826 Dem HV wird ein Vertrag aufgezwungen, den er so nicht geschlossen hat827 und es werden ihm wesentliche Vertragsrechte einseitig und meist auch ohne Einhaltung der Kündigungsfristen des § 89 entzogen. Dieser einseitige Eingriff in das

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BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364 Rn 57. OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.10.2012 – 16 U 134/11, NJOZ 2013, 894 m. Anm. Evers VW 2013, 46. BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364 Rn 60. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1990 – 16 U 97/89, BB 1990, 1086. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1990 – 16 U 97/89, BB 1990, 1086. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1990 – 16 U 97/89, BB 1990, 1086. LG München I, Urt. v. 21.2.2017 – 13 HKO 23526/15; AG Kiel, Beschl. v. 25.7.2014 – 115 C 274/14 – jedenfalls bei gestaffelter Auszahlung von 2/10 im ersten Jahr nach Vertragsende, 3/10 nach zwei Jahren, 3/10 nach drei Jahren, 1/10 nach vier Jahren und 1/10 fünf Jahre nach Vertragsende. 821 OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (381) – VV; LG München I, Urt. v. 21.2.2017 – 13 HKO 23526/15; AG Kiel, Beschl. v. 25.7.2014 – 115 C 274/14 – jedenfalls bei gestaffelter Auszahlung von 2/10 im ersten Jahr nach Vertragsende, 3/10 nach zwei Jahren, 3/10 nach drei Jahren, 1/10 nach vier Jahren und 1/10 fünf Jahre nach Vertragsende. 822 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.10.2012 – 16 U 134/11, NJOZ 2013, 894 m. Anm. Evers VW 2013, 46; aA OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.2.1993 – 16 U 79/92. 823 Flohr ZVertriebsR 2018, 147 (150) – Franchiserecht. 824 Vgl. Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618; Emde BB 2009, 2330 ff. 825 Emde BB 2009, 2330 (2332). 826 Zum Bankvertrag siehe BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 74/05, NJW 2006, 430 = DB 2006, 333; zur Unzulässigkeit der Teilkündigung BGH BB 2000, 60 mit Anm. Emde = EWiR 2000, 153 (Emde); Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 22 f. 827 Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 82; Nocker Ausgleichsanspruch, Wien 2001, Rn 231 f. Emde

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Vertragsgefüge ist unbillig. Jede Teilkündigungsklausel muss nach § 307 BGB zulässig sein und transparent formuliert werden.828 Unzulässig ist die Klausel, der Hersteller sei berechtigt, durch Teilkündigung mit einer Frist von 12 Monaten unter Aufrechterhaltung des Vertrages im übrigen die Ausübung der Händlertätigkeit zu beschränken oder das Vertragsgebiet zu verkleinern bzw. weitere Vertragshändler einzusetzen und Niederlassungen zu errichten.829 Die Teilkündigung darf nicht daran angeknüpft werden, dass der Anteil der Zulassungen des Händlers an der Gesamtzahl der Zulassungen im Vertragsgebiet 25 % unter dem bundesweiten Anteil der Zulassungen der Kfz des Herstellers liegt.830 Auch die Lieferungs- und Zahlungsbedingungen sowie Händlerrichtlinien dürfen nicht mit einer Frist von 12 Monaten durch schriftliche Erklärung abgeändert werden.831 Ob sich die Unzulässigkeit dadurch begründen lässt, mit der Kündigung trete eine unbillige Verschlechterung der Beweislastsituation des HV in Bezug auf den Ausgleichsanspruch ein (weil er bei der Teilkündigung einen begründeten Anlass i. S. d. § 89b Abs. 3 Nr. 1 nachweisen muss, was er im Falle einer Änderungskündigung nicht braucht),832 erscheint zweifelhaft, weil es Aufgabe der Rspr. ist, Berechnungswege zu entwickeln. Ausnahmsweise kann die Klausel wirksam sein, wenn für die Teilkündigung eine angemessene, von § 89b unabhängige Kompensation gewährt wird.833 Sie muss jedenfalls die bis zum Ablauf der ersten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit des Ändernden entstehenden Nachteile des Betroffenen ausgleichen, transparent geregelt sein und darf nicht zu Rechtsunsicherheit führen. Ferner kann die Teilkündigung in Sonderfällen zulässig sein, in welchen evidente und schwerwiegende Kündigungsgründe in den AGB konkret und transparent benannt sind.834 Viele halten die Teilkündigung gänzlich für unwirksam.835 Auch AGB, wonach eine Zuschussvereinbarung durch den Unternehmer isoliert vom Hauptvertrag mit einer unterhalb der Fristen des § 89 liegenden Kündigungsfrist gekündigt werden kann, sollen gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein.836 Eine Kündigung mit kürzerer Frist widerspreche dem Sinn und Zweck des Zuschusses. Er diene dazu, den Lebensunterhalt des HV bis zum Aufbau eines ausreichenden Bestandes zu sichern, wie sich auch an der gestaffelten Höhe zeige. Dieser Zweck werde durch das Kündigungsrecht vereitelt. Der HV müsste weiter tätig sein, ohne ein ausreichendes Einkommen zu erzielen.837 Siehe ferner das Stichwort „Vertragsgebiet“. Unterlagen: Pflicht zum Kauf der nach § 86a zu überlassenden Unterlagen, etwa einer Musterkollektion.838 Die Verpflichtung zum Kauf solcher Unterlagen widerspricht dem unabdingbaren § 86a Abs. 1, wonach der Unternehmer dem HV die für seine Tätigkeit erforderli-

828 Hopt § 89 Rn 18; Oetker/Busche3 § 89 Rn 13. 829 BGH, Urt. v. 6.10.1999 – VIII ZR 125/98, BB 2000, 60 m. Anm. Emde = NJW 2000, 515 = EWiR 2000, 153 (Emde) und Anm. Westphal OLGR 16/2000, K 35.

830 BGH, Urt. v. 6.10.1999 – VIII ZR 125/98, BB 2000, 60 m. Anm. Emde = NJW 2000, 515 = EWiR 2000, 153 (Emde) und Anm. Westphal OLGR 16/2000, K 35 (Benachteiligung bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs, fehlender Ausgleich der Interessen). 831 BGH, Urt. v. 6.10.1999 – VIII ZR 125/98, BB 2000, 60 m. Anm. Emde = NJW 2000, 515 = EWiR 2000, 153 (Emde) und Anm. Westphal OLGR 16/2000, K 35. 832 BGH, Urt. v. 6.10.1999 – VIII ZR 125/98, BB 2000, 60 m. insoweit abl. Anm. Emde; BGH BB 1984, 233 (235); Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume/Haas4 § 89 Rn 16. 833 BGH, Urt. v. 6.10.1999 – VIII ZR 125/98, BB 2000, 60 (62) m. Anm. Emde BB 1988, 220; BGHZ 124, 351 (354); 89, 206 (211). 834 Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 85. 835 OLG Köln NJW-RR 2002, 602 (603); Emde BB 2000, 63 (65); Genzow Rn 114; Graf v. Westphalen Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragshändlerverträge, 1994, Rn 19. 836 LG Düsseldorf, Urt. v. 14.7.2017 – 39 O 47/16, ZVertriebsR 2018, 49 (50) m. Anm. Winter. 837 LG Düsseldorf, Urt. v. 14.7.2017 – 39 O 47/16, ZVertriebsR 2018, 49 (50) m. Anm. Winter. 838 LG Stuttgart, Urt. v. 20.2.1990, HVR Nr. 690; OLG Düsseldorf HVR Nr. 770; OLG München HVR Nr. 991; Hopt § 86a Rn 6. 79

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chen Unterlagen zur Verfügung stellen müsse. Auch hier hätte die Entscheidung daher in einem Individualvertrag nicht abweichend lauten dürfen. Untervertreter: Die Klausel, der Hersteller werde eine Zustimmung zu Abschluss, Änderung oder Beendigung eines Untervertretervertrages nur verweigern, wenn sachlich gerechtfertigte Gründe die Verweigerung geboten erscheinen ließen. Durch die Abwägung, ob sachlich gerechtfertigte Gründe die Verweigerung geboten erscheinen ließen, entstehe ein ungerechtfertigter Ermessensspielraum.839 Unwirksam ist auch die in einem Untervertretervertrag enthaltene Klausel, wonach ein Anspruch auf Provision beim Untervertreter erst entsteht, falls beim Hauptvertreter für das vom Untervertreter vermittelte Geschäft Provisionszahlungen eingegangen sind. Dies gilt auch für die Klausel, nach der Provisionsansprüche des Untervertreters davon abhängen, dass der Hauptvertreter Provisionen innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Vertriebsvertrags für von dem Untervertreter vermittelte Geschäfte erhalten hat.840 Nach §§ 87, 87a ist für das Bestehen eines Provisionsanspruchs des HV maßgeblich, ob das vermittelte Geschäft abgeschlossen und ausgeführt wird. Das Entstehen und ein etwaiges Erlöschen des Provisionsanspruchs knüpft stets an Umstände des „Hauptgeschäfts“ an. Demgegenüber würde nach der genannten Klausel der Provisionsanspruch nur bestehen, wenn der Hauptvertreter eine Provisionszahlung erhalten hat, und zwar unabhängig von Abschluss, Ausführung oder Erfüllung des vermittelten Geschäfts. Dies steht mit der gesetzlichen Konzeption des Provisionsanspruchs nicht in Einklang. Daran ändert auch nichts, dass von den Regelungen der §§ 87, 87a Abs. 1 grds. zu Lasten des HV abgewichen werden kann. Generell kann aus dem Umstand, dass gesetzliche Regelungen abdingbar sind, nicht auf die Zulässigkeit bestimmter Abweichungen gerade in AGB geschlossen werden.841 Die Ansprüche ständen letztlich im Belieben des Hauptvertreters. Die letztgenannte Klausel verstößt zudem gegen die zwingenden § 87a Abs. 3 S. 1, Abs. 5. Der HV besitzt einen Provisionsanspruch auch dann, wenn der Unternehmer das Geschäft nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen wird. Ein Geschäft wird auch dann „nicht so ausgeführt wie es abgeschlossen worden ist“, wenn es verspätet ausgeführt wird. Es kann deshalb Fälle geben, in denen der Hauptvertreter wegen „verspäteter“ Ausführung des Vertrags durch den Unternehmer einen Anspruch auf Provision auf Grund des durch den Untervertreter vermittelten Vertrags hat, Provisionszahlungen auch tatsächlich erhält und gleichwohl Provisionen nicht auszuzahlen hat. Verjährung: Die Verjährung kann auch in Vertriebsverträgen durch AGB verkürzt werden.842 Es soll aber eines anerkennswerten Interesses an der Verjährungsverkürzung bedürfen.843 Jedenfalls sind sowohl innerhalb844 wie außerhalb des unternehmerischen Verkehrs845 Klauseln unwirksam, sofern sie von der Verjährungsverkürzung nicht die Fälle des Vorsatzes846

839 OLG Frankfurt, Urt. v. 25.2.2004 – 1 U 31/03. 840 OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 = MDR 2009, 703 = BB-online BBL 2009225-4, www.betriebsberater.de. 841 OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 (1700) = MDR 2009, 703 = BBL 2009-225-4, www.betriebsberater.de. 842 Siehe die nachfolgenden Zitate sowie Haskamp ZVertriebsR 2015, 360. 843 OLG Hamm, Urt. v. 30.1.2017 – 18 U 94/16, NJW-RR 2017, 934 Rn 33. 844 BGH, Urt. v. 26.2.2009 – Xa ZR 141/07, NJW 2009, 1486; v. 29.5.2008 – III ZR 59/07, NJW-RR 2008, 1129 = BB 2008, 1529; v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, NJW 2007, 674; OLG Köln, Urt. v. 16.4.2010 − 19 U 142/09, NJOZ 2011, 1056; aA für den unternehmerischen Verkehr LG Stuttgart, Urt. v. 3.8.2011 – 39 O 19/10 KfH. 845 BGH, Urt. v. 22.9.2015 – II ZR 340/14, ZIP 2015, 2414 (keine vertriebsrechtl. Entsch.); v. 19.9.2007 – VIII ZR 141/ 06, NJW 2007, 3774; OLG Köln, Urt. v. 16.4.2010 − 19 U 142/09, NJOZ 2011, 1056; Palandt/Grüneberg § 309 Rn 48. 846 BGH, Urt. v. 26.2.2009 – Xa ZR 141/07, NJW 2009, 1486; v. 29.5.2008 – III ZR 59/07, NJW-RR 2008, 1129 = BB 2008, 1529; v. 19.9.2007 – VIII ZR 141/06, NJW 2007, 3774; v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, NJW 2007, 674; OLG Stuttgart, Urt. v. 2.7.2019 – 10 U 22/19, ZVertriebsR 2020, 108 Rn 48; OLG Hamm, Urt. v. 30.1.2017 – 18 U 94/16, NJW-RR 2017, 934 Rn 33; OLG Hamburg, Urt. v. 15.8.2015 – 18 U 182/14, IHR 2016, 85 (88) – HV-Vertrag; OLG Köln, Urt. v. 16.4.2010 − 19 U 142/09, NJOZ 2011, 1056; aA für den unternehmerischen Verkehr LG Stuttgart, Urt. v. 3.8.2011 – 39 O 19/10 KfH. Emde

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sowie der §§ 307, 309 Nr. 7,847 202 BGB ausnehmen. Unwirksamkeit tritt ebenso ein bei Verjährung der Ansprüche binnen 6 Monaten nach Fälligkeit (Verstoß gegen Treu und Glauben)848 bzw. falls alle Ansprüche aus dem Vertrag unabhängig von einer Kenntnis des HV 12 Monate nach dem Eintritt der Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs verjähren.849 Die Bestimmung könne zur Folge haben, dass Ansprüche verjähren, ehe der HV von ihrer Existenz Kenntnis erlange.850 Es besteht weder ein anerkennenswertes Interesse des HV851 noch entspreche es Treu und Glauben, die Verjährung beginnen zu lassen, ehe der Berechtigte in der Lage sei, den Anspruch geltend zu machen.852 Zudem benachteilige die Klausel den HV unangemessen und sei mit wesentlichen Grundgedanken des § 88 (nach Streichung: § 195 BGB) unvereinbar.853 Klapperich854 sowie das OLG München855 widersprechen dem: Es bestehe, so Klapperich, für beide Vertragspartner ein Interesse, verjährungsverkürzende Vereinbarungen zu treffen. Nach Ansicht des OLG München856 hält die Klausel „die Verjährungsfrist für Ansprüche der Vertragsparteien beträgt abweichend von § 88 HGB (a. F.) ein Jahr. Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist“, der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB stand. Entgegen dem BGH857 sei der Lauf der Verjährung unabhängig von der Kenntnis des VV von seinen Ansprüchen nicht zu beanstanden. Der Vertrag sehe weder einen Gebietsnoch Kundenschutz vor und der HV sei über mögliche Ansprüche stets informiert worden. Mit dem BGH ist dem OLG München nicht zuzustimmen: Grundsätzlich weisen gesetzliche Vorschriften über die Verjährung einen hohen Gerechtigkeitsgehalt auf.858 Dieser ist in einem formularmäßigen HV-Vertrag zu respektieren.859 Wenngleich bei verheimlichten Ansprüchen der HV im Wege der Naturalrestitution so wie bei zeitgerechter Information zu stellen ist,860 bleibt es ein Element elementarer Gerechtigkeit, dass der Lauf der Verjährung nicht vor Kenntnis des HV von seinen Ansprüchen beginnen darf. Fehlende Kenntnis ist insb. bei Direktgeschäften oder bei Ausführung abweichend von den Bestimmungen des vermittelten Vertrag (§ 87a Abs. 3) denkbar. In die gleiche Richtung geht die Begründung der Unwirksamkeit bei folgender Klausel: „Die Verjährungsfrist für alle Ansprüche aus diesem Vertragsverhältnis beträgt 2 Jahre. Sie beginnt mit der Kenntnis von der Entstehung des Anspruchs.“ Die Klausel erlaube nach der konkreten Vertragsgestaltung die Deutung, dass Provisionsansprüche bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit verjähren könnten, weil die Fälligkeit erst mit der Erstellung der

847 OLG Celle, Urt. v. 16.2.2017 – 11 U 88/16, ZVertriebsR 2017, 230 Rn 19. 848 OLG Celle, Urt. v. 12.2.1988, NJW-RR 1988, 1064; aA LG Münster, Urt. v. 30.3.1978 – 7b O 169/77, n. v. sowie mglw. BGH, Urt. v. 10.5.1990, BB 1990, 2066 (2067) – mglw. inzwischen überholt.

849 BGH, Urt. v. 3.4.1996, MDR 1996, 801 = NJW 1996, 2097; OLG München, Urt. v. 3.11.2010 – 7 U 3083/10, BeckRS 2010, 27223; Urt. v. 15.11.2000 – 7 U 3545/00, OLGR München 2001, 111; v. 7.2.1996 – 7 U 5042/95, NJW-RR 1996, 991; OLG Hamm, Urt. v. 15.1.1999 – 35 U 30/98, VersR 1999, 1492 = NJW-RR 1999, 1712; OLG Celle, Urt. v. 12.2.1988 – 11 U 62/87, NJW-RR 1988, 1064; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume3 § 88 Rn 9; aA OLG München v. 12.12.2007 – 7 U 3750/07, VersR 2009, 112 zu einem Sonderfall (zwh.). 850 BGH, Urt. v. 10.5.1990, BB 1990, 2060; v. 3.4.1996, MDR 1996, 801 = NJW 1996, 2097; OLG Hamm VersR 1999, 1492 = NJW-RR 1999, 1712. 851 OLG Hamm, Urt. v. 30.1.2017 – 18 U 94/16, NJW-RR 2017, 934 Rn 33. 852 OLG Hamm, Urt. v. 15.1.1999 – 35 U 30/98, VersR 1999, 1492 = NJW-RR 1999, 1712. Das kann aber nur für die gesetzliche Fristen verkürzende Klauseln gelten, da auch das Gesetz kenntnisunabhängige Verjährungsregeln kennt. 853 OLG Celle, Urt. v. 12.2.1988, NJW–RR 1988, 1074. 854 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 103. 855 OLG München, Urt. v. 12.12.2007 – 7 U 3750/07, BB 2008, 117 = VersR 2009, 112. 856 OLG München, Urt. v. 12.12.2007 – 7 U 3750/07, BB 2008, 117 = VersR 2009, 112. 857 Urt. v. 3.4.1996, VersR 1996, 848 = NJW 1996, 2097. 858 Emde VersR 2001, 148 (151). 859 OLG München, Urt. v. 7.2.1996 – 7 U 5042/95, NJW-RR 1996, 991 (992). 860 BGH, Urt. v. 28.1.1977 – I ZR 171/75, WM 1977, 410 = BB 1977, 414; OLG Schleswig, Hinweisbeschl. v. 27.11.2008 – 14 U 134/08. 81

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Provisionsabrechnung eintreten sollte.861 Unwirksam ist auch die Klausel „Ansprüche aus diesem Vertrag verjähren in 13 Monaten ab dem Ende des Monats, in dem der Anspruchsberechtigte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt, spätestens aber in 3 Jahren, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem die Fälligkeit eintritt“.862 Begründung: § 202 Abs. 1 BGB. Im Übrigen liegt eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB darin, dass mittelbar die Haftung für vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Pflichtverletzung begrenzt wird.863 Unzulässig ist wegen §§ 307, 89b Abs. 4 S. 1 eine unterhalb der 1jährigen Geltungsmachungsfrist des § 89b vereinbarte Verjährungsfrist, soweit der Ausgleichsanspruch erfasst sein soll.864 Eberstein865 hält nach Fortfall des § 88 jede verjährungsverkürzende Regelung – auch individualvertraglich – für unzulässig (zwh., siehe Rn 832 ff.). In Vertragshändlerverträgen dürften zwei Jahre unterschreitende, kenntnisunabhängige Verjährungsklauseln problematisch sein, und zwar wegen der Einschränkung der Rückgriffsmöglichkeiten nach § 478. 445a BGB. Nach Ansicht von Hasskamp866 ist Voraussetzung einer Verjährungsverkürzung in AGB, dass von der Verjährungsverkürzung sowohl Ansprüche des HV wie des Unternehmers betroffen sind. Versicherung: Die Klausel eines Vertrages betreffend die Berufsunfähigkeitsversicherung eines VV, nach der der Anspruch auf eine Rente davon abhängig ist, dass er frühestens nach Abgabe des gesamten Versicherungsbestands geltend gemacht werden kann, ist unwirksam.867 Bei teilweiser Berufsunfähigkeit würde etwa keine Rente entstehen. Versicherung des FG: die Verpflichtung des FN, Versicherungen abzuschließen, durch die nicht nur er und seine Angestellten, sondern auch der FG, mit ihm verbundene Unternehmen sowie seine Beauftragten und Angestellten Versicherungsschutz erhalten sowie die zusätzlich Versicherten gegen jede Art von Haftung, Schaden, Verlust und Aufwendung (einschließlich Anwaltsgebühren) und Schäden schadlos zu halten, die bei oder im Zusammenhang mit dem Betrieb des Restaurants entstehen, und zwar unabhängig von ihrer Ursache oder einem Verschulden oder Fahrlässigkeit (einschließlich alleinigem oder zusammenwirkenden Verschulden) seitens des Mitversicherten. Für eine solche weitreichende Regelung besteht kein schützenswertes Interesse des FG.868 Außerdem dürfte die Klausel ist unklar sein. Vertragsbeendigung: die Klausel „Der Vertrag endet auch dann, wenn zwischen Unternehmer und dem Eigentümer ein über das Grundstück oder die Räumlichkeiten des HV bestehender Miet-, Pacht- oder Erbbaurechtsvertrag oder ein ähnliches Rechtsverhältnis, gleich aus welchem Grunde, endet.“.869 Der HV wird unangemessen benachteiligt, da er bei einem durch Verschulden des Unternehmers verursachten Standortwegfall seine wirtschaftliche Existenz verliert, ohne dass ihm wenigstens eine Reaktionszeit wie bei einer ordentlichen Kündigung verbleibt.870

861 OLG Hamburg, Urt. v. 15.8.2015 – 18 U 182/14, IHR 2016, 85 (88). Außerdem nahm das OLG einen Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB an, weil die Verjährung undifferenziert auch für die Haftung wegen Vorsatzes eintreten konnte. 862 OLG Stuttgart, Urt. v. 2.7.2019 – 10 U 22/19, ZVertriebsR 2020, 108 Rn 46 ff. 863 OLG Stuttgart, Urt. v. 2.7.2019 – 10 U 22/19, ZVertriebsR 2020, 108 Rn 49. 864 BGH, Urt. v. 3.4.1996, VersR 1996, 848 = NJW 1996, 2097; OLG München, Urt. v. 15.11.2000 – 7 U 3545/00, OLGR München 2001, 111; v. 7.2.1996 – 7 U 5042/95, NJW-RR 1996, 991; OLG Hamm, Urt. v. 15.1.1999 – 35 U 30/98, VersR 1999, 1492 = NJW-RR 1999, 1712; OLG Celle, Urt. v. 12.2.1988 – 11 U 62/87, NJW-RR 1988, 1064; Küstner/Thume/ Küstner I3 Rn 1305; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 88 Rn 9; aA OLG München, Urt. v. 12.12.2007 – 7 U 3750/ 07, VersR 2009, 112 zu einem Sonderfall (zwh.). 865 Der Handelsvertreter-Vertrag, S. 180. 866 ZVertriebsR 2015, 360 (361). 867 OLG Saarbrücken, Urt. v. 3.12.2014 – 5 U 17/14, VersR 2015, 1365. 868 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2013 – VI-U (Kart) 1/13, BeckRS 2014, 12436 – Subway. 869 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06 – Tankstellen-HV. 870 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06 – Tankstellen-HV. Emde

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Vertragsgebiet, Änderungen: Hier gilt das zur Teilkündigung Gesagte entsprechend. Vertragslaufzeit: Zu lange Unkündbarkeit. Die formularmäßig zulässige Grenze soll bei ca. 10 Jahren liegen,871 es sei denn, es gibt – der Transparenz wegen – möglichst im Vertrag benannte Gründe für eine längere Laufzeit. Nach Ansicht von Niebling872 sind Vertragshändler- und Franchiseverträge mit einer 5 Jahre übersteigenden Vertriebsbindung unwirksam, weil die Laufzeit dem Leitbild der GVO 330/10 widerspricht. Dies dürfte zwh. sein, weil die 5jährige Laufzeit nur für dem Vertriebsmittler auferlegte Wettbewerbsverbote gilt. Die 20jährige Laufzeit eines Franchisevertrages soll gem. § 307 BGB unwirksam sein.873 Vertragspartner: Recht des Unternehmers, an seiner Stelle jederzeit einen anderen Vertragspartner einzusetzen, es sei denn, es existieren sachliche Gründe und sie werden enumerativ benannt (etwa Aufbau eines mehrstufigen Vertriebssystems).874 Anderenfalls könnte der Unternehmer dem Mittler einen insolventen Vertragspartner unterschieben, was bereits § 826 BGB widersprechen dürfte. Vertragsstrafe: • Eine AGB, wonach eine Vertragsstrafe unabhängig von dem Verschulden des Vertragspartners verwirkt werden kann.875 • Vertragsstrafe zur Absicherung eines Wettbewerbsverbots in Höhe einer doppelten Monatsprovision (hier: 17.000 EUR) für jeden Fall der Zuwiderhandlung, weil sie zur Zerstörung der wirtschaftlichen Existenz des HV führen kann.876 • Vertragsstrafe eines Franchisevertrages in Höhe von 2.500 EUR zuzüglich MwSt für jeden Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot und die Geheimhaltungspflicht unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs, sofern das Vertragsstrafeversprechen verschuldensunabhängig gelten soll. Eine solche Regelung ist nur bei gewichtigen Gründen zulässig. • Vertragsstrafeversprechen in einem Vertrag mit einem unechten Hauptvertreter, nach der sich dieser verpflichtet, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ein Abwerbeverbot eine Vertragsstrafe von 5.000 EUR zu zahlen. Grund: Die Vertragsstrafe differenziert weder nach der objektiven Schwere des Verstoßes, etwa Versuch und Vollendung, noch dem Grad des Verschuldens. Auch fehlt eine Obergrenze.877 Unwirksam ist auch die Vereinbarung, dass für jeden Fall der Abwerbung eines Vertriebspartners eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 EUR „unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs“ versprochen wird. Der generelle Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs benachteiligt den Verwendungsgegner unangemessen; die Vertragsstrafenbestimmung ist insgesamt unwirksam.878 • Vertragsstrafe von 2.500 EUR für jeden Wettbewerbsverstoß, unabhängig von der Schwere und dem Verschulden sowie ohne Obergrenze. Das Bedürfnis, sich gegen einen Wettbewerbsverstoß durch eine Vertragsstrafe zu sichern, sei nicht übermächtig groß. Denn dem Unternehmer stehe ein Schadenersatzanspruch zu, der sich auch durchsetzen lasse, weil sowohl der Ersatzanspruch wie die Vertragsstrafe voraussetz-

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Vgl. zum Franchiserecht: Giesler/Nauschütt, § 9 Rn 80; aA Niebling JR 2009, 393. Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (85); Niebling WRP 2009, 153 (154); Niebling JR 2009, 393. LG Düsseldorf, Urt. v. 21.11.2013 – 14c O 129/12U, WuW DE-R 4417 = BeckRS 2014, 10383. Zum Franchiserecht: Giesler/Nauschütt, § 9 Rn 77. BGH, Urt. v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, 2111 = VersR 2013, 860 = WM 2013, 878; LG Hamburg, Urt. v. 20.7.2018 – 317 O 101/17. 876 OLG Hamm, Urt. v. 2.12.1983, MDR 1984, 404. 877 LG Gießen, Urt. v. 31.8.2001 – 8 O 78/99. Problem der Obergrenze: Der Vertriebsmittler kann sich ausrechnen, ob sich Vertragstreue oder Vertragsverstoß eher lohnen, s. Flohr ZVertriebsR 2012, 53. 878 OLG Köln, Beschl. v. 15.6.2010 – 19 U 53/10, BeckRS 2011, 04593; OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/ 01, BB 2002, 2521 (zu einem Franchisevertrag); LG Bonn, Teilurt. v. 13.6.2012 – 16 O 4/11, BeckRS 2013, 17651. 83

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ten, dass der Verstoß bekannt sei. Die Möglichkeit der Herabsetzung nach § 343 BGB bleibe im Klauselkontrollverfahren außer Betracht.879 Eine dem VV auferlegte Vertragsstrafe für jeden vorsätzlichen und fahrlässigen Wettbewerbsverstoß von 25.000 EUR ohne Differenzierung nach der Schwere des Verstoßes benachteiligt den HV unangemessen i. S. d. § 307 BGB, weil die Pönale auch im Falle leicht fahrlässiger Verstöße fällig gestellt werden soll, etwa nach Vermittlung einer Kfz-Versicherung an einen Kunden, von dem der VV die Eigenschaft als Kunde des Unternehmers nicht kannte.880 Die Klausel, nach der eine Vertragsstrafe nicht auf den aus demselben Grund resultierenden Schadenersatzanspruch anzurechnen ist.881 Eine zu hohe und verschuldensunabhängige Vertragsstrafe.882 Die Vertragsstrafe muss auch bei geringstmöglichem Verdienst noch angemessen sein.883 Die Unwirksamkeit kann sich auch daraus ergeben, dass nur der Vertreter die Strafe leisten soll (etwa bei beide Parteien treffenden Wettbewerbsverbot).884 Wenn einem HV für jeden Fall der Verletzung des Kunden- wie Quellenschutzes eine „Konventionalstrafe“ von 50.000 EUR auferlegt wird.885 Die unangemessen hohe Vertragsstrafe verstoße gegen Treu und Glauben. AGB unterlägen einer Inhaltskontrolle, ob sie eine § 242 BGB widerstreitende Benachteiligung des Vertragspartners enthielten. Eine „Einheitsstrafe“ dürfe nur so hoch sein, dass sie auch im Falle der geringsten denkbaren Pflichtverletzung angemessen bleibe. Daran mangele es hier. Die Regelung, wonach der Vertriebsmittler (im entschiedenen Fall ein Kommittent) für von ihm leicht fahrlässig verursachte Betriebsunterbrechungen beim anderen Vertragsteil nicht haftet und für den Fall der Verletzung wesentlicher Vertragspflichten eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 EUR unabhängig davon zu zahlen hat, ob er die Pflichtverletzung zu vertreten hat oder gewichtige Interessen des Unternehmers die Vereinbarung einer verschuldensunabhängigen Vertragstrafe in AGB ausnahmsweise rechtfertigen.886 Vertragsstrafe wegen Nichtentfernen von Werbehinweisen und Markenzeichen in Höhe von 2.500 EUR, bei Dauerhandlung oder fortlaufender Verletzung für jeden weiteren Tag der Zuwiderhandlung eine weitere Vertragsstrafe von 50 EUR je Tag. Die Vertragsstrafe ist unangemessen hoch, da die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner steht. Unverhältnismäßig ist die Vertragsstrafe, da ihre Höhe nicht am Gewicht des Vertragsverstoßes ansetzt, sich mit fortschreitender Dauer des vertragswidrigen Zustandes kontinuierlich steigert und weder eine zeitliche noch eine summenmäßige Beschränkung vorgesehen ist.887 Vertragsstrafe für die verspätete Räumung der Station durch Tankstellen-HV von 500 EUR täglich ohne Schadensnachweis888: Zwar bestehe ein Interesse an Räumungsdruck. Jedoch werde bereits nach 10 Tagen ein Betrag errreicht, der den Monatsverdienst des HV übersteige.

879 OLG München, Urt. v. 13.12.1995 – 7 U 5432/95, NJW-RR 1996, 1181 = DB 1996, 422; aA zu § 348 HGB OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267. 880 OLG München, Urt. v. 29.7.2010 – 23 U 5643/09, BB 2010, 2987 m. Anm. von Bodungen/Schnell; LG Erfurt, Urt. v. 1.6.2011 – 10 O 1247/10, BB 2011, 2516 (zum Franchisevertrag) m. krit. Bespr. Ayad und Flohr ZVertriebsR 2012, 52. 881 BGH, Urt. v. 21.11.1991, MDR 1992, 951. 882 Zum Franchiserecht: Giesler/Nauschütt § 5 Rn 95. 883 Zum Franchiserecht: Giesler/Nauschütt § 9 Rn 79. 884 Zum Franchiserecht: Giesler/Nauschütt § 9 Rn 79. 885 LG Coburg – 23 O 176/00, MDR-Report 20/2000, R 21. 886 BGH BB 2003, 1463 (1464). 887 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.2.2003 – 26 O 218/97. 888 KG Berlin, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. Emde

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Die in AGB eines VV-Vertrag enthaltene Vertragsstrafeklausel: „Eine Vertragsstrafe ist verwirkt, wenn der Finanzdienstleister Kunden dazu überredet, Verträge aus dem Bestand beitrags- oder prämienfrei zu stellen, zu widerrufen, zu kündigen oder die geschuldeten Entgelte nicht mehr an die Partnergesellschaft zu zahlen. In diesem Fall beläuft sich die Vertragsstrafe auf das 3fache der Provision, die dem Finanzdienstleister in den nächsten 12 Monaten aus dem Geschäft zugeflossen wäre, wenn der Vertrag weiterhin prämien- und beitragsaktiv im Bestand verblieben wäre“ benachteiligt den VV unangemessen und ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.889 Zum Einen verspricht die Klausel eine Vertragsstrafe unabhängig von einem Verschulden.890 Zum Anderen gilt dass in der inkriminierten Klausel angesprochene Verbot, Kunden dazu zu überreden, Verträge aus dem Beitrag/der Prämie freizustellen, zu widerrufen, zu kündigen oder die geschuldeten Entgelte nicht mehr an die Partnergesellschaften zu zahlen, ausnahmslos für sämtliche Verträge, unabhängig von der Sparte, der verbleibenden Laufzeit des Vertrages sowie den Gründen für die Kündigung, die Beitragsfreistellung usw. Es gibt auch keine zeitliche Begrenzung für das Verbot. Dieses sachlich und zeitlich uneingeschränkte Verbot benachteiligt den VV unangemessen.891 • Kumulation von Vertragsstrafe und Schadenersatz statt der Leistung.892 Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe auf das gerade noch zulässige Maß soll bei AGB wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion nicht in Betracht kommen.893 Vorführwagen: Die Pflicht zum Vorhalten einer Mindestzahl an Vorführwagen widerspricht Art. 3 Abs. 6 lit. d GVO 1400/02. Es werde zu Lasten der Händler der Spielraum für eine den vertraglichen Vorgaben entsprechende einvernehmliche oder durch einen unabhängigen Sachverständigen vorzunehmende Festsetzung des Bestands an Vorführwagen eingeengt. Gleiches gelte für ein Bestimmungsrecht in Bezug auf die Mindestanzahl sowie den Wechselintervall der Vorführwagen. Eine Freistellung der Klauseln nach Art. 101 Abs. 3 AEUV habe das Berufungsgericht zu prüfen.894 Unwirksam ist ferner die Klausel, Voraussetzung für die Gewährung des Grundrabattes sei die verbindliche Einhaltung der im Verkaufsplan vereinbarten Menge an Lager- und Vorführfahrzeugen. Die Klausel stellt allein auf die Menge von Lagerund Vorführwagen ab, wodurch der Grundrabatt verweigert werden kann, wenn die vereinbarte Anzahl an Lager- und Vorführwagen auch nur eine Woche nicht eingehalten wird. Zwar hat der Hersteller einen Anspruch darauf, dass der Vertragshändler die im Absatzplan individuell vereinbarte Zahl an Lager- und Vorführwagen anschafft und vorhält. Die Sanktion darf jedoch nicht außer Verhältnis stehen zu dem Gewicht des Vertragsverstoßes und seinen Folgen für den Vertragspartner.895 Aus dem gleichen Grund ist auch eine Klausel unwirksam, der zufolge ein Vertragshändler, welcher keinen aktuellen Vorführwagen – maximal 6 Monate zugelassen – unterhält, einen 3 % unter dem Grundrabatt liegenden Rabatt erhält.896 Vorführwagenrabatt: Ein Vorführwagenrabatt ist zwar zulässig.897 Unwirksam ist hingegen die Klausel, sämtliche Modellreihen sollten im Bestand der Vorführfahrzeuge repräsentiert

889 BGH, Urt. v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, 2111 = VersR 2013, 860 = WM 2013, 878; OLG Oldenburg, Urt. v. 24.7.2012 – 13 U 13/12, ZVertriebsR 2013, 90. 890 BGH, Urt. v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, 2111 = VersR 2013, 860 = WM 2013, 878. 891 OLG Oldenburg, Urt. v. 24.7.2012 – 13 U 13/12, ZVertriebsR 2013, 90 (94); i. E. auch BGH, Urt. v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, 2111 = VersR 2013, 860 = WM 2013, 878. 892 BGH BB 1992, 307; Hopt § 86 Rn 32. 893 LG Erfurt, Urt. v. 1.6.2011 – 10 O 1247/10, BB 2011, 2516 (zum Franchisevertrag) m. krit. Bespr. Ayad und Flohr ZVertriebsR 2012, 52. 894 BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz). 895 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – XIII ZR 165/92. 896 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – XIII ZR 165/92. 897 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.6.1992 – 6 U 105/91. 85

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sein. Der Hersteller versuche, durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten der Vertragspartner durchzusetzen, ohne vorher die Belange des Händlers hinreichend zu berücksichtigen und einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.898 Vorkaufsrecht: Ein in einen Vertriebsvertrag eingefügtes Vorkaufsrecht dürfte regelmäßig überraschend sein und nicht Vertragsbestandteil werden. Der Mittler braucht mit derart weiten Eingriffen in seine Dispositionsmöglichkeiten nicht zu rechnen (§ 305c Abs. 1 BGB). Darüber hinaus ist es meist auch formunwirksam (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB) und bei mangelnder zeitlicher und inhaltlicher Eibngrenzung intransparent.899 Schon am Fall vorbei geht es bei einem Share-Deal. Denn die Gesellschafter des Vertriebsmittlers dürften schon wegen der Unklarheitenregel nicht mitverpflichtet sein. Werbung: Durchführung eigener Werbemaßnahmen des Franchisenehmers nur mit Zustimmung des Franchisegebers, aber Beteiligung an den Kosten „geeigneter Werbemaßnahmen“ des Franchisegebers mit monatlich 200 EUR zuzüglich MwSt.900 Wettbewerbsverbot des HV: Siehe zunächst Kommentierung zu § 86. Eine geltungserhaltende Reduktion ist jedenfalls bei Überdehnung des sachlichen und räumlichen Geltungsbereichs nicht möglich901 (Vgl. zum Parallelproblem bei § 90a dort). • Ein über die gesetzliche Bindung aus der Interessenwahrnehmungspflicht hinausgehendes vertragliches Wettbewerbsverbot soll von wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes abweichen (§ 307 Abs. 2 S. 1 BGB) und nur bei Vorliegen besonderer Umstände wirksam sein.902 Das erscheint zweifelhaft, weil sich der Existenz des § 90a zumindest für die nachvertragliche Zeit die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen entnehmen lässt. Zudem handelt es sich bei der Erweiterung des Wettbewerbsverbots nur um eine Konkretisierung der gesetzlichen Interessenwahrnehmungspflicht, die auch innerhalb eines Vertriebsnetzes durch AGB vorgenommen werden darf. • Intransparentes Verbot der Tätigkeit für einen anderen Unternehmer, der nach dem gleichen „Verkaufssystem“ arbeitet.903 • Klausel, die jede „Unterstützung“ eines Wettbewerbers mit einer Vertragsstrafe belegt, und zwar wegen Intransparenz.904 Wettbewerbsverbot des Unternehmers: Der Unternehmer soll sich nur individualvertraglich Direktlieferungen in das Gebiet des HV vorbehalten dürfen.905 Das ist fraglich. Denn der Unternehmer unterliegt grds. keinem Wettbewerbsverbot. Unzulässig ist der Direktvertrieb des Unternehmers und eine ihn gestattende Klausel damit nur, wenn die in der Kommentierung zu § 86a genannten Grenzen überschritten werden, dann aber auch als Individualvereinbarung (§§ 138, 242 BGB, Rechtsgedanke des § 86a Abs. 3). Zudem muss der Unternehmer für die Direktlieferungen einen angemessenen Ausgleich vorsehen (siehe auch unten, Stichwort „Direkt- oder Eigengeschäfte“; Stichwort „Direktverkäufe des Herstellers“).

898 BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz). 899 Siehe BGH, Urt. v. 24.11.2017 – LwZR 5/16; OLG Brandenburg, Urt. v. 4.5.2017 – 5 U (lw) 117/15, IBRRS 2017, 4106 zur Landpacht. 900 OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, BB 2002, 2521. 901 AA Bernhard NJW 2013, 2785 (2788/2789) – geltungserhaltende Reduktion möglich. 902 OLG München, Urt. v. 10.8.1993 – 7 U 6431/92, NJW-RR 1995, 292; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 24 f.; aA für den VV OLG München BB 1993, 1835; s. a. BGH BB 2003, 1463 = ZIP 2003, 1707. 903 OLG München, Urt. v. 10.8.1993 – 7 U 6431/92, NJW-RR 1995, 292; Rothermel/Dahmen IHR 2017, 45 (61). 904 OLG München, Urt. v. 13.12.1995 – 7 U 5432/95, NJW-RR 1996, 1181 = DB 1996, 422; Rothermel/Dahmen IHR 2017, 45 (61). 905 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 46. Emde

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Zurückbehaltungsrecht: Ausschluss oder Einschränkung des Zurückbehaltungsrechts des § 88a Abs. 2, und zwar wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Leitbild,906 auch zu Gunsten des HV907 (zwh.). Zwangsbelieferungsklauseln.908 Zweitmarke: Unwirksam ist das Verbot, für ein Zweitfabrikat Nutzen aus von Citroen getätigten Investitionen zu ziehen. Es sei unvermeidlich, dass von Citroen geschultes Personal erworbene Kenntnisse für die Wartung an Fahrzeugen der Zweitmarke anwende.909

b) Wirksame Klauseln. sollen dagegen die nachfolgenden Klauseln sein: –

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Ablehnung eines vermittelten Geschäfts: falls dem Unternehmer die Ablehnung eines vom HV vermittelten Geschäfts gestattet wird,910 jedoch nicht bei willkürlichem Ablehnungsrecht.911 Abtretung: Die Abtretbarkeit von Provisionsansprüchen kann auch durch AGB ausgeschlossen werden,912 wobei aber meist § 354a entgegensteht. Alleinvertriebsrecht: Ein Entgelt für dessen Einräumung soll verlangt werden dürfen.913 Angeblich soll auch die Klausel zulässig sein, dass ein Alleinvertriebsrecht mit Zugang der Kündigung entfällt, sofern eine finanzielle Kompensation geleistet wird.914 Altersversorgung: Sofern eine vom Unternehmer gewährte Altersversorgung entfällt, wenn ein Ausgleichsauschlussgrund nach § 89b Abs. 3 gegeben ist, ist dies nicht zu beanstanden. Eine dahingehende Regelung hält auch § 307 BGB stand.915 Aufwendungen: Nicht zu beanstanden ist eine vom Unternehmer vorgegebene AGB, die sämtliche, regelmäßig im Geschäftsbetrieb entstehenden Aufwendungen des HV durch die Zahlung der Provision für vollständig abgegolten erklärt.916 Sie steht nicht im Widerspruch zu § 87d. Ausgleichsanspruch: • Die AGB „mit der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs verzichtet der Vertreter auf die unternehmerfinanzierte Altersversorgung“ verstößt nicht gegen die zwingende Natur des Ausgleichs (§ 89b Abs. 4), weil der Ausgleich selbst unberührt bleibt und lediglich die Altersversorgung entfällt. § 89b Abs. 4 verbietet Vereinbarungen, durch die der Ausgleichsanspruch von vom Gesetz nicht vorgesehenen Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Dagegen verstoßen Abreden, die sich wie die vorgenannte nur mittelbar auf ihn auswirken, nicht gegen § 89b Abs. 4.917 Die Frage, welchen Anspruch der HV wähle, stelle eine nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu treffende Entschei-

906 BGH, Urt. v. 29.3.1995, BGHZ 129, 186 = NJW 1995, 1552 (1554); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 88a Rn 29.

907 Ebenroth/Löwisch3 § 88a Rn 15. 908 LG Frankfurt/M. – 3/14 O 131/09, BB 2010, 2641 m. Anm. Oberhammer. Zum Franchiserecht: Rothermel/Dahmen IHR 2017, 45 (50); Giesler/Nauschütt, § 9 Rn 75; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 207. 909 BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz). 910 Hopt § 86a Rn 13. 911 H. Schmidt in: Ulmer/Brandner/Hensen, Anh. § 310 BGB Rn 406; aA wohl Hopt § 86a Rn 13 (freies Ablehnungsrecht darf vereinbart werden). 912 AA Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 16. 913 BGH NJW-RR 1993, 376. 914 Gräfe ZVertriebsR 2013, 362; in diese Richtung auch OLG München, Urt. v. 14.10.1993 – U (K) 5333/92, WuW/E OLG 5206 (5210), das annimmt, der Hersteller dürfe während der Kündigungsfrist trotz Alleinvertriebsrecht einen weiteren Händler einsetzen. 915 LG Potsdam, Urt. v. 9.4.2008 – 52 O 9/07, n. v. 916 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87d Rn 23. 917 BGH DB 2003, 1568 (1569). 87

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dung dar, berühre aber die Rechtsposition des Ausgleichs nicht.918 Auch ein Verstoß gegen § 307 BGB scheide aus.919 Einen Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung über die Unwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Anrechnung der Altersversorgung liege nicht vor. Es gehe bei der Klausel nicht um die Anrechnung eines bestehenden Anspruchs auf den Ausgleich. Vielmehr werde die Altersversorgung unter der auflösenden Bedingung der Nichtgeltendmachung des Ausgleichs begründet. Der Umstand, dass bei Beendigung des Vertragsverhältnisses in vielen Fällen die Höhe des Ausgleichs noch nicht feststehe, so dass der Vertreter bei dessen Geltendmachung u. U. die für ihn günstigere Altersversorgung verliere, stelle keine unangemessene Benachteiligung dar. Die Berechnung und Durchsetzung des Ausgleichs falle in den Risikobereich des Vertreters. Mit der Jahresfrist des § 89b Abs. 4 S. 2 stehe ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung, sich über die Höhe und den Umfang des Ausgleichs im klaren zu werden. • Verlängerung der Ausschlussfrist des § 89b Abs. 4 S. 2 bei gleichzeitiger Verkürzung der Verjährungsfrist, sofern die Verjährungsklausel den o. g. Anforderungen genügt. • Der Ausgleichsanspruch des außerhalb der EU oder des EWR tätigen HV darf nach § 92c Abs. 1 mittels AGB ausgeschlossen werden.920 Ausschluss der nach h. M. für den Ausgleich HV-ähnlicher Mittler konstitutiven vertraglichen Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstammes (§ 89b Rn 52 ff.), also der Tatbestandsvoraussetzungen für eine solche Analogie. Ist etwa aufgrund der Regelungen eines Händlervertrages die Weitergabe der Kundendaten an den Hersteller ausgeschlossen und werden Kundendaten zu Marketingzwecken vom Händler ausschließlich an ein externes Marketingunternehmen übermittelt, welches sie nicht an den Unternehmer herausgibt, schuldet der Hersteller keinen Ausgleich.921 Die Regelung gibt also nur die nach h. M. bestehende Rechtslage wieder, derzufolge ohne vertragliche Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstammes kein Ausgleichsrecht besteht.922 Zu einem anderen Ergebnis könnte man nur gelangen, wenn man wegen des geschäftsbesorgenden Charakters solcher Verträge den Widerspruch zum dispositiven Recht im Ausschluss der §§ 675 Abs. 1, 666 BGB sähe. Aber auch dann fehlt eine unbillige Benachteiligung des Mittlers, da er den die Ausgleichsvergütung rechtfertigenden Teil seiner Gegenleistung, die Zuführung des Kundenstammes, nicht zu erbringen braucht. Befristung: Falls ein HV-Vertrag auf die Vollendung des 65. Lebensjahres befristet wird.923 Es soll bereits wegen der Existenz des Ausgleichsanspruchs an einer unangemessenen Benachteiligung fehlen.924 Auch ein Verstoß gegen das AGG925 oder § 41 S. 2 SGB VI analog926 soll ausscheiden. Behaltensklausel für Vertriebsvergütungen: Die folgende Klausel in der „Rahmenvereinbarung für Wertpapiergeschäfte“ einer Bank ist wirksam: „Der Kunde erklärt sich damit einverstanden, dass die Bank die von dem Emittenten an sie geleisteten Vertriebsvergütung behält, vorausgesetzt, dass die Bank die Vertriebsvergütung nach den Vorschriften des WpHG (insbesondere § 31d WpHG) annehmen darf. Insoweit

918 BGH DB 2003, 1568 (1569). 919 BGH DB 2003, 1568 (1569). 920 OLG München, Urt. v. 11.1.2002 – 23 U 4416/01, MDR 2002, 1385 = RIW 2002, 319 = EWiR 2002, 485 (Emde) mit zust. Anm. Mankowski MDR 2002, 1352 und Bälz NJW 2003, 1559; OLG München, Urt. v. 20.11.2002 – 7 U 5609/01, EWiR 2003, 527 mit abl. Besprechung Evers; gegen die Zulässigkeit des Ausgleichsauschlusses Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (83); ders. WRP 2010, 1454 (1458). 921 OLG Köln, Urt. v. 4.5.2001 – 19 U 13/01, VersR 2002, 1102; krit. Niebling WRP 2009, 153 (156). 922 Canaris § 17 Rn 27 hält hier einen Umgehungsversuch in Analogie zu § 89b Abs. 4 für naheliegend und gewährt dem Mittler bei fehlender Aufklärung über die Klausel einen Schadenersatzanspruch nach §§ 311, 280 BGB. 923 OLG München, Beschl. v. 29.3.2017 – 7 U 4410/16, ZVertriebsR 2017, 242 Rn 10. 924 OLG München, Beschl. v. 29.3.2017 – 7 U 4410/16, ZVertriebsR 2017, 242 Rn 10. 925 OLG München, Beschl. v. 29.3.2017 – 7 U 4410/16, ZVertriebsR 2017, 242 Rn 11. 926 OLG München, Beschl. v. 29.3.2017 – 7 U 4410/16, ZVertriebsR 2017, 242 Rn 14. Emde

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treffen der Kunde und die Bank die von der gesetzlichen Regelung des Rechts der Geschäftsbesorgung (§§ 675, 667 BGB, 384 HGB) abweichende Vereinbarung, dass ein Anspruch des Kunden gegen die Bank auf Herausgabe der Vertriebsvergütung nicht entsteht.“.927 Voraussetzung ist aber, dass der Kunde den wirtschaftlichen Wert seines Verzichts einschätzen kann.928 Berichtspflicht: Regelungen zu ihrer Ausgestaltung,929 es sei denn, der HV wird durch Übermaßberichte gegängelt, insbesondere wenn seine Selbstständigkeit berührt wird. Besichtigung des Betriebes des FN: Kontrollrechte des FG sind grds. akzeptabel, soweit sie sich im Rahmen des Erforderlichen bewegen. Dies gilt, soweit der FG den FN darauf kontrolliert, ob die Qualitätsstandards eingehalten sind, weil dies zur Sicherung von Identität und Integrität des Franchisesystems notwendig ist. Auch das Interesse des FG an ordnungsgemäßen Abrechnung der Franchisegebühr ist zu berücksichtigen, weil sich damit auch das Recht des FG legitimiert, in die Geschäftsbücher, Bilanzen pp. des FN Einblick nehmen zu können.930 Betriebspflichten des FN und die entsprechenden Kontrollrechte des FG sind mit § 307 BGB vereinbar, wenn sie zur Sicherung von Identität und Integrität des Franchisesystems erforderlich sind.931 Sie sind Ausdruck der Absatzförderungspflicht des FN sowie seiner lizenzvertraglichen Pflicht zur Nutzung der Marke. Der FG hat ein Interesse an Betriebspflichten und entsprechenden Kontrollrechten, weil dies für die ordnungsgemäße Abrechnung der zumeist umsatzbezogenen Franchisegebühr erforderlich ist.932 Bezugspflichten des Mittlers können nach den Umständen des Einzelfalles AGB- wie kartellrechtlich (siehe dort) akzeptabel sein. So soll eine 8-jährige Alleinbezugsverpflichtung nach den Umständen des Einzelfalles nicht gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sein,933 sofern sie beiden Parteien Vorteile bringt und vom Hersteller während der Vertragslaufzeit 14 Dosiergeräte mit einem Wert von 36.300,00 Euro überlassen wurden.934 Bonuszahlungen: Die Regelung in einem HV-Vertrag, die Bonuszahlungen von einem durch den Untervertreter selbst vermittelten Basisprovisionsumsatz abhängig macht und ein zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Bonusprovisionen ungekündigtes Vertragsverhältnis voraussetzt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.935 Das HV-Recht sieht einen Anspruch auf Bonuszahlungen nicht vor. Es handelt sich um freiwillige Leistungen, die Belohnungsund Motivationselemente enthalten und folglich freier als die §§ 87 ff. angeknüpft werden können.936 Demontage von Werbemitteln: Die Klausel, derzufolge ein VV nach Vertragsende verpflichtet ist, Werbemittel und Leuchtreklamen zu entfernen und dem Unternehmer herauszugeben.937 Der Unternehmer ist berechtigt, die Kosten einer Ersatzvornahme nach GoA für die Demontage dieser Werbemittel vom VV zu fordern.938

927 BGH, Urt. v. 14.1.2014. XI ZR 355/12, ZIP 2014, 310; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 10.8.2012 – 10 U 85/11, ZIP 2012, 2337 = WM 2012, 1951. 928 BGH, Urt. v. 14.1.2014. XI ZR 355/12, ZIP 2014, 310. 929 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 49 vertritt hingegen die generelle Unzulässigkeit formularvertraglicher Regelungen zur Berichtspflicht. 930 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2013 – VI-U (Kart) 1/13, BeckRS 2014, 12436 – Subway. 931 Liesegang BB 1991, 2381 ff. 932 Liesegang BB 1991, 2381 ff. 933 OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, ZVertriebsR 2017, 313 Rn 26. 934 OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, ZVertriebsR 2017, 313 Rn 37. 935 OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 = MDR 2009, 703. 936 OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 (1701) = MDR 2009, 703. 937 AG Köln, Urt. v. 1.8.2018 – 113 C 549/17. 938 AG Köln, Urt. v. 1.8.2018 – 113 C 549/17. 89

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Diebstahl: Wirksam soll die Klausel sein „HV ist verantwortlich für die Ersatzbeschaffung sämtlicher vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Geräte nach Diebstahl, es sei denn, dass HV nachweislich kein Verschulden trifft.“.939 Direktverkäufe des Herstellers: Die Klausel: „Soweit durch Direktverkäufe der Absatz des Händlers in seinem Vertragsgebiet im Einzelfall nachweislich beeinträchtigt wird, kann der Händler von XY einen angemessenen Ausgleich verlangen. Ggf. wird dieser Ausgleich von XY nach billigem Ermessen bestimmt“940: Sie ist hinreichend transparent. Für den Direktbelieferungsvorbehalt von Großkunden gebe es sachliche Gründe, etwa den Wunsch nach Bindung an den Hersteller. Zwar muss ein Hersteller Mittlern bei deren weitgehender Eingliederung in seine Vertriebsorganisation und Abhängigkeit von Weisungen und Entscheidungen des Herstellers für eventuelle, mit einem Direktbelieferungsvorbehalt verbundene Beeinträchtigungen eine angemessene Kompensation unter Einschluss entgangenen Gewinns gewähren. Eine konkrete Aufzählung aller mglw. in Betracht kommender Nachteile ist aber nicht erforderlich.941 Dem Mittler obliege nach dispositivem Recht die Beweislast für einen Schaden. Bei der Beschränkung der Kompensation auf „nachweisbare Beeinträchtigungen“ fehle mithin eine Abweichung vom Gesetz (§ 309 Nr. 12 BGB). Zur Art der Beeinträchtigung könne der Händler ohnehin besser als der Hersteller vortragen.942 Die Gründe für eine Direktbelieferung müssen angeblich erheblich sein.943 Nach Ansicht von Ensthaler/ Gesmann-Nuissl hat die Vertragsklausel Höhe und Berechnungsgrundlagen der Kompensation zu regeln.944 CI: Die Vorgabe einer CI, sofern die Üblichkeiten im Handel und die Leistungsfähigkeit der Mittler nicht wesentlich überschritten werden.945 Zu Änderungsvorbehalten s. o. Einkaufsvorteile des Franchisegebers: Die Klausel, Einkaufsvorteile verblieben beim Franchisegeber, soll dem Transparenzgebot genügen und den FN nicht unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB benachteiligen.946 Auch eine Klausel, kraft derer der FN pauschal auf sämtliche Auskunfts- und Herausgabeansprüche betreffend der vom FG vereinnahmten Einkaufsvorteile verzichtet, soll mit dem Leitbild eines Franchisevertrags übereinstimmen und weder überraschend noch unangemessen sein.947 Entschlussfrist zwischen außerordentlicher Kündigungserklärung und Kenntnis des Kündigungsgrundes: Eine im Franchisevertrag geregelte zweimonatige Entschlussfrist zwischen Kenntniserlangung des Kündigungsgrunds und dem Ausspruch der Kündigung ist nicht gem. § 307 BGB unwirksam.948 Freistellung nach Kündigung: Eine Regelung über die Freistellung nach Kündigung.949 Geschäftsführung des Mittlers, Mitspracherechte des Unternehmers: Wirksam ist die Klausel, der Hersteller schließe den Händlervertrag im Vertrauen auf die Befähigung der aufgeführten Personen sowie auf die Zusage des Vertragshändlers, dass deren persönliche

939 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. 940 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 941 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 942 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 943 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2006, 2589 (2590). 944 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2006, 2589 (2590). 945 Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (83). 946 Flohr BB 2007, 6 (8); wohl auch BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel); zu den Einkaufsvorteilen vgl. Flohr BB 2009, 2159 ff. 947 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.4.2011 – VI-U (Kart) 26/10, BeckRS 2011, 23540; VI-U (Kart) 28/10, BeckRS 2011, 23603 jeweils m. Anm. Matthes GWR 2011, 324284 = GWR 2011, 504. 948 OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2011 – I-18 U 13/11, ZVertriebsR 2012, 187. 949 BGHZ 129, 186. Emde

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Dienste für die Handelsgeschäfte zur Verfügung ständen. Der Vertragshändler erkläre, dass es sich bei diesen Personen um den oder die maßgeblichen Geschäftsführer oder den oder die wesentlichen Eigentümer des Unternehmens handele. Es würden keine Rechtsfolgen mit einem Verstoß gegen diesen Vertrauensgrundsatz verbunden. Die Klausel führe nur die gemeinsame Erwartung der Vertragsparteien aus, dass sich an den Eigentumsverhältnissen des Unternehmens nichts ändern werde.950 HV im Nebenberuf: Die Vereinbarung, der HV sei ein solcher im Nebenberuf, kann durch AGB getroffen werden,951 jedoch nur sofern die Feststellung bei abstrakt-genereller Betrachtung in allen Fällen zutreffend ist. Insolvenz: Die Klausel eines Kfz-Händlervertrags, die eine Kündigung aus wichtigem Grund bei Insolvenzantragsstellung oder Insolvenz des Händlers erlaubt, stellt keine unangemessene Benachteiligung dar.952 Sie widerspricht auch nicht § 112 InsO. Jeder Gläubiger eines Insolvenzschuldners muss befürchten, dass sich die im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses künftig ergebenden Forderungen infolge der ungewissen wirtschaftlichen Situation des Insolvenzschuldners nicht werden realisieren lassen. Die vom Unternehmer erklärte Kündigung ist auch einen Monat vor Ablauf der 2jährigen ordentlichen Kündigungsfrist zulässig.953 Ganz allgemein sollen Lösungsklauseln, nach denen sich ein Vertragspartner von dem Vertrag im Falle des Bestehens von Insolvenzantragsgründen des anderen Vertragspartners durch Kündigung nach § 89a lösen darf, zulässig sein, und zwar sowohl im Falle der Insolvenz des HV954 als auch der Insolvenz des Unternehmers.955 Ob dies auch nach der nicht zu HV-Verträgen ergangenen Entscheidung des BGH zu Energielieferverträgen956 gilt, ist Gegenstand der Diskussion. Dafür spricht das besondere Vertrauensverhältnis, das einem Vertriebsvertrag immanent ist, der Rückschluss aus § 116 InsO (der bei Insolvenz des Unternehmers eine automatische Vertragsbeendigung vorsieht) und in Eigenhändlerverträgen das erhebliche Ausfallrisiko des Unternehmers. Nach überzeugender Ansicht957 sind solche Klauseln auch nach dem Urteil des BGH zulässig, weil in den von der Klausel erfassten Fällen auch ein Kündigungsrecht nach § 89a und erhebliche Gefährdungen des Unternehmers (Beendigung der Vertriebsbemühungen, Uneinbringlichkeit von Forderungen, gerade gegenüber dem Einzelhändler – dort Kaufverträge) bestehen. Die Lösungsklausel entspricht damit der Gesetzeslage und konkretisiert jene.958 Bei Unwirksamkeit der Lösungsklausel kann der Unternehmer jedenfalls unmittelbar aus § 89a kündigen (siehe Kommentierung zu § 89a). Es wird empfohlen,959 eine Kündigung vorsichtshalber auch unmittelbar auf § 89a zu stützen. Karenzentschädigung: Die Karenzentschädigung nach § 90a ist grundsätzlich in einer Summe bei Vertragsende fällig. Angesichts des Leitbildes monatlicher Provisionszahlung darf auch in AGB die Zahlung in Raten, etwa monatlichen, vereinbart werden. Die Vereinbarung einer Karenzentschädigung auf 50 % der nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser Zeit zugunsten des HV entstandenen früheren Monatsvergütung, zahlbar monatlich nachträglich, soll nicht zu beanstanden sein.960

950 BGH, Urt. v. 26.11.1984 – XIII ZR 214/83. 951 Ebenroth/Löwisch3 § 92b Rn 11; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 92b Rn 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 92b Rn 23; aA Hopt § 92b Rn 3. 952 OLG Braunschweig, Hinweisbeschl. v. 6.3.2009 – 2 U 29/09, ZIP 2009, 1336; OLG München, Urt. v. 26.4.2006 – 7 U 5350/05, DB 2006, 1371; v. 24.11.2004 – 7 U 1518/04, BB 2005, 406; Ströbl/Schumacher BB 2009, 1201 (1206). 953 OLG München, Urt. v. 24.11.2004 – 7 U 1518/04, BB 2005, 406. 954 Wagner/Wexler-Uhlich BB 2010, 2455 (2456). 955 Wagner/Wexler-Uhlich BB 2010, 2455 (2457) – in diesem Fall wird der Vertrag jedoch ohnehin nach § 116 InsO automatisch beendet. 956 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – XI ZR 169/11, WM 2013, 274; dazu etwa Raeschke-Kessler/Christopeit WM 2013, 1592. 957 Meyer/Knaub ZVertriebsR 2016, 275 (277); Muhl GWR 2014, 496; Ströbl ZVertriebsR 2014, 236 f. 958 Meyer/Knaub ZVertriebsR 2016, 275 (277). 959 Meyer/Knaub ZVertriebsR 2016, 275 (277); Ströbl ZVertriebsR 2014, 236 (237). 960 OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.2.2010 – 1 U 113/09, VersR 2011, 526 (529 f.). 91

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Konsignationslagerabrede: Unbedenklich sind folgende Klauseln: „Die in das Konsignationslager gelieferten Produkte werden mit Entnahme durch den Abnehmer dessen Eigentum, bis zur Entnahme verbleiben sie im Eigentum des Lieferanten“; „Mit Entnahme kommt zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zu den Bedingungen des Rahmenliefervertrages zustande“ oder „Die Einlagerung wird so vorgenommen, dass der Eigentümer der Produkte jederzeit festgestellt werden kann“.961 Konzernverrechnungsklausel, die der konzerneigenen P.S.A.-Bank die Aufrechnung gestattet, wenn der Zahlungsverkehr zwischen Citroen und ihren Vertragshändlern über diese Bank abgewickelt wird.962 Kündigung: Wirksam ist die Klausel, derzufolge ein Kommitent bei Beendigung des von ihm geschlossenen Mietvertrages den Agenturvertrag kündigen darf. Der Einwand, dann könne er den Mietvertrag beenden, um einen Kündigungsgrund zu erhalten, verfange nicht. Ein solches Verhalten führe zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung, nicht aber der Klausel (Ausübungskontrolle).963 Kündigungsfrist: Längere als in § 89 vorgesehene Kündigungsfristen dürfen auch mittels AGB vereinbart werden.964 Ist der HV-Vertrag nur mit einer Frist von 9 Monaten zum Ende eines jeden dritten Kalenderjahres kündbar, verstößt dies nicht gegen §§ 307 BGB, 89 Abs. 1 S. 1 und 3, sofern die Kündigungsfrist für beide Vertragspartner gilt,965 ebenso wenig eine Kündigungsfrist von 30 Monaten zum 30.06. des betreffenden Jahres (Frist von mind. 2 1/2 Jahren).966 Eine bei Einrücken in eine höhere Hierarchiestufe verlängerte Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Ende eines Quartals benachteiligt den HV nicht unangemessen i. S. d. § 307 BGB, zumal der Unternehmer in Hinblick auf Ausbildungsbeihilfen und andere Investitionen Interesse an einer längerfristigen Bindung seiner Mittler haben mag.967 Evers968 kritisiert das Urteil: Der VV sei darauf angewiesen, innerhalb des Vertriebssystems aufzusteigen und in seiner Entscheidung über den Aufstieg und damit das Einrücken in eine längere Kündigungsfrist unfrei. Regelmäßig stellt es keine unangemessene Benachteiligung dar, wenn die im vorformulierten Vertrag eines HV im Nebenberuf geregelte Kündigungsfrist länger ist als die gesetzliche Kündigungsfrist eines hauptberuflichen HV. Die im Vertrag eines HV im Nebenberuf enthaltene Klausel, nach der die ordentliche Kündigung nach einer Vertragslaufzeit von 3 Jahren noch unter Einhaltung einer Frist von 12 Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres zulässig ist, sollte trotz ihrer im Einzelfall dann auf 23 Monate verlängerten Vertragsdauer einer Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB standhalten.969 Nur im Einzelfall kann eine Verlänge-

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Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (47). BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz). BGH, Urt. v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, BB 2003, 1463, 1464 = EWiR 2004, 115 (Emde). OLG München, Urt. v. 29.7.2010 – 23 U 5643/09, BB 2010, 2987 m. Anm. von Bodungen/Schnell. KG, Urt. v. 26.6.1997, MDR 1997, 1041. BGH, Urt. v. 5.11.2015 – VII ZR 59/14. OLG München, Urt. v. 29.7.2010 – 23 U 5643/09, BB 2010, 2987 m. Anm. von Bodungen/Schnell. VW 2010, 313. OLG Oldenburg, Urt. v. 24.7.2012 – 13 U 13/12, ZVertriebsR 2013, 90; aA OLG Celle, Beschl. v. 9.6.2005 – 11 U 110/05, OLGR 2005, 650; aA die wohl h. M.: BGH, Urt. v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, 2111 = VersR 2013, 860 = WM 2013, 878; OLG Celle, Beschl. v. 9.6.2005 – 11 U 110/05, OLGR 2005, 650; Hopt § 92b Rn 7; Oetker/Busche § 92b Rn 5: Dies erscheine, so das OLG Celle, für eine nebenberufliche Tätigkeit, bei der beide Seiten auf rasche Beendigung angewiesen sein können, gem. §§ 307, 310 BGB unbillig. BGH, Urt. v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, 2111 = VersR 2013, 860 = WM 2013, 878 begründet dies mit der Erwägung, ein nebenberufliches HV-Verhältnis solle rascher beendet werden können als das Vertragsverhältnis eines HV im Hauptberuf, für den bei einer Vertragsdauer von über 5 Jahren eine Kündigungsfrist von 6 Monaten für den Schluss eines Kalendermonats maßgeblich Emde

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rung bedenklich sein.970 Das kann etwa der Fall sein, wenn nur eine Partei der verlängerten Frist unterliegt.971 Eine in einem Motorrad-Händlervertrag vereinbarte 6monatige Kündigungsfrist zum Jahresende soll AGB-rechtlich nicht zu beanstanden sein.972 Jedenfalls gilt dies bei unzureichendem Vortrag zu der Frist im Lichte des konkreten Geschäftsmodells. Der Vortrag, nennenswerte Marken im Motorradhandel würden im Durchschnitt eine Kündigungsfrist von 18 Monaten vereinbaren, reicht nicht.973 Kreditgewährung: Die Höhe des dem Tankstellenvertreter gewährten Agenturkredits darf von ESSO festgelegt und jederzeit angepasst werden. Es handele sich lediglich um einen besonderen Abrechnungsmodus der Provision.974 Die Mitverpflichtung eines Ehegatten für die Rückführung eines solchen Agenturkredits ist auch nicht sittenwidrig, wenn der Ehegatte aufgrund der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft ein eigenes Interesse an der Eingehung der Verbindlichkeit hat. Davon kann ausgegangen werden, sofern der Ehegatte die Tankstelle zu 90 % selbst betrieben hat.975 Laufzeit: Die Klausel, die eine Erstlaufzeit von 2 Jahren sowie die mehrfache Verlängerung der Laufzeit um jeweils weitere 5 Jahre vorsieht, wenn nicht mit einer Frist von 12 Monaten zum Laufzeitende gekündigt wird. Die Laufzeitregelung ist weder in ihren einzelnen Bestandteilen, d. h. die (mehrfache) Verlängerung um weitere 5 Jahre einerseits und die Kündigungsfrist von 12 Monaten andererseits, noch in der Gesamtschau unangemessen. Sowohl der FG als auch der FN haben ein schützenswertes Interesse an langen Vertragslaufzeiten und ausreichenden Kündigungsfristen, um die Amortisation von getätigten Investitionen und ein Mindestmaß an Planungssicherheit zu gewährleisten.976 Generell sind Vertragslaufzeiten von Franchiseverträgen bis zu 5 Jahren akzeptabel und bedenkenlos.977 Marke, Verwendung: die Verpflichtung, Marken- und Geschäftsbezeichnungen des Franchisesystems zu verwenden.978 Mindestabnahmeverpflichtung: Wenn es bei den recht kurzen Kündigungsfristen des § 89 verbleibt und diese solange verlängert werden, als bestimmte Abnahmeziele erreicht werden. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot: Wirksam ist die Klausel: „Der FN verpflichtet sich, über den Zeitraum von einem Jahr nach Beendigung dieses Vertrags in seinem Vertragsgebiet einen dem Mini-Lernkreis-Nachhilfeunternehmen vergleichbaren Betrieb nicht allein oder mit Dritten zu eröffnen, zu betreiben, sich daran zu beteiligen oder in diesem tätig zu sein. Für die Einhaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots wird eine von dem FN monatlich zu zahlende Karenzentschädigung in Höhe von 50 % des durchschnittlichen monatlichen Nettogewinns aus dem Franchisebetrieb vereinbart.“.979 Die Regelung „der Partner wird … unbeschadet weitergehender Ansprüche für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbots eine Vertragsstrafe zahlen. Die Höhe wird nach der Schwere des Verstoßes von XX festgesetzt.

wäre. Eine zeitlich gestaffelte Verlängerung der Kündigungsfrist sehe § 92b Abs. 1 S. 2, anders als § 89, nicht vor. Der HV könne darauf angewiesen sein, rasch einen existenzsichernden Hauptberuf zu finden. 970 OLG Celle, Beschl. v. 9.6.2005 – 11 U 110/05, OLGR 2005, 650, zwh.; für das grds. Recht zur Verlängerung OLG Oldenburg, Urt. v. 24.7.2012 – 13 U 13/12, ZVertriebsR 2013, 90 (92). 971 OLG Celle, Beschl. v. 9.6.2005 – 11 U 110/05, OLGR 2005, 650; aA zu Recht OLG Oldenburg, Urt. v. 24.7.2012 – 13 U 13/12, ZVertriebsR 2013, 90. 972 OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.8.2020 – VI-U (Kart) 10/20, WuW 2020, 542 (545). 973 OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.8.2020 – VI-U (Kart) 10/20, WuW 2020, 542 (545). 974 OLG Hamburg, Urt. v. 30.3.2006 – 10 U 16/05. 975 OLG Koblenz, Beschl. v. 18.2.2010 – 2 W 9/10, WM 2010, 1597. 976 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.10.2014 – 4 U 41/14, ZVertriebsR 2015, 161. 977 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.10.2014 – 4 U 41/14, ZVertriebsR 2015, 161 (164). 978 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 328. 979 OLG Hamm, Urt. v. 28.4.2009 – 4 U 13/09, NJW-RR 2009, 1707 (1708). 93

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Der Einwand des Fortsetzungszusammenhangs ist ausgeschlossen. Die Vertragsstrafe ist je angefangenen Monat erneut verwirkt.“ soll wirksam sein.980 Die Vertragsstrafe von 10.000 Euro, bei einem einjährigen Verstoß somit von 833,33 Euro/Monat, sei angemessen.981 Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot entspricht dem Transparenzgebot, sofern der Umfang des Wettbewerbs nach dem örtlichen und inhaltlichen Geltungsbereich hinreichend konkretisiert ist.982 Beispiel für eine hinreichende Transparenz: Der HV darf für einen bestimmten Zeitraum in einem bestimmten Gebiet nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden.983 Preisbindungsbestimmung in einem HV- oder Kommissionsagentenvertrag, da sie lediglich das gesetzliche Weisungsrecht wiederholt. Etwas anderes soll gelten, wenn der Kommissionsagent in ein System eingebunden ist, welches der lückenlosen Einführung und praktischen Durchsetzung der vertikalen Preisbindung dient.984 Wegen des Preisbindungsverbots gegenüber Vertragshändlern und Franchisenehmern ist die Entscheidung nicht auf diese Bereiche übertragbar. Produktionseinstellung: Klauseln, die dem Hersteller das Recht einräumen, jederzeit die Produktion von Vertragswaren einzustellen oder diese zu verändern sind wirksam.985 Der Vertragshändler kann sich vor einer Haftung gegenüber dem Kunden schützen, indem er sich die Annahme der Kundenbestellung innerhalb einer ausreichenden Frist vorbehält, um die Lieferbarkeit zu prüfen.986 Provisionen: wenn nach den AGB eines Luftfahrtunternehmens die Provision eines als HV agierenden Reisebüros unter Ausschluss der Landegebühren berechnet wird. Die Klausel weicht nicht in einem solchem Maß von § 87b Abs. 2 ab, dass dies mit wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes unvereinbar wäre.987 Eine Beschränkung des Provisionsanspruchs des HV, die den Anspruch nur entstehen lässt, wenn der nach dem Vertragsverhältnis zu vermittelnde Finanzierungsvertrag ausschließlich aufgrund der Vermittlungstätigkeit des HV zustande kommt, bildet wegen der Dispositivität der Provisionsregelungen keine unangemessene Benachteiligung des HV.988 Provision des Versicherungsvertreters: Die Vergütung eines VV nur auf der von § 92 Abs. 3 vorgesehenen Provisionsbasis ohne Gewährung eines Garantieeinkommens ist nach § 307 BGB nicht zu beanstanden, zumal nur eine eingeschränkte Klauselkontrolle gem. § 307 Abs. 3 BGB in Betracht kommt.989 Die AGB „Die Provisionen kommen erst zur Auszahlung, wenn sie verdient sind, d. h. wenn der VN den Beitrag gezahlt hat.“ ist in einem VVVertrag wirksam.990 Wirksam ist auch die Regelung, dass Provisionen vorschüssig gezahlt werden und überzahlte Provisionen zurückzuzahlen sind. Sie entspricht der gesetzlichen Regelung des § 92 Abs. 4.991

980 LG München I, Urt. v. 25.2.2016 – 5 O 16652/15, ZVertriebsR 2017, 310 (312) m. Anm. Martenstein. 981 LG München I, Urt. v. 25.2.2016 – 5 O 16652/15, ZVertriebsR 2017, 310 (312) m. Anm. Martenstein. 982 Straube BB 2013, 117 (118); s. dazu aus dem Arbeitsrecht: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508; LAG Hamm, Urt. v. 4.11.2008 – 14 Sa 818/08. Straube, BB 2013, 117 (118). BGH, Urt. v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, BB 2003, 1463 = ZIP 2003, 1707 (1712) = EWiR 2004, 115 (Emde). BGH BB 1985, 218; Westphal II Rn 83. BGH BB 1985, 218; Westphal II Rn 84. BGH, Urt. v. 12.5.2004 – VIII ZR 159/03, MDR 2004, 1009 = NJW-RR 2004, 1206. AA OLG München, Beschl. v. 22.3.2012 – 23 U 4793/11, BeckRS 2012, 07024 = GWR 2012, 183 m. Anm. Köhl. BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5a ZR 332/09, NJW 2010, 2455 Rn 44; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.9.2007 – 12 Sa 876/07. 990 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.2015 – I-16 U 182/13, ZVertriebsR 2016, 100 Rn 62 ff. – inzident. 991 BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364, Rn 31 ff.

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Provisionsverzichtsklausel hinsichtlich der nach Vertragsende fälligen Provisionen.992 Das gilt jedenfalls, wenn sie lediglich nach Vertragsende neu entstehende Provisionen betrifft (weshalb sie im Zweifel so zu verstehen sein soll, anderenfalls soll sie wegen unangemessener Benachteiligung gem. §§ 305 Abs. 1, 307 Abs. 1, 310 Abs. 1 BGB unwirksam sein).993 Eine derartige Klausel begründete nach dem bis 2009 geltenden § 89b den Ausgleichsanspruch des VV994 (seitdem aber mglw. nicht mehr)995 und ermöglicht dem Nachfolgevertreter, die beim Vorgänger entfallenden Folgeprovisionen für die Bestandsbetreuung zu erhalten.996 Die Klausel ist nicht überraschend.997 Selbst wenn der VV-Vertrag 33 Anlagen enthält, handelt es sich bei der Provisionsverzichtsklausel um keine ungewöhnliche Klausel i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB.998 Es entspricht nicht der gesetzlichen Wertung, dass dem HV entweder ein Anspruch auf Zahlung der Folgeprovision oder auf Zahlung eines Ausgleichsanspruchs zugestanden werden müsse; die Klausel widerspricht auch nicht § 89b Abs. 3, 5.999 Die Verzichtsklausel muss aber die nach § 87a Abs. 5 zwingenden Provisionsbestandteile vom Verzicht ausnehmen. Anderenfalls ist sie gem. § 87a Abs. 5 unwirksam,1000 was jedoch kein AGB-rechtliches Problem bildet. Der Verzicht sollte nach den einzelnen Arten von Provisionen unterscheiden, so dass im Falle der Teilunwirksamkeit wirksame Teile der Klausel bestehen bleiben können.1001 Rückkauf von Lagerware nach Vertragsende: Eine in AGB niedergelegte Erklärungsfrist des Händlers, den Rückkauf binnen 6 Monaten nach Vertragsende anzukündigen, soll wirksam sein,1002 ebenso von 12 Monaten.1003 Daran könnte zumindest bei der 6-Monatsfrist gezweifelt werden, da sie nicht dem gesetzlichen Leitbild entspricht.1004 Die Vereinbarung des zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung gültigen (niedrigeren) Listenpreises, gegebenenfalls abzüglich gewährter Sondernachlässe, oder des Zeitwertes als Rückkaufpreis ist zulässig.1005 Dass der Hersteller bei Vertragsende noch beim Händler vorhandene Kfz nur zum Netto-Rechnungswert ohne MwSt und ohne Fracht- und sonstige Nebenkosten zurückkauft, wurde ebenfalls für wirksam gehalten: Auf Frachtkosten, die beim Rückkauf anfielen, beziehe sich die Klausel nicht. Solche seien vom Hersteller zu tragen. Die Erstattung der

992 BGHZ 30, 107; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.12.2010 – 4 U 76/10, VersR 2011, 492; OLG Jena, Beschl. v. 28.4.2009 – 2 U 698/08, VersR 2010, 1645; OLG Köln VersR 2001, 1377 (1378); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 18.2.1986, DB 1986, 1174 = BB 1986, 697; LG Darmstadt, Urt. v. 13.8.2009 – 27 O 142/09, VersR 2010, 1646; von Bodungen/Hesse BB 2010, 533; Sieg VersR 1964, 789; Hopt § 92 Rn 5; Küstner/Thume/Küstner II8 Kap. I Rn 17; aA Daum VersR 2011, 565; Graf v. Westphalen DB 2000, 2256. 993 LG Köln, Urt. v. 30.6.2015 – 4 O 355/14, ZVertriebsR 2016, 112 994 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.12.2010 – 4 U 76/10, VersR 2011, 492 (493); OLG Jena, Beschl. v. 28.4.2009 – 2 U 698/08, VersR 2010, 1645. 995 Daum VersR 2011, 565 (568). 996 OLG Jena, Beschl. v. 28.4.2009 – 2 U 698/08, VersR 2010, 1645; OLG Köln VersR 2001, 1377 (1378); Krämer VersR 2010, 1647. 997 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.12.2010 – 4 U 76/10, VersR 2011, 492. 998 LG Darmstadt, Urt. v. 13.8.2009 – 27 O 142/09, VersR 2010, 1646. 999 OLG Jena, Beschl. v. 28.4.2009 – 2 U 698/08, VersR 2010, 1645; LG Darmstadt, Urt. v. 13.8.2009 – 27 O 142/09, VersR 2010, 1646; Krämer VersR 2010, 1647; aA Daum VersR 2011, 565 (568). 1000 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. v. Bodungen/Hesse = DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde); OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, BB 2010, 600 m. Anm. Lang/Klein = NJW-RR 2009, 1699 (1701) = MDR 2009, 703 = BBL 2009-225-4; LG Stuttgart, Urt. v. 3.8.2011 – 39 O 19/10 KfH; Krämer VersR 2010, 1647 (1648). 1001 von Bodungen/Hesse BB 2010, 533. 1002 OLG Köln, Urt. v. 28.4.2006 – 19 U 195/05, BeckRS 2008, 12151; Graf v. Westphalen Klauselwerke, Vertragshändlerverträge, Rn 44; Westphal II Rn 99; Kleinmann/Siegert BB 2006, 785 (789). 1003 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.12.2006 – 5 U 124/05; aA KG BB 1999, 1518 (1519). 1004 AA Kleinmann/Siegert BB 2006, 785 (789) mit der Erwägung, die Treupflichten forderten eine rasche Geltendmachung des Rückkaufverlangens. 1005 BGH NJW-RR 1988, 1077 (1081); KG BB 1999, 1518. 95

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beim Erstkauf entstandenen Frachtkosten brauche der Hersteller nicht zu versprechen, weil der Händler in Gewinnerzielungsabsicht erwerbe und damit mit dem Ziel, die Frachtkosten über den Verkaufspreis auf den Käufer abzuwälzen.1006 Die Klausel schließe auch die Zahlung der MwSt durch den Hersteller nicht aus. Auf den in den AGB genannten Nettopreis dürfe der Händler die MwSt aufschlagen. Ein in der Klausel vereinbarter pauschaler Abzug von 10 % für den zu erwartenden Verwertungsverlust des Herstellers stelle keine unangemessene Benachteiligung des Händlers dar,1007 ebenso wenig ein Abzug von 0,121008 oder 0,151009 DM pro gefahrenen KM bei Kfz. Deshalb bildet auch die Klausel, dass für „ältere Modelljahre“ ein Abschlag von 10 % vorzunehmen ist, keine unangemessene Benachteiligung1010 (mglw. aber Problem der Transparenz). Einen ausdrücklichen Hinweis, dass der Händler einen geringeren Schaden nachweisen kann, muss die Klausel nicht enthalten.1011 Wirksam und nicht intransparent ist ferner die Regelung: „Der Rückkaufpreis für Ersatzteile bestimmt sich nach dem Netto- Rechnungswert (das ist der Händlereinkaufspreis gem. Faktura H./Händler ohne Mehrwertsteuer und ohne Fracht- oder sonstige Nebenkosten) abzüglich gewährter Preisnachlässe oder Rückvergütungen oder – falls und soweit der NettoRechnungswert nicht festgestellt werden kann – nach der im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung geltenden unverbindlichen Preisempfehlung von H. abzüglich des Durchschnitts der in den letzten zwei Jahren vor der Vertragsbeendigung vorgenommenen Preiserhöhungen sowie abzüglich des Durchschnitts der in den letzten zwei Jahren vor der Vertragsbeendigung für den Ersatzteilbezug gewährten Händlerrabatte“.1012 Die Einschränkung der Rückgabe auf zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung zum Verkaufsprogramm des Unternehmers gehörende Teile soll zulässig sein.1013 Die Regelung, dass nur originalverpackte Teile zurückgekauft werden, ist von der Rspr. ohne nähere Erörterung unbeanstandet gelassen worden.1014 Darüber ließe sich diskutieren: durch eine entsprechende Packungsgröße könnte der Hersteller über seine Rücknahmepflicht disponieren. Schmutz und Staub auf der Verpackung schadet regelm. nicht.1015 Der Unternehmer soll für den Fall einer unberechtigten Vertragsbeendigung des Händlers den Rückkauf des Ersatzteillagers ausschließen dürfen.1016 Die Rückkaufverpflichtung folge aus der nachvertraglichen Treupflicht des Herstellers, wenn dieser den Unterhalt eines Teilelagers verlangt habe. Verstoße der Händlers selbst gegen vertragliche Verpflichtungen (im entschiedenen Fall: durch fristlose Eigenkündigung ohne wichtigen Grund), so könne er sich auf eine nachwirkende Treupflicht seines Vertragspartners nicht mehr berufen.1017 Da Nutzungsvergütungen zuzüglich MwSt. zu leisten sind, darf dies auch in der Klausel festgelegt werden.1018

1006 Das gilt allerdings auch für den Einkaufspreis selbst!. 1007 BGH BB 1995, 113 (114); Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. BGHZ 124, 351 = ZIP 1994, 461. OLG Hamburg VersR 1981, 138 (139); Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 196. KG BB 1999, 1518; Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (150); aA Graf v. Westphalen BB 1999, 1519 (1520). BGHZ 124, 351 = ZIP 1994, 461; BGH WM 1982, 907 = ZIP 1994, 461; Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 197. BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 1013 BGH WM 2007, 2048; DB 2008, 1913. 1014 BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, NJW-RR 2007, 1697; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 5.4.2006 – 2110/06, BeckRS 2006, 12472; OLG Köln, Urt. v. 1.3.2002 – 1962/01, NJOZ 2002, 2175; OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.7.2005 – 1 U 532/04, BeckRS 2005, 11628; zust. Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 185; aA Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 406. In BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 93/08 wurde die Klausel nicht geprüft, aber auch nicht beanstandet. 1015 Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 184. 1016 OLG München NJW-RR 1998, 1563. 1017 OLG München NJW-RR 1998, 1563. 1018 BGHZ 124, 351 = ZIP 1994, 461; Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 199.

1008 1009 1010 1011 1012

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Rückzahlung von Provisionen, Provisionsvorschüssen und Aufbauhilfen: bei dem gesetzlichen Leitbild entsprechender Fassung sind Regelungen über die Höhe des Vorschusses kontrollfrei (Hauptleistung und fehlendes gesetzl. Leitbild).1019 Bei Klauseln über die Rückzahlung gilt das wegen des gesetzlichen Leitbildes der §§ 89, 89a (Kündigungserschwernis) nicht unbedingt.1020 Zudem kann § 87a Abs. 1, S. 2, Abs. 2, 3 und 5 verletzt sein, wenn es sich in Wahrheit nicht mehr um einen „Vorschuss“, sondern verdiente Provision handelt. Kontrollfähigkeit besteht gem. §§ 89, 89a mglw. im Falle eines unangemessen hohen Vorschusses.1021 Selbst eine Individualvereinbarung wäre am Maßstab dieser zwingenden Gesetzesvorschriften nach § 134 BGB zu überprüfen. Die Regelung über die vorschüssige Zahlung von Provisionen ist nicht überraschend.1022 Sie ist branchenüblich und orientiert sich an den §§ 87 ff.1023 Auch Rückzahlungsklauseln sollen nicht überraschend sein.1024 Jedoch wird es immer auf ihren Inhalt ankommen.1025 Wirksam ist folgende Klausel zur Rückzahlung von Aufbauhilfen: „Sofern der Gesellschaft ein vom Agenten zu vertretender Grund für eine fristlose Kündigung des Agenturvertrages nach § 89a Abs. 2 zusteht, ist der Agent zur Rückzahlung der erhaltenen Aufbauhilfen für den Zeitraum der letzten 12 Monate verpflichtet“.1026 Überträgt der Unternehmer Bestände an den HV und ist der HV nach einer bestimmten Zeit verpflichtet, 50 % der auf den Bestand gezahlten Provisionen der ersten beiden Jahre zurück zu leisten, soll dies nicht zu beanstanden sein.1027 Schadenersatzpauschale für Einstellung der Tätigkeit: Eine Schadenersatzpauschale für den Fall der ohne wichtigen Grund vorgenommenen Einstellung der Tätigkeit durch den Handelsvertreter (für jeden Monat des vorzeitigen Ausscheidens die Hälfte des Durchschnittsverdienstes pro Monat aus den letzten 24 Monaten).1028 Bereits nach allgemeinem Zivilrecht sei die Vertragspartei, die den Vertretervertrag unberechtigt kündige, aus § 280 BGB schadenersatzpflichtig. Die Bestätigung dieser Pflicht durch Formularvertrag schließe das Recht des Vertragspartners, den Vertrag aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen, nicht aus. Schiedsgutachter: Die vertraglich vorgeschriebene Teilung der Kosten eines Schiedsgutachters: Es entspreche gefestigten Rechtsgrundsätzen, dass die Kosten eines Schiedsgutachters im Zweifel den Parteien hälftig zur Last fielen.1029 Schiedsgerichtsklausel: Auch eine Schiedsgerichtsklausel darf anhand des § 307 BGB überprüft werden.1030 Ein FG hatte das Schiedsgericht angerufen, gestützt auf eine in AGB

1019 BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364 Rn 31 ff. 1020 AA BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455 Rn 41; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.1.2013 – 8 Sa 485/ 12, BeckRS 2014, 66700 (es handelt sich um eine rein deklaratorische, von Rechtsvorschriften nicht abweichende und damit kontrollunfähige Bestimmung); LAG München, Urt. v. 30.9.2008 – 8 Sa 697/07; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.9.2007 – 12 Sa 876/07; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.12.2006 – 11 Sa 686/06. 1021 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 43. 1022 LAG Nürnberg, Urt. v. 14.1.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700. 1023 LAG Nürnberg, Urt. v. 14.1.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700. 1024 LAG Nürnberg, Urt. v. 14.1.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700; LAG München, Urt. v. 30.9.2008 – 8 Sa 697/07; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.9.2007 – 12 Sa 876/07; v. 24.5.2007 – 18 Sa 244/07; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.12.2006 – 11 Sa 686/06 (sämtlich ohne Auseinandersetzung mit §§ 89, 89a). 1025 LAG Nürnberg, Urt. v. 14.1.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700. 1026 OLG Thüringen, Urt. v. 17.4.2019 – 2 U 437/18; LG Mühlhausen, Urt. v. 8.6.2018 – 6 O 751/13; LG Hannover, Hinweisbeschl. v. 14.8.2015 – 1 O 137/15; LG Kiel, Urt. v. 17.10.2014 – 14 O 6/14; LG Aachen, Urt. v. 18.11.2005 – 9 O 216/05; LG Mönchengladbach, Urt. v. 10.11.2004 – 3 O 171/04. 1027 OLG Oldenburg, Urt. v. 1.10.2013 – 13 U 137/12, best. durch BGH, Nichtannahmebeschl. v. 7.1.2015 – VII ZR 292/13. 1028 OLG München NJW-RR 1998, 1189. 1029 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 1030 Emde RIW 2016, 104. 97

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enthaltene Schiedsklausel. Der FN hielt diese Schiedsklausel für unwirksam, da er erst durch die Aufnahme der Franchisetätigkeit Kaufmann geworden sei. Das OLG Oldenburg1031 hielt die Schiedsabrede gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB für unbedenklich. Der FN sei Kaufmann. Es genüge, dass mit Aufnahme seiner Tätigkeit die Kaufmannseigenschaft begründet wurde. Zu Schiedsabreden in internationalen Vertriebsverträgen unten, Rn 465 ff., 470. Schulung: Die Verpflichtung, Personal des Mittlers müsse auf seine Kosten regelmäßig in einem nicht überzeichneten Umfang geschult werden, ist unbedenklich, solange die Klausel den Umfang der Schulungen transparent wiedergibt. Schulungskosten: Eine Regelung, nach welcher der HV die Kosten der Vertriebsausbildung im Falle der Vertragsbeendigung maximal 24 Monate ab Beginn der Tätigkeit zurückzuzahlen hat, wobei 12 Monate nach Vertragsbeginn die Hälfte und weitere 12 Monate später der Restbetrag erlassen wird. Die Schulung diene berufsbezogenem Wissen. Angesichts der gestaffelten Erstattungsregelung trete die Kündigungserschwernis nach § 89 zurück.1032 Ob auch eine unzulässige Behinderung der außerordentlichen Kündigung nach § 89a vorlag, wurde nicht thematisiert. Zulässig ist auch die Verpflichtung zur Übernahme von Schulungskosten – selbst der Kosten der eigentlichen Schulungsveranstaltung –, wenn das Interesse des Mittlers oder seines Personals das des Unternehmers an der Schulung deutlich überwiegt.1033 Selbstbelieferungsvorbehalt: In Ergänzung zu seiner Daihatsu-Entscheidung,1034 in der der BGH billigte, die Ausführung von Lieferverträgen „nach Maßgabe der Liefermöglichkeiten“ zu verweigern, erklärte der BGH,1035 die Klausel in einem Vertragshändlervertrag, der Importeur eines ausländischen Herstellers müsse Lieferverträge nur „nach Maßgabe der Liefermöglichkeiten“ schließen, sei wirksam. Denn der Importeur könne die Selbstbelieferung durch die von ihm vertretene ausländische Marke nicht beeinflussen, was einen hinreichenden Grund für die Lösung aus der eingegangenen Bindung darstelle1036 (zwh. bei verbundenen Unternehmen). Die Freistellung des Unternehmers von seinen Vertragspflichten kommt aber nur in Betracht, wenn er die Selbstbelieferung nicht beeinflussen kann. Es muss also ein hinreichender Grund für die Lösung aus der eingegangenen Bindung existieren. Bei verbundenen Unternehmen ist an eine Zurechnung zu denken. Eine Regelung über die Entschädigung des Händlers ist offenbar nach Ansicht des BGH ebenfalls eine Wirksamkeitsvoraussetzung. Sicherheit: die Klausel „Sollte im Rahmen der Geschäftsverbindung die vereinbarte Sicherheit nicht mehr ausreichen oder wegfallen, so ist der HV auf Verlangen des Unternehmers verpflichtet, die Sicherheit zu erweitern oder zu erneuern“.1037 Es entspricht einem allg. Rechtsgedanken, dass der Berechtigte bei Erhöhung der gesicherten Forderung eine Anpassung verlangen darf.1038 Stornoreserve: Wirksam ist die Vereinbarung in AGB, wonach ein Stornokonto eingerichtet wird, auf dem ein 10 %iger Anteil der verdienten Provision gebucht wird.1039 Gleiches gilt für die Regelung, derzufolge die Stornoreserve im Fall der Kündigung des VV-Vertrages durch Provisionseinbehalt auf 20 % der Abschlussvergütungen der zum Zeitpunkt der Kün-

1031 1032 1033 1034 1035 1036 1037 1038 1039 Emde

OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.11.2001 – 9 SchH 12/01, BB 2001, 2499. BAG MDR 2003, 814; Hopt § 86 Rn 51; aA OLG Celle, Urt. v. 24.4.2003 – 11 U 226/02. Habersack/Ulmer S. 65. BGHZ 124, 351 (359) = ZIP 1994, 461 (464). BGH NJW 2000, 1191 = EWiR 2000, 361 (Emde). BGHZ 124, 351 (359) = ZIP 1994, 461 (464); BGH NJW 2000, 1191 = EWiR 2000, 361 (Emde). KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364 Rn 57. 98

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digung zurückliegenden 12 Monate zzgl. 10 % der Abschlussvergütungen der wiederum davor liegenden 12 Monate erhöht werden darf.1040 Telefonnummer: Die Verpflichtung, die Telefonnummer auf den nachfolgenden Mittler auch ohne Entschädigung zu übertragen, verstößt nicht gegen § 307 BGB.1041 Überhangprovision: Sie kann wohl auch durch AGB ausgeschlossen werden.1042 Übertragung des Franchisebetriebes: Die Verpflichtung des FN, die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag nicht ohne Zustimmung des FG zu übertragen.1043 Der FG hat wegen der Geheimhaltung seines Know-How ein berechtigtes Interesse daran, dass keine Außenstehenden in das Franchisesystem eindringen.1044 Allerdings muss die Klausel unter dem Vorbehalt stehen, dass die Zustimmung erteilt wird, sofern keine Interessen des FG berührt sind. Holt der FN die Zustimmung nicht ein, kann darin eine zur Kündigung berechtigende Verletzung des Vertrauensverhältnisses liegen. Urlaub: die Klausel „HV hat insb. für die Zeit seines Urlaubs, Krankheit und/oder sonstiger längerer Abwesenheit für einen fachkundigen und autorisierten Vertreter zu sorgen, den er seinem zuständigen Bezirksleiter rechtzeitig benennen muss.“.1045 Verjährung: Eine formularmäßige Verkürzung der Verjährungsfrist auf 13 Monate ist jedenfalls unter der Voraussetzung wirksam, dass für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung abgestellt wird.1046 Die in einem HV-Vertrag enthaltene Klausel: „Alle Ansprüche aus diesem Vertrag verjähren in 12 Monaten nach Fälligkeit, … gerechnet von der Erlangung der Kenntnis des Berechtigten von den Umständen, die die Entstehung des Anspruchs rechtfertigen“,1047 wobei der Unternehmer die Kenntnis zu beweisen hat.1048 In der Abkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr ab Fälligkeit und Kenntnis von der Entstehung des Anspruchs liegt keine Verkürzung der zwingenden Frist für die Geltendmachung des Ausgleichs nach § 89b Abs. 4 S. 2. Der gleichzeitige Ablauf von Verjährungs- und Geltungmachungsfrist hindert den HV nicht, diese Frist auszuschöpfen. Will er sie voll nutzen, ist er lediglich gehalten, den Anspruch so geltend zu machen, dass zugleich auch die Verjährung unterbrochen wird1049 (was allerdings bereits ein Hindernis bildet und mglw. der zwingenden Natur des § 89b widerspricht). Da die Regelung auch gleichmäßig für beide Vertragsparteien gilt, soll sie den HV nicht einseitig belasten. Die Verjährung beginnt dann mit Vertragsende und nicht mit dem Schluss des jeweiligen Jahres zu laufen.1050 Wirksam soll auch folgende Klausel sein: „Alle Ansprüche aus diesem Vertrag verjähren in 6 Monaten nach Fälligkeit, spätestens gerechnet von der Erlangung der Kenntnis der berechtigten Partei von den Umständen, die die Entstehung eines Anspruchs recht-

1040 AG Köln, Urt. v. 1.8.2018 – 113 C 549/17. 1041 OLG Köln, Urt. v. 17.9.2004 – 19 U 171/03; Niebling ZVertriebsR 2012, 79 (87). 1042 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 75; Gräfe ZVertriebsR 2013, 362 (365); zweifelnd Graf v. Westphalen Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Handelsvertreterrecht Rn 34; referierend Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (528). 1043 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 355. 1044 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 355. 1045 KG, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. 1046 OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 18.11.2013 – 11 U 130/13, m. zust. Anm. Hasskamp, ZVertriebsR 2015, 358; OLG Celle, Zurückweisungsbeschl. v. 27.11.2013 – 11 U 130/13, ZVertriebsR 2015, 359; best. durch Nichtzulassungsbeschl. d. BGH vom 8.4.2015 – VIII ZR 21/14. Es müssen aber Fälle des Vorsatzes ausgenommen werden, s. OLG Stuttgart, Urt. v. 2.7.2019 – 10 U 22/19, ZVertriebsR 2020, 108 Rn 46 ff. 1047 KG VersR 2002, 1554; aA OLG Köln, Urt. v. 16.4.2010 − 19 U 142/09, NJOZ 2011, 1056. Begründung des OLG Köln: Nach dem Wortlaut der Klausel – insbesondere durch die Formulierung „…spätestens gerechnet von Erlangung der Kenntnis des Berechtigten von den Umständen, die die Entstehung des Anspruchs rechtfertigt.“ – sei unklar, ob zur Fälligkeit Kenntnis hinzukommen müsse, so dass der Anspruch frühestens 2 Jahre nach Fälligkeit verjähren könne, oder ob frühere Kenntnis die Verjährung vor Fälligkeit in Gang setze. 1048 OLG München, Urt. v. 3.11.2010 – 7 U 3083/10, BeckRS 2010, 27223. 1049 KG VersR 2002, 1554 (1555). 1050 Küstner/Thume/Küstner I3 Rn 1302. 99

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fertigen. Hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs gem. § 89b beginnt die Verjährungsfrist mit dem Ablauf der Frist gem. § 89b Abs. 4 S. 1“.1051 Für die Abkürzung der Verjährung bestehe ein anerkennenswertes Interesse.1052 Hasskamp1053 hält außer beim Bezirksvertreter eine Verjährungsverkürzung auf 6 Monate für wirksam. Die gesetzliche Verjährungsfrist kann auch nach Auffassung des OLG München1054 verkürzt werden. Zwar konstituierten die gesetzlichen Vorschriften über die Verjährung einen sehr hohen Gerechtigkeitsgehalt. Eine Verkürzung könne aber hingenommen werden, sofern sichergestellt sei, dass sie für den Anspruchsinhaber in der Regel ohne weiteres erkennbar sei (Transparenzgebot). Versicherungspflicht von Lagerwaren: Sie ist zulässig, weil dem Hersteller ein berechtigtes Interesse zugesprochen wird, dass die unter Eigentumsvorbehalt stehenden Lagerwaren versichert werden und der Hersteller sein Interesse sichern darf, indem er selbst den Versicherer aussucht und den Versicherungsvertrag abschließt. Der Vertragshändler, der die Ware bereits im Besitz hatte und die Gefahr des zufälligen Untergangs trägt, hat die Versicherungskosten zu bezahlen.1055 Vertragsstrafen: Wirksam sollen sein: • Vereinbarung mittels AGB1056 und nach „Hamburger Brauch“, d. h. Festsetzung einer vom Berechtigten in jedem Einzelfall zu bestimmenden „angemessenen“ Vertragsstrafe nach billigem Ermessen.1057 • Ein Vertragsstrafeversprechen in einem formularmäßigen VV-Vertrag, nach dem es dem VV bei Meidung einer Vertragsstrafe in Höhe von 1.500 EUR untersagt ist, von dem Unternehmer angebahnte Geschäfte nachvertraglich umzudecken. Es bleibe zu berücksichtigen, dass beide Parteien Kaufleute und insoweit gemäß § 348 in der Verabredung einer Vertragsstrafe freier gestellt seien, als dies im übrigen Zivilrechtsverkehr angenommen werden könne.1058 • Die abstrakte Bezeichnung „konkurrierende Produkte oder Dienstleistungsgeschäfte für Dritte“ in einer Vertragsstrafeklausel; es sei nicht erforderlich, dass die konkurrierenden Produkte in jedem Detail den vermittelten Produkten entsprächen.1059 • Pauschalierter Schadensersatz für die nicht rechtzeitige Rückgabe des Franchise-Backshops in Höhe von 500 EUR pro Tag im Lichte einer vereinbarten Pachtgebühr von 11.127 EUR netto.1060 • Die Regelung „der Partner wird … unbeschadet weitergehender Ansprüche für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbots eine Vertragsstrafe zahlen. Die Höhe wird nach der Schwere des Verstoßes von XX festgesetzt. Der Einwand des Fortsetzungszusammenhangs ist ausgeschlossen. Die Vertragsstrafe ist je angefangenen Monat erneut verwirkt.“.1061 Eine Vertragsstrafe von

1051 OLG Hamm, Beschl. v. 4.6.2012 – 18 U 213/11, BeckRS 2014, 08705; LG Münster, Urt. v. 26.10.2011 – 26 O 56/ 11, BeckRS 2014, 08697.

1052 OLG Hamm, Beschl. v. 4.6.2012 – 18 U 213/11, BeckRS 2014, 08705; LG Münster, Urt. v. 26.10.2011 – 26 O 56/ 11, BeckRS 2014, 08697. ZVertriebsR 2015, 360 (361). VersR 1999, 1369 = BB 1998, 2445. OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.6.1992 – 6 U 105/91. BGH, Urt. v. 16.7.1998 – VII ZR 9/97, ZIP 1998, 1756; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; aA Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 60. 1057 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 112; zum Franchiserecht: Giesler/Nauschütt, § 5 Rn 95 (Problem: ggf. mangelnde Transparenz, gleichwohl ist die Klausel wohl zulässig). 1058 OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267. 1059 OLG Oldenburg, Urt. v. 24.7.2012 – 13 U 13/12, ZVertriebsR 2013, 90 (94); von BGH, Urt. v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, 2111 = VersR 2013, 860 = WM 2013, 878 zwar aufgehoben, aber nicht wegen dieser Erwägung. 1060 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466. 1061 LG München I, Urt. v. 25.2.2016 – 5 O 16652/15, ZVertriebsR 2017, 310 (312) m. Anm. Martenstein.

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10.000 Euro, bei einem einjährigen Verstoß somit von 833,33 Euro/Monat, sei angemessen.1062 Werbung: Zulässig ist es, wenn der Vertragshändler seine Werbung inhaltlich und graphisch nach etwaigen vom Hersteller gegebenen Richtlinien gestalten und jede Werbung für Vertragsware, gegen die der Hersteller Einspruch erhebt, unverzüglich unterlassen muss.1063 Bei nicht produktbezogener Werbung wird man für das Unterlassungsbegehren aber ein berechtigtes Interesse fordern müssen. Werbezuschuss;1064 Wettbewerbsverbot: ein auf die Dauer des Vertrages beschränktes Wettbewerbsverbot.1065 Es folgt ohnehin aus der Interessenwahrungspflicht. Es ist wohl auch zulässig, wenn es im angemessenen Umfang über das gesetzliche Wettbewerbsverbot hinausgeht. Zurückbehaltungsrecht: Erweiterung des Zurückbehaltungsrechts zugunsten des Vertreters. Zwar entspricht § 88a Abs. 2 dem gesetzlichen Leitbild.1066 Die Abweichung benachteiligt den Unternehmer jedoch regelmäßig nicht ungebührlich.1067 Zustimmungsfiktion zur Auftragsbestätigung bei fehlendem Widerspruch innerhalb von zwei Wochen: Die Regelung soll im kaufmännischen Verkehr rechtmäßig sein, da der Vertragshändler auf eine ausdrückliche Annahmeerklärung verzichte und der Vertrag nach § 151 BGB auch ohne Annahmeerklärung zustande komme. Die gesetzliche Regelung gilt jedenfalls dann, wenn die Abweichung derart ist, dass der Hersteller mit einer Zustimmung des Vertragshändlers nicht mehr rechnen darf.1068 Zweitmarke: Eine Klausel, die bei Übernahme einer Zweitmarke die Verwechslung der Marken ausschließen soll. Selbst in kleinen Verkaufsräumen könnten Marken so angeordnet werden, dass die Zugehörigkeit zur jeweiligen Marke klar erkennbar bleibe.1069

8. §§ 478, 445a BGB Vor der Schuldrechtsnovelle 2002 fehlte eine ausdrückliche Regelung zum Rückgriff des Händ- 100 lers gegen den Lieferanten. Seitdem sollen die seit 2018 gem. §§ 445a, b auch für B2B-Geschäfte1070 geltenden §§ 478, 445a BGB bis zum Ablauf der in § 445b Abs. 2 genannten Frist eine „Regressfalle“ zu Lasten des Händlers verhindern.1071 Im Vertragshändlerrecht bestand allerdings schon zuvor ein Rückgriffsrecht des Händlers, u. a. aus §§ 675, 670 BGB.

9. §§ 611 ff., 675 ff Sofern das BGB anzuwenden ist, ist im Grundsatz an die subsidiäre Geltung der §§ 611 ff. 101 BGB wie der §§ 675 ff. BGB einschließlich des dort in Bezug genommenen Auftragsrechts zu denken.1072 Immer ist zu prüfen, ob das HGB vorrangig gilt oder die selbständige Stellung

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LG München I, Urt. v. 25.2.2016 – 5 O 16652/15, ZVertriebsR 2017, 310 (312) m. Anm. Martenstein. OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.6.1992 – 6 U 105/91. OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2013 – VI-U (Kart) 1/13, BeckRS 2014, 12436 – Subway. BGH BB 2003, 1463 = ZIP 2003, 1707. Ebenroth/Löwisch3 § 88a Rn 15. AA Ebenroth/Löwisch3 § 88a Rn 15. OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.6.1992 – 6 U 105/91; zweifelhaft, da Schweigen keine Willenserklärung darstellt. BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz). S. Bendehzadeh/Röschenkemper BB 2018, 1738 ff. Bendehzadeh/Röschenkemper BB 2018, 1738 ff.; v. Sachsen Gessaphe RIW 2001, 721. Emde MDR 2002, 190 ff; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 127 ff; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 86 Rn 4; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 3, 4; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 1. 101

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des Handelsvertreters der Anwendung des BGB entgegensteht.1073 Dazu bedarf es aber – da gesetzliche Normen im Zweifel gelten – eines hinreichend klar erkennbaren Willens. Im Einzelnen:

10. § 611 BGB 102 Die Vorschrift ist uneingeschränkt anwendbar und tritt nicht hinter § 84 zurück.1074 Denn § 84 ist die Legaldefinition, § 611 BGB regelt Vertragspflichten. Eher schon könnte man an ein Zurücktreten hinter § 86 Abs. 1 denken. Insbesondere ist § 611 BGB anwendbar, wenn eine von den §§ 87 ff. abweichende Vergütungsart, etwa ein Festgehalt,1075 vereinbart wurde. Zudem zeigt § 611 Abs. 2 BGB die Zulässigkeit sogenannter Mischverträge, bei denen die Handelsvertretertätigkeit nur einen Teil der Gesamttätigkeit einnimmt.1076

11. § 612 BGB 103 § 612 Abs. 1 BGB wird durch § 87 verdrängt.1077 § 612 Abs. 2 BGB tritt hinter § 87b Abs. 1 zurück, soweit die übliche Höhe von Provisionen zu bestimmen ist.1078 Hinsichtlich des Festvergütungsanteils gilt § 612 Abs. 2 BGB.

12. § 612a BGB 104 Die Vorschrift ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens und gibt Selbstverständliches wieder. Zumindest der Rechtsgedanke ist daher anwendbar.1079

13. § 613 BGB 105 Die Dienste des HV sind im Zweifel in Person zu leisten, der Anspruch auf sie ist im Zweifel nicht übertragbar.1080 Wegen dieses Bildes persönlicher Tätigkeit geht der BFH1081 davon aus, der Gewerbebetrieb eines HV habe in der Regel keinen Geschäftswert, weil seine Tätigkeit im Gegensatz zu zahlreichen anderen gewerblichen Betätigungen im allgemeinen keinen nennenswerten Kapitaleinsatz erfordere und der geschäftliche Erfolg des HV im Regelfall von dessen persönlichen Arbeitseinsatz bestimmt werde. Da die Pflicht zur persönlichen Dienstleistung nur „im Zweifel“ gilt, ist umstritten, welchen Inhalt sie im HV-Recht hat. Es ist von Vertragsverhält-

1073 Westphal I Rn 7. 1074 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 129; aA Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 40; Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 5; Staub/Brüggemann4 § 84 Rn 32. Hopt § 87 Rn 5. Häufig ist beispielsweise die Kombination von Handelsvertreter- und Vertragshändlertätigkeit. Emde MDR 2002, 190, 191; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 131; Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 41. Siehe Evers/Kiene DB 2002, 1309 (1313). Emde MDR 2002, 190 (191); Giesler/Prasse1 § 2 Rn 134. OLG Düsseldorf ZIP 2010, 194 = EWiR 2010, 159 (Ströbl); Hopt § 86 Rn 19; aA Steinhauer/Weppner ZIP 2010, 1330 (1331) – die Ansicht von Steinhauer/Weppner kehrt das im HV-Recht bestehende Leitbild höchstpersönlicher Tätigkeit um, und nimmt diese nur im Einzelfall an. 1081 BFH, Urt. v. 26.2.1964 – I 383/61 U, BFHE 79, 521; v. 7.10.1976 – IX R 50/72, BFHE 121, 21; v. 29.7.1982 – IX R 49/78, BFHE 136, 270; v. 12.7.2007 – X R 5/05, BeckRS 2007, 24003071; ebenso OLG Hamm, Urt. v. 9.3.2011 – II-8 UF 207/10 für eine Versicherungsagentur.

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nis zu Vertragsverhältnis und je nach tatsächlichem Erscheinungsbild des Vertreterunternehmens zu differenzieren. Im Grundsatz gilt die Pflicht zur persönlichen Dienstleistung für jeden HV,1082 auch, wenn 106 der Unternehmer ein größeres HV-Unternehmen oder eine HV-Gesellschaft1083 beauftragt oder der Mittler für ein Großunternehmen tätig wird.1084 Auch in diesen Fällen sind die Normen nicht abbedungen. Bei der HV-Gesellschaft gilt im Grundsatz, dass die Person dessen, der die Dienste eines HV in der Gesellschaft zu erbringen hat, zunächst nicht feststeht. Juristische Personen sind zwar selbst zur Dienstleistung verpflichtet, sie handeln jedoch „persönlich“ durch ihre Organe.1085 Wer eine HV-Gesellschaft mit den Aufgaben des HV für sein Unternehmen betraut, ist deshalb, in Umkehrung der Regel der §§ 613, 664 BGB, im Zweifel damit einverstanden, dass die HV-Funktion durch denjenigen ausgeübt werden, der jeweils nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen für die Gesellschaft nach außen handelnd auftreten kann. Etwas anderes kann aber die personalistische Struktur der Gesellschaft oder eine Vertragsauslegung ergeben. Es wird sich deshalb empfehlen, im HV-Vertrag klarzustellen, auf wessen Person die Vertreterfunktionen abgestellt sein sollen. Dann nämlich sichert der Unternehmer die Rechtsfolge, dass, wenn die betreffende Person aus der Gesellschaft (oder ihrem Leitungsorgan) ausscheidet, der Vertrag endet – idealerweise sollte es dann als auflösende Bedingung oder Kündigungsgrund so bestimmt sein –, mindestens aber aus wichtigem Grunde gekündigt werden kann.1086 Sonst bleibt es beim Grundsatz, dass der Vertrag mit der Gesellschft fortläuft, und er insb.auch bei Veränderungen des Status der Gesellschaft Bestand behält. Das gilt zumindest so lange, als eben dieser Gesellschafter die Vertretertätigkeit in der Gesellschaft betreibt oder sogar die Gesellschaft zur Weiterführung als Einzelkaufmann übernimmt. Auch eine Vertretergesellschaft kann die von ihr geschuldeten Dienste nicht ohne Zustimmung des Unternehmers auf einen anderen, sei dieser Einzelhandelskaufmann oder Handelsgesellschaft, übertragen. Gleichwohl setzen die §§ 613, 664 BGB der Organisationsfreiheit des HV eine Grenze: Der 107 Unternehmer hat ein bestimmtes HV-Unternehmen mit der Erbringung der Leistungen beauftragt. Die §§ 613, 664 BGB schützen sein berechtigtes Interesse, dass sich das Erscheinungsbild des Unternehmens, dessen wirtschaftlich-faktische Kontinuität, insbesondere seine personelle Kontinuität, nicht unzumutbar ändert. Bei erheblichen und unzumutbaren Änderungen in dessen Erscheinungsbild, etwa bei Ausscheiden von Schlüsselpersonen, besteht ein Unterlassungsanspruch, notfalls ein Kündigungsrecht.1087 So wird man etwa den Eintritt eines Teilhabers in eine HV-Gesellschaft für zulässig halten 108 dürfen, falls hierdurch keine dem Unternehmer unzumutbare Änderung der wirtschaftlich-faktischen Kontinuität des HV-Unternehmens eintritt, etwa wenn der Teilhaber im Außenverhältnis – jedenfalls bei Erfüllung der konkreten Vertragspflichten – nicht auftritt. Ein Gesellschafterwechsel, z. B. in einer Personenhandelsvertretungsgesellschaft, bedarf nicht generell der Zustimmung des Unternehmers.1088 Vielmehr kommt es auf das Ausmaß der Änderung an (s. o.).1089 Bei einer Einpersonengesellschaft ist zwar jene zur „persönlichen Dienstleistung“ verpflichtet.1090 Jedoch bedeutet etwa der Tod oder die Auswechslung des tätigen (Allein-)ge1082 Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 7; Westphal I Rn 8; Röhricht/Graf v. Westphalen/Küstner2 § 85 Rn 6; aA Steinhauer/Weppner ZIP 2010, 1330 (1331) – nur im Einzelfall; so wohl nun auch Röhricht/Graf v. Westphalen/ Thume3 § 86 Rn 5. Die Höchstpersönlichkeit trifft entgegen Steinhauer/Weppner ZIP 2010, 1330 (1331) gerade auch HV-Verträge von Tankstellenpächtern und Warenvertretern. 1083 Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 42. 1084 Hopt § 86 Rn 19. 1085 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 8. 1086 Schmidt-Rimpler S. 308; Schlegelberger/Schröder § 89 Rn 4b. 1087 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, 1994, S. 128 ff., 208 ff.; Emde GmbHR 1999, 1005 (1011); Emde MDR 2002, 190 (191); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 135; Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 7. 1088 AA Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 33. 1089 Mesch ZVertriebsR 2015, 8 (14); BGH NJW 1985, 623 (624 ff.). 1090 Röhricht/Graf v. Westphalen/Küstner2 § 86 Rn 4. 103

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sellschafters eine dem Unternehmer unzumutbare wesentliche Änderung. Je größer und unpersönlicher das Erscheinungsbild des Vertreterunternehmens bei Vertragsschluss, umso weniger ist das Vertrauen des Unternehmens auf das Unterbleiben organisatorischer oder personeller Umgestaltungen schützenswert. War etwa der Geschäftsführer eines mittelgroßen HV-Unternehmens für dessen Erscheinungsbild bestimmend, so kann sein Ausscheiden eine gem. den §§ 613, 664 BGB unzulässige Änderung sein. Dagegen wird ein personeller Wechsel im Unternehmen eines Großvertreters möglicherweise keine vertragswidrige Änderung bewirken. Ob die Abberufung oder Neubestellung des Geschäftsführers einer HV-Gesellschaft mit den §§ 613, 664 BGB vereinbar ist, hängt gleichfalls sehr von der Realstruktur des betreffenden Unternehmens ab.1091 Jedoch bleibt der HV trotz der §§ 613, 664 BGB berechtigt, Hilfspersonal einzustellen, des109 sen er sich bei der Wahrnehmung seiner Vertragspflichten bedienen darf,1092 etwa einen Prokuristen, Handlungsbevollmächtigten oder einen anderen Mitarbeiter. Voraussetzung: er muss deren Tätigkeit überwachen und es darf keine Substitution eintreten. Das gilt selbst wenn dem HV die Beschäftigung von Untervertretern vertraglich nicht gestattet war. Der HV ist – wie § 84 Abs. 3 zeigt1093 – im Zweifel insb. zur Beschäftigung von Untervertretern berechtigt,1094 es sei denn, der Unternehmer durfte berechtigt auf ein persönliches Tätigwerden seines Vertragspartners vertrauen, etwa bei äußerst vertraulichen und außerordentlich bedeutsamen Vorgängen.1095 Selbst bei Vertragsschluss mit einem Einzelvertreter besteht ein solches Vertrauen jedoch nicht immer. In Zweifelsfällen sind Anhaltspunkte im Vertrag zu suchen, wobei es für weitgehende Freiheit des HV bei der Einstellung von Hilfspersonen spricht, wenn ein ausdrückliches oder mittels Vertragsauslegung gefundenes Verbot der Beschäftigung von Hilfspersonen fehlt. Jedoch muss der HV seine Hilfskräfte anleiten und überwachen. Mangelt es hieran, ersetzen die Hilfskräfte die Leistung des HV, ohne dass er die „Oberaufsicht“ behält, so ist die Grenze zulässiger Hilfstätigkeit überschritten und sind die §§ 613, 664 BGB verletzt. Auch besteht eine Informationspflicht des HV über die Tätigkeit seiner Untervertreter. Dem Unternehmer steht jedoch im Regelfall kein Widerspruchsrecht gegen die Tätigkeit der Hilfspersonen zu, so lange keine Substitution eintritt. Unterlässt der HV die Information über Strukturveränderungen, können daraus Schadenersatzansprüche des Unternehmers resultieren, wobei ein Schaden schwer vorstellbar ist. Dass ein Unterlassen der Information als solches zu einem völligen Wegfall des Vertrauens und damit zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht des Unternehmers nach § 89a führen könnte, ist eher ausgeschlossen, zumal der Unternehmer ohnehin der Tätigkeit der Hilfspersonen ohne Substitution nicht widersprechen darf. 110 Gerade die internen Aufgaben gegenüber dem Unternehmer wie Berichtspflicht, Abrechnungsverkehr u. ä., aber auch die Wahrnehmung der Funktionen nach § 91 Abs. 2, darf der HV unter seiner Verantwortung Hilfspersonen überlassen. Dagegen kann der HV seinen Vertrag nicht ohne Zustimmung des Unternehmers auf einen anderen „übertragen“, etwa durch Verkauf der Agenturfirma. Der Unternehmer braucht sich keinen beliebigen Nachfolger aufdrängen zu lassen.1096 Ob der HV, wenn er einen stichhaltigen Grund hat, die Vertretung aufzugeben, und er dem Unternehmer einen voll geeigneten Nachfolger vorschlägt, der Unternehmer aber gleichwohl die Zustimmung nicht erteilt, das Vertragsverhältnis mit der Rechtsfolge kündigen darf, dass ihm daraufhin wg. eines berechtigten Grundes nach § 89b Abs. 3 Nr. 1 der Ausgleichsanspruch verbleibt, erscheint zweifelhaft. Im Einzelfall mögen aus § 242 BGB Zustimmungspflichten des Unternehmers zur Übertragung herzuleiten sein. Sie charakterisieren jedoch nicht den Regelfall. Der Unternehmer kann gute Gründe, etwa eigene Vorstellungen zur Nachfolgefra1091 Emde Die Handelsvertreter-GmbH S. 101. 1092 Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. III Rn 7; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume3 § 86 Rn 5; Hopt § 86 Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14. Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 86 Rn 5. BGHZ 56, 290; 59, 87 (92, 93); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 119; Hopt § 86 Rn 19. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31a. OLG Frankfurt/M. RzW 1960, 172.

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ge, haben, seine Zustimmung zu verweigern. Zweifelsfälle gehen zu Lasten des HV. Stimmt der Unternehmer der Abgabe der Vertretung an einen Nachfolger zu bzw. erreicht der HV, wenn er mehrere Unternehmer vertritt, die Zustimmung aller Unternehmer, so kann er seine Agenturfirma samt Verträgen übertragen. Das Vertragsverhältnis geht nicht automatisch auf den oder die Erben des HV über. Aller- 111 dings kann der Vertrag abweichende Bestimmungen treffen, z. B. dahin, dass ein Sohn oder die Witwe des HV das Recht zur Fortführung der Vertretung haben sollen. Eine Fortsetzungsklausel ist aber selbst dann nicht anzunehmen, wenn die Erben – ggf. mit dem Unternehmer vereinbart – Mitarbeiter der HV-Firma waren. Ob dann ggf. ein förmlicher neuer Vertrag mit ihnen abgeschlossen werden muss oder der alte Vertrag sich automatisch fortsetzt (dies ist mangels entgegenstehender Vereinbarung gem. §§ 1922, 1967 BGB der Regelfall), bleibt eine Frage seiner näheren Ausgestaltung. Bei der Formulierung der Klausel ist Vorsicht angetan. Denn bei automatischer Fortführung müsste der fortsetzungsunwillige Erbe – wohl ausgleichsschädlich (§ 89b Abs. 3 Nr. 1) – kündigen. Beim Tod des Unternehmers wird man dagegen annehmen müssen, dass hier der Anspruch auf die Leistung der Dienste aus dem HV-Vertrag im Zweifel auf die Erben, wenn sie das Unternehmen fortführen, übergeht. Denn auf die Person des Unternehmers ist das HV-Verhältnis nicht in gleichem Maße abgestellt wie auf die Person des HV und es besteht zu Lasten des Unternehmers keine Pflicht zur persönlichen Dienstleistung. Ist der Vertretervertrag unter der Agenturfirma des HV abgeschlossen1097 ist der HV 112 persönlich oder die mit ihr bezeichnete juristische Person Vertragspartner. Die Firma ist kein eigenes Rechtssubjekt. Sie ist der Name, unter dem der Kaufmann seine Erklärungen im Handelsverkehr abgibt (§ 17 Abs. 1). An der im Zweifel eintretenden Verpflichtung, seine Dienste in Person und grds. unübertragbar zu leisten (§ 613 BGB), wird durch das Rubrum des Vertrages nichts geändert. Eine Ausnahme von der Pflicht zur persönlichen Dienstleistung des Firmeninhabers wird nur dann gefunden werden können, wenn es dem Unternehmer gerade darauf ankam, die Agenturfirma – also den Organisationsrahmen – als solche und damit ihren good will mit der Vertretung betraut zu sehen, dergestalt, dass ihm dieser good will wichtiger ist als die Person des jeweiligen Inhabers. Einen solchen good will soll die Agenturfirma üblicherweise nicht besitzen.1098 Gegenbeispiel ist die erfolgreiche Tätigkeit seit mehreren Generationen in Händen derselben Familie oder eine besondere Reputation aus anderen Gründen, etwa: Aufbau eines eigenen Rufes der Agentur durch ungewöhnliche Werbemaßnahmen oder Spezialisierung mit dem Erfolg, dass gerade sie auf Unternehmer, welche eine Vertretung für ihre Erzeugnisse suchen, eine erhöhte Anziehungskraft ausübt und auch die Kunden wegen der hervorragenden Einrichtung des Agenturbetriebs ihre Abschlüsse bevorzugt über sie zu tätigen ein Interesse haben.1099 Als Grundregel mag gelten: Je größer und unpersönlicher das Vertreterunternehmen, umso eher muss der Unternehmen Änderungen in dessen Erscheinungsbild akzeptieren. Der HV ist, ebenso wie der Unternehmer,1100 durch die §§ 613, 664 BGB nicht daran gehin- 113 dert, sein Unternehmen einem identitätswahrenden Rechtsformwechsel zu unterwerfen oder es – sofern er im Handelsregister eingetragen ist1101 – aus seinem persönlichen Vermögen auszugliedern,1102 auch durch Eintritt einer GmbH in eine oHG und Austritt der übrigen Gesellschafter

1097 Das geschieht nicht selten; ein Fall solcher Art lag der Entscheidung RGZ 129, 80 zugrunde. 1098 BGH, Urt. v. 9.3.1977 – IV ZR 166/75, BGHZ 68, 163 (168) = NJW 1977, 949 = DB 1962, 501; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.8.2012 – 16 UF 170/12, BeckRS 2014, 00977; OLG Hamm, Urt. v. 9.3.2011 – II-8 UF 207/10, NJW-RR 2011, 1443. 1099 OLG Frankfurt/M. RzW 1960, 172. 1100 Diskutiert werden jedoch vorwiegend die Fälle der Umwandlung des Mittlers, wohl wegen §§ 613, 664 BGB. 1101 Evers VW 2011, 1262. 1102 Steinhauer BB 2012, 526 (527) – zum Tankstellenvertrieb; Steinhauer/Weppner ZIP 2010, 1330; Evers VW 2011, 1262. 105

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im Wege der Anwachsung nach § 738 BGB.1103 Der HV bestimmt insoweit über die Organisationsform, deren Wahl Teil seiner Organisationsautonomie ist.1104 Der Übergang des Agenturverhältnisses wird durch die §§ 664, 613 BGB1105 bzw. den mglw. persönlichen Charakter der HV-Tätigkeit ebenso wenig gehindert wie durch den Umstand, dass das Agenturverhältnis auf einer besonderen Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien beruht.1106 Trotz §§ 664, 613 BGB bleiben etwa vom Übergang gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG nur höchstpersönliche Rechte und Pflichten ausgenommen. Solche stellen die Rechte und Pflichten aus einem HV-Verhältnis im Hinblick darauf, dass § 613 S. 2 BGB lediglich eine Auslegungsregel enthält und dass die Vertragsparteien im HV-Vertrag von § 613 S. 2 BGB Abweichendes vereinbaren können, nicht dar. Ein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB steht einem HV mangels Arbeitnehmereigenschaft nicht zu. Sofern ein identitätswahrender Rechtsformwechsel nach UmwG eintritt, bleibt der HV-Vertrag trotz Rechtsformwechsels mit dem identischen Rechtsträger bestehen (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG).1107 Auch im Falle der Verschmelzung oder Ausgliederung geht der HV-Vertrag auf den neuen Rechtsträger über (§ 20 UmwG);1108 ebenso bei der Ausgliederung gem. § 131 UmwG1109 – und zwar nach dem UmwG auch dann, wenn zivilrechtlich eine Zustimmung des Unternehmers erforderlich sein sollte, etwa auf Grund einer Vereinbarung.1110 Ob die Übertragung oder der Rechtsformwechsel nach HV-Recht eine Vertragsverletzung bildet und ein Kündigungsrecht des Unternehmers nach § 89a besteht, ist eine vom UmwG unabhängige, sich anschließende Frage.1111 Im Grundsatz ist ein Kündigungsrecht eher abzulehnen,1112 wobei der BGH1113 (zum Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage) betont, die Verschmelzung selbst begründe kein Kündigungsrecht. Es seien aber keine hohen Anforderungen an ein solches zu stellen und es genüge, dass die Betroffenen mit konkreten, nicht ganz unerheblichen, nachteiligen Änderungen rechnen müssten. Derartige Änderungen sollen fehlen, falls die Betreuung im Wesentlichen unverändert bleibt.1114 Jedoch schützen die §§ 613, 664 BGB den Unternehmer vor wesentlichen Änderungen im Erscheinungsbild des HV-Unternehmens. Ändert sich die wirtschaftlich-faktische Kontinuität des HV-Unternehmens infolge der Umwandlung erheblich und werden hierdurch die Interessen des Unternehmers so bedeutend tangiert, dass ihm eine Vertragsfortsetzung unzumutbar ist, mag nach Abmahnung1115 ein außerordentliches Kündi1103 OLG Stuttgart, Urt. v. 30.5.2011 – 5 U 189/10, BeckRS 2011, 16755 m. Anm. Henne GWR 2011, 319814 sowie Hilgard BB 2011, 1811; Steinhauer BB 2012, 526 (527).

1104 Emde Die Handelsvertreter-GmbH 1994, S. 120 ff.; Westphal BB 1999, 2517. 1105 Hierzu Westphal BB 1999, 2517. 1106 BGH, Urt. v. 13.8.2015 – VII ZR 90/14, ZVertriebsR 2015, 301 = BB 2015, 2253 = ZIP 2015, 1823 = DB 2015, 2141 = WM 2015, 1760 = EWiR 2015, 693 (Seulen/Berjasevic) Rn 24; Karsten Schmidt DB 2001, 1019; BGH, Urt. v. 21.2.2014 – V ZR 164/13, DB 2014, 825 zum Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage. Nicht einmal ein Abtretungsverbot kann den Übergang hindern, s. BGH, Urt. v. 22.9.2016 – VII ZR 298/14, BB 2016, 3090. 1107 Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 47. 1108 OLG Hamm, Teilurt. v. 10.2.2020 – 18 U 27/16, ZVertriebsR 2020, 131 Rn 45; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 47; Wachter EWiR 2014. 344. 1109 OLG Hamm, Teilurt. v. 10.2.2020 – 18 U 27/16, ZVertriebsR 2020, 131 Rn 45; OLG Köln, Urt. v. 28.3.2014 – 19 U 143/13, BeckRS 2014, 10602; Steinhauer/Weppner ZIP 2010, 1330 (1331); Evers VW 2011, 1262; Wachter EWiR 2014. 344. 1110 Steinhauer/Weppner ZIP 2010, 1330 (1331). 1111 BGH, Urt. v. 13.8.2015 – VII ZR 90/14, ZVertriebsR 2015, 301 = BB 2015, 2253 = ZIP 2015, 1823 = DB 2015, 2141 = WM 2015, 1760 = EWiR 2015, 693 (Seulen/Berjasevic) Rn 22; Steinhauer/Weppner ZIP 2010, 1330 (1331); BGH, Urt. v. 21.2.2014 – V ZR 164/13, DB 2014, 825 zum Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage. 1112 Seulen/Berjasevic EWiR 2015, 693 (694) – für die Ausgliederung; Steinhauer/Weppner ZIP 2010, 1330 (1331); offen gelassen von BGH, Urt. v. 13.8.2015 – VII ZR 90/14, ZVertriebsR 2015, 301 = BB 2015, 2253 = ZIP 2015, 1823 = DB 2015, 2141 = WM 2015, 1760 = EWiR 2015, 693 (Seulen/Berjasevic) Rn 22 – zur Ausgliederung. 1113 BGH, Urt. v. 21.2.2014 – V ZR 164/13, NJW 2014, 1447 = DB 2014, 825 = EWiR 2014. 343 (Wachter) Rn 28. 1114 BGH, Urt. v. 21.2.2014 – V ZR 164/13, NJW 2014, 1447 = DB 2014, 825 = EWiR 2014. 343 (Wachter) Rn 28 zum Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage. 1115 Steinhauer/Weppner ZIP 2010, 1330 (1332). Emde

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gungsrecht bestehen – aber nur dann;1116 ebenso wenn er erkennbar mit einer natürlichen Person kontrahieren wollte.1117 M. a. W.: Verlässt die entscheidende Person die Gesellschaft oder begeht eine schwere Vertragsverletzung, besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht. Die Gefahr, dass derartiges eintritt, begründet es nicht. Eine gegenteilige Ansicht würde den Mittler zu sehr gegenüber anderen Dauerschuldverhältnissen benachteiligen.1118 Im Tankstellenbereich soll ein solches außerordentliches Kündigungsrecht rglm. ausscheiden.1119 Zwar darf der als als Einzelkaufmann und in das Handelsregister eingetragene HV damit umwandlungsrechtlich sein Unternehmen und den HV-Vertrag auf eine GmbH ausgliedern und deren Anteile (samt HV-Vertrag) an einen Dritten abtreten.1120 Die GmbH riskiert aber in den o. g. Ausnahmefällen die (außerordentliche) Kündigung des HV-Vertrages. § 89b Abs. 3 Nr. 3 steht nicht entgegen, weil diese Vorschrift die Zustimmung des Unternehmers zur Übertragung voraussetzt.1121 Die beim Rechtsformwechsel von einer Personen- zu einer Kapitalgesellschaft eintretende Haftungsbeschränkung kann angesichts der geringen finanziellen Risiken des Unternehmers im Verhältnis zu seinem HV nur in krassen Ausnahmefällen ein außerordentliches Kündigungsrecht des Unternehmers begründen,1122 meist nur im Zusammenwirken mit anderen Umständen. Gleiches dürfte für die Ausgliederung von einem Einzelkaufmann zur Kapitalgesellschaft gelten und trotz der dort erhöhten finanziellen Risiken des Unternehmers wohl auch im Eigenhändlerrecht. Der Unternehmer mag sich etwa durch Zug-um-Zug-Leistung oder nach § 321 BGB schützen. Zu Kündigungsgründen, die durch die Besonderheiten einer HV-GmbH begründet werden könnten, wird unten bei § 89 ausgeführt. Problematisch sind die Fälle, in denen ein identitätswahrender Rechtsformwechsel oder 114 eine Gesamtrechtsnachfolge gemäß UmwG ausscheidet, etwa bei Gründung einer oHG durch Eintritt eines Neugesellschafters. Der Vertragspartner wird hier durch die Neugründung kein anderer. Vielmehr ist der HV nach wie vor als Einzelkaufmann verpflichtet und kann nur durch einverständliche Vertragsänderung eine Übertragung des Vertrages auf die neugegründete Gesellschaft herbeiführen.1123 Die Person des Vertragspartners darf nicht ausgetauscht werden. Angesichts der Möglichkeit des identitätswahrenden Formwechsels wird kaum ein HV diese Gelegenkeit wählen. Westphal1124 verweist darauf, der HV könne bei fehlender Zustimmung des Unternehmers die gegründete Gesellschaft als Untervertreterin einsetzen. Dem ist nur bei Zumutbarkeit ihrer Tätigkeit beizupflichten. Was für die Übertragbarkeit der Dienste des HV gilt, gilt gleichermaßen für den Fall einer 115 „Aufspaltung“, so durch Aufnahme eines Teilhabers in die Agenturfirma. Selbst wenn der HV einen triftigen Grund hat, einen Junior-Partner aufzunehmen (vorgerücktes Lebensalter) und er dem Unternehmer eine geeignete, vertrauenswürdige Person vorstellt, so wird der Unternehmer seine Einwilligung versagen dürfen, ohne dem HV einen begründeten, den Ausgleichsanspruch wahrenden Anlass zur Kündigung oder sogar einen Erfüllungsanspruch zu geben. Wenn

1116 Emde Die Handelsvertreter-GmbH 1994, S. 129 f.; zurückhaltend bei der Gewährung eines Kündigungsrechts nach § 89a auch Steinhauer/Weppner ZIP 2010, 1330 (1331); Steinhauer BB 2012, 526 (527) – nur bei besonderem Vertrauensverhältnis, unter Hinweis auf LG Göttingen, Urt. v. 21.3.2007 – 5 O 247/06. Offen gelassen von BGH, Urt. v. 13.8.2015 – VII ZR 90/14, ZVertriebsR 2015, 301 = BB 2015, 2253 = ZIP 2015, 1823 = DB 2015, 2141 = WM 2015, 1760 = EWiR 2015, 693 (Seulen/Berjasevic) Rn 22. 1117 LG Göttingen, Urt. v. 21.3.2007 – 5 O 247/06, VersR 2007, 1696; krit. zu diesem Urteil Steinhauer/Weppner ZIP 2010, 1330 (1332). 1118 In diese Richtung auch Steinhauer/Weppner ZIP 2010, 1330 (1332). 1119 Steinhauer BB 2012, 526 (527). 1120 Evers VW 2011, 1262. 1121 AA wohl Evers VW 2011, 1262. 1122 OLG Stuttgart, Urt. v. 30.5.2011 – 5 U 189/10, BeckRS 2011, 16755 m. Anm. Henne GWR 2011, 319814 sowie Hilgard BB 2011, 1811; Emde Die Handelsvertreter-GmbH 1994 S. 130 ff.; Steinhauer/Weppner ZIP 2010, 1330 (1332). 1123 Westphal BB 1999, 2517; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 86 Rn 7. 1124 Westphal BB 1999, 2517. 107

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im Außendienst der bisherige Agenturinhaber weiter allein tätig bleibt, behält es hierbei sein Bewenden. 116 Damit werden die §§ 613, 664 BGB zu Normen, die dem Schutz der Unternehmenskontinuität dienen. Sie garantieren dem Vertragspartner eines größeren Vertreterunternehmens zwar nicht notwendigerweise die Leistungserfüllung durch dieselbe natürliche Person, schützen ihn aber vor wesentlichen Umgestaltungen des Unternehmens. Erfolgt eine wesentliche Änderung des Erscheinungsbildes, kann der Unternehmer die Beibehaltung des status quo fordern. Insbesondere bleibt dem HV unbenommen, den Vertrag aus wichtigem Grund nach § 89a zu kündigen.1125 Einer unzulässigen außerordentlichen Kündigung des Unternehmers kann der HV mit einer Feststellungsklage begegnen, mit der die Fortführung des Vertrages festgestellt wird.

14. § 613a BGB 117 Die Vorschrift ist weder direkt noch nach ihrem Rechtsgedanken anwendbar,1126 nicht einmal auf arbeitnehmerähnliche HV i. S. d. § 5 Abs. 3 ArbGG, da § 5 Abs. 3 ArbGG nur das prozessuale und nicht das materielle Recht regelt.1127 Entsprechend geht der HV-Vertrag im Falle der Veräußerung des Unternehmens nicht automatisch gem. § 613a BGB auf den Unternehmensnachfolger über.1128 Es liegt kein (abhängiges) Arbeitsverhältnis vor. Der HV müsste vielmehr dem Übergang des Vertreterverhältnisses auf den Unternehmensnachfolger zustimmen.1129 Allerdings kann ein Vertragsübergang aus § 25 folgen,1130 demzufolge wie bei § 613a BGB auch Dauerschuldverhältnisse auf den Übernehmer übergehen können.1131 Wäre man anderer Ansicht, bliebe der Umgehung Tür und Tor geöffnet. Der Unternehmer könnte exakt dasselbe Unternehmen unter anderem Namen fortführen und das Altunternehmen in eine leere Hülle verwandeln. Dann müsste er möglicherweise noch nicht einmal einen Ausgleich nach § 89b leisten. In der Regel wird der Vertreter seine – ggf. konkludente – Zustimmung zur Weiterführung des Vertragsverhältnisses mit dem Unternehmensnachfolger erteilen; er sollte diese Erklärung von der Regelung seiner Ausgleichsansprüche abhängig machen. Fehlt eine Zustimmung des HV, bleibt dem Unternehmer nichts übrig, als das Vertragsverhältnis zu kündigen, sofern er nicht eine wegen des Verkaufs erklärte außerordentliche Kündigung durch den HV provozieren will; in beiden Fällen hat der HV den Ausgleichsanspruch, der sich gegen den bisherigen Unternehmer richtet und für den der Unternehmensnachfolger unter den Voraussetzungen des § 25 mithaftet.

15. § 614 BGB 118 Bei Provisionszahlung hat die Vorschrift keinen Anwendungsbereich.1132

1125 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 102. 1126 Emde MDR 2002, 190 (191); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 136; aA noch Giesler/Prasse1 § 2 Rn 136; Martinek/Flohr/ Pohl3 § 17 Rn 43; Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 8; Westphal I Rn 8. 1127 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 136. 1128 BGH DB 1962, 1636. 1129 BGH VersR 1960, 797. 1130 OLG Köln, Urt. v. 26.11.2010 – 19 U 70/10, BeckRS 2011, 02988; Emde MDR 2002, 190 (191); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 136; aA Staub/Brüggemann4 § 84 Rn 33. 1131 Karsten Schmidt Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 8 I 4 c; Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 149 ff; aA offensichtlich BGH HVR Nr. 419; Schlessmann Kündigung von Handelsvertreter-Verträgen,1966, S. 32; generell Beuthien NJW 1993, 1737 ff.; Heymann/Emmerich § 25 Rn 42. 1132 I. E. Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 9; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 137; Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 44. Jedoch kommt sie bei Festvergütung zur Anwendung. Emde

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16. § 615 BGB § 615 BGB ist auf HV anwendbar.1133 Die Norm gilt zu Gunsten aller Dienstverpflichteten, also auch des HV.1134 Vereinbarte Vergütung i. S. d. Vorschrift ist entweder die Provision oder eine versprochene Festvergütung. Eine Anwendung des § 615 BGB kann etwa in Betracht kommen bei einem Annahmeverzug, in den der Unternehmer dadurch gerät, dass z. B. durch Versagen seiner betrieblichen Organisation der HV seine Vertretertätigkeit nicht aufnehmen kann (Unterbleiben eines Einführungsschreibens an die Kundschaft, einer Zuteilung des Bezirks – falls die Zuteilung im Vertrag noch vorbehalten worden war –, einer Zurverfügungstellung der in § 86a Abs. 1 genannten Unterlagen). Vorbehaltlich weitergehender Schadensersatzansprüche im Falle eines Verschuldens (dazu unten) hat der HV dann Anspruch auf die vereinbarte Vergütung (§ 615 S. 1 BGB) in Gestalt eines etwa vereinbarten Fixums,1135 sonst in Anwendung des Gedankens des § 642 BGB einen Anspruch auf angemessene Entschädigung. § 615 BGB kann ferner einschlägig sein, wenn der Unternehmer ein vom HV vermitteltes Geschäft wegen zurechenbarer Dispositionsfehler bei der Lagerhaltung, aus Willkür oder schikanöser Schädigungsabsicht ablehnt, weil so weit seine Dispositionsfreiheit gegenüber dem HV nicht reicht.1136 Annahmeverzug kann sich schließlich ergeben, wenn der Unternehmer dem HV unberechtigt fristlos kündigt und ihm einstweilen die Fortsetzung seiner Tätigkeit untersagt. Weigert sich der Unternehmer ohne sachliche Gründe, etwa nach unberechtigter Kündigung,1137 Aufträge des HV entgegenzunehmen oder ihn weiterzubeschäftigen und hindert dadurch das Entstehen von Provision, so steht dem HV zusätzlich – also konkurrierend1138 – ein Schadenersatzanspruch wegen Schlechterfüllung (§§ 280 ff. BGB) in Höhe des entgangenen Gewinns zu, es sei denn, der Unternehmer ist nicht zur Annahme der vermittelten Geschäfte verpflichtet, z. B. wenn jene unzumutbar sind. Grds. muss der HV seine Dienste anbieten, um Annahmeverzug herbeizuführen. Widerspricht ein gekündigter HV der vom Unternehmer ausgesprochenen Kündigung nicht und bietet seine Leistung nicht entsprechend § 615 BGB an, so darf der Unternehmer im Ausnahmefall ggf. nach Treu und Glauben von einer einverständlichen Abwicklung des gekündigten Vertragsverhältnisses ausgehen. Der HV ist dann mit einem Anspruch auf Schadenersatz ausgeschlossen.1139 Beweiserleichterungen zur Höhe des Schadens verbessern die Darlegungsmöglichkeiten des HV gem. §§ 252 BGB, 287 ZPO,1140 und zwar richtigerweise sowohl im Schadenersatzrecht wie im Rahmen des konkurrierenden § 615 BGB. Soweit Bezirksprovisionen gezahlt werden, bedarf es eines Rückgriffs auf § 615 BGB nur beschränkt, falls der Unternehmer die Dienste des HV nicht annimmt, aber selbst oder durch andere HV im Gebiet des Mittlers Geschäfte macht. Denn der Anspruch auf Bezirksprovision entsteht ohne Zutun des HV. Der HV besitzt also einen vertraglichen Anspruch. Der BGH1141 hat deshalb gegenüber einem Bezirksvertreter die Anwendung des § 615 S. 2 BGB abgelehnt: mit Recht, gerade weil die Bezirksprovision „tätigkeitsunabhängig“ ist. Eine Anrechnung sonstigen Erwerbs des HV ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass der HV durch die

1133 Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 42; § 89a Rn 78; Emde MDR 2002, 190 (191); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 138; Martinek/ Flohr/Pohl3 § 18 Rn 47; Hopt § 86 Rn 4; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume3 § 85 Rn 6. 1134 Steindorff ZHR 130 (1967), 26 (82, 84). 1135 Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 72c. 1136 Siehe etwa Steindorff ZHR 130 (1967), 86. 1137 Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 47. 1138 Siehe Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 47. 1139 OLG Köln, Urt. v. 30.9.2005 – 19 U 67/05, VersR 2006, 407 (408). Diese Aussage ist zweifelhaft, weil auch ohne Widerspruch des HV eine pflichtwidrige und schuldhafte Handlung einen Schadenersatzanspruch begründet. 1140 BGH ZIP 2001, 1461 = WM 2001, 2010. 1141 BGH, Urt. v. 18.6.1959, BB 1959, 718 = DB 1959, 787 = VersR 1959, 596; BB 1992, 1162; zust. Küstner/Thume/ Schröder I4 Kap. II Rn 10; Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 45, § 18 Rn 47. 109

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eingestellte Betreuung des Bezirks Aufwendungen erspart, da das Maß seiner Aufwendungen ohnehin im Verhältnis zum Unternehmer nicht von Belang ist. Auch der Bezirksvertreter ist auf die §§ 615, 280 BGB angewiesen, soweit er einen Verlust durch die Unmöglichkeit eigener Tätigkeit im Bezirk erfährt. Ein Schaden ist ihm nach der Differenzprognose dann nur in Höhe der infolge der Unmöglichkeit eigener Tätigkeit entgangenen Provisionen abzüglich ersparter Kosten entstanden und auch § 615 S. 2 BGB ist insoweit anwendbar. Da die allg. Geschäftskosten als „Sowieso-Kosten“ gerade aus den entgangenen Provisionseinnahmen bedient werden sollen, sind jene (fortlaufenden) Allgemeinkosten jedoch meist nicht erspart und folglich nicht von dem Anspruch des HV abzusetzen. Der Anwendungsbereich des § 615 S. 2 BGB dürfte damit auf die tatsächlichen Kostenreduzierungen beschränkt sein, welche der Unternehmer zu beweisen hat.

17. § 616 BGB 123 Satz 1 gilt nicht für HV, die Provisionen erhalten,1142 da ein solcher Vertreter üblicherweise nur im Falle einer mitwirkenden Kausalität für die Kundenwerbung Provisionen verdient. Bei Festvergütung findet § 616 BGB Anwendung;1143 ebenso auf den Bezirksprovisionsanteil.

18. § 617 BGB 124 Die Vorschrift ist zwar theoretisch anwendbar,1144 wird jedoch praktisch kaum eingreifen.1145

19. § 618 BGB 125 Entsprechendes gilt für § 618 BGB.1146 Die Norm findet nur Anwendung, wenn der Dienstberechtigte Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften (etwa Muster) „zu beschaffen hat“, was etwa beim Tankstellenvertreter der Fall sein mag. Regelmäßig ist der HV hierfür verantwortlich. Auch die Abs. 2 und 31147 des § 618 BGB sind grds. anwendbar, haben praktisch jedoch kaum Anwendungsbereich. Sofern § 618 BGB anwendbar ist, ist auch die Unabdingbarkeit nach § 619 BGB gegeben.

20. § 619a BGB 126 § 619a BGB findet im Vertriebsrecht keine Anwendung. Die Bestimmung regelt lediglich den Verschuldensmaßstab eines Arbeitnehmers. Im Vertriebsrecht hingegen gelten kaufmännische Pflichtmaßstäbe (§ 86 Abs. 3),1148 und zwar selbst dann, wenn der Mittler kein Kaufmann sein sollte (§ 84 Abs. 4). Maßgeblich ist daher die allgemeine Vorschrift des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.

1142 1143 1144 1145 1146 1147 1148 Emde

Für generelle Unanwendbarkeit Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 45. Giesler/Prasse1 § 2 Rn 139. AA Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 12; Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 46. Emde MDR 2002, 190 (192); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 140. Für die Anwendbarkeit Hopt § 86 Rn 4. Hopt § 86 Rn 4. Oetker BB 2002, 43. 110

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21. §§ 620–622 BGB § 620 Abs. 1 BGB ist anwendbar, weil die vorrangige Spezialregel des § 89 den Anwendungsbe- 127 reich der allgemeinen Vorschriften nur für „auf unbestimmte Zeit“ eingegangene Verträge sperrt.1149 § 620 Abs. 2 BGB findet als Auslegungsregel zur Dauer des Dienstverhältnisses Anwendung,1150 nicht aber in seiner Rechtsfolge. Die Verweisungskette der §§ 620 Abs. 2, 621, 622 BGB findet folglich auch dann keine Berücksichtigung, falls eine Festvergütung vereinbart wurde. Denn § 89 trifft eine spezielle Regelung,1151 auch wenn mit dem HV ein festes Honorar vereinbart wurde.

22. § 623 BGB § 623 gilt nur für Arbeitsverhältnisse, also nicht im HV-Recht, selbst wenn der HV ein arbeitneh- 128 merähnlicher sein sollte.1152

23. § 624 BGB Umstritten ist die Geltung des § 624 BGB. Er bestimmt, dass ein Dienstverhältnis – ein solches 129 ist auch das HV-Verhältnis –, welches auf Lebenszeit oder (fest) auf längere Zeit als 5 Jahre eingegangen ist, vom Verpflichteten nach Ablauf von 5 Jahren mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden kann. Die Vorschrift ist mit diesem S. 1 zwingend. Ein HV oder ein anderer Vertriebsmittler, der sich zu mehr als 5jähriger Dienstleistung verpflichtet, darf den Vertrag mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten kündigen.1153 Damit wird neben § 89 eine weitere Kündigungsmöglichkeit eingeräumt. Nach OLG Hamm BB 1978, 1335 muss untersucht und darauf abgestellt werden, „ob das Element der persönlichen Dienstleistung dem HV-Verhältnis das Gepräge gebe“. Die Entscheidung ist zu billigen.1154 Die Anwendung des § 624 BGB kann daher im Einzelfall ausscheiden, wenn der Vertrag mehr unternehmens- als personenbezogen geführt wird,1155 etwa bei Vertragsschluss mit einem größeren HV-Unternehmen, auch einer HV-Gesell-

1149 Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 15; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 7; Hopt § 86 Rn 4; § 89 Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 89 Rn 3; aA Staub/Brüggemann4 § 84 Rn 32. 1150 Emde MDR 2002, 190 (192); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 144; Schlegelberger/Schröder § 89 Rn 3a; aA Hopt § 86 Rn 5. 1151 Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 16; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 7; Hopt § 89 Rn 6. 1152 Richardi/Annuß NJW 2000, 1231; Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 33; Palandt/Putzo § 623 Rn 2. 1153 OLG Hamm BB 1978, 1335; KG MDR 1997, 1041 (1042); Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 201; Emde MDR 2002, 190 (192); Ballerstedt JZ 1970, 371; Heyer NJW 1965, 1573; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 145; Canaris § 17 Rn 84, 94; Martinek/Semler/Habermeier/Flohr/Semler3 § 19 Rn 4; Hopt § 86 Rn 4; § 89 Rn 7 (aA aber „in besonderen Fällen“, siehe Rn 7); Glanegger/Ruß § 89 Rn 3; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 89 Rn 12; Schlegelberger/Schröder § 89 Rn 8f und 41a; MünchKomm/v. Hoyningen-Huene § 89 Rn 4, sofern das dienstvertragliche Element vorherrscht; aA BGH, Urt. v. 9.6.1969 – VII ZR 49/67, BGHZ 52, 171 = NJW 1969, 1662 (1663) für den Tankstellen-HV, da komplexes Vertragsgebilde und keine reine HV-Tätigkeit; v. 31.3.1982 – I ZR 56/80, NJW 1982, 1692; LG Hamburg NJW 1963, 1550 mit zust. Anm. Würdinger; Leo DB 1961, 2518; Duden NJW 1962, 1326; Boldt BB 1962, 906; Würdinger NJW 1963, 1550; Höft VersR 1973, 600 (601); für Tankstellen-HV: MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89 Rn 5; differenzierend Westphal I Rn 10; Rittner NJW 1964, 2255; Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 50; s. a. die Einzelfallentscheidungen BGHZ 52, 171 und OLG Hamm DB 1978, 1445. 1154 AA Duden NJW 1962, 1326; Boldt BB 1962, 906. 1155 Rittner NJW 1964, 2252; Brüggemann ZHR 131 (68), 27; Hopt § 89 Rn 7. 111

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schaft.1156 Notfalls wäre hier von einem § 242 BGB-Einwand auszugehen. Auf die Arbeitnehmerähnlichkeit des HV kommt es nicht an.1157 § 624 BGB ist nicht auf unselbständige Dienstverhältnisse (Arbeitsverhältnisse) beschränkt, sondern umfasst Dienstverhältnisse jeder Art. Er teilt deshalb auch nicht einen ausschließlich sozialen Schutzzweck.1158 Er wahrt vielmehr den Entfaltungsraum der Persönlichkeit dahin, dass niemand ohne die Möglichkeit einer normalen Kündigung vertraglich gebunden sein soll, einem anderen seine Dienste auf Lebenszeit oder fest für länger als 5 Jahre zur Verfügung zu stellen. Die Grundsätze des WGG bilden keinen § 624 BGB verdrängenden Ausgleich.1159 Sie gelten auch im BGB, schließen aber auch dort § 624 BGB nicht aus. Der Standpunkt von Boldt,1160 § 89 sei gegenüber § 624 BGB lex specialis, ist eine petitio principii: Denn damit wird behauptet, was erst bewiesen werden müsste. § 624 BGB ist auch auf Vertragshändler-1161 und Franchiseverträge1162 anwendbar. Die Gegenansicht verweist darauf, dass auch der FG Leistungen erbringe, es fehle eine vergleichbare Interessenlage.1163 Für den Bereich des Tankstellenvertriebs hat der BGH die Anwendbarkeit des § 624 BGB verneint.1164

24. § 625 BGB 130 Die Bestimmung gilt auch für den HV,1165 da das HV-Recht keine speziellere Regelung enthält. Auch § 89 Abs. 3 bildet keine verdrängende Sonderregelung, da sie nur für HV-Verträge mit bestimmter Dienstzeit gilt und nicht für die Fortsetzung in anderen Fällen (dort allenfalls analog).

25. §§ 626, 627 BGB 131 §§ 89, 89a sind vorrangig.1166 Allerdings ist es rechtstechnisch fraglich, ob § 89a auch die Anwendung der Zweiwochenfrist zur Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB sperrt.1167 Davon geht die h. M. aus und fordert vom Unternehmer nur eine angemessene Frist zur Entscheidungsfindung von etwa einem Monat (dazu bei § 89a). Die Ansicht zur Nichtanwendbarkeit der Fristenregelung des § 626 Abs. 2 BGB darf mittlerweile als Gewohnheitsrecht bezeichnet werden (§ 89a Rn 55). Somit gelten nur Verwirkungsgrundsätze, was auch Auffassung des BGH ist.1168 § 626 1156 Rittner NJW 1964, 2255; Emde MDR 2002, 190 (192); Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 208; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 8; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 145. Hopt § 89 Rn 7; aA Duden NJW 1972, 1326; Würdinger NJW 1963, 1550. AA Duden NJW 1962, 1326. So aber Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 5. Boldt BB 1962, 906. Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 311. Canaris § 18 Rn 28; Giesler/Nauschütt/Höpfner § 12 Rn 28; Giesler/Giesler1 § 4 Rn 330; Hopt § 86 Rn 4; aA Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 150; Giesler/Güntzel2 § 4 Rn 505. 1163 Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 150; Giesler/Güntzel2 § 4 Rn 505. 1164 BGH, Urt. v. 9.6.1969 – VII ZR 49/67, BGHZ 52, 171 = NJW 1969, 1662 (1663); v. 31.3.1982 – I ZR 56/80, NJW 1982, 1692; zust. Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn2 § 89 Rn 8; Oetker/Busche § 89 Rn 4; MünchKomm/v. HoyningenHuene § 89 Rn 5. 1165 Emde MDR 2002, 190 (192); Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 19; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 146; Hopt § 89 Rn 6, 24; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 85 Rn 6; Schlegelberger/Schröder § 89 Rn 4a, 5; aA Flohr/ Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 123; Hopt § 89 Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89 Rn 3. Ob man für die Gegenansicht den RegE BT-Drucks 11/3077, S. 9 anführen kann, halte ich für zweifelhaft. 1166 Leo DB 1961, 1518; Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 20; Flohr/Wauschkuhn/Flohr Vertriebsrecht2 § 89a Rn 4; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 147; Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 49; Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 4; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 89a Rn 6; Hopt § 86 Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89a Rn 4; Schlegelberger/ Schröder § 89a Rn 1; Oetker/Busche § 89a Rn 4. 1167 OLG Karlsruhe VW 1978, 195 hat sich für die Anwendung ausgesprochen. 1168 BGH EWiR 1999, 705 (Emde).

1157 1158 1159 1160 1161 1162

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Abs. 2 S. 3 über die Mitteilung des Kündigungsgrundes soll hingegen einen allgemeinen, auch für den HV-Vertrag geltenden Rechtsgrundsatz enthalten.1169 § 627 Abs. 1 BGB ist unanwendbar. Sonst würden die Kündigungsfristen des § 89 umgangen. 132 Ein HV leistet keine Dienste höherer Art i. S. d. Norm.1170 Der HV ist Hilfsperson des Unternehmers um dessen wirtschaftlicher Ziele willen; seine Dienste haben keinen anderen Stellenwert als den, am Umsatz wirtschaftlicher Güter im unmittelbaren Vollzug vorbereitend und unterstützend beteiligt zu sein. Gegenüber § 627 BGB ist § 89a schon im TB anders gelagert. § 627 BGB fordert nicht das Vorliegen eines wichtigen Grundes, wie er für § 89a unumgänglich ist.

26. § 628 BGB Abs. 2 wird durch § 89a Abs. 2 verdrängt.1171 § 628 Abs. 1 BGB kann für Provisionsvertreter kaum 133 einen Anwendungsbereich haben, weil jene auf Grund der Provisionstatbestände ihre Vergütung verdienen.1172 Die Norm gilt aber für HV mit Festvergütung.1173

27. § 629 BGB Der HV darf seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit frei bestimmen (§ 84 Abs. 1 S. 2). Deshalb ist 134 § 629 BGB unanwendbar.1174

28. § 630 BGB Entgegen der wohl h. M.1175 und Staub/Brüggemann41176 ist die Vorschrift anwendbar, und zwar 135 auch auf HV, die keine arbeitnehmerähnliche Einfirmenvertreter i. S. d. § 92a sind.1177 Richtig ist, dass § 630 BGB – wie im Übrigen alle Normen des BGB-Dienstvertragsrechts – vor allem den in enger persönlicher Bindung zum Dienstberechtigten stehenden, abhängigen Dienstverpflichte1169 LG Köln NJW-RR 1992, 485; Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 4; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89a Rn 6; Oetker/Busche § 89a Rn 4 u. 9.

1170 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 13; LG Köln, Urt. v. 11.3.2002 – 2 O 594/00, S. 7 f; Kassung AfP 2004, 89 (94); Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 4; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 89a Rn 7; Schlegelberger/Schröder § 89a Rn 1; aA Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1059 f.): Ein Wertungswiderspruch zwischen § 627 BGB und dem HV-Recht scheide aus. Selbst wenn die Regelung des § 627 BGB den Zweck verfolge, beiden Parteien ein sanktionsloses Kündigungsrecht zu geben, schließe § 89b als „kleiner Kündigungsschutz“ des HV § 627 BGB nicht aus. Dies zeige bereits die Koexistenz von §§ 89a und 89b. 1171 Emde MDR 2002, 190 (192); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 149; Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 51. 1172 Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 4; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 89a Rn 6; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89a Rn 7; Leo DB 1961, 1518. 1173 Hopt § 89a Rn 2. 1174 Leo DB 1961, 1519; Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 22; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 148; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 117; Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 52; Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 5; Hopt § 86 Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 61; Schlegelberger/Schröder § 89 Rn 38. 1175 RGZ 87, 440 (443); OLG Celle BB 1967, 775; Leo DB 1961, 1518 (1519); Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 23; Teichmann in: Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 12; Westphal I Rn 12; Voß/Höft Das Recht der Versicherungsvermittlung 1985, S. 661, 731; Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 51; Hopt § 86 Rn 5; § 89 Rn 6; MünchKomm BGB/Schwerdtner § 630 Rn 3; Palandt/Putzo § 630 Rn 2; Schlegelberger/Schröder § 89 Rn 33. 1176 Staub/Brüggemann4 § 84 Rn 38. 1177 Auf jene wollen Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 52; Herschel/Beine/Buchwald S. 145, die Anwendung begrenzen. Es fragt sich jedoch, welche Rechtfertigung die Differenzierung haben soll. Materiell-rechtliche Wirkungen hat § 92a heute nicht, seine Bedeutung begrenzt sich auf die prozessuale Bestimmung des Rechtsweges nach § 5 Abs. 3 ArbGG; hierzu Martinek/Wank3 § 12 Rn 49. 113

Emde

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ten als typischen Normadressaten vor Augen hatte. Daraus folgt aber nicht notwendig die Unanwendbarkeit auf andere Dienstverhältnisse. Das Leitbild persönlicher Leistung prägt auch das HV-Recht. Grundlage des § 630 BGB ist nicht die rechtliche, soziale oder wirtschaftliche Stellung des Dienstverpflichteten, sondern der Umstand, dass beide Vertragsparteien in einem länger dauernden Rechtsverhältnis miteinander verbunden waren.1178 § 630 BGB gibt dem Dienstverpflichteten als Ausfluss der das dauernde Vertragsverhältnis begleitenden Treupflichten1179 einen Anspruch auf Zeugniserteilung, der ohne diese Vorschrift aus der allgemeinen Verpflichtung zu gegenseitiger Loyalität, Treue (§ 242 BGB)1180 und Unterstützung entwickelt werden müsste. Auf diese hat jeder Vertragspartner, unabhängig von seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Stellung, Anspruch. Deshalb gilt die Vorschrift sogar zu Gunsten einer HV-GmbH.1181 Selbstverständlich kann auch ein HV Interesse an der Erteilung eines Zeugnisses haben. Ein Kaufmann kann einem anderen Kaufmann sehr wohl ein „Zeugnis“ erteilen. Kaum kann die An- und Abmeldung bei der Gewerbesteuer oder dem Ordnungsamt ein Zeugnis ersetzen (so aber Staub/Brüggemann4). Weshalb die Selbständigkeit der Erteilung eines Zeugnisses entgegenstehen soll, ist gleichfalls nicht ersichtlich, zumal weder §§ 84 ff. noch § 630 BGB die Anwendung ausschließen.1182

29. § 655a BGB 136 Gem. § 655a Abs. 3 S. 2, Abs. 3 i. V. m. § 511 Abs. 2 S. 2 BGB hat ein Vermittler eine Produktauswahl durchzuführen sowie eine Geeignetkeitsprüfung in Hinblick auf die bei jedem Kreditinstitut verschiedene Vertriebsstruktur durchzuführen. Sobald der Vermittler Beratungsleistungen i. S. d. § 511 Abs. 2 S. 2 BGB anbietet, erweitert § 655a Abs. 3 S. 2 BGB die zu prüfende Produktpalette um „eine ausreichende Zahl“ von am Markt verfügbaren Darlehensverträgen“, sofern der Vermittler für mehr als einen Darlehensgeber tätig ist. In S. 3 erfolgt eine erneute Einschränkung der Produktpalette für den umgekehrten Fall, dass der Vermittler „nur im Namen und unter der unbeschränkten vorbehaltslosen Verantwortung nur eines Darlehensgebers oder einer begrenzten Zahl von Darlehensgebern tätig (wird), die am Markt keine Mehrheit darstellen“.1183 Nach Ansicht von von Klitzing/Seiffert1184 fällt der freie HV als Selbstständiger unter § 655 Abs. 3 S. 2 BGB. Dieses Ergebnis würde nach Ansicht von von Klitzing/Seiffert 1185 die dynamische Ausgestaltung der Beziehungen zwischen HV und Kreditgeber nicht ausreichend abbilden und HV, die tatsächlich nur für einen Kreditgeber tätig werden, gegenüber angestellten Außendienstmitarbeitern ungerechtfertigt benachteiligen. Entscheidend sei nicht der vertragliche Status sondern die Frage, von welchem Kreditgeber ein Mittelzufluss erfolgt. Es sei nicht einzusehen, warum ein HV, der nur für einen Kreditgeber tätig wird, nicht ebenfalls in den Genuss der Privilegierung einer eingeschränkten Produktprüfungspflicht kommen solle.

1178 1179 1180 1181

Emde Die Handelsvertreter-GmbH, 1994, S. 76. Vgl. BGHZ 74, 281 (289): „Nebenpflicht aus dem Dienstverhältnis“. So noch Palandt/Gramm 15. Aufl., 1956, § 630 Anm. 1. Emde Die Handelsvertreter-GmbH, 1994, S. 77; i. E. auch Schlegelberger/Schröder § 89 Rn 33; ablehnend Schlessmann Kündigung von Handelsvertreter-Verträgen, München 1966, S. 236 („absurd“); RGRK-Eisemann § 630 Rn 9. 1182 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 75 ff.; Emde GmbHR 1999, 1005 (1009); Emde MDR 2002, 190 (192); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 151. 1183 Von Klitzing/Seiffert WM 2016, 774 (777). 1184 Von Klitzing/Seiffert WM 2016, 774 (778). 1185 Von Klitzing/Seiffert WM 2016, 774 (778). Emde

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30. § 675 BGB Der HV-Vertrag ist Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. d. § 675 BGB.1186 Danach sind grundsätzlich 137 die §§ 663, 665–670, 672–674 BGB anwendbar.1187 § 675 BGB und das Auftragsrecht des BGB gehen allerdings von der Besorgung eines Einzelgeschäfts aus, während beim HV-Vertrag ein Dauerrechtsverhältnis in Rede steht. Das führt jedoch nur zur teleologischen Reduktion im Einzelfall, keinesfalls zur generellen Unanwendbarkeit.

31. §§ 675, 663 § 663 BGB ist anwendbar, sofern die TB-Voraussetzungen vorliegen.1188 Das dürfte selten der 138 Fall sein, zumal die Norm eher auf den Einzelauftrag passt.

32. §§ 675, 665 § 665 BGB konkretisiert das im HV-Recht bestehende Weisungsrecht des Unternehmers und fin- 139 det damit Anwendung.1189 Dem Weisungsrecht wird jedoch durch die Selbständigkeit des Vertreters Grenzen gesetzt1190 (dazu unten).

33. §§ 675, 666 Der HV ist gegenüber dem Unternehmer auskunfts- wie berichtspflichtig, § 666 BGB detailliert 140 jene Auskunftspflicht,1191 wobei sich der HV meist auf den zwar nicht spezielleren, für ihn jedoch recht günstigen § 87c stützen wird. Allerdings gibt es im HV-Recht eine einzelfallbezogene Rspr. zum Inhalt der Berichtspflicht des Mittlers, so dass die zu § 666 BGB ergangene Rspr. jeweils auf ihre Vereinbarkeit mit der Judikatur zum HV-Recht zu untersuchen ist.1192 Näheres unten, § 86, Stichwort „Berichtspflicht“.

34. §§ 675, 667 BGB Auch § 667 BGB ist grds. anwendbar,1193 etwa bei der Herausgabe vereinnahmter Gelder.1194 141 Jedoch ist nach dem Inhalt des Handelsvertretervertrags häufig eine abweichende oder detaillie1186 OLG Koblenz, Urt. v. 30.1.2006 – 12 U 127/01, WM 2006, 1452 (1453) für nebenberufliche HV; Küstner/Thume/ Schröder I4 Kap. II Rn 24; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 66; Hopt § 84 Rn 5; MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 5; Oetker/Busche § 86 Rn 1; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 1. 1187 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 2; Hopt § 86 Rn 6; Oetker/Busche § 86 Rn 1. 1188 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 153; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 66; Hopt § 86 Rn 6; aA Staub/Brüggemann4 Vor § 84 Rn 12; § 84 Rn 31. 1189 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 66; Hopt § 86 Rn 6. 1190 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 154. 1191 I. E. auch Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 66. 1192 Emde MDR 2002, 190 (193); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 155; Gegen die Anwendbarkeit Staub/Brüggemann4 Vor § 84 Rn 12. 1193 BGH, Urt. v. 8.11.2005 – KZR 18/04, BB 2006, 180 = WM 2006, 245 = ZIP 2006, 288 = NJW-RR 2006, 339 = EWiR 2006, 129 (Hensen) = GRUR 2006, 787; OLG Koblenz, Urt. v. 30.1.2006 – 12 U 127/01, WM 2006, 1452 (1453); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 66; Flohr/Wauschkuhn/Flohr Vertriebsrecht2 § 675 BGB Rn 25; Hopt § 86 Rn 6; Oetker/ Busche § 86 Rn 40 ff. 1194 OLG Koblenz, Urt. v. 30.1.2006 – 12 U 127/01, WM 2006, 1452. 115

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rende Absprache getroffen,1195 ggf. konkludent. Einzelheiten werden unten, § 86 Stichwort „Herausgabepflicht“ behandelt.

35. §§ 675, 668 BGB 142 Die Anwendbarkeit1196 setzt voraus, dass der HV Geld an den Auftraggeber herauszugeben oder für ihn zu verwenden hat. Nach der Vertragsgestaltung wird dies meist nicht der Fall sein.1197

36. §§ 675, 669, 670 BGB 143 Mangels entgegenstehender Absprachen sind die Aufwendungen des HV durch die Provision abgegolten1198 (s. § 87d). Einen Vorschuss sieht das HV-Recht allein in § 87a Abs. 1 S. 2 vor. Nur bei unerwartet hohen Aufwendungen, die sich nicht aus der Provision bezahlen lassen, darf daher ein Vorschuss gefordert werden.1199 Beseitigt ein Vertragshändler Mängel, kann er für die Ersatzteile Vergütung nach § 670 BGB1200 sowie nach § 632 BGB1201 fordern.

37. §§ 675, 671 BGB 144 § 671 BGB ist anwendbar.1202 Eine Kündigung zur Unzeit analog § 671 Abs. 2 BGB wird im Hinblick auf die einzuhaltenden Kündigungsfristen regelmäßig ausscheiden.1203

38. §§ 675, 672, 673 BGB 145 Die Bestimmungen sind generell anwendbar.1204 Der Regelungsgehalt des § 673 BGB wird durch § 613 BGB unterstützt. Jedoch kann von dem Erben des HV kaum gem. § 673 BGB verlangt werden, er solle die Besorgung des übertragenen Geschäfts bei Gefahr fortsetzen, da ihm hierzu regelmäßig die erforderlichen Kenntnisse fehlen werden (persönliche Dienstpflicht i. S. d. § 613 BGB).1205

39. §§ 675, 674 BGB 146 § 674 BGB ist anwendbar,1206 zumindest wenn der Vertrag nicht durch Willenserklärungen der Parteien endet.1207 Emde MDR 2002, 190 (193); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 156. Für die Anwendbarkeit Hopt § 86 Rn 6. Emde MDR 2002 190 (193); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 157. Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 158; gegen die Anwendbarkeit Staub/Brüggemann4 § 84 Rn 31. AA Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 43: § 669 BGB unanwendbar. Graf v. Westphalen DB 1999, 2553; BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, GRUR 2005, 62. Graf v. Westphalen DB 1999, 2553. Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 6. Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 6. Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 123 ff.; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 66; Hopt § 86 Rn 6; hinsichtlich § 673 BGB; Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 6; aA Staub/Brüggemann4 Vor § 84 Rn 12. 1205 Emde MDR 2002, 190 (193); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 159; Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 6. 1206 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 66; Hopt § 86 Rn 6; Oetker/Busche § 86 Rn 1; aA Staub/Brüggemann4 Vor § 84 Rn 12, § 84 Rn 31. 1207 Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 6.

1195 1196 1197 1198 1199 1200 1201 1202 1203 1204

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40. § 810 BGB § 87c Abs. 4 schließt die Anwendung des § 810 BGB nicht aus. Jedoch sind die Anspruchsvoraus- 147 setzungen des § 810 BGB strenger, so dass sich der HV eher auf § 87c Abs. 4 stützen wird.1208

41. § 855 BGB Ein Inkasso-HV ist Besitzmittler des Unternehmers.1209

148

IV. Datenschutzrecht Nach Art 5 Abs. 1 lit. a DSGVO ist jede Verarbeitung personenbezogener Daten unzulässig, so- 149 weit sie nicht auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden. Gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO ist die Verarbeitung von Daten nur rechtmäßig, wenn zumindest einer der in Abs. 1 lit. a–f aufgeführten Rechtfertigungsgründe eingreift, wie bspw. die Einwilligung der betroffenen Person (sog. „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“). Den bedeutendsten Rechtfertigungsgrund geben die berechtigten Interessen nach lit. f. Zur Bestimmung der berechtigten Interessen ist eine einzelfallbezogene Interessenabwägung vorzunehmen, bei welcher die Interessen des Verantwortlichen/Dritten gegen eventuell entgegenstehende, überwiegende Interessen des Betroffenen abzuwägen sind.1210 Ein berechtigtes Interesse des Mittlers können rechtliche Verpflichtungen geben, etwa Sachmängelgewährleistungs- oder Produkthaftungsansprüche eines Eigenhändlers.1211 Der Mittler darf eigene wirtschaftliche Interessen in die Abwägung einbeziehen, z. B. die Nutzung des Marketingnetzes des Unternehmers und das Interesse einen Ausgleichsanspruch zu verdienen.1212 Zur Übertragung der Kundendaten von Eigenhändler zum Unternehmer im Rahmen der ausgleichsrechtlich erforderlichen Überlassung der Kundendaten s. Kommentierung zu § 89b. Der Begriff der „Verarbeitung“ ist sehr weit zu verstehen. Art. 6 Abs. 1 DSGVO erfasst nur 150 das „Ob“ der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, nicht auch das „Wie“.1213 Gem. Art. 4 Nr. 2 DSGVO wird von der „Verarbeitung“ zwischen der Erhebung, dem Speichern und der Weitergabe bis zum Löschen der personenbezogenen Daten jeder Verarbeitungsschritt erfasst.1214 Im Einzelnen wird zwischen Erheben, Verarbeiten und Übermittlung personenbezogener Daten unterschieden. Der HV erhebt Daten des Kunden über das Geschäft. Er verarbeitet sie auch, weil er sie speichert. Er würde sie „übermitteln“, sofern er im Verhältnis zum Unternehmer als Dritter i. S. d. Art. 4 Nr. 10 DSGVO zu qualifizieren wäre. Der HV kann nur dann eine Person innerhalb der verantwortlichen Stelle, dem Unternehmer, i. S. d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO und damit nicht Dritter sein, sofern es sich bei ihm um einen Beschäftigten handeln würde. Das ist bei gesetzestypischen HV nicht der Fall. Lediglich HV, welche die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ArbGG oder § 92a erfüllen, sollen Beschäftigte sein.1215 Handelt es sich um einen typischen HV, so gilt er

1208 1209 1210 1211 1212 1213 1214 1215 117

MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87c Rn 67. BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 = NJW 2010, 3578. Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (5). Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (5). Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (5). BeckOK DatenschutzR/Albers/Veit DS-GVO Art 6 Rn 1. Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3. Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (220/221). Emde

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grds. als „Dritter“ im datenschutzrechtlichen Sinne.1216 Teilweise wird allerdings in Zweifel gezogen, ob ein HV im Verhältnis zum Unternehmer als Dritter anzusehen ist und daher eine Weitergabe personenbezogener Daten im Verhältnis zwischen HV und Unternehmen eine den Beschränkungen des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt unterliegende Übermittlung darstellt.1217 151 Für den Personenbezug kommt es darauf an, ob eine Rückführbarkeit auf eine einzelne natürliche Person möglich ist.1218 Unter personenbezogene Daten i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO fallen, soweit für den Vertrieb von Relevanz, insb. der Name einer Person,1219 deren Kontaktdaten,1220 Anschrift,1221 Telefonnummer,1222 (private)1223 E-Mail-Adresse1224 sowie weitere Kundendaten und Kontoverbindungen von Privatkunden1225 ebenso wie z. B. Name, Telefonnr., E-MailAdresse der Mitarbeiter von als juristische Personen erfassten Firmenkunden,1226 Angaben zu den bestellten Waren,1227 Informationen zu erfolgten Reklamationen oder der Verwendung der erhobenen Produkte.1228 Angaben über juristische Personen, z. B. die Firma des Unternehmens oder eine allgemeine E-Mail-Adresse, wie sie etwa mit „info“ beginnt, sind regelmäßig keine personenbezogenen Daten.1229 Etwas anderes kann gelten, wenn diese Angaben auch die hinter der juristischen Person stehende Person bezeichnen.1230 Von einem Mittler erhobene Kundendaten können daher personenbezogene Daten sein.1231 Eine Verarbeitung i. S. d. Art. 4 Nr. 2 DSGVO liegt von der Erhebung bis zur Löschung/Vernichtung vor.1232 Die Speicherung bildet eine Verarbeitung.1233 Für die Verarbeitung muss, wie dargelegt, ein rechtfertigender Grund vorliegen.1234 Insoweit ist an eine Einwilligung i. S. d. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a, 7 DSGVO zu denken. Die Einwilligung in die Datenübermittlung setzt gem. Art. 7 DSGVO voraus, dass der Betroffene in Kenntnis aller relevanten Umstände freiwillig sein Einverständnis gegeben hat und dies dokumentiert wird.1235 Eine konkludente oder mutmaßliche Einwilligung ist nach Art. 4 Nr. 11 DSGVO nicht vorgesehen.1236 Ein weiterer Rechtfertigungsgrund liegt in der Erfüllung eines Vertrages bzw. der Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen i. S. d. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO.1237 Schließlich kann die Datenverarbeitung auf berechtigte Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten gestützt werden, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO.1238

1216 1217 1218 1219 1220 1221 1222

Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (221). OLG Brandenburg, Urt. v. 28.12.2000 – 6 U 250/99; LG Kiel, Urt. v. 11.5.2012 – 14 U 143/10. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 83. Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (160). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (160). Kugler ZVertriebsR 2015, 219; Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (4). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (160); Kugler ZVertriebsR 2015, 219; Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (4). 1223 Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (160). 1224 Kugler ZVertriebsR 2015, 219; Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (4). 1225 Kugler ZVertriebsR 2015, 219; Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (4). 1226 Kugler ZVertriebsR 2015, 219; Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (4). 1227 Kugler ZVertriebsR 2015, 219; Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (4). 1228 Kugler ZVertriebsR 2015, 219; Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (4). 1229 Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (160). 1230 Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (160). 1231 Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (4). 1232 Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (4). 1233 Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (4). 1234 Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (4). 1235 Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 83. 1236 Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 83. 1237 Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (5). 1238 Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (5). Emde

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1. Datenschutzrechtliche Fragen bei Vermittlung bzw. Abschluss von Geschäften durch den HV Wie dargelegt, ist zur Bestimmung berechtigter Interessen eine einzelfallbezogene Interessenab- 152 wägung vorzunehmen. Der HV darf eigene Interessen in die Abwägung einstellen: Die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Kundendaten erfolgt im Rahmen der Verpflichtung des HV zur Vermittlung bzw. Abschluss von Geschäften.1239 Das berechtigte Interesse des HV folgt aus dem Interesse an der Begründung von Provisionsansprüchen durch Vermittlung und Abschluss von Geschäften für den Unternehmer.1240 Schutzwürdige Interessen des Kunden am Unterbleiben der Übermittlung von Daten, die der Unternehmer für den Abschluss oder die Durchführung des Vertrages mit dem Kunden benötigt, sind jedenfalls insoweit nicht gegeben, als sie vom Unternehmer für die Begründung eines rechtsgeschäftlichen, vom Unternehmer gewünschten Rechtsverhältnisses benötigt werden. Bei einem Kunden, der unter Mitwirkung des HV und in Kenntnis seiner HV-Eigenschaft den Abschluss eines Vertrages mit dem Unternehmen bezweckte, war jedenfalls unter dem BDSG zu erwarten, dass er eine Weitergabe seiner personenbezogenen Daten für den Abschluss des Geschäfts an den Unternehmer wünschte.1241 Art. 4 Nr. 7 DSGVO stellt fest, dass die Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Verar- 153 beitung von mehreren Personen gemeinsam getroffen werden darf. Von der eigenen Verantwortlichkeit für eine Datenverarbeitung abzugrenzen ist die Auftragsverarbeitung. Nach Art. 4 Nr. 8 DSGVO ist ein Auftragsverarbeiter eine natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet.1242 Deshalb wird diskutiert, ob ein HV Auftragsdatenverarbeitung durchführt. Falls ja, wäre er allein für die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften verantwortlich. Die in den Art. 82 DSGVO und in Erwägungsgrund (EG) 146 genannten Rechte sind ihm gegenüber geltend zu machen. Der Auftragnehmer hingegen gilt als „verlängerter Arm“ des Auftraggebers und ist diesem gegenüber nicht als Dritter anzusehen.1243 Die Übertragung von Daten zwischen Verantwortlichem und Auftragsverarbeiter i. S. d. 154 Art. 28 DSGVO bedarf keines Rechtfertigungsgrundes, weil der Auftragsverarbeiter nicht als Dritter angesehen wird.1244 Sie bildet keine erlaubnispflichtige Übermittlung personenbezogener Daten.1245 Ferner bildet eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch den Auftragsdatenverarbeiter im Rahmen des erteilten Auftrages und in Übereinstimmung mit den Weisungen des Auftraggebers dann eine zulässige Tätigkeit, wenn und soweit zugunsten des Auftraggebers ein datenschutzrechtlicher Erlaubnistatbestand hinsichtlich der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung greift oder der Betroffene dem Auftraggeber eine Einwilligung erteilt hat.1246 Ob eine Person Auftragsverarbeiter ist, ist nicht Gegenstand einer parteilichen Dispositionsbefugnis. Die Stellung folgt aus den objektiven Umständen.1247 Auftragsverarbeiter ist jede natürliche oder juristische Person, die im Auftrag des Verantwortlichen personenbezogene Daten verarbeitet.1248 Ein Auftragsverarbeitungsverhältnis zwischen Unternehmer und HV, in dem der HV der Auftragsverarbeiter ist, kommt nur in Betracht, wenn der Unternehmer alleine die Zwecke der Datenverarbeitung bestimmt.1249 Verwendet der HV die Da-

1239 1240 1241 1242 1243 1244 1245 1246 1247 1248 1249 119

Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (223). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (223). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (223). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (162). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (221). Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (5). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (221). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (221). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 59 (162). Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (6). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (163). Emde

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ten auch für seine eigene Tätigkeit, etwa in einem CRM-System zwecks Kundenbetreuung, legt er dadurch einen oder mehrere eigene Verwendungszwecke für die erhobene Daten fest.1250 Charakterisierend ist, dass der Auftragsverarbeiter die Datenverarbeitung nur nach Weisung des Verantwortlichen vornehmen1251 und keine selbstständigen Entscheidungen über Zweck und Mittel der Datenverarbeitung treffen darf.1252 Nach der sog. Vertragstheorie ist eine Einschaltung des HV als Auftragsdatenverarbeiter des Unternehmers nur möglich, falls der HV vertraglich besonders eng an die Weisungen des Unternehmers gebunden wird und ihm insb. jeder Ermessens- und Entscheidungsspielraum im Hinblick auf die Art, den Umfang und den Zweck der Erhebung oder die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten genommen wird.1253 Gemäß der Funktionsübertragungstheorie ist eine Einschaltung des HV im Rahmen der Vermittlung von Geschäften für den Unternehmer als dessen Auftragsdatenverarbeiter nicht möglich, da der HV mit der Vermittlung bzw. dem Abschluss von Geschäften für den Unternehmer mit materiellen Vertragsleistungen unter Verwendung personenbezogener Daten und nicht nur mit der Datenverarbeitung und ihren Hilfsfunktionen beauftragt wird.1254 Es ist daher zweifelhaft, ob ein HV eine Auftragsdatenverwaltung durchführt.1255 Hinsichtlich der Kundenpflege und – betreuung ist der HV frei und soll durch Eigeninitiative für weitere Vermittlungen sorgen.1256 Es spricht viel dafür, den HV als Verantwortlichen für die Datenverarbeitung zu qualifizieren.1257 Der HV kann sich bei der Vermittlung wohl auf den neuen Erlaubnistatbestand in Art 6 155 Abs. 1 lit. b DSGVO stützen. Danach ist die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, falls die Verarbeitung für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen. Die Formulierung „Erfüllung eines Vertrages“ erfasst dabei zunächst rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse. Ein solches liegt zwischen dem HV und dem Kunden jedoch nicht vor, weshalb sich der HV noch unter der Geltung des alten BDSG nicht auf den Rechtfertigungsgrund des § 28 Abs. I Nr. 1 berufen konnte.1258 Weiter soll die Formulierung auch alle vertragsähnlichen Konstellationen erfassen, die auf eine willentliche Entscheidung des von der Verarbeitung Betroffenen zurückgehen.1259 Art 6 Abs. 1 lit. b DSGVO knüpft seine rechtfertigende Folge jetzt lediglich an die Erfüllung „eines“ Vertrages an. Aus diesem Grund dürfte kein Schuldverhältnis zwischen dem HV und dem betroffenen Kunden erforderlich sein.1260 Zwar erfasst Art 6 Abs. lit. 1 b DSGVO seinem Wortlaut nach nur die „Erfüllung“ eines Vertrages, was den HV aus dessen Anwendungsbereich herausfallen ließe. Indes ergibt sich aus dem Erwägungsgrund 44, dass schon die Datenverarbeitung für einen geplanten Vertragsabschluss erfasst sein soll, soweit sie erforderlich ist. Vertragsabschlüsse zu planen (auch wenn für einen anderen) stellt indes die ureigene Aufgabe des HV dar. Jedenfalls aber wird sich die Erhebung personenbezogener Kundendaten im Rahmen der Vermittlung des Geschäfts oder dessen Abschlusses für den Unternehmer sowie die Verarbeitung dieser Daten in Form der Übermittlung an ihn regelmäßig auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen lassen.1261 Danach ist die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwie1250 1251 1252 1253 1254 1255 1256 1257 1258 1259 1260 1261 Emde

Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (163). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (163); Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (6). Beck/Kirschhöfer ZVertriebsR 2019, 3 (6). In diese Richtung wohl Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (163). Siehe Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (222). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (163). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (163). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (164). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (222/223). BeckOK DatenschutzR/Albers/Veit DS-GVO Art 6 Rn 30. BeckOK DatenschutzR/Albers/Veit DS-GVO Art 6 Rn 30. Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (223). 120

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gen, insbes. dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt. Sofern die Voraussetzungen des Art 6 Abs. 1 lit. f DSGVO vorliegen, hat der Verantwortliche, i. e. der Unternehmer den Betroffenen, i. e. den Kunden über seine überwiegenden Interessen zu informieren, Art 13 Abs. 1 lit. d bzw. Art. 14 Abs. 2 lit. b DSGVO. Dem Betroffenen steht gem. Art 21 Abs. 1 S. 1 DSGVO ein Widerspruchsrecht gegen eine Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten nach Art 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu.

2. Kundenbetreuung durch den HV Unter dem Begriff der Kundenbetreuung durch den HV im Nachgang zur Vermittlung bzw. dem 156 Abschluss des Geschäfts kann eine Vielzahl von Aktivitäten verstanden werden, angefangen von der Beantwortung eingehender Kundenanfragen betreffend das laufende Vertragsverhältnis zwischen dem Endkunden und dem Unternehmen, bis zur Aufnahme des Kontakts durch den HV zum Endkunden mit dem Ziel, andere Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmers zu vermitteln oder einen Vertrag hierüber für den Unternehmer abzuschließen.1262 Für den Zugriff auf Daten zur Beantwortung von Kundenanfragen könnte i. S. d. Funktionsübertragungstheorie eine reine Hilfstätigkeit des HV vorliegen.1263 Nimmt der HV z. B. Anrufe von Kunden entgegen und beantwortet jene nach Vorgaben des Unternehmens bzw. leitet sie zur Weiterbearbeitung an die jeweilige Fachabteilung des Unternehmens weiter, lässt sich die Tätigkeit als Hilfstätigkeit für den Unternehmer qualifizieren.1264 Auch die Beantwortung von Kundenanfragen in Brief- oder E-Mail-Form soll nicht anders beurteilt werden, sofern dem HV in gleicher Weise die Beantwortung ohne eigenen Entscheidungsspielraum vorgegeben wurde.1265 Nach der Vertragstheorie lässt sich die Beantwortung von Kundenanfragen ebenfalls als Auftragsdatenverwaltung ausgestalten, wenn der HV dabei entsprechend den formalen Kriterien beauftragt wurde.1266

3. Vermittlung von Geschäften über Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens Soll der HV hingegen die Kunden des Unternehmers zum Zwecke der Vermittlung von Kauf- 157 und Dienstleistungsverträgen mit dem Unternehmer kontaktieren und ist er im Falle der Vermittlung bzw. des Abschlusses eines Vertrages zwischen dem Endkunden und dem Unternehmer über ein weiteres Produkt provisionsberechtigt, liegt es nahe, den HV selbst als verantwortliche Stelle zu qualifizieren, welche personenbezogene Daten des Unternehmers für eigene Zwecke, nämlich für die Vermittlung bzw. den Abschluss eines weiteren Geschäfts für den Unternehmer, und damit zur Generierung von Provisionen nutzt.1267 Auch in dieser Situation kommt eine Auftragsdatenverwaltung zwischen dem Unternehmer als Auftraggeber und dem HV als Auftragsdatenverarbeiter zum Zwecke der Legitimierung einer Weitergabe der personenbezogenen Daten durch den Unternehmer an den HV unter Anwendung der Vertragstheorie nur in Betracht, falls der Zweck, der Umfang der Verarbeitung und Nutzung vom Unternehmer konkret vorgegeben wird. Unter Anwendung der Funktionsübertragungstheorie scheidet die Einschaltung des HV als Auftragsdatenverarbeiter aus den o. g. Gründen aus.1268 Wird der HV nicht als Auftragsdatenverarbeiter für den Unternehmer tätig, kommt als Erlaubnistatbestand, wie oben 1262 1263 1264 1265 1266 1267 1268 121

Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (224). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (224). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (224). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (224). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (224). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (224). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (224/225). Emde

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dargelegt, die Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO in Betracht, sofern nicht der betroffene Kunde ohnehin i. S. d. Art 6 Abs. 1 lit. a, Art 7 DSGVO in die Verarbeitung eingewilligt hat.

4. Zulässigkeit der Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten für die Kundenansprache 158 Eine Übermittlung der Daten an den HV für die Zwecke der Kundenansprache wird daher regelmäßig die Einwilligung des jeweiligen Kunden voraussetzen. Hilfsweise kommt eine Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO in Betracht.

5. Anzeige des Ausscheidens des bisherigen HV aus der Absatzorganisation des Unternehmens und Eintritt eines neuen HV 159 Der Unternehmer wird häufig daran interessiert sein, seine Kunden über das Ausscheiden seines bisherigen HV zu informieren. Die Gewährung eines Zugriffs auf die beim Unternehmer vorhandenen Kundendaten zugunsten des neuen HV ist wiederum eine erlaubnispflichtige Übermittlung dieser Daten i. S. d. Art. 4 Nr. 2, 3 DSGVO, soweit der HV hierbei nicht als Auftragsdatenverarbeiter für den Unternehmer fungiert.1269 Wird dem HV allein für die Zwecke der Benachrichtigung der Kunden der Zugriff auf die Daten gewährt, kommt nach beiden Theorien eine Beauftragung des HV als Auftragsdatenverarbeiter des Unternehmers in Betracht, sofern dem HV kein eigener Ermessensspielraum über den Umfang der damit einhergehenden Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Kundendaten eingeräumt wird. Für die Zulässigkeit der Kundenansprache durch den HV als Auftragsdatenverarbeiter des Unternehmers ist weiter erforderlich, dass der Unternehmer selbst hierzu berechtigt wäre, d. h. ein entsprechender datenschutzrechtlicher Erlaubnistatbestand gegeben wäre, und § 7 UWG einer solchen Benachrichtigung nicht entgegensteht.1270 Eine telefonische Benachrichtigung eines Kunden über den Wechsel in der Person des HV oder eine entsprechende Benachrichtigung per E-Mail bedarf hingegen regelmäßig einer vorherigen Einwilligung des Kunden.1271 Sie soll gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG eine unzumutbare Belästigung darstellen und gem. § 7 Abs. 1 UWG unzulässig sein.1272 Solche Benachrichtigung bedürften gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG grds. einer ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten. Auch die gewerbliche Ansprache des Kunden mittels E-Mail ist gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG grds. nur bei Vorliegen einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten zulässig, soweit nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen der Bestimmungen des § 7 Abs. 3 UWG gegeben sind. Letzteres wird bei einer Anzeige des Wechsels der Person des HV gegenüber dem Kunden jedoch regelm. nicht der Fall sein.1273 § 7 Abs. 3 UWG setzt für eine gewerbliche Ansprache des Kunden ohne dessen ausdrückliche Einwilligung unter anderem voraus, dass der Unternehmer die E-Mail-Adresse im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung, d. h. im Rahmen eines entgeltlichen Austauschvertrages, vom Kunden erhalten hat und der Unternehmer die E-Mail-Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet. Zielt die Ansprache des Kunden jedoch darauf ab, ihn von Änderungen in der Person des HV oder des Unternehmers zu informieren, fehlt es an einer solchen Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen.1274

1269 1270 1271 1272 1273 1274 Emde

Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (226). Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 83; Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (226). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (226). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (226) – zweifelhaft. Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (226). Kugler ZVertriebsR 2015, 219 (226). 122

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6. Gemeinsamer Verantwortlicher Die DSGVO regelt ein neues Verantwortlichkeitskonstrukt, nämlich die gemeinsame Verantwort- 160 lichkeit. Damit stellt sich die Frage, ob und wann ein HV und das diese beauftragten Unternehmen als gemeinsame Verantwortliche tätig werden und welche Rechtsfolgen darauf resultieren.1275 Art. 26 Abs. 1 S. 1 DSGVO definiert die gemeinsame Verantwortlichkeit dahingehend, dass zwei oder mehr Verantwortliche die Zwecke und Mittel der Verarbeitung gemeinsam festlegen. Unternehmer und HV sind als gemeinsame Verantwortliche i. S. d. Art. 26 DSGVO zu qualifizieren.1276 Die Datenerhebung erfolgt nur über den HV. Sowohl HV wie Unternehmer verfolgen ein übergeordnetes gemeinsames Ziel, nämlich den Abschluss von Verträgen.1277 Zudem bestimmt der HV allein, welche Daten er erhebt.1278 Dass beide keine gemeinsame Datenbank nutzen und auch keine uneingeschränkte Kontrolle über die Verarbeitung die jeweils anderen haben, spricht nicht gegen dieses Ergebnis.1279 Beide Akteure müssen daher eine Vereinbarung über die gemeinsame Datenverarbeitung treffen (Art. 26 Abs. 1 S. 2 DSGVO).1280 Die Vereinbarung kann formfrei erfolgen.1281 Sie sollte aber schriftlich fixiert werden.1282 Zum Inhalt vgl. Czajikowski/Mainz1283.

7. Datenschutzrechtliche Fragen im Franchiserecht Auch im Franchiserecht spielt der Datenschutz eine wichtige Rolle.1284 Zu denken ist an die 161 Zustimmung des FN zur Verwendung seiner Antrags-, Vertrags- und Leistungsdaten für Leistungsvergleiche, den Hinweis auf geschlossene Auftragsdatenverarbeitungsverträge mit Systemlieferanten und –dienstleistern sowie Logistikpartnern, die Ermächtigung zum Abschluss weiterer Unterauftragsdatenverarbeitungsverträgen, die Verpflichtung des FN, seinerseits alle datenschutzrechtlichen Vorschriften einzuhalten sowie die Erläuterung der datenschutzrechtlich relevanten Vorgänge bei der gemeinsamen Nutzung von Kassen- und IT-Systemen.1285 Der Anwendungsbereich der DSGVO ist eröffnet, sofern zwischen FG und FN personenbezogene Daten i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO (s. o.) ausgetauscht werden. Wenn der FN personenbezogene Daten an den FG übermittelt, gilt dies als Verarbeitung personenbezogener Daten i. S. d. Art. 4 Nr. 2 DSGVO und bedarf gem. Art. 6 DSGVO einer Rechtsgrundlage.1286 Die Übermittlung aggregierter oder anonymisierter Daten unterliegt keinem datenrechtlichen Schutz durch die DSGVO.1287 Innerhalb des Anwendungsbereichs der DSGVO kommen verschiedene Rechtsgrundlagen in Betracht, insb. die Einwilligung der betroffenen Person oder eine positive Interessenabwägung. Bei der Übermittlung von Kundendaten von FN an FG muss der Kunde wissen, dass es sich um ein Franchisesystem mit unterschiedlichen Beteiligten handelt. Außerdem müsste der Kunde damit einverstanden sein, dass der FG vom FN Zugriff auf die Daten erhält. Das Konzept der freiwilligen Einwilligung bringt es mit sich, dass die betroffene Person die Möglichkeit besitzen muss, die Datenübermittlung abzulehnen.1288 Auch wenn viele Kunden das Franchisesystem als 1275 1276 1277 1278 1279 1280 1281 1282 1283 1284 1285 1286 1287 1288 123

Vgl. Czajikowski/Mainz ZVertriebR 2019, 159 (160). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (166). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (166). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (166). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (166). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (166). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (166). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (166). Czajikowski/Mainz ZVertriebsR 2019, 159 (166 ff.). Lindhorst ZVertriebsR 2017, 84. Lindhorst ZVertriebsR 2017, 84 (88). Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 83. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 83. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 83. Emde

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Einheit begreifen, kann hieraus nicht abgeleitet werden, dass die Weitergabe ihrer personenbezogenen Daten an die FG antizipiert wird und allein deswegen eine konkludente Einwilligung zur Datenübermittlung vorliegt.1289 Die Tatsache, dass viele Kunden nicht zwischen den Franchisepartnern differenzieren, dürfte eine informierte Einwilligung eher ausschließen.1290 Zudem ist eine konkludente oder mutmaßliche Einwilligung nach Art. 4 Nr. 11 DSGVO nicht vorgesehen1291 (s. o.). Eine Datenweitergabe kann sich auch durch den Abschluss einer Vereinbarung zur Auftragsverarbeitung nach Art. 28 DSGVO rechtfertigen lassen.1292 Einer der Anforderungen des Art. 28 DSGVO liegt darin, dass der Auftragsverarbeiter die personenbezogenen Daten ausschließlich auf Weisung des Verantwortlichen verarbeiten darf. Soweit der Auftragsverarbeiter die Daten eigenverantwortlich verarbeitet, ist der „Dritte“ i. S. d. Art. 4 Nr. 10 DSGVO nicht mehr durch die Vereinbarung zur Auftragsverarbeitung privilegiert.1293 Bezüglich der Durchführung von Marketingmaßnamen durch den FG dürfte erforderlich sein, dass die Werbemaßnahmen vom FG für den jeweiligen FN in dessen Auftrag nicht aus Eigeninteresse, also zur Bewerbung des gesamten Franchisesystems, durchgeführt werden.1294 Die Bereitstellung der IT-Systeme für den FN durch den FG kann als Auftragsverarbeitung ausgestaltet sein, falls sie im Interesse des FN erfolgt und nicht das Eigeninteresse des FG im Vordergrund steht.1295 Da aber zum Wesensmerkmal der Auftragsverarbeitung die weisungsgebundene Datenverarbeitung gehört, verbietet sich regelmäßig die gleichzeitige bzw. zusätzliche Nutzung der Daten des FN durch den FG.1296 Darüber hinaus kann gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO eine Datenverarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen zulässig sein.1297 Die Übermittlung personenbezogener Daten durch den FN an den FG wird sich aufgrund der allgemeinen Interessenabwägung rechtfertigen lassen, wenn der FN nach dem Franchisevertrag zur Übermittlung solcher Informationen verpflichtet ist, die der FG zur Erstellung von Marktanalysen benötigt.1298 Es gilt aber gem. Art. 5 Abs. 1 DSGVO der Grundsatz der Datenminimierung. Ggf. müssten die Daten anonymisiert werden.1299 Problematisch sind auch die vertraglichen Informationspflichten des FG. Soweit Informationen über andere FN und insb. Einzelkaufleute gegeben werden, sind die Anforderungen des Datenschutzrechts zu beachten.1300 Nur wenn die Daten vor der Weitergabe ausreichend anonymisiert wurden, sind die Grundsätze des Datenschutzes gem. Erwägungsgrund 26 DSGVO unanwendbar.1301 Hilfsweise lässt sich die Datenweitergabe über die allg. Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO rechtfertigen.1302 Die Aufnahme einer vertraglichen Einwilligung in den Franchisevertrag, mit der sich der FN einverstanden erklärt, dass der FG Informationen über seinen Franchisebetrieb an andere potentielle FN weitergibt, dürfte keine praktikable Lösung bilden. Denn datenschutzrechtliche Einwilligungen müssen gem. Art. 7 Abs. 4 DSGVO von weiteren Erklärungen entkoppelt sein und dürfen jederzeit gem. Art. 7 Abs. 3 S. 1 DSGVO mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.1303 Wahrscheinlich werden zukünftig auch in Franchi-

1289 1290 1291 1292 1293 1294 1295 1296 1297 1298 1299 1300 1301 1302 1303 Emde

Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 83. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 83. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 83. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 84. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 84. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 84. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 84. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 84. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 84. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 84. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 84. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 85. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 85. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 85. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 85. 124

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sebüchern datenschutzrechtliche Hinweise Eingang finden, insb. Handlungsempfehlungen zum Franchisesystem.1304 Eine einheitliche Bestellung eines Datenschutzbeauftragten durch den FG und FN soll nicht möglich sein.1305 FN und FG bilden schon aufgrund der Eigenverantwortlichkeit der FN keine wirtschaftliche Einheit, so dass sich eventuelle Bußgelder nach Art. 83 DSGVO nicht unter Berücksichtigung des Umsatzes der gesamten Franchisegruppe einschließlich der FN bemessen dürften.1306

V. Kartellrecht Der gemeinsame Vertrieb soll grundsätzlich problematischer sein, als die gemeinsame Produkti- 162 on, da ein gemeinsamer Vertrieb i. d. R. bezweckt, dass die beteiligten Unternehmen wettbewerblich kritische Informationen, z. B. Preise, koordinieren.1307 Das ist der Grund für die besondere Bedeutung des Vertriebskartellrechts.

1. Europäisches Kartellrecht Das EU-Kartellrecht ist lex specialis gegenüber dem nationalen Kartellrecht und hat damit Vor- 163 rang gegenüber nationalem Recht, auch gegenüber dem GWB. Was durch EU-Kartellrecht gestattet ist, kann durch das GWB nicht untersagt werden.1308 Fällt ein Vertrag unter europäisches Kartellrecht, weil er geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen, ist auf ihn nur europäisches und kein deutsches Kartellrecht anzuwenden. Umgekehrt unterfällt der Vertrag nur deutschem Kartellrecht, falls der zwischenstaatliche Handel nicht beeinträchtigt wird.1309 Befreien eine GVO1310 oder die Leitlinien zur GVO1311 den Vertrag innerhalb ihres Anwendungsbereiches, ist der Vertrag auch nach dem GWB wirksam. Eine vertriebsrechtliche Vereinbarung darf aufgrund nationalen Rechts nur verboten werden, wenn sie auch nach Art. 101 AEUV unzulässig ist. Umgekehrt dürfen nationales Recht und nationale Wettbewerbsbehörden eine Vereinbarung nicht unbeanstandet lassen, falls sie gegen Art. 101 AEUV verstößt. Das Gemeinschaftsrecht setzt sich also in jedem Fall durch. Lediglich in Hinblick auf Vereinbarungen, die lokale oder allenfalls regionale Bedeutung haben und die deshalb die Anwendungsschwelle des Gemeinschaftsrechts nicht erreichen, bleibt Raum für nationales Wettbewerbsrecht und für wettbewerbspolitische Bewertungen, die von denen des Gemeinschaftsrechts abweichen.1312 Dies hat das Kartellverfahrensrecht in Art. 3 Abs. 2 VO (EG) 1/2003 klargestellt.1313 Soweit eine Vereinbarung geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen, also der Anwendungsbereich des EU-Wettbewerbsrechts erreicht ist, müssen die nationalen Wettbe-

1304 1305 1306 1307 1308

Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 86. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 86. Bommel/Meyer ZVertriebsR 2018, 87. BKartA, Beschl. v. 21.12.2015 – B 3-93/15, WuW 2016, 263 Rn 29. EuGH, Slg. 1994 I, 15; Gerstner in: Giesler/Nauschütt, Franchiserecht, § 2 Rn 4; Fritzemeyer BB 2002, 1658

(1659).

1309 Gerstner in: Giesler/Nauschütt, Franchiserecht, § 2 Rn 4. 1310 Art. 3 II VO 1/2003; Harte-Bavendamm/Kreutzmann WRP 2003, 682 (687); aA Gerstner in: Giesler/Nauschütt, Franchiserecht, § 2 Rn 4. 1311 Bechtold GRUR 2012, 107 (108). 1312 Weitbrecht Beil. zu NJW Heft 8/2003; ders. EuZW 2003, 69 (70). 1313 Harte-Bavendamm/Kreutzmann WRP 2003, 682 (687). 125

Emde

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werbsbehörden Art. 101 AEUV einschließlich der GVO’s und LL anwenden. Das gilt auch, sofern die Parteien das deutsche Recht mittels Rechtswahlklausel wählten. Spiegelbildlich unterliegen Vertriebsverträge bei außereuropäischem Vertriebsgebiet und fehlender Berührung deutscher Wettbewerbsinteressen nicht deshalb deutschem Kartellrecht, weil die Geltung deutschen (Zivil)Rechts vereinbart wurde.1314

164 a) Einleitung. Jeder Hersteller hat verschiedene Möglichkeiten, seinen Warenabsatz zu organisieren. Er kann sich einerseits Angestellter bedienen und durch sie ein eigenes Filial- bzw. Niederlassungsnetz etablieren. Er darf aber auch selbständige Absatzmittler einschalten. Da diese Absatzmittler untereinander substituierbar sind, ist es häufig Zufall, welcher Rechtsform selbstständiger Absatzmittler er sich bedient. Der Einsatz von HV ist aus kartellrechtlicher Sicht interessant, weil HV-Verträge nicht unter das Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen (Rn 228 ff.)1315: Der HV übt im Gütertausch nur eine Hilfsfunktion aus; er ist gegenüber dem Unternehmer weder Nachfrager noch Anbieter. Vielmehr sucht er als vom unternehmerischen Absatzrisiko entbundener Interessenwalter seines Geschäftsherrn Geschäftschancen. Da er lediglich kommunikatives Hilfsorgan des Unternehmers ist,1316 fehlt es an einer eigenständigen Wettbewerbsstellung auf dem Gütermarkt, die durch Beschränkung seiner Handlungsfreiheit beeinträchtigt werden könnte. Der Hersteller darf dann die Preise und Konditionen vorschreiben, zu denen der HV die Waren und Dienstleistungen verkaufen darf.1317 165 Die EU-Kommission hat das Vertriebskartellrecht mit der Einführung der GVO 2790/991318 und fortgesetzt von der Nachfolge-GVO 330/101319 neu geordnet. Sie befreit innerhalb ihres Anwendungsbereichs alle Vertriebsverträge von den Beschränkungen des Art. 101 AEUV und wird deshalb als Schirm-GVO, also als Auffang-GVO, bezeichnet. Ihr Wirkungsbereich trifft insbesondere Vertragshändler- und Franchiseverträge.1320 Das HV-Kartellrecht (Rn 228 ff.) wurde nur in den Leitlinien zur GVO 330/10 geregelt. Anders als im materiellen Vertriebsrecht bildet das HVRecht im Kartellrecht also nicht das Fundament des Vertriebsrechts sondern beschreitet einen Sonderweg. Das liegt an der grundsätzlichen kartellrechtlichen Unbedenklichkeit der HV-Verträge, die sie vom Regelungsfokus entfernt.

166 b) Häufige Formen wettbewerbsbeschränkender Abreden in Vertriebsverträgen. Ob ein Vertikalverhältnis eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, richtet sich regelmäßig nicht nach den Absichten der Vertragsparteien, sondern danach, ob die Vereinbarung unabhängig von ihren konkreten Auswirkungen objektiv geeignet ist, den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt zu beeinträchtigen.1321 Vertikale Vereinbarungen sind für den Wettbewerb oft weniger schädlich als horizontale Vereinbarungen. Sie können aber dennoch unter bestimmten Umständen ein großes wettbewerbsbeschränkendes Potential haben.1322

1314 1315 1316 1317 1318 1319 1320

AA (und fernliegend) Niebling WRP 2010, 1454 (1458). Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167. Martinek/Wank3 § 13 Rn 8; Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167. Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167. ABl. 1999 Nr. L 336/21. ABl. EU v. 23.4.2010, L 102, S. 1. Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1208); Lange EWS 2001, 18 (19); Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 153. 1321 BGH, Urt. v. 12.6.2018 – KZR 4/16, NZKart 2018, 372. 1322 EuGH, Urt. v. 14.3.2013 – C 32/11 Rn 43, EWS 2013, 154. Emde

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Wettbewerbsbeschränkenden Charakter können etwa folgende, vertriebsrechtliche Verein- 167 barungen haben: – Abreden über ein Provisionsabgabeverbot,1323 es sei denn, es ist durch das Gesetz (§ 34d Abs. 1 S. 7 GewO, § 48b VAG) vorgeschrieben.1324 – Abstimmung der Unternehmer über die Höhe der Vergütung ihrer Vertriebsmittler bzw der Vermittler untereinander, etwa im Versicherungsvertrieb.1325 Alleinbelieferungspflichten.1326 Sofern die Alleinbelieferungspflicht, die einem Vertriebsmittler auferlegt wird, nicht aus anderem Grunde, etwa mittels einer GVO freigestellt ist, sind insb. Alleinbelieferungspflichten mit einer Dauer von mehr als 5 Jahren kaum nach Art. 101 Abs. 3 AEUV oder aus anderem Grunde freistellungsfähig (Tz 195 LL). – Alleinbezugspflichten1327 und Markenzwang. Bei Alleinbezugspflichten und Markenzwang von weniger als einem Jahr will die Kommission (Tz 133 LL) regelmäßig eine Spürbarkeit verneinen, sofern sie von Unternehmen in nicht marktbeherrschender Stellung gefordert werden. Bei solchen Vereinbarungen von 1–5 Jahren, die Unternehmen in nicht marktbeherrschender Stellung anwenden, ist eine sorgfältige Gegenüberstellung der wettbewerbsfördernden und -widrigen Auswirkungen erforderlich (Tz 133 LL). Beträgt die Dauer mehr als 5 Jahre, ist regelmäßig von fehlenden Effizienzgewinnen auszugehen (Tz 133 LL). Um sie für den Unternehmer wenig belastend zu fassen, wird eine Unterteilung in ein Grund- und ein weniger in den Vordergrund zu rückendes Diversifikationssortiment angeregt.1328 Selbst wenn eine Alleinbezugsverpflichtung keine Wettbewerbsbeschränkung i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellt, ist zu prüfen, ob sie nicht wie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs wirkt. Dabei ist zu untersuchen, wie sich ein solcher Vertrag in Verbindung mit anderen gleichartigen Verträgen auf die Möglichkeit der Mitbewerber aus dem Inland oder aus anderen Mitgliedstaaten, auf dem relevanten Markt Fuß zu fassen oder ihren Anteil an diesem Markt zu vergrößern, auswirkt.1329 – Alleinvertriebsrecht1330 (wegen der Nivellierung des markeninternen Wettbewerbs, Tz 151 LL – es kommt aber eine Freistellung nach der GVO 330/10 in Frage, s. TZ. 152 LL). – U. U. Ausschließlichkeitsbindungen.1331 Im Versicherungsvertrieb sollen sie aber kartellrechtsneutral sein,1332 insb. falls sie mit „echten“ HV geschlossen werden.1333 – Berichts- und Informationspflichten von HV-ähnlichen Mittlern und unechten HV, soweit sie gegenüber den gesetzlichen Informationspflichten erweitert werden und nicht pro1323 1324 1325 1326

Vgl. etwa Stancke VersR 2009, 1168 (1170, 1173). Stancke VersR 2009, 1168 (1173). Stancke VersR 2009, 1168 (1172). BKartA, Beschl. v. 14.7.2009 – B 3 64/05 (Merck), WuW/E, 2009, 1312 (1315) = DE-V 1790 (1793); Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 35; Gerstner in: Giesler/Nauschütt, § 2 Rn 56; Siegert NJW 2007, 188 (189). 1327 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 39 – Tankstellenvertreter; Westphal ZEuP 2002, 828 (831); offen gelassen von BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel). 1328 Flohr BB 2009, 2159 (2163). 1329 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 43 – Tankstellenvertreter. 1330 Siegert NJW 2007, 188 (189). 1331 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 379 = EWiR 2019, 605 (Seifert); v. 3.4.2019 – VI-Kart 2/18 (V), WuW 2019, 319; BKartA, Beschl. v. 4.12.2017 – B6-132/14-2, WuW 2018, 164 Rn 310 ff. Gemeint ist damit die exklusive Bindung einer Partei an eine andere in Hinblick auf ihren Bedarf oder Absatz, s. Mesch WuW 2017, 62. Häufige Unterformen der Ausschließlichkeitsbindung sind das Alleinvertriebsrecht, die Alleinbelieferungspflicht und die Alleinbezugspflicht (Mesch WuW 2017, 62 [63]). 1332 Eingehend mwN Stancke VersR 2009, 1168 (1170). 1333 Stancke VersR 2009, 1168 (1171). 127

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duktbezogene sondern auf das Mittlerunternehmen bezogene Informationen, etwa über dessen Preise und Rentabilität, betreffen.1334 Bestpreisklauseln,1335 und zwar im Grundsatz sowohl die enge wie die weite Bestpreisklausel.1336 Die enge Bestpreisklausel kann aber als kartellrechtsneutrale Nebenabrede nach der Immanenztheorie „freigestellt“ sein,1337 auch nach der GVO, s. bei Art. 4 lit. a GVO. Weite Bestpreisklauseln finden wegen der mit ihnen verbundenen kartellrechtlichen Bedenken kaum noch Verwendung.1338 Die Wettbewerbsbeschränkung ist auch bezweckt, so dass sie spürbar ist.1339 Franchiseverträge,1340 je nach ihrem Inhalt. Direktbezugsverpflichtungen.1341 Gebietsschutzvereinbarungen.1342 Geoblocking.1343

1334 Wiemer WuW 2009, 750. 1335 Siehe OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 379 = EWiR 2019, 605 (Seifert) Rn 46 ff. m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659; Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659 ff. Zur Terminologie: Die enge Bestpreisklausel erlaubt den auf der Plattform vertretenenen (Hotel-)Unternehmen eine Preis- und Konditionendifferenzierung zwischen den Portalen. Anders als unter der Geltung der weiten Bestpreisklausel dürfen auf dritten Buchungsportalen niedrigere Preise als auf dem Buchungsportal angeboten werden. Die enge Bestpreisklausel gestattet ferner eine Preis- und Konditionendifferenzierung bei jedem Vertrieb, der ausschließlich außerhalb des Internets, schriftlich, per Telefon, über einen Vermittler (etwa ein Reisebüro) usw. erfolgt. Dies gilt allerdings nicht, wenn diese Offlinepreise bzw. -Konditionen zugleich online veröffentlicht, beworben und/oder vermarktet werden. Die enge Bestpreisklausel untersagt den auf der Plattform vertretenen (Hotel-)Unternehmen, auf der Internetseite günstigere Preise oder Konditionen als auf dem Buchungsportal anzubieten. 1336 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 379 = EWiR 2019, 605 (Seifert) Rn 46 ff. m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659; LG Köln, Urt. v. 16.2.2017 – 88 O (Kart) 17/16, ZVertriebsR 2017, 265 = WuW 2017, 208 Rn 47 ff. 1337 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 379 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659: Die enge Bestpreisklausel beeinträchtige zwar den Wettbewerb i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV § 1 GWB. Die Vorgaben, die der Geschäftsherr seinem HV in Bezug auf das vermittelte Geschäft (z. B. in Hinsicht auf den Preis, den Kundenkreis und zum Absatzgebiet) gebe, seien jedoch funktionsnotwendig und als vertragsimmanent kartellrechtlich unbedenklich, während Ausschließlichkeitsbindungen und Wettbewerbsklauseln, die die Beziehung zwischen dem HV und dem Geschäftsherrn als unabhängige Wirtschaftsteilnehmer betreffen, gegen das Kartellverbot verstoßen könnten; Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659 (663); Kumkar NZKart 2017, 47 (54) – freigestellt nach Art. 4 lit a GVO 330/10; aA LG Köln, Urt. v. 16.2.2017 – 88 O (Kart) 17/16, ZVertriebsR 2017, 265 (267, 269) = WuW 2017, 208: Auch eine enge Bestpreisklausel beschränkt die Preis- und Konditionenbildung zwar nicht unmittelbar, wenn eine Preis- und Konditionendifferenzierung zwischen den betroffenen Hotelbuchungsportalen zum Nachteil der Beteiligten gestattet ist. Sie bewirkt allerdings mittelbar eine Beschränkung jener Handlungsfreiheit dadurch, dass die Hotels im hoteleigenen Online-Vertrieb keine günstigeren Preise und Konditionen als auf dem Hotelbuchungsportal der Beteiligten anbieten dürfen. 1338 Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659; Seifert EWiR 2019, 605. 1339 Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659 (660); aA LG Köln, Urt. v. 16.2.2017 – 88 O (Kart) 17/16, ZVertriebsR 2017, 265 = WuW 2017, 208 Rn 68. 1340 Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (303). 1341 Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 35. 1342 Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 35; Gerstner in: Giesler/Nauschütt, § 2 Rn 52; ebenso Bundesverwaltungsgericht der Schweiz, Urt. v. 13.11.2015 – Abt. II B-3332/12 – BMW, NZKart 2016, 40. 1343 Tsakanakis WuW 2019, 235 (236/237); Mansur Pour Rafsendjani ZVertriebsR 2018, 210; Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (284). Siehe dazu auch die Geoblocking-VO der EU; hierzu Bernhard NJW 2019, 472; Tsakanakis WuW 2019, 235 (236/237); Mansur Pour Rafsendjani ZVertriebsR 2018, 210; Kraul/Schaper DB 2018, 618. Emde

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Kundenkreisbeschränkungen1344 (Tz 168 LL), etwa Beschränkungen des Internet-Vertriebs (dazu Rn 214 ff.) oder der Ausschluss des Vertriebs über das Internet auf der Handelsplattform EBay.1345 Informationsaustausch unter Wettbewerbern: So soll bereits die Information über die Höhe der Vertriebsvergütung unter den Wettbewerbern kartellrechtlich problematisch sein.1346 U. U. Mindestabnahmepflichten.1347 Verbot des Parallelhandels.1348 Preisbindung der zweiten Hand.1349 Das Verbot der Preisbindung gilt trotz des einheitlichen Systemauftritts auch in Franchiseverträgen.1350 Preisspaltung,1351 etwa, wenn der Hersteller mit dem Händler vereinbart, dass die Rabattquote reduziert wird, falls der Händler bestimmte Kundengruppen beliefert1352 oder separate Preise für den online- und offline-Vertrieb vorschreibt.1353 Markenexklusivität.1354 eine quantitative Selektion.1355 Querlieferungsverbote.1356 Rücklieferungsverbote1357: Einem Händler mit Sitz innerhalb der EU kann von einem ebenfalls innerhalb der EU ansässigen Unternehmer nicht jeder Direktverkauf oder jede Rücklieferung in die EU untersagt werden, selbst wenn der Vertriebsmittler außerhalb der EU tätig werden soll (Art. 101 Abs. 1 AEUV), falls hierdurch eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb der EU bzw. eine Beeinträchtigung der Warenströme zwischen den Mitgliedsstaaten eintritt.1358 Ob hierdurch eine Wettbewerbsbeschränkung eintritt, entscheidet u. a. der Preisunterschied der betreffenden Produkte innerhalb und außerhalb der EU. Sofern

1344 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener RIW 2012, 35 (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.); Mesch WuW 2017, 62 (66); Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 35. 1345 OLG München, Urt. v. 2.7.2009 U (K) 4842/08, EWiR 2010, 361 (Kuntze-Kaufhold) m. Anm. Immenga BB 2009, 2561; LG Kiel, Urt. v. 8.11.2013 – 14 O 44/13, ZVertriebsR 2014, 178 = WRP 2014, 252 = EWiR 2014, 337 (Engelhoeven/ Semder) – kein selektiver Vertrieb; LG Berlin, Urt. v. 21.4.2009 – 16 O 729/07, BB 2009, 1181; Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 zum selektiven und nicht selektiven Vertrieb; mglw aber – je nachdem, ob erforderlich – nicht im selektiven Vertrieb, s. OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 =, WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789. 1346 EuGH, Urt. v. 5.12.2013 – C-455/11 P, NZKart 2014, 63 – Solvay; Stancke VersR 2009, 1168 (1172) zum Versicherungsvertrieb. 1347 Niebling WRP 2010, 631. 1348 LG Frankfurt/M. EWiR 2003, 573 (Emde); Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen 2001, Rn 35. 1349 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 39 – Tankstellenvertreter; OGH Wien, Beschl. v. 8.10.2015 – 16 Ok 2/15b (16 Ok 8/15k) – Kartellstrafe für Spar; Hinweise des BKartA zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 12.7.2017, ZVertriebsR 2017, 330 Rn 7; Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001 Rn 35; Sosnetza/Hoffmann AG 2008, 107 ff.; zu den Hintergründen des Preisbindungsverbots (auch) des US-amerikanischen Kartellrechts Kasten RIW 2007, 419; krit. Kasten WuW 2007, 994. 1350 OLG München NJW-E-WettbR 1997, 234; Walzel ZVertriebsR 2017, 71 (73); aA Bechtold GWB § 1 Rn 49 f. 1351 Nolte BB 2014, 1155 (1161). 1352 LG Köln, Urt. v. 15.2.2013 – 90 O 57/12, WuW 2013, 889. 1353 Nolte BB 2014, 1155 (1161). 1354 Siegert NJW 2007, 188 (189). 1355 OLG München, Urt. v. 8.1.2009 – U (K) 1501/08, BB 2009, 518 (519) m. abl. Anm. Schultze/Spenner; Galle DB 2019, 288 (289); BKartA, Beschl. v. 26.8.2015 – B2-98/11, WuW 2016, 198 Rn 258 – für quantitativ-selektive Selektion, krit. zum BKartA Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (210). 1356 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 554. 1357 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 555. 1358 EuGH EWS 1998, 209 = EWiR 1999, 65 (Röhling); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Gippini-Fournier Kartellrecht, Europäisches Recht, Art. 81 Abs. 1 Rn 196. 129

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durch die Höhe der Zölle, die Beförderungskosten oder andere Kosten ein Reimport unwahrscheinlich bleibt, ist eine Beeinträchtigung ebenso wenig gegeben, wie wenn die ausgeführten Produkte nur einen unbedeutenden Prozentsatz des Gesamtmarktes dieser Waren bilden. Selektive Vertriebssysteme1359 (dazu Rn 199 ff.), etwa die Selektionskriterien der KfzHersteller und Importeure.1360 Faktisch handelt es sich um eine Wettbewerbsbeschränkung, rechtlich nicht, falls die TB-Voraussetzungen des Selektivsystems eingehalten werden, dazu unten. Sprunglieferungsverbote1361: Ein Sprunglieferungsverbot verbietet etwa dem auf der Großhandelsstufe angesiedelten Vertragshändler die direkte Veräußerung an Endkunden. Hierdurch wird der Einzelhändler „übersprungen“.1362 Vertrieb von Wettbewerbern durch eine gemeinsame Vertriebsorganisation. Dabei kommt es aber auf die Verhältnisse des Einzelfalls an.1363 Verwendungsbeschränkungen hinsichtlich der Ware.1364 Vereinbarungen zwischen Kfz-Versicherer und Kfz-Händlern, mit denen Kfz-Versicherer sich zweiseitig entweder mit als Reparaturwerkstätten tätigen Kfz-Vertragshändlern oder mit einer Vereinigung solcher Händler auf den Stundensatz verständigen, den der Versicherer für die Reparatur von bei ihm versicherten Fahrzeugen zu zahlen hat, wobei vorgesehen wird, dass dieser Satz u. a. von der Zahl und dem %-Satz von Versicherungsverträgen abhängt, die die Vertragshändler als Versicherungsagent für die Gesellschaft vertrieben haben.1365 Wettbewerbsrichtlinien der Unternehmer, etwa die Wettbewerbsrichtlinien im Versicherungsvertrieb,1366 es sei denn, sie entsprechen den Vorgaben der Gesetze und der Rspr.1367 Wettbewerbsverbote.1368 Das gilt im Grundsatz auch für Wettbewerbsverbote in echten HV-Verträgen.1369 Zuschüsse für die Vermittlung von Leasingverträgen: Sie sind wettbewerbsbeschränkend, falls der Hersteller dem Händler einen Zuschuss bzw. eine Prämie für den Fall gewährt, dass der Händler einen Leasingvertrag der herstellereigenen oder -nahen Leasinggesellschaft vermittelt.1370 Denn die Prämie zielt auf einen Verzicht der Entscheidungsfreiheit des Händlers.1371 Die Gewährung derartiger Zuschüsse ist nicht vom Interesse des Herstellers an der Absatzförderung gedeckt. Sie ähnelt einem Treuerabatt und behindert deshalb die außenstehenden händlernahen Leasinggesellschaften unbillig i. S. d. § 19 GWB.1372 Ge-

1359 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener RIW 2012, 35 (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 39; KG, Urt. v. 19.9.2013 – 2 U 8/09, BB 2013, 2768 m. Anm. Kiani = WRP 2013, 1517 = ZVertriebsR 2014, 104 Rn 33 – Scout/EBayVerkauf; LG Frankfurt/M., Urt. v. 31.7.2014 – 2-03 O 128/13, WuW 2015, 417 = DE-R 4595 = NZKart 2015, 243 m. Anm. Telle NZKart 2015, 229. 1360 Böni WuW 2013, 479 (480). 1361 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 555. 1362 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 555. 1363 Stancke VersR 2009, 1168 (1177) zum Versicherungsvertrieb. 1364 Gehring/Fort EWS 2007, 160 (162, 165). 1365 EuGH, Urt. v. 14.3.2013 – C-32/11, EWS 2013 154. 1366 Stancke VersR 2009, 1168 (1177). 1367 Stancke VersR 2009, 1168 (1177). 1368 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 379 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659; LG Frankfurt/M., Urt. v. 15.11.2002 – 3-11 O 87/02, EWiR 2003, 573 (Emde); Bauer/ de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 35; Gerstner in: Giesler/Nauschütt § 2 Rn 47; Westphal ZEuP 2002, 828 (831). 1369 EuGH WuW/E EU-R 1215, Tz 82; zu Verträgen von Tankstellen-HV Steinhauer BB 2009, 2386; aA Kapp WuW 2007, 1218 (1220). 1370 Habersack/Ulmer S. 119 ff., 133; aA mglw BGH, Urt. v. 12.11.1991, NJW 1992, 1827 = ZIP 1992, 428 = BB 1992, 453; BGH aber u. U. von EuGH ZIP 1995, 1766 = RIW 1996, 148 überholt (so die Analyse von Habersack/Ulmer S. 123). 1371 Habersack/Ulmer S. 121. 1372 Habersack/Ulmer S. 133. Emde

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währt der Hersteller den Zuschuss unmittelbar der herstellereigenen oder herstellernahen Leasinggesellschaft, fehlt es an einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung i. S. d. Art. 101 AEUV.1373 Bei Gewährung eines Zuschusses an die herstellereigene Leasinggesellschaft folgt dies schon aus dem konzerninternen Charakter der Maßnahme.1374 168 Keine wettbewerbsbeschränkenden Abreden bilden regelmäßig: – Die Garantie einer Mindestmarge durch den Lieferanten und Nachverhandlungen, vorbehaltlich der besonderen Verhaltensvorschriften für marktstarke und marktbeherrschende Unternehmen.1375 Vielmehr handelt es sich um ein Verhandlungsergebnis im freien Spiel der Kräfte.1376 Nachträgliche Forderungen des Händlers nach einer Margengarantie reichen für sich noch nicht als Kartellverstoß aus. Dafür müssen weitere Anhaltspunkte hinzukommen.1377

c) Verbot wettbewerbsbeschränkender Abreden nach Art. 101 AEUV aa) Grundlagen. Gemäß Art. 101 AEUV (früher: Art. 81 EG, Art. 85 EWG) sind alle Vereinbarun- 169 gen zwischen Unternehmen, welche den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten. Nach Art. 101 Abs. 2 AEUV sind die verbotenen Vereinbarungen nichtig,1378 ohne dass es einer vorherigen Entscheidung bedarf. Dieses Verbot wettbewerbsbeschränkender Abreden gilt, wie seit der Entscheidung Grundig/Consten1379 anerkannt ist, auch für vertikale Absprachen, d. h. Vertriebsvereinbarungen,1380 und u. U. auch für HV-Verträge,1381 nämlich dann, wenn der HV nicht in das Unternehmen des Prinzipals eingegliedert ist (Auffassung des EuGH) oder als mit wirtschaftlichem Risiko versehener „unechter“ HV bewertet wird (Auffassung der Kommission, s. Rn 252 ff.). Folglich sind wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen in Vertriebsverträgen (außer HV-Verträgen) grds. unzulässig und nichtig. Voraussetzung der Nichtigkeit ist eine Vereinbarung. „Einseitige Maßnahmen“ des Unternehmers gegenüber seinem Mittler unterfallen nicht dem Kartellverbot des Art. 101 AEUV, anders als „sonstige Maßnahmen“.1382 Es muss eine zumindest stillschweigende Willensübereinstimmung hinsichtlich der in Frage stehenden Wettbewerbsbeschränkung vorliegen, damit die Maßnahme als „sonstige“ i. S. d. Art. 101 AEUV verboten ist.1383 Beispiele sind Vorabermächtigungen im Händlervertrag für nachträgliche Ergänzungen1384 oder einseitiges Handeln mit der Erwartungshandlung einer Folgepflicht,1385 insb., wenn nachträgliche Kontrollen erwartungsgemäßes Verhalten un-

1373 1374 1375 1376 1377 1378

Habersack/Ulmer S. 133. Habersack/Ulmer S. 133. Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (347). Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (347). Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (347). LG Erfurt, Urt. v. 21.8.2007 – 1 HK O 19/07, BeckRS 2013, 10304 für einen Händlervertrag, allerdings ohne nähere rechtliche Ausführungen. 1379 EuGHE 1966, 322 (387, 392); Ebenroth/Lange1 Vor § 84 Anh. II Rn 3. 1380 S. insb. die Darstellung des EU-Kartellrechts bei Giesler/Nauschütt, § 2. 1381 Emde BB 2002, 949; Lubitz EWS 2003, 557; Stancke VersR 2009, 1168 (1170) zu Versicherungsvertretern; Giesler/Jacobsen2 § 2 Rn 1193. 1382 Simon EWS 2010, 497 (499). 1383 Simon EWS 2010, 497 (499); Wertenbruch EWS 2004, 145; Kamann/Bergmann EWS 2004, 151. 1384 EuGH, Urt. v. 13.7.2006 – C-74/04, Slg. 2006, I 6585 = EWS 2006, 365; Simon EWS 2010, 497 (499). 1385 EuG, Urt. v. 26.10.2000 – T-41/96, Slg. 2000, II 3383 = EWS 2001, 121; Simon EWS 2010, 497 (499). 131

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terstreichen. Solche Kontrollen sind aber keine Voraussetzungen des Verstoßes gegen Art. 101 AEUV.1386 Dies hat die Kommission nachzuweisen.1387

170 bb) Kartellrechtsneutrale Nebenabreden (Immanenztheorie). Wettbewerbsbeschränkungen, die für das Funktionieren eines Vertriebssystems oder -vertrages,1388 oft eines Franchisesystems,1389 unerlässlich sind, bleiben als kartellrechtsneutrale, unerlässliche Nebenabrede von dem Verbot des Art. 101 AEUV ausgenommen, wenn sie zur Umsetzung des Vertrages objektiv erforderlich und nach Geltungsdauer und Anwendungsbereich auf diesen Zweck beschränkt ist1390 („Immanenztheorie“). Das gilt insb. für Abreden, mit denen die Weitergabe von Know-How oder Unterstützungsleistungen des FG verhindert werden sollen1391 oder die für die Identität und das Ansehen des Systems erforderlich sind1392 (Rn 199 ff.). Zu letzteren zählen etwa: – Bezugsbindungen, wenn und soweit sie zur Sicherstellung einer einheitlichen Produktqualität notwendig sind.1393 Sie können für ein Franchisesystem wesensimmanent sein, da nur durch sie die Einheitlichkeit des Vertriebssystems („Einheitlichkeit des Produktauftritts“) gesichert werden kann;1394 – Wettbewerbsverbote, die während der Vertragslaufzeit gelten, etwa das Verbot an den FN, während der Vertragsdauer ein Geschäft mit gleichem oder ähnlichem Zweck in einem Gebiet zu eröffnen;1395 – nachvertragliche Wettbewerbsverbote für einen angemessenen Zeitraum;1396 – Mindestöffnungszeiten; – zur Gestaltung und Ausstattung des Geschäftslokals oder zum Service;1397 – die Verpflichtung zum einheitlichen Außenauftritt (CI);

1386 EuGH, Urt. v. 10.2.2011 – C-260/09 P Activision Blizzard Germany GmbH ./. Europäische Kommission [Nintendo], GRUR Int. 2011, 320.

1387 Simon EWS 2010, 497 (499). 1388 EuGH, Urt. v. 11.7.1985 – 42/84, Slg. 1985, 2566 Rn 17 ff.; v. 11.9.2014 – C 382/12, NZKart 2015, 44 Rn 89; BGH, Beschl. v. 26.1.2016 – KVR 11/15, NZKart 2016, 280 Rn 17.

1389 EuGH, Urt. v. 28.1.1986, NJW 1986, 1415; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 380 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659; OLG Schleswig, Urt. v. 26.9.2013 – 16 U (Kart) 50/13, BeckRS 2013, 21955 – Subway; LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 10335/15, ZVertriebsR 2019, 34 Rn 65; Bunte NJW 1986, 1406; Neumann RIW 1985, 612; Skaupy WuW 1986, 445; Kevekordes BB 1987, 74; Joerges ZHR 151 (1987), 195; Flohr BB 2009, 2159 (2161); Calliess/Ruffert/Weiß EUV/AEUV,4 2011, AEUV Art. 101 Rn 215 ff. 1390 EuGH, Urt. v. 11.7.1985 – 42/84, Slg. 1985, 2566 Rn 17 ff.; v. 11.9.2014 – C-382/12, NZKart 2015, 44 Rn 89; BGH, Beschl. v. 26.1.2016 – KVR 11/15, NZKart 2016, 280 Rn 17; generell zu solchen Nebenabreden Bernhard NZKart 2019, 577. 1391 Flohr BB 2009, 2159 (2161). 1392 Flohr BB 2009, 2159 (2161). 1393 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 380 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659. 1394 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 380 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659; Urt. v. 12.7.2013 – VI-U (Kart) 1/13, BeckRS 2014, 12436 – Subway; Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466; OLG Schleswig, Urt. v. 26.9.2013 – 16 U (Kart) 50/13, BeckRS 2013, 21955 – Subway; LG Düsseldorf, Urt. v. 21.11.2013 – 14c O 129/12U, WuW DE-R 4417 = BeckRS 2014, 10383; Giesler/Güntzel/ Giesler2 § 4 Rn 342. 1395 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 380 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659. 1396 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 380 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659; LG Kiel, Urt. v. 18.1.2013 – 14 O 63/11.Kart, BeckRS 2014, 13988. 1397 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 380 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659. Emde

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zum Produktangebot,1398 etwa die Verpflichtung, einen Mindestumfang des Verkaufssortiments zu führen; – die Verpflichtung zur Markennutzung; – die Verpflichtung zum Standard der Betriebsführung;1399 – Vorgaben zum Inhalt der Werbung;1400 – Vorschriften über die Präsentation bzw. Benachteiligung von Fremdprodukten.1401 Keine kartellrechtsneutrale und wettbewerbskonforme Nebenabrede liegt in folgenden Fällen 171 vor: – wenn der Intrabrand-Wettbewerb zwischen einzelnen FN begrenzt wird;1402 – falls eine Gebietsexklusivitätsvereinbarung nicht erforderlich ist;1403 – im Falle einer Preisbindung des FN;1404 – im Falle einer Preisempfehlung, die sich tatsächlich wie eine Fest- oder Mindestpreisbindung auswirkt, etwa weil Druck auf die Empfehlungsempfänger ausgeübt wird.1405 Auf die Unwirksamkeit nach Art. 101 AEUV darf sich jede Vertragspartei berufen.1406 Sie ist auch 172 von Schiedsgerichten zu beachten.1407 AGB-Klauseln, welche die Wettbewerbsfreiheit eines Vertragspartners entgegen Art. 101 AEUV beschränken, sind nicht nur gem. Art. 101 Abs. 2 AEUV, sondern ferner nach § 307 BGB unwirksam.1408 Da es sich bei den zwingenden Vorschriften des europäischen und deutschen Kartellrechts (insb. Art. 101 ff. AEUV sowie § 1 ff., 19 ff. GWB) um einen Teil des „ordre public“ handelt,1409 darf eine Nichtbeachtung durch ausländische Gerichte und Schiedsgerichte deren Urteilen entgegengehalten werden.1410 Soweit das Schiedsgericht kartellrechtliche Einwendungen geprüft hat und zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt ist, ist die erneute umfassende Prüfung dieser Einwände im Anerkennungsverfahren und eine Aufhebung unzulässig.1411 –

cc) Wettbewerbsverhältnis. Es muss eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung 173 des Wettbewerbs bestehen. Unternehmer und Mittler können auch auch als Wettbewerber gegenüberstehen, insbesondere nach Vertragsende.1412 Rglm. sind sie potentielle Wettbewerber,1413 was jedoch für ein Wettbewerbsverhältnis nur im Ausnahmefall genügt (Tz 27 LL).1414 1398 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 380 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659.

1399 OLG Schleswig, Urt. v. 26.9.2013 – 16 U (Kart) 50/13, BeckRS 2013, 21955 – Subway. 1400 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 380 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659.

1401 Flohr BB 2009, 2159 (2163). 1402 LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 10335/15, ZVertriebsR 2019, 34 Rn 66. 1403 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 380 = EWiR 2019, 605 (Seifert); LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 1335/15, WuW 2019, 49 = ZVertriebsR 2019, 34 Rn 66.

1404 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 380 = EWiR 2019, 605 (Seifert); LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 1335/15, WuW 2019, 49 = ZVertriebsR 2019, 34 Rn 66. LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 10335/15, ZVertriebsR 2019, 34 Rn 66. EuGH GRUR 2002, 367. Karsten Schmidt zit. nach Heukamp SchiedsVZ 2006, 95. BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz). OLG Celle, Beschl. v. 14.10.2016 – 13 Sch 1/15, WuW 2017, 508 Rn 88. BGH, Urt. v. 31.5.1972 – KZR 43/71; v. 15.10.1966 – KZR 7/65; OLG Celle, Beschl. v. 14.10.2016 – 13 Sch 1/15, WuW 2017, 508 Rn 88; Thüringer OLG, Beschl. v. 8.8.2007 – 4 ScH 3/06, WuW DE-R 2008, 119 = WuW 2008, 353; C.A. Paris, 18.11.2004, JCP.-Ed.Gen. 2005, 570; hierzu Niggemann SchiedsVZ 2005, 265. 1411 OLG Celle, Beschl. v. 14.10.2016 – 13 Sch 1/15, WuW 2017, 508 Rn 88; Thüringer OLG, Beschl. v. 8.8.2007 – 4 ScH 3/06, WuW DE-R 2008, 119 = WuW 2008, 353. 1412 LG Bielefeld, Urt. v. 29.4.2016 – 15 O 26/16. 1413 Wiemer WuW 2009, 750 (751). 1414 Siehe etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.2.2014 – VI-U (Kart) 7/12, WuW DE-R 4242.

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Das insb. bei zulässigem Direktvertrieb des Unternehmers im Vertriebsgebiet existierende (Rest)Wettbewerbsverhältnis1415 ist jedenfalls nach der GVO 330/10 gestattet, solange der Unternehmer dem Händler nur als Wettbewerber auf der Handelsstufe gegenüber tritt (Wettbewerb um Endkunden), d. h. der Händler nicht als Produzent auftritt (Rn 303). Wiemer unterscheidet wie folgt: Verbietet der Unternehmer dem Mittler aktiven Vertrieb in bestimmten Gebieten oder zu bestimmten Kundengruppen, darf der passive Vertrieb dem Mittler gem. Art. 4 lit. b GVO 330/10 nicht untersagt werden. Beide Vertragspartner bleiben Wettbewerber.1416 Verspricht der Unternehmer dem Mittler, was kartellrechtlich zulässig ist, vollkommene Exklusivität oder beliefert er nur Kunden, die sein Mittler faktisch oder rechtlich nicht bedienen kann, kommt es auf den Einzelfall an, ob die Parteien potentielle, zukünftige Wettbewerber sind. Bei sehr langfristigem Vertrag, nicht zu erwartendem künftigen Wettbewerb und vor Vertragsschluss fehlendem Wettbewerb kann ein Wettbewerbsverhältnis abzulehnen sein.1417 Auch Vertriebsmittler eines einheitlichen Vertriebssystems können untereinander zumindest potentielle Wettbewerber sein.1418

174 dd) Spürbarkeit der Wettbewerbsklausel. Wie sich aus dem Wortlaut des Art. 101 AEUV ergibt, verstoßen nur solche Wettbewerbsbeschränkungen gegen Art. 101 AEUV, die zu einer „spürbaren“ Einschränkung des Wettbewerbs führen.1419 Ob eine solche Einschränkung besteht, ist nach Inhalt und Zielen, dem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang der Vertriebsvereinbarung, der Natur der betroffenen Produkte sowie den Bedingungen und der Struktur des Marktes zu bestimmen.1420 Die Spürbarkeit liegt vor, wenn die wettbewerbsbeschränkenden Konsequenzen spürbar und mehr als nur unbedeutend einzustufen sind.1421 Sofern feststeht, dass eine Vereinbarung eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt, braucht ihre Spürbarkeit nicht geprüft zu werden. Sie wird vielmehr unterstellt.1422 Ob dann die Bagatellbekanntmachung (dazu sogleich) noch hilft, wird bezweifelt.1423 Lässt jedoch die Prüfung des Inhalts der Vereinbarung keine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen, sind die Auswirkungen zu untersuchen und es müssen Umstände vorliegen, aus denen sich insgesamt ergibt, dass der Wettbewerb tatsächlich spürbar verhindert, eingeschränkt oder verfälscht worden ist.1424 175 Greift die Bagatellbekanntmachung nicht ein, etwa weil eine Kernbeschränkung berührt ist, soll Spürbarkeit bei einem Marktanteil der betroffenen Unternehmen von 5 % vorliegen.1425 Die Spürbarkeit einer vertikalen Preisbindung tritt nicht „automatisch“ ein, wenn der Marktanteil der beteiligten Unternehmen etwa 20 % beträgt.1426 Es bedarf hierzu einer Gesamtbetrachtung 1415 1416 1417 1418 1419

Wiemer WuW 2009, 750 (751). Wiemer WuW 2009, 750 (752). Wiemer WuW 2009, 750 (752). OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.2.2014 – VI-U (Kart) 7/12, WuW DE-R 4242. EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, WRP 2013, 172 = ZVertriebsR 2013, 30 Rn 17, 20; Slg. 1966, 281 (306); Slg. 1969, 295 (302); Terhechte EWS 2002, 66; Ebenroth/Lange1 Vor § 84 Anh. II, Rn 3; Roniger Das neue Vertriebskartellrecht, 2000, E 3. 1420 EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, WRP 2013, 172 = ZVertriebsR 2013, 30 Rn 21. 1421 LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 61 – Zirkelschluß. 1422 BGH, Urt. v. 17.10.2017 – KZR 59/16 – Almased, NZKart 2018, 52; LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 67 – Kfz-Servicevertrag. 1423 Heinicke ZVertriebsR 2013, 275 (281). 1424 EuGH, Urt. v. 14.3.2013 – C-32/11, EWS 2013 154, Rn 34; v. 4.10.2011 – C-403/08 und C-429/08, Rn 135; v. 13.12.2012 – C-226/11, WRP 2013, 172 = ZVertriebsR 2013, 30 Rn 35; v. 8.12.2011, C-272/09 P Rn 65; C-389/10 P Rn 75; v. 13.10.2010 – C-439/09, Rn 34; v. 6.10.2009 – C-501/06 P, C-513/06 P, C-515/2006 und C-519/06, Slg. 2009 I-9291 Rn 55; v. 4.6.2009 – C-8/08 Slg. 2009, I-4529 Rn 28,30; v. 13.7.1966 – 56/64; 58/64, Slg. 1966, 429. 1425 LG Frankfurt/Main, Urt. v. 15.11.2002 – 3-11 O 87/02, EWiR 2003, 573 (Emde). 1426 OLG Celle, Urt. v. 7.4.2016 – 13 U 124/15, ZVertriebsR 2016, 323 = WuW 2016, 307 = NZKart 2016, 288 Rn 46. Emde

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der Verhältnisse, d. h. der Gesamtwürdigung der mit der Vereinbarung erfolgten Zwecke, der Struktur des Marktes, der Bedeutung der beteiligten Unternehmen und der Art der Wettbewerbsbeschränkung.1427 Eine Spürbarkeit entfällt, wenn die Preisbindung zeitlich auf die einmalige Abnahme von 12–90 Dosen Vitalkost, d. h. auf eine nicht besonders große Menge, beschränkt, sofern eine Bevorratung nicht anzunehmen ist.1428 Sie entfällt, wenn die Preisgestaltungsfreiheit der Einzelhändler nur für eine kurze Zeitspanne und praktisch nicht spürbar beeinträchtigt wird.1429 Vertriebsverträge sind oft erst dann geeignet, den zwischenstaatlichen Handel spürbar zu beschränken, wenn sie in ein Netz gleichartiger Verträge eingebunden sind (Bündeltheorie).1430 Zur Konkretisierung1431 des Merkmals der Spürbarkeit hat die Kommission 2014 eine neue Bagatellbekanntmachung1432 (oder: de minimis-Bekanntmachung) erlassen. Die wichtigste Änderung in der überarbeiteten Bekanntmachung 2014 besteht darin, dass Vereinbarungen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs „bezwecken“, nicht als von geringer Bedeutung angesehen werden können und stets eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung darstellen, die gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstößt.1433 Die Bekanntmachung schafft einen geschützten Bereich für Unternehmen, der von jedem der beteiligten Unternehmen1434 gehaltene Marktanteil auf dem von der Vereinbarung betroffenen sachlich-räumlich relevanten Markt bei Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern 10 % und bei Vereinbarungen zwischen Nichtwettbewerbern 15 %1435 (bis 2001: 10 %) nicht übersteigt und eine Kernbeschränkung fehlt.1436 Wird in einem relevanten Markt der Wettbewerb durch die kumulative Wirkung von Vereinbarungen beschränkt, die verschiedene Lieferanten oder Händler für den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen geschlossen haben (kumulativer Marktabschottungseffekt durch nebeneinander bestehende Netze von Vereinbarungen, die ähnliche Wirkungen auf dem Markt haben), so werden die genannten Marktanteilsschwellen sowohl für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern als auch für Vereinbarungen zwischen Nichtwettbewerbern auf 5 % herabgesetzt. Es ist unwahrscheinlich, dass ein kumulativer Abschottungseffekt vorliegt, wenn weniger als 30 % des relevanten Marktes von nebeneinander bestehenden (Netzen von) Vereinbarungen, die ähnliche Wirkungen auf dem Markt haben, abgedeckt werden.1437 Die Kommission ist ferner der Auffassung, dass Vereinbarungen auch dann den Wettbewerb nicht spürbar beschränken, wenn die Marktanteile die unter den Randnummern 8, 9 und 10 angegebenen Schwellenwerte von 10 %, 15 % oder 5 % während zwei aufeinander folgenden Kalenderjahren um höchstens 2 Prozentpunkte überschreiten.1438 Zur Berechnung des Marktanteils muss der relevante Markt abgegrenzt werden, und zwar sowohl der sachlich als auch der räumlich relevante Markt. Bei der Marktabgrenzung sollte auf die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes zurückgegriffen werden. Bei der Marktanteilsberechnung sollte grundsätzlich der Absatzwert oder, wo es darauf ankommt, der Wert der auf dem Markt getätigten Käufe zugrunde gelegt werden. 1427 1428 1429 1430 1431 1432

OLG Celle, Urt. v. 7.4.2016 – 13 U 124/15, ZVertriebsR 2016, 323 = WuW 2016, 307 = NZKart 2016, 288 Rn 47. OLG Celle, Urt. v. 7.4.2016 – 13 U 124/15, ZVertriebsR 2016, 323 = WuW 2016, 307 = NZKart 2016, 288 Rn 62. BGH, Urt. v. 8.4.2003 – KZR 3/02, GRUR 2003, 637 ff. Schröter in: Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 81 Abs. 1 Rn 2000. Terhechte EWS 2002, 66; Ebenroth/Lange1 Vor § 84 Anh. II Rn 4. Kommission, Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die im Sinne des Artikels 101 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union den Wettbewerb nicht spürbar beschränken (Deminimis-Bekanntmachung), 2014/С 291/01: Vorgänger-VO: Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gem. Art. 81 Abs. 1 EG nicht spürbar beschränken, ABl. 2001 Nr. C 368, S. 13 ff.; hierzu Terhechte EWS 2002, 66; Altfassung ABl. EG v. 9.12.1997, Nr. C 372, S. 13 ff. 1433 Siehe Mitteilung in ZVertriebsR 2014, 325. 1434 Es kommt also nicht etwa nur auf den Marktanteil der Vertriebsmittler an, aA zu Franchiseverträgen mglw. Billing/Lettl WRP 2012, 773 (781) bei Fn. 77. 1435 Rn 9 der LL zur GVO 330/10. 1436 Bagatellbekanntmachung, Ziff. 8 ff., 13. Zusammenfassend zur Vorgänger-VO Terhechte EWS 2002, 66. 1437 Bagatellbekanntmachung, Ziff. 10. 1438 Bagatellbekanntmachung, Ziff. 11. 135

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Sind keine Daten für diese Werte vorhanden, dürfen auch Schätzungen vorgenommen werden, die auf anderen verlässlichen Marktdaten, einschließlich Mengenangaben, beruhen.1439 176 Auch wenn die Grenzwerte der Bagatellbekanntmachung überschritten werden, ist es im Einzelfall möglich, dass der Wettbewerb nicht spürbar beschränkt ist.1440 Denn die Bagatellbekanntmachung gibt in Form eines Leitfadens nur Erfahrungswerte wieder, bindet nach ihrem Art. 4 S. 3 die Behörden und Gerichte der Mitgliedsstaaten jedoch nicht.1441 Letztlich bleiben also die Schwellenwerte unverbindlich, da sie einen bloßen Anhaltspunkt bilden sollen.1442 Die Kernbeschränkungen der Ziff. 13 der Bagatellbekanntmachung entsprechen Art. 4 lit. b GVO 330/10, so dass die Bagatellbekanntmachung nicht hilft, wenn die Freistellung des Verbots des Verkaufs außerhalb des zugewiesenen Gebiets erstrebt wird. Sachlich relevant soll nach einer Ansicht der Markt sein, auf dem sich der Unternehmer Vertriebsmittler (im entschiedenen Fall selbständiger HV) bedient,1443 also um deren Tätigkeit konkurriert. Nach aA richtet er sich nach der Austauschbarkeit der in Frage stehenden Waren aus der Sicht der Marktgegenseite.1444 Der räumlich relevante Markt bestimmt sich nach der funktionellen Austauschbarkeit fü die Marktgegenseite. Unternehmen, die aus dieser Sicht eine alternative Lieferquelle darstellen, gehören regelm. demselben räumlichen Markt an.1445 Er umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen mit der Lieferung der relevanten Erzeugnisse oder Dienstleistungen beschäftigt und in denen die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind.1446 Bedeutsam können Transportkosten, Sprache, Vorlieben und kulturelle Eigenarten sein.1447 Bei großen Mittlern wird der räumlich relevante Markt umfangreicher sein als bei kleinen, da erstgenannte eher bereit sein werden, ihre Vermittlungsbemühungen in einem größeren Umkreis zu organisieren.1448 Auch Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen führen zu keiner Spürbarkeit.1449 Aufschluss darüber gibt gem. Ziff. 4 der Bagatellbekanntmachung die Bekanntmachung der Kommission über die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels1450 in der die Kommission mit Hilfe der Kombination aus einem Schwellenwert für den Marktanteil (5 %) und einem Schwellenwert für den Umsatz (40 Mio. EUR) quantifiziert, welche Vereinbarungen grds. nicht geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.1451 Derartige Vereinbarungen fallen in der Regel nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV, selbst wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken. 177 Hinsichtlich der Darlegungslast zur Spürbarkeit reicht es nicht, lediglich mit gegriffenen Marktanteilsangaben zu operieren. Notwendig ist es, die Marktstellung der Beteiligten im Einzelnen aufzuzeigen, zu diesem Zweck den sachlich und räumlich relevanten Markt plausibel abzugrenzen, das Volumen dieses Marktes einschließlich der Schätzungsgrundlagen darzulegen, zu belegen und auf diesem Weg schließlich die Marktanteile der Beteiligten zu berechnen.1452 1439 Bagatellbekanntmachung, Ziff. 12. 1440 Ebenroth/Lange1 Vor § 84 Anh. II, Rn 4. 1441 EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, WRP 2013, 172 = ZVertriebsR 2013, 30 Rn 24 ff.; OLG Celle, Urt. v. 7.4.2016 – 13 U 124/15, ZVertriebsR 2016, 323 = WuW 2016, 307 = NZKart 2016, 288 Rn 26; Terhechte EWS 2002, 66 (69). EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, WRP 2013, 172 = ZVertriebsR 2013, 30 Rn 31. LG Frankfurt/Main EWiR 2003, 573 (Emde). Vgl. Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 43. Janssen in: Oelschlägel/Scholz, Handbuch Versandhandelsrecht, 2013, Kap. 9D Rn 231. LL für vertikale Beschränkungen, ABlEG Nr. C 291 v. 13.10.2001, 1 Rn 90. Janssen in: Oelschlägel/Scholz, Handbuch Versandhandelsrecht, 2013, Kap. 9D Rn 231. Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 625. Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1207 f.). Bekanntmachung der Kommission — Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art. 81 und 82 des Vertrags (ABl. C 101 vom 27.4.2004, S. 81), insb. Ziffern 44–55. 1451 Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) i. S. d. Empfehlung der Kommission vom 6.5.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 v. 20.5.2003, S. 36) bzw. einer etwaigen künftigen Empfehlung. 1452 OLG München, Teilurt. v. 24.10.2018 – 3 U 1551/17, ZVertriebsR 2018, 394 Rn 22.

1442 1443 1444 1445 1446 1447 1448 1449 1450

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ee) Zwischenstaatlichkeitsklausel. Voraussetzung des Verbots des Art. 101 AEUV ist die 178 Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten (Zwischenstaatlichkeitsklausel). Dazu muss die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung unmittelbar oder mittelbar geeignet sein, die Freiheit des Handels zwischen Mitgliedstaaten auf eine Weise zu gefährden, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteilig sein kann.1453 Zunächst muss festgestellt werden, ob der Handel zwischen den Mitgliedstaaten betroffen 179 ist. Dies ist der Fall, wenn die in Rede stehende Vereinbarung „Außenwirkung“ auf den zwischenstaatlichen Handel entfalten kann. Die Zwischenstaatlichkeitsklausel wird weit ausgelegt.1454 Eine Außenwirkung liegt in aller Regel vor, sofern Unternehmer verschiedener Mitgliedstaaten an der Vereinbarung beteiligt sind. Es kann aber ausreichen, wenn die Vereinbarung zwischen zwei Unternehmen eines Mitgliedstaates getroffen wird, sich aber auf das gesamte Gebiet des Mitgliedstaates bezieht, da es einen wesentlichen Teil des gemeinsamen Marktes darstellt.1455 Das gilt insb., wenn führende Hersteller beteiligt sind.1456 Der EuGH hat wiederholt entschieden, dass es für die Außenwirkung genügt, wenn ein wesentlicher Teil des gemeinsamen Marktes betroffen ist, etwa Luxemburg.1457 Dass einer der Vertragspartner in einem Drittland sitzt, führt nicht notwendigerweise zur Unanwendbarkeit des Art. 101 AEUV1458: Schließt ein Unternehmer eines Mitgliedsstaates einen Vertrag mit einem Unternehmer eines Drittstaats, kann Art. 101 AEUV verletzt sein, falls Reimporte in die Gemeinschaft realistischerweise zu erwarten sind und behindert werden.1459 Die Verpflichtung in einem Vertriebsvertrag, aus einem Nicht-EU-Staat keinesfalls in die EU zu exportieren, kann folglich den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten – je nach bestehender Marktstruktur und nach Position, Produktion und Verkauf des Lieferanten im Gemeinschaftsmarkt und vorausgesetzt, dass Preisunterschiede den Reimport realistisch erscheinen lassen – beeinträchtigen.1460 Voraussetzung ist aber eine Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung. Deshalb ist es im Grundsatz richtig zu sagen, Art. 101 AEUV und auch die GVO gälten nicht für vertikale Vereinbarungen mit Vertriebspartnern außerhalb der EU bzw. des EWR.1461 Dagegen ist nicht erforderlich, dass die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mit- 180 gliedstaaten nachgewiesen wird. Ausreichend ist die konkrete Gefahr der Beeinträchtigung. Die Voraussetzungen der Zwischenstaatlichkeitsklausel sind also nur dann nicht erfüllt, wenn nach allen objektiven, rechtlichen oder tatsächlichen Umständen ausgeschlossen werden kann, dass die zur Prüfung stehende Vereinbarung den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann. Lässt sich das nicht feststellen, ist eine Abwägung der Gesamtumstände erforderlich.1462

1453 EuGH, Slg. 1966, 322 (389); Slg. I – 1997, 4411, 4412; Giesler/Nauschütt, § 2 Rn 13. 1454 Kumkar NZKart 2016, 121 (124). 1455 EG-Kommission, Entsch. v. 11.6.2002, COMP/36.571/D-1 – Lombard Club, WuW/E 2004, 823 = EU-V 949; EuGH, Slg. 1992 II – 1995 (1998 ff.) Rn 57; BGH, Beschl. v. 26.1.2016 – KVR 11/15, NZKart 2016, 280 Rn 18; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2018 – 4 Kart 3/17 OWi, NZKart 2019, 223 Rn 219; 26.1.2017 – 4 Kart 6/15, NZKart 2018, 270; Beschl. v. 13.11.2013 – 7 Kart 5/09, WuW DE-R 4730 = WuW 2015, 888; Giesler/ Nauschütt § 2 Rn 14; aA wohl OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.3.2019 – U (Kart) 16/18, NZKart 2019, 344 = WuW 2019, 529 Rn 49. 1456 BGH, Beschl. v. 26.1.2016 – KVR 11/15, NZKart 2016, 280 Rn 18. 1457 EuG, Urt. v. 27.7.2005, T-49/02 bis T-51/02 – Brasserie nationale/Kommission, WuW 2005, 1311-EU-R 9/67. 1458 EuGH, Urt. v. 25.11.1971 – 22/71 – Beguelin, Slg 1971, 949. 1459 EuGH EWS 1998, 209 = EWiR 1999, 65 (Röhling); Komm. ABl. 1964, Nr. 58 S 915/64; ABl. 1968, L 276, S. 25/ 28; ABl. 1977, L 30, S. 10, 14; ABl. 1978, L 550, S. 16, 24; Schröter in: Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht Art. 81 Abs. 1 Rn 205; Fritzemeyer BB 2002, 1658 (1660). 1460 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Gippini-Fournier Kartellrecht, Europäisches Recht, Art. 81 Abs. 1 Rn 196. 1461 Creutzig EG–Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugssektor, Rn 721. 1462 Giesler/Nauschütt, § 2 Rn 16. 137

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ff) Art. 101 Abs. 3 AEUV 181 (1) Einleitung. Mit der Verabschiedung der Kartellverfahrensordnung (EG) Nr. 1/2003 vom 16.12.20021463 gilt seit 1.5.2004 ein neues Kartellverfahrensrecht. Zum Übergangszeitraum und den Wirkungen vorheriger Einzelfreistellungen vgl. BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, WRP 2007, 1097 (1099) = EWiR 2007, 547 (Emde). Nach der VO Nr. 17/62 waren lediglich Art. 101 Abs. 1 und 2 AEUV unmittelbar anwendbar: Falls für eine Vereinbarung die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV vorlagen, so bedurfte es eines positiven Aktes der Freistellung, und zwar entweder durch GVO – die Vereinbarung war freigestellt, wenn sie sich unter die Voraussetzungen einer solchen GVO subsumieren ließ – oder durch Einzelfreistellung, also mittels Entscheidung der Kommission.1464 Gem. Art. 1 Abs. 2 VO 1/2003 sind Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV, welche den TB des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllen, jetzt verboten, ohne dass dies des Ausspruchs in einer Entscheidung bedarf. Art. 101 Abs. 3 AEUV ist damit als Legalausnahme zu verstehen, mit der Folge, dass die Vorschrift „ipso iure“ unmittelbar anwendbar ist. Im Einklang mit dem Wortlaut des Absatzes wurde bis 1.5.2004 eine unmittelbare Wirkung des Art. 101 Abs. 3 AEUV abgelehnt. Die Erfüllung der TB-Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV führte also bis zu diesem Tag nicht „ipso iure“ zum Wegfall des Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV. Seit dem 1.5.2004 kann ein Vertriebssystem unmittelbar nach Art. 101 Abs. 3 AEUV zulässig sein, obwohl die Anwendungsvoraussetzungen einer GVO nicht erfüllt sind.1465 Es bedarf keines besonderen Freistellungsaktes in Form einer Einzelfreistellung; eine solche kann auch nicht mehr erlangt werden.1466 Jeder den Wettbewerb beschränkenden Vereinbarung kann eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV zukommen.1467 Folglich hat der BGH in seiner Entscheidung v. 28.6.20051468 geurteilt, die Nichterfüllung der in der GVO genannten Freistellungsvoraussetzungen führe seit Wirksamwerden der VO 1/2003 ab 1.5.2004 zu keiner automatischen Nichtigkeit der Verträge. Denn die Nichtigkeit setzt zudem die Nichterfüllung der TB-Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV voraus. 182 Ob Art. 1 Abs. 2 VO 1/2003 dem Wortlaut des Art. 101 Abs. 3 AEUV widerspricht, der ausdrücklich eine „Nichtanwendbarkeitserklärung“ fordert, ist noch nicht ausdiskutiert. Formal könnte man argumentieren, Art. 1 Abs. 2 VO 1/2003 enthalte eine solche Erklärung oder Freistellung und sei damit die weiteste Form einer GVO.1469 Andererseits spricht manches dafür, dass die Freistellung in Einzelfällen für begrenzte Bereiche erteilt werden muss, weil sonst Art. 101 Abs. 3 AEUV von vornherein als Legalausnahme von Art. 101 Abs. 1 AEUV hätte formuliert werden müssen, was jedoch unterblieb. Der VO hat damit mglw. den Wortlaut des Art. 101 Abs. 3 AEUV überschritten und sich der von ihm geforderten Einzelfallentscheidung oder der differenzierten Gruppenbildung enthoben.1470 Nach Ansicht von Baron1471 besitzen die GVOs auch nach Einführung der VO 1/2003 neben der VO 1/2003 gleichen Rang. Sie blieben nach dieser Ansicht durch die Einführung der VO 1/2003 unberührt. Ist eine Freistellung entweder aus der VO 1/ 2003 oder aus einer GVO zu bejahen, schließt dies die Anwendung der anderen Regelung nicht aus. Im Ergebnis gilt die jeweils weitergehende Freistellung, wie umgekehrt im Falle der Verbotskonkurrenz ohne ausdrückliche gegenteilige Freistellung das jeweils weitergehende Verbot maßgeblich ist.

1463 ABlEG Nr. L 1 v. 4.1.2003, S. 1. 1464 Weitbrecht Beilage zu NJW Heft 8/2003; ders. EuZW 2003, 69 (70). 1465 Schumacher WuW 2005, 1222 (1225); BGH, Urt. v. 13.7.2004 „Citroen“ – KZR 10/03, GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz). Malec/von Bodungen BB 2010, 2383; Niebling WRP 2010, 1454 (1455). Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09, Rn 64. BGH, Urt. v. 28.6.2005 – KZR 26/04, WRP 2006, 109 (111) = GRUR Int. 2006, 57. Weitbrecht EuZW 2003, 69 (70). Vgl. Karsten Schmidt BB 2003, 1237; aA Weitbrecht EuZW 2003, 69 (70). WuW 2006, 358 ff.

1466 1467 1468 1469 1470 1471 Emde

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Nach Art. 101 Abs. 3 AEUV können Vereinbarungen, deren Nutzen – etwa auf Grund einer 183 Effizienzsteigerung1472 – so groß ist, dass sie die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Vereinbarung überwiegen, von dem Verbotstatbestand des Art. 101 AEUV freigestellt werden. Aus der Unvereinbarkeit einer Klausel mit der GVO folgt mithin nicht mehr zwingend die Nichtigkeit nach Art. 101 AEUV; die Legalprüfung erfolgt nicht mehr abschließend in den Freistellungstatbeständen der GVO. Vielmehr muss in einem weiteren Schritt geprüft werden, ob die Klausel nach der Legalausnahme des Art. 101 Abs. 3 AEUV wirksam ist.1473 Der Unternehmer hat also die Möglichkeit, das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV im Einzelfall zu beweisen.1474 Nach Abs. 3 könnte auch ein Verhalten freigestellt sein, wenn jenes zwar nicht nach der aktuellen, sondern einer Alt-GVO freigestellt war – vorausgesetzt dafür gab es keinen zwingenden Grund. Unternehmen sowie nationale Kartellbehörden und Gerichte sind ermächtigt und verpflichtet, selbst zu prüfen, ob Vereinbarungen die vier Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllen und deshalb nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen.1475 Die „Selbstveranlagung der Unternehmer“1476 führt zur Rechtsunsicherheit.1477 Helfen konnte früher ein „Comfort letter“, mit dem die Kommission mitteilte, dass für sie derzeit kein Anlass zu einem Einschreiten bestehe. Anstelle des „Comfort letter“ und der Negativatteste1478 ist der sogenannte „Guidance-letter“ getreten, welcher ein Beratungsschreiben mit einer informellen Stellungnahme der Kommission zu neuartigen Fragen im Zusammenhang mit Art. 101, 102 AEUV enthält. Für die Anwendung des Art. 101 Abs. 3 AEUV sind spürbare objektive Vorteile Vorausset- 184 zung.1479 Ob sich solche Vorteile ergeben, ist durch Vergleich mit dem Zustand zu beurteilen, der ohne die betreffende wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung bestand oder bestehen würde. Dabei müssen die Vorteile, die sich aus der Absprache ergeben, größer als die sich aus ihr ergebenden Nachteile sein.1480 Faktoren, die für die Prüfung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV relevant sind, hat die Kommission in den Tz 122 ff. LL zur GVO 330/10 beschrieben. Betont wird insbesondere das Erfordernis von Effizienzgewinnen (Tz 122, 145 LL).1481 Erwartet werden substantiierte Angaben hinsichtlich Art, Ursache, Wahrscheinlichkeit, Ausmaß und Zeitpunkt der Effizienzgewinne.1482 Die Kommission1483 betont, auch Vertriebsvereinbarungen könnten zu qualitativen Effizienzgewinnen führen. So könnten spezialisierte Vertriebshändler Dienstleistungen erbringen, die besser auf die Bedürfnisse der Kunden abgestellt sind, die Auslieferung beschleunigen oder eine erhöhte Qualitätssicherung in der Vertriebskette anbieten (zu selektiven Vertriebssystemen Rn 199 ff.). Gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV soll beispielsweise der Erhalt des technisch komplexen Produktes Kfz, die Vermeidung von Umweltschäden, die Schaffung von Arbeitsplätzen vor dem Hintergrund der hohen Anzahl der Händlerinsolvenzen und das Interesse an der Ex-

1472 Leitfaden zur früheren Kfz-GVO 1400/02, Einl., S. 7. 1473 BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, WRP 2007, 1097 = RIW 2007, 614 = EWiR 2007, 547 (Emde); v. 13.7.2004 „Citroen“ – KZR 10/03, GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz).

1474 Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09, Rn 66; Rheinländer WRP 2005, 285; Schultze/Pautke/ Wagener BB 2009, 2266 (2268). 1475 ABlEG Nr. L 1 v. 4.1.2003, S. 1. 1476 Bechtold GRUR 2012, 107; Funke/Just DB 2010, 1389; Malec/von Bodungen BB 2010, 2383. 1477 Schumacher WuW 2005, 1222 ff. 1478 Hierzu Bechtold GRUR 2012, 107. 1479 St. Rspr. des EuGH, u. a. v. 13.7.1966, Rs. 56 und 58/64. 1480 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.5.2016 – VI-Kart 1/16 (V), NZKart 2016, 291 (295) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659. 1481 Tz 122 LL; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Meessen Kartellrecht, Bd. I., Art. 81 Rn 19. 1482 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Meessen, Kartellrecht, Bd. I., Art. 81 Rn 19. 1483 Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags (2004/C 101/07) vom 27.4.2004, Rn 72. 139

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klusivhaltung von Luxusartikeln vorteilhaft i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV sein.1484 Schulte1485 hält eine nach h. M. gemäß Art. 101 AEUV unzulässige Preisbindung1486 wegen der positiven Wirkungen auf den Wettbewerb nach Art. 101 Abs. 3 AEUV für zulässig, wenn sie innerhalb einer Verbundgruppe mittelständischer Unternehmen – etwa zwischen FG und FN – vereinbart wurde und die Preisbindung, z. B. durch gemeinsame Werbeaktionen, den Wettbewerb zu Großunternehmen erleichtert. Wenn eine Kernbeschränkung i. S. d. Art. 4 GVO 330/10 erfüllt ist, begründet dies keine Vermutung, dass die Vereinbarung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstößt.1487 Nach aA ist dann die Erfüllung der Kriterien der Art. 101 Abs. 3 AEUV unwahrscheinlich.1488 Die Behauptungs- und Beweislast für die Effizienzgewinne liegt bei Art. 2 S. 2 VO 1/2003 185 bei den Unternehmen, die sich auf die Freistellung berufen.1489

186 (2) Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) als Konkretisierung der Generalklausel des Art. 101 Abs. 3 AEUV. GVOs, die vor dem 1.5.2004 als „gebündelte Einzelfreistellungen“1490 angesehen werden konnten, und bestimmte typisierte Vertragsmuster summarisch vom Kartellverbot ausnehmen1491 (zu ihnen Rn 284 ff.) sind durch Art. 101 Abs. 3 AEUV nicht überflüssig geworden. Zu Unrecht wird bezweifelt, ob neben der Freistellung nach der GVO noch Raum für eine Anwendung der Legalausnahme des Art. 101 Abs. 3 AEUV bleibt. Die konkretisierende Wirkung der GVO schließt die Anwendung des Art. 101 Abs. 3 AEUV nicht aus.1492 Vielmehr stellen GVOs innerhalb ihres Anwendungsbereiches klar, dass die Legalausnahme des Art. 101 Abs. 3 AEUV eingreift.1493 Materiellrechtlich auf Grundlage des Art. 101 Abs. 3 AEUV ergangene GVOs bilden, anders als ihre Leitlinien, generelle Normen sowie Gesetze im materiellen Sinne, die nach Art. 288 AEUV in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gelten1494 sowie nationale Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten in kartellrechtlichen Fragen binden.1495 Will das nationale Gericht von einer GVO abweichen, ergibt sich die Vorlagepflicht an den Gerichtshof aus Art. 267 AEUV.1496 Teilweise werden die GVOs als deklaratorische Bestimmungen,1497 teilweise als rechtlich verbindliche Konkreti1484 Schumacher WuW 2005, 1222 (1229/1230). 1485 WRP 2005, 1500 ff. I. E. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. auch Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278. 1486 Schulz-Süchting in: Münchener Vertragshandbuch, Band 3, Wirtschaftsrecht II, IV. 2, Anm. 13; Jestaedt in: Langen/Bunte, Kommentar zum Deutschen und Europäischen Kartellrecht, Band 19 Art. 81, Fallgruppen Rn 272; Pagenberg/Geissler, Lizenzverträge4 S. 150, Rn 205; Gleiss/Hirsch, Kommentar zum EG-Kartellrecht, Band 14 Art. 85, Rn 297, Rn 1539; Klotz in: Schröter/Jakob/Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, 2003, Art. 81 – Fallgruppen: Liefer- und Bezugsvereinbarungen, Rn 11; 80, 210 ff.; Art. 4 lit a GVO 2790/99, Art. 4 Abs. 1 lit a GVO 772/2004; von Falck/Schmaltz in: Loewenheim/Meesen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2005, GVO-Technologie Rn 40; Baron a. a. O., GVO Vertikal, Rn 164; Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 572; Kahlenberg BB 2004, 391; Schulte WRP 2005, 1500 (1502). 1487 Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09, Rn 28. 1488 Ensthaler NJW 2007, 815 (816). 1489 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.5.2016 – VI-Kart 1/16 (V), NZKart 2016, 291 (295) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659. 1490 Harte-Bavendamm/Kreutzmann WRP 2003, 682 (687). 1491 Schulte WRP 2005, 1500 (1502). 1492 AA Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2005, 1750. 1493 BGH, Urt. v. 28.6.2005 – KZR 26/04, WRP 2006, 109 (111) unter II 2 b; Harte-Bavendamm/Kreutzmann WRP 2003, 682 (687). 1494 Wagner WRP 2003, 1369 (1372); Schulte WRP 2005, 1500 (1502); Baron WuW 2006, 358 ff. 1495 EuGH, Urt. v. 28.2.1991 – C-234/89 „Delimitis“, Slg. 1991, I – 935 Rn 46; Schumacher Recht des Kfz-Vertriebs in Europa, S. 11. 1496 EuGH, Urt. v. 11.12.1980 – 31/80, Slg. 1980, 3775 Rn 13f; zur Vorlagepflicht: EuGH, Urt. v. 6.10.1982, Rs. 283/ 81, Slg. 1982, 3415; vgl. Schumacher Recht des Kfz-Vertriebs in Europa, S. 17/18. 1497 Bechtold BB 2000, 2425 (2426). Emde

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sierungen der spezifischen Vorgaben des Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV bezeichnet.1498 Nach a. A. haben sie keinen rechtsgestaltenden sondern lediglich feststellenden Charakter.1499 Jedenfalls besitzen sie für die Praxis als speziellere Norm „Prüfungsvorrang“ vor Art. 101 Abs. 3 AEUV.1500 Nur wenn eine GVO hinter den Regelungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV zurückbleibt, ist gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV zu prüfen. Da europäische Gerichte nicht an GVOs gebunden sind, wird für sie Abs. 3 vorrangig bleiben. Geht die GVO über die Regelungen des Abs. 3 hinaus, bleibt die GVO anwendbar,1501 bindet die europäischen Gerichte aber nicht. Zivilrechtlich durchsetzbare Rechte und Pflichten zwischen den Vertragsparteien be- 187 gründen GVOs nicht.1502 Die zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Vertriebsmittler und Auftraggeber richten sich also nicht nach der GVO sondern ausschließlich nach nationalem Recht.1503 Dies gilt auch für mögliche Ausgleichsansprüche.1504 So ergab sich etwa aus der KfzGVO 1400/02 kein gesetzlicher Direktanspruch eines Fahrzeugkäufers gegenüber einem Vertragshändler auf Erbringung von Vertragsleistungen aus einer Herstellergarantie bezüglich eines aus dem EU-Ausland reimportierten Fahrzeugs.1505 Rechtsfolge der Nichteinhaltung einer GVO ist lediglich das Entfallen der Freistellung.1506 Jedoch sollte es bei der Regel bleiben, dass die kartellrechtlichen Bestimmungen Leitbildwirkung i. S. d. § 307 BGB haben. Die Regelungen eines Vertriebsvertrags werden zudem im Zweifel GVO-konform auszulegen sein. Denn die Parteien werden ein Verständnis vermeiden wollen, welches eine Freistellung verhindert,1507 jedenfalls, wenn es nicht verwenderfeindlich zu verstehen ist. Zudem können die in einer GVO genannten Beispiele freigestellter Klauseln bei der Auslegung von Generalklauseln herangezogen werden und Leitbildwirkung bei ähnlichen Gestaltungen entfalten.1508 Für den spiegelbildlichen Fall – die GVO stellt die Klausel nicht frei – wird eine Leitbildwirkung für die Prüfung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV abgelehnt.1509

(2) Fallgruppen des Art. 101 Abs. 3 AEUV (a) Verbesserung der Warenerzeugung. Bei der Freistellung eines selektiven Vertriebssys- 188 tems wurde die Begründung, es beinhalte ein stabilisierendes Element für die Erhaltung von Arbeitsplätzen als Verbesserung der allgemeinen Bedingung der Warenerzeugung gerade unter den Voraussetzungen einer ungünstigen Wirtschaftskonjunktur vom EuGH aufrechterhalten.1510 Auch in einem mit einem Markenlizenzvertrag verbundenen Wettbewerbsverbot wurde nicht nur eine Verbesserung der Warenverteilung gesehen, sondern auch der Warenerzeugung.1511 Das ist zweifelhaft. Entständen mehr Verkaufsstellen, gäbe es auch mehr Arbeitsplätze.

1498 1499 1500 1501 1502 1503 1504 1505 1506

Mesch WuW 2017, 62 (64); Schuhmacher WuW 2005, 1222 (1225); Karsten Schmidt BB 2003, 1237 (1241). Bechtold WuW 2003, 343; aA wohl Karsten Schmidt BB 2003, 1237 (1241). Wagner WRP 2003, 1369 (1378). Wagner WRP 2003, 1369 (1378). BGH, Urt. v. 28.6.2005 – KZR 26/04, WRP 2006, 109 (111) = GRUR Int. 2006, 57 = EWiR 2006, 273 (Emde). Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 44. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 44. OLG Stuttgart, Urt. v. 26.3.2008 – 3 O 93/07, EuZW 2008, 772. EuGH, Urt. v. 18.1.2007 – C-421/05 – City Motors Groep NV/ Citroen Belux NV, EuZW 2007, 113; Wegner/Schroeder EuZW 2007, 115. 1507 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 20.1.2009 – 11 U 49/08, BeckRS 2009, 04419 = BBL 2009-337-3, www.betriebs-berater.de (insoweit in BB 2009, 337 nicht abgedruckt) = NJOZ 2009, 794 = GRUR-RR 2009, 325 (LS). 1508 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2005, 1750; Bechtold WuW 2003, 343. 1509 Schulte WRP 2005, 1500 (1502). 1510 EuGH, Urt. v. 25.10.1977 – 26/76 – Metro/Kommission, Slg. 1977, 1875 (1915) Rn 43. 1511 EuGH, Urt. v. 28.2.2002, Fn 13, II-352 Rn 352 (353); Kommission, Entsch. v. 21.12.1994, Rs. IV/33218, ABl. 1994 L 378/17, 29 Rn 109; 32, 140. 141

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189 (b) Verbesserung der Warenverteilung. Der EuGH hat in der Erhaltung des Fachhandelsvertriebs für beratungsintensive Produkte (Farbfernseher) einen objektiven Vorteil gesehen.1512 Tatsächlich darf der selektive Vertrieb eher als „wettbewerbsdämpfend“ betrachtet werden, da sich Händler nur mit einer begrenzten Zahl von Konkurrenten auseinandersetzen müssen, die gleichen Bedingungen wie sie selber unterliegen.1513 Die Verpflichtung der Alleinvertriebshändler zum Alleinbezug, zum Unterlassen von Konkurrenz und von aktivem Wettbewerb außerhalb des zugewiesenen Gebiets1514 sowie von Vertriebsmittlern zur Absatzförderung, zur Nutzung des Warenzeichens oder einer bestimmten Ausstattung, sollen demgemäß von Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt sein.1515 Ein Effizienzgewinn i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV kann auch bei einer Preisbindung vorliegen, falls sie einen Anreiz darstellt, „Trittbrettfahrer“ auszuschalten und die angebotene Kundenberatung vor dem Verkauf den Kunden i. S. e. qualitativen Effizienz als Verbesserung zu Gute kommt.1516

190 (c) Förderung des technischen Fortschritts. Das Eingreifen dieser Fallgruppe ist bei vertriebsrechtlichen Wettbewerbsbeschränkungen nur schwer vorstellbar, allenfalls bei hoch technisierten Produkten.

191 (d) Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts. Zu denken ist hier insbesondere an eine Rentabilitätssteigerung oder die Sicherheit der Versorgung.1517

192 (e) Gewinnbeteiligung der Verbraucher. Die Versorgung der Verbraucher mit einem breiten Angebot qualitätsvoller Produkte zu günstigen Preisen gehört zu den Zielen des Wettbewerbsrechts.1518 Für das TB-Merkmal „Gewinnbeteiligung der Verbraucher“ ist entscheidend, ob ein ausreichender Wettbewerbsdruck unter den an den wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen beteiligten Unternehmen erhalten bleibt. Der Wettbewerbsdruck muss in der Regel von Mitbewerbern ausgehen.1519 Eine Beschränkung wird meist gewählt, um Wettbewerb auszuschalten. Eine angemessene Gewinnbeteiligung der Verbraucher ist bei ihr überwiegend nicht erkennbar.

193 gg) Prüfungsreihenfolge. Sind die TB-Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllt, ist eine in einem Vertriebsvertrag enthaltene Wettbewerbsbeschränkung nur dann zulässig, falls sie entweder gem. Art 101 Abs. 3 AEUV i. V. m. Art. 2 Abs. 1 VO 1/2003, vor Erlass der VO 1/2003 durch eine Einzelfreistellung1520 bzw. eine aufgrund der generellen Ermächtigung der VO Nr. 19/651521 erlassene GVO1522 gestattet wird.1523 Zunehmend bedient sich die Kommission auch 1512 1513 1514 1515 1516

EuGH, Urt. v. 22.10.1986 – 75/84, Slg. 1986, 3074 (3088) Rn 54. Mäsch ZIP 1999, 1507 (1508). Calliess/Ruffert/Weiß EUV/AEUV,4 2011, AEUV Art. 101 Rn 207. Calliess/Ruffert/Weiß EUV/AEUV,4 2011, AEUV Art. 101 Rn 207. OLG Celle, Urt. v. 7.4.2016 – 13 U 124/15, ZVertriebsR 2016, 323 = WuW 2016, 307 = NZKart 2016, 288 Rn 72 – in dem entschiedenen Fall verneint. 1517 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Meessen, Kartellrecht, Bd. I., Art. 81 Rn 23. 1518 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Meessen, Kartellrecht, Bd. I., Art. 81 Rn 25. 1519 Kommission, Entscheidung v. 22.7.1969, Rs. IV/26625, ABl. 1969 L 195/1, Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/ Meessen, Kartellrecht, Bd. I., Art. 81 Rn 26. 1520 Hierzu Roniger Das neue Vertriebskartellrecht, 2000, E 9 ff. 1521 VO v. 2.3.1965, ABl 1965 Nr. 36/533 i. d. F. der VO v. 10.6.1999, ABl. 1999 Nr. L 148/1. 1522 Siehe Roniger Das neue Vertriebskartellrecht, 2000, E 12. 1523 Polley/Seeliger WRP 2000, 1203. Emde

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reiner Bekanntmachungen in Form der Leitlinien (LL),1524 um ihre zukünftige Entscheidungspraxis nach außen zu tragen. Die kartellrechtliche Prüfungsreihenfolge in Vertriebsfällen stellt sich daher wie folgt 194 dar1525: 1. Greift das grundsätzliche Verbot wettbewerbsbeschränkender Abreden gemäß Art. 101 AEUV ein? 2. Gibt es Ausnahmen von diesem Verbot, z. B. a. wegen fehlender Spürbarkeit, insbesondere konkretisiert1526 in der für Gerichte allerdings nicht bindenden1527 Bagatellbekanntmachung1528 oder bei Vertragsschluss zwischen kleinen und mittleren Unternehmen gemäß Anhang zur Kommissionsempfehlung ABl. v. 20.5.2003 L 124/36 b. gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV i. V. m. Art. 2 Abs. 1 VO 1/2003 c. einer GVO, insb. der GVO 330/10 und den sie erläuternden Leitlinien? Meist wird zuerst das Eingreifen einer GVO geprüft, da dies mit dem geringsten Aufwand festzustellen ist.1529 Handelt es sich bei dem Mittler gemäß den LL zur GVO 330/10 um einen echten HV, greift das Kartellverbot des Art. 101 AEUV nicht ein1530 d. durch die Bagatellbekanntmachung 2007 des BKartA?1531 Der EuGH darf sich nur auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sach- 195 verhalts zum Gemeinschaftsrecht äußern. Es ist Aufgabe des nationalen Gerichts, die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auf einen konkreten Fall anzuwenden.1532 Im Grundsatz ist von der Unzulässigkeit aller den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten 196 beeinträchtigenden und spürbaren Wettbewerbsbeschränkungen auszugehen, soweit Art. 101 Abs. 3 AEUV i. V. m. Art. 2 Abs. 1 VO 1/2003, Bagatellbekanntmachung, Einzelfreistellung, GVOs (einschließlich der GVO 330/10) oder Leitlinien nicht freistellen.

hh) Umfang der Nichtigkeit. Vertriebsverträge unterliegen nicht in ihrer Gesamtheit dem Kar- 197 tellverbot. Dieses ergreift lediglich einzelne in diesen Verträgen enthaltene Bestimmungen.1533 Die Nichtigkeit nach Art. 101 Abs. 2 AEUV erfasst deshalb lediglich die von dem Verbot nach Art. 101 Abs. 1 AEUV erfassten Teile. Nur wenn sie nicht von der Vereinbarung insgesamt zu lösen sind, führt dies zur Gesamtnichtigkeit.1534 Können die betreffenden Teile von der Vereinbarung gelöst werden, so sind die Auswirkungen der Nichtigkeit auf die übrigen Bestandteile des Vertrages oder auf andere vertragliche Verpflichtungen nach nationalem Recht zu beurtei-

1524 Weitbrecht EuZW 2002, 581. Weiß EWS 2010, 257 hält die Leitlinien für eine Verletzung des Art. 290 AEUV. 1525 Tz 110 LL; Emde WRP 2005, 1492 (1494); Emde BB 2002, 949; Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1481); siehe auch Giesler/Jacobsen2 § 2 Rn 1185 mit ähnlichem Prüfungsschema. 1526 Terhechte EWS 2002, 66; Ebenroth/Lange1 Vor § 84 Anh. II Rn 4. 1527 Terhechte EWS 2002, 66 (69). 1528 Kommission, Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gem. Art. 81 Abs. 1 EG nicht spürbar beschränken, ABl. 2001 Nr. C 368, S. 13 ff.; Altfassung ABl. EG v. 9.12.1997, Nr. C 372, S. 13 ff; hierzu Giesler/Nauschütt § 2 Rn 17 ff.; zur neuen Bagatellbekanntmachung Terhechte EWS 2002, 66. 1529 Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1481). 1530 Giesler/Jacobsen2 § 2 Rn 1185. 1531 Vgl. zu ihr Pfeffer/Wegner BB 2007, 1173. 1532 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (443), Rn 28. 1533 Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (304). 1534 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 = WuW EU-R 1475, 447 Rn 78; aA (ohne Begründung); LG Erfurt, Urt. v. 21.8.2007 – 1 HK O 19/07, BeckRS 2013, 10304. 143

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len,1535 ebenso, ob eine geltungserhaltende Reduktion möglich ist.1536 Das Schicksal des Gesamtvertrages im Falle der Unwirksamkeit seiner wettbewerbsbeschränkenden Teile bestimmt sich nämlich nach nationalem Recht.1537 Sofern nicht lediglich eine Klausel untergeordneter Bedeutung nichtig ist, führt die Teilnichtigkeit in Individualverträgen gem. § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages,1538 wobei aber nach dem Schutzgedanken des Mittlerrechts u. U. die Grundsätze des faktischen Vertrages gelten (vgl. § 84 Rn 90). Bei AGB ist § 306 Abs. 1 BGB anwendbar1539 und vorrangig,1540 so dass ohne erschwerende Tatumstände lediglich die Unwirksamkeit der unzulässigen Klausel und keine Gesamtnichtigkeit des Vertrages eintritt.1541 Gesamtnichtigkeit entsteht hier gemäß § 306 Abs. 3 BGB nur dann, wenn das Vertragsgleichgewicht infolge der Unwirksamkeit der inkriminierten Klausel grundlegend gestört wird.1542 Gemeint sind Fälle des Vertragsungleichgewichts, die unter dem Gesichtspunkt des § 313 Abs. 1 BGB (WGG) relevant wären.1543 Das gilt auch, falls sich die Unwirksamkeit nicht aus den §§ 307– 309 BGB sondern aus anderen Vorschriften ergibt, etwa sofern einzelne Klauseln wegen Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften unwirksam sind.1544 §§ 139, 306 Abs. 3 BGB dürfen als dispositives Recht durch eine salvatorische Klausel abbedungen werden, sofern nicht Sinn und Zweck des Art. 101 AEUV Gesamtnichtigkeit trotz salvatorischer Klausel fordert,1545 z. B. weil sich durch die Teilnichtigkeit der Charakter des Vertrages erheblich verändern würde.1546 Ob ein Unternehmer auf eine vertraglich vereinbarte Wettbewerbsbeschränkung wirksam durch einseitige Erklärung verzichten kann, muss dass nationale Gericht prüfen.1547 Die Ersetzungsklausel innerhalb einer salvatorischen Klausel ist regelmäßig dahin zu verstehen, dass die Parteien die nichtige Bestimmung zur GVO-Konformität führen sollen.1548 Als AGB dürfte sie wohl unwirksam sein.1549 Auch die Verletzung der Kernbeschränkung einer GVO führt nicht automatisch zur Nichtigkeit sondern nur dann, wenn der Restvertrag keinen selbständigen Re1535 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (447) = WuW EU-R 1475 Rn 79; v. 18.12.1986, VAG France, 10/86, Slg. 1986, 4071 Rn 14, 15; v. 30.11.2006 – Brünsteiner und Autohaus Hilgert, C-376/ 05 und C-377/05, Slg. 2006, I-11383 Rn 48. 1536 Weidenbach/Mühle EWS 2010, 353 (358). 1537 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (447) = WuW EU-R 1475 Rn 75; OLG München, Teilurt. v. 24.10.2018 – 3 U 1551/17, ZVertriebsR 2018, 394 Rn 26; Rittner DB 2000, 1211 (1212); Ebenroth/Lange1 Vor § 84 Anh. II Rn 6. 1538 Liesegang NZKart 2013, 233 (238) – nach seiner Ansicht rglm. nicht anzunehmen; Semler ZVertriebsR 2012, 156 (160); Polley/Seeliger WRP 2000, 1203; Wendel WRP 2002, 1395 (1399); Emde WRP 2005, 1492 (1500); Emde MDR 2006, 301; aA für HV-Verträge Hopt § 86 Rn 11. 1539 BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, WRP 2007, 1097 = RIW 2007, 614 = EWiR 2007, 547 (Emde); Wendel WRP 2002, 1395 (1399); Hopt § 86 Rn 11. 1540 BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, WRP 2007, 1097 (1099) = RIW 2007, 614 = EWiR 2007, 547 (Emde). 1541 Emde MDR 2006, 301. 1542 Siehe BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, WRP 2007, 1097 (1099) = RIW 2007, 614 = EWiR 2007, 547 (Emde); Beschl. v. 26.7.2005 – KZR 14/04, BB 2005, 2208 = ZIP 2005, 1936 (LS); BGHZ 130, 150 (155); OLG München, Urt. v. 26.6.2002, BB 2002, 2521 = OLGR 2003, 113. 1543 Emde MDR 2006, 301. 1544 BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, WRP 2007, 1097 (1099) = RIW 2007, 614 = EWiR 2007, 547 (Emde). 1545 Liesegang NZKart 2013, 233 (238) – nach seiner Ansicht rglm. nicht anzunehmen; Semler ZVertriebsR 2012, 156 (160). 1546 Wendel WRP 2002, 1395 (1398); Emde MDR 2006, 301. Das wird etwa angenommen, wenn ein auf 10jährige Dauer geschlossener Liefervertrag wegen Verstoßes gegen die 5Jahres-Grenze des Art. 5 Abs. 1 lit. a GVO 330/10 unwirksam ist, weil aufgrund der Nichtigkeit der 10jährigen Vertragsdauer dann ein unbefristeter Vertrag vorläge, der nicht im Wege der geltungserhaltenden Reduktion auf 5 Jahre verkürzt werden kann (OLG Düsseldorf DB 2002, 943 (944); krit. Canaris DB 2002, 930 ff.). Zu der 5Jahresgrenze des Art. 5 Abs. 1 lit. a. GVO 330/10 Emde WRP 2005, 1492 ff. 1547 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441, 446 = WuW EU-R 1475 Rn 67. 1548 Wendel WRP 2002, 1395 (1399). 1549 Vgl. Wendel WRP 2002, 1395 (1399). Emde

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gelungsbereich ausfüllt.1550 Da Art. 101 AEUV ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB darstellt1551 können dem Verletzten Schadenersatzansprüche zustehen, die sich wegen der darin liegenden Vertragsverletzung auch aus § 280 BGB begründen.

ii) Beweislast. Die Nichtigkeit nach Art. 101 AEUV muss die Partei oder Behörde beweisen, die 198 sich auf sie beruft (Art. 2 VO (EG) 1/2003).1552 Die Darlegung und der Beweis, dass die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV, einer Einzelfreistellung und Effizienzgewinne1553 oder der Freistellung nach einer GVO1554 vorliegen, obliegt dem Unternehmen, welches sich auf diese Bestimmung beruft (Art. 2 VO (EG) 1/2003).1555 Insb. hat hat derjenige eine Freistellung darzulegen und zu beweisen, der sich auf sie berufen will.1556 Wer sich auf die Gültigkeit eines Restvertrages beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass bei Fehlen einer salvatorischen Klausel der nichtige Vertrag auch ohne die die Nichtigkeit begründenden Vertragsbestandteile geschlossen worden wäre. Kommt er dieser Darlegungs- und Beweislast nicht nach, ist der gesamte Vertrag nichtig.1557 d) Selektive Vertriebssysteme und Art. 101 AEUV aa) Qualitativ-selektive Vertriebssysteme (1) Überblick. Qualitativ-selektive Vertriebssysteme stellen eine Vertriebsform dar, bei der die 199 Hersteller mittels qualitativer Kriterien1558 Anforderungen an den Verkauf oder die Verkaufsstätte stellen, durch die ein einheitlicher Vertriebsstandard für bestimmte Produkte gewährleistet wird und bei welchen die Hersteller diese Kriterien durchzusetzen versuchen.1559 Unterschieden wird zwischen offenen und geschlossenen Systemen. Beim offenen System unterliegen weder Unternehmer noch Händler Beschränkungen hinsichtlich ihres Abnehmerkreises. Sie dürfen an alle Geschäftspartner veräußern. Beim geschlossenen System dürfen sowohl Unternehmer als auch Händler nur an Endkunden verkaufen und darüber hinaus an solche Wiederverkäufer, welche die qualitativen Selektionskriterien erfüllen.1560 Die systemzugehörigen Händler werden vertraglich zur Erbringung bestimmter Marketing-, Beratungs- und Kundendienstleistungen verpflichtet.1561 Sie dürfen das vertriebene Produkt nur innerhalb des Systems absetzen. Hierdurch werden Händler ausgeschlossen, welche die Standards nicht erfüllen.1562 Als Folge ergeben sich Einschränkungen des markeninternen Wettbewerbs.1563 Die Händler sind in ihren Entscheidungen über die Art und Weise des Produktvertriebs an die Systemvoraussetzungen gebunden.1564 Weil es systemzugehörigen Händlern nicht gestattet ist, das Produkt an Systemaußenseiter zu 1550 1551 1552 1553 1554 1555 1556

Wendel WRP 2002, 1395 (1399). LG Mainz, Urt. v. 15.1.2004 – 12 HKO 52/02, NJW-RR 2004, 478. OLG München, Teilurt. v. 24.10.2018 – 3 U 1551/17, ZVertriebsR 2018, 394 Rn 21. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.2015 – VI Kart 1/14 (V), ZVertriebsR 2015, 182 (193) Rn 121. Metzlaff/Schaper ZVertriebsR 2018, 1 (4/5). Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 27 ff. Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09, Rn 66; LG Berlin, Urt. v. 21.4.2009 – 16 O 729/07, BB 2009, 1381 (1382). 1557 LG Frankfurt/M., Urt. v. 6.1.2006 – 3 -11 O 42/05, EWiR 2007, 45. 1558 Westphal II Rn 425, 429. 1559 LG Mannheim, Urt. v. 14.3.2008 – 7 O 263/07, WuW 2008, 856 DE-R 2322; Emde ZVertriebsR 2019, 69 ff. Zu markenrechtlichen Steuerungsmöglichkeiten im Rahmen selektiver Vertriebssysteme Pelzer EWS 2011, 220. 1560 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 71. 1561 Rheinländer GRUR 2007, 383 (384); Westphal II Rn 419 ff. 1562 Rheinländer GRUR 2007, 383 (384); Haslinger WRP 2009, 279. 1563 Rheinländer GRUR 2007, 383 (384). 1564 Rheinländer GRUR 2007, 383 (384). 145

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verkaufen, wird die Lieferverweigerung des Herstellers zu einem Disziplinierungsinstrument gegenüber Händlern, die sich einer kartellrechtswidrigen Preis- und Vertriebspolitik des Herstellers nicht beugen.1565 Nach den LL zur GVO 330/10 setzt ein selektiver Vertrieb voraus, dass nicht nur der zum selektiven Vertrieb zugelassene Händler sondern auch der Hersteller der Verpflichtung unterliegt, die Produkte nur an solche Händler zu verkaufen, welche die vorgegebenen Selektionskriterien erfüllen. Der Hersteller kann den selektiven Vertriebs auf gewisse Märkte, z. B. einzelne Länder, beschränken und in anderen Märkten seine Waren im einfachen Vertrieb veräußern.1566 Es ist nicht erforderlich, dass die Auswahlmerkmale eines selektiven Vertriebssystems veröffentlicht werden. Denn dadurch könnten Geschäftsgeheimnisse publik werden.1567 Die Auswahlkriterien müssen Interessenten aber auf Anfrage mitgeteilt werden. 200 Umstritten ist, ob Franchising generell ein selektives Vertriebssystem bildet, für das die zu Selektivsystemen entworfenen Sonderregeln gelten.1568 Das wird man angesichts der Verschiedenartigkeit der Franchiseverträge nicht für alle Fälle bejahen können.1569 In der Praxis bilden Franchisesysteme fast immer selektive Vertriebssysteme1570 und es dürfen auch hier Qualitätsanforderungen gestellt werden, etwa Plattformverbote1571 (s. a. Rn 290).

(2) Zulässigkeit des selektiven Vertriebs 201 (a) Einführung. Der selektive Vertrieb führt zu einer Wettbewerbsbeschränkung und bezweckt sie sogar.1572 Denn die beiderseitige Verpflichtung von Hersteller und Mittler, nicht an Unternehmen außerhalb der Vertriebsorganisation zu liefern, verwehrt den letztgenannten den Zugang zu den Produkten des Herstellers.1573 Ein möglicher Anspruch auf Zugang zu dem Vertriebssystem mildert diesen Wettbewerbsverstoß kaum. Dennoch wird der Selektivvertrieb bei Eingreifen einer der nachfolgend wiedergegebenen TB-Elemente vom Verbotstatbestand des Art. 101 AEUV ausgenommen, da seine wettbewerblichen Vorteile überwiegen sollen.1574 Oft wird auch eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV1575 oder Art. 4 lit. b, c GVO 330/10 angenommen.1576 Im letztgenannten Fall erübrigt sich eine Diskussion der TB-Merkmale des Selektivsystems.1577 Wenngleich sich Art. 1 lit. e, Art. 4 lit. c GVO 330/10 mittelbar die Zulässigkeit selektiver Systeme und ihrer Qualitätsmerkmale entnehmen lässt, beurteilt sich die kartellrechtliche 1565 Rheinländer GRUR 2007, 383 (384). 1566 Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2268). 1567 EuGH, Urt. v. 14.6.2012 – C 158/11, BB 2012, 1883 Rn 31 m. Anm. Schultze „Auto24 SARL ./. Jaguar Land Rover France SAS.

1568 Vgl. Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 81; Liebscher/Heinrich/Petsch, Vertriebsverträge S. 78 f.; Liebscher/Petsche EuZW 2000, 400 ff. 1569 Vgl. Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (303): Der Selektivvertrieb ist gegenüber dem Franchising ein „Weniger“. 1570 Flohr BB 2009, 2159 (2161); Calliess/Ruffert/Weiß EUV/AEUV,4 2011, AEUV Art. 101 Rn 215 ff. 1571 Rohrßen DB 2018, 300 (304). 1572 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener RIW 2012, 35 (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/résident de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 39; KG, Urt. v. 19.9.2013 – 2 U 8/09, BB 2013, 2768 m. Anm. Kiani = WRP 2013, 1517 = ZVertriebsR 2014, 104 Rn 33 – Scout/EBayVerkauf; LG Frankfurt/M., Urt. v. 18.6.2014 – 2-03 O 158/13, ZVertriebsR 2014, 311 = WuW DE-R 4409; Schweda/ Rudowicz WRP 2013, 590 (595); Creutzig BB 2002, 2133; Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 35. 1573 EuGH Slg. 1983, 3151/AEG/Telefunken; Mäsch ZIP 1999, 1507 (1509); Rheinländer GRUR 2007, 383 (384). 1574 Siehe etwa Leupold NZKart 2019, 520 (525). 1575 Rösner WRP 2010, 1114 (1116). Nach Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (598) dürfte es dem Anbieter bei Beschränkungen des Internetvertriebs schwer fallen, die Voraussetzungen des Abs. 3 nachzuweisen. 1576 S. etwa OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 – Luxuskosmetika; Valdini BB 2018, 2196; Rohrßen DB 2018, 300 (302); zweifelnd Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2385). 1577 Vgl. Dreyer/Ahlenstiel NZKart 2019, 130 ff. zu Plattformverboten außerhalb selektiver Vertriebssysteme. Emde

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Zulässigkeit qualitativer Selektionskriterien jedenfalls aus Sicht der Gerichte nach Art. 101 AEUV sowie der hierzu ergangenen Rspr.1578 In der Praxis nimmt der EuGH bei selektiven Vertriebssystemen, die auf qualitativen Kriterien beruhen, eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung nur mit Zurückhaltung an.1579 Denn solche Systeme sollen die Entwicklung des Markenimages fördern und schützen und damit den Wettbewerb stimulieren.1580 Zumindest fördern sie die Marktdurchdringung insb. von Luxusmarken.1581 Je strenger die Auswahlkriterien des Herstellers sind, umso eher ist ein Rückgang des Verkaufs zu erwarten, so dass sich solche Systeme „autoregulieren“ sollen.1582 Bis dahin zahlt allerdings – vermittelt über die Händler – der Verbraucher die Kosten der Erfüllung der Selektionskriterien.

(b) Kriterien für die Zulässigkeit des Selektivvertriebes. Gem. Art. 1 Abs. 1 lit. e GVO 330/ 202 10 sind selektive Vertriebssysteme“ Vertriebssysteme, in denen sich der Anbieter verpflichtet, die Vertragswaren oder -dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar nur an Händler zu verkaufen, die anhand festgelegter Merkmale ausgewählt werden, und in denen sich diese Händler verpflichten, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht an Händler zu verkaufen, die innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht zum Vertrieb zugelassen sind. Nach Tz. 43 der LL zur Kfz-GVO 461/10 fällt der rein qualitative Selektivvertrieb mangels wettbewerbswidriger Auswirkung i. d. R. nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV, sofern drei Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens muss die Beschaffenheit des fraglichen Produkts einen selektiven Vertrieb fordern. Zweitens müssen die Händler oder Werkstätten aufgrund im vornhinein festgelegter objektiver Kriterien qualitativer Art ausgewählt werden, die für alle potentiellen Wiederverkäufer einheitlich festzulegen und unterschiedslos anzuwenden sind. Drittens dürfen die Kriterien nicht über das Erforderliche hinausgehen. Auch nach der Entscheidungspraxis des EuGH (sog. „Metro-Kriterien“) sowie zust. Quellen unterfallen qualitative Selektionskriterien schon nicht dem TB des Art. 101 Abs. 1 AEUV,1583 sofern die Selektion des vertriebenen Produkts erforderlich ist,1584 etwa zur Sicherstellung der Qualität1585 bzw. des korrekten Produktgebrauchs,1586 die Selektionskriterien objektiver und qualitativer Natur sind so-

1578 1579 1580 1581 1582 1583

Rohrßen DB 2018, 300; Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, Rn 96. GA Wahl Schlussanträge C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 Rn 37. GA Wahl Schlussanträge C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 Rn 42; Leupold NZKart 2019, 520 (525). GA Wahl Schlussanträge C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 Rn 43. GA Wahl Schlussanträge C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 Rn 44. Gegen diese Sonderbehandlung in Hinblick auf Art. 101 AEUV die deutsche Regierung in ihrer Stellungnahme zur Rs. Coty, s. GA beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 Rn 61. 1584 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 24; v. 14.6.2012 – C 158/11, BB 2012, 1883, Rn 33 mit Anm. Schultze „Auto24 SARL ./. Jaguar Land Rover France SAS; GA beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) Rn 66; OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 45; Rohrßen DB 2018, 300 (301). 1585 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C 230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 24; GA beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) Rn 66; OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert Rn 45. 1586 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 24; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 84/14 (Kart), ZVertriebsR 2016, 123 = NZKart 2016, 84 (86) m. zust. Anm. Kuntze-Kaufhold EWiR 2016, 221 sowie krit. Anm. Kumkar NZKart 2016, 121 – Funktionsrucksäcke; GA beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) Rn 66. OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 45; Schaper/Pahlen ZVertriebsR 2016, 130 besprechen das Urteil des OLG Frankfurt/M. und bemerken, der Streitgegenstand des Verfahrens sei auf das Verbot des Vertriebs über Amazon begrenzt gewesen. 147

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wie einheitlich und diskriminierungsfrei1587 angewendet werden,1588 das Absatzsystem zur Stärkung des Wettbewerbs beiträgt, im Verbraucherinteresse liegt und schließlich die Ausgestaltung des Vertriebssystems einer Verhältnismäßigkeitsprüfung1589 standhält. Die Unterschiedlichkeit der Definitionen und das in Art. 1 Abs. 1 lit. e GVO 330/10 eingefügte zusätzliche TB-Merkmal der Verpflichtung der Händler, nicht an Händler zu verkaufen, die innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht zum Vertrieb zugelassen sind, hat wohl nur für die Anwendung des Art. 4 lit. c GVO 330/10 Bedeutung. Nur dort muss es erfüllt sein. 203 Aus dem TB der Erforderlichkeit folgt, dass insb. die Kumulation der Selektionskriterien einem Übermaßverbot unterliegt.1590 Letztlich muss die Eigenschaft des in Rede stehenden Erzeugnisses zur Wahrung seines Image, seiner Qualität, seines Gebrauchs oder aufgrund der Beratung ein selektives Vertriebssystem erfordern.1591 Dann ist ein Wettbewerbsverstoß ausgeschlossen.1592 Angeblich müssen diese Kriterien über die für den Verkauf der Produkte geltenden einzelstaatlichen oder unionsrechtlichen Regelungen hinausgehen.1593 Zudem wird behauptet, die Metro-Kriterien des EuGH sollten nur Beispiele für Warenkategorien aufzeigen, die einen Selektivvertrieb erfordern.1594

1587 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 24; v. 14.6.2012 – C-158/11, BB 2012, 1883, Rn 33 mit Anm. Schultze „Auto24 SARL ./. Jaguar Land Rover France SAS; v. 10.7.1980, Slg. 1980, 2511 Rn 20; GA Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 (579) – Luxuskosmetika; OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 45; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 84/14 (Kart), ZVertriebsR 2016, 123 = NZKart 2016, 84 (86) m. zust. Anm. Kuntze-Kaufhold EWiR 2016, 221 sowie krit. Anm. Kumkar NZKart 2016, 121 – Funktionsrucksäcke; KG, Urt. v. 19.9.2013 – 2 U 8/09, BB 2013, 2768 m. Anm. Kiani = WRP 2013, 1517 = ZVertriebsR 2014, 104 – Scout/EBay-Verkauf, dort diskriminierungsfreie Handhabung abgelehnt; Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (209). 1588 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 24; v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener RIW 2012, 35 (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 41; v. 10.7.1980, Slg. 1980, 2511 Rn 20; v. 25.10.1977 – 26/76, Slg. 1977, 1875 Rn 20 ff.; Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09 Rn 47; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 (579) – Luxuskosmetika; OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 45; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 84/14 (Kart), ZVertriebsR 2016, 123 = NZKart 2016, 84 (86) m. zust. Anm. Kuntze-Kaufhold EWiR 2016, 221 sowie krit. Anm. Kumkar NZKart 2016, 121 – Funktionsrucksäcke; LG Mannheim, Urt. v. 14.3.2008 – 7 O 263/07, WuW 2008, 856 DE-R 2322; Rohrßen DB 2018, 300 (301); Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (209). 1589 GA Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) Rn 66; Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (209); Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (209); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 (579) – Luxuskosmetika; OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 45. 1590 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2005, 1749 (1751) zur alten Kfz-GVO 1400/02. 1591 EuGH, Urt. v. 11.12.1980, Slg. 1980, 3775 Rn 16; Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09 Rn 51; KG, Urt. v. 19.9.2013 – 2 U 8/09, BB 2013, 2768 m. Anm. Kiani = WRP 2013, 1517 = ZVertriebsR 2014, 104 – Scout/ EBay-Verkauf; LG Berlin, Urt. v. 21.4.2009 – 16 O 729/07, BB 2009, 1381 (1382); LG Mannheim, Urt. v. 14.3.2008 – 7 O 263/07, WuW 2008, 856 DE-R 2322; zur Kfz-GVO und zum Merkmal der Erforderlichkeit Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (623). Siehe auch Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (209). 1592 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener RIW 2012, 35 (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 40. 1593 Schlussantrag des GA v. 3.3.2011 – C-439/09 Rn 51. 1594 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (281). Emde

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Wie ausgeführt dürfen die Selektionskriterien das erforderliche Maß nicht überschrei- 204 ten.1595 Sie müssen einem legitimen Ziel dienen.1596 Dazu müssen die Produkte dem Verbraucher einen nicht nur unerheblichen Mehrwert gegenüber vergleichbaren Waren bieten, worin auch immer er begründet liegt.1597 Dieser Mehrwert kann z. B. in Beratungsleistungen, intensiver Betreuung, Innovation, Machart, Leistungsfähigkeit oder Imagewert liegen.1598 Offensichtlich ist das Beratungsbedürfnis bei gefährlichen Produkten, etwa Kettensägen.1599 Die Beratung braucht nicht notwendigerweise persönlich zu erfolgen.1600 Selbst der reine Imageschutz kann ein Selektivsystem rechtfertigen1601 (zum Schutz des Luxusimages unten). Soweit der Selektivvertrieb mit einem Beratungsbedürfnis gerechtfertigt wird, soll angeblich nicht im Einzelfall festgestellt werden müssen, ob die auf das Produkt gerichtete Beratungsintensität tatsächlich gerechtfertigt ist.1602 Das dürfte zweifelhaft sein. Selektivvertrieb setzt ein diskriminierungsfreies Verhalten voraus. Er ist damit unzulässig, 205 wenn es hieran fehlt. Deshalb kann z. B. ein Plattformverbot daran scheitern, dass das Vertriebssystem inkonsistent praktiziert wird (etwa: Vermarktung über Ebay verboten, Hersteller vertreibt aber selbst über Discounter).1603 Die Lückenhaftigkeit des Systems soll seiner diskriminierungsfreien Anwendung nicht entgegenstehen, sofern den Lücken im Vertriebsnetz eine nachvollziehbare und willkürfreie Vertriebspolitik zugrunde liegt.1604 Unter diesen Umständen schadet auch der Verkauf von Luxusprodukten auf ebay und Amazon nicht,1605 falls es sich um Graumarktware handelt und sich der Unternehmer im Rahmen des Möglichen zur Wehr setzt.1606 Das gilt jedenfalls, solange nicht erkennbar wird, dass der unautorisierte Vertrieb einen Umfang erreicht hat, nach dem faktisch ein selektives Vertriebsnetz im Onlinebereich nicht existent ist und der Verkehr deshalb keine Qualitätsanmutung erkennen kann.1607 Der Flughafenvertrieb als Fortsetzung des Duty-free-Verkaufs,1608 das Angebot in stationären Shopping-Malls1609 oder über die Website „Google-Shopping“ stehen 1595 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 24; v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener RIW 2012, 35 (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 41; v. 25.10.1977, Slg. 1977, 1875 (1907 ff.); Slg. 1980, 3775; v. 22.10.1986, Slg. 1986, 3021 (3074); Rösner WRP 2010, 1114 (1115); Bauer/ de Bronett Die EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, Rn 55; Birk EuZW 2000, 485 (488); GA beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) Rn 52. 1596 Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (209); Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (209). 1597 Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1047). 1598 Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1047). 1599 Siehe Schlimpert NZKart 2019, 214 ff.; 2018, 566 (567) unter Hinweis auf eine französische Entscheidung. 1600 Schlimpert NZKart 2020, 20; 2018, 566 (568) unter Hinweis auf eine französische Entscheidung. 1601 Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1047). 1602 OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 45. 1603 Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (150). 1604 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 (580) – Luxuskosmetika; Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (238) = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. auch Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278: Das soll bei einem Plattformverbot der Fall sein, wenn der Unternehmer weder Amazon noch Ebay als Discounter direkt beliefert. 1605 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 (580) – Luxuskosmetika. 1606 OLG Hamburg, Urt. v. 21.6.2018 – 3 U 151/17, ZIP 2018, 2503 zum Markenrecht; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 424 Rn 86 zum Markenrecht. 1607 OLG Hamburg, Urt. v. 21.6.2018 – 3 U 151/17, ZIP 2018, 2503. 1608 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 (580) – Luxuskosmetika. 1609 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 (580) – Luxuskosmetika. 149

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ebenfalls nicht entgegen.1610 Denn dort werden die Kunden auf den den Qualitätsanforderungen des Herstellers unterliegenden Internetshop weitergeleitet.1611 Ebenso wenig stört es, wenn der Unternehmer seine hochwertigen Kosmetikprodukte auch an Unternehmen abgibt, die eine Vielzahl von Fachgeschäften für Kosmetik- und Parfümerieprodukte und daneben auch einen Online-Shop betreiben oder solche Produkte ausschließlich online anbietet, sofern die Produkte dort in einer Weise angeboten werden, die ihrem Luxusimage gerecht wird.1612 Ein Selektivsystem soll, richtig eingesetzt, sogar zu einer Verstärkung des Wettbewerbs un206 ter den Herstellern konkurrierender Produkte führen, etwa im Hinblick auf einen hohen Standard an Beratung und Kundenservice, auch wenn, wie eingeräumt wird, der Wettbewerb innerhalb der Marke und damit insb. der Preiswettbewerb leidet.1613 Ist das selektive System zulässig, werden solche Beschränkungen des markeninternen Wettbewerbs bis zu einem gewissen Grad hingenommen.1614 Wettbewerbsfördernd soll etwa die Sicherung eines Fachhandels sein, der bestimmte Dienstleistungen für hochwertige und technisch hoch entwickelte Erzeugnisse erbringen kann. Es kommt auf die konkrete Prüfung im Einzelfall an, ob von einem Vertriebssystem insgesamt eine eher wettbewerbsfördernde oder -beeinträchtigende Wirkung ausgeht,1615 wobei dem Unternehmer ein Ermessensspielraum zusteht.1616 Gefordert wird eine Gesamtschau.1617 Dabei kann die Art und Intensität des Wettbewerbs je nach den in Betracht kommenden Waren oder Dienstleistungen und der wirtschaftlichen Struktur des betroffenen Marktsektors verschieden sein.1618 Die „besondere Natur der betreffenden Erzeugnisse“ spielt für die Zulässigkeit des Systems eine Rolle.1619 Zu untersuchen ist ferner, ob wegen der Verbreitung solcher Absatzsysteme in einer bestimmten Branche oder aus sonstigen Gründen für andere Vertriebsformen kein Raum verbleibt (also ein verstärkt wettbewerbsbeschränkender Effekt eintritt) und eine „Erstarrung der Preisstruktur“ zu befürchten ist.1620 Wird ein selektives Vertriebssystem in einigen oder allen Mitgliedsstaaten praktiziert, findet eine Abschottung der nationalen Märkte durch ein vertragliches Verbot nur statt, wenn den Vertragshändlern die Belieferung von Vertragshändlern in anderen Mitgliedsstaaten untersagt ist. Denn dann werden innerhalb des Vertriebssystems nationale Schranken errichtet.1621 Mindesteinkaufsregelungen führen nicht zur Abschottung der nationalen Märkte.1622 Ein qualitativ-selektives Reparatur- und Kundendienstsystem ist unter denselben 207 Voraussetzungen wie ein qualitativ-selektives Vertriebssystem zulässig.1623 Eine bloße quanti-

1610 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 (580) – Luxuskosmetika.

1611 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 (580) – Luxuskosmetika.

1612 OLG Hamburg, Urt. v. 21.6.2018 – 3 U 151/17, ZIP 2018, 2503. 1613 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener RIW 2012, 35 (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 40. Rheinländer GRUR 2007, 383 (385). EuGH, Slg. 1986, 321, Rn 40, 41 – Metro II. Fesenmair GRUR-Prax 2013, 283 (284); Rösner WRP 2010, 1114 (1115). Mäsch ZIP 1999, 1507 (1510). Eingehend diskutiert in KG, Urt. v. 19.9.2013 – 2 U 8/09, BB 2013, 2768 m. Anm. Kiani = WRP 2013, 1517 = ZVertriebsR 2014, 104 – Scout/ebay-Verkauf, dort aber offen gelassen. 1618 OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 45. 1619 OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 45. 1620 EuGH Slg. 1977, 1875 (1907 ff.) – Metro I; EuGH Slg. 1983, 3151 (3194 ff.) – AEG Telefunken; EuGH Slg. 1986, 3021 (3074 ff.) – Metro II. 1621 OLG München, Urt. v. 19.7.2018 – 29 U 3493/17, ZVertriebsR 2019, 125 Rn 30. 1622 OLG München, Urt. v. 19.7.2018 – 29 U 3493/17, ZVertriebsR 2019, 125 Rn 37. 1623 EuG, Urt. v. 23.10.2017 – T – 712/14 (Uhrenersatzteile), NZKart 2017, 658.

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tative Selektion ohne qualitative Kriterien erlaubt kein selektives Vertriebssystem.1624 Auch außerhalb selektiver Vertriebssysteme dürfen Hersteller Vorgaben zum Vertrieb1625 oder Qualitätsanforderungen stellen.1626 Nur ist die Rechtslage insoweit im selektiven Vertrieb klarer.1627 Die „Freistellung“ selektiver Vertriebssysteme steht nicht im Widerspruch zur MarkenRL, 208 insb. ihrem Art. 8 Abs. 2.1628 Vielmehr gelten die Grundsätze auch im Markenrecht.1629

(c) Insbesondere Luxuswaren. Typischerweise finden sich selektive Vertriebssysteme außer bei 209 technisch hochwertiger und anspruchsvoller Ware1630 im Luxussegment.1631 Selektivsysteme sind jedoch nicht auf das Luxussegment beschränkt.1632 Bei Premiummarken dürfen über dem Durchschnitt liegende Selektionsvoraussetzungen gefordert werden.1633 Der Selektivvertrieb ist auch im Luxussegment zulässig, falls die TB-Voraussetzungen der „Metro-Kriterien“ vorliegen,1634 insbes. für den Unternehmer die Notwendigkeit besteht, sein Profil zu wahren und sich von anderen Anbietern abzuheben, damit der höhere Produktpreis gerechtfertigt erscheint.1635 Die Leitentscheidung hierzu bildet das zu Plattformverboten ergangene „Coty“-Urteil1636 (dazu unten). Luxusartikel sind ausgewählte Markenprodukte, die der Markeninhaber als „exklusiv“ vermarktet und in einem gehobenen Marktsegment ansiedelt.1637 Der Hersteller formuliert den Luxusanspruch, etwa indem er ein ggf. aus hochwertigen Materialien hergestelltes und aufwendig verpacktes Produkt so vertreibt, dass es nicht massenhaft und nicht überall verfügbar ist, und indem er potentielle Kunden über erkennbar hohe Preise, eine besondere Beratung und/oder einen besonderen Kundenservice anspricht.1638 Ein Luxusimage beruht damit in weiten Teilen auf Marketingaktivitäten des Herstellers.1639 Folglich sind dessen produktbezogenen Marketingaktivitäten ebenso wie die Platzierung der Produkte im hochwertigen Marktsegment eine wesentliche Grundlage für die Etablierung eines Luxuscharakters.1640 Der hohe Preis kann ein Indiz für den Luxuscharakter geben.1641 Es liegt in der

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Westphal II Rn 425, 429. Spenner/Kiani NZKart 2016, 208. Rohrßen DB 2018, 300 (304). Rohrßen DB 2018, 300 (304). EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – C-59/08, GRUR 2009, 593. OLG Hamburg, Urt. v. 21.6.2018 – 3 U 151/17, ZIP 2018, 2503; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, WuW 2018, 424 = EWiR 2018, 541 (Kuntze-Kaufhold). 1630 Leupold NZKart 2019, 520 (525). 1631 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty; Generalanwalt beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 – Luxuskosmetika; Vorlagebeschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) – zu diesem Beschl. auch Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278; Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 84/14 (Kart), ZVertriebsR 2016, 123 = NZKart 2016, 84 (87) m. zust. Anm. Kuntze-Kaufhold EWiR 2016, 221 sowie krit. Anm. Kumkar NZKart 2016, 121; Leupold NZKart 2019, 520 (525); Rohrßen DB 2018, 300 (301); Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1045); Nolte BB 2017, 1987 (1989); Lubberger WRP 2015, 14 (18) Rn 20 ff.; Emde ZVertriebsR 2019, 69 (72). 1632 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (281). 1633 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (623); krit. Kumkar NZKart 2016, 121. 1634 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (64). 1635 OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 47. 1636 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring). 1637 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (64). 1638 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (64). 1639 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (284). 1640 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 (579) – Luxuskosmetika; Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (284). 1641 Sehr weit Mey WuW 2019, 83 (85): widerlegbare Vermutung für die Luxuseigenschaft. 151

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Entscheidungskompetenz und -prärogative1642 des Markeninhabers, ob er einen Luxusanspruch formuliert und diesen weiter aufbaut.1643 Nach einer engen Auffassung sind nur solche Produkte Luxusprodukte, die der Durchschnittsverbraucher zur gewöhnlichen Lebenshaltung nicht benötigt.1644 Teils wird so weit gegangen, dass jeder nicht unerhebliche Mehrwert gegenüber den am Markt vorhandenen Vergleichsprodukten als geeigneter Grund für die Errichtung eines qualitativselektiven Vertriebssystems bezeichnet wird.1645 Selbst wenn einzelne Produkte nicht das Kriterium der Hochpreisigkeit erfüllen, beeinträchtigt dies nicht ein insgesamt mit dieser Produktlinie verbundenes Luxusimage.1646 Maßgeblich ist die Verbrauchersicht1647: Es ist zu klären, ob ein durchschnittlich informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren das fragliche Produkt von einem anderen durchschnittlichen Produkt dieser Kategorie unterscheiden kann.1648 Entscheidend sind Zweck, Eigenschaft, Qualität, Art der Verwendung, Zahl der angebotenen Stücke sowie der Preis.1649 Eine Beweisaufnahme über die tatsächliche Wahrnehmung der Produkte durch den Verbraucher ist jedoch nur veranlasst, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen werden, dass entgegen der allgemeinen Verkehrsanschauung der Verbraucher mit den Produkten keine „Aura von Luxus“ verbindet.1650 Die vom EuGH in der Entscheidung „Coty“1651 sowie von anderen Gerichten verwendeten 210 Begriffe „Luxusware“ und „Luxus-Image“ sind farblos1652 und schwer greifbar.1653 In „Coty“ hat der EuGH den Begriff Luxus rund 40-mal erwähnt, ohne ihn zu definieren.1654 GA Wahl schrieb von „qualitativ hochwertigen Verbrauchsgütern“.1655 Die Ausführungen des EuGH sowie des GA lassen den Schluss zu, dass beide den Terminus Luxusware relativ weit verstehen und hierunter alle Waren fassen, die wegen ihres Prestigewerts erworben werden.1656 Das entspricht der Tendenz in Literatur und Rspr: Je nach Produktqualität soll ein Selektivvertrieb auch gestattet sein, wenn es sich nicht um technisch hochwertige Waren,1657 (hochwertige) Markenware1658 und/

1642 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (64). 1643 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 (579) – Luxuskosmetika.

1644 Lettl WuW 2018, 114 (118). 1645 Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1048). 1646 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 (580) – Luxuskosmetika. Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (284). Lettl WuW 2018, 114 (118). Lettl WuW 2018, 114 (118). OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini und zust. Anm. Just EWiR 2018, 767 = WuW 2018, 578 (580) – Luxuskosmetika. 1651 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring). 1652 Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1045). 1653 Klauß/Dos Santos Goncalves NJW 2018, 285; Wiedenhaus/Müller EWiR 2018, 605; Emde ZVertriebsR 2019, 69 (73). 1654 Linsmeier/Haag WuW 2018, 54 (57). 1655 Zustimmend Linsmeier/Haag WuW 2018, 54 (57). 1656 Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1046). 1657 Unentschieden Rohrßen DB 2018, 300 (302, 303). Jedoch komme eine Freistellung nach Art. 4 lit. b GVO in Betracht. 1658 Für die Anwendung auch auf andere qualitativ hochwertige Produkte, etwa hochwertige Markenprodukte OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller); GA Wahl Schlussantrag v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 (325) Rn 92; Pautke/ Schultze WuW 2019, 2 (9); Mey WuW 2019, 83 (85) – sofern die Markenartikel ein Luxusimage aufweisen; Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (64); Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (278); Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1048); Lettl WuW 2018, 114 (117); Lettl WuW 2018, 114 (117); Siegert BB 2018, 1748; Siegert BB 2018, 131 (136): die vom EuGH befürwortete Möglichkeit der Überwachung, ob die Waren in einer Umgebung verkauft würden, die den mit den Händlern

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oder reine Luxusgüter1659 bzw. um keine mechanischen bzw. technischen oder langlebigen Produkte handelt.1660 Es sei nicht einzusehen, warum nur bei Premiumprodukten ein Markenwert durch Einrichtung eines qualitativ-selektiven Vertriebssystems verteidigt werden könne.1661 Nach aA soll der Begriff der Luxusware kartellrechtlich eng definiert werden. Dies sei notwendig, weil der Begriff der Luxusware im selektiven Vertrieb infolge der Metro-Kriterien eine Tatbestandsrestriktion des Art. 101 AEUV bzw. des § 1 GWB herbeiführt.1662 Kein Selektivsystem dürfte jedoch bei wenig entwickelten Konsum- oder Verbrauchsgütern1663 zulässig sein, angeblich z. B. nicht für die Marke Adidas.1664 Im Bereich der gehobenen Depotkosmetik sollen sämtliche Hersteller ihre Produkte durch selektive Vertriebssysteme vertreiben, und zwar mittels eines Mustervertrages, der dem EU-Standard entspricht.1665 Man könnte darüber nachdenken, ob der Schutz des Luxusimages ein kartellrechtlich 211 relevantes Ziel sein kann. Letztlich dient das Kartellrecht dem Ziel, den Wettbewerb zu fördern und günstige Preise zu sichern. Solange es hinreichende Ausweichmöglichkeiten für den Verbraucher gibt, könnte der Selektivvertrieb gleichwohl als legitim angesehen werden. Denn er garantiert die Vielfalt des Angebots (Entstehung von Luxusmarken) und damit den Wettbewerb.1666

(d) Produkte, bei denen die Zulässigkeit eines selektiven Vertriebssystems diskutiert 212 wird. Bejaht wird die Zulässigkeit selektiver Vertriebssysteme zumindest für folgende Produkte, wobei es immer auf den Einzelfall ankommt: hochwertige, technisch anspruchsvolle Produkte, Dienstleistungen und Erzeugnisse1667 (Unterhaltungselektronik, PC, Kfz1668 [insbes. Sportwagen1669], Kfz-Ersatzteile1670), bei denen ein besonderer Bedarf des Kunden an Beratung und

vereinbarten Qualitätsanforderungen entsprächen, ließe sich auf Markenartikel übertragen. Das gleiche gelte für das Argument eines wertigen Kauferlebnisses; Linsmeier/Haag WuW 2018, 54 (57); Klauß/Dos Santos Goncalves NJW 2018, 285; Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Metzlaff/Schaper ZVertriebsR 2018, 1 (3); Abel BB 2017, 3025; aA Schröder WRP 2018, 272 (278); Kumkar ZWeR 2018, 119 (138 f.; Rohrßen DB 2018, 300 (303): nicht erforderlich, weil die Qualität der Beratung auch anderweitig sichergestellt werden könne. Jedoch sei eine Freistellung nach Art. 4 lit. b GVO 330/10 zulässig). Zu Unrecht geht allerdings Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (281) davon aus, bereits „Coty“ betreffe keine Luxuswaren. 1659 OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 45; Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1048); Siegert BB 2018, 1748; Lettl WuW 2018, 114 (117); Linsmeier/Haag WuW 2018, 54 (57); Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Abel BB 2017, 3025. 1660 OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 45. 1661 Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1048). 1662 Mey WuW 2019, 83 (85). 1663 Kommission, Entsch. v. 20.12.1984, ABl. 1985 Nr. L 19/17, Rn 15 – Grohe; Calliess/Ruffert/Weiß EUV/AEUV,4 2011, AEUV Art. 101 Rn 208; Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (595). 1664 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (64). 1665 Haslinger WRP 2007, 926. 1666 Emde ZVertriebsR 2019, 69 (73). 1667 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 84/14 (Kart), ZVertriebsR 2016, 123 = NZKart 2016, 84 (86) m. zust. Anm. Kuntze-Kaufhold EWiR 2016, 221 sowie krit. Anm. Kumkar NZKart 2016, 121- Funktionsrucksäcke; LG Frankfurt/ M., Urt. v. 18.6.2014 – 2-03 O 158/13, ZVertriebsR 2014, 311 = WuW DE-R 4409; Fesenmair GRUR-Prax 2013, 283 (284). 1668 LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 76; Rohrßen DB 2018, 300 (305); Böni WuW 2013, 479; aA Niebling MDR 2018, 712 (717). 1669 Mey WuW 2019, 83 (85). 1670 Tz. 43 LL Kfz-GVO; Wegner BB 2010, 1867 (1868) – die darauf hinweist, die unter der Alt-GVO 1400/02 gefassten Verträge könnten deshalb fortgeführt werden. 153

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Kundendienst besteht,1671 andere hochwertige Waren,1672 Designermöbel,1673 (mehrere tausend Euro teure1674) Uhren,1675 Schmuck, Luxusparfüms,1676 Luxuskosmetika,1677 hochwertige Gesichts- und Körperpflegeprodukte,1678 Make-up,1679 Haarpflegeprodukte,1680 Feinkeramik, Tafelgeschirr,1681 Schulranzen der Marke Scout,1682 Yachten,1683 Nahrungsergänzungsmittel, sofern die Waren von hoher Qualität sind und der Vertrieb auf begleitende Beratungs- und Betreuungsleistungen für den Kunden ausgerichtet ist, mit denen das Ziel verfolgt wird, dem Kunden ein anspruchsvolles, qualitativ hochwertiges und höherpreisiges Endprodukt zu verdeutlichen und ein besonderes Produktimage aufzubauen,1684 angeblich Produkte der Marken Burberry1685 und Boss,1686 mglw. auch Presseerzeugnisse.1687 Bei diesen Produkten soll nur der Vertrieb über sorgfältig ausgewählte Wiederverkäufer 213 bzw. Einzelhandelsgeschäfte1688 Qualität, Beratung und richtigen Gebrauch gewährleisten.1689 1671 OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 84/14 (Kart), ZVertriebsR 2016, 123 = NZKart 2016, 84 (86) m. zust. Anm. Kuntze-Kaufhold EWiR 2016, 221 sowie krit. Anm. Kumkar NZKart 2016, 121- Funktionsrucksäcke: Es sei nicht ersichtlich, wie der Beratungsbedarf bei einem Vertrieb über Amazon befriedigt werden könne. 1672 Vgl Lettl WRP 2010, 807 (821); Haslinger WRP 2009, 279. 1673 Mey WuW 2019, 83 (85). 1674 Lettl WuW 2018, 114 (118). 1675 OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (417); Lettl WRP 2010, 807 (821). 1676 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, WuW 2018, 424 = EWiR 2018, 541 (Kuntze-Kaufhold) zum Markenrecht; Nolte BB 2017, 1987 (1989). 1677 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, WuW 2018, 578; OLG Hamburg, Urt. v. 21.6.2018 – 3 U 151/ 17, ZIP 2018, 2503; Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09; Mey WuW 2019, 83 (84); Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1045). 1678 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, WuW 2018, 424 = EWiR 2018, 541 (Kuntze-Kaufhold) zum Markenrecht; Mey WuW 2019, 83 (84). 1679 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, WuW 2018, 424 = EWiR 2018, 541 (Kuntze-Kaufhold) zum Markenrecht. 1680 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, WuW 2018, 424 = EWiR 2018, 541 (Kuntze-Kaufhold) zum Markenrecht. 1681 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 84/14 (Kart), ZVertriebsR 2016, 123 = NZKart 2016, 84 (86) m. zust. Anm. Kuntze-Kaufhold EWiR 2016, 221 sowie krit. Anm. Kumkar NZKart 2016, 121- Funktionsrucksäcke mit der Begründung, es handele sich um mehrere hundert Rucksack-Modelle in unterschiedlichen Gestaltungsformen, Größen und technischen Ausstattungen für unterschiedliche Anwendungsbereiche; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (417); Nolte BB 2017, 1987 (1989): Lettl WRP 2010, 807 (821). 1682 OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789; LG Berlin, Urt. v. 24.7.2007 – 16 U 412/07 (Kart), K & R 2008, 321; LG Mannheim, Urt. v. 14.3.2008 – 7 U 263/07 (Kart), WuW 2008, 856 DE-R 2322 = K & R 2008, 388; Nolte BB 2017, 1987 (1989); Dieselhorst/Luhn WRP 2008, 1306 (1308); Pautke/ Schultze BB 2009, 1383; krit. Haslinger WRP 2009, 279 (281); zweifelnd auch LG Berlin, Urt. v. 21.4.2009 – 16 O 729/ 07, BB 2009, 1381 (1382); offen gelassen von KG, Urt. v. 19.9.2013 – 2 U 8/09, BB 2013, 2768 m. Anm. Kiani = WRP 2013, 1517 = ZVertriebsR 2014, 104 – Scout/EBay-Verkauf, unter eingehender Diskussion. 1683 Mey WuW 2019, 83 (84); Lettl WuW 2018, 114 (118). 1684 OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller). 1685 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (64). 1686 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (64). 1687 OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (417); Lettl WRP 2010, 807 (821); Nolte BB 2017, 1987 (1989); Westphal II Rn 426. 1688 OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (417). 1689 EuGH Slg. 1983, 3151, Rn 33 – AEG-Telefunken. Emde

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Letztlich dürfte es auf die Art des Produktes und seine Exklusivität weniger ankommen.1690 Art. 101 Abs. 1 AEUV ist nach Ansicht des EuGH dann verletzt, wenn über die einfache Fachhandelsbindung hinaus, die durch die Absatzbeschränkung auf Händler mit fachlich qualifizierten Personal und geeigneter Sachausstattung sowie damit eng verbundenen Kriterien gekennzeichnet ist,1691 der Hersteller die Händler an zusätzliche wettbewerbsbeschränkende und, wie man ergänzen mag, vertrags- und systemuntypische Verpflichtungen bindet. Zu nennen sind etwa Mindestumsätze, Wettbewerbsverbote, Alleinbezugsbindungen, Paralleleinfuhrverbote, Preisbindungen und ähnlich wirkende Maßnahmen.1692 Nach Tz 69 LL Kfz-GVO 461/10 gilt das Gleiche, wenn die gesetzliche oder erweiterte Gewährleistungspflicht des Kfz-Herstellers davon abhängig ist, dass der Endverbraucher nicht unter die Gewährleistung fallende Instandsetzungsund Wartungsdienste nur innerhalb des Netzes zugelassener Werkstätten des Herstellers ausführen lässt. In diesen Fällen ist das Vertriebssystem nur nach einer Einzelfreistellung durch die Kommission zulässig.1693

(3) Internetvertrieb im selektiven Vertriebssystem. Aus distributionspolitischen Gründen 214 wünschen Hersteller gerade in selektiven Vertriebssystemen oft die prestigeträchtige Aura des stationären Vertriebs mit persönlichem Kundenkontakt, die dabei gegebenen Beratungsmöglichkeiten und die „Erfahrbarkeit des physischen Kontakts“.1694 Oft verfügen stationäre Verkaufsstätten deshalb über keinen supplementären Internet-Vertrieb.1695 Sofern keine Freistellung nach der GVO 330/10 möglich ist (siehe dazu die Kommentierung zu Art. 4 lit. b, c GVO 330/10), sind die Wettbewerbsbeschränkungen nur dann unbedenklich, wenn das System bereits tatbestandlich nicht gegen Art. 101 AEUV verstößt.1696 Insoweit stellt sich die Frage der Grenze zwischen zulässigen qualitativen Anforderungen1697 und kartellrechtswidriger Beschränkung.1698 Ob im selektiven Vertrieb das vollständige Verbot oder die Beschränkung des Internetvertriebs, insb. – ein „Minus“ im Vergleich zum Totalverbot des Internetvertriebs1699 – die Untersagung des Vertriebs über Plattformen wie Amazon und EBay, tatbestandlich eine Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 AEUV, § 1 GWB bildet, wird diskutiert.1700 Dazu näher

1690 Die LL Tz 54 sprechen nur von „Waren“; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (417); Ruess/Slopek WRP 2009, 1021 (1026); Rösner WRP 2010, 1114 (1115); tendenziell auch Lettl WRP 2010, 807 (821). 1691 Siehe auch LG Frankfurt/M., Urt. v. 18.6.2014 – 2-03 O 158/13, ZVertriebsR 2014, 311 = WuW DE-R 4409. 1692 Grundlegend EuGH, Slg. 1980, 3775 (3791) Rn 16. 1693 Mäsch ZIP 1999, 1507 (1510). 1694 Kritisch gegenüber diesen Zielen Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (593 ff.); Rösner WRP 2010, 1114 (1117). Zum Internetvertrieb in Selektivsystemen Emde ZVertriebsR 2019, 69 (74 ff.). 1695 Haslinger WRP 2009, 279 (282). 1696 Rösner WRP 2010, 1114 (1118). 1697 Qualitätsvorgaben sind nach wohl allg. Meinung zulässig, s. Rohrßen ZVertriebsR 2017, 274 (275). 1698 Spenner/Kiani NZKart 2016, 208. 1699 Vgl. Generalanwalt beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold); OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 = EWiR 2016, 515 (Kuntze-Kaufhold) – zu diesem Beschl. Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278. 1700 Hierzu Spenner/Kiani NZKart 2016, 208; Franck WuW 2010, 772 ff. Für die kartellrechtliche Zulässigkeit: EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty – dazu näher unten; OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) (jedenfalls im konkreten Fall); Dieselhorst/Luhn WRP 2008, 1306 (1309); Haslinger WRP 2009, 279 (282); Immenga BB 2009, 2561; Rheinländer WRP 2005, 285 (287); Bergmann ZWeR 2004, 28 (39 f.); Bauer WRP 2003, 243 (247). Für die Unzulässigkeit und einen Kartellverstoß, der allerdings freigestellt sein kann: Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 =, WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (417); OLG München, Urt. v. 2.7.2009 U (K) 4842/08, EWiR 2010, 361 155

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unten, ddd). Teilweise wird ein – vorrangig zu prüfender1701 – Wettbewerbsverstoß nach Art. 101 AEUV, § 1 GWB abgelehnt.1702 Z. T. wird sogar die Zulässigkeit eines Totalverbots des Internethandels befürwortet.1703 Hielte man den Verbotsbereich des Art. 101 AEUV für berührt, was eine bedeutende Meinungsgruppe jedenfalls für das vollständige Internetvertriebsverbot zu Recht annimmt1704 (Grenzfall: Qualitätsanforderungen), stellt sich auf nächster Stufe die Frage einer Freistellung nach Art. 4 GVO 330/10.1705 Dazu unten bei Art. 4 lit. b und c GVO, dort auch zu den im Selektivvertrieb zulässigen Qualitätsanforderungen. Scheidet eine Freistellung nach Art. 4 GVO 330/10 aus, kann die Vereinbarung nur nach § 2 GWB, Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt sein, wobei im Falle einer Kernbeschränkung regelmäßig keine Rechtfertigung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV in Frage kommen dürfte.1706 Es spricht einiges dafür, dass sich die mit einem Verbot des Internetvertriebs verbundene Dämpfung des markeninternen Preiswettbewerbs, sollte sie einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV darstellen, nicht mit überwiegenden Effizienzurteilen im Rahmen einer Einzelfreistellung rechtfertigen lässt.1707 Jedenfalls könnte ein pauschaler Ausschluss des Internetvertriebs nach Maßgabe des § 2 GWB, Art. 101 Abs. 3 AEUV nur freigestellt werden, sofern es kein ebenso geeignetes, weniger wettbewerbsbeschränkendes Mittel gibt.1708 Dass größere Händler durch Zahlungen in der Lage sein können, bessere Such-

(Kuntze-Kaufhold) m. Anm. Immenga BB 2009, 2561; LG Berlin, Urt. v. 21.4.2009 – 16 O 729/07, BB 2009, 1381 (1382): der Verkauf über EBay stellt keine Verbindung zu einer bestimmten Produkteigenschaft auf; Lohse WuW 2014, 120 (125 f.) – schon fraglich, ob Vertrieb über die Internet-Plattformen das Produktimage schädigt und dieser Schutz Beschränkungen rechtfertigt; Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2270). Zum nicht selektiven Vertrieb LG Kiel, Urt. v. 8.11.2013 – 14 O 44/13, ZVertriebsR 2014, 178 = WRP 2014, 252 = EWiR 2014, 337 (Engelhoeven/Semder); Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (598 f.). Zu § 1 GWB KG, Urt. v. 19.9.2013 – 2 U 8/09, BB 2013, 2768 m. Anm. Kiani = WRP 2013, 1517 = ZVertriebsR 2014, 104 Rn 33 ff. Scout/EBay-Verkauf, das die Frage des Verstoßes offen lässt, den Meinungsstreit aber recht umfassend darstellt. 1701 Spenner/Kiani NZKart 2016, 208. 1702 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty – dazu unten; OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert Rn 45; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 84/14 (Kart), ZVertriebsR 2016, 123 = NZKart 2016, 84 m. zust. Anm. Kuntze-Kaufhold EWiR 2016, 221 sowie krit. Anm. Kumkar NZKart 2016, 121 – Funktionsrucksäcke (§ 1 GWB); OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789; LG Kiel, Urt. v. 8.11.2013, BeckRS 2013, 19630 (dort wurde wegen Lieferungen des Herstellers an Großkunden und den Großhandel, der an nicht autorisierte Händler weiterlieferte, ein Recht zum Verbot des Verkaufs über Internetplattformen abgelehnt); Franck WuW 2010, 772 [774]); Wiring MMR 2010, 659; Rösner WRP 2010, 1114 (1124); Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2272); Immenga BB 2009, 2561: Beim selektiven Vertrieb hochwertiger Markenprodukten fehle i. d. R. schon TB-mäßig eine Wettbewerbsbeschränkung. Beim Vertrieb anderer, minderwertiger Produkte sei der Ausschluss des Vertriebs über Auktionsplattformen durch die GVO freigestellt, sofern die Marktanteilschwelle nicht überschritten werde. In anderen Fällen liege die Annahme einer Wettbewerbsbeschränkung nahe. 1703 Für die Zulässigkeit eines Totalverbotes: Rheinländer WRP 2005, 285 (287); Bergmann ZWeR 2004, 28 (39 f.); Bauer WRP 2003, 243 (247); unter bestimmten Voraussetzungen auch Rösner WRP 2010, 1114 (1118). 1704 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, WuW/E EU-R 2163 = WuW 2012, 93 Rn 47 – Pierre Fabre; OLG Frankfurt/ M., Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold); Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (283); Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1045); Lettl WuW 2018, 114 (119); Rohrßen ZVertriebsR 2017, 274 (275); Linsmeier/Haag WuW 2018, 54; Seeliger/de Crozals DB 2017, 351 (352); Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (211); Seeliger/Klauß GWR 2010, 303635 = GWR 2010, 233; Haslinger WRP 2009, 279 (280). Überwiegend wird dies für das Totalverbot zur Sicherung des Luxusimages diskutiert. Dasselbe dürfte aber für andere Einschränkungen gelten, sofern sie nicht durch die Sicherheit des Produktes erzwungen werden. 1705 Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (211). 1706 Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (211). 1707 LG Frankfurt/M., Urt. v. 31.7.2014 – 2-03 O 128/13, WuW 2015, 417 = DE-R 4595; v. 18.6.2014 – 2-03 O 158/13, ZVertriebsR 2014, 311= NZKart 2015, 243 m. Anm. Telle NZKart 2015, 229; Metzlaff/Schaper ZVertriebsR 2018, 1 (7). 1708 LG Frankfurt/M. Urt. v. 31.7.2014 – 2-03 O 128/13, WuW 2015, 417 = DE-R 4595 = NZKart 2015, 243 m. Anm. Telle NZKart 2015, 229. Emde

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maschinenplatzierungen zu erreichen als kleinere, soll keiner Beschränkung des Verkaufs kleinerer Händler gleichgestellt werden können.1709 Stellungnahme: Der Internetvertrieb darf im selektiven Vertriebssystem (und wohl auch 215 außerhalb eines solchen Systems1710) eingeschränkt werden (Tz 54 LL), jedoch nur innerhalb bestimmter Grenzen.1711 Die Auswahl des Marktes obliegt zwar dem Unternehmer.1712 Das generelle Verbot des Internetvertriebs gegenüber Händlern des selektiven Vertriebssystems ist – außer in extremen Ausnahmefällen1713 – gleichwohl kartellrechtlich unzulässig (s. o.), ebenso das Verbot, ein bestimmtes Segment der autorisierten Produkte über das Internet zu vertreiben.1714 Eine Fachhandelsbindung und Rahmenbedingungen für einen Internetverkauf1715 stellen zulässige, qualitative Kriterien für den Verkauf dar.1716 Die vorgenannten Grundsätze gelten nach Wegfall der Kfz-GVO 1400/02 auch im Kfz-Vertrieb.1717 Leitentscheidung zum Internetvertrieb ist das „Coty-Urteil“ des EuGH v. 6.12.2017.1718 Unmit- 216 telbar betrifft es nur Luxuskosmetika und Beschränkungen, die den Online-Verkauf über für den Verbraucher erkennbar in Erscheinung tretende Drittplattformen verbieten. Das Urteil lässt eine gewisse Großzügigkeit im Hinblick auf Einschränkungen des (Internet-)Vertriebs in Selektivsystemen erkennen. Der EuGH urteilte, die Qualität von Luxuswaren beruhe nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleihe.1719 Diese Ausstrahlung sei ein wesentliches Element dafür, dass die Verbraucher sie von anderen ähnlichen Produkten unterscheiden könne. Eine Schädigung dieser Ausstrahlung könne die Qualität der Waren beeinträchtigen.1720 Ein selektives Vertriebssystems erlaube diese Qualität zu wahren und ihren richtigen Gebrauch zu gewährleisten.1721 Verkaufsstellen, die den Wert der Güter angemessen zur Geltung brächten, seien geeignet, zum Ansehen

1709 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (239) = EWiR 2016, 513 (KuntzeKaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. auch Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278.

1710 Rohrßen DB 2018, 300 (302) für Plattformverbote. 1711 BGH, Urt. v. 4.11.2003 – KZR 2/02, MMR 2004, 536; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789; zust. Ruess/Slopek WRP 2009, 1021 (1023); Emde ZVertriebsR 2019, 69 (75); Nolte BB 2014, 1155 (1159 ff.); überschritten nach Ansicht des LG Berlin, Urt. v. 21.4.2009 – 16 O 729/07, BB 2009, 1381 etwa im dortigen Fall. Kritisch zu Beschränkungen des Internet-Vertrieb und zur Herleitung aud Tz 54 LL Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (597). 1712 OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (417). 1713 Lettl WRP 2010, 807 (820). 1714 Haslinger WRP 2009, 279 (284). 1715 Lettl WRP 2010, 807 (818) mit Beispielen. 1716 LG Mannheim, Urt. v. 14.3.2008 – 7 O 263/07, WuW 2008, 856 DE-R 2322; hierzu Haslinger WRP 2009, 279. 1717 Niebling WRP 2010, 81 (83). 1718 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty. Dazu GA beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold); Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1045); Lettl WuW 2018, 114; Brömmelmeyer NZKart 2018, 62; Rohrßen ZVertriebsR 2017, 274; Linsmeier/Haag WuW 2018, 54; Siegert BB 2018, 131; Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Abel BB 2017, 3025. 1719 Ähnlich OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, WuW 2018, 424 = EWiR 2018, 541 (Kuntze-Kaufhold) zum Markenrecht. 1720 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 25; ebenso Generalanwalt beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, EWiR 2016, 513 (KuntzeKaufhold); OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, WuW 2018, 424 = EWiR 2018, 541 (Kuntze-Kaufhold) zum Markenrecht; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (237) = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) (zu diesem Vorlagebeschl. auch Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278); Nolte BB 2017, 1987 (1989) – „Flohmarktimage“. 1721 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 26. 157

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der Ware und zur Wahrung ihrer luxuriösen Ausstrahlung beizutragen.1722 Das Urteil Pierre Fabre stände dem nicht entgegen.1723 Die dortigen Ausführungen des EuGH seien im Kontext des Urteils zu sehen und auszulegen. In dem seinerzeitigen Fall sei es nicht um die Zulässigkeit eines selektiven Vertriebssystem als Ganzem gegangen, sondern nur um die den autorisierten Händlern im Rahmen eines solchen Systems auferlegte Vertragsklausel, die ein pauschales Verbot enthielt, Vertragswaren im Internet zu verkaufen. Es habe sich auch nicht um Luxuswaren gehandelt, sondern um Kosmetika und Körperpflegeprodukte.1724 Der EuGH habe dem vorlegenden Gericht nur Auslegungskriterien an die Hand geben wollen, um ihm die Entscheidung zu ermöglichen, ob die aus der Vertragsklausel resultierende Wettbewerbsbeschränkung durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt war und auf verhältnismäßige Weise erfolgte.1725 Die dortigen Erwägungen, denen zufolge der Prestigecharakter der betreffenden Kosmetika und Körperpflegeprodukte nicht berechtigte, ein pauschales Verbot des Verkaufs im Internet zu rechtfertigen, hätten sich damit lediglich auf diese Waren und auf die konkrete Vertragsklausel bezogen.1726 Eine Vertragsklausel, die es autorisierten Händlern eines selektiven Vertriebssystems für Luxuswaren verbiete, beim Verkauf der Vertragswaren im Internet nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten sei zulässig, sofern sie die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein selektives Vertriebssystem erfülle.1727 Sie sei geeignet, die Qualität des Luxusimage der Waren sicherzustellen1728 und erlaube dem Hersteller zu überprüfen, ob seine Waren im Internet in einer Umgebung verkauft würden, die den Qualitätsanforderungen entsprächen.1729 Die Klausel verbiete den Händlern auch nicht pauschal, die Vertragswaren im Internet zu verkaufen. Es sei lediglich der Online-Verkauf der Vertragswaren über Drittplattformen, die für den Verbraucher erkennbar in Erscheinung treten, verboten. Die Vertragswaren dürften also über eine eigene Website des Händlers als auch über nicht autorisierte Drittplattformen vertrieben werden, sofern deren Einschaltung für den Verbraucher nicht erkennbar sei.1730 Es obliegt dem das Verbot 1722 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 27. Ähnlich OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, WuW 2018, 424 zum Markenrecht; OLG Frankfurt/ M., Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (237) = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold): Das Interesse des Verbrauchers an einem „Luxus-Produkt“ werde umso geringer werden, je weniger es aufgrund massenhafter und günstiger Verfügbarkeit noch ein Luxus-Image aufweise. Zweifelnd Schweda NZKart 2017, 585 (586): Der Vertrieb über eine Plattform sei nicht per se für Markenprodukte imageschädlich. 1723 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 30 ff. Eingehend hierzu auch GA beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) Rn 75 ff. Die Distanzierung von diesem Urteil scheint wenig geglückt. 1724 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 32. Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (64) weist darauf hin, dass diese Abgrenzung zum früheren Urteil missglückt sei, da auch Coty Luxuskosmetika vertreibe. Diese Passage des Urteils sei daher nicht ernst zu nehmen. In die gleiche Richtung Linsmeier/Haag WuW 2018, 54 (56). Letztlich wird wohl darauf hingewiesen, dass Pierre Fabre einen Einzelfall betraf (Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1045)). 1725 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 33; so auch OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 84/14 (Kart), ZVertriebsR 2016, 123 = NZKart 2016, 84 (87) m. zust. Anm. Kuntze-Kaufhold EWiR 2016, 221 sowie krit. Anm. Kumkar NZKart 2016, 121. Zu dem scheinbaren Widerspruch zwischen den Entscheidungen Rahlmeyer ZVertriebsR 2012, 59. 1726 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 34. Siehe auch GA beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) Rn 75 ff. 1727 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 37 ff.; aA Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (66). 1728 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 46, 51. 1729 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 47. 1730 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty Rn 52, 53. Emde

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verwendenden Hersteller, vorzutragen, dass die qualitativen Kriterien auf Handelsplattformen wie Amazon oder ebay nicht umgesetzt werden könnten.1731 Mildernd wirkte also, dass der Unternehmer seinen Mittlern eine Bewerbung im Internet 217 und die Verwendung von Suchmaschinen gestattete. Denn jeder Kunde, der ein Produkt der gegenständlichen Art im Internet sucht, wird unter Zuhilfenahme von Suchmaschinen auf die Webseiten der Mittler stoßen.1732 Das Verbot eines Selektivvertrages, bei Vertrieb der Vertragsprodukte im Internet nach außen erkennbar Dritte (Verkaufsplattformen) ist daher zumindest zulässig, wenn der Hersteller gleichzeitig die Nutzung von Suchmaschinen/Preisvergleichsseiten zulässt.1733 Die Aussagen des Urteils dürften sich insb. auf Franchiseverträge übertragen lassen,1734 unabhängig von der Frage, ob es sich bei Franchising um einen selektiven Vertrieb handelt. Trotz des Coty-Urteils und den nachfolgenden Judikaten spricht viel dafür, dass ein gene- 218 relles Verbot der Bewerbung im Internet1735 und auch ein generelles Drittplattform- bzw. Drittkennzeichnungsverbot selbst bei Luxusprodukten unverhältnismäßig und unzulässig sein dürfte,1736 auch im Franchisevertrieb.1737 Denn es würde unabhängig davon gelten, ob legitime Qualitätsanforderungen des Herstellers verfehlt werden.1738 Dafür spricht auch der Verweis des Coty-Urteils auf das Pierre Fabre-Urteil des EuGH.1739 Außerhalb des Totalverbotes ist zu differenzieren: Ein Verbot des Verkaufs über eine Drittplattform, die Produkte aller Art und Güteklassen anbietet, kann zur Sicherstellung des Luxusimages erforderlich sein. Denn auf der Plattform bleibt die Sonderstellung des Produkts nicht hinreichend erkennbar. Ein Verkaufsverbot über eine Drittplattform, die das Luxusimage eines Produkts wahrt oder gar hervorhebt, ist indessen zur Sicherstellung des Luxusimage des Produkts meist ungeeignet.1740 An das Urteil des EuGH schließt sich der Streit an, ob es nur Bedeutung für echte Presti- 219 geprodukte hat oder auch für andere qualitativ hochwertige Produkte, etwa Markenware1741

1731 AA OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 53.

1732 Darauf weist auch das OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (239) = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) hin. Nach Ansicht von Laitenberger/Kaiser (NZKart 2018, 329 (330)) kann eine den Internetverkauf erschwerende Klausel auch freigestellt sein, wenn dem betroffenen Händler andere Möglichkeiten des Verkaufs (etwa über den eigenen Online-Shop) oder der Werbung über das Internet (etwa über Preisvergleichsportale) nicht offen standen. 1733 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, WuW 2018, 578 – Luxuskosmetika. 1734 Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (306). 1735 Siehe Linsmeier/Haag WuW 2018, 54. 1736 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (283); Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1045); Lettl WuW 2018, 114 (119); Linsmeier/Haag WuW 2018, 54. 1737 Rohrßen DB 2018, 300 (304). 1738 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (237) = EWiR 2016, 513 (KuntzeKaufhold). 1739 Siehe Linsmeier/Haag WuW 2018, 54. 1740 Lettl WuW 2018, 114 (119). 1741 Für die Anwendung auch auf andere qualitativ hochwertige Produkte, etwa hochwertige Markenprodukte OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller); GA Wahl Schlussantrag v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 (325) Rn 92; Pautke/ Schultze WuW 2019, 2 (9); Mey WuW 2019, 83 (85) – sofern die Markenartikel ein Luxusimage aufweisen; Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (64); Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (278); Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1048); Lettl WuW 2018, 114 (117); Siegert BB 2018, 1748; 131 (136): die vom EuGH befürwortete Möglichkeit der Überwachung, ob die Waren in einer Umgebung verkauft würden, die den mit den Händlern vereinbarten Qualitätsanforderungen entsprächen, ließe sich auf Markenartikel übertragen. Das gleiche gelte für das Argument eines wertigen Kauferlebnisses; Linsmeier/Haag WuW 2018, 54 (57); Klauß/Dos Santos Goncalves NJW 2018, 285; Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Metzlaff/Schaper ZVertriebsR 2018, 1 (3); Abel BB 2017, 3025; aA Schröder WRP 2018, 272 (278); Kumkar ZWeR 2018, 159

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(dazu bereits oben zu Luxusprodukten). In älteren Urteilen wird sogar das Bestreben, für den Fachgroß- und Einzelhandel ein gewisses Preisniveau aufrecht zu erhalten, als legitimer Zweck des Selektivvertriebs anerkannt.1742 Es steht zu erwarten, dass die Rspr. die Zulässigkeit selektiver Vertriebssysteme und die Aussagen der Coty-Entscheidung mehr und mehr in Richtung auf andere hochwertige Produkte und sogar bis in den Bereich der üblichen Markenprodukte ausweiten wird. Bei Luxuswaren sind Wettbewerbsverbote aber in besonderem Maße und eher erforderlich als bei sonstigen Markenartikeln.1743 Wahrscheinlich werden die Gerichte wie bisher ihre Entscheidungen „doppelt“ begründen: Einmal mit dem Eingreifen der Metro-Kriterien für ein selektives Vertriebssystem. Und des Weiteren mit einer Freistellung nach der GVO 330/10. In einem qualitativ-selektiven Vertriebssystem für den Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika, auch wenn es sich nicht um technisch hochwertige Waren und/oder Luxusgüter handelt, die Waren jedoch von hoher Qualität sind und der Vertrieb auf begleitende Beratungsund Betreuungsleistungen für den Kunden ausgerichtet ist, dürfte es folglich zulässig sein, den Vertriebspartnern den Vertrieb über Onlineverkaufsplattformen zu untersagen, um das Produktimage und die Praxis einer kundenbindenden Beratung zu wahren und um festgestellten und konsequent verfolgten produkt- und imageschädigenden Geschäftspraktiken einzelner Vertriebspartner vorzubeugen.1744 Es obliegt dem das Verbot verwendenden Hersteller, vorzutragen, wie die qualitativen Kriterien auf Handelsplattformen wie Amazon oder ebay umgesetzt werden könnten.1745

220 (4) Beispiele zulässiger und unzulässiger Selektionsmerkmale. Die Vereinbarung qualitativer Selektionskriterien ist unproblematisch, sofern sie sich auf die fachliche Eignung des Händlers, seines Personals, seine sachliche Ausstattung, die Lage, Präsentation der Ware, Markenumfeld sowie Sortimentsbreite beziehen.1746 Jedes Kriterium muss durch den Charakter der Vertragswaren und das vom Hersteller verfolgte Vertriebskonzept i. S. d. „Metro-Kriterien“ gerechtfertigt sein1747 (s. o.). Dies bedeutet im Detail und je nach den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls: Generell unzulässige Einschränkungen bilden: 221 – Die Forderung, eine Kommunikationsanbindung mit dem Hersteller in einer genau vorgeschriebenen Weise einzurichten, sofern der Händler das gleiche Ergebnis auf andere, günstigere oder flexiblere Weise erreichen kann.1748 Der Hersteller ist hinsichtlich der Schnittstelleninformationen marktbeherrschend, so dass auch die Voraussetzungen des Missbrauchs gemäß Art. 102 AEUV, §§ 19, 20 GWB vorliegen können,1749 – Regelungen, die von jeder Werkstatt in jedem Fall das körperliche Vorhalten von Werkzeugen oder Ersatzteilen fordern, selbst wenn sie von einer anderen Werkstatt zeitnah herbeigebracht werden können,1750

119 (138 f.; Rohrßen DB 2018, 300 (303): nicht erforderlich, weil die Qualität der Beratung auch anderweitig sichergestellt werden könne. Jedoch sei eine Freistellung nach Art. 4 lit. b GVO 330/10 zulässig). Zu Unrecht geht allerdings Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (281) davon aus, bereits „Coty“ betreffe keine Luxuswaren. 1742 EuGH, Urt. v. 25.10.1977 – 26/76 – Metro, Slg. 1977, 01875 Rn 21; Urt. v. 25.10.1983 – 107/82 – AEG, Slg. 1983, 0315 Rn 40. 1743 Metzlaff/Schaper ZVertriebsR 2018, 1 (3). 1744 OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16 = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller). 1745 AA OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 53. 1746 EuGH NJW 1978, 480; Haslinger WRP 2009, 279. 1747 Westphal II Rn 427. 1748 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2005, 1749 (1753) zur alten Kfz-GVO 1400/02. 1749 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2005, 1749 (1754). 1750 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (623). Emde

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Bestimmungen, nach denen die Produkte in Räumlichkeiten und in Anwesenheit eines Pharmakologen verkauft werden müssen, sofern es sich bei den Produkten um Kosmetika und Körperpflegeprodukte handelt.1751 Diese Einschränkung ist nicht erforderlich (denkbar wäre etwa eine Online-Beratung1752), – Beschränkungen der Teilnahme an Preissuch- und Preisvergleichsportalen,1753 insb. das pauschale Verbot der Unterstützung von Preisvergleichsmaschinen,1754 – angeblich Verpflichtungen bezüglich Umsatz, Mindestabnahme und Lagerhaltung für ein auf Qualität ausgerichtetes selektives Vertriebssystem,1755 – Anforderungen, die für einen fachgerechten Verkauf nicht erforderlich sind, etwa im Internetvertrieb,1756 – Kernbeschränkungen, etwa eine Preisbindung,1757 222 Generell zulässige Beschränkungen sollen etwa bilden: – Nach dem Coty-Urteil1758 ist davon auszugehen, dass Einschränkungen, die dazu dienen, den „Prestige-Charakter“ des betreffenden Produkts zu schützen, zulässig sind. Voraussetzung ist, dass die o. g. Kriterien für Luxusprodukte sowie die allgemeinen TB-Elemente eines selektiven Vertriebssystems, insb. Geeignetheit und Erforderlichkeit, erfüllt sind.1759 1751 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener, RIW 2012, 35 = ZVertriebsR 2012, 55 m. Anm. Rahlmeyer Rn 47 – wenn eine individuelle und konkrete Prüfung des Inhalts und des Ziels dieser Vertragsklausel sowie des rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs, in dem sie steht, ergibt, dass diese Klausel in Anbetracht der Eigenschaften der in Rede stehenden Produkte nicht objektiv gerechtfertigt ist (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.); aA Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09, Rn 53. Anders wohl auch OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/ 16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 47 und beim Vertrieb von Kontaktlinsen, s. EuGH, Urt. v. 2.12.2010 – C-108/09, ZVertriebsR 2013, 170; BKartA, Beschl. v. 25.9.2009 – B 3 – 123/08, WuW DE-V 1813 = WuW 2010, 91. 1752 Rohrßen DB 2018, 300 (302). 1753 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 84/14 (Kart), ZVertriebsR 2016, 123 = NZKart 2016, 84 m. zust. Anm. Kuntze-Kaufhold EWiR 2016, 221 sowie krit. Anm. Kumkar NZKart 2016, 121; BKartA, Beschl. v. 26.8.2015 – B2-98/11, WuW 2016, 198, krit. zum BKartA Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (210). Ein Verbot ist auch außerhalb selektiver Vertriebssysteme unzulässig: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.4.2017 – VI-Kart 13/15 (V), WuW 2017, 406 = NZKart 2017, 316 Rn 53 ff. 1754 BGH, Beschl. v. 12.12.2017 – KVZ 41/17, ZVertriebsR 2018, 118 m. Anm. Rohrßen = NZKart 2018, 96 = WuW 2018, 139 – betraf kein selektives Vertriebssystem und keine Luxuswaren (vgl. Steger DB 2018, 1911); OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.4.2019 – VI-Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 503 (Selektivsystem) = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/ Schäfer NZKart 2019, 659; Beschl. v. 5.4.2017 – VI-Kart 13/15 (V), WuW 2017, 406 = NZKart 2017, 316 Rn 53; Fiedler/ Serafimova NZKart 2018, 252 ff.; aA Galle DB 2019, 288 (291). 1755 EuGH, 31/80, Slg. 1980, 3775 Rn 16 (L'Oréal/De nieuwe Amck); Calliess/Ruffert/Weiß EUV/AEUV,4 2011, AEUV Art. 101 Rn 212. 1756 LG Mannheim, Urt. v. 14.3.2008 – 7 O 263/07 Kart; hierzu Haslinger WRP 2009, 279 (281). 1757 LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 1335/15, WuW 2019, 49 (51); Rheinländer WRP 2007, 501 (502) m. w. N.; Rheinländer GRUR 2007, 383 (384). 1758 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty. 1759 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty; EuG, Urt. v. 12.12.1996 – T-19/92, GRUR lnt. 1998, 149 (155), Tz 144 ff.; zust. BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/96, ZIP 1998, 2070 (2072) „Aura des Luxus“; OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 – Luxuskosmetika; Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. und zur Zulässigkeit einer Beschränkung des Internetvertriebs wegen des Luxuscharakters zweifelnd Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278; Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1045); Lubberger WRP 2015, 14 (18); Wegner BB 2011, 2959; Oechsler LMK 2011, 325999; aA LG Frankfurt/M. Urt. v. 31.7.2014 – 2-03 O 128/13, WuW 2015, 417 = DE-R 4595 = NZKart 2015, 243 m. insow. Zust. Anm. Telle NZKart 2015, 229; v. 18.6.2014 – 2-03 O 158/13, ZVertriebsR 2014, 311 = WuW DE-R 4409; differenzierend EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener RIW 2012, 35 = 161

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Vorgaben, • zu kaufmännischen Anforderungen an den Betrieb,1760 • die die Auswahl der Wiederverkäufer an objektive Gesichtspunkte qualitativer Art knüpfen,1761 • die die fachliche Eignung des Wiederverkäufers und seines Personals betreffen,1762 insb. die erforderliche Beratung durch Fachkräfte,1763 das Vorhalten geschulten Personals und Geschäftsführer und die damit z. B. eine angemessene Lagerung, Ausstellung und Vorführung der Produkte gewährleisten,1764 • nach denen Kriterien an die Expertise eines Händlers, die Ausstattung der Verkaufsstelle sowie die angemessene Produktpräsentation gestellt werden,1765 • die die sachliche Ausstattung der Verkaufsstätte betreffen,1766 z. B. fordern, dass die Ware nur in einem branchenspezifischen, repräsentativen Warenumfeld angeboten werden darf,1767 wohl auch zur Sicherung des „Prestige-Charakters“,1768 • zum Vertrieb über stationäre Händler, d. h. Einzelfachgeschäfte,1769 • zum Ausschluss des Versandhandels,1770 • zur Übernahme der Kosten der Rückgabe eines Produkts,1771 • zur Verwendung sicherer Zahlungssysteme,1772 • zur schnellen Auslieferung an den Kunden,1773 • denen gemäß digitale Bezahlwege möglich sein sollen,1774 • zum Schutz der Identität und des Namens der Betriebsorganisation,1775

ZVertriebsR 2012, 55 m. Anm. Rahlmeyer (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 46. 1760 Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1761 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 380 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659. 1762 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 380 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659. 1763 OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert; Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (209); Haslinger WRP 2009, 279 (283). 1764 Westphal II Rn 428. 1765 Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (209). 1766 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 380 = EWiR 2019, 605 (Seifert). 1767 KG, Urt. v. 19.9.2013 – 2 U 8/09, BB 2013, 2768 m. Anm. Kiani = WRP 2013, 1517 = ZVertriebsR 2014, 104 Rn 33 ff. Scout/EBay-Verkauf; Kommission, ABl. 1977, L 30/10, 11 – Junghans; Nolte BB 2014, 1155 (1160); Rösner WRP 2010, 1114 (1115). 1768 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty; EuG, Urt. v. 12.12.1996 – T-19/92, GRUR lnt. 1998, 149 (155), Tz 144 ff.; zust. BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/96, ZIP 1998, 2070 (2072) „Aura des Luxus“; OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (581) – Luxuskosmetika; Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold); Oechsler LMK 2011, 325999. AA EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener, RIW 2012, 35 = ZVertriebsR 2012, 55 m. Anm. Rahlmeyer (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 46. 1769 OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (417). 1770 Kommission, ABl 1992, L 12/24; ABl. 1994, L 20/15; Rösner WRP 2010, 1114 (1116); Bergmann ZWeR 2004, 28 (34). 1771 Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1772 Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1773 Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1774 Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1775 Nolte BB 2014, 1155 (1160). Emde

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zum einheitlichen Erscheinungsbild sowie zur Wiedererkennbarkeit des Produkts,1776 zur Erbringung von Garantieleistungen,1777 die verlangen, das gesamte Sortiment oder jedenfalls wesentliche Teile einer Markenware zu führen,1778 • zum Angebot nur von Neuware und nicht von gebrauchten Produkten,1779 • denen zufolge die Produkte von verwechslungsfähigen anderen Produkten abzugrenzen sind,1780 • im Kfz-Vertrieb Selektionskriterien, etwa zu Größe und Ausstattung des Showraumes, Ausbildung des Verkaufspersonals, Mindestabnahmemengen, Beschränkungen des Verkaufs an nicht zugelassene Händler, etwa nicht autorisierte Wiederverkäufer,1781 Supermärkte und Internet-Händler,1782 Qualität der Werkstatträume, des Personals oder der Ausrüstung1783 bzw. das Modellangebot und die Zahl der Vorführwagen,1784 Verpflichtungen der Vertragswerkstätten, die zur Aufrechterhaltung eines qualitativ hochstehenden Serviceangebots geeignet und erforderlich sind.1785 223 Im Internetvertrieb sollen folgende Einschränkungen unzulässig sein: – Die geographische Beschränkung der Verkäufe1786 als Beschränkung des passiven Verkaufs nach Art. 4 lit. b GVO 330/10 (dazu unten). Beispiele: die Verpflichtung des Händlers zum „re-routing“, um der Einsichtnahme von auswärtigen Kunden durch die automatische Umleitung auf die Homepage eines im Gebiet des Einsehenden belegenen Händlers1787 zu begegnen (Tz 52 lit. a LL), die Unterbrechung der Transaktion, sobald die Kreditkarte eines nicht gebietsansässigen Kunden verwendet wird (Tz 52 lit b LL),1788 eine Beschränkung des über das Internet getätigten Teils der Gesamtverkäufe (Tz 52 lit. c LL),1789 wobei der Unternehmer jedoch Mindestwert oder -menge offline bestimmen darf (Tz 52 lit. c LL)1790 oder Vereinbarungen, nach denen den Mittlern geringere Rabatte gewährt werden, falls sie Vertragswaren in andere Vertragsgebiete innerhalb des gemeinsamen Marktes liefern, sofern die höheren Preise nicht ausnahmsweise durch sonstige Gründe sachlich gerechtfertigt sind.1791 Generell ist die Vereinbarung höherer Preisen im online- als im offline-Verkauf („dual pricing“, Tz 52 lit. d LL) nicht gestattet1792 (dazu unten). Es ist dem Hersteller ferner verboten, den Mittlern die für die Lieferung an gebietsfremde Kunden benötigte Vertragswa• • •

1776 1777 1778 1779 1780

Nolte BB 2014, 1155 (1160). Westphal II Rn 428. LG Mannheim, Urt. v. 14.3.2008 – 7 O 263/07, WuW 2008, 856 DE-R 2322. Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (212). Kommission, ABl. 1983, L 348/20 (22) – Murat, Komm E. 16.12.1985, ABl. 1985 L 376/15, 18 – Villeroy & Boch; Nolte BB 2014, 1155 (1160); Rösner WRP 2010, 1114 (1115). 1781 Nolte BB 2013, 1667 (1668). 1782 Ensthaler WuW 2002, 1042, 1044; Wendel WRP 2002, 1395 (1405). 1783 Creutzig BB 2002, 2133 (2143). 1784 Creutzig BB 2002, 2133 (2143). 1785 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208). 1786 Oest/Wagener RIW 2012, 35 (41). 1787 de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (508). 1788 de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (508). 1789 Nolte BB 2014, 1155 (1159); Oest/Wagener RIW 2012, 35 (41); kritisch Rösner WRP 2010, 1114 (1124). Nach aA darf der Unternehmer mindestens 50 % (BGH, Urt. v. 4.11.2003 – KZR 2/02, WuW DE-R 1203 ff. = WRP 2004, 374 [376]) oder sogar das Überwiegen (Rösner WRP 2010, 1114 [1120] – um ein „Alibi-Geschäftslokal“ zu verhindern) des stationären Vertriebs (BGH, Urt. v. 4.11.2003 – KZR 2/02, WuW DE-R 1203 ff. = WRP 2004, 374 (376); Rösner WRP 2010, 1114 [1120, 1124]; de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 [507]; Pischel GRUR 2008, 1066 [1070]; Bauer WRP 2003, 243 [247]) vorschreiben. 1790 Kritisch auch hier Rösner WRP 2010, 1114 (1124), weil der Hersteller kaum für jeden Händler eine passende Einschätzung treffen könne. 1791 Westphal II Rn 388. 1792 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2388); Wiring MMR 2010, 659; de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (508). 163

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re vorzuenthalten1793 oder ihnen das nach außen unsichtbare Hosting der Website durch Dienstleister zu untersagen (Qualitätsanforderungen dürfen aber gestellt werden).1794 Unter bestimmten Umständen kann sowohl ein aktiver wie ein passiver Verkauf untersagt werden, etwa in Folge erheblicher Investitionen des Händlers bei Markteintritt (Tz 61 LL) oder bei Markteinführungstests (Tz 62 LL), zumindest bei Sportschuhen („Adidas“)1795 und Luxusparfums,1796 aber auch sonstigen Produkten und Luxusprodukten,1797 ein Totalverbot des Onlinehandels zum Schutz des Markenimages, da nicht erforderlich und im Widerspruch zu Art. 101 Abs. 1/3 AEUV stehend1798 (zum Plattformverbot oben), das mit einer Beratungspflicht begründete Verbot des Vertriebes von Kontaktlinsen1799 und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf Plattformen.1800 Denn es besteht bei diesen Produkten kein Bedürfnis zur eingehenden persönlichen Beratung. Außerdem gibt es mildere Mittel („Erforderlichkeit“), wie etwa eine Online-Beratung, die auch beim Verkauf über das Internet und eine Internet-Plattform möglich ist.1801 Der Vertrieb über eine Plattform ist auch nicht per se für einfache Markenprodukte imageschädlich,1802 zumal Händler auf einen solchen Verkauf angewiesen sein können.1803 Anderes gilt mglw. bei hochpreisigen Produkten und Luxusprodukten, dazu oben zum Urteil „Coty“ sowie nachfolgend, die Vorgabe von Internetstandards gegenüber Kfz-Händlern durch Hersteller, sofern hierdurch die Zusammenarbeit mit Internetportalen behindert wird, auf denen Kunden ihr Wunsch-Kfz zusammenstellen können, wobei die Portale gegen Provision versuchen, einen Händler zu finden, der zu dem gewünschten Preis das gewünschte Fahrzeug liefert,1804 eine mengenmäßige Begrenzung des Internetvertriebs.1805 Davon gibt es nur zwei eng begrenzte Ausnahmen: Der Hersteller darf dem Händler vorschreiben, dass er einen bestimmten Mindestumsatz über sein Ladenlokal abwickeln muss. Damit soll verhindert werden, dass das Ladenlokal nur dem Schein nach existiert. Außerdem darf der Herstel-

1793 1794 1795 1796

Westphal II Rn 389. Nolte BB 2014, 1155 (1160). LG Frankfurt/M., Urt. v. 18.6.2014 – 2-03 O 158/13, ZVertriebsR 2014, 311. LG Frankfurt/M., Urt. v. 31.7.2014 – 2-03 O 128/13, WuW 2015, 417 = DE-R 4595 = NZKart 2015, 243 m. Anm. Telle NZKart 2015, 229. 1797 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (283); Lettl WuW 2018, 114 (119). 1798 Entscheidung des BKartA, 27.6.2014 – B 3-137/12, ZVertriebsR 2014, 325 = NZKart 2015, 243 m. Anm. Telle NZKart 2015, 229; Schweda NZKart 2017, 585 (587). Die Entscheidungen EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) widersprechen dem nicht. Denn sie betrafen nicht das vollständige Verbot des Online-Handels sondern lediglich Qualitätsanforderungen. Zu dem Vorlagebeschl. des OLG Frankfurt, der zum Coty-Urt. des EuGH führte, s. a. Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278. 1799 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener, RIW 2012, 35 = ZVertriebsR 2012, 55 m. Anm. Rahlmeyer (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 44; v. 2.12.2010 − C-108/09, EuZW 2011 112 Rn 76 − Ker-Optika. 1800 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener, RIW 2012, 35 = ZVertriebsR 2012, 55 m. Anm. Rahlmeyer (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 44; EuZW 2004, 21 Rn 106, 107, 112. 1801 Rohrßen DB 2018, 300 (302); Schweda NZKart 2017, 585 (587). 1802 Schweda NZKart 2017, 585 (586). 1803 Siehe Schweda NZKart 2017, 585 (588): Für zahlreiche kleine und mittlere Händler, die bei Suchanfragen über allgemeine Suchmaschinen weit unten auf der Suchergebnisseite auftauchten, seien eigene Online-Shops keine valide Alternative. 1804 Pressemitteilung des BKartA v. 15.12.2015, ZVertriebsR 2016, 64. 1805 Seeliger/de Crozals DB 2017, 351 (352). Emde

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ler im selektiven Vertrieb eine Höchstgrenze für den Verkauf an einzelne Kunden festlegen.1806 224 Im Internetvertrieb sollen folgende Einschränkungen zulässig sein: – Zumindest im selektiven Vertriebssystem von hochpreisigen und Luxusprodukten,1807 insbes. Luxuskosmetika1808 und -parfums, darf nach dem Coty-Urteil sowie nachfolgenden Entscheidungen der Verkauf über Plattformen wie Amazon oder ebay untersagt werden, sofern jene die Zulassungsvoraussetzungen des Vertriebssystems nicht erfüllen und der Hersteller die Nutzung von Suchmaschinen/Preisvergleichsseiten zulässt.1809 Das Verbot ist nur zulässig, falls die Drittplattform für den Verbraucher erkennbar in Erscheinung tritt.1810 Als Argumente werden vorgebracht: Der Kunde gewinne den unzutreffenden Eindruck, selbst bei der Plattform zu kaufen. In der Wahrnehmung durchschnittlicher Verbraucher werde dem Hersteller ein Händler „untergeschoben“, mit dem der Hersteller keine Vertragsbeziehung unterhalte und auf dessen Geschäftsgebaren er keinen Einfluss nehmen könne.1811 Der Vertrieb sei geeignet, das Image der Luxusmarke zu beeinträchtigen.1812 Er ziehe die Marke ins Gewöhnliche.1813 Das gelte insbes., wenn das Portal zweckmäßig und sonderangebotsorientiert ausgestaltet sei, etwa mit der Sammlung von Payback-Punkten und Durchstreichpreisen werbe1814 und eine herausgehobene Präsentation der Ware fehle. Jene Vertriebsform negiere den Anspruch auf Exklusivität und luxuriöse Ausstrahlung.1815 Der Beratungsbedarf, den der Unternehmer in seinen Vertriebsvereinbarungen fordere, kön-

1806 Seeliger/de Crozals DB 2017, 351 (352). 1807 Siehe EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty (dazu oben); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 – Luxuskosmetika; OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller); Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1045). 1808 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578. 1809 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty – dazu näher unten; OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) (jedenfalls im konkreten Fall); OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I20 O 113/17, WuW 2018, 424 zum Markenrecht; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 – Luxuskosmetika; v. 22.12.2015 – 11 U 84/14 (Kart), ZVertriebsR 2016, 123 = NZKart 2016, 84 – Funktionsrucksäcke – m. zust. Anm. Kuntze-Kaufhold EWiR 2016, 221 sowie krit. Anm. Kumkar NZKart 2016, 121 und Anm. Schaper/Pahlen ZVertriebsR 2016, 130. Schaper/Pahlen ZVertriebsR 2016, 130 betonen, der Streitgegenstand des Verfahrens sei auf das Verbot des Vertriebs über Amazon begrenzt gewesen; Generalanwalt beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) – das Verfahren betraf allerdings eine weniger einschränkende Klausel; KG Berlin, Urt. v. 12.12.2019 – 2 U 12/16 (Kart), WuW 2020, 155 (156); Rohrßen DB 2018, 300 (301); Dieselhorst/Luhn WRP 2008, 1306 (1309); Haslinger WRP 2009, 279 (282); Immenga BB 2009, 2561; Rheinländer WRP 2005, 285 (287); Bergmann ZWeR 2004, 28 (39 f.); Bauer WRP 2003, 243 (247). 1810 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty; Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1045). 1811 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 84/14 (Kart), ZVertriebsR 2016, 123 = NZKart 2016, 84 (85) – Funktionsrucksäcke – m. zust. Anm. Kuntze-Kaufhold EWiR 2016, 221 sowie krit. Anm. Kumkar NZKart 2016, 121 und Anm. Schaper/Pahlen ZVertriebsR 2016, 130. Schweda NZKart 2017, 585 (586) weist aber zutreffend darauf hin, dass der Hersteller seinen Händlern legitime, qualitative Vorgaben geben könne und damit mittelbaren Einfluss besitze. 1812 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, WuW 2018, 424 = EWiR 2018, 541 (Kuntze-Kaufhold) Rn 83 zum Markenrecht. 1813 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, WuW 2018, 424 Rn 83 = EWiR 2018, 541 (Kuntze-Kaufhold) zum Markenrecht. 1814 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, WuW 2018, 424 Rn 83 = EWiR 2018, 541 (Kuntze-Kaufhold) zum Markenrecht. 1815 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, WuW 2018, 424 = EWiR 2018, 541 (Kuntze-Kaufhold) Rn 84 zum Markenrecht. 165

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ne bei einem Plattformverkauf nicht gesichert werden.1816 Das Verbot verhindere neben dem Verkauf der Waren in einer den Anforderungen nicht entsprechenden Umgebung eine parasitäre Ausnutzung des Markenimages und dass die von Hersteller wie Händlern unternommenen Investitionen und Anstrengungen nicht autorisierten Verkäufern zugutekämen.1817 Hinsichtlich der Erforderlichkeit des Plattformverbotes ließe sich einwenden, dass Vertragsgestaltungen vorstellbar sind, die in geringerem Umfang in die Wettbewerbsfreiheit eingreifen, ohne die berechtigten Interessen des Herstellers unverhältnismäßig zu beeinträchtigen.1818 So könne etwa den Drittplattformen ein angemessener Außenauftritt vorgeschrieben werden.1819 Auch im Internet lassen sich Anforderungen an einen luxuriösen Auftritt realisieren, gerade angesichts seiner Bedeutung.1820 Folglich existieren Plattformen für Luxuswaren.1821 Als mildere Mittel seien zudem die Verpflichtung des Händlers denkbar, den Hersteller über genutzte Plattformen zu informieren1822 oder temporäre Beschränkungen von Plattformverboten, ggf. mit Überprüfungs-/Ablaufdaten.1823 Anstatt mit Pflichten könnten Hersteller ihre Händler auch mit Angeboten dazu bewegen, Vorgaben einzuhalten, etwa indem günstigere Konditionen für die Einrichtung und Wartung von Internetshops angeboten werden.1824 Weiter könnten Ausnahmen für Plattformen vorgesehen werden, die transparent hervorheben, dass der Verkauf über den Händler – nicht über die Plattform – erfolgt.1825 Es ist jedoch fraglich, ob ein nationales Gericht angesichts der detaillierten Ausführungen des EuGH im Coty-Urteil zum Verhältnismäßigkeitskriterium noch eigene Verhältnismäßigkeitserwägungen vornehmen darf.1826 Die Entscheidung, im Rahmen einer online geschalteten Verkaufsseite die komplette Produktpalette anzubieten und Drittplattformen auszuschließen, damit dem Verkehr eine die Beratung spiegelnde Sortimentsbreite angeboten wird, um das passende Produkt zu finden, wird vor dem Hintergrund der speziellen Beratungsleistung (Tätigkeit geschulter Berater) ebenfalls nicht beanstandet,1827 ein Syndikationswunsch des Herstellers mit seinem Internetauftritt, entweder durch Nutzung einer spezifischen Markenplattform oder weiterer CI-Elemente, Vorschriften zur einheitlichen CI,1828 Vorgaben zur nicht prohibitiv wirkenden Nutzung der vom Unternehmer geschützten Kennzeichen,1829 solange nicht hohe Anschlussgebühren, etwa in vierstelliger Höhe pro

1816 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 84/14 (Kart), ZVertriebsR 2016, 123 = NZKart 2016, 84 (87) – Funktionsrucksäcke – m. zust. Anm. Kuntze-Kaufhold EWiR 2016, 221 sowie krit. Anm. Kumkar NZKart 2016, 121 und Anm. Schaper/Pahlen ZVertriebsR 2016, 130. 1817 Generalanwalt beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold). 1818 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (581) – Luxuskosmetika. Also gibt es Plattformverbote, die nicht erforderlich sind, s. Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (279). 1819 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (581) – Luxuskosmetika; Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (285); Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (66). 1820 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (581) – Luxuskosmetika. 1821 Rohrßen DB 2018, 300 (305). 1822 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (285). 1823 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (285). 1824 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (285). 1825 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (285). 1826 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (581) – Luxuskosmetika. Just EWiR 2018, 768 weist darauf hin, dass das OLG Frankfurt/M. mit der Verhältnismäßigkeitsprüfung des EuGH nicht einverstanden zu sein scheint. 1827 OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert = EWiR 2018, 605 (Wiedenhaus/Müller) Rn 47. 1828 Rösner WRP 2010, 1114 (1121). 1829 Rösner WRP 2010, 1114 (1121). Emde

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Einzelmarke, gefordert werden.1830 Nach aA soll es nicht darauf ankommen, ob die Anforderung objektiv gerechtfertigt ist bzw. Kosten verursacht,1831 sofern die Beschaffenheit der Ware dies rechtfertigt1832 dürfen für den Internet-Verkauf vergleichbare oder gleichwertige qualitative Anforderungen1833 gestellt werden wie für den stationären Handel.1834 Das bedeutet angesichts der Unterschiede der Vertriebswege nicht notwendigerweise eine vollständige Identität. Gefordert werden nur vergleichbare Ergebnisse.1835 Zulässig ist etwa die Beschränkung des Internetvertriebs auf Fälle, in denen er nur neben dem Betrieb eines Fachhandelsgeschäfts mit Ausstellungsräumen (Tz 54 LL)1836 gestattet ist („brick-store-Klausel“) und den gleichen Anforderungen wie das Fachhandelsgeschäft unterliegt.1837 So darf ein nach Wert und Menge bestimmter Anteil des offlineHandels1838 gefordert werden. Gestattet ist z. B. eine Klausel, die ein „Überwiegen“ des stationären Verkaufs (mindestens 50 % des Umsatzes im stationären Vertrieb) fordert,1839 Vorgaben, nach denen das Erscheinungsbild des Internetvertriebs dem des stationären Fachgeschäfts entsprechen soll1840 (Äquivalenztest1841). Die Situation eines Online-Portals gleicht der eines stationären Händlers, der sein Geschäft in ein den Selektionskriterien nicht entsprechendes Geschäftslokal verlagert.1842 Richtet etwa der Hersteller von hochpreisigen Schulranzen, die er als Markenware vertreibt, ein selektives Vertriebssystem ein, in dem er vorschreibt, ein stationäres Geschäft mit Fachhandelsambiente zu unterhalten, sämtliche Markenprodukte einschließlich Ergänzungswaren zu bevorraten und anzubieten, kompetentes Fachpersonal einzusetzen sowie das Geschäft während der ortsüblichen Ladenöffnungszeit betrieben zu halten, so bedeutet die zusätzliche Verpflichtung, im Internet nur über einen diesen Anforderungen entsprechenden eigenen Internetshop und

1830 1831 1832 1833 1834 1835 1836

Rösner WRP 2010, 1114 (1121); Haslinger WRP 2009, 279 (283). Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (212). Nolte BB 2014, 1155 (1158). Nolte BB 2014, 1155 (1159) – kein Verstoß gegen Art. 101 AEUV. LL zur GVO Rn 56; Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (597). Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (597). Womit reine Internet-Händler ausgeschlossen werden können, angeblich auch außerhalb eines Selektivsystems: LL Tz 52 S. 8 Spiegelstr. 3; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (420); LG Mannheim, Urt. v. 14.3.2008 – 7 O 263/07 Kart; Seeliger/de Crozals DB 2017, 351 (352); Nolte BB 2014, 1155 (1158); Pichler/Hertfelder NZKart 2014, 47 (49); Innerhofer ZVertriebsR 2013, 266 (270) – zu lit c; Oest/Wagener RIW 2012, 35 (42); Simon EWS 2010, 497 (502) – erforderlich soll aber sein, dass es sich um eine Qualitätsanforderung handelt (Oest/Wagener RIW 2012, 35 (42)); Pautke/Schultze BB 2009, 1383; hierzu Haslinger WRP 2009, 279 (281); aA LG Berlin, Urt. v. 21.4.2009 – 16 O 729/07, BB 2009, 1381 (1382). 1837 OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (419); krit. Seeliger/Klauß GWR 2010, 303635 = GWR 2010, 233, die auf eine sachliche Rechtfertigung der einzelnen Kriterien abstellen wollen. 1838 LL Tz 52 S. 8 Spiegelstr. 3; Lettl WRP 2010, 807 (817); de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (508); wobei eine Kernbeschränkung vorliegen soll, sofern der Anteil des offline-Verkaufs de facto zu einem Internet-Vertriebsverbot führt (Lettl WRP 2010, 807 [818]), etwa ab einem vorgeschriebenen Anteil des offline-Absatzes von 50 % (Lettl WRP 2010, 807 [817]). 1839 BGH, Urt. v. 4.11.2003 – KZR 2/02, WuW DE-R 1203 ff. = WRP 2004, 374 (376) – Depotkosmetik im Internet (zu einem Belieferungsanspruch nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB); Rösner WRP 2010, 1114 (1120); Haslinger WRP 2009, 279 (281); aA Haslinger WRP 2009, 279 (281), auch Lettl WRP 2010, 807 (818) sieht ab einem vorgeschriebenen offline-Verkauf von 50 % eine nicht von der GVO 330/10 freigestellte Wettbewerbsbeschränkung. Zum Urt. des BGH zusammenfassend Ruess/Slopek WRP 2009, 1021 (1022 f.). 1840 Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1841 Moritz ZVertriebsR 2017, 31 (34). 1842 Moritz ZVertriebsR 2017, 31 (34). 167

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nicht über Auktionsplattformen zu veräußern, keinen Verstoß gegen Art. 101 AEUV,1843 § 1 GWB1844 oder § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB,1845 anders beim Vertrieb von Kontaktlinsen,1846 Vorgaben zu Produkthinweisen1847 sowie zur qualifizierten Kundenberatung und zum Kundenservice online.1848 Eine persönliche Beratung ist im Internet zwar nicht möglich. Es darf aber eine qualifizierte Beratung telefonisch oder per Chat verlangt werden,1849 die Verpflichtung, den Kunden zu einem Besuch des Ladenlokals zu animieren1850 sowie zur klaren Anbindung des Internet-Vertriebs an das Ladenlokal des Händlers mit Verweis auf dessen Standort und die dort verfügbare Verkaufsberatung,1851 Vorgaben zu Produkthinweisen1852 sowie zur qualifizierten Kundenberatung und zum Kundenservice online.1853 Eine persönliche Beratung ist im Internet zwar nicht möglich. Es darf aber eine qualifizierte Beratung telefonisch oder per Chat verlangt werden,1854 Vorgaben zum äußeren Niveau,1855 der Qualität der Website oder des Portals des Absatzmittlers1856 sowie zu ihrer Gestaltung und Optik1857 (Anpassung an das Luxusimage, str., s. o.),1858 zur fotografischen Abbildung,1859 Sortimentstiefe,1860 Produktpräsentation,1861 zum Produktumfeld,1862 Gesamtbild,1863 etwa die Vorgabe, dass nur neue Produkte angebo-

1843 OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (416); Rösner WRP 2010, 1114 (1124) – zu ebay und amazon; Dieselhorst/Luhn WRP 2008, 1306 (1307); Haslinger WRP 2009, 279 (280); Ruess/Slopek WRP 2009, 1021 (1024); wohl auch Franck WuW 2010, 772ff,; aA LG Berlin, Urt. v. 24.7.2007 – 16 U 412/07 (Kart), GRUR-RR 2008, 252 = K & R 2008, 321 (Verfügungsverfahren); v. 21.4.2009 – 16 O 729/07, BB 2009, 1381 (Hauptverfahren – es fehle die Erforderlichkeit des Selektionskriteriums); hierzu Ruess/Slopek WRP 2009, 1021 (1024). 1844 OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (416); LG Mannheim, Urt. v. 14.3.2008 – 7 O 263/07, WuW 2008, 856 DE-R 2322 = GRUR-RR 2008, 253; zust. Ruess/Slopek WRP 2009, 1021 (1025). 1845 OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (419); LG Mannheim, Urt. v. 14.3.2008 – 7 O 263/07, WuW 2008, 856 DE-R 2322 = GRUR-RR 2008, 253; zust. Ruess/Slopek WRP 2009, 1021 (1025). 1846 EuGH, Urt. v. 2.12.2010 – C-108/09, ZVertriebsR 2013, 170; BKartA, Beschl. v. 25.9.2009 – B 3 – 123/08, WuW DE-V 1813 = WuW 2010, 91. 1847 Oest/Wagener RIW 2012, 35 (42). 1848 OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert Rn 47; Spenner/ Kiani NZKart 2016, 208 (212); Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (147); Rösner WRP 2010, 1114 (1121). Es darf sich aber nicht um Kriterien handeln, die nur außerhalb des Onlinehandels erreichbar sind, z. B. eine Hotline. 1849 Rohrßen DB 2018, 300 (302); Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (212). 1850 Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1851 Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1852 Oest/Wagener RIW 2012, 35 (42). 1853 OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018 – 3 U 250/16, WuW 2018, 426 = BB 2018, 1744 m. Anm. Siegert Rn 47; Spenner/ Kiani NZKart 2016, 208 (212); Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (147); Rösner WRP 2010, 1114 (1121). Es darf sich aber nicht um Kriterien handeln, die nur außerhalb des Onlinehandels erreichbar sind, z. B. eine Hotline. 1854 Rohrßen DB 2018, 300 (302); Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (212). 1855 Lettl WRP 2010, 807 (818). 1856 Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1857 Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (147). 1858 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. auch Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Nägele/Apel WRP 2018, 1044 (1045); Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278; Haslinger WRP 2009, 279 (283). 1859 Oest/Wagener RIW 2012, 35 (42). 1860 Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (147); Nolte BB 2014, 1155 (1160); Rösner WRP 2010, 1114 (1121). 1861 Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (209); Rösner WRP 2010, 1114 (1121). 1862 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (283). 1863 Lettl WRP 2010, 807 (818); Haslinger WRP 2009, 279 (283). Emde

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ten werden,1864 zur Abgrenzung von no-name-Produkten sowie Produkten niedriger Qualitätsstufen,1865 zur schnellen Lieferung,1866 zum Domainnamen1867 etc. Für den Internetvertrieb darf der Unternehmer Vorgaben geben, die eine zur Wahrung des Luxus-Images entsprechende Präsentation der „Verkaufsumgebung“ gewährleisten,1868 soweit der Unternehmer nicht prohibitiv wirkende technische Standards vorgibt,1869 etwa zu Navigationsgeschwindigkeit und -fähigkeit,1870 zu einem schnellen Seitenaufbau,1871 zur Auflösungsqualität,1872 zum benutzerfreundlichen Aufbau,1873 Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit,1874 zur Darstellung der Produkte, z. B. im Hinblick auf die visuelle Darstellung, etwa eine 360°-Ansicht oder eine bestimmte Anzahl von Bildern.1875 Dies korrespondiert mit den Vorgaben zum äußeren Niveau, Anforderungen, die Kunden mit Hilfe von Bluetooth-Verbindungen und sog. Beacons eine Online-Bestellung mit mobilen Endgeräten ermöglichen sollen,1876 Vorgaben, denen gemäß die Webseite des Mittlers Links zu den Webseiten anderer Händler und/oder zum Lieferanten enthalten soll,1877 das Verbot, Links auf abwertende Domain-Namen zu unterhalten,1878 Vorgaben zur Sicherstellung zügiger Bereitstellungsfristen für die Kundenauslieferung,1879 eine geringere Höchstabgabemenge pro online- als offline-Kunden,1880 das Verbot des Verkaufs nicht haushaltsüblicher Mengen,1881 Vorgaben an die verwendete Landessprache.1882

(5) Zulassungsanspruch. Selektive Vertriebssysteme widersprechen nur dann nicht Art. 101 225 AEUV, wenn jeder Händler, der die festgesetzten Vertriebsstandards erfüllt, zum Handel zugelassen wird.1883 Die Zulassungsbedingungen müssen einheitlich und objektiv festgelegt und in

1864 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (283). 1865 Rösner WRP 2010, 1114 (1120); Lettl WRP 2010, 807 (818) – keine abwertenden Domainnamen, etwa „Discount“ (Rösner WRP 2010, 1114 [1120]; Pischel GRUR 2008, 1066 [1071]).

1866 Rösner WRP 2010, 1114 (1121); Lettl WRP 2010, 807 (818); de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (508). 1867 Lettl WRP 2010, 807 (818). 1868 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (237) = EWiR 2016, 513 (KuntzeKaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. auch Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278. 1869 Nolte BB 2017, 1987 (1989); Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (147); Nolte BB 2014, 1155 (1160); Rösner WRP 2010, 1114 (1120). 1870 Nolte BB 2014, 1155 (1160); Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2388); Rösner WRP 2010, 1114 (1121); Lettl WRP 2010, 807 (818); Haslinger WRP 2009, 279 (283). 1871 Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1872 Rösner WRP 2010, 1114 (1121); Haslinger WRP 2009, 279 (283). 1873 Lettl WRP 2010, 807 (818). 1874 Etwa PayPal, Trusted-Shop-Siegel u. a., s. Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (147). 1875 Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (212). 1876 Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1877 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (284); Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1878 Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1879 Nolte BB 2014, 1155 (1160). 1880 de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (508), zweifelhaft. 1881 Haslinger WRP 2009, 279 (284). 1882 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (283). 1883 EuGH, Urt. v. 25.10.1983, Slg. 1983, 3151 Rn 45; Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09 Rn 47; Rheinländer WRP 2007, 501 (502) m. w. N.; Emde NZKart 2013, 355 ff.; Rheinländer GRUR 2007, 383 (384); Calliess/ Ruffert/Weiß EUV/AEUV,4 2011, AEUV Art. 101 Rn 212. 169

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1. Buch. Handelsstand

nicht diskriminierender Weise angewandt1884 und möglichst bestimmt festgelegt werden, um dem Hersteller beim Zulassungsanspruch keine Möglichkeit willkürlicher Händlerauswahl zu geben.1885 Die Zahl der Kandidaten darf durch Qualitätskriterien nicht indirekt begrenzt werden.1886 Der Zulassungsanspruch folgt aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, oft i. V. m. § 20 Abs. 1 GWB1887 (siehe Rn 466 ff.): Hält sich der Hersteller nicht an den Gleichbehandlungsgrundsatz, verletzt sein Vertriebssystem Art. 101 AEUV.1888 Richtet der Unternehmer einen eigenen Internetvertrieb ein, soll daraus jedoch kein Zulassungsanspruch selbständiger Internethändler folgen.1889 Um diskriminierenden Verzögerungstaktiken der Hersteller bei der Zulassung eines Händlers zum selektiven Vertriebssystem vorzubeugen, verlangt die Kommission, dass der Hersteller grds. binnen 4 Wochen über einen Zulassungsantrag entscheidet.1890 Verweigert der Hersteller einem Händler die Zulassung, so muss er in einem Antwortschreiben an den Bewerber darlegen, welche Voraussetzungen er als noch nicht erfüllt ansieht.1891 Eine Lieferverweigerung ist nur zulässig, wenn die Nichterfüllung der Systembedingungen durch den Bewerber entweder unstreitig oder gerichtlich festgestellt ist.1892 Einem einzelnen Händler, der die Zulassungsvoraussetzung zu einem selektiven Vertriebssystem erfüllt, darf der Vertriebsvertrag nicht ohne wichtigen Grund gekündigt werden. Eine derartige Kündigung wäre eine nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB unzulässige Diskriminierung,1893 die auch gem. Art. 101 Abs. 2 AEUV unwirksam wäre.1894 Will der Hersteller seine Vertriebspolitik ändern, so muss er allen Händlern im Wege der „Strukturkündigung“ kündigen.1895 Ebenso wie bei der Zulassungsverweigerung sind die Kündigungsgründe dann mitzuteilen.1896 Wird die Kündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen, weil der Händler Ware an Außenseiter verkauft, so verlangt die Kommission, dass eine Liefersperre nur durchgeführt werden darf, wenn der Verstoß unbestritten oder gerichtlich festgestellt ist.1897

226 bb) Quantitativ-selektive Vertriebssysteme. Sowohl in einem quantitativ-selektiven Vertriebssystem wie in einem qualitativ-selektiven Vertriebssystem müssen die Händler anhand von „festgelegten Merkmalen“ i. S. d. der GVO 330/10 ausgewählt werden,1898 bei erstgenannten zu

1884 EuGH, Urt. v. 14.6.2012 – C 158/11, BB 2012, 1883, Rn 33 m. Anm. Schultze „Auto24 SARL ./. Jaguar Land Rover France SAS. 1885 EuGH, Urt. v. 25.10.1977, Rs. 26/76, Slg. 1977, 1875 (1905) Tz 20 – Metro I; EuG, Urt. v. 12.12.1996, Rs. T-88/92, Slg. 1996, II-1961, 2012 Rn 117 – Leclerc; EuGH, Urt. v. 25.10.1983, Rs. 107/87, Slg. 1983, 3151 (3194) Rn 35; Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09; Rheinländer WRP 2007, 501 (502). 1886 Leitfaden zur früheren GVO 1400/2002, Frage 12. 1887 Vgl. BGH, Urt. v. 4.11.2003 – KZR 2/02 – Depotkosmetik im Internet, MMR 2004, 536 (dort verneint); Emde NZKart 2013, 355 ff. 1888 BGH ZIP 1998, 2070 (2072); Rheinländer WRP 2007, 501 (502). 1889 Ruess/Slopek WRP 2009, 1021 (1023). 1890 Rheinländer WRP 2007, 501 (502). 1891 Kommission v. 21.12.1983, ABl. 1983 L 376/41 – SABA II; Rheinländer WRP 2007, 501 (502). 1892 Kommission v. 21.12.1983, ABl. 1983 L 376/41 – SABA II; Kommission v. 21.12.1993, ABl. 1994 L 20/15 – Grundig II; Rheinländer WRP 2007, 501 (502). 1893 Kommission v. 21.12.1983, ABl. 1983 L 376/41 – SABA II; Kommission v. 21.12.1993, ABl. 1994 L 20/15 – Grundig II; Rheinländer WRP 2007, 501 (502). 1894 Rheinländer WRP 2007, 501 (502). 1895 Kommission v. 21.12.1983, ABl. 1983 L 376/41 – SABA II; Kommission v. 21.12.1993, ABl. 1994 L 20/15 – Grundig II; Rheinländer WRP 2007, 501 (502). 1896 Kommission v. 21.12.1983, ABl. 1983 L 376/41 – SABA II; Rheinländer WRP 2007, 501 (502). 1897 Kommission v. 21.12.1983, ABl. 1983 L 376/41 – SABA II; Kommission v. 21.12.1993, ABl. 1994 L 20/15 – Grundig II; Rheinländer WRP 2007, 501 (503). 1898 EuGH, Urt. v. 14.6.2012 – C-158/11, BB 2012, 1883, Rn 29 m. zust. Anm. Schultze zur alten Kfz-GVO 1400/02. Schultze BB 2012, 1886 weist darauf hin, dass die Aussagen des Urteils auch für die GVO 330/10 und die neue KfzGVO 461/10 gelten. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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Zahl und Auswahl, beim letztgenannten zu den Qualitätsanforderungen.1899 Quantitative Vertriebsbindungssysteme beschränken die Anzahl der Händler durch Höchstzahlen1900 (unmittelbar durch Beschränkung der Gesamtzahl der Händler, mittelbar durch Vorgaben zu Mindestumsätzen,1901 Größe des Geschäfts1902 oder Lagerhaltung1903 etc.).1904 Ein quantitativ-selektives Vertriebssystem ist nicht vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen;1905 der Schutz des Markenimages soll kein legitimes Ziel darstellen, auf das eine solche Ausnahme gestützt werden kann.1906 Auch nach den LL zur Kfz-GVO 461/10 treten beim quantitativen Selektivvertrieb zu den Beschränkungen des qualitativen Selektivvertriebs Auswahlkriterien hinzu, welche die Anzahl der in Frage kommenden Händler bzw. Werkstätten unmittelbar begrenzen, indem entweder ihre Zahl ausdrücklich festgelegt wird oder bspw. Mindestverkaufszahlen vorgeschrieben werden. Deshalb fallen solche Kriterien mit großer Wahrscheinlichkeit unter Art. 101 Abs. 1 AEUV,1907 da sie i. d. R. als stärker wettbewerbsbeschränkend angesehen werden als Netze, denen ausschließlich qualitative Auswahlkriterien zugrunde liegen (Tz 44 LL Kfz-GVO). Das EuG1908 hat beim Verkauf eines Produkts nur über Apotheken, deren Zahl in einigen Ländern kraft Gesetzes begrenzt ist, ein quantitatives System angenommen. Im Vertrieb von Kfz kann ein quantitativ-selektives Vertriebssystem kartellrechtlich zulässig1909 sein; im Kfz-Kundendienst und Ersatzteilgeschäft soll es hingegen unzulässig sein1910 (zwh.). Die quantitativen Selektionskriterien müssen im Voraus eindeutig durch den Hersteller festgelegt sein, sie dürfen zwar unter Beachtung des Grundsatzes der Vertragstreue und des § 307 BGB (zu Änderungsvorbehalten in AGB oben – Stichwort: „Änderungsvorbehalte“) geändert werden,1911 jedoch nicht willkürlich. Falsch dürfte die Ansicht sein, Auswahlkriterien für quantitative Vertriebssysteme müssten nicht zwingend objektiv, einheitlich und unterschiedslos, also nicht diskriminierend, festgelegt werden.1912 Auch im Rahmen eines quantitativen selektiven Vertriebssystems muss jedoch der genaue Inhalt der festgelegten Merkmale überprüfbar sein.1913 Daraus schließt Schultze,1914 ein Unternehmer könne in einem quantitativ-selektiven Vertriebssystem Händlerbewerber unterschiedlich, ja geradezu willkürlich behandeln: Wenn die Anzahl von Händlern in einem bestimmten Gebiet auf 10 begrenzt sein soll und es jene 10 Händler gebe, könne das Unternehmen bei einem weiteren Bewerber diesen unter Hinweis auf die zahlenmäßige Begrenzung ablehnen, einem der aktuellen Händler kündigen oder den Bewerber zulassen. Ebenso sei 1899 1900 1901 1902 1903 1904

Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (209). Galle DB 2019, 288 (289). Tz 44 LL Kfz-GVO; Schuhmacher/Erdmann WuW 2011, 462 (464). Schuhmacher/Erdmann WuW 2011, 462 (464) Fn. 18. Schuhmacher/Erdmann WuW 2011, 462 (464) Fn. 18. Emde NZKart 2013, 355 (363); Haslinger WRP 2009, 279 (280); zu einem solchen System OLG München, Urt. v. 8.1.2009 – U (K) 1501/08, BB 2009, 518 m. abl. Anm. Schultze/Spenner. 1905 BKartA, Beschl. v. 26.8.2015 – B2-98/11, WuW 2016, 198 Rn 258, krit. zum BKartA Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (210); Galle DB 2019, 288 (289). 1906 BKartA, Beschl. v. 26.8.2015 – B2-98/11, WuW 2016, 198 Rn 262, krit. zum BKartA Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (210). 1907 Rösner WRP 2010, 1114 (1116). 1908 Slg. II 1992, 415. 1909 Schuhmacher/Erdmann WuW 2011, 462 (467). 1910 OLG München, Urt. v. 8.1.2009 – U (K) 1501/08, BB 2009, 518 – zwh. und deshalb m. abl. Anm. Schultze/ Spenner; Schultze/Oest BB 2011, 1363 (1364); Bechtold BB 2011, 1610 (1612); Schuhmacher/Erdmann WuW 2011, 462 (469). 1911 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HKO 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3084) – „JPG Le Male“; Bechtold NJW 2003, 3729 (3731); ders. EG-Kartellrecht, VO 2790/99 Rn 19. 1912 AA EuGH, Urt. v. 14.6.2012 – C 158/11, BB 2012, 1883, Rn 32–35 m. Anm. Schultze - Auto24 SARL ./. Jaguar Land Rover France SAS. 1913 EuGH, Urt. v. 14.6.2012 – C 158/11, BB 2012, 1883, Rn 39 m. Anm. Schultze - Auto24 SARL ./. Jaguar Land Rover France SAS. 1914 BB 2012, 1885. 171

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es denkbar, dass das Unternehmen sich entscheide, die quantitativen Kriterien zu ändern und auf 11 zu erhöhen. In der Praxis werden kaum Systeme mit ausschließlich quantitativen Kriterien aufgestellt. Vielmehr werden jene um qualitative Selektionskriterien ergänzt.1915 Sofern eine Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV vorliegt, kommt es für die wettbewerbsrechtliche Freistellung meist auf das Eingreifen einer GVO an. Nach den GVOs 330/10 und 461/ 10 greift die Freistellung für Selektivvertriebsvereinbarungen unabhängig davon ein, ob Auswahlkriterien quantitativer oder rein qualitativer Art Anwendung finden, sofern die Bedingungen der GVO eingehalten werden (Tz 175 LL GVO 330/10; Tz 46 LL Kfz-GVO). Beim Vertrieb neuer Kfz soll der quantitative Selektivvertrieb i. d. R. die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllen, falls die Marktanteile der beteiligten Unternehmen 40 % nicht überschreiten (Tz 56 LL Kfz-GVO 461/10). Dabei können Standortklauseln die Freistellung ausschließen (Tz 56 LL Kfz-GVO 461/10). Zur Belieferungspflicht in quantitativ-selektiven Systemen unten, Rn 466 ff.

227 e) Art. 106 AEUV. Eine Vertriebsform kann gemäß Art. 106 AEUV von der Anwendung der Wettbewerbsregeln des AEUV ausgeschlossen sein, wenn es sich um eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse handelt. Dies hat der BGH1916 für den flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften bejaht.

f) Handelsvertreter-Kartellrecht Schrifttum de Bronett Die kartellrechtliche Beurteilung wirtschaftlicher Verhaltensweisen von Handelsvertretern – Die „wirtschaftliche Einheit“, der Passe-Partout des EU-Kartellrechts, EWS 2017, 61; Emde Das Handelsvertreter-Kartellrecht nach den Leitlinien zur GVO 2790/99, BB 2002, 949; Semler Echte und unechte Handelsvertreter – Abgrenzungsfragen und kartellrechtliche Bedeutung, ZVertriebsR 2012, 156.

228 aa) Historie des Handelsvertreter-Kartellrechts.1917 Bereits in seinen Urteilen vom 13.7.1966 in den Rechtssachen Consten und Grundig1918 und Kommission/Italien1919 hat der EuGH grundlegende Aussagen zur Frage der Anwendung des Art. 101 AEUV (damals: Art. 85 EG) auf HVVerträge getroffen. In der Entscheidung Italien/Rat und Kommission1920 judizierte er: „Es wäre schließlich verfehlt, die Lage eines Herstellers, der mit dem Verteiler seiner Erzeugnisse eine Alleinvertriebsvereinbarung getroffen hat und deshalb Art. 85 unterworfen ist, mit derjenigen eines Herstellers zu vergleichen, der den Vertrieb seiner Erzeugnisse auf irgendeinem Wege, beispielsweise den des Einsatzes von Handelsvertretern, in sein eigenes Unternehmen eingegliedert hat und damit nicht von Art. 85 erfasst wird. Beide Fälle sind rechtlich verschieden und auch sonst unterschiedlich zu würdigen, da zwei Absatzorganisationen, von denen die eine in das Hersteller-Unternehmen eingegliedert ist, die andere nicht, nicht notwendig die gleiche Wirksamkeit entfalten. Dem Verbot des Art. 85 unterliegen … alle Vereinbarungen zwischen mehreren Unternehmen. Somit ist es nicht anwendbar, wenn es sich um ein einziges Unternehmen handelt, das seine Vertriebsorganisation in seinen eigenen Geschäftsbetrieb eingegliedert hat“.

1915 Haslinger WRP 2009, 279 (280). 1916 Urt. v. 6.10.2015 – KZR 17/14, NJW 2016, 1652 m. Anm. Bach NJW 2016, 1630. 1917 Siehe hierzu insb. de Bronett EWS 2017, 61 (insb. zur Genese der Rspr.); Kapp WuW 2007, 1218 (1220); Kapp/ Andresen BB 2006, 2253; Roniger Das neue Vertriebskartellrecht, 2000, E 15 ff.; Schultze/Pautke/Wagener VertikalGVO, 2001, Rn 149 ff. 1918 EuGH v. 13.7.1966, Slg. 1966, 429. 1919 EuGH v. 13.7.1966, Rs. 32/65 Italien/Rat und Kommission, Slg. 1966, 457. 1920 Slg. 1966, 457 (485 f.). Emde

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Der EuGH stellte damit klar, dass HV-Verträge auf dem nachgelagerten Produktmarkt1921 in Hin- 229 blick auf Art. 101 AEUV einer abweichenden Beurteilung unterliegen können als Vertragshändlerverträge. Den Unterschied zwischen beiden Vertriebsformen sah der EuGH hier in der Eingliederung des HV in das Vertriebssystem des Unternehmers. Im Fall Suiker Unie1922 bestätigte der EuGH diese Bewertung: „…dass es in der Regel Wesen und Sinn einer rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehung der hier fraglichen Art entspricht, wenn Hersteller oder Vereinigungen von Herstellern den Absatzmittlern, die in ihrem Namen und für ihre Rechnung verkaufen, untersagen, ohne ihre Zustimmung gleichzeitig für konkurrierende Hersteller tätig zu werden. Wird ein solcher Absatzmittler für seinen Geschäftsherren tätig, so kann er grundsätzlich als ein in dessen Unternehmen eingegliedertes Hilfsorgan angesehen werden, das den Weisungen des Geschäftsherrn zu folgen hat und sonach mit dem betroffenen Unternehmen ebenso wie ein Handlungsgehilfe eine wirtschaftliche Einheit bildet. Bei dieser Sachlage stellt die bloße Tatsache, dass der Geschäftsherr einem solchen Hilfsorgan das Verbot auferlegt, ohne seine Zustimmung mit Waren zu handeln, die geeignet sind, seinen eigenen Waren Konkurrenz zu machen, noch keinen Missbrauch dar. Etwas anderes gilt, wenn dem Absatzmittler aufgrund der zwischen ihm und dem Geschäftsherren getroffenen Abmachung, die die Vertragsparteien als „Handelsvertreter“-Vereinbarung“ bezeichnen, Aufgaben erwachsen oder verbleiben, die aus wirtschaftlicher Sicht insofern denen eines Eigenhändlers ähneln, als der Absatzmitlter die finanziellen Risiken des Absatzes bzw. der Abwicklung der mit Dritten geschlossenen Verträge zu tragen hat. Da in diesem Fall der Absatzmittler nicht als ein in das Unternehmen des Geschäftsherren eingegliedertes Hilfsorgan anzusehen ist, kann ein zwischen beiden vereinbartes Wettbewerbsverbot, wenn es von einem marktbeherrschenden Unternehmen auferlegt wurde, einen Missbrauch im Sinne des Art. 86 darstellen, weil es geeignet ist, die beherrschende Stellung noch weiter zu verfestigen.“

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Wenngleich der EuGH in erster Linie die „Eingliederung“ des HV als Befreiungsmerkmal von 231 den Beschränkungen des heutigen Art. 101 AEUV ansah,1923 stellte er zugleich auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ab und verwies auf die „Eigenhändlernähe“ eines wirtschaftlichem Risiko ausgesetzten HV.1924 In der nachfolgenden Reisevermittler-Entscheidung1925 ließ der EuGH die Frage der Risikoverteilung jedoch unbeachtet. Er hob allein auf das formale Kriterium ab, dass einerseits die Reisevermittler für mehrere Reiseveranstalter Reiseleistungen verkauften (Mehrfirmen-HV) und andererseits die Reiseveranstalter ihre Reisen über mehrere Reisevermittler veräußerten. Daraus folgerte er, die Reisevermittler seien keine in das Unternehmen des einzelnen Reiseveranstalters eingegliederten Hilfsorgane. Dies stellte zu sehr auf die Person und Stellung des HV und zu wenig auf das einzelne Vertragsverhältnis ab, welches unabhängig von anderen Verträgen zu beurteilen war. In der VW-Entscheidung1926 sowie nachfolgenden Judikaten1927 stellte der EuGH deshalb neben der formalen Eingliederung wieder auf die Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos des HV ab. Nach der Spruchpraxis des EuGH ist der vertikal Gebundene nur dann Verbotsadressat des 232 Art. 101 AEUV, falls er unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer bleibt. Nur in dieser Situation liegt eine dem Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV unterfallende Vereinbarung zwischen zwei Unternehmen vor.1928 Bei der Prüfung dieser Frage kommt es nicht auf die formale Trennung der 1921 Für den vorgelagerten Markt um die Vermittlerleistungen (Rechtsverhältnis HV-Unternehmer) kann Abweichendes gelten.

1922 EuGH v. 16.12.1975, Slg. 1975, 1663, 478 (481 ff.). 1923 So auch BGH, Urt. v. 4.4.2008 – KZR 36/05, WRP 2008, 1376 (1379) = WM 2008,1894 = WuW 2008, 1087 (DER 2363) Rn 40.

1924 Siehe EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 ff. sowie die Analyse der Rspr. bei Semler ZVertriebsR 2012, 156 (158). 1925 EuGH WuW/E EWG/MUV 803 – Reisevermittler. 1926 EuGH Slg. 1995 I-3477 Rn 125 – Bundeskartellamt/Volkswagen AG, VAG Leasing. 1927 EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 132 ff. Zu dieser Entscheidung de Bronett EWS 2017, 61 (66 f.). 1928 EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437; v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475, Rn 36 – Tankstellenvertreter; zust. Stancke VersR 2009, 1168 (1170) zum VV. 173

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Unternehmen an, sondern darauf, ob sie sich auf dem Markt einheitlich verhalten1929 (wirtschaftliche Einheit). Eine wirtschaftliche Einheit besteht in einer einheitlichen Organisation persönlicher, materieller und immaterieller Mittel, die dauerhaft einen bestimmten wirtschaftlichen Zweck verfolgt.1930 Ein Absatzmittler, wenn er für seinen Geschäftsherrn tätig wird, ist grds. als ein in dessen Unternehmen eingegliedertes Hilfsorgan anzusehen, welches den Weisungen des Geschäftsherrn zu folgen hat und daher mit dem betreffenden Unternehmen ebenso wie ein Handlungsgehilfe eine wirtschaftliche Einheit bildet.1931 Bei der Suche nach der Antwort, wann eine wirtschaftliche Einheit zu finden ist, wird im 233 Wesentlichen auf zwei Kriterien abgestellt, zum einen darauf, ob der Mittler ein wirtschaftliches Risiko zu tragen hat, und zum anderen, ob die vom Mittler erbrachten Dienstleistungen Ausschließlichkeitscharakter haben.1932 Es kommt also entscheidend auf die Beurteilung der finanziellen Risiken des Absatzes und der Erfüllung im einzelnen Vertrag an.1933 Ein Absatzmittler ist kein selbstständiger Unternehmer, falls er sein Verhalten auf dem Markt nicht eigenständig bestimmt, weil er vollständig von seinem Geschäftsherrn aufgrund der Tatsache abhängig ist, dass der Unternehmer die finanziellen und kommerziellen Risiken in Bezug auf die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit trägt.1934 Verbleiben oder erwachsen dem Absatzmittler Aufgaben, die aus wirtschaftlicher Sicht denen eines unabhängigen Wirtschaftsteilnehmers ähneln, ist der Absatzmittler kein von der Anwendung des Art. 101 AEUV befreites, in das Unternehmen des Geschäftsherrn eingegliedertes Hilfsorgan.1935 Er bleibt aber HV i. S. d. § 84 ff. mit allen dort geregelten Rechten und Pflichten. Das gilt auch für „unechte HV“ gemäß den LL zur GVO 330/10 (Rn 242 ff.). Um das wirtschaftliche Risiko zu bestimmen, muss ermittelt werden, in welchem Umfang der Mittler bei den ihm vom Geschäftsherrn übertragenen Tätigkeiten die finanziellen Risiken des Absatzes bzw. der Abwicklung der mit Dritten geschlossenen Verträge zu tragen hat.1936 Sofern der Mittler nicht die Kosten der Nichterfüllung, mangelhaften Erfüllung, Zahlungsunfähigkeit des Kunden, Lagerkosten und Investitionen trägt und lediglich Beratungs- und Reisekosten, Kosten wegen der mit Einzelabschlüssen in Verbindung stehenden Nebenpflichten, Übersetzungskosten, trägt, fehlt ein erhebliches wirtschaftliches Risiko. Vielmehr ist es unerheblich.1937 Das maßgebliche Element für die Feststellung, ob ein Vertriebsmittler ein unabhängiger 234 Wirtschaftsteilnehmer ist, besteht also in dem mit dem Geschäftsherrn geschlossenen Vertrag und insb. in dessen sich auf die Übernahme finanzieller und kommerzieller Risiken des Warenabsatzes an Dritte beziehenden ausdrücklichen oder stillschweigenden Klauseln.1938 Die Rechtsnatur des Vertrages ist auch allein maßgeblich, wenn der HV-Vertrag mit Mittlern einer fremden Absatzorganisation geschlossen wird, z. B. mit Mitgliedern der Vertriebsorganisation eines anderen Versicherers oder mit Kfz-Mittlern, die für einen Versicherer Versicherungspro-

1929 EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 136; EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437; EuGH Slg. 1972, 619 Rn 140.

1930 EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 135. Umfassend zu diesem Begriff de Bronett EWS 2017, 61 ff.

1931 1932 1933 1934

EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 138. EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 139. EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 152 ff. EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C 217/05, GRUR 2007, 437 (440) Rn 44; BGHZ 112, 218 (TUI); Steinhauer BB 2009, 2386 (2387) zu Tankstellen-HV; Hopt § 86 Rn 34, 38. 1935 EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 132 ff.; v. 11.9.2008 – Rs. C 279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 36 – Tankstellenvertreter; v. 14.12.2006 – C 217/05, GRUR 2007, 437 (440) Rn 45. 1936 EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 143. 1937 EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 146 f. 1938 EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 152 ff.; EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 36 – Tankstellenvertreter. Emde

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Vor § 84

dukte vertreiben.1939 Die Frage der Gefahrtragung ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität und nicht der rechtlichen Qualifizierung der Vertragsbeziehungen im innerstaatlichen Recht zu untersuchen.1940 Unter das Verbot des Art. 101 AEUV fallen nach Ansicht des EuGH bei HV nur Regelungen, 235 welche das Verhältnis des HV zu seinem Unternehmer bestimmen. Regelungen, die das Verhältnis des HV über den Verkauf der Waren an Dritte – die geworbenen Kunden – für den Geschäftsherrn betreffen, fallen nicht unter das Verbot des Art. 101 AEUV, weil der HV insoweit kein unabhängiger Marktteilnehmer ist.1941 Nicht unter das Verbot des Art. 101 AEUV fallen deshalb z. B. Bestimmungen über die Festsetzung des Endverkaufspreises1942 oder zur Prämienhöhe im Versicherungsvertrieb.1943 Dagegen können Ausschließlichkeits- und Wettbewerbsverbotsklauseln, welche die Beziehungen zwischen dem HV und dem Geschäftsherrn als insoweit unabhängige Wirtschaftsteilnehmer betreffen, gegen Art. 101 AEUV verstoßen, soweit sie zu einer Abschottung des betreffenden Marktes führen.1944 Im HV-Vertrieb übliche und damit vertragsimmanente Abreden, etwa Wettbewerbsverbote,1945 Informations- und Berichtspflichten1946 sowie Ausschließlichkeitsabreden,1947 sind jedoch gegenüber „echten“, eingegliederten HV nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der maßgeblichen Risiken wird unterschieden zwischen den Risiken des Absatzes der Ware und denen marktspezifischer Investitionen.1948 Es wird vermutet, dass der HV die Risiken des Absatzes der Waren in folgenden Fällen trägt: falls er dem Lieferanten den Betrag zahlen muss, welcher der Menge des gelieferten und nicht des tatsächlich verkauften Kraftstoffes entspricht,1949 er mit der Übernahme der Waren vom Lieferanten deren Besitzer wird, unmittelbar oder mittelbar die mit dem Vertrieb der Waren verbundenen Kosten, insb. die Beförderungskosten übernimmt, Lager auf eigene Kosten unterhält oder für etwaige Schäden an den Waren haftet, beispielsweise ihren Verlust oder ihre Verschlechterung. Soweit es Risiken betrifft, die mit den marktspezifischen Investitionen verbunden sind, d. h. Investitionen, die erforderlich sind, damit der HV Verträge mit Dritten aushandeln oder abschliessen kann, ist zu prüfen, ob er Investitionen in Räumlichkeiten oder Ausstattungen, wie etwa in einen Kraftstofftank bei Tankstellenvertretern, oder in Werbeaktionen tätigt. Ist das der Fall, gehen diese Risiken auf ihn über.1950 Sehr umstritten blieb das Urteil des EuG v. 15.9.2005.1951 In jener Entscheidung hob das 236 EuG die den Mercedes-Vertrieb betreffende Entscheidung der Kommission 2002/758/EG vom 1939 Im Ergebnis Stancke VersR 2009, 1168 (1171), der die Frage problematisiert. 1940 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 36 – Tankstellenvertreter.

1941 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 41 – Tankstellenvertreter; v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437 (441) Rn 61; Kobras/Steinhauer RIW 2010, 214 (215) – mit dem Hinweis, das Gleiches für § 1 GWB gilt. 1942 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 36 – Tankstellenvertreter. 1943 Stancke VersR 2009, 1168 (1172). 1944 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 36 – Tankstellenvertreter; v. 14.12.2006 – C 217/05, GRUR 2007, 437 (441) Rn 62. 1945 EuGH, Urt. v. 16.12.1975, Slg. 1975, 1663, 478 (481 ff.); Hopt § 86 Rn 38. 1946 Wiemer WuW 2009, 750 (753). 1947 EuGH, Urt. v. 16.12.1975, Slg. 1975, 1663, 478 (481 ff.); Stancke VersR 2009, 1168 (1170 f.) zum Versicherungsvertrieb; Hopt § 86 Rn 38. 1948 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 38 ff. – Tankstellenvertreter. 1949 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 38 – Tankstellenvertreter. 1950 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 39 – Tankstellenvertreter. 1951 T-325/01 – Daimler Chrysler/Kommission, WuW 2005, 1061 = EU-R 933; mit Komm. Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 sowie kritischer Besprechung Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167 ff. Hierzu auch de Bronett EWS 2017, 61 (63 f.), der das Urteil im Ergebnis für richtig, in der Begründung aber für angreifbar hält: Die Nichtigerklärung der 175

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1. Buch. Handelsstand

10.10.2001 gegen Daimler Chrysler auf.1952 Die Kommission hatte Mercedes-Benz Autohäuser als unechte HV angesehen1953 (zu „unechten“ HV unten). Das EuG urteilte gegenteilig und großzügiger: Der Begriff der Vereinbarung i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV und damit das Eingreifen des in Art. 101 AEUV normierten Kartellverbots setze eine Willensübereinstimmung zwischen mindestens 2 Personen voraus. Der TB des Art. 101 AEUV sei nicht erfüllt, sofern eine Entscheidung des Herstellers ein einseitiges Verhalten darstelle. An „zwei Personen“ im wirtschaftlichen Sinne und damit einer Vereinbarung i. S. d. Art 101 AEUV fehle es bei wirtschaftlicher Einheit zwischen ihnen. Zwischen HV und Unternehmer existiere eine wirtschaftliche Einheit, falls der HV ein in den Betrieb des Unternehmers eingegliedertes Hilfsorgan sei. Ein HV werde als in den Betrieb des Unternehmers eingegliedertes Hilfsorgan angesehen, sofern er Weisungen des Geschäftsherrn zu folgen habe. Nur falls der HV einem Eigenhändler gleiche und wie dieser die finanziellen Risiken des Absatzes oder der Abwicklung der mit Dritten geschlossenen Verträge zu tragen habe, fehle es an einer solchen Einheit. Dürfe der HV trotz eigener Rechtspersönlichkeit sein Geschäftsgebaren nicht autonom bestimmen, sondern habe den Weisungen des Herstellers zu folgen, so bleibe das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV auf die Beziehung zwischen ihm und seinem Geschäftsherrn unanwendbar.1954 Nach diesem Maßstab befürwortete der EuGH die wirtschaftliche Einheit zwischen Daimler und seinen HV auch wegen des Mangels erheblicher wirtschaftlicher Risiken des HV (Rn 252). Der Standardvertretervertrag sei von Daimler vorgegeben. Der HV habe zudem beim Aushandeln der Preise keine Befugnisse. 237 Die Eingliederung als ein neben der wirtschaftlichen Risikobetrachtung stehendes Merkmal ist nach Ansicht von Ensthaler/Gesmann-Nuissl abzulehnen.1955 Es widerspräche den Denkgesetzen, wenn bei völlig identischer Eingliederungstiefe von Kfz-HV und Kfz-Vertragshändlern (bei den meisten Herstellern und Importeuren) nur HV aus der kartellrechtlichen Beurteilung nach Art. 101 AEUV und dem Regelungsbereich der GVO (heute: GVO 330/10) fielen. Die HV seien gerade im Kfz-Bereich derart in das Unternehmen eingebunden, dass von einer franchiseähnlichen Stellung gesprochen werden könne.1956 Es sei nicht systemgerecht, die GVO auf echte HV nicht anzuwenden, während Vertragshändler und unechte HV in den Genuss ihrer Vorteile kämen.1957 Betreibe der Hersteller unterschiedlich gestaltete Vertriebssysteme unter Einsatz verschiedener Absatzmittlertypen, die ihrerseits stark angenähert seien, fände die GVO auch auf echte HV Anwendung.1958 Daimler dürfte sonst zwei unterschiedliche Vertriebssysteme unterhalten, einerseits (außerhalb Deutschlands) ein der GVO 330/10 unterstehendes Vertragshändlersystem, andererseits in Deutschland mit HV. Die Angehörigen des einen Systems (Händler) wären denen des anderen Systems in Hinblick auf das Schutzniveau überlegen.1959 Dies widerspreche dem Gebot der Systemgerechtigkeit. Der echte Kfz-HV dürfe gem. § 313 Abs. 1 BGB Vertragsanpassung fordern.

Kommissionsentscheidung sei unausweichlich gewesen, weil die Weisungen von Mercedes einseitige Handlungen darstellten. Die Ausübung der vertraglichen Befugnis des Unternehmers, seinen HV Weisungen zu geben, sei nicht wettbewerbswidrig. 1952 EuZW 2001, 674; hierzu Lubitz EWS 2004, 556; Emde VersR 2003, 420; Emde BB 2005, 394. In wesentlichen Teilen aufgehoben wurden die seinerzeitigen Leitlinien entgegen Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (300) durch diese Entscheidung nicht. 1953 ABlEG 2002 Nr. L 257, 32 ff., aufgehoben durch EuGH, Urt. v. 15.9.2005 – Rs. T-325/01. 1954 Zur Unterscheidung zwischen echten und unechten HV s. a. Emde BB 2002, 949. 1955 Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167 (168 ff.). 1956 Niebling Das Recht des Automobilvertriebs, 1996, S. 77 ff.; ders., GRUR 2000, 19 (22); Ensthaler/GesmannNuissl EuZW 2006, 167 (169). 1957 Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167 (171). 1958 Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167 (171). 1959 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2006, 2589 (2593). Emde

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Die europäische Rspr. (EuGH1960 und das EuG1961) stellt – neben den vom Vertriebsmittler 238 zu tragenden Risiken1962 – damit auf die Position des HV als eingegliedertes Hilfsorgan des Unternehmers ab1963 und unterscheidet zwischen freigestellten HV-Verträgen ohne finanzielles Risiko und nicht freigestellten mit finanziellem Risiko.1964 Bei fehlendem Risiko bejaht sie die Eingliederung. Diese Unterscheidung hat die Kommission in den Tz 12 ff. der Leitlinien zur GVO 330/10 aufgenommen (Rn 252 ff.). Für die Kommission1965 steht die tatsächliche wirtschaftliche Funktion und Betätigung des HV, die primär durch die Übernahme des finanziellen und wirtschaftlichen Risikos determiniert wird, stärker als zentrales Abgrenzungskriterium im Vordergrund.1966 Der HV-Vertrag wird daran gemessen, inwieweit der HV finanzielle und geschäftliche Risiken übernimmt. Anders als die Kommission, welche noch in ihrer Begründungserwägung zur Entscheidung des EuG v. 15.9.20051967 die Ansicht vertrat, die Eingliederung sei kein eigenständiges Merkmal zur Abgrenzung eines HV vom Eigenhändler, wird die Eingliederung von der Rspr. auch des EuG herausgestellt.1968 Im Ergebnis geht auch die europäische Rspr. – wie die Kommission in den LL zur GVO 330/10 (Rn 242 ff.) – unter dem Begriff der Eingliederung darauf ein, ob wirtschaftliche Risiken vorliegen oder nicht.1969 Es handelt sich bei den wirtschaftlichen Risiken um einen Unterfall und ein Beispiel der Eingliederung.1970 Nach Ansicht von Eilmansberger prüft das EuG das wirtschaftliche Risiko unter anderer Überschrift und in „Verkleidung“ einer Eingliederungsprüfung.1971 Ist der HV bei einem Teil seiner Geschäfte als HV und bei einem anderen Teil als Eigenhänd- 239 ler tätig („Doppelprägung“) und betreffen jene Geschäfte dieselbe Ware, so soll er kartellrechtlich wie ein Eigenhändler anzusehen sein und nicht den Tz 12 ff. LL zur GVO 330/10 unterfallen.1972 Es spricht nicht für eine wirtschaftliche Einheit mit dem jeweiligen Geschäftsherrn,1973 wenn der Absatzmittler neben seiner für den Geschäftsherrn ausgeübten Tätigkeit im beträchtlichen Umfang eine eigene Geschäftstätigkeit als Eigenhändler auf dem relevanten Produkt oder Dienstleistungsmarkt1974 entfaltet.1975 Die Weisungsgebundenheit als Indiz für die Eingliede1960 EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T- 418/10, IHR 2015, 217; EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – Rs. C 279/06 – Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 36 – Tankstellenvertreter.

1961 EuG, Urt. v. 15.9.2005 – T-325/01, Rn 41; Daimler/Kommission unter Verweis auf weitere Rspr. vom 16.12.1975 – 40/73, 48/73, 50/73, 54/73, 56/73, 111/73, 113/73, 114/73; Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663 und v. 24.10.1995 – C-266/93; VAG Leasing, EuGH, Slg. 1995, I-3477. 1962 EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437; EuGH, 32/65, Slg. 1966, 457 (458) – Italien/ Rat und Kommission; Rs. C-226/93, Slg. 1995, I-3477 – BKart/VW und VW Leasing; siehe hierzu Semler ZVertriebsR 2012, 156 (158). 1963 EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217; EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437; st. Rspr. seit Rs. 56/64 und 58/64, Slg. 1966, 321, 387 – Consten und Grundig/Kommission; siehe Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167 (168); Kapp/Andresen BB 2006, 2253 (2254); Lubitz EWS 2003, 556 (558 f.). Nach Ansicht der Kommission in der Mercedes-Benz-Entscheidung ABlEG 2002, Nr. L 257, 1 (34), spielt dieses Merkmal allerdings keine Rolle. 1964 Siehe auch Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 34; Stauber NZKart 2015, 423 ff. 1965 Entscheidung der Kommission vom 10.10.2001 bezüglich eines Verfahrens nach Art. 81 EG (Kommission/ Mercedes Benz) – ABl. EG Nr. L 257 v. 25.9.2002, S. 1 Rn 153 ff. 1966 Siehe Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167 (168); Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (301). 1967 T-325/01, EuZW 2005, 766. 1968 EuG, Urt. v. 15.9.2005 – T-325/01, Rn 86; Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167 (168). 1969 Ebenso Eilmansberger ZweR 2006, 64 (69 f.). 1970 Stauber NZKart 2015, 423 (424) – Synonym. 1971 Funke/Just DB 2010, 1389 (1391) – „zwei Seiten derselben Medaille“; Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2006, 2589 (2592); zum Streitstand Kapp/Andresen BB 2006, 2253 (2254); vgl. auch Wiemer WuW 2009, 750 (753). 1972 EuGH, Urt. v. 16.12.1975 (Suiker Unie), Slg. 1975, 1663, 2024/2025, Rz. 554/547; Semler ZVertriebsR 2012, 156 (158); Walcher WRP 2005, 850 (851). 1973 Die Eingliederung ist immer nur innerhalb des einzelnen Vertrages zu prüfen, s. Stauber NZKart 2015, 423 (427). 1974 Stauber NZKart 2015, 423 (427) fordert, dass der HV- und Eigenhändlervertrieb dieselbe Ware oder Dienstleistung betrifft. 1975 EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 141. 177

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rung soll widerlegt sein, falls der HV zugleich in dieser Form als Eigenhändler tätig ist. Gleiches soll bei einer Mehrfirmenvertretung auf dem gleichen Produktmarkt gelten. Wird ein HV für zwei Geschäftsherrn tätig, nämlich für einen mit einem Anteil von 75 % und den anderen für 25 %, kommt es für die Frage, ob der HV und einer seiner Geschäftsherrn eine wirtschaftliche Einheit bildet, darauf an, ob der HV bei dem vom ihm vom jeweiligen Geschäftsherrn übertragenen Tätigkeit in der Lage ist, sich wie ein unabhängiger Händler zu verhalten, der seine Geschäftsstrategie frei bestimmen kann. Deshalb sollen etwa Reisevermittler i. d. R. nicht als eingegliederte HV einzuordnen sein, da sie für verschiedene Reiseveranstalter tätig seien und die Reiseveranstalter ihre Reisen über eine Vielzahl von Reisevermittlern vertrieben.1976 Der HV übernimmt in diesem Falle eher eine „Sortimentsfunktion“.1977 Tatsächlich können auch Mehrfirmen-HV oder HV mit Doppelprägung eingegliederte Hilfsorgane sein. Die Eingliederung ist innerhalb des einzelnen Vertrags zu prüfen.1978 Trägt der Absatzmittler bei einem der Absatzmittlerverhältnisse wesentliche wirtschaftliche Risiken, entfällt die wirtschaftliche Einheit in Bezug auf den Betroffenen, nicht dagegen für die anderen Geschäftsherren.1979 Zu Fallgruppen Stauber NZKart 2015, 423 (427). 240 Ohnehin stellt die neuere Rspr. des BGH weniger auf die Eingliederung als die Risikoverteilung ab (Annäherung an die LL der Kommission). Umgekehrt soll die Eingliederung bei einem Einfirmen-HV rglm. zu befürworten sein.1980 Bei dem als Abschlussvertreter agierenden HV, der eigenständig die Konditionen des Vertrages aushandeln darf, soll es auf die Vorgaben des Unternehmers und den sich daraus ergebenden Handlungsspielraum des HV ankommen.1981 Die Bestimmung eines Fixpreises durch den Unternehmer soll die Eingliederung als echter HV nicht ausschließen.1982 Je mehr die Freiheit des HV, eigene wirtschaftliche Entscheidungen im Zusammenhang mit dem vermittelten Produkt zu treffen vertraglich eingeschränkt wird, um so eher dürfte ein HV-Vertrag dem Kartellrecht entzogen sein.1983 241 Auch bei der Frage der Zurechnung kartellrechtswidrigen Handelns, etwa geheimer Wettbewerbsabsprachen eines Vertriebsmittlers,1984 zum Unternehmer wird danach unterschieden, ob der Mittler mit dem Unternehmer eine wirtschaftliche Einheit bildet (dann Zurechnung) oder nicht (dann regelm. keine Zurechnung1985). Bei der Suche nach der Antwort, wann eine wirtschaftliche Einheit zu finden ist, wird auch insoweit im Wesentlichen auf zwei Kriterien abgestellt, zum einen darauf, ob der Mittler ein wirtschaftliches Risiko zu tragen hat, und zum anderen, ob die vom Mittler erbrachten Dienstleistungen Ausschließlichkeitscharakter haben.1986 Es gelten die vorgenannten Maßstäbe. Der kartellrechtlichen Privilegierung von HV steht also spiegelbildlich die Gefahr der Zurechnung eines kartellrechtswidrigen Verhaltens des HV zum Unternehmer gegenüber. Das hat Bedeutung für die Einführung einer zuverlässiger Compliance-Struktur.1987

1976 EuGH, Urt. v. 1.10.1987, Vlaamse Reisebureaus, Slg. 1987, 3821 (3828) Rn 20; Semler ZVertriebsR 2012, 156 (158); Walcher WRP 2005, 850 (851). Nach Ansicht von Stauber NZKart 2015, 423 (428) ist die EuGH-Entscheidung überholt. Kirchhoff in Wiedemann, Kartellrecht,2 2008, § 10 Rn 26, 36 f.; krit. Stauber NZKart 2015, 423 (428). So auch Stauber NZKart 2015, 423 (427). Stauber NZKart 2015, 423 (427). Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (301). Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (301). Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (301). Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (301). EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 132 ff. Kritisch de Bronett EWS 2017, 61 (67): die Ansicht, dem Geschäftsherrn sei das Verhalten des HV ohne eigene Beteiligung zuzurechnen, verstoße gegen die Grundsätze der individuellen Bestrafung sowie der Rechtssicherheit. Abgrenzend mglw. EuGH – C-542/14 – Remonts für unabhängige Dienstleister. 1985 EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 132 ff. 1986 EuG, Urt. v. 15.7.2015 – T-418/10, IHR 2015, 217 Rn 139. 1987 Schnell BB 2016, 1614.

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bb) Die Leitlinien zur GVO 330/2010 (1) Genese. Seit 1962 wurde das HV-Kartellrecht durch die Weihnachtsbekanntmachung der 242 Kommission1988 geregelt. Sie erfasste lediglich Alleinvertriebsverträge mit HV und differenzierte ähnlich der Entscheidung Suiker Unie (Rn 229) zwischen Vereinbarungen, die HV-typisch waren und solchen, die einem Vertragshändlervertrag gleichstanden.1989 Als maßgebliches Kriterium für die Separierung zwischen handelsvertreter- und vertragshändlerähnlichen Abreden wurde das mit dem Absatz oder der Vertragsabwicklung verbundene finanzielle Risiko angesehen, wobei Beispiele „eigenhändlergleicher“ HV gebildet wurden, die sehr dem Tz 16 der heutigen LL zur GVO 330/10 entsprachen: Außer bei Übernahme der Delkredere-Haftung habe der HV funktionsmäßig kein weitergehendes Risiko aus dem Handelsgeschäft zu tragen. Übernehme er dennoch solche Risiken, nähere er sich funktionell und wirtschaftlich dem Eigenhändler und müsse daher wettbewerbsrechtlich auch wie ein solcher behandelt werden. Der Verbotstatbestand des Art. 101 AEUV (damals: Art. 85 Abs. 1 EWG) sollte folglich für Alleinvertriebsverträge mit HV nicht erfüllt sein und nur für Vertragshändlerverträge oder vertragshändlerähnliche Vereinbarungen gelten. Schon 1973 änderte die Kommission ihre in der Weihnachtsbekanntmachung verkündete 243 Ansicht. Für die Anwendung des heutigen Art. 101 AEUV sollte nunmehr entscheidend sein, ob der HV zum einen für mehrere Geschäftsherren und zum anderen auch (im Inland) als Eigenhändler für dieselbe Ware auftrat.1990 Nachdem der EuGH in der „Reisevermittler-Entscheidung“1991 für die Anwendung des Art. 101 AEUV auf die Mehrfachvertretung abstellte und folglich auf das Erfordernis der Eigenhändlertätigkeit verzichtete, hielt auch die Kommission nicht länger am kumulativen Erfordernis beider Kriterien fest. Vielmehr vollzog sie in dem „Vorentwurf-Bekanntmachung betreffend HV-Verträge“1992 einen Paradigmenwechsel: Es sollte nur noch der eingebundene Einfirmen-HV von der Anwendung des heutigen Art. 101 AEUV ausgenommen sein. Die Separierung des eingebundenen Einfirmen-HV vom Eigenhändler bzw. vom nicht eingebundenen HV sollte anhand der materiellen und wirtschaftlichen Risikoverteilung erfolgen. Dagegen kam es für die Unterscheidung zwischen Einfirmen- und Mehrfirmen-HV nicht mehr auf die Verteilung des wirtschaftlichen Risikos an. Entscheidend sollte sein, ob der HV gleichzeitig mehrere konkurrierende Produktpaletten führte.1993 Mit Einführung der GVO 2790/99 zum 1.1.2000 ersetzten die Tz 12–20 ihrer Leitlinien (hierzu 244 Staub/Emde 5. Aufl. Vor § 84 Rn 193 ff.) die Weihnachtsbekanntmachung des Jahres 1962.1994 Die Rechtsverhältnisse der HV wurden nicht direkt in der GVO 2790/99, sondern nur in ihren LL geregelt. Im Mittelpunkt der Tz. 12 ff. der LL zur GVO 2790/99 stand die eine eigene „kartellrechtliche“ Begrifflichkeit bildende1995 und nicht an die §§ 84 ff. oder die RL (dort gibt es keine „unechten“ HV),1996 jedoch – ohne dass diese die gleichen Bezeichnungen verwendet1997 – an europäische Rspr. anknüpfende Differenzierung: Sogenannte „echte“ HV-Verträge, bei denen sich die Tätigkeit des HV auf eine reine Mittler- ohne Wettbewerbsstellung beschränkte,1998 wa-

1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997

ABl. EG 1962 S. 2921. S. OLG Hamburg WuW/E DE-R 506. Kommission, ABl. 1973 Nr. L 217, S. 3 bis 6 – SCPA/Kali und Salz; hierzu Kapp WuW 2007, 1218 (1220 ff.). EuGH WuW/E EWG/MUV 803 – Reisevermittler. IV/484/90-DE. Kapp/Andresen BB 2006, 2253. Hopt § 86 Rn 38. Hierzu übersichtsartig Semler ZVertriebsR 2012, 156 ff. Rittner DB 2000, 1211 (1213). Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157); siehe aber Generalanwältin Kokott im Schlußantrag EuGH v. 13.7.2006 – C-217/05 Rn 67, CELEX 62005CC0217. 1998 Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167 (168). 179

Emde

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ren vom heutigen Art. 101 AEUV freigestellt,1999 unterfielen aber den §§ 84 ff. „Unechte“ HVVerträge wurden wie Eigenhändlerverträge2000 behandelt, blieben also nicht nach Tz 12–20 der seinerzeitigen Leitlinien freigestellt. Sie unterfielen dem Wettbewerbsverbot des Art. 101 AEUV. Das ist auch unter der GVO 330/10 nicht anders.

245 (2) Übersicht über Inhalt und Systematik der LL. Die Ziff. 12–21 LL2001 zur GVO 330/10 haben die von den LL zur GVO 2790/99 entwickelte Unterscheidung zwischen „echten“ und „unechten“ HV in der Sache übernommen, allerdings ohne die umstrittene Begrifflichkeit des „echten“ oder „unechten“ HV2002 (prägnant Ziff. 16 LL). Der HV wird jetzt kartellrechtlich (nur) als HV apostrophiert. Ob ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV generell ausscheidet, der HV also nicht vom Verbots-TB des Art. 101 AEUV erfasst wird (und er damit keiner Freistellung nach der GVO 330/10 bedarf), bestimmt sich nach wie vor danach, ob der HV ein – in Tz. 16 LL genanntes – wirtschaftliches Risiko übernimmt.2003 Der Begriff des unechten HV als Gegenpol ist entfallen. Man mag sich ihn leitbildartig als Eigenhändler („unabhängiger Händler“ i. S. d. Tz. 17 LL; „unabhängiges Unternehmen“ nach Tz 21 LL) vorstellen, wenngleich auch HV mit finanziellen Risiken HV i. S. d. HGB bleiben. Kartellrechtlich müssen in der Sache weiterhin echte und unechte HV unterschieden werden, weil ein mit finanziellen Risiken belasteter HV ein solcher i. S. d. §§ 84 ff. sein kann, nicht jedoch i. S. d. Tz 12–21 LL. Die Beschreibung der HV in den LL der GVO definiert nicht den HV i. S. d. Zivilrechts. Dies geschieht allein durch das HGB.2004 Für das Kartellrecht bleibt der finanziell belastete HV „unechter“ HV. Ein Rückgriff auf die RL erfolgt nicht; die einzelstaatlichen Gesetze zu HV-Verträgen sind belanglos.2005 Letztlich knüpft damit die Kommission auch2006 heute an die Systematik der Weihnachtsbe246 kanntmachung 1962 und die dort enthaltene Separierung für den HV risikoloser, HV-gleicher Vereinbarungen einerseits und für den HV mit finanziellem Risiko verbundener eigenhändlergleicher Vereinbarungen andererseits an.2007 Zum Teil wird sogar vertreten, die Unterscheidung beider Vertretergruppen entspreche der der Weihnachtsbekanntmachung 1962.2008 Auch das hierneben vom EuGH wiederholt angewandte Merkmal der Eingliederung nehmen die LL entgegen Schultze/Pautke/Wagener2009 sowie Pfeffer/Wegner2010 auf, wie Tz 18 dokumentiert. Denn dort wird in Übereinstimmung mit dem Urteil Suiker Unie2011 ausgeführt, in HV-Verträgen sei die Verkaufs- und Ankaufsfunktion Bestandteil der Tätigkeiten des Unternehmers als Auftraggebers. Mithin werden HV insoweit als in das Unternehmen des Auftraggebers eingegliedert betrachtet. Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen in nicht nach den Tz 12–21 befreiten „unechten“ HV-Verträgen unterliegen nur dann nicht dem Verbot des Art. 101 AEUV, wenn der Vertrag auf anderem Wege, etwa durch die GVO 330/10, freigestellt ist.2012 1999 Klotz in: Schröter/Jakob/Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 81 – Fallgruppen Liefer- und Bezugsvereinbarungen Rn 53; Emde BB 2002, 949 ff.; Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167 ff.; Stancke VersR 2009, 1168 (1171) zum Versicherungsvertreter. 2000 Heinicke ZVertriebsR 2013, 275 (281); Küstner/Thume/Thume I4 Kap. XI Rn 41 ff.; Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 146. 2001 ABl. C 130/1 v. 19.5.2010. 2002 Siehe Simon EWS 2010, 497 (498). 2003 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384). 2004 OLG Oldenburg, Urt. v. 27.10.2015 – 13 U 40/15, ZVertriebsR 2016, 182 Rn 22. 2005 Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2270). 2006 Siehe etwa Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (298). 2007 Simon EWS 2010, 497 (498). 2008 Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1208). 2009 Vertikal-GVO, 2001, Rn 152. 2010 EWS 2006, 296 (297, 298). 2011 EuGH v. 16.12.1975, Slg. 1975, 1663, 478 (481 ff.). 2012 Kapp WuW 2007, 1218 (1219). Emde

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Kartellrechtlich ist der HV, der kein eigenes unternehmerisches Risiko trägt, damit gegen- 247 über dem Vertrieb z. B. durch Vertragshändler oder Franchisenehmer privilegiert,2013 weil der Unternehmer größere Freiheiten etwa hinsichtlich des Weisungsrechts oder der Preisgestaltung besitzt.2014 In der Reihe Eigenvertrieb-HV-Vertragshändlern nimmt der HV-Vertrieb damit hinsichtlich seiner Gestaltungsmöglichkeiten eine Mittelstellung ein. Während HV-Verträge grundsätzlich (Ausnahme Tz 20 im Falle der Kollusion) vom Wettbe- 248 werbsverbot des Art. 101 AEUV freigestellt sind, hängt die Freistellung bei eigenhändlergleichen HV-Verträgen davon ab, ob es sich um wettbewerbsbeschränkende Abreden handelt, die das Verhältnis zwischen Unternehmer und HV oder das Verhalten des HV gegenüber dem Kunden regeln.2015 Auch jene Unterscheidung war bereits in der Weihnachtsbekanntmachung angelegt, wenngleich dort mit anderem Ergebnis (s. u.). Die echte HV-Verträge freistellenden Tz 12–21 LL befreien nach Auffassung des LG München I2016 nicht gegenüber Dritten – dort einem Wettbewerber – von den Beschränkungen des Art. 101 AEUV. Das LG München I bejahte aber eine Freistellung aus Art. 2 Abs. 1 der heutigen GVO 330/10. Gem. Tz 12 LL ist der HV eine juristische oder natürliche Person, die mit der Vollmacht 249 ausgestattet ist, im Auftrag einer anderen Person (des Auftraggebers) entweder im eigenen Namen oder im Namen des Auftraggebers Verträge auszuhandeln und/oder zu schließen, die entweder den Ankauf von Waren oder Dienstleistungen durch den Auftraggeber zum Gegenstand haben oder den Verkauf von Waren und Dienstleistungen des Auftraggebers. Die LL gelten mithin für Waren-, Dienstleistungs-, Vermittlungs- und Abschlussvertreter (Tz 12). Die von den LL verwendeten Begriffe sind weit auszulegen.

(3) Rechtsnatur der LL. Die LL enthielten und enthalten – da sie sich nicht auf eine ausdrück- 250 liche Ermächtigungsgrundlage stützen können2017 – keine Rechtssätze2018 und kein sekundäres Gemeinschaftsrecht.2019 Ihnen mangelt es also an bindendem Charakter,2020 insb. für Gerichte.2021 Jedoch bleiben sie als Verwaltungsgrundsätze,2022 welche die Ansicht ihrer Verfasser wiedergeben, gleich einer Gesetzesbegründung2023 eine wichtige Auslegungshilfe2024 bei der Interpretation2025 des GVO-Textes und entfalten in der Beratungspraxis, da die Kommission von ihnen nicht ohne Angabe der Gründe abweichen darf,2026 faktische Bindungswirkung.2027 In der Praxis sind sie so lange von vorrangiger praktischer Bedeutung, bis ein Gericht ihre Unvereinbarkeit mit Art. 101 AEUV feststellt.2028 Sie geben mithin in Form einer Bekanntmachung2029 die

2013 2014 2015 2016 2017 2018

Genzow IHR 2014, 10 ff.; Walcher WRP 2005, 850 (851); Emde BB 2002, 949 (954). Walcher WRP 2005, 850; Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167. Kapp WuW 2007, 1218 (1222). LG München I, Urt. v. 21.3.2006 – 33 O 24781/04, WuW 2006, 626 (628) – DE-R 1708 (1710). Darázs EuZW 2003, 138 (139). EuGH, Urt. v. 11.7.2013 – C-439/11P, NZKart 2013, 364 – Ziegler/Kommission; Rittner DB 2000, 1211 (1213); Darázs EuZW 2003, 138 (139). 2019 Lange EWS 2001, 18. 2020 Nolte BB 2013, 1667; Köhnen BB 2010, 781 (783); Lange EWS 2001, 18; Hopt § 86 Rn 38. 2021 GA beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 = EWiR 2016, 513 (KuntzeKaufhold) Rn 57; Lubberger WRP 2015, 14 ff. Rn 27; Nolte BB 2013, 1667; Semler ZVertriebsR 2012, 156 (158). 2022 Langen/Bunte/Baron, Einf. EG-KartellR Rn 155; Rösner WRP 2010, 1114 (1118); Darázs EuZW 2003, 138 (139). 2023 Rösner WRP 2010, 1114 (1118). 2024 Lubberger WRP 2015, 14 ff. Rn 28. 2025 Thomas EuR 2009, 423 (432 f.); Rösner WRP 2010, 1114 (1118). 2026 EuGH, Urt. v. 11.7.2013 – C-439/11P, NZKart 2013, 364 – Ziegler/Kommission. 2027 Nolte BB 2013, 1667. 2028 Pautke/Schultze BB 2001, 317; Langen/Bunte/Baron, Einf. EG-KartellR Rn 155. 2029 Weitbrecht EuZW 2002, 581. 181

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eigene Beurteilung der Kommission2030 und deren künftigen Entscheidungsmaßstab2031 wieder und beeinflussen hierdurch die Entscheidungspraxis nationaler Kartellbehörden und Gerichte,2032 möglw. auch des EuGH.2033 De facto bedeutet dies: Was nach den LL zulässig ist, darf praktiziert werden. Wenn die Bewertung im Einzelfall von den LL abweicht, besteht jedenfalls ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis.2034 Im Zweifel geht allerdings der Text der GVO vor.2035 Zum Teil wird bezweifelt, dass die LL Einfluss auf die Rechtsprechung des EuGH haben,2036 eine Skepsis, die durch die Entscheidungspraxis europäischer Gerichte Nahrung gewinnt. Zumindest kommt den LL Orientierungsfunktion zu.2037 Wegen der in ihnen enthaltenen besonderen Regelungen des die Basis des Vertriebsrechts bildenden HV-Vertriebs werden die LL trotz des Vorranges des GVO-Textes in dieser Kommentierung systematisch vor der eigentlichen GVO (Rn 284 ff.) besprochen.

251 (4) Zeitliche Geltung der LL. Nach Ansicht des OLG Frankfurt/M.2038 sind die Leitlinien zur Vertriebs-GVO in der Fassung anwendbar, die während der Vertragslaufzeit galt. Dies ist nach Ansicht von Stein2039 nicht überzeugend. Denn die Leitlinien seien – anders als die GVO – nicht bindend. Es existiere also kein Rückwirkungsverbot. Da es sich bei den LL eher um eine Vorwegnahme der Entscheidungspraxis der Kommission handelt, spricht mehr für die Anwendung der jeweils aktuellsten LL.

(5) Handelsvertreterverträge 252 (a) TB-Voraussetzungen eines Handelsvertretervertrages im kartellrechtlichen Sinne („echter“ HV-Vertrag). HV-Verträge im kartellrechtlichen Sinne der GVO 330/10 (unter den LL der GVO 2790/99 noch: „echte“ HV) sind nur solche, bei denen der HV keine oder nur unbedeutende finanzielle oder geschäftliche Risiken eingeht2040 (Tz 15). Diese Merkmale knüpfen an die oben (Rn 228 ff.) dargestellte Rspr. des EuGH2041 und die bisherigen Kriterien der LL zur GVO 2790/99 an. Das vom EuG in dem Urt. v. 15.9.20052042 als Indiz für einen HV-Vertrag genannte Kriterium der Weisungsgebundenheit und des geringen Ermessensspielraums des HV wird in

2030 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383; Rittner DB 2000, 1211 (1213). 2031 GA beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 = EWiR 2016, 513 (KuntzeKaufhold) Rn 57; Nolte BB 2013, 1667; Bechtold EWS 2001, 49 (53); Hopt § 86 Rn 38.

2032 Siehe LG Frankfurt/M. EWiR 2003, 573 (Emde); Langen/Bunte/Baron, Einf. EG-KartellR Rn 155; Weitbrecht EuZW 2002, 581 (583). 2033 Dies erwartet GA Wahl Schlussanträge C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 Rn 47. 2034 Bechtold GRUR 2012, 107 (108). 2035 Lubberger WRP 2015, 14 ff. Rn 28 der die Bedeutung der LL relativiert. 2036 Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 198. 2037 GA beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 = EWiR 2016, 513 (KuntzeKaufhold) Rn 57; Emde BB 2002, 949 (951); Walcher WRP 2005, 850 (851); Funke/Just DB 2010, 1389. 2038 Urt. v. 16.9.2014 – 11 U 46/13 (Kart), ZVertriebsR 2015, 264 = WuW DE-R 4749 (4752) = WuW 2015, 907 m. Anm. Stein ZVertriebsR 2015, 372 und Anm. Ostendorf GWR 2015, 255. 2039 ZVertriebsR 2015, 372 (373). 2040 Simon EWS 2010, 497 (498); Hopt § 86 Rn 38. Dass der HV keinerlei wirtschaftliches Risiko übernehmen darf (so wohl noch EuGH, Urt. v. 24.10.1995 – C-266/93 Rn 19 „Volkswagen/VAG Leasing“), dürfte heute als Ansicht überholt sein, s. Stauber NZKart 2015, 423 (425). 2041 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 39 – Tankstellenvertreter; EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437; EuG, Urt. v. 15.9.2005 – Rs. T-325/01, Daimler Chrysler/Kommission, WuW 2005, 1061 = EU-R 933; EuGH Rs. 40 u. a./73, Europäische Zuckerindustrie, Slg. 1975, 1663 und Rs. C-266/93, VW-Herstellerleasing, Slg. 1995, I-3477, EWS 1996, 14, Rn 19; siehe die Analyse bei Pfeffer/ Wegner EWS 2006, 296 (298); Simon EWS 2010, 497 (498). 2042 T-325/01 Daimler Chrysler/Kommission, WuW 2005, 1061 = EU-R 933. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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den LL nicht genannt.2043 Theoretisch können diese Merkmale auch bei anderen als HV-Verträgen erfüllt sein, etwa bei Franchiseverträgen.2044 Dies dürfte aber sehr selten2045 oder sogar unwahrscheinlich sein. Finanzielle und geschäftliche Risiken werden gemäß der „Kriterienliste“2046 des Tz 14 LL in drei Gruppen unterteilt, nämlich solche die 1. – wie z. B. die Finanzierung von Lagerbeständen – unmittelbar mit den Verträgen verbunden sind, welche der HV für den Auftraggeber geschlossen/ausgehandelt hat, 2. geschäftsspezifische Investitionen betreffen, d. h. solche, die der HV tätigen muss, um seine Tätigkeit auszuüben und Verträge mit Abnehmern des Unternehmers schließen zu können, 3. in Verbindung mit anderen Tätigkeiten auf demselben sachlich relevanten Markt stehen, soweit der Unternehmer deren Übernahme vom HV auf dessen Risiko verlangt. In der GVO 330/10 neu berücksichtigt wurden als Auffang-TB2047 die in Nr. 3 erwähnten Risiken. Abweichend vom GVO-Entwurf betrifft das Beispiel nun Risiken auf dem selben Markt wie das vertriebene Produkt.2048 Als Beispiele für solche Risiken werden genannt: der Service beim Neuwagenverkauf über HV2049 (fraglich, da nicht derselbe Markt wie der Neuwagenverkauf2050), Reparaturleistungen2051 und Garantien,2052 Beförderungs- und Transportkosten,2053 Produkt-2054 oder zumindest eine generelle und nicht im Einzelfall vereinbarte Delkrederehaftung,2055 die gleichzeitige Tätigkeit als HV und Vertragshändler für dieselben Produkte (etwa unterschiedliche Mineralöle beim Tankstellenverkauf2056), die typischen Risiken von Agenturen im Anzeigenvertrieb,2057 nicht jedoch Laden und Waschstraße beim Tankstellen-HV.2058 Während der Neuwagenverkauf ohne das Angebot einer Werkstatt nach Ansicht von Schultze/Pautke/Wagener2059 unmöglich erscheine, könnten Tankstellen auch ohne angeschlossenen Supermarkt betrieben werden.2060 Dass der kombinierte Vertrieb mglw. lukrativer ist, spreche nicht dagegen.2061 Muster der nach Vertragsende meist wertlosen2062 „geschäftsspezifischen Investitionen“ sind z. B. die mittels oder im Zusammenhang mit dem HV-Vertrag auferlegten Kosten für hersteller- und markenspezifische Ausrüstung, etwa solche, die es dem HV erst ermöglichen, in der spezifischen Branche tätig zu werden,2063 z. B. „Corporate-Identity-Embleme“,2064 allgemein In2043 2044 2045 2046 2047 2048 2049

Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (301). Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (304). Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (304). Simon EWS 2010, 497 (498). Funke/Just DB 2010, 1389 (1391). Simon EWS 2010, 497 (498). Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384); de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (505); Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2271). 2050 Simon EWS 2010, 497 (498). 2051 de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (505). 2052 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384); de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (505). 2053 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384). 2054 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384). 2055 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384); aA Semler ZVertriebsR 2012, 156 (158), da es sich um ein HVtypisches Risiko handelt. 2056 Simon EWS 2010, 497 (498). 2057 Löffler ZVertriebsR 2015, 71 (78) – auch wenn die LL nach Ansicht von Löffler auf das Verhältnis zwischen Agenturen und Medienunternehmen nicht passen sollen. 2058 Simon EWS 2010, 497 (498). 2059 BB 2009, 2266 (2271). 2060 So wohl auch Simon EWS 2010, 497 (498). 2061 Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2271). 2062 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384). 2063 Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157). 2064 Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 161. 183

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vestitionen in Service,2065 beispielsweise in die Werkstatt eines Kfz-HV,2066 spezielle Kleidung für Servicepersonal,2067 spezifische Reparaturwerkzeuge2068 oder die Erbringung von Serviceund Gewährleistungsarbeiten im eigenen Namen.2069 Gegenbeispiele nicht geschäftsspezifischer Investitionen bilden solche in Telefonanlage, EDV, Büromöbel oder Maschinen, die sich auch nach Vertragsende nutzen lassen,2070 es sei denn, ein Verkauf der Investitionsgüter ist nur mit erheblichem Verlust möglich, z. B. bei herstellerbezogenen Maschinen wegen des kleinen Kreises potentieller Käufer (dann liegt eine verlorene Aufwendung vor).2071 Beide Gruppen von Risiken muss nach dem HV-Bild der LL grundsätzlich der Unternehmer tragen, damit ein vom Verbot des Art. 101 AEUV „freigestellter“ HV-Vertrag vorliegt. Trägt dagegen – leitbilduntypisch – der HV jene Risiken in mehr als unbedeutendem Umfang (die Übernahme geringer Risiken ist also gestattet – Tz 15 der LL2072), liegt kein HV-Vertrag sondern ein als HV-Vertrag „getarnter“ Eigenhändlervertrag vor,2073 den die LL nur eingeschränkt freistellen. 258 Umstritten ist, ob die Risiken auch schädlich sind, wenn dafür eine Kompensation gewährt wird. Das wird von einer bedeutenden Meinungsgruppe verneint.2074 Nach Ansicht von Steinhauer2075 befreit es den Unternehmer von dem kartellrechtlichen Risiko, wenn er den HV (im Beispiel von Steinhauer ein Tankstellen-HV) als Kompensation für das übernommene Risiko mit klar dafür definierten (zusätzlichen) finanziellen Vorteilen bedenkt, etwa erhöhten Provisionen oder einem Kostenzuschuss. Nach Ansicht von Stauber liegen keine die Einordnung als echter HV hindernde Investitionen vor, falls die übernommenen Risiken durch Vergünstigungen, etwa die Provision, hinreichend abgegolten werden.2076 Das ist diskussionswürdig. Die Bestimmung der angemessenen Gegenleistung wird aber schwierig. Jedenfalls müsste der Vorteil das finanzielle Risiko auch im denkbar schlechtesten Fall ausgleichen. Das Insolvenzrisiko des Unternehmers wird durch solche Zuwendungen ohnehin nicht abgedeckt, jedoch von der Kommission in Tz 16 lit. a und f beispielhaft nicht als schädlich angesehen. Im Versicherungsvertrieb ist es unschädlich, wenn der Bestand der Provision an die Police geknüpft wird.2077 Schädlich soll es sein, falls die Höhe der Provision am Verlauf des versicherten Risikos hängen soll.2078 Zusätzliche Dienstleistungen, wie die Schadensbearbeitung,2079 müssen vollständig vergütet werden.2080 Nach Ansicht von Klement2081 liegen mehr als geringfügige, jedoch keine wesentlichen Risiken, vor, sofern der HV die Möglichkeit besitzt, bei der Gestaltung der Umsatzgeschäfte mitzusprechen (Veto-Recht). 259 Es entspricht der Auffassung des EuGH, dass die Gefahren marktspezifischer Investitionen auf den Mittler (im entschiedenen Fall ein Tankstellen-HV) übergehen, wenn er mit der Übernahme der Waren vom Lieferanten deren Besitzer wird.2082 Auch der EuGH befürwortet in der Sache die Einordnung als nicht nach Art. 101 AEUV befreiter „eigenhändlergleicher“ HV, 2065 2066 2067 2068 2069 2070 2071 2072 2073 2074 2075 2076 2077 2078 2079 2080 2081 2082 Emde

Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157). Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157). Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384). Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384). Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157). Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 161. Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 162. Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 165. OLG Frankfurt/M. HVR Nr. 1086; Hopt § 86 Rn 38. Stauber NZKart 2015, 423 (426); Steinhauer BB 2009, 2386 (2387). Steinhauer BB 2009, 2386 (2387). Stauber NZKart 2015, 423 (426). Leitlinien Tz 16 lit. d; Stancke VersR 2009, 1168 (1171). Stancke VersR 2009, 1168 (1171). Stancke VersR 2009, 1168 (1171). LL Tz 16 lit. a, f; Stancke VersR 2009, 1168 (1171). WuW 2016, 15. EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437 (440) Rn 52. 184

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falls der Mittler Investitionen im Zusammenhang mit dem Absatz der Waren, z. B. für Räumlichkeiten oder Ausstattung wie einen Kraftstofftank,2083 vornehmen sowie in Werbeaktionen investieren müsse.2084 Dem Mittler, welchem die mit dem Vertrieb der Waren verbundenen Kosten, insb. die Beförderungskosten zugewiesen seien, trage gleichfalls das Absatzrisiko.2085 Auch nach dem EuGH schadet die Übernahme des Lagerrisikos2086: Trägt der HV die Haftung für Schäden an der Ware unabhängig davon, ob er der Pflicht nachkommt, die Waren unter Bedingungen aufzubewahren, welche einen Verlust oder ihre Verschlechterung ausschließen, übernimmt er das Absatzmittlungsrisiko.2087 Maßgeblich ist das mit der Bezahlung der Waren verbundene Risiko, etwa für den Fall, dass der Mittler keine Käufer findet oder später bezahlt wird.2088 Wenn dem Mittler die Waren innerhalb von 9 Tagen vom Hersteller bezahlt werden, soll er das kommerzielle Risiko tragen.2089 EuGH und Kommission kommen daher trotz unterschiedlicher Nomenklatur oft zum selben Ergebnis. Einen Schwellenwert für ein schädliches finanzielles Risiko nennen die LL nicht.2090 260 Ein HV-Vertrag im kartellrechtlichen Sinne liegt vor, sofern der HV in Hinblick auf alle vorgenannten Risiken keine oder nur unbedeutende Risiken trägt. Er setzt mithin voraus, dass der Unternehmer, so Tz 15 der LL, (fast) sämtliche in Tz 14 genannte finanziellen und geschäftlichen Risiken übernimmt, so dass der HV keine unabhängige Wirtschaftstätigkeit ausübt. Insbesondere muss die Verkaufs- und Ankauffunktion des HV Bestandteil der Tätigkeiten des Unternehmers – folglich dessen Aufgabe und Risiko – bleiben (siehe Tz 18), und zwar ungeachtet des Umstands, dass der HV ein eigenständiges Unternehmen führt. Nur dann ist der HV in das Vertriebssystem des Unternehmers „eingegliedert“. Die Rechtsform des HV ist – was als interne Organisationsmaßnahme selbstverständlich sein dürfte – für die Einordnung der Risiken und die Zuordnung zu HV- oder kartellrechtlich nicht privilegiertem Vertrag unerheblich (Tz 12),2091 ebenso die Verteilung der Risiken gem. den einzelstaatlichen Gesetzen (in Deutschland etwa §§ 86, 87d). Nach der zutreffenden Ansicht der Kommission in Tz 13 der LL soll es für die Abgrenzung nicht darauf ankommen, ob der HV für einen oder mehrere Unternehmer tätig ist.2092 Die Richtigkeit dieser Wertung wird vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH in Sachen „Flämische Reisebüros“2093 bestritten.2094 Jede andere Wertung als die von der Kommission eingenommene hätte die Umgehung aber zu einfach gemacht. Lubitz2095 vertritt, die Berücksichtigung allgemeiner Kosten, also der Kosten, die unabhän- 261 gig vom konkreten Erfolg des Geschäftes eintreten, wie z. B. Transportkosten, Unterhalt eines Ersatzteillagers usw., dürften für die Einordnung als HV- oder anderem Vertrag unmaßgeblich sein. Ob die allgemeinen Geschäftskosten den HV kartellrechtlich unbillig belasteten, hänge im Wesentlichen von der Höhe seiner Grundprovision ab. Es dürfe für die rechtliche Einordnung nicht entscheidend sein, wie hoch der Anteil der allgemeinen Kosten sei. Dem dürfte nicht beizupflichten sein, weil es sich um geschäftsspezifische Kosten handelt, die üblicherweise der 2083 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 39 – Tankstellenvertreter.

2084 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 (444) = WuW EU-R 1475 Rn 39 – Tankstellenvertreter; v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437 (441) Rn 59. EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437 (440) Rn 53; Steinhauer BB 2009, 2386 (2387). EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437 (440) Rn 54. EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437 (440) Rn 55. EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437 (440) Rn 56. EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437 (440) Rn 58. Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384). Hopt § 86 Rn 38. So auch Stancke VersR 2009, 1168 (1171) für den Versicherungsvertrieb. EuGH, Urt. v. 7.10.1987 – C 311/85, Amtl. Slg. 1987, 3801. Nolte BB 2017, 1987 (1990); Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 50. 2095 EWS 2003, 560 (558).

2085 2086 2087 2088 2089 2090 2091 2092 2093 2094

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Unternehmer trägt und die LL die Lagerhaltung klar als relevantes Risiko benennen. Jedoch dürfen entgegen dem LG Frankfurt/M.2096 die Kosten behördlicher Genehmigungen, die als Allgemeinkosten den Geschäftsbetrieb betreffen, nicht zur Einordnung als unechter HV führen. Möglicherweise war in dem vom LG Frankfurt/M. entschiedenen Fall eine andere Bewertung gerechtfertigt, weil diese Kosten untypisch hoch lagen. 262 Wer die genannten Risiken übernimmt, ist – so Tz 17 – an Hand der Umstände des Einzelfalls zu untersuchen,2097 und zwar unter Prüfung der tatsächlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten und – wie Tz 17 erneut betont – unabhängig von der Rechtsform des HV. Insoweit müssen, wie der EuGH2098 anerkennt, die nationalen Gerichte die mit dem Absatz der Waren verbundenen Risiken, die Finanzierung des Lagers, sowie die Risiken berücksichtigen, welche mit den marktspezifischen Investitionen verbunden sind, d. h. Investitionen, die erforderlich sind, damit der Absatzmittler Verträge mit Dritten aushandeln und abschließen kann. Es kommt also nicht nur auf den Wortlaut des Vertrages an, sondern auch auf dessen tatsächliche Durchführung. Zumindest erlaubt die praktische Durchführung Rückschlüsse zum vertraglich Vereinbarten. 263 Nach Auffassung der Kommission in dem partiell an die Formulierung der Weihnachtsbekanntmachung angelehnten Tz 16 der LL soll ein dem Art. 101 AEUV nicht unterfallender HVVertrag insb. (Regelbeispiele – Tz 17 LL) dann vorliegen, wenn das Eigentum an den gekauften und verkauften Vertragswaren nicht auf den HV übergeht (Warenvertreter)2099 oder der HV die Vertragsdienstleistungen nicht selbst erbringt (Dienstleistungsvertreter)2100 und zusätzlich der HV (bereits die Erfüllung eines Merkmals kann die Freistellung hindern) – nicht an den Kosten der Lieferung der betreffenden Waren einschließlich der Beförderungskosten (sofern sie nicht vom Unternehmer übernommen werden) beteiligt ist, – nicht auf eigenes Risiko Vertragswaren lagert oder die Lagerhaltung finanziert bzw. –außer bei Verschulden – für den Verlust der Lagerwaren haftet,2101 – gegenüber Dritten keine Haftung für Schäden durch das verkaufte Produkt übernimmt (Produkthaftung),2102 es sei denn, er ist als HV dafür verantwortlich, – keine Haftung dafür übernimmt, dass der Kunde seine Vertragspflichten erfüllt (Ausfallrisiko), ausgenommen den Verlust der Provision des HV (Provisionsrisiko). Bereits die Übernahme des Delkredere-Risikos soll i. d. S. schädlich sein,2103 – weder mittelbar noch unmittelbar verpflichtet ist, Investitionen in die Verkaufsförderung (z. B. Werbung) zu tätigen,

2096 2097 2098 2099 2100 2101

EWiR 2003, 573 (Emde). Ebenroth/Lange1 Vor § 84 Anh. II Rn 39. EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437 (440) Rn 51. Dann liegt nach Ansicht Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 169 bereits kein HV-Vertrag vor. Beides ist fast nicht anders denkbar. Vor allem ist der HV durchweg nie Eigentümer der vertriebenen Waren. Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 178 empfehlen zur Vermeidung dieses Merkmals, der HV solle dem Unternehmer die Lagerkosten in Rechnung stellen. 2102 Es sei denn, der HV haftet aus eigener Pflichtverletzung gegenüber dem Kunden, s. Stancke VersR 2009, 1168 (1171) zum Versicherungsvertrieb. Wird das Vertragsprodukt durch den HV in die EU eingeführt, haftet er gegenüber dem Kunden aus Produkthaftung. Nach Ansicht Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 194 fehlt das Risiko deshalb nur, wenn der Unternehmer den HV von diesem Risiko freistellt. Diese Bewertung ist zweifelhaft, weil es bei dem in Tz 16 genannten Risiko nicht um das der Eigenhaftung des HV gegenüber Dritten, etwa aus Delikt, geht, sondern um das Risiko unmittelbar aus dem Vertragsverhältnis zum Unternehmer. 2103 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 86b Rn 57; Schultze/ Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 196; aA Kapp/Andresen BB 2006, 2253 (2257), die in der Delkredereübernahme für bestimmte – nicht alle – Geschäfte ein Zusatzgeschäft zum HV-Vertrag sehen, welches bei der kartellrechtlichen Prüfung unbeachtet bleiben müsse. Nur im „Extremfall“ werde der HV durch die Delkredereübernahme zu einem „unechten Vertreter“ i. S. d. Leitlinien zur GVO 330/10. Emde

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keine marktspezifischen Investitionen in Ausrüstungen, Räumlichkeiten oder Personal tätigen muss (als Beispiele werden der Kraftstofftank des Mineralölvertreters2104 oder spezielle Software des VV erwähnt), und – keine anderen Tätigkeiten auf Verlangen des Unternehmers auf demselben sachlich relevanten Markt wahrnehmen muss, es sei denn, der Unternehmer übernimmt hierfür die Kosten. In der Praxis sind insb. die Kriterien der Investitionen in die Verkaufsförderung sowie der markt- 264 spezifischen Investitionen in Ausrüstung, Räumlichkeiten oder Personal Gegenstand der Diskussion.2105 Diese waren früher vom EuGH nicht als Abgrenzungsmerkmal herangezogen worden,2106 werden es jedoch jetzt.2107 Unter „marktspezifischen“ Investitionen versteht die Kommission solche, die nach einer Geschäftsaufgabe „verloren“ sind.2108 Es kommt folglich darauf an, ob der HV diese Investitionen nachvertraglich und werthaltig verwenden (dies wäre etwa der Fall beim Erwerb von allgemein gebräuchlicher Software, nicht aber bei Vertriebssoftware2109) oder die angeschafften Investitionsgüter ohne wesentlichen Verlust wieder veräußern kann.2110 Schädlich sind sie allerdings nur, sofern der HV sie tätigen muss, also zu ihnen verpflichtet ist.2111 Dies alles ist im Wege einer Einzelfallbetrachtung zu bewerten.2112 Eine Kostenbelastung mit allg. Werbemitteln wäre eine schädliche Investition.2113 Häufig widerspräche eine solche Belastung auch § 86a Abs. 1, Art. 4 Abs. 2 RL. Vor diesem Hintergrund dürfte ferner eine dem HV auferlegte Verpflichtung zum Erwerb von Musterkollektionen – je nach Einzelfall – Verbotsverdacht auslösen.2114 Soweit ein HV nur eines2115 und – erst recht – mehrere der in Tz 14, 16 genannten Negativ- 265 kriterien erfüllt, können – nicht müssen2116 – die im HV-Vertrag enthaltenen Wettbewerbsbeschränkungen Art. 101 Abs. 1 AEUV unterfallen,2117 falls dessen Anwendung nicht aus anderen Gründen, etwa wegen fehlender Spürbarkeit oder nach Art. 101 Abs. 3 AEUV, ausgeschlossen ist (vgl. Tz 17, 21 LL). Die Regelbeispiele des Tz 16 LL sind daher trotz der Aussage des Tz 21 LL, die Vereinbarung unterfalle dann Art. 101 AEUV, widerlegbar und besagen nicht, dass Investitionen der dort beschriebenen Art zwingend zur Erfüllung des Verbotstatbestandes des Art. 101 AEUV führen.2118 Sie konkretisieren, ohne eine abschließende Regelung zu enthalten („diese Aufstellung ist nicht erschöpfend“, Tz 17 LL), lediglich die Generalklausel des Tz 15 LL, derzufolge ein „echter“ HV-Vertrag vorliegt, wenn der HV keine oder nur unbedeutende Risiken trägt. Tz 16 LL nennt daher „weiße Klauseln“ („safe harbour“), bei deren Erfüllung gewöhnlich (Gegenbeweis zulässig) der Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV nicht erreicht ist, was der Kaute2104 Stancke VersR 2009, 1168 (1171); LL Tz 16. 2105 Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 50; s. a. Stauber NZKart 2015, 423 (426); Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157). Lange EWS 2001, 29; Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (298). EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437 (440) Rn 51. LL Tz 14. Stancke VersR 2009, 1168 (1171) zum Versicherungsvertrieb. Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 50. 2111 LL Tz 16; Stauber NZKart 2015, 423 (426); Nolte WuW 2006, 252 (258). 2112 Stauber NZKart 2015, 423 (426). 2113 LL Tz 16; Stancke VersR 2009, 1168 (1171) zum Versicherungsvertrieb. 2114 Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 50. 2115 AA KG Berlin, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06, S. 15. Undeutlich und möglw. ebenfalls aA Schultze/Pautke/ Wagener BB 2009, 2266 (2271); offen de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (505). 2116 Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 50. 2117 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 (55). 2118 Rittner DB 2000, 1211 (1214); Nolte WuW 2006, 254 (257); Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (298).

2106 2107 2108 2109 2110

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larjurisprudenz Rechtssicherheit geben soll. Jedoch besagen die Beispiele der Tz 16 LL nicht im Umkehrschluss, ihre Nichterfüllung leite automatisch zum Verbotstatbestand.2119 Im Einzelfall mag daher die Übernahme eines der in Tz 16 LL aufgezählten Risiken gleichwohl nicht zur Anwendung des Art. 101 AEUV führen. Die Nichtanwendbarkeit des Verbots-TB des Art. 101 Abs. 1 AEUV mag sich auch aus Art. 101 Abs. 3 AEUV ergeben. 266 Kosten, welche der HV gemeinschaftsweit und nach der RL leitbildtypisch zu übernehmen hat und daher der HV-Tätigkeit „vertrags- oder wesensimmanent“ sind, können die Einordnung als eigenhändlergleicher HV kaum begründen.2120 Beispiele: Provisionsausfallrisiko,2121 das wohl auch in § 87d gemeinte Risiko allgemeiner Geschäftskosten,2122 allgemeiner Investitionen in das HV-Unternehmen, etwa in Räume und Personal (Tz 15 LL)2123 oder für die Beschäftigung von Untervertretern oder Angestellten.2124 Es handelt sich um ein mit der HV-Tätigkeit untrennbar verbundenes Risiko (Tz 15).2125 Ist die Übernahme der in Tz 16 LL genannten Risiken „vertragsimmanent“, so fehlt es trotz der Separierung von Zivil- und Kartellrecht an einem Verstoß gegen Art. 101 AEUV und es bedarf keiner „Freistellung“ durch die LL. Insbesondere Pflichten, die – wie die Interessenwahrnehmungspflicht in der RL 19862126 (dort: Art. 3 Abs. 1) – europarechtlich determiniert sind, können den Vertrag als „HV-typisch“ nicht in den Bereich eigenhändlergleicher HV-Verträge und damit in den Bereich des Verbotstatbestandes führen. Denn die Kommission wollte nicht verbieten, was EU-Recht mittels der RL europaweit einförmig nach einheitlichem Leitbild geschaffen hatte. Der „gesetzestypische“ HV i. S. d. § 84 ff., soweit er dem Leitbild der RL folgt, unterfällt nicht dem Verbot des EU-Wettbewerbsrechts. Mit dem „echten“ HV hatten die LL exakt diesen HV-Typ im Auge und wollten ihn vom Verbot des Art. 101 AEUV ausnehmen.2127 Für RL-typische HV ändert sich also weder durch die GVO 330/10 noch durch ihre Leitlinien viel am bisherigen Rechtszustand.2128 Vertragsimmanenz halten etwa Schultze/ Pautke/Wagener2129 in bestimmten Branchen bei der Übernahme der Delkrederehaftung für möglich. Gleiches mag für manche Arten von Investitionen gelten. Bei allen Regelbeispielen der Tz 16 ist zudem zu berücksichtigen, dass geringe Beteiligun267 gen,2130 Investitionen, Risiken und Haftung, zulässig bleiben und die Freiheit von den Beschränkungen des Art. 101 AEUV nicht ausschließen (s. o.). Auf eine dahin gehende Klarstellung hatte insb. eine Stellungnahme des Europäischen Parlaments2131 zu den LL der GVO 2790/99 gedrängt und folglich ist dies in der Grundregel des Tz 15 LL zum Ausdruck gebracht worden („keine oder nur unbedeutende Risiken“). Dem stimmt der EuGH im Ergebnis zu: Art. 101 AEUV bleibt unanwendbar, falls der Mittler nur einen geringen Teil des wirtschaftlichen Risikos trägt.2132

2119 2120 2121 2122 2123 2124 2125 2126

Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (298). Vgl. Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157); Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384). Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157). Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157). Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384). Offengelassen von Rittner DB 1999, 2097, 2100. Siehe Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157); Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 159. ABl. EG v. 31.12.1986, Nr. L 382/17, wiedergegeben bei Hopt Materialien I und Ebenroth/Hakenberg2 Vor § 84 Anh. Rn 1 f. Zu den Zielen der RL ausführlich Eberstein S. 20 ff. 2127 Klotz in: Schröter/Jakob/Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 81 – Fallgruppen Liefer- und Bezugsvereinbarungen Rn 57. 2128 Emde VersR 2001, 148 (157); ebenso Pukall NJW 2000, 1375 (1377); Röhricht/Graf v. Westphalen/Küstner2 § 86 Rn 27a; übermäßig pessimistisch noch Rittner DB 1999, 2097 (2101): Die meisten HV-Verträge würden dem Verbot des Art. 101 AEUV unterfallen. 2129 Vertikal-GVO, 2001, Rn 196. 2130 Zweifelnd Rittner DB 2000, 1211 (1214); Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 165, 171. 2131 Resolution v. 3.5.2000; s. Rittner DB 2000, 1211 (1212). 2132 EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, GRUR 2007, 437 (441) Rn 61. Emde

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Nach Auffassung des OLG Hamburg2133 in einer Entscheidung, welche einen noch nach den 268 GVO 1983 und 1984/84 zu beurteilenden Altfall betraf, sollen Risiken, die – wie ein Absatzrückgang – beide Vertragspartner gleichermaßen bedrohen, ebenso wenig in die Abgrenzung einfließen wie Risiken, die – wie etwa ein Betrug – jeden Teilnehmer am Rechtsleben gefährden. Wenn sich diese Wertung, was Pohlmann2134 annimmt, auf den heutigen Rechtszustand übertragen lassen sollte, ist dem nur bedingt zuzustimmen: Zum einen macht jetzt Tz 16 lit. b LL deutlich, dass auch das Risiko des Verlustes von Lagerbeständen – wohl auch infolge einer Straftat – schädlich sein soll. Zum anderen kann die Generalisierung, beide Vertragspartner treffende Risken seien bei der Abgrenzung unmaßgeblich, so nicht richtig sein. Denn die meisten wirtschaftlichen Risiken gefährden beide Vertragspartner, so dass hierdurch die Abgrenzung der Leitlinien nivelliert würde. Ähnlich großzügig war das KG2135 für einen Tankstellen-HV-Vertrag: Nicht zur Einordnung als unechter HV soll es nach seiner Ansicht führen, wenn der Tankstellen-HV das Risiko von Benzindiebstählen trage. Die insoweit vom HV vorzunehmende Vorfinanzierung sei zu vernachlässigen, da es sich um nur geringfügige Beträge handele und das Risiko dem Einflussbereich des Pächters unterliege. Das gleiche gelte für die Abbuchung des Kaufpreises für die Nachlieferung von Schmierstoffen, da es zu einer nicht als wesentlich einzustufenden Risikoverlagerung führe.2136 Denn der Pächter entscheide allein über den Umfang der Nachbestellung. Unerheblich sei auch eine Pachtzahlung, sofern sie nur für das Eigengeschäft und nicht für die Überlassung der Tankstelle erfolge.2137 Die anteilige Haftung für Seminare, an denen der HV teilnehme, sei ebenfalls kein ins Gewicht fallendes Risiko.2138 Das OLG Frankfurt/M.2139 entnahm einer Vielzahl der von einem Bezirkshändler übernom- 269 menen, jeweils von ihm selbst zu finanzierenden Verpflichtungen, dass es sich um einen unechten HV- bzw. Kommissionsvertrag handelte. Entscheidend waren die Verpflichtung, an Maßnahmen der Verkaufsförderung mit eigenen Mitteln teilzunehmen, die erforderlichen Einrichtungen zur Verkaufsförderung und für den Vertrieb der Produkte sowie Lagerräume auf ihre Kosten zu unterhalten und das Lager auf seine Kosten zugunsten des Unternehmers zu versichern. Weiter haftete der Händler zum Zeitpunkt der Ablieferung für Verluste und Beschädigung der Produkte und übernahm das Delkredererisiko. Das LG Frankfurt/M.2140 sah infolge der Zuweisung folgender Kosten auf den als Autovermieter nach dem „Hertz“-System tätigen HV die Stellung als eigenhändlergleicher HV begründet: Ausstattung von Büro- und Vermietlokal sowie Parkflächenkennzeichnung, Signalisation, Kosten behördlicher Genehmigungen, Werbemaßnahmen, Kosten der Vertragsdokumentation (sog. Transaktionsgebühr), Avalkosten für eine zur Sicherheit gestellte Vertragserfüllungsbürgschaft sowie die Überführungskosten der zu vermietenden Fahrzeuge. Es bestehen allerdings Zweifel, ob die Kosten einer Sicherheit tatsächlich solche sind, die typischerweise der Unternehmer zu tragen hat und die auf den HV „abgewälzt“ werden.2141 Nach Ansicht des OLG Hamburg2142 widersprechen die Tankstellen-HV-Verträge von ESSO 270 nicht Art. 101 AEUV, da dem HV nicht mehr als unbedeutende Risiken in Bezug auf die für den Unternehmer geschlossenen Verträge zugewiesen worden waren. Ein nach den LL befreiter HV sei derjenige, den keine der Risiken aus den für den Geschäftsherrn vermittelten Geschäften

2133 2134 2135 2136 2137 2138 2139

EWiR 2001, 229 (Pohlmann). EWiR 2001, 229 (230). Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. Urt. v. 16.9.2014 – 11 U 46/13 (Kart), ZVertriebsR 2015, 264 = WuW DE-R 4749 = WuW 2015, 907 m. Anm. Stein ZVertriebsR 2015, 372 und Anm. Ostendorf GWR 2015, 255. 2140 EWiR 2003, 573 (Emde). Die Entscheidung wurde in der Berufungsinstanz aufgehoben. 2141 Emde EWiR 2003, 573. 2142 OLG Hamburg, Urt. v. 30.3.2006 – 10 U 16/05. 189

Emde

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träfe und der lediglich als Hilfsorgan in dessen Unternehmen integriert sei. Das OLG sah folgende Risiken nicht als so erheblich an, dass die Grenze zum eigenhändlergleichen HV überschritten wurde: – Dass der HV Schmierstoffe im geringen Umfang vorfinanzieren müsse, wenn die Höhe des dafür übernommenen Kredites mindestens einmal jährlich überprüft und angepasst werde und Absatzveränderungen zur sofortigen Anpassung des Agenturkredits führen sollten. – Die teilweise Ablehnung der Rücknahme von Schmierstoffen nach Überlagerung. Der HV müsse als Lagerhalter den Ablauf der Verfalldaten überwachen. Er dürfe bei einer Verletzung dieser Nebenpflicht keine Rücknahme der nicht mehr abzusetzenden Ware fordern. – Das Diebstahl2143- und Delkredere-Risiko.2144 – Die Anmietung der Tankstelle: Die Anmietung von Geschäftsräumen sei typischerweise mit der Tätigkeit als HV verbunden. 271 Ähnlich entschied das KG2145 zu den seinerzeitigen Tankstellenverträgen von Total. Der BGH2146 hat offen gelassen, ob Tankstellen-HV HV i. S. d. LL zur heutigen GVO 330/10 sind. Mit einem Agenturkredit sei für den Tankstellen-HV kein die Einordnung als „unechter“ HV rechtfertigendes finanzielles Risiko verbunden. Die Mineralölunternehmen würden den Agenturkredit kostenfrei und zinslos bis zur Auflösung der Geschäftsverbindung zur Verfügung stellen.2147 Eine Abgrenzung der Risiken findet sich auch in dem oben, Rn 219, bereits erwähnten Urteil 272 des EuG vom 15.9.2005,2148 mit dem das EuG die den Mercedes-Vertrieb betreffende Entscheidung der Kommission 2002/758/EG v. 10.10.2001 gegen Daimler Chrysler aufhob.2149 Die Kommission hatte Mercedes-Benz Autohäuser als eigenhändlergleiche, unechte HV angesehen.2150 Für diese Einordnung waren die folgenden wirtschaftlichen Risiken des HV entscheidend: Beteiligung am Preisrisiko, dass Preiszugeständnisse beim Neuwagenverkauf vollständig sowie Mengen- oder Verwerterrabatte bis zur Höhe von 6 % zzgl. Boni zu Lasten der Provision des HV gingen, Übernahme des Transport– und Transportkostenrisikos für Neufahrzeuge, erhebliche eigene Aufwendungen zur Verkaufsförderung durch Erwerb von Vorführwagen auf eigene Rechnung, Einrichtung der Werkstatt auf eigene Kosten, Unterhaltung eines Ersatzteillagers auf eigene Rechnung sowie Überwiegen der Umsätze des HV aus eigenunternehmerischer Tätigkeit gegenüber denjenigen aus der Vermittlung von Neuwagen um ein Mehrfaches. Das EuG urteilte großzügiger: Ein HV unterfalle nicht dem Verbot des Art. 101 AEUV, falls er keine finanziellen Risiken des Absatzes oder der Abwicklung der mit Dritten geschlossenen Verträge zu tragen habe. Der HV habe beim Aushandeln der Preise keine Befugnisse. Er müsse keine Neuwagen auf Lager halten, das Preisrisiko der Lagerhaltung entfalle also. Preisnachlässe zu Lasten seiner Provisionen bildeten kein Preisrisiko. Ein Risiko trage der HV, soweit er verpflichtet sei, Vorführwagen zu erwerben.2151 Die Kfz würden jedoch zu einem Vorzugspreis in Rechnung gestellt und nach 3–6 Monaten weiterveräußert. Das Risiko sei also gering. Es sei nicht dargetan, dass die Vergütung für Gewährleistungsarbeiten des HV kaufmännisch unangemessen wäre und ein finanzielles Risiko darstelle. Diese Großzügigkeit eröffnet auch Franchisesystemen die Möglichkeit, sich als Mittel der Preisbindung HV-Systemen zuzuwenden. Kritisch äußerten sich Enstha2143 2144 2145 2146

Ebenso KG Berlin, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. AA wohl Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384). KG Berlin, Urt. v. 26.3.2007 – 23 U 7/06. BGH, Urt. v. 18.4.2007 – VIII ZR 117/06, WRP 2007, 977 = BB 2007, 1750 m. Anm. Thume = EWiR 2008, 17 (Döpfer); s. zu Tankstellen-HV auch EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C 217/05, GRUR 2007, 437 (441). 2147 BGH, Urt. v. 18.4.2007 – VIII R 117/06, WRP 2007, 977 = BB 2007, 1750 m. Anm. Thume = EWiR 2008, 17 (Döpfer). 2148 T-325/01 – Daimler Chrysler/Kommission, WuW 2005, 1061 = EU-R 933; mit Komm. Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 sowie krit. Besprechung Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167 ff. 2149 EuZW 2001, 674; hierzu Lubitz EWS 2004, 556; Emde VersR 2003, 420; Emde BB 2005, 394. 2150 ABlEG 2002 Nr. L 257, 32 ff., aufgehoben durch EuGH, Urt. v. 15.9.2005 – T-325/01. 2151 Immerhin handelte es sich um bis zu 80 Vorführwagen/Jahr, die der HV auf eigenes Risko anschaffen und als Gebrauchtwagen veräußern musste, siehe Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (300). Emde

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ler/Gesmann-Nuissl2152: Bei zutreffender Wertung der Aufgaben des Kfz-HV hätte das EuG mglw. entscheiden müssen, dass ihr Risiko ebenso hoch wie das von Kfz-Vertragshändlern sei. DaimlerChrysler-HV müssten sich verpflichten, Fahrzeuge nach Ablauf eines Leasingvertrages zum Restwert zurück zu nehmen und ihre Verkaufsräume entsprechend der Corporate Identity DaimlerChryslers zu gestalten, was ein erhebliches Risiko begründe.2153 Nach Ansicht von Pfeffer/Wegner2154 ist nach dem Urteil DaimlerChrysler ./. Kommission bei 273 den finanziellen Risiken zwischen Hauptrisiken und sonstigen Risiken abzugrenzen. Hauptrisiken seien die Risiken, welche unmittelbar mit den vermittelten Verträgen im Zusammenhang ständen und sich ausschließlich für die Vermittlungs-/Verkaufsleistung amortisieren müssten. Zu den Hauptrisiken zählten neben dem Finanzierungs- und Absatzrisiko (einschließlich des Delkredererisikos2155) auch das Risiko der Vertragserfüllung gegenüber dem Kunden (Produkt- und Produkthaftungsrisiko). In der schwarzen Liste der LL seien diese Hauptrisiken in den Spiegelstrichen 3, 6 und 7 aufgeführt. Sie dürften auch in Zukunft eine zentrale Rolle bei der kartellrechtlichen Bewertung eines HV-Vertrages spielen. Bei den Hauptrisiken sei die Übernahme unbedeutender Risiken unschädlich.2156 Die Absatzförderungspflicht sei die Hauptpflicht des HV. Er müsse daher in sie investieren. Sonstige Risiken seien solche, deren Verwirklichung nicht mit dem Erfolg der Vermittlungs-/ Verkaufsleistung zusammenhinge, die sich daher auch nicht über die Vermittlungsleistung amortisieren müssten.2157 Investitionen in die Absatzförderung seien bei begrenztem Risiko zulässig.2158 Investitionen in die Werbung blieben auch im Rahmen eines echten HV-Vertrages zulässig.2159 Wenn das Kriterium der Eingliederung erfüllt sei und Hauptrisiken beim Handelsherrn lägen, spreche eine Vermutung dafür, dass der HV als Hilfsorgan des Handelsherrn agiere.2160 Tz 18 LL nennt wettbewerbsbeschränkende Abreden, die in HV-Verträgen stets zulässig sind. 274 Die in Tz 18 LL genannten Beispiele der Vertragsgestaltung sollen einen sicheren Hafen bei der Formulierung dieser Verträge geben, also das – wenn auch rudimentäre – Vertragskorsett eines kartellrechtlich zulässigen HV-Vertrages. Ausdrücklich freigestellt sind gemäß Tz 18 LL: – Sämtliche Verpflichtungen des HV bezüglich der für den Unternehmer geschlossenen bzw. ausgehandelten Verträge; – Beschränkungen hinsichtlich des Gebiets, in welchem der HV die fraglichen Waren oder Dienstleistungen verkaufen darf; – Beschränkungen hinsichtlich der Kunden, an die der HV die fraglichen Waren oder Dienstleistungen verkaufen darf; – Festlegung der Preise und der Bedingungen, zu denen der HV die fraglichen Waren oder Dienstleistungen verkaufen oder beziehen darf.

(b) Rechtsfolgen „echter“ Handelsvertreterverträge. Tz 15, 16 und 18 LL bestimmen die 275 Rechtsfolgen kartellrechtlich akzeptierter, „echter“ HV-Verträge. Gemäß Tz 13 LL ist Art. 101 AEUV auf einen HV-Vertrag ohne finanzielles Risiko zumindest insoweit unanwendbar, als die Regelung die An- und Verkaufsfunktion des HV betrifft. Damit gemeint sind Vertragsbestimmungen, welche die vom HV vermittelten oder abgeschlossenen Verträge betreffen. Den gem. Tz 18 2152 2153 2154 2155

EuZW 2006, 167 (168). Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2006, 2589 (2592). EWS 2006, 296 (302). AA Kapp/Andresen BB 2006, 2253 (2257), die in der Delkredereübernahme für bestimmte – nicht alle – Geschäfte ein Zusatzgeschäft zum HV-Vertrag sehen, welches bei der kartellrechtlichen Prüfung unbeachtet bleiben müsse. Nur im „Extremfall“ werde der HV durch die Delkredereübernahme zu einem „unechten HV“ i. S. d. LL zur GVO 330/10. 2156 Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (302). 2157 Eilmansberger ZWeR 1/2006, 64 (72); Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (302). 2158 Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (303). 2159 Rittner DB 2000, 1211 (1214); Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (303). 2160 Pfeffer/Wegner EWS 2006, 296 (302). 191

Emde

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LL von Art. 101 AEUV nicht erfassten Regelungen zur An- und Verkaufsfunktion hinsichtlich ihrer kartellrechtlichen Unbedenklichkeit gleichgestellt werden die in Tz 18, 19 LL genannten Klauseln, welche das Verhältnis zwischen Unternehmer und HV regeln. Bei „echten“ HV-Verträgen sind also sämtliche dieser wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, sofern kein Fall der Kollusion (Tz 20 LL) vorliegt, nicht von Art. 101 AEUV erfasst.2161 Das gilt unabhängig davon, ob der Vertrag die Voraussetzungen der GVO 330/10 einhält. Er unterfällt nach Ansicht der Kommission vielmehr insoweit auch ohne die Einhaltung ihrer TB-Merkmale „ipso Leitlinie“ nicht Art. 101 AEUV. Unter diesen Umständen können – je nach Vertragsgestaltung – nicht nur wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, welche die Tätigkeit des HV bei der Werbung gegenüber den Kunden einschränken (z. B. Gebietsschutzabreden, Wettbewerbsverbote2162) vom Verbots-TB nicht erfasst sein, sondern auch solche, welche das Verhältnis zwischen Unternehmer und HV regeln (z. B. Ausschließlichkeitsbindungen,2163 Gebiets- und Kundenkreisbeschränkungen, Verpflichtung zur Gleichpreisigkeit,2164 Preisvorgaben).2165 Nicht vom Verbots-TB des Art. 101 AEUV erfasst sind damit in „echten“ HV-Verträgen – je 276 nach den Regelungen des Vertrages – insbesondere – Gebiets- und Kundenkreisbeschränkungen,2166 – Preis- und Konditionenvorgaben,2167 – Die Verpflichtung des Unternehmers, die HV gleich zu behandeln, etwa bei den Provisionsabreden,2168 – ein Verbot der Provisionsweitergabe oder -teilung (Tz 49 LL).2169 Ausnahme: Wenn der Unternehmer kein berechtigtes Interesse an der Beachtung seiner Preispolitik nachweisen kann.2170 277 In Tz 19 LL werden die Folgen bestimmter, das Verhältnis zwischen Unternehmer und HV betreffender Bestimmungen beschrieben, zum einen Klauseln, die den Unternehmer daran hindern, andere HV im Gebiet/Kundenkreis/Bezirk des HV zu ernennen (Alleinvertreterklauseln) und zum anderen von Wettbewerbsabreden (Markenzwang- oder Alleinvertreterklauseln). 278 Tz 19 LL stellt Alleinvertreterklauseln in HV-Verträgen ausdrücklich frei,2171 sofern nicht ein Fall der Marktabschottung vorliegt (Rn 279). Exklusivbindungen des Unternehmers sind also zulässig. Jedenfalls aber können sie ggf. durch die GVO 330/10 freigestellt werden2172 oder nach Art. 101 Abs. 3 AEUV zu Effizienzgewinnen führen.2173 Alleinvertreterklauseln sind Regelungen, die dem Unternehmer verbieten, andere HV für bestimmte Geschäfte, Kunden oder Gebiete zu ernennen. Alleinvertreterklauseln betreffen ausschließlich den markeninternen Wettbewerb und dürften i. d. R. keine wettbewerbswidrigen Wirkungen entfalten. Der Unternehmer kann folglich aufgrund seiner Preishoheit Wettbewerb unter seinen HV verhindern, sofern der HV 2161 Kapp WuW 2007, 1218 (1224); so wohl auch Ebenroth/Lange1 Vor § 84 Anh. II Rn 40; Langen/Bunte/Baron, Einf. EG-KartellR Rn 158. 2162 Kapp/Andresen BB 2006, 2253 (2256 f.); Kapp WuW 2007, 1218 (1223): Prüfungsmaßstab sei allein Art. 102 AEUV. 2163 Kommissionsentscheidung BIPAR. 2164 Hopt § 86 Rn 35, 36 (zum GWB). 2165 Lange EWS 2001, 18 (19). 2166 Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 48; Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 155. 2167 Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 51; Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 155. 2168 Hopt § 86 Rn 35, 36 (zum GWB). 2169 Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 51; Kapp/Andresen BB 2006, 2253 (2257). 2170 Kapp/Andresen BB 2006, 2253 (2257). 2171 Semler ZVertriebsR 2012, 156 (159); Hopt § 86 Rn 38. 2172 Semler ZVertriebsR 2012, 156 (159). 2173 Semler ZVertriebsR 2012, 156 (159). Emde

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nicht seine Provision mit dem Kunden teilt. Eine Exklusivbindung des Prinzipals hat also meist nur Auswirkungen auf den „Intra-Brand-Wettbewerb“, und damit keine wettbewerbsbeschränkende Wirkung. Wettbewerbsverbote, die sich ausschließlich gegen bestimmte, einzelne Unternehmer richten, können gleichwohl unzulässig sein.2174 Auch Exklusivbindungen des HV2175 sind grds. zulässig. Gem. Tz 19 LL können vertragsbe- 279 gleitende wie nachvertragliche Exklusivbindungen des HV („Markenzwang- oder Wettbewerbsverbote“), also Bestimmungen, die dem HV untersagen, für einen Wettbewerber des Unternehmers tätig zu werden,2176 nur dann ausnahmsweise unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen, sofern sie zur kumulativen Abschottung des relevanten Marktes führten, auf dem die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkauft oder gekauft würden.2177 Auch sie können gem. Art. 5 GVO 330/10 befreit sein. Außerdem mögen im Einzelfall Effizienzgewinne gem. Tz 144–148 LL gegeben sein. Tatsächlich dürfte eine Marktabschottung nur in Ausnahmefällen vorstellbar sein; z. B. wenn in bestimmten Märkten nur wenige „Spezialisten“ oder stationäre HV mit besonderer, auf den Vertrieb eingerichteter Ausstattung als HV tätig sind2178 und sie durch die Exklusivbindung an der Tätigkeit für andere Unternehmer gehindert werden. Teilweise wird vertreten,2179 auch gegenüber HV dürften Wettbewerbsverbote ohne Gefährdung der kartellrechtlichen Unbedenklichkeit nicht vereinbart werden. Dem kann für den Regelfall nicht beigetreten werden, da Tz 19 LL Markenzwangklauseln leitbildartig nur im Falle der Kollusion (dies wäre ein ohnehin unzulässiger Umgehungsfall) dem Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV unterwirft.2180 Tz 20 LL trifft mit dem Fall der Kollusion eine Sonderregelung für eine Konstellation, in der ausnahmsweise auch HV-Verträge vom Verbot des Art. 101 AEUV erfasst sind. Hieraus kann im Rückschluss entnommen werden, dass in anderen Fällen eine Befreiung eintritt. Gegenüber dem HV besteht hinsichtlich der Auferlegung eines Konkurrenzverbotes größere Vertragsfreiheit als gegenüber dem Eigenhändler. Denn beim HV trägt in erster Linie der Unternehmer das Vertriebsrisiko.2181 Nur dieses Verständnis steht im Einklang mit der Entscheidung des EuGH in der Angelegenheit Suiker Unie2182: Denn dort hatte der EuGH bei HV-Verträgen eine Exklusivitätsbindung des HV, d. h. das Verbot für konkurrierende Hersteller tätig zu werden, gestattet. Wäre man anderer Ansicht, gälte im Ergebnis nichts anderes: Die LL i. V. m. der GVO kön- 280 nen nur das vom Verbot des Art. 101 AEUV befreien, was ihm überhaupt unterfällt. Wettbewerbsverbote, welche dem HV verbieten, für einen Konkurrenten des Unternehmers tätig zu werden, sind jedoch durch Art. 3 Abs. 1 RL im Verhältnis zu HV europarechtlich erlaubt2183 und dem HV-Vertrag als Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht2184 immanent.2185 Sie unterfallen nicht dem Verbotstatbestand des Art. 101 AEUV (Immanenztheorie).

(6) Eigenhändlergleiche „unechte“ Handelsvertreterverträge. Eigenhändlergleiche HV- 281 Verträge sind nicht durch die Tz 12 ff. LL im Wege der „Bereichsausnahme“ von Art. 101 AEUV 2174 Kapp WuW 2007, 1218 (1227). 2175 Kapp WuW 2007, 1218 (1224); Hopt § 86 Rn 38; aA Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 52; unklar Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 157.

2176 Semler ZVertriebsR 2012, 156 (159). 2177 OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, WuW 2018, 49 Rn 24; Semler ZVertriebsR 2012, 156 (160). 2178 Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 52.

2179 Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 52.

2180 2181 2182 2183 2184 2185 193

Kapp WuW 2007, 1218 (1224); Langen/Bunte/Baron, Einf. EG-KartellR Rn 158. Kapp WuW 2007, 1218 (1226). EuGH, Urt. v. 16.12.1975, Slg. 1975, 1663, 478 (481 ff.). Kapp WuW 2007, 1218 (1224). Ebenroth/Lange1 Vor § 84 Anh. II Rn 27. Ebenroth/Lange1 Vor § 84 Anh. II Rn 28. Emde

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freigestellt.2186 Beispiel: viele Internetplattformen.2187 Sofern Art. 101 AEUV diese Verträge erfasst (was nicht automatisch aus der Einordnung als „unechter“ HV folgt2188), bedarf es einer außerhalb der LL geregelten Freistellung, etwa nach der GVO 330/102189 (Tz 18 LL2190). Dies betrifft auch das Verbot der Preisbindung, mehr als 5jähriger Wettbewerbsverbote des Art. 5 Abs. 1 lit. a GVO 330/10,2191 welches in eigenhändlergleichen Verträgen das vertragsbegleitende Wettbewerbverbot des § 86 analog im Wege der Spezialität verdrängt2192 sowie Wettbewerbsbeschränkungen, die das wirtschaftliche Verhalten des Mittlers gegenüber den Kunden beim Verkauf (bzw. Kauf) der Vertragsprodukte betreffen (z. B. Gebiets- und Kundenkreisbeschränkungen, Preisvorgaben), also den Markt für die Waren und/oder Dienstleistungen, deren Verkauf der Mittler fördern soll. Auch das Verbot der Provisionsweitergabe, d. h. das Verbot der Teilung der Provision mit dem Kunden, darf gegenüber eigenhändlergleichen HV nicht vereinbart werden;2193 ein solcher Mittler soll seine Vergütungshöhe gegenüber dem Kunden selbst festlegen dürfen.2194 Liegt ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV vor, können die Kartellbehörden den beteiligten Unternehmen aufgeben, Zuwiderhandlungen abzustellen (Art. 7 VO 1/2003; § 32 Abs. 1 GWB). Ggf. können sie Geldbußen verhängen (Art. 23 VO 1/2003, § 81 GWB). Zivilrechtliche Folgen können sich gleichfalls ergeben: die Verträge können gem. Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB i. V. m. § 134 BGB nichtig sein.2195 Es stellt sich darüber hinaus die Frage nach den Auswirkungen auf den Vertrag gem. § 139 BGB.2196

282 (7) Zwischenergebnis. „Echte“ HV-Verträge sind zumindest hinsichtlich der Vertragsbestimmungen zur An- und Verkaufsfunktion des HV sowie den in Tz 18, 19 LL gleichgestellten Bestimmungen zum Verhältnis zwischen Unternehmer und HV vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Abreden des Art. 101 AEUV befreit. Dabei ist davon auszugehen, dass der weit überwiegende Teil der HV-Verträge dergestalt als „echt“ und nicht als „eigenhändlergleich“ anzusehen ist. Eigenhändlergleiche HV-Verträge werden hingegen nur freigestellt, wenn eine Einzel- oder Gruppenfreistellung eingreift oder der Verbotstatbestand des Art 101 AEUV aus anderen Gründen, etwa wegen fehlender Spürbarkeit, nicht erfüllt ist.

283 cc) Unechte Vertragshändler- oder Franchiseverträge? Von Karsten Schmidt ist die Frage gestellt worden, ob es nicht – vergleichbar „unechten“, eigenhändlergleichen HV – möglicherweise unechte Vertragshändler oder Franchisenehmer gibt, die nur nach außen als eigene Wirtschaftsstufe auftreten, aber wie „echte“ HV zu behandeln sind.2197 Dann dürften ihnen gegenüber Preise und Konditionen für den Weiterverkauf vorgeschrieben werden. Das wird wohl abzulehnen sein. Sowohl nach dem Abgrenzungskriterium des wirtschaftlichen Risikos wie der Eingliederung heben sich diese Mittler von „echten“ HV ab. Gerade der Umkehrschluss aus der LL, die im Falle der Über2186 2187 2188 2189

Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157). Pautke/Schultze WuW 2019, 2 (7). Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157). Stancke VersR 2009, 1168 (1171) zum Versicherungsvertrieb; Hopt § 86 Rn 38; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 (55). 2190 Die partiell anders lautende, für die GVO 2790/99 eingenommene Ansicht aus Staub/Emde5 Vor § 84 Rn 223 ff., wird aufgegeben. 2191 Hierzu Emde WRP 2005, 1492. 2192 Emde WRP 2005, 1492 (1495 ff.). 2193 Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 5; Kapp/Andresen BB 2006, 2253 (2257). 2194 AA Stancke VersR 2009, 1168 (1172) zum Versicherungsvertrieb. 2195 Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157). 2196 Semler ZVertriebsR 2012, 156 (157). 2197 Karsten Schmidt JuS 2008, 665 (670). Emde

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nahme wirtschaftlicher Risiken, wie dem aus dem Folgegeschäft solcher Mittler, eine „Befreiung“ durch die Zuweisung zur Gruppe der nicht von Art. 101 Abs. 1 AEUV betroffenen Mittler ablehnt, spricht gegen den Gedanken von Karsten Schmidt. Eine kartellrechtliche Sonderegelung, nämlich die Rechtsfigur der „echten“ HV, sollte nicht zu Lasten des Schutzgedankens des Kartellrechts unnötig erweitert werden. Schließlich werden sich kaum TB-Voraussetzungen finden lassen, die eine saubere Separierung von anderen Eigenhändlern erlauben.

g) Freistellung nach der kartellrechtlichen Gruppenfreistellungsverordnungen aa) Die GVO 330/2010 (1) Einleitung. Seit dem 1.6.2010 hat die wirksam aufgrund Art. 1 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1215/99 erlas- 284 sene2198 Vertikal-GVO 330/102199 Alt-GVO 2790/99 (zu ihr Staub/Emde 5. Aufl. Vor § 84 Rn 113 ff.) abgelöst. Vor der GVO 2790/99 stellten die GVOs 1983/83, 1984/83 sowie die Franchise-GVO 4087/ 882200 vertikale Beschränkungen vom seinerzeitigen Verbot des Art. 81 EG (jetzt wortgleich Art. 101 AEUV) frei. Im Wesentlichen folgt die GVO 330/10 (im Folgenden „GVO“) Aufbau und Systematik der GVO 2790/99.2201 Teilweise beschränken sich die Unterschiede auf die Übersetzung;2202 die bedeutendsten Änderungen finden sich in den erläuternden LL.2203 So wurde etwa der Begriff des „Käufers“ durch „Abnehmer“ und der des „Lieferanten“ durch „Anbieter“ ersetzt. Zudem gilt die zur Unanwendbarkeit der Freistellung führende Marktanteilschwelle von 30 %, abweichend von der Vorgänger-GVO, nicht nur für den Anbieter, also meist den Hersteller oder in der Rechtsprache des HGB den „Unternehmer“, sondern auch für den „Abnehmer“, also den Vertriebsmittler. Überflüssige Vorschriften wurden gestrichen, etwa Art. 6 GVO 2790/99, der einen Entzug des Rechtsvorteils der Freistellung im Einzelfall vorsah (Art. 29 Abs. 1 VO/03 regelt dies); der bisher in Art. 8 GVO 2790/99 geregelte Fall der Nichtanwendung der GVO ist in Art. 6 GVO 330/10 – mit Ausnahme des weggefallenen Art. 8 Abs. 2 GVO 2790/99 – inhaltsgleich und lediglich mit einigen terminologischen Veränderungen geregelt, Art. 12, 12a GVO 2790/99 sind ersatzlos weggefallen. Die dem Schutz der Marktgegenseite dienende2204 GVO 330/10 muss sehr komplexe und 285 sich teilweise widerstreitende Interessen berücksichtigen und regeln.2205 Wegen ihrer Geltungsdauer wird es jedoch immer neue Entwicklungen geben, die von der GVO nicht abgedeckt sind, weil sie sich nicht voraussehen ließen.2206 Insb. Gerichte sorgten für „Fortschritt“, da sie neue Probleme „entdeckten“.2207 Für neue, nicht von der GVO erfasste Rechtsfragen kann auf Art. 101 Abs. 3 AEUV zurückgegriffen werden.2208 Die GVO bietet innerhalb ihres Regelungsbereichs einen „sicheren Hafen“.2209 Sie ist autonom, europarechtskonform und als Ausnahmeregelung eng2210 auszulegen. Angeblich entzieht sie sich üblichen Auslegungsmechanismen.2211 Jedenfalls ist die GVO für die Anwendung und Auslegung des europäischen Kartellrechts von 2198 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54; Schultze/Pautke „Die erste Seite“, BB 2009, Heft 21, I. ABl. EU v. 23.4.2010, Nr. L 102, S. 1; zur Genese der GVO Niebling WRP 2010, 81 (82 f.). Vgl. Metzlaff BB 2000, 1201 (1202). Kritisch zum geringen Umfang der Änderungen sowie zur Reform Rösner WRP 2010, 1114 (1124). Kritisch Rösner WRP 2010, 1114 (1123). Simon EWS 2010, 497. Grundmann NJW 2000, 14 (20). Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (10). Schultze/Pautke „Die erste Seite“, BB 2009, Heft 21, I. Schultze/Pautke „Die erste Seite“, BB 2009, Heft 21, I. Schultze/Pautke „Die erste Seite“, BB 2009, Heft 21, I. Funke/Just DB 2010, 1389 (1390). EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, WRP 2011, 1577 Rn 57; Schultze/Pautke „Die erste Seite“, BB 2009, Heft 21, I; Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (597). 2211 Schultze/Pautke „Die erste Seite“, BB 2009, Heft 21, I, zweifelhaft.

2199 2200 2201 2202 2203 2204 2205 2206 2207 2208 2209 2210

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eminenter Bedeutung. Sie bindet nicht nur die Kommission, wenn sie in Einzel- und Ausnahmefällen auf der Grundlage der Wettbewerbsregeln tätig wird, sondern sie hat auch außerhalb der Verfahren der Kommission für den Rechtsanwender – Gerichte, Unternehmen, Anwälte – eine wichtige Funktion als Motor und Garant für die einheitliche Auslegung des europäischen Kartellrechts.2212 Die GVO regelt anstelle sektorenbestimmender Einzel-GVOs jede Form vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen (sogenannte „Schirm-GVO“). Lediglich der Kfz-Vertrieb wurde bis 31.5.2013 durch die speziellere GVO 1400/02 geregelt, danach mittels der GVO 461/10 nur noch der Kfz-After-Sales-Bereich. Durch die GVO 330/10 wurde der vor 2000 bestehende formale Ansatz des Gruppenfreistellungsregimes für vertikale Bindungen aufgegeben und durch eine Anbindung an die wirtschaftlichen Auswirkungen der Vereinbarung ersetzt werden. Ziel war es, möglichst viele vertikale Bindungen von dem bis Einführung der GVO 2790/99 bestehenden Anmeldezwang zu befreien.2213 Die wirtschaftlichen Auswirkungen werden nach den Marktanteilen der auf verschiedenen Produktions- oder Vertriebstufen tätigen Unternehmen bestimmt. Nahezu alle Vereinbarungen mit geringerer Marktwirkung sind innerhalb eines „Sicherheitsbereichs“ von 30 % des Marktanteils des Anbieters und des Abnehmers (unter Einschluss verbundener Unternehmen) freigestellt. Nicht freigestellt werden Verträge, die besonders gefährliche „schwarze Klauseln“ oder Kernbeschränkungen enthalten (siehe Art 4 GVO). 286 Auch an dem Verbotstatbestand des heutigen Art. 101 AEUV hat sich durch die Einführung der GVO 330/2010 nichts geändert.2214 Geändert hat sich lediglich die freistellende GVO. Eine Freistellung nach der GVO ist allerdings nur erforderlich, falls die zu prüfende Vereinbarung überhaupt gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstößt (Tz 8 LL),2215 was insb. bei Franchiseverträgen fraglich sein kann (Rn 121). Auch sofern die Spürbarkeit aufgrund des Eingreifens der De minimis-Bekanntmachung (ABl. v. 22.12.2001 – C-368/13), der Empfehlung betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. v. 20.5.2003 – L-124/36) auf bestimmte HV-Verträge, auf die Art. 101 Abs. 1 AEUV generell nicht anwendbar ist, sowie der Bekanntmachung über die Beurteilung von Zulieferverträgen (ABl. v. 3.1.1979 – C-1/2) fehlt, braucht kein Gedanke an das Eingreifen der GVO verschwendet zu werden. Umgekehrt darf aus der fehlenden Freistellung nach der GVO nicht geschlossen werden, dass die Vereinbarung unter Art. 101 AEUV fällt.2216 287 Die GVO 330/10 gilt innerhalb der gesamten EU,2217 die Rspr. der europäischen Gerichte ist allerdings im Zweifel vorrangig (LL Ziff. 4). Nationale Vorschriften müssen notfalls „GVO-konform“ ausgelegt werden.2218 Die GVO geht in ihrem Anwendungsbereich dem GWB vor,2219 was allerdings seit der Anlehnung des GWB an Art. 101 AEUV keine Bedeutung mehr hat. Die Anwendung des Art. 102 AEUV wird durch die GVO nicht berührt (Tz. 1 LL).2220 Treffen Vertikalvereinbarungen in Wahrheit Abreden über horizontale Absprachen, wird die GVO unanwendbar.2221 Die GVO stellt zudem nur originär vertriebsrechtliche Regelungen frei (Tz 26 LL, näher unten, Rn 298 ff. zu Art. 2 GVO). Sachlich erfasst werden von der GVO jedenfalls alle – auch mehrseitigen – Verträge betref288 fend Bezug, Verkauf und Weiterverkauf, insb. (unechte) HV-,2222 Vertragshändler-,2223 Standard-

2212 Bechtold GRUR 2012, 107 (108). 2213 Rittner DB 2000, 1211. 2214 Eingehend zur Diskussion um die Einführung der GVO 1400/2002 Emde VersR 2004, 1499 (1505 ff); Emde VersR 2004, 419 (420 ff.); Emde VersR 2003, 151 (161). Funke/Just DB 2010, 1389 (1391); Lettl WRP 2010, 807 (810). Lettl WRP 2010, 807 (810). Über die Anwendung der Vertriebs-GVO im ungarischen Recht berichtet Darázs EuZW 2003, 138. BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, BB 2009, 1817. Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1212); Emde WRP 2005, 1492 (1494). Lettl WRP 2010, 807 (808); aA Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2267): regelmäßig kein Verstoß möglich. BKartA, Beschl. v. 14.7.2009, B 3 – 64/05, WuW DE-V 1790 (1797 ff.). Malec/von Bodungen BB 2010, 2383. Malec/von Bodungen BB 2010, 2383.

2215 2216 2217 2218 2219 2220 2221 2222 2223 Emde

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softwarevertriebs2224-, Franchise-2225 unter Einschluss der Master-Franchise2226- und Großhandels-Franchise-, Versicherungsvermittler-2227 (soweit diese Vermittler überhaupt als „echte“ HV i. S. d. Tz 12 ff. LL Freistellungsbedürfnis besitzen), selektive Vertriebs-,2228 seit dem 1.6.2013 auch Kfz-Vertriebs- (gem. Art. 2 Abs. 5 GVO galt die alte Kfz-GVO 1400/02 nur bis zu diesem Datum,2229 seither gilt (nur) im After-Sales-Geschäft ihre Nachfolge-GVO 461/102230), Herstellungslizenz-2231 und OEM-Verträge. Gemischte Verträge werden nur soweit freigestellt, wie die Verbindung zu diesen Wirtschaftszweigen reicht.2232 Spezielle Regeln für den Bier- und Tankstellenvertrieb fehlen. Auch das Franchising wird in der GVO nicht erwähnt sondern lediglich in Tz 43 ff., 189 ff. LL.2233 Die einheitliche GVO erleichtert die Rechtsanwendung und vermeidet Abgrenzungsprobleme. Jedoch treffen die für alle Verträge geltenden Regelungen nicht immer das spezielle Problem des einzelnen Vertrages. Insbesondere Lizenzverträge unterfallen der GVO nur, wenn die Lizenzierung nicht das primäre Element der Vereinbarung darstellt. Es müssen also vertriebsrechtliche Fragen im Vordergrund stehen; Regelungen zu Marken-, Urheberrechten und Know-How dürfen nicht den Schwerpunkt des Lizenzvertriebsvertrages bilden.2234 Reine Lizenzverträge ohne vertriebsrechtliche Gravität sind nicht nach der GVO freigestellt.2235 Für die Anwendung der GVO bilden die von der Kommission veröffentlichten Leitlinien 289 (LL) eine Auslegungshilfe (dazu Rn 242 ff. zum HV-Kartellrecht). Die LL gehen über den Bereich der Freistellungsvoraussetzungen hinaus und behandeln sowohl Einzelfälle der Anwendung als auch die Anwendung des Art. 101 Abs. 3 AEUV im Wege der Einzelfallprüfung auf nicht von der GVO erfasste Wettbewerbsbeschränkungen.2236 Wegen der fehlenden Bindungswirkung der LL ist fraglich, ob Rechtssicherheit statt durch die GVO auch durch Erläuterungen in den LL hätte erreicht werden können.2237

(2) Franchisesysteme, GVO und Kartellrecht. Einen kartellrechtlichen Begriff des Franchi- 290 sing gibt es nicht.2238 Der selektive Vertrieb stellt im Vergleich zum Franchising ein „Weniger“ dar.2239 Kartellrechtlich unterschiedliche Lösungen in beiden Vertriebssystemen sind denkbar.2240 Ist eine Vertragsklausel in einem selektiven Vertriebssystem erlaubt, wird dies oft auch für ein Franchisesystem gelten.2241 Bei Franchisesystemen, die lediglich ein Vertriebskonzept verkaufen, ohne dass der FG Hersteller ist, tritt das Lizenzelement gegenüber dem Verkauf des Know-Hows in den Hintergrund, so dass der Anwendungsbereich der GVO erreicht ist. Dies gilt

2224 Angeblich aber nicht aber Individualsoftwareverträge, so Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1207); in dieser Allgemeinheit zweifelhaft. Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302; Malec/von Bodungen BB 2010, 2383; Fritzemeyer BB 2002, 1658. Mesch BB 2015, 1926 (1927). Tz 16 lit. f LL; Stancke VersR 2009, 1168 ff. Malec/von Bodungen BB 2010, 2383. Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1481); Lettl WRP 2010, 807 (808). Simon EWS 2010, 497. Fritzemeyer BB 2002, 1658 (1660). Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1205). Siehe Liebscher/Petsche EuZW 2000, 400 (401). Etwa im Rahmen von Franchising, vgl. Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1207). Liebscher/Petsche EuZW 2000, 400 (401). Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 20. AA Schultze/Pautke „Die erste Seite“, BB 2009, Heft 21, I. Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (303). Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (303). Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (304). Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (305).

2225 2226 2227 2228 2229 2230 2231 2232 2233 2234 2235 2236 2237 2238 2239 2240 2241 197

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auch für Master-Franchise-Verträge.2242 Franchiseverträge unterfallen nicht der GVO-Technologie, weil das Vertriebselement vorrangig ist. Die Technologie-GVO ist nicht etwa anwendbar, weil es in Franchiseverträgen weniger um den Vertrieb als um die Vervielfältigung einer erfolgreichen Geschäftsidee geht. Fraglich ist gerade bei Franchisesystemen aber immer, inwieweit überhaupt ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV vorliegt2243 (Tz 190 f. LL) – was systematisch vorrangig zu prüfen wäre, in der Praxis aber durch eine Prüfung der Freistellungsvoraussetzungen nach der GVO verdrängt wird. Denn 1986 entschied der EuGH in „Pronuptia“,2244 sich mit der Einzelfreistellungs-Entscheidung der Kommission vom 17.12.1986 in den Fällen Yves Rocher2245 sowie Pronuptia2246 deckend, im Rahmen des Vertriebsfranchising könnten Verpflichtungen des FN, die bei isolierter Betrachtung kartellrechtswidrig sind, weil sie eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken, nicht unter Art. 101 AEUV fallen. Solche Vertragsklauseln werden als notwendige Nebenabrede zu einer kartellrechtskonformen Hauptmaßnahme angesehen.2247 Im Vertriebsfranchising müssen dazu 2 Bedingungen erfüllt sein. Erstens muss der FG in der Lage sein, den FN sein Knowhow zu vermitteln und ihm die für die Anwendung seiner Methoden erforderliche Unterstützung zukommen zu lassen, ohne Gefahr zu laufen, dass dieses Knowhow und diese Unterstützung – wenn auch nur mittelbar – Konkurrenten zugutekommen. Zweitens muss der FG Maßnahmen ergreifen können, die zum Schutz der Identität und des Namens der Vertriebsorganisation angezeigt sind.2248 Jene Anforderungen lassen sich auf das Produktionsfranchising übertragen.2249 Von „Pronuptia“ als zulässig angesehen wurde die Verpflichtung, die vom FG entwickelten Geschäftsmethoden und das von ihm vermittelte KnowHow einzusetzen, nur Waren des FG und eines von diesem ausgewählten Lieferanten zu verkaufen, den Verkauf nur in dem nach Anweisung des FG eingerichteten und ausgestatteten Ladengeschäft vorzunehmen, für jede Werbung die Zustimmung des FG einzuholen sowie während der Vertragsdauer oder während eines angemessenen Zeitraumes nach Vertragsbeendigung kein Geschäft mit gleichem oder ähnlichem Zweck zu eröffnen, mit dem der FN zu einem anderen Mitglied der Vertriebsorganisation in Wettbewerb treten könne. Dagegen verstoße es gegen Art. 101 AEUV, wenn der FN verpflichtet sei, Vertragsware nur in einem vertraglich festgelegten Geschäftslokal zu verkaufen. Nach der Pronuptia-Entscheidung stellen damit Klauseln, die für die Funktionsfähigkeit des Franchisesystems unerlässlich sind, keine Wettbewerbsbeschränkung i. S. d. Art. 101 AEUV dar. So bildet etwa die Unterordnung unter die Corporate Identity des Franchisesystems regelmäßig keine Wettbewerbsbeschränkung,2250 ebenso wenig ein Markenzwang, der die einheitliche Gestaltung des Netzes ermöglicht (Tz 191 LL) oder ein Gebietsschutz2251 (Tz 191 LL). Ein generelles Verbot des Onlinevertriebs kann nicht als zulässige Nebenabrede qualifiziert werden, wenn es mit dem Marketingkonzept des FG vereinbar ist. Anders kann dies zu beurteilen sein, falls ein olfaktorisches oder haptisches Erleben im Mittelpunkt steht.2252 Das Verbot wird aber jedenfalls dann nicht für das Funktionieren des Franchisesystems erforderlich sein, wenn der FG die Produkte selbst online vertreibt.2253 Beschränkungen des Onlinevertriebs, die sich auf die Gestaltung der Website des FN beziehen, etwa auf das allgemeine Layout, Werbemaßnahmen zur Förderung von Marken und Produkten Dritter bzw. der Franchiseprodukte oder der zum Franchise gehörenden Sonderangebote, die Platzierung 2242 2243 2244 2245 2246 2247 2248 2249 2250 2251 2252 2253

Pukall NJW 2000, 1375 (1377). Dazu Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302. EuGH NJW 1986, 1415 = WuW-E EWG/MUR 693; dazu Bunte NJW 1986, 1406. WuW/E EV 1193. WuW/E EV 1201 ff.; zusammenfassend Skaupy BB 1996, 1899. Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (304); generell zu solchen Nebenabreden Bernhard NZKart 2019, 577. Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (304). Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (304). EuGH, Urt. v. 28.1.1986 – 161/84, NJW 1986, 1415 (1416); Giesler/Kroll 2 § 4 Rn 758. AA Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (307). Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (305). Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (306).

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von Qualitätssiegeln und weitere inhaltliche Standards wie die Vorgabe gewisser Buttons etwa zum Thema „Kontakt“, „Karriere“, bilden u. U. keine Wettbewerbsbeschränkung.2254 Ein Drittplattformverbot kann eine notwendige Nebenabrede bilden, sofern der Vertrieb über Drittplattformen bei objektiver Betrachtung nicht mit dem Franchisesystems vereinbar ist.2255 Beispiel könnte eine Situation sein, in der ein bestimmter Bewegungsablauf oder tanzende Figuren mit bestimmten Klängen zum wesentlichen Wiedererkennungsmerkmal des Systems geworden sind. Derartiges lässt sich auf Drittplattformen nicht wiedergeben.2256 Vertragsbestimmungen, die die Märkte zwischen FG und FN oder unter FN aufteilen oder die FN am Preiswettbewerb hindern, sind nicht für das Funktionieren des Franchisesystems unerlässlich,2257 ebenso wenig eine Preisbindung2258 oder ein Doppelpreissystem mit unterschiedlichen Preisen für Online- und Offline-Verkauf.2259 Die Kommission hat in Anlehnung an diese Grundsätze in Tz 45 LL typische Verpflichtungen des FN beschrieben, die in Franchiseverträgen grundsätzlich als zum Schutz des geistigen Eigentums des FG notwendig angesehen und deshalb durch die GVO freigestellt werden: a) Die Verpflichtung, weder unmittelbar noch mittelbar in einem ähnlichen Geschäftsbereich tätig zu werden; b) die Verpflichtung, keine Anteile am Kapital eines Wettbewerbers zu erwerben, sofern dies dem FN ermöglichen würde, das geschäftliche Verhalten des Unternehmens zu beeinflussen; c) die Verpflichtung, das vom FG mitgeteilte Know-How nicht an Dritte weiterzugeben, solange dieses Know-How nicht öffentlich zugänglich ist; d) die Verpflichtung, dem FG alle bei der Nutzung der Franchise gewonnenen Erfahrungen mitzuteilen und ihm sowie anderen FN die nicht ausschließliche Nutzung des auf diesen Erfahrungen beruhenden Know-Hows zu gestatten; e) die Verpflichtung, dem FG Verletzungen seiner Rechte des geistigen Eigentums mitzuteilen, für die er Lizenzen gewährt hat, gegen Rechtsverletzer selbst rechtliche Schritte einzuleiten oder den FG in einem Rechtsstreit gegen Verletzer zu unterstützen; f) die Verpflichtung, das vom FG mitgeteilte Know-How nicht für andere Zwecke als die Nutzung der Franchise zu verwenden; g) die Verpflichtung, Rechte und Pflichten aus der Franchisevereinbarung nur mit Erlaubnis des FG auf Dritte zu übertragen.

bb) Zu den Einzelregelungen der GVO 330/10 (1) Erwägungsgründe der GVO 330/10. Ziff. 3, 6 der Erwägungsgründe zur GVO nennen den 291 Grund der Freistellung vertikaler Vereinbarungen. Bei vertikalen Vereinbarungen unter nicht im Wettbewerb stehenden Unternehmen könne angenommen werden, dass die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllt werden (Erwägungsgrund 3) sowie die Effizienz der Produktions- und Vertriebskette erhöht werde (Erwägungsgrund 6). M. a. W.: Die vertikale Zusammenarbeit ist grundsätzlich förderlich für den Wettbewerb und gewollt. Sie ist weniger wettbewerbsschädlich, weil sie zwischen unabhängigen Unternehmen und nicht unter Wettbewerbern geschlossen wird (Tz 98 LL). Wie auch Art. 2 Abs. 1 GVO zeigt, bildet die GVO mithin eine Konkretisierung des Art. 101 Abs. 3 AEUV. Vereinbarungen, die Art 101 AEUV nicht unterfallen, sollen und brauchen durch die GVO nicht freigestellt zu werden (Erwägungsgrund 5). Es darf vermutet werden – so Ziff. 8 der Erwägungsgründe – dass vertikale Vereinbarungen, die bestimmte 2254 2255 2256 2257 2258 2259 199

Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (307). Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (306). Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (306). Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (305). Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (308). Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (308). Emde

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Arten schwerwiegender wettbewerbsschädigender Beschränkungen nicht enthalten, zu einer Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs und zu einer angemessenen Beteiligung der Verbraucher und den daraus entstehenden Gewinnen führen, sofern der auf jedes der beteiligten Unternehmen (bei der GVO 2790/99 nur auf den Lieferanten) entfallende Anteil an dem relevanten Markt 30 % nicht überschreitet. Die GVO gilt damit nur für Vereinbarungen, bei denen sowohl der Hersteller wie der Vertriebsmittler auf dem relevanten Markt einen Marktanteil von 30 % nicht überschreitet, wofür derjenige beweispflichtig ist, der sich auf eine GVO beruft.2260 Oberhalb dieser Marktanteilsschwelle könnten Wettbewerbsnachteile ausgleichende Vorteile nicht vermutet werden (Erwägungsgrund 9). 292 Gemäß Ziff. 10 der Erwägungsgründe sind vertikale Vereinbarungen, welche bestimmte Arten schwerwiegender wettbewerbsschädigender Beschränkungen enthalten, etwa die Festsetzung von Mindest- oder Festpreisen für den Weiterverkauf oder bestimmte Arten des Gebietsschutzes, durch die GVO nicht freigestellt. Gemäß Ziff. 13 der Erwägungsgründe kann die Kommission im Einzelfall den Vorteil der Anwendung der GVO entziehen, falls der Vertriebsvertrag Wirkungen zeitigt, die mit den Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV unvereinbar sind. Es handelt sich um eine „Handsteuerung“. Will ein Händler geltend machen, ein Vertriebsbindungssystem erfülle, insb. wegen diskriminierender Anwendung der qualitativen Systemvoraussetzungen, nicht die TB-Voraussetzungen einer Freistellung nach der GVO, soll dies nur in jenem Verfahren möglich sein.2261 Dort trägt der Lieferant, der sich auf die Freistellung beruft, die Beweislast, dass deren Voraussetzungen, insbesondere eine nicht diskriminierende Anwendung, erfüllt sind.2262 An einen solchen Entzug ist bei erheblicher Marktmacht des Vertriebsmittlers oder bei Existenz gleichartiger paralleler Netze von Vertriebsvereinbarungen mit Marktbeschränkung zu denken.

293 (2) Art. 1 GVO. Art. 1 der GVO enthält die maßgeblichen Definitionen. Die GVO will möglichst viele Vereinbarungen erfassen2263 und stellt vertikale Vereinbarungen frei, d. h. gem. lit. a Vereinbarungen zwischen zwei2264 oder mehr Unternehmen, von denen jedes auf einer anderen Ebene der Vertriebs- oder Produktionskette tätig ist und bei denen die Vereinbarung Bedingungen betrifft, zu denen die beteiligten Unternehmen Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen2265 oder weiterverkaufen dürfen.2266 Mittels der GVO freigestellt sind folglich nur Warenund Dienstleistungsmittler und nur die Bedingungen des Vertriebs, Bezugs und Verkaufs, nicht mehr.2267 Als vertriebenes Produkt kommt ansonsten grds. alles in Betracht, was Gegenstand des Wirtschaftsverkehrs und damit von Austauschverträgen sein kann, unabhängig von Produktart und Verwendungszweck.2268 Eine Beschränkung auf Warenvermittler gibt es, anders als unter der RL, damit nicht. Mittler, die Miet- oder Leasingverträge vermitteln, sind Dienstleistungsvermittler, Tz 26 LL darf nicht zu Missverständnissen verleiten (nur reine Miet- und Leasingverträge sind nicht erfasst). 294 Entscheidend für das Eingreifen der GVO ist der Bezug der Vereinbarungen des Vertrages zum Vertrieb und zu den vertriebsbezogenen Abreden, nicht zu den Waren und Dienstleistun-

2260 2261 2262 2263 2264 2265

LG Berlin, Urt. v. 21.4.2009 – 16 O 729/07, BB 2009, 1381 (1382). Haslinger WRP 2007, 926 (927). Haslinger WRP 2007, 926 (927). Kumkar NZKart 2017, 47 (51). Zwei Unternehmen, Unternehmer und Mittler, genügen, s. Lettl WRP 2010, 807 (810). Die nationale Definition des Kaufes ist irrelevant. Maßgeblich ist eine autonome Auslegung, Auch Werk- und Dienstleistungen sowie sachenrechtliche Verträge können einbezogen sein, s. Lettl WRP 2010, 807 (810). 2266 Zur Definition Kumkar NZKart 2017, 47 (49 ff.). 2267 Kumkar NZKart 2017, 47 (50) mit sehr in das Einzelne gehender Differenzierung der TB-Merkmale. 2268 Lettl WRP 2010, 807 (810). Emde

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gen, die Gegenstand der Vertikalbeziehung sind.2269 Bloße Vereinbarungen „bei Gelegenheit“ der Vertikalbeziehung sind nicht von der GVO 330/10 befreit.2270 Plattform-Nutzer-Vereinbarungen lassen sich unter den Begriff der vertikalen Vereinbarungen nach Art. 1 Abs. 1 lit. a GVO 330/10 subsumieren.2271 Bedeutsam ist die Definition des Abnehmers (gemäß der Terminologie der deutschen 295 Übersetzung der Alt-GVO 2790/99: „Käufer“) in Art. 1 lit. h GVO. Danach ist Abnehmer auch ein Unternehmen, welches auf der Grundlage einer unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallenden Vereinbarung Waren oder Dienstleistungen für Rechnung eines anderen Unternehmens verkauft. In der Literatur2272 wurde zur GVO 2790/99 diskutiert, ob wegen der Fassung ihres Art. 1 lit. h die GVO auch HV-Verträge freistellt. Art. 1 lit. h GVO stellt klar, dass Abnehmer auch ein Unternehmen sein kann, welches auf Grundlage einer unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallenden Vereinbarung Waren und Dienstleistungen für Rechnung eines anderen Unternehmens verkauft. Art. 1 lit. h GVO bezeichnet damit auch HV als „Abnehmer“,2273 da die Abnehmer gerade nicht für sich, also „auf eigene Rechnung“ verkaufen müssen. Die Ansicht,2274 die GVO sei auf HV unanwendbar, da Art. 1 lit. h GVO als „Abnehmer“ nur Unternehmer definiere, die Vertragsprodukte „für Rechnung“ eines anderen Unternehmers veräußerten, ist unzutreffend. Die englische Fassung der GVO stellt mit der Verwendung der Formulierung „on behalf of another undertaking“ klar, dass der deutsche Ausdruck des „für Rechnung“-Verkaufs weit auszulegen ist und folglich auch HV erfasst,2275 bei denen die Rechnung vom Unternehmer als Geschäftsherrn gestellt wird. Trotz der missverständlichen Definition fallen folglich auch HV-Verträge unter diese Definition, obwohl HV bei ihrem Unternehmer nicht „abnehmen“ oder „kaufen“.2276 Die Erwähnung der HV-Verträge in den Tz 12 ff. LL stellt dies klar. Eine von der Frage der Anwendbarkeit zu unterscheidende Frage ist die, ob die auf das KäuferVerkäufer-Verhältnis zugeschnittenen und nach einer Meinungsgruppe an den Gegebenheiten im HV-Gewerbe vorbeigehenden Regeln der GVO zu HV-Verträgen „passen“.2277 Der Auslegungsunsicherheit hat die Kommission durch die zu HV-Verträgen ausführenden Tz 12 ff. LL entgegengewirkt, nach denen die GVO auf HV ohne wirtschaftliches Risiko unanwendbar bleibt (Rn 252 ff.). Gem. Art. 1 Abs. 1 lit. d GVO liegt eine Wettbewerbsbeschränkung vor, wenn der Händler 296 verpflichtet wird, unmittelbar oder mittelbar mehr als 80 % seines Gesamtbezuges an Vertragswaren oder Substituten beim Unternehmer zu beziehen. Dies hat Folgen für Mindestabnahmepflichten: Bei einem Vorjahresbedarf von 25 Produkten darf dem Händler also i. d. R. nur eine Mindestabnahme von 80 % hierzu aufgegeben werden.2278 Wettbewerbsverbote i. S. d. GVO sind nur Verpflichtungen des Abnehmers.2279 Sie sind bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der GVO nach Art. 2 Abs. 1 GVO freigestellt.2280 In der Literatur werden unterschiedliche Ansichten dazu vertreten, ob sich die Wettbewerbsbeschränkung gerade auf die vom Anbieter bereitgestellten Waren oder Dienstleistungen beziehen muss bzw. ein innerer Zusammenhang zwischen

2269 2270 2271 2272 2273 2274 2275

AA Kumkar NZKart 2017, 47 (51). Kumkar NZKart 2017, 47 (51). Kumkar NZKart 2017, 47 (52). Rittner DB 2000, 1211 (1212); DB 1999, 2097 (2101); Lange EWS 2001, 18 (22 f.). Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 145. Rittner DB 2000, 1211 (1212); DB 1999, 2097 (2101); Ebenroth/Lange1 Vor § 84 Anh. II Rn 44. Bauer/de Bronett EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, 2001, Rn 49; i. E. auch Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1206); Pukall NJW 2000, 1375 (1377). 2276 Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 145. 2277 Rittner DB 2000, 1211. 2278 Niebling WRP 2010, 631 (632) zur Kfz-GVO. 2279 Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO3 Rn 187; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron2 Art. 5 Rn 255. 2280 Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO3 Rn 187. 201

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der Vereinbarung über die Beschränkung und der Austauschbeziehung im Vertikalverhältnis bestehen muss.2281 297 Gemäß Art. 1 lit. e sind selektive Vertriebssysteme solche, bei denen der Unternehmer („Anbieter“) die Waren nur an Mittler („Abnehmer“) veräußert, die nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden und nicht an Mittler außerhalb des Vertriebssystem verkaufen dürfen (Rn 120 ff.). Eine objektive Rechtfertigung für die Selektionskriterien ist, anders als für die Definition unter Art. 101 AEUV nicht erforderlich.2282 Ob danach ein selektives Vertriebssystem vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Immer ist eine Verpflichtung des Unternehmers erforderlich, keine Waren an nicht zum Vertrieb zugelassene Händler zu verkaufen. Fehlt sie, mangelt es im kartellrechtlichen Sinne an einem selektiven Vertriebssystem.2283 Es kann aber im zivilrechtlichen Sinne vorliegen, sofern sich der Unternehmer bei der Suche und Zulassung seiner Vertriebsmittler „selektiv“ verhält. Für die Rspr. des EuGH dürften die weniger strengen „MetroKriterien“ (dazu oben bei den selektiven Vertriebssystemen) relevant sein, bei denen das zusätzliche TB-Merkmal der Verpflichtung der Händler, nicht an Händler zu verkaufen, die innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht zum Vertrieb zugelassen sind, fehlt. Es muss nur bei der Anwendung des Art. 4 lit. c GVO 330/10 erfüllt sein.

298 (3) Art. 2 GVO. Die GVO stellt in ihrem Art. 2 Abs. 1 im Wege „vermuteter Rechtmäßigkeit“2284 (Tz 23 LL) alle vertikalen Beschränkungen mit zwei oder mehr Parteien (Art. 1 Abs. 1 lit. a GVO) vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV frei (Schirmfreistellung), sofern die Marktanteile der Parteien unterhalb der Schwellenwerte des Art. 3 liegen und der Vertrag keine Kernbeschränkungen des Art. 4 GVO enthält: Denn gem. Art. 2 Abs. 1 GVO gilt das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht für Verträge und aufeinander abgestimmte Vereinbarungen zwischen Unternehmen auf unterschiedlicher Vertriebsstufe (Vertriebsverträge), sofern die Bedingungen betroffen sind, zu denen die Parteien bestimmte Waren und Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen können (Art. 1 Abs. 1 lit. a GVO). Maßgeblich ist der funktionale Unternehmensbegriff, welcher darauf abhebt, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird.2285 Insbesondere Beschränkungen des Anbieters (Unternehmers, Herstellers) sind nach Art. 2 GVO freigestellt (s. o., zu Art. 1 lit. d GVO). Die Termini „Ware“ und „Dienstleistung“ sind weit auszulegen.2286 Selbst Energielieferverträge werden erfasst.2287 Herkunft und Verwendungszweck der Ware sind unerheblich,2288 ebenso der Inhalt des Vertrags, sofern die Art. 5 und 5 GVO nicht verletzt sind. So werden etwa Alleinvertriebsverträge freigestellt (Tz 152 LL), ebenso Kundenkreisbeschränkungen (Tz 168 ff. LL), Alleinbelieferungspflichten (Tz 193 LL) oder Vorauszahlungen.2289 Zugangsvorauszahlungen, etwa Listungsgebühren, sind bis zu einem Marktanteil von 30 % freigestellt (Tz 203 LL).2290 Bei Marktanteilen von über 30 % sieht die Kommission die Gefahr einer Marktabschottung auf dem nachgelagerten Markt, vergleichbar einer Alleinbelieferungspflicht oder eines Marktausschlusses auf dem Anbietermarkt, insbesondere für kleinere, weniger fi2281 Bejahend: Veelken in: Immenga/Mestmäcker, EG, Teil 14 Vertikal-GVO Rn 78; Bechthold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner, EG-Kartellrecht2 Art. 2 VO 2790/99 Rn 10; Fiebig WuW 2013, 812 (825); aA Baron in: Löwenheim/Meesen/ Reesenkampff, Kartellrecht2 Art. 2 Vert-GVO Rn 65; Ellger in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 1, EU/ 1. Teil5 Art. 2 Vertikal-GVO Rn 17; offen gelassen von OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.2015 – VI Kart 1/14 (V), ZVertriebsR 2015, 182 (192) Rn 116. 2282 Lubberger WRP 2015, 14 (19/20). 2283 BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 (209). 2284 Lettl WRP 2010, 807 (808). 2285 EuGH Slg 1995, I 4013, Rn 14 ff. 2286 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 62. 2287 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 62. 2288 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 63. 2289 Siehe Funke/Just DB 2010, 1389 (1396). 2290 Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2270). Emde

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nanzkräftigere Anbieter, sowie der Schaffung eines begünstigten Umfelds für eine Kollusion zwischen Händlern gerade in konzentrierten Vertriebsmärkten. Die freizustellende Wettbewerbsbeschränkung muss im Verhältnis der Parteien des Vertriebsvertrages bestehen.2291 Leitbildgemäß will Art. 2 Abs. 1 GVO typische Vertragshändler- und Franchiseverträge vom 299 Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV freistellen. Typische HV-Verträge unterfallen nach Tz. 12 ff. LL nicht Art. 101 Abs. 1 AEUV (Rn 240). Durch den weiten Anwendungsbereich des Art. 2 GVO wird das Regel-Ausnahmeverhältnis des Art. 101 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV praktisch umgekehrt.2292 In der Praxis lautet der Grundsatz: Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen sind freigestellt.2293 Erforderlich ist eine vertikale Vereinbarung. Die an ihr beteiligten Unternehmen müssen 300 auf unterschiedlichen Produktions- oder Vertriebsstufen operieren;2294 die Regelungen im Kern horizontaler und nicht vertikaler Natur sein,2295 dem kartellrechtsneutralen Hauptzweck des Vertrages sowie einem anerkennenswerten Interesse dienen.2296 Für Abreden ohne sachlichen Bezug zur Vertriebsvereinbarung gilt die Freistellung nicht. Freigestellt werde also nur originär vertriebsrechtliche Regelungen, nicht z. B. die Einschränkung des Rechts eines Vertragspartners, Forschungsarbeiten vornehmen zu dürfen (Tz 26 LL).2297 Nicht vertriebsrechtlich sind Regelungen, welche nur anlässlich einer Vertriebsvereinbarung geschlossen wurden, ohne dass ein innerer Zusammenhang zum Vertrieb besteht.2298 Nicht verlangt wird, dass die Bestimmung sich auf die abgesetzte Ware oder Dienstleistung beschränkt.2299 Diese Aussage konkretisiert Art. 2 Abs. 3 GVO. Er stellt Vertriebsvereinbarungen frei, welche die Übertragung von geistigen Eigentumsrechten auf den Vertriebsmittler oder die Nutzung solcher Rechte durch ihn betreffen. Die Freistellung gilt allerdings nur, wenn die Bestimmungen – Bestandteil einer vertikalen Vereinbarung sind, welche die Bedingungen enthält, zu denen die beteiligten Unternehmen bestimmte Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen dürfen; – die Übertragung solcher Rechts auf den Abnehmer oder die Lizenzierung zu deren Nutzung durch den Abnehmer betreffen; – nicht den Hauptgegenstand der Vereinbarung bilden; – unmittelbar die Nutzung, den Verkauf oder den Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen an den Abnehmer oder dessen Kunden betreffen (bei Franchiseverträgen, bei denen der Zweck der Nutzung der Rechte des geistigen Eigentums in der Vermarktung liegt, werden die Waren oder Dienstleistungen vom Hauptfranchisenehmer bzw. von den Franchisenehmern angeboten); – im Verhältnis zu den Vertragswaren oder -dienstleistungen keine Wettbewerbsbeschränkung enthalten, die denselben Zweck wie vertikale Vereinbarungen haben, die nicht unter die GVO fallen. Mithin sind Regelungen über geistige Eigentumsrechte freigestellt, die einen Annex zur Ver- 301 triebsvereinbarung bilden.2300 Die Vereinbarung muss vorrangig dem Vertrieb dienen.2301 Prak2291 Veelken in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Ergänzungsband, S. 29; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 64. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 95. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 95. Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 615. Wiemer WuW 2009, 750 (757). Wiemer WuW 2009, 750 (758). Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 68. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 68; Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001 Rn 230; GVO-Vertikal Rn 68; Wiemer WuW 2009, 750 (757). 2299 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 65. 2300 Funke/Just DB 2010, 1389 (1390); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 75. 2301 Funke/Just DB 2010, 1389 (1390).

2292 2293 2294 2295 2296 2297 2298

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tisch bedeutsam ist diese Regelung bei Franchiseverträgen und Vertriebsverträgen mit lizenzrechtlichem Einschlag, Tz 43 ff LL. Lizenzbestimmungen in Franchisevereinbarungen fallen unter die GVO, wenn alle 5 vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind (Tz 44 LL). Nach Ansicht der Kommission in Tz 44 LL sind diese Voraussetzungen i. d. R. erfüllt, da bei den meisten Franchisevereinbarungen der FG den FN Waren und/oder Dienstleistungen bereitstellt und insbesondere kommerzielle und technische Unterstützung gewährt. Franchisevereinbarungen, die ausschließlich oder in erster Linie die Vergabe von Lizenzen für die Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums betreffen, fallen gem. Tz 44 LL jedoch nicht unter die GVO. Die Kommission wird allerdings auch auf solche Vereinbarungen die in der GVO und LL dargelegten Grundsätze anwenden (Tz 44 LL). Der Mitverkauf urheberrechtlich geschützter Software unterliegt grds. dem Anwendungsbereich der GVO. 302 Nach Art. 2 Abs. 2 GVO gilt die Freistellung zwischen einer Unternehmensvereinigung und ihren Mitgliedern oder zwischen einer solchen Vereinigung und ihren Lieferanten nur, wenn alle Mitglieder der Vereinigung Wareneinzelhändler sind und keines ihrer einzelnen Mitglieder zusammen mit seinem verbundenen Unternehmen einen jährlichen Gesamtumsatz von mehr als EUR 50.000.000 erzielt. 303 Art. 2 Abs. 4 GVO regelt die Freistellung vertikaler Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern. Vertikale Vereinbarungen unter Wettbewerbern sind grds. nicht freistellungsfähig.2302 Hiermit soll der Marktaufteilung vorgebeugt werden.2303 Selbst potenzielle Wettbewerber, die in Art. 1 Abs. 1 lit. c GVO nun ausdrücklich definiert sind, werden von dieser Einschränkung betroffen, wobei die Möglichkeit des Wettbewerbs auf realistischen Annahmen beruhen muss (Tz 27 LL). Das Wettbewerbsverhältnis muss sich gerade auf die vertriebenen Produkte für den relevanten sachlichen und räumlichen Markt beziehen.2304 Verkauft der Unternehmer – wie häufig – die Vertragsprodukte auch selbst – etwa im Direktvertrieb, wäre der Vertriebsvertrag grds. ein solcher unter Wettbewerbern.2305 Nur ausnahmsweise bleibt der Vertrag unter Wettbewerbern freigestellt, nämlich in Fällen des zweigleisigen Vertriebs,2306 in welchen die Wettbewerber nicht wechselseitige vertikale Vereinbarungen treffen, d. h. nur ein Wettbewerber den anderen mit dem Vertrieb betraut. Beispiele sind Brauereien, die eigene Gaststätten betreiben,2307 Vertriebssysteme von KfzHerstellern mit eigenen Verkaufsniederlassungen, die in Wettbewerb zu ihren Händlern treten,2308 Hotelbuchungssysteme, etwa Expedia,2309 oder FG mit eigenen Geschäften und FN.2310 Bedingung der Freistellung ist in diesem Fall, dass der Unternehmer einschließlich verbundener Unternehmen (Art. 1 Abs. 2 GVO) zugleich Hersteller und Händler von Waren, der Abnehmer einschließlich verbundener Unternehmen hingegen Händler ist, der keine mit den Vertragswaren in Wettbewerb stehenden Waren herstellt oder der Unternehmer ein auf mehreren Wirtschaftsstufen tätiger Dienstleister ist und der Mittler auf der Wirtschaftsstufe, auf der er die Vertriebsdienstleistungen oder -waren bezieht, kein Wettbewerber ist. Der Vertriebsmittler ist hier nicht als Hersteller tätig,2311 der Restwettbewerb, etwa im Bereich der Direktgeschäfte des Herstellers, beschränkt sich auf die Handelsebene.2312 Mit dieser Regelung soll Umgehungen des Kartellverbots durch Ver2302 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 (56); de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (505).

2303 Murach GWR 2010, 210. 2304 Funke/Just DB 2010, 1389 (1390); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 89.

2305 Fritzemeyer BB 2002, 1658 (1661). 2306 S. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.11.2013 – VI-Kart 5/09, WuW/E DE-R 4730 (4738) = WuW 2015, 888 (896); Simon EWS 2010, 497 (499). Simon EWS 2010, 497 (499). Creutzig BB 2002, 2133 (2134); Polley/Seeliger EWS 2002, 507, s. a. Art. 2 Abs. 3 Alt-Kfz-GVO 1400/02. OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 (56). Simon EWS 2010, 497 (499). OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 (56). Wegner BB 2010, 1803; Wiemer WuW 2009, 750 (755).

2307 2308 2309 2310 2311 2312 Emde

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triebsvereinbarungen in Fällen entgegengewirkt werden, die in Wahrheit allein horizontale Wettbewerbsbeschränkungen bilden. Auch der Informationsaustausch, etwa zwischen Hersteller und Händler,2313 und erst recht 304 unter Wettbewerbern ist nicht per se freigestellt. Beispiele bilden Informationen zu Markt und Preisen.2314 Die Übermittlung von Absatzdaten durch Händler erachtet das BKartA als grds. zulässig. Sie darf jedoch nicht zu einer Preisabstimmung oder -absprache führen.2315 Es müsse, so das BKartA, geprüft werden, ob die Mitteilung der Daten Bestandteil eines Systems zur Kontrolle der Verkaufspreise (Preisbindung) sei. Insbesondere in Fällen, in denen Daten mit zeitlichem Verzug, z. B. von 3 Monaten, übermittelt würden und eine feste Vergütung vom Hersteller gezahlt werde, sei rglm. kein Kartellverstoß erkennbar.2316 Bei kurzfristigen Datenlieferintervallen würden rasche Reaktionen und Interventionen des Herstellers ermöglicht. Im Zusammenhang mit weiteren Faktoren, etwa Nachfragen des Herstellers zu Preisen des Händlers mit Umsetzung der vom Hersteller geforderten Preise durch den Händler, könne ein Kartellverstoß vorliegen.2317 Vertragliche Informationsrechte des Unternehmers können zudem durch Art. 2 Abs. 1 GVO freigestellt sein, sofern sie dazu dienen, den Erfolg des Distributors im Vertragsgebiet zu bewerten, etwa Informationen zu verkaufter Menge, der Marktlage, Absatz (sog. absatzbezogene Informationen), Verwendungszweck der Produkte beim Kunden (produktionsbezogene Informationen) sowie supportbezogene Informationen, z. B. für Schulungs- und Supportveranstaltungen.2318 Für die Forderung des Unternehmers nach Angaben zu kundenspezifischen oder preisbezogenen Daten und Umsätzen insb. zukünftiger Preise des Händlers2319 soll ein anerkennenswertes Interesse fehlen; hierdurch kann die Preissetzungsfreiheit des Mittlers beschränkt werden.2320 Separiert die Information fordernde Klausel nicht hinreichend zwischen zulässigen und unzulässigen Daten, kann sie gem. Art. 101 AEUV, § 307 BGB unwirksam sein. Nach Art. 2 Abs. 5 GVO gilt die GVO nicht für Vertriebsverträge, deren Gegenstand in den 305 Geltungsbereich einer anderen GVO fällt. Dies betraf vor allem die bis 2013 geltende alte KfzGVO 1400/022321 sowie ihre Nachfolgeregelung.2322 Eine weitere branchenbezogene Sonderregelung für vertikale Beziehungen enthält die GVO-Versicherungen.2323

(4) Art. 3 GVO. Gemäß Art. 3 Abs. 1 GVO scheidet eine Freistellung aus, sofern der Anteil auch 306 nur einer der an der Vereinbarung beteiligten, ggf. mehreren Parteien,2324 also einer der beteiligten Unternehmer (Hersteller) oder eines Vertriebsmittlers unter Einbeziehung verbundener Unternehmen (Art. 7 lit. g GVO) auf dem relevanten Markt, auf welchem die Vertragswaren oder -dienstleistungen vertrieben werden, 30 % überschreitet. Dabei sollen auch geringfügige Überschreitungen irrelevant sein: Da bei einem Marktanteil von knapp unter 30 % vom Vorliegen der Freistellungsvoraussetzungen auszugehen sei, müsse dies auch knapp oberhalb der 30 %-

2313 Vgl Hinweise des BKartA zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 12.7.2017, ZVertriebsR 2017, 330; Walzel ZVertriebsR 2017, 71 (75). EuGH, Urt. v. 5.12.2013 – C-455/11 P, NZKart 2014, 63 – Solvay; LL Tz 212 Fußn. 55; Lettl WRP 2010, 807 (810). Walzel ZVertriebsR 2017, 71 (75). Walzel ZVertriebsR 2017, 71 (75) unter Hinweis auf die Auffassung des BKartA. Walzel ZVertriebsR 2017, 71 (75) unter Hinweis auf die Auffassung des BKartA. Wiemer WuW 2009, 750 (758 f.). Hinweise des BKartA zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 12.7.2017, ZVertriebsR 2017, 330 Rn 96. 2320 Hinweise des BKartA zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 12.7.2017, ZVertriebsR 2017, 330 Rn 95 ff.; Wiemer WuW 2009, 750 (758). 2321 Simon EWS 2010, 497 (Kfz-GVO als einzige branchenspezifische Regelung). 2322 Simon EWS 2010, 497; Lettl WRP 2010, 807 (808). 2323 VO (EU) Nr. 267/2010 v. 24.3.2010, ABl. EU 2010 Nr. L 83/1. 2324 Die Vorschrift gilt auch bei Beteiligung mehrerer Parteien (Lettl WRP 2010, 807 [812]; Murach GWR 2010, 210).

2314 2315 2316 2317 2318 2319

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Grenze der Fall sein.2325 Das ist angesichts des Wortlautes und des Ausnahmecharakters der GVO schwer vertretbar. Solche Fälle werden von Art. 101 Abs. 3 AEUV erfasst. 307 Die Vertriebs-GVO knüpft an das Bedarfsmarktkonzept an, nach welchem für die Abgrenzung des sachlich-relevanten Markts die Sicht der Marktgegenseite, bei Absatzmärkten also die Sicht der Nachfrager, maßgeblich ist.2326 Bei einem Vertrieb von Waren unterschiedlicher Vertriebsstufen ist im Hinblick auf die Ermittlung des Marktanteils von verschiedenen Märkten auszugehen.2327 Zu unterscheiden ist danach zwischen einem Markt, auf dem sich die Hersteller als Lieferanten und die Händler als Nachfrager gegenüberstehen (Handelsmarkt) und einem Markt, auf dem sich die Endabnehmer als Nachfrager und die Händler als Lieferanten gegenüberstehen (Endkundenmarkt).2328 Soweit es Hersteller gibt, die zur direkten Belieferung von Endabnehmern bereit sind, sind auf dem Endkundenmarkt auch sie zu den Lieferanten zu zählen.2329 Für die Bestimmung der Marktmacht eines Herstellers im Verhältnis zum Vertriebsmittler, etwa einem Händler, kommt es nur auf die Verhältnisse auf dem Handelsmarkt und damit auf das Volumen der Verkäufe der Hersteller an den Handel an. Dies gilt auch, wenn es Hersteller gibt, die Waren der betreffenden Art direkt an Endabnehmer liefern.2330 Gemäß Tz 87 LL maßgeblich für die Bestimmung des Marktanteils des Unternehmers ist daher seine Marktmacht auf dem Verkaufsmarkt, auf welchem er über seine Mittler vertreibt, und für die Bestimmung des Marktanteils der Mittler ihre Marktmacht auf den Bezugsmarkt gegenüber den Unternehmen. Also ist für den Anbieter der Absatzmarkt und für den Abnehmer der Nachfrage- oder Beschaffungsmarkt2331 auf demselben Produktmarkt beider Beteiligter2332 entscheidend2333 (der Verkaufsmarkt des Abnehmers ist also entgegen dem ersten Entwurf der GVO irrelevant2334), bemessen – notfalls geschätzt (Tz 93 LL)2335 – nach der Substituierbarkeit der Produkte (Tz 89 LL) und dem Absatzwert2336 (Art. 7 GVO).2337 Häufig sind die maßgeblichen Märkte beider Beteiligter räumlich identisch (etwa ein nationaler Markt2338); das muss jedoch nicht zwingend so sein.2339 Zur Bestimmung des relevanten Marktes vgl. Tz 87 ff. LL. 308 Bei Verträgen mit 3 Vertriebspartnern (Tz 90 LL) sowie in mehrstufigen Verträgen mit Unternehmen auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen muss der Schwellenwert von 30 % bei jeder einzelnen Lieferbeziehung eingehalten sein.2340 Insbes. im Anschlussmarkt, etwa bei Ersatzteilen, kann der Schwellenwert für Hersteller2341 – aber wohl selten für Mittler2342 – überschritten sein (Tz 91 LL), wobei im Einzelfall zu entscheiden wäre, ob es sich um getrennte Märkte handelt.2343 Unter der GVO 2790/99 war der Marktanteil des Mittlers nur bei Alleinbelieferungsvereinbarungen i. S. d. Art. 1 lit. c GVO 2790/99 relevant.2344 Jetzt ist in jedem Fall auch die Position 2325 2326 2327 2328 2329 2330 2331 2332 2333 2334 2335 2336 2337 2338 2339 2340 2341 2342 2343 2344 Emde

Schultze/Pautke „Die erste Seite“, BB 2009, Heft 21, I. BGH, Beschl. v. 26.1.2016 – KVR 11/15, NZKart 2016, 280 Rn 30. BGH, Beschl. v. 26.1.2016 – KVR 11/15, NZKart 2016, 280 Rn 30. BGH, Beschl. v. 26.1.2016 – KVR 11/15, WuW 2016, 369 = NZKart 2016, 280 Rn 30 – Laborchemikalien. BGH, Beschl. v. 26.1.2016 – KVR 11/15, WuW 2016, 369 = NZKart 2016, 280 Rn 30 – Laborchemikalien. BGH, Beschl. v. 26.1.2016 – KVR 11/15, WuW 2016, 369 = NZKart 2016, 280 Rn 31 – Laborchemikalien. Simon EWS 2010, 497 (498). Simon EWS 2010, 497 (498). Lettl WRP 2010, 807 (811); Murach GWR 2010, 210. Simon EWS 2010, 497 (498). Lettl WRP 2010, 807 (811). Tz 93 LL. Lettl WRP 2010, 807 (811 f.). Simon EWS 2010, 497 (498). Simon EWS 2010, 497 (498). Murach GWR 2010, 210. Lettl WRP 2010, 807 (811); Wegner BB 2010, 1803 (1804). Wegner BB 2010, 1803 (1806). Lettl WRP 2010, 807 (811). Simon EWS 2010, 497 (498) Fn 4; kritisch zu dieser Novellierung etwa Funke/Just DB 2010, 1389 (1392). 206

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des Abnehmers bedeutsam, um der Marktmacht großer Handelsunternehmen und ihrer Fähigkeit Rechnung zu tragen, wettbewerbsbeschränkende Regelungen durchzusetzen.2345 Das schränkt den Bereich der Freistellung ein2346 und wirft praktische Probleme auf,2347 insb. beim Verkauf an Unternehmen, die auf vielen Märkten vertreiben.2348 Der Unternehmer wird auch den Marktanteil des Mittlers überwachen müssen.2349 Insoweit besitzen beiden Parteien den gleichen Informationsstand: Denn für den Marktanteil des Mittlers ist der beiden Parteien bekannte Bezugsmarkt gegenüber dem Unternehmer relevant (s. o.). Es dürfte daher irrelevant sein, ob der Unternehmer von der Richtigkeit der vom Abnehmer gelieferten Zahlen überzeugt ist,2350 und damit auch, ob der im Nichtigkeitsfalle besser geschützte und auch eher durch betroffene Klauseln eingeschränkte Abnehmer Interesse an der Kartellrechtswidrigkeit haben mag, um seine Verhandlungsposition zu verbessern. Vermutet wurde, dass zu hohe Marktanteile verschwiegen werden könnten, um den Vertrag nicht zu gefährden oder die Marktmacht herunterzuspielen, Unsicherheiten sollten deshalb voraussehbar sein.2351 Da der Unternehmer jedoch nicht auf Informationen des Mittlers zu seinem Marktanteil angewiesen war (s. o.), dürften diese Stimmen von unzutreffenden Annahmen ausgegangen sein. Möglicherweise sind Probleme auch deshalb handhabbar, da auch bei Überschreiten der Marktanteilsschwelle nicht automatisch von der kartellrechtlichen Unwirksamkeit des Vertriebssystems auszugehen ist. Das gilt gerade, wenn nur einzelne Abnehmer innerhalb eines Vertriebssystems den Schwellenwert überschreiten (fehlende Spürbarkeit; nur der einzelne Vertrag ist wohl nicht freigestellt) oder ein u. U. wettbewerbskonformes qualitativ-selektives Vertriebssystem vorliegt (Rn 199 ff.). Eine quantitative Selektion ist bei Überschreiten der 30 %-Grenze hingegen nicht mehr möglich. Beide Parteien werden bei der Einschätzung der Marktmacht zusammenarbeiten2352 und ggf. unabhängige Marktstudien beauftragen2353 müssen; vertragliche Zusicherungen bedeutsam werden, verbunden mit der Pflicht zur regelmäßigen Information über Veränderungen.2354 Unzutreffende Informationen begründen einen Schadenersatzanspruch aus §§ 280, 311 BGB. Wegen der Irrelevanz solcher Selbsteinschätzungen lässt sich die Freistellung kaum erreichen, indem in die Präambel des Mittlervertrages die Ansicht beider Parteien aufgenommen wird, ihr Marktanteil unterschreite 30 %, so dass die GVO freistelle.2355 Zeitlich für die Marktanteilsschwelle ist der sachlich und räumlich relevante Markt des vorhergehenden Kalenderjahres (Art. 8 Abs. 1 GVO). Wird die Marktanteilschwelle in Bezug auf einzelne Produkte überschritten, gilt die GVO nur hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen, bei denen die Marktanteilschwelle nicht überschritten ist. In Bezug auf die übrigen Waren und Dienstleistungen gelten die normalen Wettbewerbsregeln (Tz 72, 73 LL). Die Freistellung bleibt nach Art. 8 Abs. 2 GVO bestehen, sofern der jährliche Gesamtumsatz in 2 aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Schwelle um nicht mehr als 10 % überschreitet. Eigenproduktion (Verwendung im Unternehmen oder in den verbundenen Unternehmen) bleibt bei der Berechnung des Marktanteils unberücksichtigt.2356

2345 Simon EWS 2010, 497; Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2384); Rösner WRP 2010, 1114 (1123); Lettl WRP 2010, 807 (809). Nach Funke/Just DB 2010, 1389 (1392) hätte dem durch einen Entzug im Einzelfall Rechnung getragen werden können. 2346 Funke/Just DB 2010, 1389 (1392). 2347 Funke/Just DB 2010, 1389 (1392). 2348 Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2267); die kritischen Stimmen referiert Lettl WRP 2010, 807 (811). 2349 Funke/Just DB 2010, 1389 (1392). 2350 AA de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (504); Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2267). 2351 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2385); Funke/Just DB 2010, 1389 (1392); Semler/Bauer DB 2000, 193 (195). 2352 Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2267). 2353 Funke/Just DB 2010, 1389 (1392). 2354 Funke/Just DB 2010, 1389 (1392). 2355 Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1211). Diese Aufassung kann Gerichte und Behörden nicht binden. 2356 EuGH, Urt. v. 11.7.2006 – C-205/03, Slg. 2006, I-6295; de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (504). 207

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309 (5) Art. 4 GVO. Art. 4 GVO nennt in einem einzigen, aus 339 Wörtern bestehenden Satz2357 nicht freigestellte schwarze Klauseln oder Kernbeschränkungen. Der GVO fehlen jedoch – anders als etwa der früheren Kfz-GVO 1475/95 – „weiße Klauseln“, d. h. Regelungen, denen keine Bedenken entgegenstehen. Freistellung erfahren sollen nur wettbewerbsrechtlich unbedenkliche Vereinbarungen ohne die in Art. 4 GVO genannten Kernbeschränkungen. Anders gewendet: Kernbeschränkungen sind Vereinbarungen, bei denen keine wettbewerbsrechtlich positiv zu beurteilenden Effizienzgewinne zu erwarten sind. Die Freistellung der Vereinbarung entfällt insgesamt, sofern eine oder mehrere Kernbeschränkung(en) in einer Vertikal-Vereinbarung enthalten ist oder sind (Tz 70 LL). Existieren Kernbeschränkungen, bleibt also der gesamte Vertriebsvertrag – und nicht nur die Kernbeschränkung – ohne Freistellung („die Freistellung gilt nicht für vertikale Vereinbarungen“).2358 Sonst wäre kein Unterschied zu der bei einem Verstoß gegen Art. 5 geltenden Rechtsfolge (Rn 352) erkennbar. Nach aA ist mit dem Terminus „Vereinbarung“ nur die betroffene, einzelne Vertragsbestimmung gemeint, während die übrigen Teile des Vertrages von der kartellrechtlichen Unwirksamkeit nicht erfasst werden.2359 Sie erstreckt sich jedoch auch dann auf mit der Vereinbarung untrennbar verbundene Teile.2360 Die Folgen einer Verletzung des Art. 4 GVO und ob die Teilnichtigkeit zu einer Gesamtnichtigkeit führt, bestimmen sich nach nationalem Zivilrecht.2361 Kernbeschränkungen gelten unabhängig vom Marktanteil als spürbare Beeinträchtigung des Wettbewerbs.2362 Die Freistellung kann dann auch über die Bagatellbekanntmachung nicht erlangt werden.2363 In Ausnahmefällen können Kernbeschränkungen für eine Vereinbarung objektiv notwendig und angemessen sein, etwa wenn sie erforderlich sind, um einem aus Sicherheits- oder Gesundheitsgründen bestehenden öffentlichen Verbot, gefährliche Stoffe an bestimmte Kunden abzugeben, nachzukommen (Tz 60 LL). Darüber hinaus haben Unternehmen die Möglichkeit, im Einzelfall die Einrede der Effizienz nach Art. 101 Abs. 3 AEUV zu erheben (Tz. 47, 60 LL, s. o. Rn 181 ff.),2364 wobei eine solche Freistellung regelmäßig unwahrscheinlich ist (Tz. 47 LL). Vertikale Kernbeschränkungen unterliegen insoweit einer Einzelfallprüfung.2365 Eine einseitige „schwarze Verhaltensweise“ des Herstellers beseitigt die Freistellung nur für den Zeitraum des Verstoßes.2366 Dem Hersteller dürfen nicht ohne weiteres „schwarze Verhaltensweisen“ seiner ausländischen Vertragshändler zugerechnet werden.2367 Niebling2368 vertritt, nach Nichtigkeit des Gesamtvertrags verbliebe ein Anspruch der Händler auf Belieferung aus § 242 BGB. Der Hersteller verhalte sich widersprüchlich, wenn er einerseits den Vertrag durch Rechtsbruch zerstöre, andererseits aber die Belieferung einstellen wolle. Dieser Ansicht widerspricht das OLG Schleswig2369 und wohl auch der BGH.2370 2357 Kritik aufgrund der Unverständlichkeit äußert deshalb Semler ZVertriebsR 2017, 205 (206). 2358 LL Tz 47; Simon EWS 2010, 497 (500); Lettl WRP 2010, 807 (813). 2359 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.9.2014 – 11 U 46/13 (Kart), ZVertriebsR 2015, 264 = WuW DE-R 4749 = WuW 2015, 907 m. Anm. Stein ZVertriebsR 2015, 372 und Anm. Ostendorf GWR 2015, 255; Stein ZVertriebsR 2014, 372 (374). Stein ZVertriebsR 2014, 372 (374). OLG München, Teilurt. v. 24.10.2018 – 3 U 1551/17, ZVertriebsR 2018, 394 Rn 26; Stein ZVertriebsR 2014, 372 (374). Schönbohm WRP 2004, 695 (696). Schönbohm WRP 2004, 695 (696); Creutzig EuZW 2002, 560, Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 232. 2364 Simon EWS 2010, 497 (500); Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2386). 2365 Paulweber/Kögel AG 1999, 500 (505); Ackermann EuZW 1999, 741. 2366 BGH, Urt. v. 30.3.2004 – KZR 24/02, EuZW 2004, 381 = DB 2004, 1725 = WuW/E 2004, 779 DE-R 1263 = NJWRR 2004, 1185; OLG Schleswig, Urt. v. 9.7.2002 – 6 U Kart 72/01, OLGR 2002, 378; i. E. zuvor bereits OLG Celle v. 22.6.2000 – 13 U 137/98, WuW DE-R 581 = 2001, 65. 2367 BGH, Urt. v. 30.3.2004 – KZR 24/02, EuZW 2004, 381 = DB 2004, 1725 = WuW/E 2004, 779 DE-R 1263 = NJWRR 2004, 1185. 2368 WRP 2002, 310 (313). 2369 Urt. v. 9.7.2002 – 6 U Kart 72/01, OLGR 2002, 378; i. E. zuvor bereits OLG Celle v. 22.6.2000 – 13 U 137/98, WuW DE-R 581 2001, 65; zusf. Emde VersR 2002, 151 (158); 2001, 148 (159). 2370 BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, WRP 2007, 1097 (1099) = RIW 2007, 614 = EWiR 2007, 547 (Emde).

2360 2361 2362 2363

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Art. 4 GVO bezeichnet fünf Kernbeschränkungen: lit. a: Preisbindung des Vertriebsmittlers. lit. b: Beschränkungen des Gebiets oder der Kundengruppen, in das oder an die der Mittler – vorbehaltlich einer etwaigen Beschränkung in Bezug auf den Ort seiner Niederlassung – die vermittelten Waren oder Dienstleistungen verkaufen darf, mit Ausnahme von: • Beschränkungen des aktiven Verkaufs in Gebiete oder an Kundengruppen, die der Unternehmer sich selbst vorbehalten oder ausschließlich einem anderen Mittler zugewiesen hat, sofern dadurch Verkäufe seitens der Kunden des Mittlers nicht begrenzt werden, • Beschränkungen des Verkaufs an bestimmte oder alle Endverbraucher durch Mittler (Abnehmer), die auf der Großhandelsstufe tätig sind, • Beschränkungen des Verkaufs an nicht zugelassene Händler, die Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems innerhalb des vom Unternehmer für den Betrieb des Systems festgelegten Gebiets auferlegt werden, • Beschränkungen der Möglichkeiten des Mittlers, Teile, die zur Weiterverwendung geliefert werden (unter Einschluss aller Zwischenprodukte, Tz 55 LL), an seine Kunden zu verkaufen, welche diese Teile für die Herstellung derselben Art von Waren verwenden würden, wie sie die Unternehmer herstellt. – lit. c: Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher, soweit diese Beschränkungen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegt werden, welche auf der Einzelhandelsstufe tätig sind. Den Mitgliedern des selektiven Vertriebssystems darf aber verboten werden, Geschäfte von nicht zugelassenen Niederlassungen aus zu betreiben. – lit. d: Beschränkungen von Querlieferungen zwischen den einzelnen Händler eines selektiven Vertriebssystems. Dieses Verbot gilt selbst dann, wenn jene Händler auf unterschiedlichen Handelsstufen tätig sind. – lit. e: Beschränkungen des Anbieters von Teilen, die den Anbieter daran hindern, diese Teile als Ersatzteile an Endverbraucher oder Reparaturbetriebe oder andere Dienstleister zu verkaufen, die der Abnehmer nicht mit der Reparatur oder Wartung seiner eigenen Waren betraut hat. Im Einzelnen: Art. 4 GVO ist die in der Praxis bedeutsamste Regelung der GVO. Jeder Vertriebsvertrag muss die dort genannten Kernbeschränkungen vermeiden. Ob die jeweilige Kernbeschränkung zu einem wirtschaftlichen Erfolg führt, ist für die Anwendung des Art. 4 unerheblich.2371 Die Kernbeschränkungen sind eng auszulegen.2372 Zu lit. a (Preisbindung) Eine unzulässige Preisbindung des Mittlers (Abnehmers) nach Art. 101 AEUV setzt eine vertragliche Abrede und damit eine Willensübereinkunft zwischen Anbieter und Abnehmer im Hinblick auf die Weiterveräußerungspreise voraus2373 (sonst mglw. Art. 102 AEUV). Zu den Hinweisen des BKartA zum Preisbindungsverbot im Lebensmitteleinzelhandel2374 s. Walzel ZVertriebsR 2017, 71 ff. Mit dem Mittler vereinbarte Fest- und Mindestweiterverkaufspreise bilden eine Kernbeschränkung,2375 selbst wenn sie Produkte Dritter betreffen,2376 ebenso differenzierte Ein-

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– –

2371 2372 2373 2374

Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 146. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 174. Lettl WRP 2011, 710 (732). Hinweise des BKartA zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 12.7.2017, ZVertriebsR 2017, 330. 2375 Freund WuW 2011, 29 (31); Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2386); Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2267); Funke/Just DB 2010, 1389 (1395); de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (506); Bayreuther EWS 2000, 106 (112); Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1212); Bechtold EWS 2001, 49 (52); zur ökonomischen Sicht in Vertikalverträgen Schwalbe WuW 2011, 1197. 2376 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2386). 209

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kaufs-2377 oder Verkaufspreise (Preisspaltung), etwa für den online- und offline-Vertrieb,2378 spiegelbildlich die Vorgabe, gleiche Preise online und offline zu gewähren2379 oder die Bindung an Marktpreise von Wettbewerbern.2380 Beugt sich der Händler dem Druck des Herstellers, so liegt eine Vereinbarung i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV vor.2381 Die Freistellungsmöglichkeiten sind beschränkt und mit Unsicherheiten belastet.2382 Der Begriff des Preises bezieht sich nicht nur auf den Wiederverkaufspreis gegenüber dem Endverbraucher sondern auf sämtliche preisbildende Faktoren. Damit sind auch Vereinbarungen, welche dem Händler eine Gewinnspanne vorschreiben, als Kernbeschränkung verboten,2383 ebenso – außer gegenüber kartellrechtlich privilegierten HV i. S. d. Tz 12 ff. LL. – Provisionsteilungsabreden (Tz 49 LL). Die Kündigung eines Händlers, der der Aufforderung, die Verkaufspreise an die UVP anzupassen, nicht nachkommt, kann als Versuch angesehen werden, die Händlerpreise zu binden und dürfte unzulässig sein.2384 Ebenfalls ist es unzulässig, einen solchen Händler aus diesem Grund nicht zu einem Vertriebssystem zuzulassen.2385 Unverb. Preisempfehlungen (UVP) als einseitige Maßnahme ohne „Vereinbarungscharakter“ i. S. d. Art. 101 AEUV 2386 (wohl nicht nur bei Unterschreiten der Schwellenwerte von 30 % – so jedoch Tz 226 LL), Höchstpreise,2387 Meistbegünstigungs- oder Bestpreisklauseln zu Gunsten des Abnehmers,2388 die Übergabe einer Liste mit vorgeschlagenen Preisen, Werbemaßnahmen2389 oder der Aufdruck eines Preisvorschlages auf dem Produkt2390 sollen nicht von lit. a erfasst und zulässig sein, sofern sich diese sich nicht infolge von Druck oder der Gewährung von Anreizen wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswir-

2377 2378 2379 2380 2381 2382 2383 2384 2385 2386

Nolte BB 2014, 1155 (1161). Nolte BB 2014, 1155 (1161). PM des BKartA v. 6.2.2015, DB 08/2015 M 14. Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2386). Lettl WRP 2013, 1272 (1274 f.). Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (344). Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 636. Spenner/Kiani ZVertriebsR 2013, 335 (336). Spenner/Kiani ZVertriebsR 2013, 335 (336). Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (346); Billing/Lang ZVertriebsR 2013, 207 (212); Nolte BB 2013, 1667 (1672) zum Kfz-Vertrieb; Lettl WRP 2011, 710 (713); Simon EWS 2010, 497 (500); de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (506); Funke/Just DB 2010, 1389 (1395). 2387 Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (346); Lettl WRP 2011, 710 (727); Simon EWS 2010, 497 (500); Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2386); Metzlaff BB 2000, 1201 (1206); Liebscher/Petsche EuZW 2000, 400 (402). Nach Ansicht von Bayreuther EWS 2000, 106 (111) bleibt unklar, ob die GVO Höchstpreisbindungen zulässt. 2388 BKartA, Beschl. v. 20.12.2013 – B 9-66/10, BeckRS 2014, 04343; Ackermann EuZW 1999, 741 (743); Schultze/ Pautke/Wagener Rn 426 ff.; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 155; Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 640; nicht aber Meistbegünstigungsklauseln zu Lasten des Abnehmers, s. Seeliger/de Crozals DB 2017, 351 (353); Nolte BB 2014, 1155 (1162); Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2386); aA Kumkar NZKart 2017, 47 (54); Soyez NZKart 2014, 447 (449). Generell wird zwischen Meistbegünstigungsklauseln zu Lasten des Anbieters und Meistbegünstigungsklauseln zu Lasten des Abnehmers differenziert. Zum Streitstand Augenhofer/Schwarzkopf NZKart 2017, 446 (448). Da die GVO nur Wettbewerbsbeschränkungen zu Lasten des Abnehmers freistellt, könnte sie für Bestpreisklauseln zu Lasten des Anbieters irrelevant sein, s. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659 (660). Es dürfte sich bei der Bestpreisklausel um den Teil eines Vertriebsvertrages i. S. d. Art. 1 Abs. 1 lit. a GVO handeln, s. OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 Rn 35; LG Köln, Urt. v. 16.2.2017 – 88 O (Kart) 17/16, ZVertriebsR 2017, 265 = WuW 2017, 208 Rn 90 ff.; Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659 (662). 2389 LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 1335/15, WuW 2019, 49 (52) Rn 68: Durch Werbemaßnahmen des Unternehmers können Mittler faktisch gezwungen werden, ihre Ware zu den beworbenen Preisen anzubieten. Das gilt insb. bei unzureichenden Hinweisen über die teilnehmenden Filialen und die Unverbindlichkeit der Preisempfehlung und auch dann, wenn der schlecht lesbare Hinweis „in allen teilnehmenden Restaurants und solange der Vorrat reicht“ aufgebracht wurde. 2390 Lettl WRP 2011, 710 (730). Emde

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ken.2391 Der Händler darf sich an eine nach diesen Kriterien zulässige UVP halten.2392 Auch die enge Paritäts- oder Bestpreisklausel zu Lasten eines auf der Plattform vertetenen Hotels, derzufolge das Hotel keine Bedingungen und Verfügbarkeiten zu gewähren hat, die denjenigen entsprechen oder besser sind, als sie dem Portal gewährt wurden, soll nach einer Meinungsgruppe zulässig sein,2393 was u. a. damit begründet wird, dass es sich um die Bindung des „Lieferanten“ (auf dem Portal vertretenen Anbieters = Hotels) handelt.2394 Selbst die weite Bestpreisklausel wird z. T. (wohl zu Unrecht) für freigestellt und nicht von lit. a erfasst gehalten.2395 Das ist zumindest bei Bestpreisklauseln betreffend Plattformen zweifelhaft, da die Plattformbetreiber mit den Händler in Wettbewerb stehen.2396 Unzulässig ist jede indirekte Preisbindung,2397 etwa finanzielle Vergünstigungen für das Einhalten eines bestimmten Preisniveaus,2398 z. B. KfzVertragshändlern gewährte Boni für die Beachtung der UVP.2399 Problematisch ist ein Preisbeobachtungssystem,2400 weil es darauf hindeutet, dass im Falle fehlender Preisdiziplin Sanktionen folgen. Bereits die Kontaktaufnahme zwischen Mittler und Unternehmer über die Preisgestaltung und die nachträgliche und wiederholte Thematisierung (weil hiermit die Kontrolle der Preise und mögliche Konsequenzen impliziert werden) ist bedenklich.2401 Hersteller dürfen die UVP aber übermitteln, erläutern und auch argumentieren.2402 Wenn sich der Hersteller beim Händler nach dessen Preiskalkulation erkundigt, kann dies eine kartellrechtlich neutrale Handlung, eine einseitige Druckausübung nach Art. 102 AEUV oder eine Vereinbarung i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellen.2403 Das BKartA2404 legt strenge Maßstäbe an und knüpft an die Kontaktaufnahme nach Mitteilung einer UVP den Verdacht einer Abstimmung des Marktverhaltens.2405 Der BGH2406 hingegen scheint, ebenso wie der EuGH,2407 bestimmte Gespräche zwischen Hersteller und Vertriebsmittler über die Preisgestaltung zuzulassen. Zulässig soll die Äußerung des Herstellers sein, er sei von der UVP überzeugt und gehe davon aus, jene werde sich durchsetzen.2408 Kritisch sind Hinweise des Herstellers auf konkrete Preissetzungsabsichten anderer 2391 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 Rn 40; Billing/Lang ZVertriebsR 2013, 207 (212).

2392 Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (347). 2393 Kartellrechtsneutral nach der Immanenztheorie: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 379 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659; mglw. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 Rn 40; Bernhard NZKart 2019, 577 (581). Jedenfalls aber freigestellt nach Art. 2 GVO: OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 Rn 35 ff.; LG Köln, Urt. v. 16.2.2017 – 88 O (Kart) 17/16, ZVertriebsR 2017, 265 = WuW 2017, 208 Rn 88 ff. (sowohl für die enge wie die weite Bestpreisklausel). AA OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.2015 – VI Kart 1/14 (V), ZVertriebsR 2015, 182; BKartA, Beschl. v. 20.12.2013 – B 9-66/10, BeckRS 2014, 04343; LG Köln, Urt. v. 16.2.2017 – 88 O (Kart) 17/16, ZVertriebsR 2017, 265 = WuW 2017, 208. Anders wohl für die weite Bestpreisklausel, nach der auch auf Buchungsund Vertriebskanälen Dritter dieselben oder keine günstigeren Preise gewährt werden müssen, s. o. 2394 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 Rn 40. 2395 LG Köln, Urt. v. 16.2.2017 – 88 O (Kart) 17/16, ZVertriebsR 2017, 265 = WuW 2017, 208 Rn 105 ff. 2396 Wagener WuW 2020, 172. 2397 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2386). 2398 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2386). 2399 Niebling WRP 2005, 717 (718). 2400 AA Lettl WRP 2011, 710 (728). 2401 BKartA, Beschl. v. 25.9.2009 – B 3-123/08 – Ciba Vision (hierzu Lettl WRP 2013, 1272 ff.), WuW DE-V 1813; Billing/Lang ZVertriebsR 2013, 207 (212/213); Funke/Just DB 2010, 1389 (1395 f.); aA Freund WuW 2011, 29 ff. sowie Lettl WRP 2011, 710 (727) für den Fall einer bloßen Erläuterung. 2402 Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (347). 2403 Hierzu Lettl WRP 2013, 1272 ff. 2404 Zu dessen „Hinweisen“ Walzel ZVertriebsR 2017, 71 ff. 2405 BKartA, Beschl. v. 25.9.2009 – B 3-123/08 – Ciba Vision, hierzu Lettl WRP 2013, 1272 ff. 2406 Beschl. v. 6.11.2012 – KZR 13/12, GRUR-RR 2013, 182 – UVP für Rucksäcke. 2407 Urt. v. 10.2.2011 – C-260/09, GRUR-Int. 2011, 320 Rn 72 – Nintendo. 2408 Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (347). 211

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Händler sowie Formulierungen wie der „Händler möge die UVP möglichst einhalten“.2409 Generell sollte die Kommunikation zu den UVPs auf das Nötigste reduziert werden.2410 Schon die erstmalige Ansprache des Händlers auf einen Niedrigpreis könne unzulässig sein, wenn es sich um einen bedeutenden Hersteller mit Markt- und Verhandlungsmacht handelt und/oder in der Vergangenheit Konsequenzen auf solche Hinweise folgten.2411 Die Grenze zur Unzulässigkeit wird überschritten, falls der Hersteller nachdrücklich insistiert oder den Händler gezielt und wiederholt „bearbeitet“.2412 Es sollten Rückäußerungen des Händlers vermieden werden, die den Anschein einer Zusage erwecken, man werde der UVP folgen.2413 Händler sollten davon absehen, dem Hersteller einen Aktions-Verkaufspreis zu nennen.2414 I. E. wird es auf die Untertöne und darauf ankommen, was der Mittler aufgrund des Verhaltens des Unternehmers im speziellen Fall oder in anderen Fällen erwarten durfte, nämlich den Wunsch nach bloßer Information ohne Hintergedanken oder die Ausübung von Druck. Eine vertikale Preisbindung bezweckt die Wettbewerbsbeschränkung. Deswegen kommt es auf ihre tatsächlichen Auswirkungen und ihre Spürbarkeit nicht an.2415 Eine Einschränkung des Preisbindungsverbots nach Art der amerikanischen „rule of reason“ kommt nur im Ausnahmefall gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV in Betracht2416 (Tz 223 LL), wobei aber eine angemessene Beteiligung der Verbraucher erforderlich ist.2417 Insoweit können sich aus der Festsetzung von Fest- und Mindestweiterverkaufspreisen Effizienzgewinne ergeben, etwa beim Markteintritt (Tz 225 LL),2418 Lockvogel- oder Verdrängungsangeboten großer Händler,2419 Sonderangeboten in einheitlichen Vertriebssystemen, etwa Franchisesystemen (Tz 225 LL), sowie kurzzeitigen Sonderangebots- oder Niedrigpreisinitiativen, etwa von 2– 6 Wochen.2420 Trotz der strengen Regelung eröffnen die LL damit Raum für eine erfolgreiche Verteidigung solcher Preise im Einzelfall.2421 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Effizienzgewinns trägt der Unternehmer.2422 Die Preisbindung des Unternehmers als Lieferanten ist nicht verboten,2423 etwa des Hotels gegenüber einer Buchungsplattform. Es ist Aufgabe des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob eine Klausel dem Vertriebsmittler die Preisfreiheit gestattet.2424 Zu lit. b (Gebiets- und Kundengruppenbeschränkungen) 315 Art. 4 lit. b GVO gilt für alle unechten HV- sowie Eigenhändlerverträge, innerhalb und au316 ßerhalb von selektiven Vertriebssystemen.2425 Auch Beschränkungen2426 des Gebiets oder

2409 2410 2411 2412 2413 2414 2415 2416

Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (347). Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (346). Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (346). Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (346). Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (347). Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (346). BGH, Urteil vom 17.10.2017 – KZR 59/16 – Almased, NZKart 2018, 52. Simon EWS 2010, 497 (500); aA (kaum freistellungsfähig): Lettl WRP 2010, 807 (813) (großzügiger aber Lettl WRP 2011, 710 [733 ff.]); Sosnetza/Hoffmann AG 2008, 107 ff.; Schwaderer WuW 2008, 653 (660); krit. gegenüber der rule of reason Martinek ZVertriebsR 2013, 3 ff. 2417 Vgl. Sosnetza/Hoffmann AG 2008, 107 (113). 2418 Simon EWS 2010, 497 (501); de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (507). 2419 de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (507). 2420 Walzel ZVertriebsR 2017, 71 (73) – zur Ansicht des BKartA; Simon EWS 2010, 497 (501); Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2386); de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (507); Murach GWR 2010, 210. 2421 Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2268). 2422 Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2268). 2423 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 – Hotelbuchungsprogramme; Stancke VersR 2009, 1168 (1174) für Preisbindungen, an die ein Versicherer in Rahmenvereinbarungen zu einem Maklerkonzept gebunden wird. 2424 EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./. Tobar, EWS 2008, 441 = WuW EU-R 1475, 446 Rn 71; Tz 50 LL. 2425 Dreyer/Ahlenstiel NZKart 2019, 130 (135). 2426 Bereits diese und nicht erst der völlige Ausschluss des Vertriebes genügt, s. Schweda NZKart 2017, 585 (587). Emde

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der Kundengruppen (früher: Kundenkreis2427), an welche der Mittler veräußern darf, sind freistellungsunfähig. Der Unternehmer dagegen darf sich hinsichtlich des Gebietes oder Kundenkreises beschränken (Tz. 50 LL). Durch die Festlegung des Ortes der Niederlassung des Mittlers lässt sich gleichwohl eine gewisse Gebietsbeschränkung erreichen.2428 Die Klarstellung, dass der Unternehmer dem Mittler den Ort seiner Niederlassung vorschreiben darf, wurde erst durch die GVO 330/10 neu eingefügt.2429 Noch unter der GVO 2790/99 wurden Standortklauseln als unzulässig angesehen.2430 Standortklauseln können aber bei Nichteingreifen der GVO, etwa infolge die Schwellenwerte der GVO übersteigender Marktanteile, problematisch sein und sind nur dann von Art. 101 Abs. 3 AEUV erfasst, wenn dies zum Schutz vertragsspezifischer Investitionen des Vertragshändlers erforderlich ist.2431 Die in Art. 4 lit. b und c genannten Merkmale müssen im Interesse der Rechtssicherheit 317 leicht feststellbar sein. Sie dürfen nicht von einer eingehenden Prüfung der Marktbedingungen und der zu beobachtenden Wettbewerbssituation abhängig sein.2432 Art. 4 GVO meint Kundenbeschränkungen in Hinblick auf einzelne Kunden oder ganze 318 Gruppen von Kunden.2433 Zum Begriff der Kundengruppe ist umstritten, ob dieser unzutreffend in die deutsche Sprache übersetzt wurde. Andere Sprachfassungen lassen die Deutung zu, dass keine nach bestimmten Kriterien abgrenzbare Kundengruppe gemeint ist, sondern der einzelne Kunde.2434 So findet sich der Begriff der „Kundengruppe“ lediglich im deutschen Text des Art. 4 lit. b, während im englischen, spanischen oder französischen nur von „Kunden“ die Rede ist.2435 Jedoch erwähnte auch der Schlussantrag des Generalanwalts in dem in Französisch geführten EuGH-Verfahren Coty den Begriff der Kundengruppe.2436 Außerdem: wenn bereits Beschränkungen einzelner Kunden unzulässig sind, dann sind es erst recht solche ganzer Kundengruppen. Beschränkungen der Verwendung der vertriebenen Ware durch den Vertriebsmittler (etwa: 319 „Field of Use-Klauseln“, „Verwendungsbeschränkungen“ oder das Totalverbot des Internet-Vertriebs,2437 zu letzterem näher unten) bilden ebenso wie das im selektiven Vertrieb übliche Verbot des Verkaufs an „Außenseiter“2438 grds. eine unzulässige Beschränkung der Kundengruppe i. S. d. Art. 4 GVO.2439 Sie sind auch durch die Bagatellbekanntmachung nicht freigestellt.2440 Selbst indirekte oder mittelbare Maßnahmen, die sich wie eine Gebiets- oder Kundenkreisbeschränkung auswirken, sind unzulässig, etwa mittelbarer Druck (Tz 50 LL). Zu denken ist an wirtschaftliche Nachteile durch eine Reduzierung der Vergütung, Kündigungsdrohungen, Be-

2427 Zum Wechsel der Terminologie s. etwa Metzlaff/Schaper ZVertriebsR 2018, 1 (5). 2428 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2387). 2429 Simon EWS 2010, 497 (502); Funke/Just DB 2010, 1389 (1392) mit krit. Stellungnahme zur Bezeichnung als „Niederlassung“. S. Staub/Emde 5. Aufl., Vor § 84 Rn 134. LL GVO 330/10, Rn 185; siehe Nolte BB 2013, 1667 (1668/1669). GA Wahl Schlussanträge C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 Rn 130. Herrlinger NZKart 2014, 92 (94). Dreyer/Ahlenstiel NZKart 2019, 130 (133); Galle DB 2019, 288 (289); Metzlaff/Schaper ZVertriebsR 2018, 1 (5); zweifelnd Herrlinger NZKart 2014, 92 (94). 2435 Siehe OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (582) – Luxuskosmetika; Leupold NZKart 2019, 520 (521); Metzlaff/Schaper ZVertriebsR 2018, 1 (5). 2436 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (582) – Luxuskosmetika. 2437 Galle DB 2019, 288 (289); Linsmeier/Haag WuW 2018, 54; Dieselhorst/Luhn WRP 2008, 1306 (1310); Pautke/ Schultze BB 2009, 1383. 2438 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2385). 2439 Gehring/Fort EWS 2007, 160 (165); aA Bechtold/Denzel WuW 2008, 1272 ff. 2440 Wegner BB 2011, 2959 – zum Verbot des Internetvertriebs; Gehring/Fort EWS 2007, 160 (163, 166); aA Bechtold/ Denzel WuW 2008, 1272 (1280).

2430 2431 2432 2433 2434

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schränkungen der Liefermenge, Forderung nach Anzahlungen2441 oder dass der Unternehmer trotz wohl zulässiger Differenzierung der Garantieleistung in den einzelnen Staaten für die jeweils gewährte Garantie keine gemeinschaftsweite Durchsetzbarkeit anbietet.2442 Ebenso, falls der Unternehmer die Garantie nur Kunden vorbehält, die bei dem zuständigen Alleinvertriebshändler gekauft haben.2443 Es ist jedoch zulässig, dass der Händler nur eigenen Kunden eine zusätzliche Garantie gibt.2444 In selektivem Vertriebssystemen erlaubt ist die vertragliche Beschränkung von Garantieleistungen auf von zugelassenen Händlern verkaufte Erzeugnisse, da dies dazu dient, den Vertrieb durch Außenseiter zu verhindern.2445 Die Weigerung des Herstellers, Gewährleistung für Kfz zu erbringen, welche der Endkunde grenzüberschreitend kauft oder im Wege einer Querlieferung von dem einem anderen System zugehörigen Händler mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat erworben hat,2446 widerspricht ebenfalls lit. b und c. Das gleiche gilt, wenn der Hersteller so erworbene Fahrzeuge von Rückrufaktionen oder unentgeltlichen Kundendienstleistungen ausschließt.2447 Jedoch weichen die gesetzlichen Gewährleistungsrechte der EU-Staaten oft voneinander ab und die nationalen Gewährleistungsumfänge sind beim Neuwagenverkauf eingepreist. Der Hersteller ist deshalb nicht verpflichtet, eventuell vorteilhaftere Gewährleistungsumfänge des Zielmitgliedsstaats zu erbringen.2448 Die bloße Benennung eines Vertragsgebietes bildet jedoch kein Verkaufsverbot i. S. d. Art. 4 lit. b GVO.2449 Gebilligt werden Verkaufsbeschränkungen, die sich aus der Natur des Produkts ergeben 320 (z. B. bei gefährlichen Produkten). Das gleiche gilt für solche, die der Sicherung gesetzlicher Vorschriften dienen, etwa des Verbots der Lieferung von Zigaretten und Alkohol an Jugendliche oder Kinder. Art. 4 lit. b nennt die o. g. 4 Ausnahmen, bei deren Eingreifen eine Gebietsbeschränkung 321 ausnahmsweise zulässig ist. (i) Am bedeutendsten ist die erste Ausnahme, dergemäß aktiver Verkauf des Mittlers in 322 Gebiete untersagt werden darf, die sich der Unternehmer zur ausschließlichen Belieferung vorbehalten oder einem Dritten (etwa: Vertriebsmittler) zur ausschließlichen Belieferung zugewiesen hat. Hersteller dürfen etwa im Exklusivvertrieb die aktive Online-Werbung gegenüber Kunden außerhalb des Vertragsgebiets verbieten, soweit der Hersteller es sich selbst vorbehalten oder einen anderen Händler zugewiesen hat.2450 Jeder Händler soll durch den Schutz vor Aktivverkäufen durch andere Händler einen besonderen Anreiz erhalten, in seinem zugewiesenen Gebiet oder für seinen Kundenkreis zu investieren.2451 Die Vorschrift führt zu erheblichen Anwendungskosten.2452 Sie zwingt die Unternehmen in Exklusivitätsvereinbarungen, wo sie vielleicht unnötig wären.2453 Oft verstehen die den Vertrag Entwerfenden die kartellrechtlichen Regelungen nicht und es kommt zu Widersprüchen innerhalb des Vertrages. Meist werden die vorbehaltenen Gebiete in Anlagen zum Vertrag benannt. Die Anlagen müssen jeweils aktuell

2441 2442 2443 2444

Nolte BB 2013, 1667 (1673) zum Kfz-Vertrieb. Tz. 50 der LL zur GVO 330/10; Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 641. EuGH, C-373/90, Slg. 1992, I-131, Rn 18; Calliess/Ruffert/Weiß EUV/AEUV,4 2011, AEUV Art. 101 Rn 203. EuGH – 86/82, Slg. 1984, 883 Rn 34 – Hasselblad/Kommission; Calliess/Ruffert/Weiß EUV/AEUV,4 2011, AEUV Art. 101 Rn 203. 2445 EuGH, C-376/92, Slg. 1994, I-15, Rn 32, 33 – Metro/Cartier; Calliess/Ruffert/Weiß EUV/AEUV,4 2011, AEUV Art. 101 Rn 212. 2446 Nolte BB 2013, 1667 (1673). 2447 LL zur Kfz-GVO 461/10, Rn 49; Nolte BB 2013, 1667 (1673). 2448 Nolte BB 2013, 1667 (1673). 2449 OLG München, Teilurt. v. 24.10.2018 – 3 U 1551/17, ZVertriebsR 2018, 394 Rn 24. 2450 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (283). 2451 Leupold NZKart 2019, 520 (524). 2452 Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2267). 2453 Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2267). Emde

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gehalten werden dürfen, etwa durch Mitteilung des Unternehmers über neu besetzte Gebiete.2454 Wäre dazu jeweils eine konsensuale Vertragsänderung zulässig, könnte ein Mittler eine Änderung der Gebiete durch Verweigerung der Zustimmung hindern. Deshalb wird meist vereinbart, dass die Ergänzung der Anlagen durch bloße Mitteilung des Unternehmers möglich ist. Eine solche Vereinbarung dürfte zulässig sein, was zumindest aus einer europarechtskonformen Auslegung folgt. Der BGH hat auch an anderer Stelle eine „GVO-konforme Auslegung“ zugelassen.2455 Praktikabilitätsgesichtspunkte sprechen also dafür, eine einseitige Erklärung des Herstellers genügen zu lassen.2456 Die vorbehaltenen Gebiete müssen tatsächlich besetzt sein.2457 Jedenfalls muss dies ernsthaft beabsichtigt sein.2458 Dem Anbieter vorbehalten ist ein Gebiet also nur dann, wenn er die Kunden tatsächlich beliefert bzw. eine Belieferung ernsthaft will. Der bloße Wille zum Ausschluss genügt nicht.2459 Nicht möglich ist es, den einzigen Abnehmer auf ein Gebiet zu beschränken, wenn Hersteller oder andere Abnehmer nicht außerhalb dieses Gebietes liefern.2460 Sind Gebiete nur teilweise besetzt, dürfen nur teilbesetzte Gebiete vorbehalten werden (weil sonst durch „Gebietsschneiderei“ die Ausnahme zur Regel würde). Die Besetzungsform hingegen braucht nicht erwähnt zu werden.2461 Die Größe des betroffenen Gebiets oder die Zahl der Kunden ist unerheblich. Es kann sich sogar um das Verbot der Belieferung eines einzigen namentlich benannten Kunden handeln.2462 Verkäufe seitens der Kunden des Mittlers dürfen nicht begrenzt werden. Dadurch soll bei mehrstufigen Vertriebssystemen ein absoluter Gebietsschutz ausgeschlossen werden. Beschränkungen des passiven Verkaufs gegenüber sog. „Kommkunden“ sind regelm. eine 323 Kernbeschränkung.2463 Voraussetzung ist aber, dass der Anwendungsbereich der Art. 101 AEUV, § 1 GWB eröffnet ist (siehe zum selektiven Vertrieb Rn 201). Die Kommission hat in Tz 61 LL klargestellt, dass unter bestimmten Umständen sogar Beschränkungen des passiven Verkaufs Art. 101 AEUV nicht widerstreiten. Die Kommission erkennt a. a. O. eine Ausnahme zugunsten von Lieferanten an, die anderenfalls von einem Markteintritt absehen würden.2464 Diese Ausnahme rechtfertigt sich dadurch, dass mit der Einführung einer neuen Marke oder mit dem Eintritt in einen neuen geographischen Markt i. d. R. erhebliche Investitionen verbunden sind, um das Produkt bekannt zu machen und eine Nachfrage zu begründen (s. a. Tz 117 LL). Daher wird der Händler oft nur zu Investitionen bereit sein, wenn er zumindest für eine gewisse Zeit gegen aktive und passive Verkäufe in seinem Gebiet oder an seine Kunden durch andere Händler geschützt ist.2465 Gem. Tz 107 LL sind daher Gebietsbeschränkungen, die einen Händler auch vor passiven Verkäufen schützen, während der ersten 2 Jahre der Geschäftstätigkeit des Händlers nicht als Wettbewerbsbeschränkung i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV anzusehen, soweit die In2454 Sonst könnten solche Gebiete niemals bezeichnet werden, da bei Abschluss des ersten Vertriebsvertrages zwangsläufig noch keine anderen Vertriebsmittlern vorbehaltene Gebiete existieren können.

2455 BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, BB 2009, 1817. 2456 Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1213). 2457 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2387); Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1213). Ob es ausreicht, dass sich der Hersteller sämtliche, dem Vertriebsmittler nicht zugewiesene Gebiete der Welt für sich reserviert, erscheint zweifelhaft; vgl. Liebscher/Petsche EuZW 2000, 400 (403). 2458 Wegner BB 2010, 1803 (1807); aA wohl Lettl WRP 2010, 819. 2459 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 197; Semler/Bauer DB 2000, 193 (198). 2460 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2387). 2461 Unentschieden Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1213). 2462 Semler/Bauer DB 2000, 193 (198); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 181. 2463 Nolte BB 2017, 1987 (1988) – Website des Händlers; Nolte BB 2013, 1667 (1673) zum Kfz-Vertrieb; Simon EWS 2010, 497 (502); Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2387); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 190. 2464 Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (145). 2465 Siehe Funke/Just DB 2010, 1389 (1395). 215

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vestitionen des Händlers zum Aufbau des Geschäfts notwendig sind.2466 Die Alleinvertriebsvereinbarung bleibt freigestellt, wenn neben dem alleinigen Händler auch der Lieferant selbst die Produkte im Vertragsgebiet vermarktet (Tz 51 LL).2467 324 In Tz 51 LL wird der Begriff des aktiven Verkaufs definiert2468: Er liegt entweder bei der gezielten Ansprache einzelner Kunden,2469 bestimmter Kundengruppen (Massen-E-Mails)2470 oder Kunden in einem Gebiet durch Werbung oder Verkaufsförderungsmaßnahmen, die speziell auf jene Kunden ausgerichtet sind2471 (weil die Werbemaßnahme nur bei Geschäftsschluss mit diesen Kunden wirtschaftlich wäre,2472 z.B: gebietsbezogene Werbebanner auf Websites Dritter,2473 Affiliate-Marketing2474 (Banner, Links, Meta-Tags, Cookies), Zahlungen für eine Suchmaschine, damit Werbung gezielt an Nutzer in einem bestimmten Gebiet gesandt wird2475) oder bei Errichtung eines Lagers oder einer Verkaufsstätte in dem Bereich. Passiver Verkauf ist hingegen die Reaktion auf eine unaufgeforderte Interessenbekundung oder Bestellung von „Kommkunden“,2476 d. h. die Erledigung solcher Anfragen, ggf. durch Vertragsschluss. Werbemaßnahmen allgemeiner Art,2477 etwa mittels Homepage im Internet,2478 gelten im Regelfall als passiver Verkauf (Tz 52 LL),2479 auch bei Autohäusern.2480 Das Aufsuchen der Website eines Vertriebshändlers und die Kontaktaufnahme mit ihm durch einen Kunden bildet einen passiven Verkauf2481 (Tz 52 LL), ebenso die Sprachwahl (Tz 52 LL)2482 oder eine zum Verkauf leitende automatische Information durch den Händler (Tz 52 LL).2483 Deshalb bildet eine Vertragsbestimmung, die den Vertrieb über eine gemeinsame Online-Plattform von Unternehmer und Mittler vorschreibt, eine unzulässige Beschränkung des passiven Verkaufs.2484 Das ist angesichts der Bedeutung eigener Homepages konsequent: rund 90 % der Händler in der EU nutzen eine eigene Website.2485 Unter bestimmten Umständen kann sowohl ein aktiver wie ein passiver Verkauf untersagt werden, etwa in Folge erheblicher Investitionen des Händlers bei Markteintritt2486 (Tz 61 LL) oder bei Markteinführungstests (Tz 62 LL).

2466 Simon EWS 2010, 497 (501); Funke/Just DB 2010, 1389 (1395); Seeliger/Klauß GWR 2010, 303635 = GWR 2010, 233.

2467 2468 2469 2470 2471 2472 2473 2474 2475 2476

Siehe Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2387); Funke/Just DB 2010, 1389 (1395). Dazu OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.2.2014 – VI-U (Kart) 7/12, WuW 2014, 638 = DE-R 4242 (4246). Mesch WuW 2017, 62 (65). Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (146). Mesch WuW 2017, 62 (65). LL Tz 51 S. 6; i. E. Lettl WRP 2010, 807 (814 ff.). LL Tz 52; s. Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (146). Nolte BB 2017, 1987 (1992). LL Tz 53; s. Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (146). OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.2.2014 – VI-U (Kart) 7/12, WuW 2014, 638 = DE-R 4242 (4246); Mesch WuW 2017, 62 (65); Simon EWS 2010, 497 (502). 2477 Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2267). 2478 Nolte BB 2017, 1987 (1988); Mesch WuW 2017, 62 (65); Lubberger WRP 2015, 14 ff. Rn 33 ff.; Funke/Just DB 2010, 1389 (1394); Lettl WRP 2010, 807 (816 f.); zweifelnd – da Einrichtung und Betrieb eines Online-Shops Aktivität erfordere – Rahlmeyer ZVertriebsR 2012, 57 – wobei Aktivität beim Vertrieb und bei der Schaffung der Vertriebsstätte verwechselt werden. 2479 Oest/Wagener RIW 2012, 35 (39). 2480 Niebling WRP 2010, 1454 (1457). 2481 Dieselhorst/Luhn WRP 2008, 1306 (1310). 2482 de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (507). Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (146) stimmt dem für die Wahl der englischen Sprache zu, nicht aber, wenn ein polnischer oder bulgarischer Händler Deutsch als Sprachwahl anbietet, weil dies speziell auf deutsche Kunden zielt. 2483 Funke/Just DB 2010, 1389 (1394). 2484 Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (308) – Franchising. 2485 Nolte BB 2017, 1987 (1988). 2486 Dann käme auch ein Totalverbot des Internetvertriebs in Betracht, s. Rohrßen ZVertriebsR 2017, 274 (275). Emde

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Werbemaßnahmen im Internet (dazu vgl. auch oben Rn 214 ff. zum selektiven Vertrieb 325 und unten zu Art. 4 lit. c GVO) können nur als aktiver Verkauf angesehen werden, wenn sie gezielt einzelne Kunden oder Kundengruppen ansprechen,2487 etwa mittels selektiv versandter Post oder E-Mail,2488 durch Verwendung gebiets- oder kundenbezogener Banner oder Links2489 (Tz 53 LL), im Extremfall mit Umleitung auf andere Seiten,2490 oder wenn der Mittler Zahlungen an Suchmaschinen oder andere Dienste leistet, um Nutzer eines Gebiets anzuziehen (Tz 53 LL). Außerhalb dieses eng definierten Bereichs des aktiven Verkaufs bildet jedes Totalverbot2491 oder eine ihm gleichkommende Beschränkung bzw. jede ernste Behinderung des Internetvertriebs des Mittlers,2492 gleich ob ausdrücklich oder de facto,2493 vollständig2494 oder in einem Teilbereich, zeitlich limitiert oder unlimitiert,2495 etwa indem sich der Anbieter den Internetvertrieb allein vorbehält (ohne dass die o. g. Ausnahme eingreift),2496 die Anwesenheit eines Beraters (hier: eines Pharmakologen) fordert2497 oder ein Internetverkauf in andere Länder2498 untersagt wird, regelm. – vielleicht mit Ausnahme des für die Funktion eines selektiven Vertriebs Erforderlichen2499 (Rn 199 ff.) – eine unzulässige, schwerwiegende und gegen lit. b verstoßende Wettbewerbsbeschränkung,2500 sofern nicht besondere Umstände (Extremsituationen),2501 etwa die Gefährlichkeit des Produktes2502 oder der Schutz von Gesundheit2503 oder Sicherheit,2504 das Verbot rechtfertigen. Dass die Leitlinien zur GVO angeblich schweigen, was 2487 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 191. Zu weit wohl Nolte BB 2017, 1987 (1990): Die Nutzung aller Werbemaßnahmen des Internets zähle zu den Aktivverkäufen, jedenfalls im selektiven Vertrieb. 2488 Westphal II Rn 384. 2489 Dieselhorst/Luhn WRP 2008, 1306 (1310). 2490 Dieselhorst/Luhn WRP 2008, 1306 (1310). 2491 OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.4.2019 – VI-Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 503 = EWiR 2019, 605 (Seifert) Rn 96 m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659; Galle DB 2019, 288 (289); Wolf-Posch/Samek ZVertriebsR 2018, 302 (306) – Franchising; Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (283); Linsmeier/Haag WuW 2018, 54; Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (211). 2492 LG Frankfurt/M., Urt. v. 18.6.2014 – 2-03 O 158/13, ZVertriebsR 2014, 311 = WuW DE-R 4409 (bejaht einen Belieferungsanspruch eines Internet-Versandhandels); Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2388); Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1212). 2493 OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.4.2019 – VI-Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 503 = EWiR 2019, 605 (Seifert) Rn 96. 2494 Galle DB 2019, 288 (289); Nolte BB 2014, 1155 (1157); hierzu Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C439/09, Rn 62. 2495 Oest/Wagener RIW 2012, 35 (41); Wiring MMR 2010, 659; Seeliger/Klauß GWR 2010, 303635 = GWR 2010, 233. 2496 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2388). 2497 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener RIW 2012, 35 = ZVertriebsR 2012, 55 m. Anm. Rahlmeyer (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 54; Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09 Rn 62. 2498 Haslinger WRP 2009, 279 (284). 2499 Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09 Rn 57 Nach Auffassung von Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (147) hat deshalb der Hersteller eines selektiven Vertriebssystems bessere Chancen, dass Restriktionen des Online-Vertriebssystems akzeptiert werden, als derjenige eines nicht selektiven. 2500 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener RIW 2012, 35 = ZVertriebsR 2012, 55 m. Anm. Rahlmeyer (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 54; Oest/Wagener RIW 2012, 35 (39/40); Bonacker GRUR-Prax 2012, 326553; Rösner WRP 2010, 1114 (1119); Haslinger WRP 2009, 279 (280); Seeliger/Klauß GWR 2010, 303635 = GWR 2010, 233; Lettl WRP 2010, 807 (818 f.); aA Lubberger WRP 2015, 14 ff. Rn 37 ff., der Einschränkungen bei “sachlich gerechtfertigten Gründen” zulässt. 2501 Lettl WRP 2010, 807 (818 f.). 2502 Seeliger/de Crozals DB 2017, 351 (353); Nolte BB 2014, 1155 (1157); Innerhofer ZVertriebsR 2013, 266 (269); de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (508); Pautke/Schultze BB 2001, 317 ff. 2503 Nach Ansicht von Seeliger/de Crozals DB 2017, 351(353) soll diese Ausnahme eng auszulegen sein. 2504 Genannt werden Waffen und verschreibungspflichtige Medikamente, vgl. Seeliger/de Crozals DB 2017, 351 (353); Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (145). 217

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vor dem Hintergrund ihrer Rn 522505 zweifelhaft ist, verschlägt nicht.2506 Zumindest die gezielte Beeinflussung von Suchmaschinen durch „meta-tags“ kann als beschränkbarer, aktiver Verkauf i. S. d. GVO angesehen werden. In diesen Fällen eines Verstoßes scheidet meist auch eine Einzelfreistellung aus.2507 Unterhalb der Schwelle des Totalverbots sind Beschränkungen gang und gäbe.2508 Die genaue Grenzziehung zulässiger von unzulässigen Maßnahmen ist eine solche des Einzelfalls.2509 Gegenüber „echten HV“ (Rn 252 ff.) soll ein Verbot des Internet-Vertriebs zulässig sein.2510 Teilweise wird bei der nicht immer den einzelnen Normen zugeordneten Diskussion um 326 Beschränkungen des Internetvertriebs als vorrangiger Prüfungsschritt2511 schon das tatbestandliche Eingreifen eines Wettbewerbsverstoßes nach Art. 101 AEUV, § 1 GWB verneint, etwa beim selektiven Vertrieb hochwertiger Markenprodukte2512 (Rn 201 ff.) oder Franchiseverträgen (Rn 290), nicht jedoch beim Vertrieb von Kontaktlinsen.2513 Eine Freistellung unmittelbar aus Art. 101 Abs. 3 AEUV ist folglich immer zu prüfen.2514 Auf die Ausführungen unter Rn 344 ff. zu lit. c wird ergänzend verwiesen. Tatsächlich dürften im Anwendungsbereich der GVO Beschränkungen des Internetvertriebs 327 an Verbraucher nur gestattet sein, solange sie lediglich das „Wie“ des Internetvertriebs betreffen.2515 Stationäre Selektionskriterien dürfen auf den Internet-Vertrieb übertragen werden, aber, soweit es das Wesen des Vertriebsweges nicht erzwingt (Tz 56 LL), gegenüber den Kriterien für den stationären Vertrieb in der Sache nicht verschärft werden (Tz 54, 56 LL).2516 Völlige Identität der Kriterien ist nicht erforderlich (Tz 56 LL),2517 der Schutz des Vertriebssystems z. B. gegen Außenseiter mag in einem Vertriebsweg strengere Kriterien erfordern (Tz 56 LL),2518 etwa eine geringere Höchstabgabemenge pro online- als offline-Kunden.2519 Nicht freigestellt bleiben Beschränkungen, die direkt oder indirekt darauf abzielen, den Internetvertrieb ganz oder teilweise zu verhindern (s. o.), also dessen „Ob“ regeln.2520 Bereits nach Tz 54 LL darf der Unternehmer – auch im Wege einer nachträglichen Vertragsänderung2521 (sie ist erforderlich, falls die Parteien zuvor, ggf. konkludent, abweichend verfuhren) und angeblich auch außerhalb eines selektiven

2505 Rn 52 der Leitlinien, wonach es jedem Händler erlaubt sein muss, das Internet für den Verkauf von Produkten zu nutzen, betrifft nach Ansicht von Leupold (NZKart 2019, 520 (522)) nur den Alleinvertrieb. Rn 52 besage, dass in einem Alleinvertriebsszenario der Online-Verkauf eine Form des Passivverkaufs sei. 2506 AA Leupold NZKart 2019, 520 (522). 2507 Metzlaff/Schaper ZVertriebsR 2018, 1 (7); Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (68). 2508 Rohrßen ZVertriebsR 2017, 274 (275). 2509 Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (212). 2510 Nolte BB 2014, 1155 (1157). 2511 Spenner/Kiani NZKart 2016, 208. 2512 Immenga BB 2009, 2561. 2513 BKartA, Beschl. v. 25.9.2009 – B 3 – 123/08, WuW DE-V 1813 = WuW 2010, 91. 2514 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener RIW 2012, 35 = ZVertriebsR 2012, 55 m. Anm. Rahlmeyer (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 59; Oest/Wagener RIW 2012, 35 (40). 2515 Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (211); Rösner WRP 2010, 1114 (1119). 2516 BKartA, Beschl. v. 26.8.2015 – B2-98/11, WuW 2016, 198 Rn 288, krit. zum BKartA Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (210); Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (212); Funke/Just DB 2010, 1389 (1393); Pautke/Schultze BB 2009, 1383; Lettl WRP 2010, 807 (819). 2517 Lettl WRP 2010, 807 (820). 2518 de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (508). 2519 de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (508), zweifelhaft. 2520 Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09, Rn 57; Wegner BB 2011, 2959 (2960); siehe hierzu bereits Szönyi GRUR Int. 2004, 567 (568, 569) sowie Emde BB 2005, 389 (390). 2521 Funke/Just DB 2010, 1389 (1393). Emde

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Vertriebssystems2522 – Qualitätsanforderungen zum Internet-Vertrieb2523 stellen, insb. solche, die dazu führen, dass sich der Internet-Auftritt in sein Gesamtvertriebssystem2524 einfügt, solange sie im Einklang mit seinem Vertriebsmodell stehen,2525 etwa um das Ambiente eines Ladengeschäfts zu visualisieren.2526 Nicht jede Regelung, die das „Wie“ des Vertriebs regelt, trifft eine Anforderung an die Qualität des Vertriebs. Hierfür müssen Gründe ersichtlich sein, nach denen die Vorgabe objektiv, d. h. unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Endkunden, der Sicherung oder Verbesserung der Qualität des Vertriebs dienen kann.2527 Insbesondere dürfen die Qualitätsanforderungen nicht so bemessen sein, dass sie kein Händler vernünftigerweise erfüllen kann (kein Prohibitiveffekt). Die Anforderungen dürfen im Selektivvertrieb eher höher liegen.2528 Zu Beispielen oben Rn 214 ff., 220 ff. Auch das indirekte Verbot passiver Verkäufe ist nicht freigestellt. Unzulässig sind nach den LL der GVO 330/10 Rn 52–52b Maßnahmen, durch die Kunden 328 die Webseiten von Händlern eines anderen Mitgliedsstaat nicht sehen können (Geoblocking2529). Eine nach der Geoblocking-VO unzulässige Verhaltensweise kann zugleich eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV oder eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung i. S. d. Art. 102 AEUV darstellen.2530 Wird etwa vereinbart, dass ein Online-Händler mittels Geoblocking unterschiedliche AGB für Verbraucher aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten anwendet, stellt dies ein Passiv-Verkaufsverbot dar.2531 Anders als die GVO regelt die Geoblocking-VO jedoch auch einseitiges Verhalten (autonomes Verhalten von Unternehmen). Geoblocking ist wettbewerbsrechtlich stets unbedenklich, wenn es weder auf einer Vereinbarung basiert noch eine beherrschende Stellung vorliegt.2532 Die GVO regelt zudem, anders als die Geoblocking-VO,2533 nicht unmittelbar Verträge mit Endkunden, also die Endkundenbeziehung, sondern Verträge und abgestimmte Verhaltensweisen auf der vorgelagerten Handelsstufe.2534 Nach der GVO 330/10 unter bestimmten Bedingungen, etwa beim Ersteintritt eines Händlers in den Markt, u. U. bestehende Möglichkeiten, den passiven Vertrieb aus Effizienzgründen ausnahmsweise auszuschließen, werden durch Art. 6 Abs. 2 Geoblocking-VO so abgeändert, dass sie nichtig sind, sofern sie den Abnehmer zugleich unmittelbar oder mittelbar zu einem Verstoß gegen die Verbote der Art. 3, 4 oder 5 Geoblocking-VO verpflichten.2535 Vermittler, etwa HV und Internetportale, können Anbieter i. S. d. Geoblocking-VO sein, sofern die Produkte mit einem konkreten Verkaufsangebot verlinkt sind, insb. falls sie eine Pro2522 Oest/Wagener RIW 2012, 35 (42) – wobei immer zu prüfen sein soll, ob die Anforderungen über die Anforderungen an den Verkauf im stationären Handel in unzulässiger Weise hinausgehen.

2523 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 Rn 62 ff. (selektives Vertriebssystem, Coty); OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (239) = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. auch Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278; Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (147); Nolte BB 2014, 1155 (1159); Pichler/Hertfelder NZKart 2014, 47 (49); Oest/Wagener RIW 2012, 35 (42); Bonacker GRUR-Prax 2012, 326553; GRUR-Prax 2011, 324628 = GRUR-Prax 2011, 501; Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2388); Rösner WRP 2010, 1114 (1120); Funke/Just DB 2010, 1389 (1393); de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (507). 2524 Wiring MMR 2010, 659. 2525 Nolte BB 2014, 1155 (1159). 2526 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2388). 2527 BKartA, Beschl. v. 26.8.2015 – B2-98/11, WuW 2016, 198 Rn 426, krit. zum BKartA Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (210). 2528 Nolte BB 2014, 1155 (1159). 2529 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (284). Siehe dazu die Geoblocking-VO der EU (VO (EU) 2018/302); hierzu Bernhard NJW 2019, 472; Mansur Pour Rafsendjani ZVertriebsR 2018, 210; Kraul/Schaper DB 2018, 618. 2530 Tsakanakis WuW 2019, 235 (236/237). 2531 Tsakanakis WuW 2019, 235 (237). 2532 Tsakanakis WuW 2019, 235 (237). 2533 Bernhard NJW 2019, 472. 2534 Mansur Pour Rafsendjani ZVertriebsR 2018, 210 (211). 2535 Mansur Pour Rafsendjani ZVertriebsR 2018, 210 (217). 219

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vision erhalten.2536 Nach der GVO nicht gestattet wäre z. B. eine geographische Beschränkung,2537 wie die Verpflichtung des Händlers zum „re-routing“, d. h. Einsichtnahmen von Kunden außerhalb seines Gebietes durch die automatische Umleitung auf die Homepage eines im Gebiet des Einsehenden belegenen Händlers 2538 zu begegnen (Tz 52 lit. a LL) oder falls der Händler verpflichtet ist, die Transaktion abzubrechen, sofern erkennbar wird, dass der Kunde in einem anderem Mitgliedsstaat ansässig ist. Diesen Fällen soll gemein sein, dass der Händler nicht in der Lage ist, eine vom Kunden veranlasste Anfrage zu erhalten und/oder zu bearbeiten, nämlich indem der Kunde die Webseite des Händlers aufsucht und/oder indem der Händler die Anfrage eines Kunden, der seine Webseite aufgesucht hat, bearbeitet. Es wird also der klassische passive Verkauf verhindert. Unzulässig sollen nach dieser Ansicht nur Anforderungen sein, mit denen der Passivvertrieb unterbunden wird.2539 Es ist dem Hersteller ferner untersagt, den Mittler die für die Lieferung an gebietsfremde Kunden benötigte Vertragsware vorzuenthalten2540 oder dem Händler das nach außen unsichtbare Hosting der Website durch Dienstleister gänzlich zu verbieten (Qualitätsanforderungen dürfen gestellt werden).2541 Umstritten ist wie unter lit. c das Plattformverbot. Durch ein bloßes Verbot der Nutzung 329 von Internetplattformen – im Gegensatz zum Totalverbot des Internetvertriebs – soll nach einer Ansicht der Schutzbereich des Art. 4 lit. b GVO jedenfalls im Selektivvertrieb nicht tangiert werden2542: Das Verbot innerhalb eines qualitativ-selektiven Vertriebssystems, beim Vertrieb mittels Internet nach außen erkennbar Dritte (Verkaufsplattformen) einzuschalten, bilde keine Kernbeschränkung i. S. d. Art. 4 lit. b und c, falls der Hersteller die Nutzung von Suchmaschinen/Preisvergleichsseiten zulasse.2543 Eine Gebietsbeschränkung fehle, da der Internethandel möglich bleibe.2544 Begründet wird dies ferner mit der Erwägung, durch lit. b sollten Regelungen zur Markt- und Kundenaufteilung (s. LL Nr. 50, 168) erfasst werden, die zu einer Fragmentierung der Märkte führen,2545 einer Preisdiskriminierung Vorschub leisten und ein kollusives Verhalten von Anbietern und/oder Abnehmern begünstigen könnten.2546 Eine solche Aufteilung fehle beim Plattformverbot.2547 Es schränke die Händler weder territorial noch hinsichtlich ihres Kundenkreises ein. Die potentiellen Kunden, die die gegenständlichen Produkte über das Internet erwerben wollen, könnten dies über den Onlineshop des Herstellers tun. Zudem werde den Händlern gestattet, unter bestimmten Bedingungen über das Internet und mittels Online-Such2536 2537 2538 2539 2540 2541 2542

Fragen und Antworten zum Geoblocking-VO, Nr. 2.2.9; Bernhard NJW 2019, 472 (473). Oest/Wagener RIW 2012, 35 (41). de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (508). Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (211/212). Westphal II Rn 389. Nolte BB 2014, 1155 (1160). EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 Rn 62 ff. (Coty); Nolte BB 2017, 1987 (1991) – jedoch nur für den Bereich des Selektivvertriebs; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (582) – Luxuskosmetika; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/ 17, WuW 2018, 424 zum Markenrecht. 2543 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 Rn 62 ff. (Coty); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 – Luxuskosmetika; Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (239) = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold); aA Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (68); Schweda NZKart 2017, 585 (588); Nolte BB 2017, 1987 (1989): Beschränke sich die Funktion und das Geschäftsmodell einer Drittplattform darauf, dem Händler lediglich als „virtuelles Schaufenster“ im Internet zu dienen, um Komm-Kunden die eigeninitiative Anbahnung eines Passivverkaufes zu ermöglichen, dürfe der Lieferant seinem Händler die Nutzung einer solchen Plattform nicht untersagen. 2544 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (67). 2545 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (582) – Luxuskosmetika. 2546 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (239) = EWiR 2016, 513 (KuntzeKaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. auch Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278. 2547 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (582) – Luxuskosmetika. Emde

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maschinen Werbung zu betreiben.2548 Gemäß der Gegenansicht liegt eine unzulässige Beschränkung des passiven Verkaufs vor.2549 Den Einzelhändlern blieben virtuelle Marktplätze verschlossen. Dass die Einzelhändler abseits der Marktplätze über Suchmaschinen auffindbar seien, ändere daran nichts, weil es für Händler schwierig sei, in den Trefferlisten prominent in Erscheinung zu treten.2550 Die im Vordringen befindliche Ansicht, eine Beschränkung des Vertriebs gegenüber Inter- 330 netkunden, insbesondere Besuchern von Plattformen2551 und Preisvergleichsseiten,2552 bilde keine Beschränkung der „Kundengruppe“, da die Internetkunden keinen abgrenzbaren Kundenkreis darstellten und die potentiellen Kunden ohne weiteres auch über andere Internetvertriebsformen erreicht werden könnten,2553 mag hinterfragt werden. Tatsächlich stellen Internetkunden eine eigene, moderne „Kundengruppe“ dar, wie schon der eine Kundengruppe bezeichnende Begriff „Internetkunden“ nahelegt. Davon, dass jener Kundenkreis identifiziert werden kann, gehen die Verbotsklauseln der Verträge aus. Anderenfalls wären sie sinnlos. Innerhalb der Gruppe der Onlinekäufer sollen jedoch zumindest die Kunden von Drittplattformen (wie Ebay, Amazon) nicht abgrenzbar sein.2554 Auch dies könnte hinterfragt werden. Begründet wird jene Ansicht u. a. damit, Kundengruppen könnten anhand ihres Kaufverhaltens abgegrenzt und Marktplatzbenutzer von anderen Kundengruppen unterschieden werden.2555 Das Kaufverhalten sei variabel, so dass sich keine konstante Kundengruppe festlegen lasse.2556 Es würden nicht Kunden ausgeschlossen sondern bestimmte Vertriebsmodalitäten2557 und Verkaufskanäle.2558 Werden Plattformverbote nach der GVO freigestellt, befreit dies von der Diskussion über 331 das Vorliegen der Selektivkriterien.2559 Falls Plattformverbote im selektiven Vertrieb keine Kundengruppenbeschränkungen darstellen, muss das gleiche außerhalb des Selektivvertriebs gelten.2560 Denn Art. 4 lit. b gilt für jede Beschränkung des Gebiets oder der Kundengruppe des Abnehmers und umfasst insb. den Exklusivvertrieb. Nach aA sind im Passivvertrieb auch im Rahmen einer Alleinvertriebsvereinbarung Wiederverkäuferbelieferungsverbote unzulässig – es sei denn, es handelt sich um ein selektives Vertriebssystem.2561 Außerhalb eines Selektivsys2548 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (582) – Luxuskosmetika. 2549 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (68). 2550 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (68). 2551 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (582) – Luxuskosmetika; Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (239) = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) (zu diesem Vorlagebeschl. Moritz ZVertriebsR 2017, 31); Leupold NZKart 2019, 520 (521); Dreyer/Ahlenstiel NZKart 2019, 130 (133); Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278); Siegert BB 2018, 131 (135); Metzlaff/Schaper ZVertriebsR 2018, 1 (6); Herrlinger NZKart 2014, 92 (94); aA i. E. Schweda NZKart 2017, 585 (587); wohl auch Galle DB 2019, 288 (289). 2552 Leupold NZKart 2019, 520 (521). 2553 So OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (239) = EWiR 2016, 513 (KuntzeKaufhold); Siegert BB 2018, 131 (135); Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278 (282) mit der Begründung, „jeder“ kaufe im Internet. Aber auch fast jeder erwirbt etwa Kfz. Die Kfz-Käufer dürften gleichwohl einen Kundenkreis darstellen. 2554 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 Rn 66 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty; GA beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, ZVertriebsR 2017, 319 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) Rn 143 ff.; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (582) – Luxuskosmetika; Leupold NZKart 2019, 520 (521); Dreyer/Ahlenstiel NZKart 2019, 130 (133); Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (68); Siegert BB 2018, 131 (135); Linsmeier/Haag WuW 2018, 54 (58); aA Ring EWiR 2018, 94; Schweda NZKart 2017, 585 (587). 2555 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (67). 2556 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (68). 2557 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (68). 2558 Leupold NZKart 2019, 520 (521). 2559 Vgl. Dreyer/Ahlenstiel NZKart 2019, 130 (135); Valdini BB 2018, 2196. 2560 Dreyer/Ahlenstiel NZKart 2019, 130 (135); Rohrßen DB 2018, 300 (302); ZVertriebsR 2018, 277 (282). 2561 Nolte BB 2017, 1987 (1991). 221

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tems darf der Lieferant nach dieser Ansicht seinen Händlern also nicht untersagen, gewerbliche Wiederverkäufer – auch Amazon und Ebay2562 – zu beliefern, selbst wenn sie nicht zum Alleinvertriebssystem des Lieferanten gehören.2563 Der Hersteller darf aber nur den Verkauf des Händlers über die Plattform verbieten, nicht den Verkauf an die Plattform. Denn innerhalb des exklusiv ihm zugewiesenen Vertriebsgebietes kann der Händler gem. Art. 4 lit. b GVO frei an alle Kunden verkaufen, einschließlich Plattformen und dritten Händlern, die dann wiederum die Ware auf Onlineplattformen anbieten können. Effektiv Drittplattformen ausschließen können Hersteller im Exklusivvertrieb, indem sie Kunden exklusiv zuweisen und sich die anderen Kunden, z. B. eben Drittplattformen, selbst vorbehalten. Das funktioniert aber nur so lange, wie der Hersteller jene Plattformen auch selbst beliefert.2564 Diskutiert wird die Zulässigkeit der Doppelpreissysteme (auch „Funktionsrabatte“), Tz 52 332 lit. d LL. Sie werden überwiegend als unzulässige Beschränkung angesehen,2565 weil für online vertriebene Produkte i. E. nicht die gleiche Vergütungshöhe wie für stationär vertriebene Produkte erreicht werden kann.2566 Eine Ausnahme ist gem. Tz 64 LL zulässig, falls es hierfür sachliche Gründe gibt,2567 etwa höhere Kosten2568 oder eine höhere Beschwerde- und Haftungsquote im Onlineverkauf. Beispiele für ein unzulässiges „dual pricing“ bilden unterschiedliche Vergütungen für off- und online veräußerte Produkte, z. B. indem Leistungen honoriert werden, die nur stationäre Ladenlokale erbringen können,2569 mit der Folge, dass stationäre Händler höhere Rabatte als Online-Händler erzielen können.2570 Beispiele: Sondervergütungen für die Gewährleistung einer fachgerechten Montage und Inbetriebnahme,2571 die Beratung, Qualität der Warenpräsentation oder das Vorhalten einer Reparaturwerkstatt am Verkaufsort. Gegen die Einordnung solcher „Funktionsrabatte“ als den Internet-Vertrieb beschränkende Abreden i. S. d. Art. 101 AEUV, § 1 GWB, streiten Rinne/Kolb.2572 Nach ihrer Ansicht werde nicht beabsichtigt, einen bestimmten Vertriebsweg zu fördern. Der Händler solle für einen gesondert definierten Aufwand und höhere Kosten des stationären Handels2573 vergütet werden. Jeder Hersteller sei auf den Vertriebskanal Internet angewiesen, so dass schon deshalb keine Beschränkung beabsichtigt werde. Höhere Rabatte könnten die Chancengleichheit angesichts ungleicher Kosten erst begründen.2574 U. U. können Funktionsrabatte Effizienzvorteile i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV generieren.2575 Auch dem „Trittbrettfahrer“-Problem, dass Kunden eine Beratung des stationären Händlers in Anspruch nähmen, jedoch im günstigeren Online-Vertrieb kauften, werde durch

2562 OLG Schleswig, Urt. v. 5.6.2014 – 16 U (Kart) 154/13, IHR 2015, 24 = GRUR-RR 2015, 334 = BeckRS 2014, 12538 = NZKart 2014, 364 – Verbot in AGB; LG Kiel, Urt. v. 8.11.2013 – 14 O 44/13, ZVertriebsR 2014, 178 = WRP 2014, 252 = EWiR 2014, 337 (Engelhoeven/Semder) – kein selektiver Vertrieb; Engelhoeven/Semder EWiR 2014, 337 (338); Lohse WuW 2014, 120 (125 f.) – schon fraglich, ob Vertrieb über die Internet-Plattformen das Produktimage schädigt und der Schutz des Produktimages Beschränkungen rechtfertigt; aA Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (147); Pichler/Hertfelder NZKart 2014, 47 (50). Einschränkend EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 = EWiR 2018, 93 (Ring) – Coty für das bloße Verbot des Online-Verkaufs von Luxuskosmetika und -parfums über Drittplattformen, die für den Verbraucher erkennbar in Erscheinung treten. 2563 Metzlaff/Schaper ZVertriebsR 2018, 1 (6); Nolte BB 2017, 1987 (1991). 2564 Rohrßen DB 2018, 300 (304). 2565 Seeliger/de Crozals DB 2017, 351 (353); Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2388); Wiring MMR 2010, 659; de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (508), auch das BKartA, s. Rinne/Kolb NZKart 2015, 377. 2566 So auch das BKartA, näher Rinne/Kolb NZKart 2015, 377. 2567 Seeliger/Klauß GWR 2010, 303635 = GWR 2010, 233. 2568 Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2388). 2569 BKartA – B 5-100/10, ZVertriebsR 2013, 199; aA Rinne/Kolb NZKart 2015, 377 ff. 2570 Rinne/Kolb NZKart 2015, 377. 2571 BKartA – B 5-100/10, ZVertriebsR 2013, 199; aA Rinne/Kolb NZKart 2015, 377 ff. 2572 NZKart 2015, 377. 2573 Rinne/Kolb NZKart 2015, 377 (378). 2574 Rinne/Kolb NZKart 2015, 377 (378). 2575 Rinne/Kolb NZKart 2015, 377 (379). Emde

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Funktionsrabatte begegnet.2576 Funktionsrabatte sollen jedenfalls zulässig sein, wenn sie ohne Rücksicht auf den Vertriebsweg des Händlers an dessen konkrete Leistungen anknüpfen und sich die Höhe der Rabatte an den Kosten orientiert, die dem Händler infolge der Erbringung seiner spezifischen Leistung regelmäßig entstehen.2577 Für die Ansicht von Rinne/Kolb spricht, dass es dem Hersteller möglich sein sollte, durch höhere Kosten des stationären Vertriebs entstehende Wettbewerbsnachteile vermöge entsprechender Vergütungsbestandteile auszugleichen. Es handelt sich letztlich um eine Förderung des Wettbewerbs zwischen dem ohnehin starken Internet und dem stationären Vertrieb, weil es den stationären Vertrieb und damit einen Wettbewerber sichert. Ob für den Internetvertrieb höhere Zuschüsse gewährt werden dürfen, ist offen. Mglw. wird das Verbot des „dual pricing“ spiegelbildlich eingreifen. Mithin ist es schwierig, gegenüber Händlern die Begrenzung ihrer Verkäufe auf das eigene Gebiet durchzusetzen, da das Medium „Internet“ weltweit nutzbar ist. Ein Formulierungsvorschlag findet sich bei Wauschkuhn.2578 Subjektive wirtschaftliche Erwägungen reichen für das Verbot regelm. nicht aus.2579 Auch Kfz-Händler dürfen im Internet werben.2580 Dem Händler kann auch nicht untersagt werden, eine Internet-Website als zusätzliche Vertriebsaktivität zu seinem Ladenlokal zu unterhalten.2581 Angeblich benötigt ein Vertragshändler keine Zustimmung des Unternehmers und Markeninhabers, um eine Website unter dem Markennamen des Unternehmers zu unterhalten.2582 Ob deshalb jeder Vertriebsmittler sein Veto gegen das Erstellen einer Website des Unternehmers einlegen darf, so dass es diesem fast unmöglich wird, aus eigenem Antrieb eine solche zu fertigen,2583 erscheint sehr fraglich. (ii) Nach der zweiten Ausnahme ist es zulässig, den Verkauf an Endverbraucher durch einen Großhändler zu beschränken. Hiermit soll es dem Anbieter ermöglicht werden, die Groß- und Einzelhandelsstufe getrennt zu halten (Tz. 55 LL). Diese Ausnahmebestimmung schließt es jedoch nicht aus, dass der Großhändler an bestimmte, z. B. größere, Endverbraucher verkauft, während ihm gleichzeitig der Verkauf an andere (alle anderen) Endverbraucher untersagt wird (Tz. 55 LL). (iii) Bei der dritten Ausnahme (Beschränkung des Verkaufs an nicht zugelassene Händler, die Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegt werden) besteht die Einschränkung, dass die Beschränkung nur „innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb des selektiven Vertriebssystems festgelegten Gebiets“ möglich ist.2584 Beschränkungen für Gebiete außerhalb des selektiven Vertriebssystems bleiben also unzulässig.2585 Mit dem „festgelegten“ Gebiet wird auch ein designiertes Gebiet erfasst, d. h. ein Gebiet, in welchem der selektive Vertrieb noch nicht durchgeführt wird, aber vorgesehen ist.2586 Händler in einem selektiven Vertriebssystems dürfen daher grds. Nichtmitglieder des Systems beliefern, soweit jene in einem Gebiet ansässig sind, welches nicht für den Betrieb des selektiven Vertriebsystems festgelegt ist2587 (Ausnahme: Verbot aktiven Verkaufs nach Art. 4 lit. b Ziff. 1, dazu unten). Diese Nichtmitglieder unterliegen keiner Verkaufsbeschränkung durch den Anbieter und können daher andere Nichtmitglieder 2576 2577 2578 2579 2580 2581 2582 2583 2584 2585

Rinne/Kolb NZKart 2015, 377 (380). Rinne/Kolb NZKart 2015, 377 (382). Der Vertragshändlervertrag,2 2003, § 6. Oest/Wagener RIW 2012, 35 (40). Niebling WRP 2012, 1361 (1365). Nolte BB 2014, 1155 (1158). Szönyi GRUR Int. 2004, 567 (568). Szönyi GRUR Int. 2004, 567 (569). Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2387); Funke/Just DB 2010, 1389 (1393). Diese zusätzliche Verkürzung des Ausnahmetatbestandes wurde durch die GVO 330/10 eingeführt, s. Malec/ von Bodungen BB 2010, 2383 (2387); Lettl WRP 2010, 807 (819); de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (506); die Beschränkung gereicht vor allem zum Nachteil kleinerer und im Aufbau befindlicher Vertriebssysteme (de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 [506]). 2586 LL Tz 55; Simon EWS 2010, 497 (501). 2587 Funke/Just DB 2010, 1389 (1393). 223

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beliefern, die sich sogar innerhalb des selektiven Systems befinden.2588 Dies kann der Anbieter verhindern, indem er für alle EU-Mitgliedsstaaten den Betrieb eines selektiven Vertriebssystems festlegt.2589 Das exemplifiziert sich am Nebeneinander eines selektiven und exklusiven Gebiets: Wird innerhalb der EU sowohl ein selektives wie ein exklusives System betrieben, so kann ein Händler aus einem Gebiet mit selektivem Vertrieb gem. Art. 4 lit. b Ziff. 1 daran gehindert werden, aktiv in ein Gebiet zu verkaufen, das einem Exklusivhändler vorbehalten ist. Einem Exklusivhändler kann jedoch nicht der Verkauf in das selektive Gebiet verboten werden, nur gem. Art. 4 lit b. die Eröffnung eines Geschäfts in diesem Gebiet.2590 (iv) Von Art. 4 lit. b (iv) werden der unveränderte Weiterverkauf der gelieferten Teile und damit der Ersatzteilhandel nicht erfasst. Eine Lieferung zur Weiterverwendung erfolgt vielmehr nur, wenn die Vertragsware eine Vorleistung für vom Abnehmer hergestellte Waren darstellt.2591 Zu lit. c Beschränkungen des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher Aktiver und passiver Verkauf an Endverbraucher durch auf der Einzelhandelsstufe tätige Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems darf im selektiven Vertriebssystem – anders als nach lit. b außerhalb solcher Systeme2592 – grds. nicht untersagt werden. Es sind nur Vereinbarungen gestattet, nach denen Händler ihre Geschäfte nur aus zugelassenen Niederlassungen heraus betreiben dürfen (Standortklausel).2593 Bei mobilen Verkaufsstellen darf ein Gebiet festgelegt werden, welches für den Verkauf an den Endverbraucher eingehalten werden muss (Tz. 56 LL). Leupold2594 fordert die Abschaffung des lit. c. Art. 4 lit. c GVO gilt nur für Beschränkungen, die Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegt werden,2595 spielt also außerhalb des selektiven Vertriebs keine Rolle.2596 Gemeint ist ein Selektivvertrieb i. S. d. Art. 1 Abs. 1 lit. e GVO, nicht der Metro-Kriterien des EuGH. Lit. c ist für die unter diesen Unterpunkt fallenden selektiven Vertriebssysteme (zum Begriff Art. 1 Abs. 1 lit. e GVO) gegenüber lit. b (i) innerhalb des räumlichen Ausdehnungsbereichs des Selektivsystems spezieller.2597 Selbst der aktive Verkauf innerhalb eines selektiven Vertriebssystems kann also, anders als gem. lit. a, nicht ausgeschlossen werden2598 (dazu unten). Die Kernbeschränkung des lit. c gilt nur für Händler auf der Einzelhandelsstufe. Soweit Mitglieder des selektiven Vertriebssystems auf mehreren Vertriebsstufen tätig werden, sind damit verbotene Kernbeschränkungen nur Beschränkungen des Mitglieds in seiner Eigenschaft als Einzelhändler. Beschränkungen im Zusammenhang mit seiner Vertriebstätigkeit auf vorgelagerten Handelsstufen, etwa als Großhändler, sind zulässig.2599 Sofern es um Vertrieb auf der Einzelhandelsstufe geht, besteht eine Kernbeschränkung, wenn es einem zugelassenen Alleinvertriebshändler auf der Einzelhandelsstufe untersagt wird, aktive oder passive Verkäufe an Endverbraucher in Gebieten zu tätigen, die anderen zugelassenen Händlern exklusiv zugewiesen sind, oder die sich der Anbieter selbst vorbehalten hat. Die von Art. 4 lit. b (i) offengehaltene Möglichkeit eines Gebiets- oder Kundenschutzes in Bezug auf den aktiven Wettbewerb konkurrierender Händler im selektiven Vertriebssystem steht damit innerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 4 lit. c nicht offen.2600 Deshalb darf hier auch – anders als unter Art. 4 lit b. GVO, s. o. – der aktive (und erst recht 2588 2589 2590 2591 2592 2593

Funke/Just DB 2010, 1389 (1393). Funke/Just DB 2010, 1389 (1393). Simon EWS 2010, 497 (501/502). BGH, Urt. v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 525 Rn 94 – Porsche-Tuning. Kritisch zu dieser Ungleichbehandlung Lettl WRP 2010, 807 (820). Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2387); Funke/Just DB 2010, 1389 (1392); Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO, 2001, Rn 621 f. 2594 Leupold NZKart 2019, 520 (527). 2595 LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 76. 2596 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (282). 2597 Metzlaff/Schaper ZVertriebsR 2018, 1 (5); Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278 (282); Lettl WRP 2010, 807 (820). 2598 Oest/Wagener RIW 2012, 35 (40/41). 2599 Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO3 Rn 784. 2600 Oest/Wagener RIW 2012, 35 (40/41); Schultze/Pautke/Wagener, Vertikal-GVO3 Rn 789. Emde

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der passive) Vertrieb in solche Gebiete nicht eingeschränkt werden. Art. 4 lit. c erfasst ohne irgendwelche quantitativen oder qualitativen Anforderungen jede unmittelbare oder mittelbare Beschränkung2601 des passiven Verkaufs.2602 Folglich kann ein Unternehmer seinem Händler Exklusivität nur insoweit versprechen, als sie sich auf das unmittelbare Verhältnis zwischen ihm und dem Händler beschränkt, etwa dergestalt, dass sich der Unternehmer verpflichtet, in einem bestimmten Gebiet nur einen, eben diesen, Händler einzusetzen.2603 Das ist der Grundsatz. Eine Ausnahme gilt, wenn selektiver Vertrieb mit Alleinvertrieb ohne 342 selektiven Charakter in anderen Gebieten verbunden wird. Hier soll den Händlern des selektiven Vertriebsgebietes untersagt werden dürfen, aktive Verkäufe an Abnehmer (sämtliche anderen außer dem exklusiven) Händler oder Endverbraucher) in den außerhalb des Selektivgebietes belegenen Alleinvertriebsgebieten zu tätigen. (Art. 4 lit. b (iii) und Ziff. (i)). Dagegen müssen die zugelassenen Selektivhändler im passiven Verkauf an Abnehmer in den Alleinvertriebsgebieten frei bleiben (Art. 4 lit. b Ziff. ii).2604 Umgekehrt sind die Händler in den Alleinvertriebsgebieten frei, die Vertragsprodukte aktiv und passiv an Abnehmer in den Systemgebieten zu verkaufen.2605 Nur hierauf beziehen sich die mißverständlichen Tz. 56, 51 LL, denen zufolge Bestimmungen zum Schutz eines andernorts betriebenen Alleinvertriebssystems i. S. d. ersten Ausnahme zu Art. 4 lit. a zulässig sein sollen, also Beschränkungen des aktiven Verkaufs in Gebiete oder an Kundengruppen, die der Unternehmer sich selbst vorbehalten oder ausschließlich einem anderen Mittler zugewiesen hat, sofern dadurch Verkäufe seitens der Kunden des Mittlers nicht begrenzt werden.2606 Deshalb soll die Kombination von selektivem und einfachem Vertrieb innerhalb der EU jedenfalls im Falle von länderbezogenen Preisgefällen von geringem Interesse sein.2607 Würden die Tz. 56, 51 LL wörtlich genommen, bestände praktisch kein Unterschied zwischen lit. c und lit. b. Insbesondere Vermittler2608 (Tz 52 LL Kfz-GVO 461/10), unabhängige Werkstätten2609 oder 343 Leasingunternehmen sind Endverbraucher (Tz 51 LL Kfz-GVO 461/10). Das Verbot der Belieferung von Leasingunternehmen scheidet damit aus.2610 Kauft das Leasingunternehmen hingegen Waren auf Vorrat ohne konkreten Auftrag bestimmter Leasingnehmer, sind Leasinggesellschaften Wiederverkäufer, soweit sie sich nicht darauf beschränken, Fahrzeuge zu verkaufen, um die Aufträge Ihrer Kunden zu erfüllen, sondern Lagerbestände bilden, die sie der künftigen Kundschaft anbieten.2611 Der Hersteller soll vom Händler verlangen dürfen, er möge vor Abschluss des Verkaufsgeschäfts mit einem konkret benannten Leasingunternehmen die Leasingbestimmungen prüfen und sicherstellen, dass kein „getarnter“, unautorisierter Wiederverkäufer beliefert wird.2612 Eine Pflicht des Händlers zur Vorlage von Kopien jeder einzelnen Leasingvereinbarung soll jedoch unverhältnismäßig sein.2613 Besondere Bedeutung hat diese Kernbeschränkung nach Wegfall einer den Kfz-Vertrieb betreffenden Kfz-GVO in dieser Branche.2614

2601 2602 2603 2604 2605 2606 2607 2608

Eine Beschränkung genügt, s. Schweda NZKart 2017, 585 (587). OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.4.2017 – VI-Kart 13/15 (V), WuW 2017, 406= NZKart 2017, 316 Rn 102. Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO3 Rn 789. Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO3 Rn 789. Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO3 Rn 800. Schultze/Pautke/Wagener Vertikal-GVO3 Rn 782. Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2268). Häufig gestellte Fragen zur GVO 461/10, Frage 12; hierzu Nolte BB 2013, 1667 (1672); Niebling WRP 2012, 1361

(1366).

2609 Häufig gestellte Fragen zur GVO 461/10, Frage 12. 2610 Nolte BB 2013, 1667 (1672). Es muss aber sichergestellt sein, dass es sich nicht um einen verkappten Wiederverkäufer handelt, Tz 51 LL Kfz-GVO 461/10.

2611 EuG, Urt. v. 15.9.2005 – T-325/01 – Mercedes-Benz, Rn 138 ff.; EuGH, Urt. v. 24.10.1995 – C-266/93 – BKartA./ Volkswagen, Slg. 1995, I-3477; v. 24.10.1995 – C-70/93 – BMW/ALD, Slg. 1995, I-3439; Nolte BB 2013, 1667 (1672).

2612 Nolte BB 2013, 1667 (1673). 2613 LL zur Kfz-GVO 461/10, Rn 51; Nolte BB 2013, 1667 (1673). 2614 Siehe hierzu Nolte BB 2013, 1667 (1672 ff.). 225

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Auch bei lit c könnte daran gedacht werden, dass ein Verbot schon tatbestandlich keinen Verstoß gegen Art. 101 AEUV darstellt (dazu Rn 201 und unten). Angesichts des in lit. c zum Ausdruck gekommenen Willens der Kommission, dass es sich bei diesem Verbot regelmäßig um eine Schwarze Klausel handelt, ist mit einer billigenden Kommissionsentscheidung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV jedoch kaum zu rechnen. In den LL zur GVO hat die Kommission die Möglichkeit angesprochen, dass Unternehmer 345 ihren Vertriebsmittlern Vorgaben dazu machen dürfen, ob und wenn ja, wie sie Internetplattformen Dritter nutzen können.2615 Befindet sich die Website des Mittlers auf der Plattform eines Dritten, kann der Unternehmer verlangen, dass Kunden die Website nicht über eine Seite erreichen, die den Namen oder das Logo der Plattform trägt2616 („Logo-Klausel“). Nach aA widerspricht das an autorisierte Händler gerichtete Verbot, Markenzeichen auf Internetseiten Dritter zu verwenden, Art. 101 AEUV. Es handele sich um eine Kernbeschränkung i. S. d. Art. 4 lit. c.2617 Sofern mit der Logo-Klausel pauschal der Verkauf über einen Online-Marktplatz untersagt werde, sei dies allenfalls zulässig, falls einem solchen Vertrieb aus Sicht der Endkunden generell ein markenschädigendes Image zukomme.2618 346 Ein Totalverbot des Internet-Vertriebs ist wohl auch unter lit. c unzulässig.2619 Jedoch fällt nicht jede Regulierung des Online-Handels unter lit. c.2620 Die Bewertung der im Verhältnis zum generellen Verbot des Internet-Vertriebs weniger einschränkenden partiellen Beschränkungen, etwa des Verbots des Verkaufs über Internetplattformen, z. B. EBay2621 oder Amazon,2622 ist, ebenso wie unter lit. b, auch unter lit. c umstritten. Nach einer Ansicht bildet das Verbot des Warenvertriebs über solche Plattformen als Quali347 tätsvorgabe2623 bzw. logische Fortsetzung des Rechts des Unternehmers, Qualitätsanforderungen zu stellen2624 jedenfalls im selektiven Vertrieb2625 schon tatbestandlich keinen Verstoß gegen Art. 101 AEUV2626 (Rn 344, 201), wobei es auf den Einzelfall ankommt. Nach aA liegt zwar ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV vor. Ob eine Freistellung nach lit. c möglich ist, wird im An-

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2615 LL Rn 54 S. 5. 2616 LL Rn 54 S. 5–6; s. Nolte BB 2014, 1155 (1161); kritisch Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (597). 2617 BKartA, Beschl. v. 26.8.2015 – B2-98/11, WuW 2016, 198, krit. zum BKartA Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (210). Das LG Frankfurt/M., Urt. v. 31.7.2014 – 2-03 O 128/13, WuW 2015, 417 = DE-R 4595 = NZKart 2015, 243 m. Anm. Telle NZKart 2015, 229 weist darauf hin, dass diese „Logo-Klausel“ die Gerichte nicht bindet. Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (147) schließt daraus, dass die Gerichte ihr überwiegend die Gefolgschaft verweigern, jedenfalls außerhalb selektiver Vertriebssysteme. Betreibe ein Hersteller ein selektives Vertriebssystem, habe er bessere Chancen, dass die Beschränkung akzeptiert werde. 2618 BKartA, Beschl. v. 26.8.2015 – B2-98/11, WuW 2016, 198 Rn 605. 2619 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.4.2017 – VI-Kart 13/15 (V), WuW 2017, 406 = NZKart 2017, 316 Rn 101; von EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 (Coty) nicht entschieden; Galle DB 2019, 288 (289). 2620 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 (Coty); OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (239) = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. auch Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278. 2621 Rahlmeyer ZVertriebsR 2015, 144 (147); Oest/Wagener RIW 2012, 35 (42). 2622 Hierzu Generalanwalt beim EuGH Wahl, Schlussanträge v. 26.7.2017 – C-230/16, EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold); Rösner WRP 2010, 1114 (1122), die es für zulässig halten, diese Vertriebsform zu verbieten. Beispiel (dort Verbot des Verkaufs über EBay wegen fehlendem diskrimierungsfreien Verkaufs abgelehnt): KG, Urt. v. 19.9.2013 – 2 U 8/ 09, BB 2013, 2768 m. Anm. Kiani = WRP 2013, 1517 = ZVertriebsR 2014, 104. 2623 Rösner WRP 2010, 1114 (1124). 2624 Oest/Wagener RIW 2012, 35 (42/43); Rösner WRP 2010, 1114 (1121 f.). 2625 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.3.2018 – I-20 O 113/17, WuW 2018, 424 zum Markenrecht; Nolte BB 2014, 1155 (1161); zum nicht selektiven Vertrieb Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (598 f.). 2626 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. auch Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278; Wiring MMR 2010, 659; Rösner WRP 2010, 1114 (1124); Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2272). Emde

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schluss diskutiert. Z. T. wird eine Kundengruppenbeschränkung i. S. d. Art. 4 lit. b GVO2627 und ein Verstoß gegen § 1 GWB2628 abgelehnt. Jedenfalls soll ein bloßes Plattformverbot ohne Totalverbot des Internet-Vertriebs auch unter lit. c freigestellt sein.2629 Das gilt zumindest für das Verbot des Online-Verkaufs von Luxuskosmetika und -parfums über Drittplattformen, die für den Verbraucher erkennbar in Erscheinung treten.2630 Auch die LL zur GVO sprechen dafür, dass der Vertrieb über Plattformen jedenfalls durch Qualitätsvorgaben2631 geregelt werden darf. Die Beschränkung des Internetvertriebs soll nach dieser Auffassung nicht als Verbot des „aktiven Verkaufs“, angesehen werden, welchen der Unternehmer gem. lit. c nicht untersagen dürfe.2632 Die Plattformen richteten sich an alle Internetbenutzer. Ihre Kunden könnten auch mittels anderer Vertriebsformen erreicht werden. Die Kriterien für den Online-Vertrieb müssen aber das gleiche Ziel verfolgen und vergleichbare Ergebnisse erzielen wie diejenigen für den Offline-Handel.2633 Andere halten eine Freistellung für ausgeschlossen: Die Einschränkung des Internetver- 348 triebs bilde als Beschränkung des Kundenkreises eine Kernbeschränkung i. S. d. Art. 4 lit. b, c.2634 Das gelte erst recht im nicht selektiven Vertrieb.2635 Ein durch lit. c geschützter Händler müsse frei sein, über das Internet zu werben und zu verkaufen.2636 Auch Qualitätsvorgaben, 2627 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.7.2018 – 11 U 96/14, BB 2018, 2190 m. Anm. Valdini = WuW 2018, 578 (582) – Luxuskosmetika; Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. auch Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278; OLG München, Urt. v. 2.7.2009 – U (K) 4842/08, WuW/ E DE-R 2698 = EWiR 2010, 361 (Kuntze-Kaufhold) m. insoweit zust. Anm. Immenga BB 2009, 2561 (sogar für den nicht selektiven Vertrieb); LG München I, Urt. v. 24.6.2008 – 33 O 22144/07, CR 2008, 806; Linsmeier/Haag WuW 2018, 54 (58); Siegert BB 2018, 131 (135); Pichler/Hertfelder NZKart 2014, 47 (51); Simon EWS 2010, 497 (502); Malec/ von Bodungen BB 2010, 2383 (2388); Ruess/Slopek WRP 2009, 1021 (1026); Immenga BB 2009, 2561. Diese Ansicht beruft sich auch auf Tz 54 LL, s. Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (597) die aA sind. 2628 KG, Urt. v. 19.9.2013 – 2 U 8/09, BB 2013, 2768 m. Anm. Kiani = WRP 2013, 1517 (1520) = ZVertriebsR 2014, 104 Rn 48 wg. Beeinträchtigung des Produktimages, letztlich aber offen gelassen. 2629 Linsmeier/Haag WuW 2018, 54 (58); Ring EWiR 2018, 94; Siegert BB 2018, 131 (135/136). 2630 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16, BB 2017, 3020 m. Anm. Abel = WuW 2018, 27 Rn 66 (Coty). 2631 Hierauf beschränkt das LG Kiel, Urt. v. 8.11.2013 – 14 O 44/13, ZVertriebsR 2014, 178 = WRP 2014, 252 = EWiR 2014, 337 (Engelhoeven/Semder) Rn 24 den Anwendungsbereich der Rn 54 LL. Sehr großzügig OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 = EWiR 2016, 513 (Kuntze-Kaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. auch Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278. 2632 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (239) = EWiR 2016, 513 (KuntzeKaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. auch Moritz ZVertriebsR 2017, 31; Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278; Bechtold EGKartellrecht2 2009, Art. 4 VO 2790/1999, Rn 15; Dieselhorst/Luhn WRP 2008, 1306 (1311); aA Bonacker GRUR-Prax 2012, 326553; Rösner WRP 2010, 1114 (1121). 2633 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart), NZKart 2016, 236 (239) = EWiR 2016, 513 (KuntzeKaufhold) – zu diesem Vorlagebeschl. auch Rohrßen ZVertriebsR 2016, 278. 2634 LG Kiel, Urt. v. 8.11.2013 – 14 O 44/13, ZVertriebsR 2014, 178 = WRP 2014, 252 = EWiR 2014, 337 (Engelhoeven/ Semder) – zu lit. b (kein selektiver Vertrieb); BKartA, Beschl. v. 26.8.2015 – B2-98/11, WuW 2016, 198 zu lit. c; Lohse WuW 2014, 120 (128 f.) – zu lit. b und c: „wahrscheinlich bereits keine Schädigung des Produktimages“; Waldzus BB 2016, 515 (520) – Franchising zu lit. c; Innerhofer ZVertriebsR 2013, 266 (270); Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (596 ff.); Rösner WRP 2010, 1114 (1118); Dieselhorst/Luhn WRP 2008, 1306 (1310); Haslinger WRP 2009, 279 (284). Dass lit. c das Verbot des Internetvertriebs ausschließt, sieht Leupold (Leupold NZKart 2019, 520 (524 ff.)) kritisch: Es liege ein Wertungswiderspruch darin, dass bei den im Selektivvertrieb üblichen technisch hochwertigen Waren und Luxuswaren unabhängig vom Marktanteil der beteiligten Unternehmen und unabhängig von einer Prüfung von Auswirkungen auf den Wettbewerb zwingend der Internetvertrieb möglich sein muss. Dass der Hersteller Qualitätskriterien für den Internetvertrieb vorgeben dürfe, bilde keinen Ausgleich. Es gäbe nämlich keinen ausreichend klaren Standard für die Bewertung der Rechtmäßigkeit dieser Kriterien. 2635 LG Frankfurt/M., Urt. v. 31.7.2014 – 2-03 O 128/13, WuW 2015, 417 = DE-R 4595 = NZKart 2015, 243 m. Anm. Telle NZKart 2015, 229; v. 18.6.2014 – 2-03 O 158/13, ZVertriebsR 2014, 311; Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (598); aA OLG München, Urt. v. 2.7.2009 – U (K) 4842/08, WuW/E DE-R 2698 = EWiR 2010, 361 (Kuntze-Kaufhold) m. Anm. Immenga BB 2009, 2561; wohl auch Fesenmair GRUR-Prax 2013, 283 (285). 2636 Seeliger/Klauß GWR 2010, 303635 = GWR 2010, 233; Oest/Wagener RIW 2012, 35 (40/41). 227

Emde

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die den Verkauf über das Internet praktisch ausschließen, sind nach den Vertretern jener Meinungsgruppe nicht gestattet.2637 Andere Qualitätsvorgaben seien im Einzelfall auf ihre Verträglichkeit mit der GVO zu prüfen.2638 Zudem könne das Verbot des Internetvertriebs2639 oder ein Drittplattformverbot2640 nicht dem zulässigen Verbot des Betreibens von Geschäften aus nicht zugelassenen Niederlassungen i. S. d. Art. 4 lit. c Hs. 2 GVO gleichgestellt werden, da es sich nicht um eine „virtuelle Niederlassung“ handele.2641 Auch das an Mittler, insb. Vertragshändler,2642 gerichtete pauschale Verbot, Preisver349 gleichsportale zu nutzen, widerspricht Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB sowie Art. 4 lit. c GVO 330/10.2643 Dass der Internetvertrieb nicht komplett sondern nur in einem wichtigen Bereich beschränkt wird, ändert hieran nichts.2644 Das Pauschalverbot verhindert das Auffinden von Produkten des Herstellers.2645 Insb. die Kombination von Markenzeichen-, Preisvergleichsmaschinen- und Onlinemarktplatzverbot für Markenartikel ist unzulässig.2646 Zulässig könnte das Verbot sein, falls der Händler über Online-Suchmaschinen hinreichend auffindbar bleibt.2647 Dem unzulässigen Totalverbot entsprechen Beschränkungen der aktiven Bereitstellung von Preis- und Produktinformationen, die Preisvergleichsportale benötigen.2648 Beschränkungen der Verwendung von Vergleichsportalen für Kunden bestimmter Gebiete sind ebenfalls problematisch.2649 Qualitative Vorgaben können auch hier zulässig sein.2650 Sie betreffen etwa die Forderung, dass neben den Preisen weitere Faktoren berücksichtigt werden, etwas das Luxusimage, 2637 Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (596 f.). Das gilt auch im nicht-selektiven Vertrieb, s. Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (599 f.).

2638 Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (596 ff.) – zum selektiven Vertrieb; Schweda/Rudowicz WRP 2013, 590 (599 f.) – zum nicht-selektiven Vertrieb.

2639 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener RIW 2012, 35 = ZVertriebsR 2012, 55 m. Anm. Rahlmeyer (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 58; Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09 Rn 60 ff.; BKartA, Beschl. v. 26.8.2015 – B2-98/11, WuW 2016, 198 Rn 473, krit. zum BKartA Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (210); Rösner WRP 2010, 1114 (1119) – dahinter soll der Gedanke stehen, dass GVO-Vorschriften nicht analogiefähig seien, s. Rahlmeyer ZVertriebsR 2012, 57. 2640 Brömmelmeyer NZKart 2018, 62 (68). 2641 EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09, BB 2011, 2956 m. Anm. Wegner = RIW 2011, 786 m. Anm. Oest/Wagener RIW 2012, 35 = ZVertriebsR 2012, 55 m. Anm. Rahlmeyer (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence u. a.) Rn 58; Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09 Rn 60 ff.; BKartA, Beschl. v. 26.8.2015 – B2-98/11, WuW 2016, 198 Rn 473, krit. zum BKartA Spenner/Kiani NZKart 2016, 208 (210); Rösner WRP 2010, 1114 (1119) – dahinter soll der Gedanke stehen, dass GVO-Vorschriften nicht analogiefähig seien, s. Rahlmeyer ZVertriebsR 2012, 57. 2642 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.4.2017 – VI-Kart 13/15 (V), WuW 2017, 406 = NZKart 2017, 316 Rn 53 ff. 2643 BGH, Beschl. v. 12.12.2017 – KVZ 41/17, ZVertriebsR 2018, 118 m. Anm. Rohrßen = NZKart 2018, 96 = WuW 2018, 139; OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.4.2019 – VI-Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 503 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659 (Selektivsystem); Beschl. v. 5.4.2017 – VI-Kart 13/15 (V), WuW 2017, 406 = NZKart 2017, 316 Rn 53 ff.: Die intensive Produktberatung sowie die Qualität des Service konnten das Verbot im Fall des OLG Düsseldorf schon deshalb nicht rechtfertigen, da der Unternehmer selbst seit 2014 einen Online-Shop betrieb und seinen Vertragshändlern generell den eigenen Internetvertrieb gestattete. Trittbrettfahrer könnten durch das Verbot nicht ausgeschlossen werden; ebenso Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (283); Fiedler/Serafimova NZKart 2018, 252 ff.; aA Galle DB 2019, 288 (291) – zumindest für ein isoliertes Verbot. 2644 BGH, Beschl. v. 12.12.2017 – KVZ 41/17, ZVertriebsR 2018, 118 m. Anm. Rohrßen = NZKart 2018, 96 = WuW 2018, 139; OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.4.2019 – VI-Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 503 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659 Rn 97; Beschl. v. 5.4.2017 – VI-Kart 13/15 (V), WuW 2017, 406 = NZKart 2017, 316 Rn 102. 2645 Fiedler/Serafimova NZKart 2018, 252 (254). 2646 Fiedler/Serafimova NZKart 2018, 252 (255). 2647 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (283). 2648 Fiedler/Serafimova NZKart 2018, 252 (255). 2649 Fiedler/Serafimova NZKart 2018, 252 (255). 2650 Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (283). Emde

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die Produktqualität und Produkteigenschaften. Vorgeschrieben werden dürfen z. B. Beratungsservice, Einschränkungen bei der Produktpräsentation,2651 Art der Produktabbildungen und Beschreibungen,2652 das Layout des Portals, eine optimierte Suchrelevanz, Art der Werbekampagnen, die Überprüfung der Zuverlässigkeit der aufgenommenen Händler,2653 die Funktionalität der Website, ihre Kompatibilität mit mobiler Nutzung und Tablets, ebenso die Vermeidung bestimmter Domain-Namen, etwa die Verwendung von Begriffen wie „Geiz“, „Ramsch“ etc.2654 Hiermit soll ein „Flohmarkteffekt“ vermieden werden.2655 350 Zu lit. d Verbot von Querlieferungsbeschränkungen Durch das Verbot von Querlieferungsbeschränkungen nach Art. 4 lit. d GVO in selektiven 351 Vertriebssystemen soll eine Beschränkung des markeninternen Wettbewerbs verhindert werden.2656 Querlieferungen unter zugelassenen Händlern dürfen nicht beschränkt werden. Eine Alleinbezugsverpflichtung, derzufolge die Waren nur vom Unternehmer bezogen werden dürfen, stellt daher eine Kernbeschränkung dar.2657 Klauseln, die die Lieferung an nicht zugelassene Händler verbieten (Graumarktbezug) bilden keine Kernbeschränkung.2658 Das mit einem außerordentlichen Kündigungsrecht bei Nichterreichen verbundene Verkaufsziel in einem Vertragshändlervertrag ist gem. Art. 101 Abs. 1, 2 AEUV nichtig,2659 weil hierdurch Querlieferungen beschränkt werden.2660 Absatzziele und Mindestumsätze dürfen nur vereinbart werden, sofern der Händler nicht zur Beschaffung der Ware allein vom Vertragspartner verpflichtet bleibt, d. h. Querlieferungen nicht ausgeschlossen werden.2661 Eine Klausel, derzufolge in einem Franchisevertrag nur zertifizierte Lieferanten als Lieferanten vorgesehen werden können, soll angeblich nicht entgegen Art. 4 lit. d GVO 330/10 unzulässig Querlieferungen unter den einzelnen FN untersagen. Dies ergäbe jedenfalls eine kundenfreundliche Auslegung.2662 Bestimmte Bonuszahlungen können sich als mittelbare Behinderung des Querbezugs auswirken. Wenn der Unternehmer verkaufsbezogene Bonusansprüche gewährt, muss er jene, damit eine mittelbare Behinderung des Querbezugs ausscheidet, auch für Vertragsware zahlen, die zulässigerweise aus anderen Quellen innerhalb des Vertriebssystems bezogen wird.2663 Bei einkaufsbezogenen Bonuszahlungen schafft der Unternehmer lediglich einen Anreiz für Einkäufe bei ihm selbst. Dies ist gestattet.2664 Sofern eine Mengenzielvereinbarung nur zu einem kleinen Teil mit einer Bezugsverpflichtung aus einer bestimmten Quelle verbunden ist, wird man die Abrede nicht als unzulässiges Querlieferungsverbot qualifizieren können.2665 Auch hier kann dem Querlieferungsverbot der Effizienzeinwand entgegengehalten werden, etwa falls Vertragsgroßhändler, die in verschiedenen Gebieten angesiedelt sind, in ihren Gebieten erhebliche Investitionen erbringen, so dass anderen Großhändlern der Verkauf in Gebiete der investierenden Großhändler untersagt werden muss (Tz 63 LL).

2651 2652 2653 2654 2655 2656 2657 2658 2659

Fiedler/Serafimova NZKart 2018, 252 (255). Rohrßen ZVertriebsR 2018, 277 (283); Fiedler/Serafimova NZKart 2018, 252 (255). Fiedler/Serafimova NZKart 2018, 252 (255). Fiedler/Serafimova NZKart 2018, 252 (255). Fiedler/Serafimova NZKart 2018, 252 (255). Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 220. Thoma WRP 2005, 1132 (1134); Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 645. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 222. BGH, Urt. v. 22.2.2005 – KZR 28/03, WRP 2005, 628 (631) = WuW/E DE-R 1449, WuW 2005, 521 = EuZW 2005, 286 = NJW 2005, 1660. 2660 Thoma WRP 2005, 1132 (1134). 2661 Thoma WRP 2005, 1132 (1135); s. a. Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71. 2662 LG Kiel, Urt. v. 18.1.2013 – 14 O 63/11.Kart, BeckRS 2014, 13988. 2663 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 701. 2664 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 701. 2665 Thoma WRP 2005, 1132 (1135). 229

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352 (6) Art. 5 GVO. Art. 5 GVO enthält sogenannte „graue“ oder „rote“ Klauseln. Es handelt sich um erhebliche Beschränkungen des Wettbewerbs von mittlerer Schwere, die missbilligt werden. Ein Verstoß gegen Art. 5 GVO hat keine Auswirkung auf die Vereinbarung insgesamt. Von der Freistellung ausgeschlossen sind allein die in Art. 5 GVO genannten Einzelregelungen.2666 Die übrigen Vereinbarungen bleiben freigestellt und wirksam (Tz 65, 71 LL).2667 Eine geltungserhaltende Reduktion oder eine Anpassung nach den Grundsätzen des § 313 BGB scheidet aus.2668 Nach aA2669 entfällt die Freistellung sämtlicher wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen des Vertrags. Die Folgen einer Verletzung des Art. 5 GVO bestimmen sich nach nationalem Zivilrecht.2670 Sofern die unwirksamen Klauseln einen wesentlichen Teil der Vereinbarung bilden, kann der Gesamtvertrag gem. §§ 139, 306 Abs. 3 BGB unwirksam sein.2671 Ob der Hersteller der Nichtigkeit durch einseitigen Verzicht auf die wettbewerbsbeschränkenden Bestimmungen entgegenwirken kann, erscheint zweifelhaft, weil beiden Vertragspartnern hierdurch ein Vertrag mit ursprünglich nicht gewolltem Inhalt aufgezwungen wird.2672 Eine dahingehende Einigung ist jedoch gestattet, sofern der Vertrag dann GVO-konform wird. Sind sowohl die Voraussetzungen des Art. 4 wie des Art. 5 GVO gegeben, so greift die weitergehende Rechtsfolge des Art. 4 GVO ein.2673 Rote Klauseln des Abs. 1 sind 353 – lit. a: alle unmittelbaren oder mittelbaren Wettbewerbsverbote, welche für eine unbestimmte Dauer oder für eine Zeit von mehr als 5 Jahren vereinbart werden. Dabei gelten Wettbewerbsverbote, deren Dauer sich über den Zeitraum von 5 Jahren hinaus stillschweigend verlängern, als für unbestimmte Dauer vereinbart. Die Begrenzung auf 5 Jahre greift nach Art. 5 Abs. 2 GVO ausnahmsweise nicht ein, wenn die Vertragswaren oder -dienstleistungen vom Mittler in Räumlichkeiten und auf Grundstücken verkauft werden, die Eigentum des Anbieters oder durch diesen von Dritten, nicht mit dem Mittler verbundenen Unternehmern gemietet oder gepachtet worden sind und das Wettbewerbsverbot nicht über den Zeitraum hinausreicht, in welchem der Mittler diese Räumlichkeiten und Grundstücke nutzt. – lit. b: Alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen, die den Mittler veranlassen, Waren oder Dienstleistungen nach Beendigung der Vereinbarung nicht herzustellen bzw. zu erbringen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen (nachvertragliches Wettbewerbsverbot). Ausnahmsweise soll die in Art. 5 Abs. 1 lit. b GVO genannte Beschränkung gem. Art. 5 Abs. 3 GVO zulässig sein, wenn sich die zu prüfenden Verpflichtungen (kumulativ) • auf Waren oder Dienstleistungen beziehen, die mit den Vertragswaren oder dienstleistungen im Wettbewerb stehen, • sich auf Räumlichkeiten oder Grundstücke beschränken, von denen aus der Mittler während der Vertragsdauer seine Geschäfte betrieben hat (solange diese Räumlichkeiten fortbestehen – Tz 67 LL),

2666 BGH, Beschl. v. 26.7.2005 – KZR 14/04, BB 2005, 2208 = ZIP 2005, 1936 (LS) = WuW 2005, 1141 (DE-R 1151) = WRP 2005, 1535 = NJW 2005, 3376 = EWiR 2006, 13 (Emde) = GRUR Int. 2006, 59; Funke/Just DB 2010, 1389 (1393); Wendel WRP 2002, 1395 (1398). 2667 Murach GWR 2010, 210; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 298. 2668 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 299. 2669 Rickmann WuW 2003, 752 (755) zur Kfz-GVO 1400/02. 2670 OLG München, Teilurt. v. 24.10.2018 – 3 U 1551/17, ZVertriebsR 2018, 394 Rn 26. 2671 Liesegang NZKart 2013, 233 (238) – nach seiner Ansicht reglm. nicht anzunehmen; Rickmann WuW 2003, 752 (756); Niebling WRP 2002, 310 (313); aA wohl OLG Schleswig, Urt. v. 9.7.2002 – 6 U Kart 72/01, OLGR 2002, 378; i. E. zuvor bereits OLG Celle v. 22.6.2000 – 13 U 137/98, WuW DE-R 581 2001, 65; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/ Baron GVO, Rn 298. 2672 BGH, Beschl. v. 26.7.2005 – KZR 14/04, BB 2005, 2208 = ZIP 2005, 1936 (LS) = WuW 2005, 1141 (DE-R 1151) = WRP 2005, 1535 = NJW 2005, 3376 = EWiR 2006, 13 (Emde) = GRUR Int. 2006, 59. 2673 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron GVO, Rn 302. Emde

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unerlässlich sind, um dem Mittler vom Unternehmer übertragenes, wesentliches (Art. 1 Abs. 1 lit. g, Tz 68 LL) Know-How zu schützen, • und ein solches Wettbewerbsverbot auf einen Zeitraum von höchstens einem Jahr nach Beendigung des Vertriebsvertrages begrenzt ist. In jedem Fall darf aber die Nutzung und die Offenlegung von nicht allgemein bekannt gewordenem Know-How zeitlich unbegrenzt geschützt werden (Art. 5 Abs. 3, letzter S. GVO). – lit c: Alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen, welche die Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems veranlassen, Marken bestimmter konkurrierender Lieferanten nicht zu verkaufen. Zu lit a: Sofern Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung auf dem Gemeinsamen Markt ein- 354 tritt, verstößt ein in einen Vertriebsvertrag eingefügtes Wettbewerbsverbot gegen Art. 101 AEUV.2674 Auch von Art. 5 GVO werden nur den Abnehmer, also den Vertriebsmittler, bindende Wettbewerbsverbote erfasst.2675 Art. 5 Abs. 1 lit. a GVO stellt lediglich Verbote bis zu einer Höchstdauer von fünf Jahren frei. Art. 5 Abs. 1 lit. a GVO gilt, wie der Umkehrschluss aus Abs. 1 lit. b, Abs. 3 zeigt, nur für vertragsbegleitende und nicht die in Abs. 1 lit. a, Abs. 3 geregelten nachvertraglichen Wettbewerbsverbote.2676 Richtig „passt“ die Vorschrift eher für Belieferungs-, nicht für Vertriebsverträge, bei denen ein Wettbewerbsverbot eher typisch ist. Beispiel für ein 5 Jahre übersteigendes Wettbewerbsverbot ist die Regelung: „Für einen Zeitraum von 60 Tagen nach dem 4. Jahrestag des Inkrafttretens hat jede Partei das Recht, der anderen Partei schriftlich mitzuteilen, dass sie sich entschieden hat, den verlängerten Vertrag im Hinblick auf den Folgezeitraum abzuschließen. Wird von keiner Partei während dieses Zeitraums eine solche Verlängerungsmitteilung vorgenommen, erlischt dieser Vertrag automatisch in Übereinstimmung mit seinen Bedingungen am 5. Jahrestags des Inkrafttretens.“ Nach dieser Klausel besteht eine Pflicht zur Vertragsverlängerung nur dann nicht, wenn näher bezeichnete Ausschlussgründe vorliegen, was einer automatischen Vertragsverlängerung gleich kommt.2677 Zunächst ist auch hier zu prüfen, ob das Wettbewerbsverbot Art. 101 Abs. 1 AEUV wi- 355 derspricht. Nur dann ist eine Freistellung nötig. So wird für Franchiseverträge teilweise vertreten, dass die Laufzeit des Wettbewerbsverbots über 5 Jahre hinausreichen dürfe, wenn die Verpflichtung notwendig ist, um Identität und Ruf des Franchisesystems und das Know-How des FG zu sichern.2678 Zulässig kann ein nicht von der GVO freigestelltes Wettbewerbsverbot auch sein, falls gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV die positiven Effizienzgewinne die aus dem Wettbewerbsverbot entstehenden Nachteile überwiegen. Mögliche Fallgruppen hat die Kommission in Tz 29 ff.; 106 ff.; 122 ff. LL beschrieben. Sofern eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung fehlt, können auch über 5 Jahre hinausgehende Wettbewerbsverbote vereinbart werden,2679 ebenso bei sehr erheblichen Investitionen des Unternehmers (Tz 146 LL). Auch falls sehr umfangreiche Investitionen getätigt wurden, die eine Amortisation über den 5-Jahres-Zeitraum hinaus erfordern, darf ein Wettbewerbsverbot über mehr als 5 Jahre vereinbart werden.2680 Das Gleiche gilt im Fall der Förderung des Markenimages und des Ansehens des Vertriebsnetzes (Tz 30 LL). Was Wettbewerbsverbote sind, wird in Art. 1 lit. d GVO definiert. Es handelt sich um 356 alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen, die den Mittler veranlassen, keine Waren oder Dienstleistungen herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen, die mit den Vertragswaren oder -dienstleistungen des Unternehmers im Wettbewerb stehen, sowie alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen des Mittlers, mehr als 80 % seiner auf der 2674 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.11.2013 – 7 Kart 5/09, WuW DE-R 4730 (4738) = WuW 2015, 888 (896). 2675 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.11.2013 – 7 Kart 5/09, WuW DE-R 4730 (4746) = WuW 2015, 888 (904). 2676 Falsch daher wohl OLG Naumburg, Urt. v. 18.7.2013 – 2 U 76/13 (Kart), WRP 2013, 1402 m. deshalb abl. Anm. Rahlmeyer ZVertriebsR 2014, 111 und Gruber WuW 2014, 596. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.11.2013 – 7 Kart 5/09, WuW DE-R 4730 (4738) = WuW 2015, 888 (896). Giesler/Kroll2 § 4 Rn 773; Metzlaff BB 2000, 1201 (1208). Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 257. Wobei eine vertragsspezifische Investition erforderlich ist; s. a. Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 167.

2677 2678 2679 2680 231

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Grundlage des Einkaufswertes des betreffenden Jahres, oder – falls in der Branche üblich – anhand des Wertes des vorherigen Kalenderjahres berechneten gesamten Einkäufe von Vertragswaren oder -dienstleistungen sowie ihrer Substitute auf dem relevanten Markt von dem Unternehmer oder einem anderen vom Unternehmer bezeichneten Unternehmen zu beziehen (s. a. Tz 66 LL). Danach fallen auch Mindestabnahmeverpflichtungen2681 sowie Alleinbezugsvereinbarungen2682 unter den Begriff des Wettbewerbsverbots, sofern – aber auch nur dann – die 80 %-Grenze oder das Verbot der Behinderung von Querlieferungen des Art. 4 lit. d in selektiven Vertriebssystemen2683 durch sie unterlaufen wird. Selbst eine Mindestabnahmeverpflichtung, die unter der Schwelle von 80 % des jährlichen Gesamtbezugs liegt, kann einem Markenzwang gleichkommen, wenn ein Händler, der eine neue Marke seiner Wahl eines konkurrierenden Herstellers führen will, gezwungen wird, so viele Produkte der derzeit von ihm vertriebenen Marke zu kaufen, dass die Geschäfte des Händlers nicht mehr rentabel sind (Tz 37 LL Kfz-GVO). Unterhalb dieses Schwellenwertes können Bezugsbedingungen und Alleinbelieferungsvereinbarungen frei von den Beschränkungen des Art. 5 Abs. 1 lit. a GVO vereinbart werden, auch im Kfz-Verkauf sowie im Kfz-After-Sales Markt.2684 Dies gilt selbst dann, wenn die Vereinbarung noch andere vertikale Beschränkungen wie z. B. ein Wettbewerbsverbot enthält (Ziff. 192 LL). Auch mittels AGB können Alleinbezugsrechte begründet werden, ohne dass diese Klausel unwirksam wäre, weil sie nicht mit einem Alleinvertriebsrecht verbunden ist. Ein Wettbewerbsverbot i. S. d. Art. 5 GVO soll nicht vorliegen, wenn der Verkauf von Neufahrzeugen verboten wird, der Händler für die betreffende Marke aber lediglich Kfz-Reparaturtätigkeiten und Servicetätigkeiten vornimmt.2685 Wie dargelegt und aus Art. 1 lit. d GVO ersichtlich, sind unmittelbare und mittelbare 357 Wettbewerbsverbote untersagt, was für eine weite Auslegung des Verbots spricht.2686 Mittelbare Wettbewerbsbeschränkungen sind etwa Qualitätsbeschränkungen, die darauf ausgerichtet sind, vom Verkauf von Konkurrenzprodukten abzuhalten,2687 Prämien für den Vertrieb nur einer Marke,2688 für den Vertrieb der Wettbewerbsprodukte nur über eine eigene Rechtsperson,2689 Zielrabatte, progressiv gestaffelte Mengenrabatte, Treuerabatte, Kombinationspreise oder für einen separaten Ausstellungsraum,2690 englische Klauseln,2691 Werbeverbote2692 sowie die Verpflichtung, dass der Händler für den Vertrieb konkurrierender Marken eine gesonderte Gesellschaft gründet.2693 Solche indirekten Maßnahmen sollen aber nur dann wie ein Wettbewerbsverbot wirken, wenn ein Mehrmarkenvertrieb wirtschaftlich nicht möglich ist.2694 Falls ein Wettbewerbsverbot durch solche indirekten Maßnahmen intendiert ist, sollte ähnlich wie bei der Spürbarkeit die Intention für die Unzulässigkeit genügen. 358 Betroffen vom Verbot mittelbarer und unmittelbarer Wettbewerbsverbote sind nur Verpflichtungen des Vertriebsmittlers. Beschränkungen des Unternehmers sind zugelassen und

2681 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 264; Niebling WRP 2010, 631 für den Kfz-Bereich. 2682 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 247. 2683 Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1485). 2684 GVO 461/10 LL Rn 37; Schuhmacher/Erdmann WuW 2011, 462 (469/470). 2685 LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 63, 78. 2686 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 262. 2687 Nolte BB 2013, 1667 (1670); Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1484). 2688 Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1484). 2689 Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1484). 2690 Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1484). 2691 Nolte BB 2013, 1667 (1670). 2692 Nolte BB 2013, 1667 (1670); Kommission, Entsch. v. 29.6.2000 – Intrepernior-Spring, ABl. 2000 L 195/49. 2693 Nolte BB 2013, 1667 (1670). 2694 Nolte BB 2013, 1667 (1670); Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1484). Emde

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werden von der GVO nicht untersagt.2695 Beispiel: Beschränkung des Hotels durch die Buchungsplattform.2696 Art. 5 Abs. 1 lit. a GVO erhielt nach Auslaufen der Kfz-GVO 1400/02 besondere Bedeutung 359 im Kfz-Vertrieb (s. auch Tz 26 LL Kfz-GVO 461/10).2697 Die einer zugelassenen Werkstatt auferlegte Verpflichtung, für Instandsetzungsarbeiten im Rahmen der Gewährleistung, des unentgeltlichen Kundendienstes und von Rückrufaktionen nur vom Kfz-Hersteller gelieferte Original-Ersatzteile zu verwenden, wird nicht als Wettbewerbsverbot gewertet (Rn 39 LL Kfz-GVO). Nach Ansicht von Wegner2698 bildet das Verbot, Serviceleistungen für Kfz anderer Marken anzubieten, kein Wettbewerbsverbot i. S. d. Art. 1 Abs. 1 lit. d. GVO. Denn aufgrund der markenspezifischen Marktabgrenzung handele es sich nicht um im Wettbewerb stehende Leistungen, die demselben Produktmarkt zuzuordnen seien. Bei Verträgen über Wertstattdienstleistungen im Kfz-Bereich unterfalle daher ein solches Verbot nicht Art. 5 Abs. 1 lit. a GVO und sei ohne zeitliche Grenze zulässig (zweifelhaft). Nach Ablauf der 5Jahresfrist dürfen Hersteller ihren Händlern oder Werkstätten auch nicht vorschreiben, nur an bestimmte Leasingfirmen zu verkaufen.2699 Die hier beschriebenen Grundsätze gelten auch im Versicherungs-2700 oder Tankstellen- 360 vertrieb.2701 Ein Tankstellenvertrag mit einer mehr als 5jährigen Laufzeit unterfällt nicht der Freistellung nach der GVO, sofern der Unternehmer einen Marktanteil von mehr als 30 % besitzt und die Waren und Dienstleistungen nicht in Räumlichkeiten oder auf Grundstücken verkauft werden, die sich im Eigentum des Lieferanten befinden oder durch diesen von Dritten, nicht mit dem Käufer verbundenen Unternehmen gemietet oder gepachtet worden sind.2702 Wettbewerbsverbote, die auf 5 Jahre beschränkt werden, sind grds. zulässig (Tz 66 361 LL). Solche für einen unbestimmten Zeitraum (etwa bei Verlängerung mangels Kündigung2703) oder für eine Festlaufzeit von mehr als 5 Jahren sind hingegen nicht von der GVO freigestellt, auch wenn die Freistellung weiterhin für die übrigen Bestimmungen der Vertikalvereinbarung gilt (Tz 26 LL Kfz-GVO). Verbote, deren Dauer sich über den Zeitraum von 5 Jahren hinaus stillschweigend verlängern, gelten nach dem Text des Art. 5 als für unbestimmte Dauer vereinbart.2704 Dass § 86 ein unlimitiertes, vertragsbegleitendes Wettbewerbsverbot entnommen wird, schließt die Nichtigkeit nicht aus. Beide Wettbewerbsverbote unterliegen unterschiedlichen TBVoraussetzungen (Paradigma: wettbewerbsrechtlich nicht relevante Verträge). Das Eingreifen eines oder der Verzicht auf ein anderes muss nicht notwendigerweise das andere berühren. Kartellrechtlich verdrängt Art. 101 AEUV i. V. m. Art. 5 Abs. 1 lit. a GVO das zeitlich unbegrenzte Wettbewerbsverbot des § 86 im Wege der kartell- und europarechtlichen Spezialität.2705 Es wird aber vertreten, dass ein mehr als 5 Jahre dauerndes Wettbewerbsverbot bei einem unter Art. 101 AEUV fallenden Vertrag regelmäßig nicht § 86 entnommen werden kann.2706 Das aus § 86 hergeleitete Wettbewerbsverbot soll bei Eingreifen des Art. 101 AEUV im Wege der teleologischen Reduktion auf den zulässigen 5-Jahreszeitraum reduziert werden, um eine Balance zwi2695 Rahlmeyer ZVertriebsR 2014, 111 (112); Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2388); Thomas WuW 2010, 177 (180); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 256.

2696 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 (55). 2697 Siehe Nolte BB 2013, 1667; Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1485); Schuhmacher/Erdmann WuW 2011, 462 (467); Köhnen BB 2010, 781 (784); Niebling WRP 2010, 81 (83); Niebling WRP 2010, 1454 (1456), der diese Rückkehr zum Markenzwang als „befremdlich“ bezeichnet. 2698 Wegner BB 2010, 1803 (1808). 2699 Ensthaler WuW 2002, 1042, 1048. 2700 Stancke VersR 2009, 1168 (1171 f). 2701 EuGH, Urt. v. 2.4.2009 – C-260/07 – Tankstellenvertreter. 2702 EuGH, Urt. v. 2.4.2009 – C-260/07. 2703 So bereits früher die Kommissionspraxis: Kommission, Entsch. v. 23. 12. 1992, ABl. 1993 Nr. L 183/1, Rn 112 – Silber; best. durch EuG, T-9/93, Slg. 1995, II-1611, Rn 123 f. – Schöller/Kommission. 2704 Mesch WuW 2017, 62 (66); Malec/von Bodungen BB 2010, 2383 (2388). 2705 Emde WRP 2005, 1492 ff.; Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1214). 2706 Westphal II Rn 402. 233

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schen deutschem und europäischem Recht zu finden und die Wirksamkeit des Vertrages zu sichern. Es muss daher angeblich nicht ausdrücklich im Vertrag auf 5 Jahre begrenzt zu werden, da insoweit keine ausdrückliche „Vereinbarung“ eines Wettbewerbsverbots vorliege. Wegen des Verbots mehr als 5 Jahre übersteigender Wettbewerbsverbote wird geraten,2707 der GVO unterliegende Vertriebsverträge mit Konkurrenzverboten auf jenen Zeitraum zu beschränken. Dies ist problematisch, weil der Vertriebsmittler nach dem durch Fristablauf eintretenden Vertragsende einen Ausgleich gem. § 89b fordern darf. Sinnvoller ist es oft, lediglich das Wettbewerbsverbot zu beschränken, was jedoch nicht zwingend erforderlich ist (s. o.). Andererseits besteht ohne eine Befristung des Gesamtvertrages oft keine Möglichkeit, Verhandlungen über eine Fortsetzung des Wettbewerbsverbots zu erreichen. Eine Kündigungsmöglichkeit vor Ablauf der Frist ändert nichts an der fehlenden Freistellung des Konkurrenzverbots. Die Parteien dürfen jedoch entweder den Gesamtvertrag oder das Wettbewerbsverbot auf 5 Jahre befristen und vereinbaren, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Ablauf der 5-Jahresfrist Verhandlungen über eine Fortsetzung des Wettbewerbsverbots begonnen werden, solange jene ergebnisoffen geführt werden und die Entschlussfreiheit des Abnehmers nicht beschränkt wird. Eine Verlängerung über das fünfte Jahr hinaus bedarf der Zustimmung beider Seiten. Nichts darf den Mittler daran hindern, das Wettbewerbsverbot nach Ablauf der 5 Jahre auslaufen zu lassen (Tz 66 LL, Tz 26 LL Kfz-GVO). Ein Anschlussvertrag mit einem neuen Wettbewerbsverbot oder ein von der Laufzeit des Hauptvertrages unabhängige Verlängerung nur des Wettbewerbsverbots bildet nicht in jedem Fall einen Verstoß und ist zulässig, falls das Ergebnis nicht auf (ggf. faktischem) wirtschaftlichem Druck, etwa Kündigungsandrohung2708 oder infolge erheblicher Investitionen des Mittlers2709 des Unternehmers beruht (sonst mglw. Umgehung und unbefristeter Kettenvertrag). Erforderlich sind auch insoweit ergebnisoffene Verhandlungen.2710 Bei einseitiger Verlängerungsoption des Abnehmers ist seine Entschlussfreiheit unbeschränkt, weshalb eine solche Vertragsbestimmung zulässig ist.2711 Enthält der Anschlussvertrag wesentliche Änderungen (vor allem zugunsten des Mittlers), kann dies je nach Inhalt für oder gegen eine Umgehungsabsicht sprechen. Behinderungen, Kündigungsdrohungen bei wirtschaftlicher Abhängigkeit oder die Androhung, dass der Markenzwang wieder eingeführt werde, bevor der Händler genügend Zeit hatte, um seine unwiederbringlichen Investitionen zu amortisieren, kommen einer stillschweigenden Verlängerung des Markenzwangs gleich (Tz 66 LL, Tz 26 LL Kfz-GVO). Weigert sich der Händler mit einem unbefristeten Vertrag, die Markenexklusivität nach Ablauf der 5Jahres-Frist zu verlängern und kündigt dem Hersteller daraufhin ordentlich, soll dies ein Indiz für die Ausübung unberechtigten Drucks sein. Es wird deshalb empfohlen, nicht zu drohen und keinen Kündigungsgrund zu nennen.2712 Das erschwert die Beweisführung, ändert jedoch den Tatbestand nicht. Eine generelle Befristung aller Verträge des Unternehmers oder des Wettbewerbsverbots auf 5 Jahre dürfte keine Umgehungsabsicht indizieren, zumal etwa im Franchiserecht die Unwirksamkeit längerer als 5-jähriger Verträge behauptet wird. Ohnehin ließe sich das gleiche Ergebnis durch Kündigung zum Ende des 5. Jahres erzielen. Nach ergebnislosen Verhandlungen und Ablauf der 5-Jahresfrist setzt sich ein vertragliches Wettbewerbsverbot nicht als solches dispositiven Rechts fort.2713 Auch falls ausschließlich die zeitlichen Grenzen des Verbots überschritten werden, kommt eine geltungserhaltende Reduktion nicht in Betracht.2714

2707 Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1214). 2708 Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1486), die Kündigung soll nach Ansicht von Wegner/Oberhammer aber wirksam sein (Problem der Schikanekündigung). Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1485). Mesch WuW 2017, 62 (67). Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1485). Nolte BB 2013, 1667 (1672); Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1486) zum Kfz-Vertrieb. Emde BB 2006, 1061 (1066). Rahlmeyer ZVertriebsR 2014, 111 (112); Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1214); aA OLG Naumburg, Urt. v. 18.7.2013 – 2 U 76/13 (Kart), WRP 2013, 1402 m. abl. Anm. Rahlmeyer ZVertriebsR 2014, 111.

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Gleichwohl sind längere Laufzeiten des Vertriebsvertrages problematisch, sofern das Wettbewerbsverbot für eine Partei essentialia ist. Denn dann könnte bei Unwirksamkeit der Klausel mglw. Gesamtnichtigkeit nach §§ 139, 306 BGB eintreten. Gem. Art. 5 Abs. 2 GVO gilt die 5-Jahres-Grenze nicht, sofern die Vertragswaren oder – dienstleistungen vom Abnehmer in Rumlichkeiten und auf Grundstücken verkauft werden, die im Eigentum des Lieferanten stehen oder von diesem von nicht mit dem Abnehmer verbundenen Dritten gemietet oder gepachtet worden sind und das Wettbewerbsverbot nicht über den Zeitraum hinausreicht, in dem der Abnehmer diese Räumlichkeiten und Grundstücke nutzt. Gemeint sind in erster Linie Fälle, in welchen der Unternehmer dem Vertriebsmittler seine eigenen Räumlichkeiten oder sein Grundstück zur Verfügung gestellt hat.2715 Gelingt es nicht, eine freistellungsfähige Klausel zu vereinbaren, darf höchstens eine 5jährige Vertragslaufzeit geregelt werden.2716 Es ist Aufgabe des nationalen Gerichts zu prüfen, ob eine Konkurrenzschutzklausel für eine unbestimmte Dauer gelten soll und damit mglw. von der Freistellung ausgeschlossen ist.2717 Wird ein Händler einem Alleinbezugsrecht unterworfen, so muss ihm als Gegenleistung nicht zwingend Exklusivität zugesichert werden. Dies folgt bereits daraus, dass ein Mittler wegen der ihm obliegenden Interessenwahrungspflicht bereits kraft § 86 Abs. 1 einem Wettbewerbsverbot unterliegt, welches einer Alleinbezugsverpflichtung nahe kommt, ohne dass er deshalb notwendigerweise Alleinvertreter sein müsste. Das Alleinvertriebsrecht kann aber – muss jedoch nicht – im Synallagma zu einem Wettbewerbsverbot des HV stehen. Endet das Wettbewerbsverbot des Mittlers, etwa aufgrund von Vereinbarungen, Zeitablauf oder kartellrechtlicher Unzulässigkeit, kann vereinbart werden, dass auch das Alleinvertriebsrecht endet. Die Anwendung des § 19 GWB soll ausscheiden, soweit ein exklusives Vertriebsrecht vom Kartellverbot des Art. 101 AEUV freigestellt ist.2718 Zu lit b: Die Regelung des Art. 5 Abs. 1 lit. b GVO2719 entspricht der früheren Praxis.2720 Auch hier ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV vorliegt, was insb. bei Franchiseverträgen fraglich sein kann.2721 Obwohl rglm. unzulässig,2722 ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot des Vertriebsmittlers ausnahmsweise (enge Ausegung, regelm. keine Analogie!) gestattet, wenn kumulativ2723 die vier in Art. 5 Abs. 3 GVO lit. a–d genannten Umstände vorliegen.2724 Sie beziehen sich vor allem auf Franchiseverträge.2725 Sind die TB-Merkmale der lit. a–d erfüllt, ist die Freistellung gem. Art. 5 Abs. 3 lit. d auf den Zeitraum von einem Jahr begrenzt. Das ist eine Abweichung von § 90a, die oft unbeachtet bleibt (§ 90a Rn 14). Nachvertragliche Beschränkungen des Unternehmers sind – wie bei lit. a – zulässig und werden durch die GVO nicht untersagt.2726 Die Ausnahme (Freistellung) der lit. a des Art. 5 Abs. 3 GVO ist sachlich begrenzt auf Konkurrenzprodukte. Solche müssen dem gleichen sachlichen Markt wie die Vertragsprodukte angehören, d. h. das Know-How muss bei ihnen in ähnlicher Weise wie bei den Vertragsprodukten 2715 2716 2717 2718 2719 2720 2721

Hierzu EuGH, Urt. v. 2.4.2009 – C-260/07, EuZW 2009, 374 – Tankstellenvertreter. Giesler/Güntzel ZIP 2006, 1792 (1794). EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, Cepsa ./.Tobar, EWS 2008, 441 (446) = WuW EU-R 1475 Rn 61. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.11.2013 – 7 Kart 5/09, WuW DE-R 4730 (4747) = WuW 2015, 888 (905). Vgl. zu ihr etwa Liebscher/Petsche EuZW 2000, 400 (403); Ensthaler/Genzow § 90a Rn 23. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron Kartellrecht, Bd. 1, GVO-Vertikal Rn 253. LG Kiel, Urt. v. 18.1.2013 – 14 O 63/11.Kart, BeckRS 2014, 13988 (dort Verstoß gegen Art. 101 AEUV verneint): Der FG müsse in der Lage sein, durch ein zeitlich angemessen begrenztes nachvertragliches Wettbewerbsverbot das dem FN überlassene Know-How zu schützen, um zu verhindern, dass sich der ehemalige FN das übertragene KnowHow und den gewonnenen Kundenstamm zu seinem Vorteil und zum Nachteil des FG zunutze machen könne. 2722 Ensthaler/Genzow § 90a Rn 23. 2723 Funke/Just DB 2010, 1389 (1392). 2724 Bauer/de Bronett Rn 167. 2725 Giesler/Kroll2 § 4 Rn 774. 2726 Thomas WuW 2010, 177 (180). 235

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nutzbar sein.2727 Fehlt es an Know-How, greift die Privilegierung nicht ein.2728 Räumlich ist die Ausnahme gemäß lit. b begrenzt auf den Ort der Geschäftstätigkeit des Mittlers während der Vertragslaufzeit. Unerheblich ist dabei, wem die Räumlichkeiten oder das Grundstück gehören und ob sie dem Vertriebsmittler vom Unternehmer überlassen wurden.2729 Gem. lit. c muss das Wettbewerbsverbot zum Schutz des vom Unternehmer überlassenen Know-How unerlässlich sein. Unerlässlich ist ein Wettbewerbsverbot, sofern es erforderlich ist, um den Mittler daran zu hindern, das vom Unternehmer überlassene Know-How zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen. Außerdem darf die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gemäß lit. d ein Jahr nicht überschreiten. Nach Ansicht des OLG Schleswig2730 kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für das Funktionieren eines Franchisesystems essentiell sein; es soll dann nicht gegen Art. 101 AEUV verstoßen. 366 Gemäß Art. 5 Abs. 3, letzter Satz GVO, darf der Unternehmer den Mittler hinsichtlich der Nutzung und der Offenlegung von nicht allgemein bekannten Know-How zeitlich unbegrenzten Beschränkungen unterwerfen. Geschützt wird hierdurch geheimes Know-How. Dies gilt insbesondere für Know-How in Franchiseverträgen, welches erforderlich ist, um die Identität des Systems zu wahren oder die Übertragung des Wissens zu schützen.2731 Zu lit c: Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c GVO sind alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflich367 tungen von der Freistellung ausgeschlossen, welche die Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems veranlassen, Marken bestimmter konkurrierender Lieferanten nicht zu verkaufen. Hiermit soll eine Kollusion auf horizontaler Ebene verhindert werden, die bewirkt, dass führende Anbieter durch Schaffung eines exklusiven Clubs von Marken bestimmte Marken vom Markt ausschließen (Tz 182 LL). Im Kfz-Vertrieb ist der selektive Vertrieb die verbreiteste Vertriebsform (Tz 42 LL Kfz-GVO). In zulässigen selektiven Vertriebssystemen kann es dem Unternehmer freistehen, seinem Vertragspartner den Verkauf von Produkten aller konkurrierender Marken zu untersagen. Die Markenexklusivität als solche wird also durch Art. 5 Abs. 1 lit. c GVO nicht von der Freistellung ausgeschlossen.2732 Von lit. c erfasst sind nur gezielt gegen einzelne („bestimmter“) Konkurrenzunternehmen gerichtete Vertragsklauseln,2733 d. h. der Ausschluss einzelner, bestimmter Marken, insb. durch einen „kollektiven Boykott“ mehrerer Unternehmer (Tz 69 LL). Diese Marken müssen entweder namentlich benannt oder bei scheinbar abstrakter Umschreibung eindeutig namentlich bestimmbar sein. Das letztgenannte Erfordernis soll Umgehungsversuche ausschließen. Selektionskriterien, die nicht auf einzelne Unternehmen zielen, sind zulässig.2734 Es muss sich um eine rechtlich bindende Verpflichtung handeln. Eine faktische Bindung durch Ausübung von Druck oder Gewährung von Anreizen reicht nicht, auch wenn sie in ihrer Wirkung einer rechtlichen Bindung ähnliche Auswirkungen zeigt.2735

368 (7) Art. 6 GVO. Gemäß Art. 6 GVO kann die Kommission durch VO erklären, dass in Fällen, in denen mehr als 50 % des betroffenen Marktes durch nebeneinander bestehende Netze gleichartiger vertikaler Beschränkungen abgedeckt werden, die GVO auf vertikale Vereinbarungen, die bestimmte Wettbewerbsbeschränkungen auf diesem Markt enthalten, keine Anwendung findet. Beim Vertrieb von Kfz auf Einzelhandelsebene soll eine solche Abschottung der Märkte unwahrscheinlich sein (Tz 34 LL Kfz-GVO). 2727 2728 2729 2730 2731 2732 2733 2734 2735 Emde

Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron GVO-Vertikal, Rn 285. Giesler/Kroll2 § 4 Rn 775. Schultze/Pautke/Wagener Rn 693; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron GVO-Vertikal Rn 285. OLG Schleswig, Urt. v. 26.9.2013 – 16 U (Kart) 50/13, BeckRS 2013, 21955 – Subway. Liebscher/Petsche EuZW 2000, 400 ff; siehe hierzu auch Emde WRP 2005, 1492 ff. Vgl. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron GVO-Vertikal Rn 291. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron GVO-Vertikal Rn 290; Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 656. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron GVO-Vertikal Rn 294. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Baron GVO-Vertikal Rn 294; zweifelhaft. 236

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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(8) Art. 7–10 GVO. Art. 7 GVO regelt die Marktanteilsermittlung, Art. 8 GVO die Umsatzermitt- 369 lung. Art. 8 GVO i. V. m. Art. 2 Abs. 2 GVO bestimmt, dass für die Umsatzermittlung den an der vertikalen Vereinbarung beteiligten Unternehmen die Umsätze verbundener Unternehmen zuzurechnen sind, weshalb auch im Kfz-Bereich nicht die Marktmacht der einzelnen Fahrzeugmarke sondern des Gesamtkonzerns oder der Gesamtgruppe betrachtet wird.2736 Gem. Art. 9 wird Art. 101 Abs. 1 AEUV im Zeitraum zwischen dem 1.6.2010 und dem 31.5.2011 im Hinblick auf Vereinbarungen, die zwar nicht die Voraussetzungen einer Freistellung i. S. d. GVO 330/10, jedoch der GVO 2790/99 erfüllen, nicht angewandt. Nach Art. 10 Abs. 1 GVO gilt die GVO seit dem 1.6.2010 und gem. Abs. 2 bis zum 31.5.2022. Eine Verlängerung ohne nennenswerte Änderungen wäre wünschenswert,2737 und zwar bereits deshalb, weil den Marktteilnehmern durch Änderungen der GVO erzwungene ständige Anpassungen ihrer Verträge und wechselndes Recht unzumutbar sind.2738 Die sich ständig ändernden GVOs sind ein Ärgernis.2739 Die Novellierungen widerlegen die Sachgerechtigkeit der jeweiligen Vorgängerregelung sowie die Notwendigkeit solcher kartellrechtlichen Regelungswerke. Sie widerstreiten zudem der Rechtssicherheit, zumal die Rspr. sich bei der Klauselkontrolle und sogar bei der Frage der analogen Anwendung der HGB-Vorschriften auf HV-ähnliche Mittler an diesen GVOs orientiert.2740 Die Rechtsunsicherheit wird damit ins Zivilrecht getragen. Der 2018 begonnene Evaluierungsprozess zur Novellierung der GVO wurde im 2. Quartal 2020 abgeschlossen.2741 Metzlaff2742 schildert dessen Verlauf. 87 % der Teilnehmer am Konsultationsprozess beantworteten die Frage, ob die GVO samt Leitlinien einen positiven Beitrag zum Wettbewerb in der EU leisten würden mit „ja“ oder „ja mit Einschränkungen“.2743 Im Konsultationsprozess an Defiziten genannt wurde insb. das Problem marktspezifischer Investitionen bei Einordnung als unechter HV, der Austausch von Verkaufspreisdaten beim dualen Vertrieb nach Art. 2 Abs. 4 GVO, die zu geringe Höhe der Marktanteilsschwelle von 30 %, das Preisbindungsverbot und online-bezogene Themen.2744 Von der Aufnahme eigener Regelungen zum Online-Vertrieb in die neue GVO sollte abgesehen werden.2745 cc) Die Kfz-GVO 461/10 (1) Historie der Kfz-GVOs. Die erste branchenspezifische GVO für den Kfz-Vertrieb bildete die 370 GVO 123/85 v. 12.12.1984, welche am 1.7.1985 in Kraft trat und bis zum 30.6.1995 wirksam war. Zuvor hatte sich die Kommission seit Anfang der 70iger Jahre in mehreren Entscheidungen zu Einzelfreistellungsanträgen unterschiedlicher Kfz-Hersteller geäußert.2746 Um der steigenden Anzahl solcher Einzelfreistellungsanträge entgegenzuwirken, entstand die GVO 123/85,2747 welche durch die am 1.7.1995 in Kraft getretene und bis zum 30.9.2002 anwendbare GVO 1475/952748 ersetzt wurde. Ob die teilweise mit großem Enthusiasmus begrüßte,2749 von Anderen skeptisch

2736 2737 2738 2739 2740 2741 2742 2743 2744 2745 2746

Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1481). Wagener WuW 2020, 172; Emde ZVertriebsR 2019, 137. Wagener WuW 2020, 172; Metzlaff ZVertriebsR 2020, 69 (71); Emde ZVertriebsR 2019, 137. Hierzu Emde ZVertriebsR 2019, 137. BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, BeckRS 2009, 22193; krit. Emde BB 2009, 2330 (2331). Metzlaff ZVertriebsR 2020, 69. Metzlaff ZVertriebsR 2020, 69. Metzlaff ZVertriebsR 2020, 69 (70). Metzlaff ZVertriebsR 2020, 69 (71); s.a. Kirchhoff WuW 2021, 2 ff. Wagener WuW 2020, 172. Siehe die grundlegenden Entscheidungen zum BMW-Händlervertrag v. 13.12.1974, ABlEG Nr. L 29 v. 3.2.1975,

1.

2747 Siehe Böni WuW 2013, 479 (480). 2748 VO (EG) Nr. 1475/95 der Kommission v. 28.6.1995 über die Anwendung v. Art. 85 Abs. 3 des Vertrags auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen bei Kfz, ABlEG L 145 v. 29.6.1995, 25.

2749 Ensthaler BB 25/2001 „Die erste Seite“. 237

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beäugte2750 Kfz-GVO 1400/02 tatsächlich publiziert werden würde, war zunächst unsicher.2751 Diskutiert wurde eine Verlängerung der Alt-GVO 1475/95,2752 ihr völliges Entfallen oder eine Schirm-GVO mit kfz-spezifischen Ergänzungen.2753 371 Die neue Kfz-GVO 461/102754 (im Folgenden „Kfz-GVO“) trat zum 1.6.2010 in Kraft,2755 ergänzt durch ihre Leitlinien (LL) und die am 27.8.2012 veröffentlichten Antworten auf häufig gestellte Fragen zu ihrer Anwendung.2756 Eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie der London Economics kam zuvor zu dem Ergebnis, auf dem Neuwagenmarkt herrsche starker Wettbewerb. Hier sei die Kfz-GVO 1400/02 gut umgesetzt worden. Im Servicebereich funktioniere der Wettbewerb jedoch nicht so, wie es wünschenswert sei. Im Ersatzteilbereich sei Wettbewerb am wenigsten existent.2757 Die GVO habe den Herstellern zu umfangreiche Gestaltungsspielräume belassen, ohne Instrumente bereitzustellen, um jene wirksam zu überprüfen.2758 Insb. behinderten die Hersteller durch umfangreiche Standards, deren Erfüllung wegen der damit verbundenen Kosten schwerfalle, einen freien Wettbewerb.2759 Nach Vorstellung des Evaluierungsberichts reichten die Vorschläge von der Abschaffung einer branchenspezifischen Regelung bis zu einer verschärften Neuauflage.2760 Im weiteren Verlauf wurden 4 Regelungsoptionen mit ihren Vor- und Nachteilen vorgestellt.2761 Letztlich entschied sich die Kommission für eine Mischung aus einer branchenspezifischen Regelung für den After-Sales-Bereich in Kombination mit der grds. Anwendung der Vertikal-GVO auf den Vertrieb2762 (Art. 3 Kfz-GVO). 372 Die Kommission vertrat die Ansicht, dass es im Neuwagenvertrieb keine erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigungen gebe, die das Fortbestehen einer gesonderten Regelung für den KfzSektor rechtfertige und entschied sich damit gegen ein Fortbestehen der GVO 1400/02 oder einer anderen, den Kfz-Vertrieb betreffenden GVO (Tz 12 LL).2763 Es herrsche starker Wettbewerb. Die Margen der Kfz-Hersteller und Kfz-Händler seien gering. Mehrere Jahre lang hätten Produktionsüberkapazitäten und technologische Neuerungen zum Nutzen der Verbraucher zur Senkung der Kfz-Preise und zur Verbesserung des Angebots beigetragen. Die Finanzkrise habe den Preisdruck verschärft. Unter diesen Umständen seien die bisherigen Regeln zu kompliziert und restriktiv und trieben indirekt die Vertriebskosten in die Höhe, auf die durchschnittlich 30 % des Preises eines Neufahrzeugs entfielen. Die Regeln seien zu vereinfachen. Der Markt für den KfzVertrieb werde künftig genauso behandelt wie andere Märkte. Die neue Kfz-GVO 461/10 gilt daher nur noch für den After-Sales-Bereich. Hier bleibt das bisherige System im Grundsatz bestehen. Für den Neuwagenvertrieb gilt ab 1.6.2013 – nach Auslaufen der Kfz-GVO 1400/02 für diesen Geschäftsteil – die Schirm-GVO 330/10, ebenso für Verträge über Teile im Erstausrüstermarkt.2764 Zumindest bis zum 1.10.2013 blieben der alten GVO 1400/02 konforme und auf den Neuwagenvertrieb bezogene Verträge freigestellt, mglw. auch danach, da die alte Kfz-GVO zu 2750 Rittner WuW 2002, 329: noch engere Zwangsjacke für den Kfz-Vertrieb. Der Entwurf wirke an vielen Stellen zu wenig durchdacht, der exklusive Vertrieb könne nicht gut als Alternative zum selektiven gestellt werden, da beide Prinzipien sich ergänzten. Der Mehrmarkenvertrieb brauche nicht über Art. 3 Nr. 3 GVO 1475/95 hinaus freigestellt zu werden. Der enge Verbund von Vertrieb und Kundendienst habe sich bewährt. 2751 Zusammenfassend Böni WuW 2013, 479 (481). 2752 Vgl. etwa Bechtold EWS 2001, 49. 2753 Böni WuW 2013, 479 (481); Weber Kfz-Betrieb 16/2001, 26. 2754 VO EU Nr. 461/2010, ABl. v. 28.10.2010, L 129/52. 2755 Zur Genese der GVO 461/10 Köhnen BB 2010, 781 ff. 2756 Abrufbar unter ec.europa-eu/competition/sectors/motor_vehicles/legislation; hierzu Frenz WRP 2013, 163. 2757 Jagels Kfz-Betrieb 35/2006, S. 10; zum Bewertungsbericht der EU-Kommission Wendel BB 2008, 1294 ff. 2758 Ensthaler zit. nach Jagels Kfz-Betrieb 35/2006, S. 11. 2759 Vgl. von Maltzan Kfz-Betrieb 26/2007, S. 16. 2760 Böni WuW 2013, 480 (483). 2761 Böni WuW 2013, 480 (483). 2762 Nolte BB 2013, 1667. 2763 Kritisch zu dieser Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärmarkt Prasse BB 2010, 1481. 2764 Wegner BB 2010, 1803 (1806). Emde

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Lasten der Hersteller strenger war.2765 Wegen der größeren Freiheit unter der neuen GVO war eine Kündigung der der alten Kfz-GVO 1400/02 gemäßen Verträge nicht erforderlich. Zahlreiche Hersteller haben gleichwohl die Gelegenheit zur Kündigung genutzt.2766 Unter der neuen Kfz-GVO entfallen die 30 %ige Bezugsbindung im Ersatzteilbereich,2767 die 373 Bestimmungen zur Mindestkündigungsfrist (Art. 3 Abs. 5 GVO 1400/02),2768 zur Übertragung von Händlerverträgen (Art. 3 Abs. 3 GVO 1400/02), zur Anrufung eines Schiedsrichters (Art. 3 Abs. 6 GVO 1400/02), zur Verfügbarkeitsklausel (Art. 4 lit. f GVO 1400/2002), zur Standortwahl (Art. 5 Abs. 2 lit. a, Abs. 3 GVO 1400/02),2769 zur untervertraglichen Weitergabe von Serviceleistungen (Art. 4 Abs. 1 lit. g GVO 1400/02) sowie zum Begründungszwang für Kündigungen (Art. 3 Abs. 4 GVO 1400/02). Der Mehrmarkenvertrieb kann entgegen Art. 5 Abs. 1 GVO 1400/02 für den Zeitraum von 5 Jahren2770 eingeschränkt werden2771 und eine Bezugspflicht von Neuwagen von bis zu 80 % vorgesehen werden.2772 Zu den Altregelungen siehe 2. Aufl, Vor § 84 Rn 168 ff. Damit wurden wesentliche Schutzvorschriften zugunsten des Händlers gestrichen,2773 weil 374 sie nach Ansicht der Kommission zivilrechtlichen und keinen wettbewerbsrechtlichen Charakter trugen.2774 Die in Tz. 7 der LL zur Kfz-GVO angesprochenen und unten, Rn 388 besprochenen Selbstverpflichtungskataloge der Hersteller (ACEA-Code of Good Practice2775) oder Händler (CECRA-Code of Conduct – CoC2776) werden wohl wenig helfen, zumal sie nur für Unternehmen gelten, die sich ihnen freiwillig unterwerfen,2777 wozu keine Pflicht besteht.2778 Deshalb hat etwa Österreich wesentliche Schutzvorschriften der GVO 1400/02 in das KraSchG übernommen, etwa die Kündigung mit 2jähriger Frist, die Möglichkeit zum Verkauf des Autohauses samt Vertrag sowie die Existenz von Schlichtungsstellen2779 – zudem ein Rückkaufpflicht des Unternehmers.

(2) Ergänzende Leitlinien (LL) und häufig gestellte Fragen zur Kfz-GVO. Die Kommission 375 hat auch zu der Kfz-GVO ergänzende LL erlassen.2780 Zu ihrer Rechtsnatur unten, Rn 242. Im Kfz-Vertrieb muss der Anwender daher nun mit mindestens 5 Dokumenten arbeiten (Kfz-GVO, GVO 330/10, LL-Kfz-GVO, LL-GVO 330/10 sowie „häufig gestellte Fragen“ zu der KfzGVO2781).2782

2765 2766 2767 2768

Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1487). Baeuchle kfz-betrieb Heft 15/2013, 26. Schuhmacher/Erdmann WuW 2011, 462 (468). Entsprechend dem Citroen-Urt. des BGH (v. 21.2.1995 – KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260 = BB 1995, 1657 („Citroen“)) gilt nun eine einjährige Mindestkündigungsfrist, s. Niebling WRP 2010, 81 (84). 2769 Nolte BB 2013, 1667 (1669); Wegner BB 2010, 1803 (1806). Grund: Investitionen des Händlers sollen geschützt werden, s. Nolte BB 2013, 1667 (1669). 2770 Nolte BB 2013, 1667 (1669); Köhnen BB 2010, 781 (784). 2771 Nolte BB 2013, 1667 (1669); Böni WuW 2013, 479; Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1483 f.); aA Niebling WRP 2010, 81 (84). 2772 Nolte BB 2013, 1667 (1670). 2773 Krit. Niebling WRP 2010, 1454 (1458); Prasse BB 2010, 1481. 2774 Vgl. Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1483); Wegner BB 2010, 1803 (1809). 2775 Wiedergegeben etwa in Kfz-Betrieb Spezial 11/2010, 49. 2776 Wiedergegeben etwa in Kfz-Betrieb Spezial 11/2010, 49. 2777 Nolte BB 2013, 1667 (1671); Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1483); Köhnen BB 2010, 781 (784). 2778 Nolte BB 2013, 1667 (1671); Wegner BB 2010, 1803 (1809). Eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Nachweises fehlender Freistellung folgt aus der Nichtunterwerfung unter einen Kodex gleichfalls nicht (Wegner BB 2010, 1803 [1809]). 2779 Moritz ZVertriebsR 2017, 143 (148); Creutzig Kfz-Betrieb Heft 15/2013, 28. 2780 ABl. EU v. 28.5.2010 – C 138/16. 2781 Frequently asked questions (häufig gestellte Fragen) zur Kfz-GVO v. 27.8.2012. Diese FAQ sind keine Rechtsakte. Eine Abweichung bedarf daher keiner Vorlage zum EuGH, s. Nolte BB 2013, 1667 (1668). 2782 Zu den daraus entstehenden Schwierigkeiten auch Nolte BB 2013, 1667. 239

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(3) Kfz-Vertrieb unter den neuem Regelungsregime der GVOs 376 (a) Wo wird der Kfz-Vertrieb geregelt? Die Kfz-GVO 461/10 regelt nur den Service, also das After-Sales-Geschäft. Die Schirm-Vertriebs-GVO 330/10 (zu ihr Rn 284 ff.) gilt nun auch für den Vertrieb von Kfz.2783 Sie regelt den Vertrieb aller Fahrzeuge, nicht nur solcher, die von der Definition des Art. 1 Abs. 1 GVO 461/10 (vgl. dazu Rn 396 ff.) erfasst sind. Insb. wird auch der Vertrieb von Fahrgestellen (Chassis) erfasst,2784 zudem von Gebrauchtfahrzeugen.2785 Die branchenspezifische Vertriebs-GVO über den Vertrieb von Kfz ist damit entfallen. Die Freistellungsfähigkeit nach der Schirm-GVO gilt auch im Kfz-Vertrieb nur bis zur beider377 seitigen Marktanteilsschwelle von 30 %. Damit stellt sich die Frage einer Einzelfreistellung. Theoretisch ist eine solche möglich, ab einem Marktanteil von 40 % jedoch schwierig.2786 Nach Ansicht von Nolte2787 sollte der Marktanteil im Kfz-Vertrieb, abweichend von der Marktanteilsfeststellung gemäß der Kfz-GVO oder nach §§ 19, 20 GWB, aus der Sicht der gewerblichen KfzHändler abgegrenzt werden. Das ist zweifelhaft und kann zumindest für den Marktanteil des Kfz-Händler selbst nicht gelten. Abgestellt sein dürfte in beiden Fällen auf die Marktanteile aus der Sicht der Endverbraucher. Es gelten daher die unter Rn 307 f. dargelegten Maßstäbe.

378 (b) Zulässige Vereinbarungen zum Vertrieb. Auch unter dem Regelungsregime der GVOs 330/10 und 461/10 gibt es keine zwingende Verbindung zwischen Kundendienst und Verkauf. Nach der GVO zulässig wäre es, dass der Händler keine Werkstattleistungen erbringt. Die Händler können aber im Händlervertrag dazu verpflichtet werden. Umgekehrt braucht eine Werkstatt nicht notwendigerweise Handel zu betreiben. Sie kann jedoch dazu ebenfalls im Werkstattvertrag verpflichtet werden.2788 Die Hersteller können im selektiven System zweioder mehrstufige Vertriebssysteme mit Importeuren oder Großhändlern einrichten, ihre Neufahrzeuge im Eigenvertrieb oder zweigleisig über Eigen- und Absatzmittlervertrieb verkaufen.2789 Die Hersteller dürfen sich ein Mitvertriebsrecht gegenüber dem Endkunden vorbehalten;2790 ein Alleinvertriebsrecht jedoch nur unter den Voraussetzungen des Art. 4 GVO.2791 Mit rechtlich selbstständigen Tochtergesellschaften darf der Händler nach wie vor – jedenfalls aus Rechtsgründen – beliebig viele Marken vertreiben.2792 Wenn die Voraussetzungen des § 19 GWB erfüllt sind, soll der Hersteller zur Begründung der ordentlichen Kündigung verpflichtet sein.2793 379 Auch unter den GVOs 330/10 und 461/10 darf ein Kunde einen bevollmächtigen Vermittler mit dem Kauf beauftragen; dieses Recht darf in den Händlerverträgen nicht ausgeschlossen werden. Vermittler sind Personen, die ein neues Kfz für einen Verbraucher kaufen, ohne Mitglied des jeweiligen Vertriebsnetzes zu sein. Der Kaufvertrag kommt dann mit dem Kunden zustande, nicht mit dem Vermittler.2794 Die Einkaufsvermittler müssen ihren Vermittlerstatus durch einen gültigen Auftrag nachweisen.2795 Dabei darf der Vermittler auch das Internet zur 2783 2784 2785 2786 2787 2788

Hierzu etwa Nolte BB 2013, 1667 ff. Nolte BB 2013, 1667 (1668). Nolte BB 2013, 1667 (1668). Nolte BB 2013, 1667 (1668). BB 2013, 1667 (1668/1669). Anders unter der GVO 1400/02: Dort war es unzulässig, Werkstatt und Händler zu der jeweils komplementären Leistung zu verpflichten, s. Emde Vertriebsrecht2 Vor § 84 Rn 174; Polley/Seeliger EWS 2002, 507 (509). 2789 Nolte BB 2013, 1667 (1668). 2790 Nolte BB 2013, 1667 (1668). 2791 Vgl. hierzu: Nolte BB 2013, 1667 (1668). 2792 Nolte BB 2013, 1667 (1670). 2793 Nolte BB 2013, 1667 (1672); aA wohl BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 44. 2794 Nolte BB 2013, 1667 (1672). 2795 LL zur Kfz-GVO, Rn 52; Nolte BB 2013, 1667 (1672). Emde

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Vermittlung benutzen.2796 Da eine Werkstatt hinsichtlich des Neuwagenvertriebs nicht Mitglied des Vertriebsnetzes des Unternehmers ist, darf sie als Vermittlerin tätig werden. Nach wie vor dürfen Hersteller zwischen einem exklusiven und quantitativ-selektiven 380 Vertrieb wählen.2797 Der Dualismus der Systeme ergab sich unter der alten Kfz-GVO 1400/02 aus deren Art. 42798 und beide Systeme sind nach wie vor kartellrechtsgemäß. Sie müssen aber die Voraussetzungen des Art. 4 GVO 330/10 einhalten, was besonders im exklusiven System problematisch ist. Eine Verknüpfung beider Systeme war unter der GVO 1400/02 nicht erlaubt,2799 dürfte nun aber bei Einhaltung der Grenzen des Art. 4 GVO zulässig sein. Im bis zu einem beidseitigen Marktanteil von 30 % freigestellten exklusiven Vertriebs, dessen Zulässigkeit Art. 4 lit. b GVO 330/10 (früher: Art. 4.1 lit b Kfz-GVO 1400/02) entnommen werden kann (Beschränkungen des aktiven Verkaufs in Gebiete oder zu Kundengruppen die sich der Hersteller selbst oder anderen Händlern vorbehalten hat)2800 darf dem Händler ein überschneidungsfreies2801 Gebiet zugewiesen2802 und dürfen aktive Verkäufe und aktive Werbung2803 außerhalb jenes Gebiets untersagt werden.2804 Andere Händler dürfen in diesem Vertriebsgebiet nicht aktiv werben und der Hersteller kann Händlern die Eröffnung von Niederlassungen im Vertragsgebiet eines anderen Händlers untersagen.2805 Innerhalb eines ggf. nicht Art. 101 AEUV verletzenden (Rn 201) und im Falle einer Verletzung des Art. 101 AEUV möglicherweise durch die GVO 330/ 10 bis zu einem Marktanteil von 30 % freigestellten2806 selektiven Vertriebssystems (unterteilt in qualitativen und quantitativ-selektiven Vertrieb) und erwähnt in Art. 4 lit. c GVO 330/10 (früher: Art. 4 Ziff. 1 lit. b (iii)2807) wählen die Hersteller ihre Händler anhand von qualitativen Kriterien aus.2808 Sachliche2809 Standards dürfen festgelegt werden. Zusätzlich könnten quantitative Selektionskriterien gewählt werden, z. B. die Obergrenze der Händleranzahl2810 (zur quantitativen Selektion Rn 226). In einem solchen System dürfen die Händler aktiv innerhalb der gesamten Gemeinschaft Fahrzeuge an Endverbraucher veräußern2811 (Art. 4 lit. c GVO 330/ 10). Der Hersteller darf den Händlern also kein bestimmtes Absatzgebiet zuweisen,2812 gebietsbezogene Verkaufsziele, Neuwagenzuteilungen und Bonussysteme sind nicht erlaubt.2813 Internet-Verkauf ist im selektiven System unbeschränkt zulässig.2814 Im exklusiven System darf nur der aktive Internet-Verkauf untersagt werden,2815 s. Rn 214 ff. Die Übernahme des Großkundengeschäfts soll in einem selektiven Vertriebssystem angeblich unzulässig sein.2816 Zugewiesen 2796 Nolte BB 2013, 1667 (1672). 2797 Siehe zum Rechtszustand unter der früheren Kfz-GVO 1400/02 Emde Vertriebsrecht2 Vor § 84 Rn 172 f.; Ensthaler WuW 2002, 1042 (1043/1044); Polley/Seeliger EWS 2002, 507 (508); Wendel WRP 2002, 1395 (1405); Ensthaler/ Gesmann-Nuissl BB 2006, 2589 (2593). 2798 Ensthaler WuW 2002, 1042 (1044). 2799 BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, WRP 2007, 1097 (1099) = RIW 2007, 614 = EWiR 2007, 547 (Emde); Ensthaler BB 2002, 313 (314); Siegert NJW 2007, 188 (189). 2800 Ensthaler WuW 2002, 1042 (1044); Wendel WRP 2002, 1395 (1405). 2801 Ensthaler BB 2002, 313 (314). 2802 Polley/Seeliger EWS 2002, 507 (508). 2803 Creutzig BB 2002, 2133 (2140). 2804 Pfeffer NJW 2002, 2110 (2112); Polley/Seeliger EWS 2002, 507 (508); Wendel WRP 2002, 1395 (1406). 2805 Creutzig BB 2002, 2133 (2140). 2806 Polley/Seeliger EWS 2002, 507 (508). 2807 Ensthaler WuW 2002, 1042 (1044). 2808 Ensthaler BB 2002, 313 (314). 2809 Niebling WRP 2006, 1334 (1335). 2810 Nolte BB 2013, 1667 (1668). 2811 Ensthaler WuW 2002, 1042 (1045); Ensthaler BB 2002, 313 (315); Creutzig EuZW 2002, 560 (561). 2812 Rickmann WuW 2003, 752 (759); Polley/Seeliger EWS 2002, 507 (508). 2813 Ensthaler BB 2002, 313. 2814 Niebling WRP 2010, 81 (83); Ensthaler WuW 2002, 1042 (1047). 2815 Ensthaler WuW 2002, 1042 (1047). 2816 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2003, 533. 241

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werden kann ein Hauptstandort, der nicht geschlossen werden darf.2817 Auch im selektiven System nicht freigestellt sind Qualitätsstandards, die mittelbar Wettbewerbsverbote zur Folge hätten, etwa Mindestgröße der Ausstellungsfläche und Mindestumsatzgröße2818 (Art. 5 GVO 330/ 10). Zusätzliche Standorte sind unzulässig, wo der Hersteller ein exklusives Vertriebssystem betreibt.2819 Unterschiedliche Standards der Händler in verschiedenen EU-Staaten sollen nicht gestattet sein2820 (zweifelhaft). Nationale Marketingaktionen sind im exklusiven wie im selektiven Vertrieb zulässig.2821 Welches System der Hersteller wählt, ergibt sich aus dem Vertrag, etwa der Wahl von Markt381 verantwortungsbereichen. Der Hersteller ist insoweit frei und darf in verschiedenen Ländern unterschiedliche Systeme einführen.2822 In diesem Fall soll der Händler im selektiven System hinsichtlich seiner aktiven Verkäufe die Rechte des Händlers des exklusiven Systems (Gebietschutz) zu beachten haben. Er soll nicht in diese Gebiete hinein liefern dürfen, ebenso wie der Exklusivhändler angeblich nicht die freien Händler beliefern darf, die im Gebiet des selektiven Vertriebs ansässig sind.2823 Dies begegnet Zweifeln, weil der Hersteller für klar definierte Verbote zu sorgen hätte. Die Mehrzahl der Hersteller und Importeure (Ausnahme: Suzuki) hat sich bereits unter der GVO 1400/02 für den quantitativ-selektiven Vertrieb entschieden,2824 da man das Risiko einer unkontrollierten Öffnung des Vertriebsnetzes für nicht autorisierte Wiederverkäufer wie Supermärkte und Handelsketten im Rahmen eines Exklusivvertriebs vermeiden wollte.2825 An § 19 GWB dürften Regelungen im Händlervertrag scheitern, z. B. mit einer bestimmten Bank, Telefon- oder Leasinggesellschaft zusammenzuarbeiten oder ein bestimmtes EDV-System anzuschaffen.2826

382 (c) Neuwagenvertrieb durch autorisierte Werkstätten? Nach den LL zur GVO 461/10 dürfen zugelassene Werkstätten, außer in der Einführungsphase eines Vertriebssystems, nicht zum Verkauf von Neuwagen verpflichtet werden (Tz 71 LL). Händler dürfen jedoch zum Service verpflichtet werden. Vollfunktionsverträge sind also, obwohl Tz. 71 LL auch Raum für ein gegenteiliges Verständnis gibt, wieder möglich.2827 Ob sie ratsam sind, ist fraglich. Denn der Kontrahierungszwang im Werkstattbereich nach § 19 GWB (Rn 489 ff.) könnte auf den Händlervertrag abfärben. Zwar unterliegt der Hersteller zumindest kartellrechtlich der Verpflichtung, jedem Interessenten für einen Werkstattvertrag, der die Selektionskriterien des Herstellers erfüllt, einen Werkstattvertrag anzubieten („Kontrahierungszwang“, Rn 489 ff.). Den Neuwagenvertrieb braucht der Hersteller der autorisierten Werkstatt jedoch nicht anzubieten.2828 383 Nach einer Ansicht2829 stellt der Verkauf von Neuwagen durch zugelassene Werkstätten ohne vertragliche Gestattung eine Verletzung des Werkstattvertrages dar2830 und darf auch mit-

2817 2818 2819 2820 2821 2822 2823 2824 2825 2826 2827 2828 2829

Wendel WRP 2002, 1395 (1413). Creutzig BB 2002, 2133 (2141). Creutzig BB 2002, 2133 (2141). Ensthaler WuW 2002, 1042 (1046). Creutzig BB 2002, 2133 (2139). Ensthaler WuW 2002, 1042 (1044). Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2006, 2589 (2593). Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Vogel Kartellrecht, GVO-Kfz Rn 29. Nolte BB 2013, 1667 (1668); Pfeffer NJW 2002, 2110 (2112). Creutzig BB 2002, 2133 (2137); Ensthaler WuW 2002, 1042 (1048). Nolte BB 2013, 1667 (1670); Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1483). Nolte BB 2013, 1667 (1672). LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 87; Wendel/Ströbl WRP 2004, 1340 (1346); Niebling WRP 2006, 1334 (1335). 2830 Niebling JR 2009, 393. Emde

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tels AGB (Rn 79 ff., Stichwort „Neuwagenverkauf“) untersagt werden.2831 Der Vertragswerkstättenvertrag begründe die Nebenpflicht, nicht in Wettbewerb zum Vertriebssystem des Herstellers/Importeurs zu treten. Da die Vertragswerkstatt Neufahrzeuge anderer Hersteller und sämtliche Gebrauchtfahrzeuge verkaufen dürfe, seien die Interessen des Herstellers, sein Neuwagen-Vertriebssystem und die Investitionen der Vertragshändler zu schützen, überwiegend.2832 Ein Vergleich zu ungebundenen Händlern verbiete sich, da jene keinen Treuepflichten unterlägen.2833 Rechtsfolge eines Verkaufs seien Unterlassungs-, Schadenersatz- und Auskunftsansprüche; zudem das Recht zur fristlosen Kündigung.2834 Markenrechtliche Ansprüche erscheinen jedoch zweifelhaft, wettbewerbsrechtliche Ansprüche bestehen allenfalls, sofern die Werkstatt einen Vertragshändler zum Vertragsbruch veranlasst oder Schleichbezug vorliegt2835 (Rn 516 ff.). Die Werkstatt darf sich nicht als Vertragshändler gerieren,2836 was ausscheidet, wenn sie auf ihre Service-Partnereigenschaft hinweist. Nach aA spricht mehr für die Zulässigkeit des Neuwagenverkaufs durch eine zugelassene 384 Werkstatt2837 und die Unzulässigkeit dies ausschließender Klauseln nach § 307 BGB (Rn 98, Stichwort „Neuwagenverkauf“). Die frühere Kfz-GVO 1400/02 hat die Rechte von Händlern und Werkstätten stärken und nicht einschränken wollen. Wenn der Hersteller die Werkstatt nicht mit dem Vertrieb beauftragt, ist die Werkstatt in diesem Bereich frei (Art. 2 Abs. 1 GG). Sie unterliegt also beim Vertrieb keinem Wettbewerbsverbot und er darf ihr auch nicht untersagt werden. Auch ein Gegenschluss aus § 90a für den nachvertraglichen Wettbewerb bestätigt diesen Befund. Wenn beim nachvertraglichen Wettbewerb keine Beschränkung außerhalb des Vertragsgegenstandes möglich ist, gilt dies in gleicher Weise beim vertragsbegleitenden Wettbewerb. In die gleiche Richtung geht eine Entscheidung des Thüringer OLG,2838 die allerdings einen Fall betrifft, in dem es kein im Servicevertrag enthaltenes Verbot des Neuwagenverkaufs gab. Das OLG judizierte, aus der mittlerweile aufgehobenen GVO 1400/02 lasse sich ein solches Verbot nicht herleiten. Eine könne Werkstatt nicht dem Händler-Vertriebssystem zugehörig betrachtet werden. Ihre Pflichten ergäben sich ausschließlich aus dem Werkstattvertrag. Ob vertragliche Beschränkungen der Werkstatt in Bezug auf den Neuwagenverkauf freigestellt wären, könne dahinstehen. Der Unternehmer habe die Schutzinstrumente für sein Vertriebsbindungssystem selbst im Vertrag zu installieren und könne sich bei deren Versagen nicht auf die Generalklausel des § 242 BGB zurückziehen. Es bestehe kein vertraglicher Anspruch (§§ 241, 280 BGB), den Neuwagenverkauf zu unterlassen, insb. nicht aus ungeschriebenen vertraglichen Nebenpflichten. Treupflichten müssten sich an die durch den Werkstattvertrag begründeten Pflichten anlehnen und dürften nicht vertragliche Lücken schließen, die mangels Zugehörigkeit zum Vertragshändlersystem oder wegen Fehlens ausdrücklicher Vereinbarungen entständen. Insoweit könnten die Treupflichten des Werkstattbetriebs nicht weitergehen als die freier Händler. Das Fehlen einer vertraglichen Regelung oder sonstiger diskriminierungsfreier Schutzmechanismen für das Ver-

2831 LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400; Niebling WRP 2006, 1334 (1335); aA LG Erfurt, Urt. v. 13.12.2007 – 2 HKO 244/07. 2832 LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400. 2833 LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 87. 2834 Das Argument dürfte sich wenden lassen: Mit gleicher Begründung könnte eine Verpflichtung des Herstellers begründet werden, nicht in Wettbewerb zur Werkstatt zu treten. 2835 Zusammenfassend Spix ZVertriebsR 2015, 283 ff. 2836 BGH, Urt. v. 17.3.2011 – I ZR 170/08, WRP 2011, 1417 m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRURPrax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428; OLG Rostock, Urt. v. 21.5.2008 – 2 U 75/07; Wendel/Ströbl WRP 2004, 1340 ff. 2837 Spix ZVertriebsR 2015, 283 (284). Dies lässt sich im Umkehrschluss auch der Entscheidung BGH, Urt. v. 17.3.2011 – I ZR 170/08, WRP 2011, 1417 m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428 entnehmen. Denn sonst hätte diese Entscheidung nicht auf eine mögliche Irreführung rekurrieren müssen. 2838 OLG Jena, Urt. v. 25.6.2008 – 2 U 21/08, GRUR-RR 2008, 397. 243

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triebssystem dürfe nicht über dem Werkstattvertrag angeblich immanente Treupflichten korrigiert werden. 385 Soweit dementsprechend nichts im Vertrag geregelt wurde, hält der BGH – wohl wegen des damit verbundenen Vertrauensvorschusses2839 – den Verkauf von Neuwagen nur dann für unzulässig, wenn beim angesprochenen Verkehr der unzutreffende Eindruck entstehen könne, der Werbende sei „Vertragshändler“ eines Automobilherstellers.2840 Ähnlich entschied das OLG Rostock,2841 demzufolge der Verkauf von Neufahrzeugen durch eine zugelassene Vertragswerkstatt nur dann untersagt ist, wenn sich aus der Anzeige der Vertragswerkstatt der Eindruck herleite, sie könne auf Grund von Vertragsbeziehungen zum Unternehmer sofort Neufahrzeuge liefern. Die bloße Bezeichnung als Vertragspartner des Herstellers dürfte aber zulässig sein, da auch die Vertragswerkstatt dessen Vertragspartner ist.2842 Nach der letztgenannten Ansicht ist es dem nicht vertragsrechtlich autorisierten Händler erlaubt, auf den Gegenstand seiner Tätigkeit, etwa den Verkauf von Kfz der Marke Ford, hinzuweisen und dabei die Wortmarke Ford zu benutzen. Dabei jedoch mit Begriffen zu arbeiten wie „Spezial-Werkstatt für …“ oder die Marke des Automobilherstellers in den Firmennamen aufzunehmen, und so die Assoziation eines engen Vertrages zum Hersteller herzustellen, wäre irreführend.2843 Wird ein solcher Eindruck nicht hervorgerufen, ergeben sich aus dem Vertragswerkstattvertrag keine weitergehenden Rücksichtnahmepflichten, welche den Verkauf von Neufahrzeugen ausschliessen. Nach Ansicht des LG Köln2844 muss ein nicht autorisierter Wiederverkäufer, der EU-Fahrzeuge veräußert – insbes. eine Vertragswerkstatt –, darauf hinweisen, dass es sich bei den Fahrzeugen um EU-Neuwagen handele. Anderenfalls erwecke er den Eindruck einer Vertragshändlereigenschaft. Das Thüringer OLG2845 verneint einen aus § 24 Abs. 1 MarkG wegen markenrechtlicher Erschöpfung hergeleiteten Anspruch des Herstellers, den Neuwagenvertrieb zu unterlassen. Erweckt die in die Ladenbeschilderung eines Händlers aufgenommene Marke eines Herstellers allerdings den unrichtigen Eindruck, zwischen Händler und Hersteller bestehe eine vertragliche Verbindung, wird nach dem OLG Frankfurt/M.2846 die Herkunftsfunktion der fremden Marke beeinträchtigt; die Schutzschranken der §§ 23, § 24 MarkenG greifen in diesem Fall nicht ein. Geht in einem solchen Fall der Markeninhaber jedoch gegen die Verletzung über einen längeren Zeitraum nicht vor, obwohl er – wie auch der Verletzer weiß – bei Beachtung der ihn treffenden Beobachtungspflicht die Verletzung hätte erkennen können, kann der sich aus der Verletzung ergebende Schadensersatzanspruch verwirkt sein; nicht verwirkt ist dagegen in diesem Fall der markenrechtliche Unterlassungsanspruch.2847 386 Ebenso umstritten ist, ob ein Neuwagen-Verkaufsverbot kartellrechtlich wirksam ist. Nach einer Ansicht ist das nicht der Fall: Es handele sich um eine Wettbewerbsbeschränkung i. S. d. Art. 101 AEUV, die – zumal im selektiven Vertriebssystem – unzulässig sei.2848 Der relevante Markt, auf den für die Beurteilung für die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung abzustellen ist, sei der Markt für den Verkauf von Neufahrzeugen in Deutschland.2849 Auf den 2839 Berlit LMK 2011, 324689. 2840 BGH, Urt. v. 17.3.2011 – I ZR 170/08, WRP 2011, 1417 m. insoweit zust. Anm. Niebling WRP 2011, 1416; zust. auch Niebling WRP 2012, 1361 (1366). Ähnlich – mit markenrechtlicher Begründung und außerhalb des Kfz-Bereichs OLG Frankfurt, Urt. v. 21.3.2013 – 6 U 170/12, BeckRS 2013, 06349. 2841 Urt. v. 21.5.2008 – 2 U 75/07; zust. Niebling WRP 2010, 1454 (1457). 2842 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 6/09, NJW 2011, 2730 und KZR 7/09, WRP 2011, 909 m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428; Niebling WRP 2012, 1361 (1366). 2843 Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428. 2844 Beschl. v. 8.5.2009 – 28 O 210/08, n. v. 2845 OLG Jena, Urt. v. 25.6.2008 – 2 U 21/08, GRUR-RR 2008, 397. 2846 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 21.3.2013 – 6 U 170/12, GRUR-RR 2013, 433. 2847 OLG Frankfurt/ M., Urt. v. 21.3.2013 – 6 U 170/12, GRUR-RR 2013, 433. 2848 Spix ZVertriebsR 2015, 283 (284), auch LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 62, das ein Neuwagen-Verkaufsverbot jedoch für freigestellt hält (s. u.). 2849 LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 62. Emde

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Markt für Ersatzteile sei nicht abzustellen.2850 Eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung sei stets spürbar.2851 Art. 4 Kfz-GVO 330/10 stelle die Vereinbarung nicht frei.2852 Daraus folge, dass nur Regelungen des Vertrages freigestellt sind, die sich auf den Bezug und Verkauf von Servicedienstleistungen und Ersatzteilen beziehen. Das gelte für ein Verkaufsverbot nicht.2853 Auch eine Einzelfreistellung scheide regelmäßig aus.2854 Nach aA ist das Neuwagen-Verkaufsverbot kartellrechtlich wirksam: Es sei zwar geeignet, den Wettbewerb hinsichtlich des Vertriebs von Neufahrzeugen einzuschränken.2855 Die Vereinbarung sei jedoch nach Art. 2 Abs. 1 GVO 330/10 freigestellt.2856 Es handelt sich bei dem Verkaufsverbot nicht um eine Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. b, c GVO.2857 Neuwagen seien keine Vertragswaren des Servicevertrages i. S. d. Art. 4 lit. b GVO, wie z. B. Ersatzteile.2858 Eine Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken des § 1 GWB könne nicht angenommen werden, und zwar aufgrund der Freistellung.2859

(d) Kündigungsgründe. Die Kündigung eines Vertragshändlervertrages kann rglm. nur aus 387 Gründen erfolgen, die aus dem Vertrieb resultieren, die Kündigung des Werkstattvertrages nur aus Gründen, die aus dem Werkstattgeschäft herrühren,2860 es sei denn, das Vertrauen entfällt insgesamt. Ein Abrechnungsbetrug im Rahmen des Kfz-Vertriebs soll dergestalt geeignet sein, das Vertrauen sowohl im Rahmen des Händlers- wie des Werkstattvertrages zu erschüttern und eine Kündigung beider Verträge zu rechtfertigen;2861 ebenso soll die fehlende Anschaffung von Spezialwerkzeugen zur außerordentlichen Kündigung des Händlervertrages berechtigen,2862 nicht jedoch der Rückstand mit Zahlungen aus dem Vertriebsvertrag.2863

(4) Fortschreibung einzelner Händlerschutzbestimmungen in den Selbstverpflich- 388 tungskatalogen und den Händlerverträgen. Wie oben Rn 374 dargestellt, haben Herstellerverbände Selbstverpflichtungskataloge entworfen, die allerdings nur für Unternehmen gelten, die sich ihnen freiwillig unterwerfen.2864 Man könnte darüber diskutieren, ob es sich bei diesen Selbstverpflichtungskatalogen um Branchenstandards handelt, die bei der AGB-Kontrolle und im Rahmen der Generalklauseln zu berücksichtigen sind. Jedenfalls wird es sich bei der Selbstverpflichtung und den in die Verträge übernommenen Tatbeständen um AGB handeln, die verwenderfeindlich auszulegen sind. Die Kommission will die vertragliche Umsetzung dieser Selbstverpflichtungskodizes im Falle einer wettbewerbsrechtlichen Untersuchung als entlastenden Umstand berücksichtigen.2865 In den Selbstverpflichtungskatalogen leben die Verlängerung der Kündigungsfrist auf 2 Jahre, ihre Verkürzung auf ein Jahr im Falle einer Strukturkündigung

2850 2851 2852 2853 2854 2855 2856 2857 2858 2859 2860

LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 62 ff. LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 67. Spix ZVertriebsR 2015, 283 (285). Spix ZVertriebsR 2015, 283 (285). Spix ZVertriebsR 2015, 283 (287). LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 55 ff. LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 68 ff. LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 74 ff. LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 75. LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 92. OLG Braunschweig, Urt. v. 1.9.2009 – 2 U 157/09, zit. nach Genzow kfz-betrieb 45/2009, 10; Creutzig BB 2002, 2133 (2147); Nolte WRP 2005, 1124 (1126, 1127). 2861 Nolte WRP 2005, 1124 (1126, 1127). 2862 LG Düsseldorf, Urt. v. 17.7.2009 – 14c O 95/09, BeckRS 2009, 24224. 2863 OLG Braunschweig, Urt. v. 1.9.2009 – 2 U 157/09, zit. nach Genzow kfz-betrieb 45/2009, 10. 2864 Nolte BB 2013, 1667 (1671); Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1483); Köhnen BB 2010, 781 (784). 2865 Kfz-LL, Rn 7 S. 4; Nolte BB 2013, 1667 (1671). 245

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sowie die Regeln über die außergerichtliche Streitschlichtung fort.2866 Im CECRA-CoC ist auch das Recht zur Übertragung des Vertrages und der schriftlichen Begründung mit angemessener Kündigungsfrist fortgeschrieben worden. 389 Die in der alten Kfz-GVO 1400/02 enthaltenen und in die Selbstverpflichtungskataloge überführten Händlerschutzbestimmungen werden nachfolgend kommentiert: 390 Gem. Art. 3 Abs. 4 GVO 1400/02 musste eine Kündigung schriftlich begründet werden.2867 Diese Regelung ist auch in Art. 3.2 CECRA-CoC enthalten. Sieht ein Vertrag im Einklang mit dem alten Art. 3 Abs. 4 GVO 1400/02 ein Begründungserfordernis2868 vor, kann zur Auslegung auf die hinsichtlich der GVO geltenden Auslegungsmaßstäbe zurückgegriffen werden.2869 Danach ist als Begründung ausreichend, dass die Kündigung nicht auf einem Verhalten des Herstellers beruht, welches nach der GVO nicht eingeschränkt werden dürfe.2870 Nach anderen Stimmen muss die Begründung ausführlich, objektiv und transparent sein.2871 Sie muss erkennen lassen, warum der Vertrag mit dem konkret betroffenen Händler nicht fortgesetzt werden soll.2872 Genannt werden müssen objektive Fakten.2873 Die pauschale Begründung, die Verträge sollten europaweit vereinheitlich werden, ist intransparent.2874 Es soll nicht ausreichen, wenn das Kündigungsschreiben formelhaft feststellt, dass die Kündigung nicht auf einem Verhalten des Unternehmers beruhe, welches nach der früheren GVO 1400/02 nicht eingeschränkt werden dürfe.2875 Dabei handelt es sich nicht um eine Begründung, sondern lediglich um die Wiederholung der Vorgabe der GVO.2876 Das Begründungserfordernis galt nach Ansicht Ensthalers schon vor Einführung der GVO 1400/02,2877 und auf den von ihm angenommenen allg. Grundsatz, sollte er existieren,2878 müsste folglich nach Wegfall der Schutzbestimmung in der GVO wieder zurückgegriffen werden. Jener Schutzzweck trifft im besonderen Maße außerordentliche Kündigungen sowie Strukturkündigungen (dazu im Folgenden), so dass auch bei ihnen eine Begründung erforderlich ist.2879 Denn der Gekündigte muss wissen, aus welchem Grund der Unternehmer für sich ein Sonderkündigungsrecht in Anspruch nimmt, um die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs oder einer Klage abschätzen zu können. Auch der früher für die GVO 1400/02 genannte Zweck schränkt das Begründungserfordernis nicht ein. Welcher Grund die Kündigung rechtfertigte, soll gerade anhand der Begründung überprüft werden. Sie ist deshalb immer zu 2866 2867 2868 2869

Nolte BB 2013, 1667 (1672). Eingehend Emde VersR 2004, 1499 (1507); s. a. Niebling WRP 2005, 717 (718). Zu einem solchen Fall BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15, 2018, 2279 Rn 48 ff. – Jaguar/Land-Rover. BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 44 – Jaguar. 2870 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 44 – Jaguar. 2871 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.4.2014 – 11 U 105/13 (Kart), ZVertriebsR 2014, 307 = BeckRS 2014, 09888; Pfeffer NJW 2002, 2110 (2112); Ensthaler WuW 2002, 1042 (1047). 2872 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.4.2014 – 11 U 105/13 (Kart), ZVertriebsR 2014, 307 = BeckRS 2014, 09888; aA BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15, BeckRS 2018, 2279 Rn 51 f. 2873 Niebling WRP 2003, 609 (610). 2874 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.4.2014 – 11 U 105/13 (Kart), ZVertriebsR 2014, 307 = BeckRS 2014, 09888; aA BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15, BeckRS 2018, 2279 Rn 51 f. 2875 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807; aA wohl BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 44 – Jaguar. 2876 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807; aA wohl BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 44 – Jaguar. 2877 Ensthaler WuW 2002, 1042 (1047). 2878 AA wohl BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 44. 2879 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807; v. 8.4.2014 – 11 U 105/13 (Kart), ZVertriebsR 2014, 307 = BeckRS 2014, 09888; aA Niebling WRP 2003, 609 (610). Emde

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geben. In der Kündigungserklärung darf auf andere Schreiben, auch die eines nicht am Vertrag beteiligten Dritten, verwiesen werden.2880 Die Nichtverlängerung eines befristeten Vertrages, die 6 Monate vor Auslaufen des Vertrages der anderen Vertragspartei mitgeteilt werden muss, ist keiner Begründungspflicht unterworfen.2881 Die Begründung muss eine wirksame Überprüfung der Kündigungsgründe gewährleisten. Das Gericht muss in der Lage sein, aus der Begründung sowohl die für die Gültigkeit der streitigen Vereinbarung als auch für den Ersatz des dem Händler entstandenen Schadens notwendigen Konsequenzen zu ziehen.2882 Eine Kündigung, die dieses Begründungserfordernis nicht einhält, ist unwirksam.2883 Bliebe der Verstoß gegen den Begründungszwang folgenlos, so wäre das Begründungserfordernis überflüssig.2884 Jedenfalls nach § 305c Abs. 2 BGB definiert dieses Verständnis die verwenderfeindlichste Auslegung.2885 Das Begründungserfordernis hindert den Hersteller wohl nicht, in einem Gerichtsverfahren Kündigungsgründe nachzuschieben.2886 Gem. Art. 3 Abs. 5 GVO 1400/02 1. Alt. musste der Vertrag eine Laufzeit von mindestens 391 5 Jahren und sich die Vertragsparteien verpflichtet haben, eine Nichtverlängerung mindestens 6 Monate im Voraus anzukündigen (lit. a). Die 2. Alt. war, dass der Vertrag unbefristet geschlossen wird und die Vertragsparteien eine Kündigungsfrist von mindestens 2 Jahren vereinbarten (lit. b). Diese Frist konnte auf ein Jahr verkürzt werden, wenn der Lieferant entweder (i) aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder aufgrund besonderer Absprache bei Beendigung der Vereinbarung eine angemessene Entschädigung zu zahlen hatte oder (ii) sich für den Lieferanten die Notwendigkeit ergab, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren („Strukturkündigung“). Der Ausgleichsanspruch analog § 89b war keine angemessene Entschädigung in diesem Sinne.2887 Durch diese Regelung der GVO 1400/02 sollte die Stellung der Mittler, insb. ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit,2888 gegenüber dem Unternehmer gestärkt werden. Die 1. Alt. hat in Art. 3.3 CECRA-CoC Eingang gefunden, während Art. 2 ACEACode of Good Practice bei Verträgen mit einer Festlaufzeit nur eine Mindestfrist von 6 Monaten für die Ankündigung der Nichtverlängerung vorsieht. Sowohl Art. 2 ACEA-Code of Good Practice; Art. 3.3 CECRA-CoC haben die 2. Alt. übernommen. Die Händler sollen ihr Agieren am Markt und ihre Wettbewerbsposition nicht unter dem Druck eines jederzeitigen Kündigungsrechts planen müssen. Die Strukturkündigung mit 1jähriger Frist soll es dem Lieferanten ermöglichen, auf wirt- 392 schaftliche Veränderungen schnell zu reagieren und anpassungs- und leistungsfähige Strukturen zu entwickeln.2889 Eine Umstrukturierung soll etwa gestattet sein, wenn sich die Gesamtzahl der Händlerstandorte von 638 um 103 reduzierte und von einem 2stufigen auf ein 1stufiges Sys2880 BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WRP 2009, 1121 = WM 2009, 1990 = BeckRS 2009, 22193 Rn 18. 2881 Vogel in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, GVO-Kfz Rn 31. 2882 EuGH, Urt. v. 18.1.2007 – C-421/05 – City Motors Groep NV/ Citroen Belux NV, EuZW 2007, 113 m. Anm. Wegner/Schroeder.

2883 OLG Frankfurt/M. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807; v. 8.4.2014 – 11 U 105/13 (Kart), ZVertriebsR 2014, 307 = BeckRS 2014, 09888; BGH, Beschl. v. 28.10.2004 – III ZR 205/03, NJW 2005, 147 für das HeimG. 2884 OLG Frankfurt, Urt. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807. 2885 Im Ergebnis: Wegner/Schroeder EuZW 2007, 115 (116); offen gelassen von BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/ 08, WRP 2009, 1121 = WM 2009, 1990 Rn 16. 2886 Nolte WRP 2005, 1124 (1126, 1127); Niebling WRP 2006, 1334; aA noch Niebling WRP 2005, 717; Reufels/Laufen WuW 2004, 392 (395). 2887 Nolte BB 2013, 1667 (1671); Creutzig BB 2002, 2133 (2147); Niebling WRP 2003, 609 (610); aA Reufels/Laufen WuW 2004, 392 (398). Für die Ansicht von Reufels/Laufen spricht immerhin, dass der Ausgleichsanspruch nicht in allen Ländern der EU anerkannt ist und damit eine die verkürzte Kündigungsfrist rechtfertigende „Zusatzleistung“ sein könnte. 2888 BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WRP 2009, 1121 = WM 2009, 1990; zu diesem Urteil Emde BB 2009, 2330 ff. 2889 BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WRP 2009, 1121 = WM 2009, 1990 Rn 15. 247

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tem entsprechend den Empfehlungen einer Unternehmensberatungsgesellschaft umgestellt werden soll, sofern dabei von den bisherigen Standorten lediglich 286 bestehen bleiben und 253 der 638 bisher tätigen Händler durch 249 leistungsfähigere Händler ersetzt werden sollen, bei einem wirtschaftlichen Vorteil von 91 Mio. EUR.2890 Strittig ist, ob eine Strukturkündigung mit verkürzter 1jähriger Frist wegen Einführung einer neuen GVO zulässig ist.2891 Kurze Umstellungsfristen, etwa zwischen Publikation der GVO 1400/02 am 1.8.2002 (ABl. EG L 203/30) und dem Ende der Anpassungsfrist zum 30.9.2003, können die Beteiligten in Zeitnot bringen.2892 Sofern Hersteller angesichts der Kenntnis von der nahenden Umstellung die Verträge mit 2jähriger Regelkündigungsfrist hätten kündigen konnten, besteht keine „Notwendigkeit“ zur außerordentlichen Strukturkündigung mit 1jähriger Frist.2893 2005 legte der BGH2894 dem EuGH gem. dem heutigen Art. 267 AEUV die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob BMW infolge der Einführung der neuen Kfz-GVO 1400/02 zum Ablauf der Übergangsfrist von der Alt-GVO 1475/95 zur Neu-Kfz-GVO 1400/02 am 30.9.2003 die nach der alten GVO gefassten Händlerverträge im Wege der Strukturkündigung mit einjähriger statt mit der von beiden GVOs vorgeschriebenen Regelkündigungsfrist von 2 Jahren kündigen durfte. Der BGH neigte seinerzeit der Ansicht zu, eine Strukturkündigung mit 1jähriger Frist sei zulässig und die Kündigung mit 2jähriger Frist unzumutbar. Gleiches gelte für einen einseitigen Verzicht des Herstellers auf die wettbewerbsbeschränkenden Regeln des Händlervertrages, weil dieser nur konsensual geändert werden dürfe. Mglw. berücksichtigte die Entscheidung zu wenig, dass die Kündigungsklausel in den HändlerAGB bei zweifelhafter Verständnismöglichkeit verwenderfeindlich gegen BMW auszulegen war.2895 Der EuGH (Vulcan Silkeborg,2896 BMW,2897 letztere zum Vorlageverfahren des BGH) sowie anschließend der BGH2898 entschieden dann, unter welchen Voraussetzungen eine Strukturkündigung zulässig ist: Der EuGH judizierte: Das Inkrafttreten der neuen Kfz-GVO 1400/02 führe nicht zur „Notwendigkeit“ einer Strukturkündigung mit verkürzter Frist, ebenso wenig eine möglicherweise infolge der novellierten GVO erforderliche Vertragsanpassung. Jedoch könne das Inkrafttreten nach dem spezifischen Aufbau des Vertriebsnetzes des einzelnen Lieferanten eine Strukturkündigung „notwendig“ machen, wobei der Lieferant für diese Voraussetzung beweispflichtig sei. Die nationalen Gerichte müssten prüfen, ob ausnahmsweise eine Umstrukturierung erforderlich sei.2899 Sie setze eine bedeutsame Änderung der Vertriebsstrukturen des betroffenen Lieferanten sowohl in finanzieller wie räumlicher Hinsicht voraus.2900 Die Notwen-

2890 BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WM 2009, 1990 Rn 24; krit. Emde BB 2009, 2330 ff. 2891 Die Zulässigkeit einer Strukturkündigung mit einjähriger Frist befürworten Wendel WRP 2002, 1401; Schumacher Recht des Kfz-Vertriebs in Europa, 2005, S. 102 f. Gegen die Zulässigkeit sprechen sich aus: Leitfaden zur GVO 1400/02, Frage 20; Nolte BB 2013, 1667 (1671); Niebling WRP 2010, 81 (82); Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618; Creutzig EuZW 2002, 560 (563); Emde GRUR 2006, 997 ff.; Emde EWiR 2001, 24; Emde VersR 2002, 162; Genzow KfzBetrieb 4/2001, 27 unter Hinweis auf LG München I – 11 HKO 15987/99; Niebling WRP 2005, 717; Nolte WRP 2005, 1129; Reckmann WuW 2003, 755 f. Für die Strukturkündigung Nissans verneint OLG Köln, Urt. v. 7.12.2007 – 19 U 60/07 (rechtskräftig; zust. Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 [619 ff.]) die Berechtigung zur Strukturkündigung. BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WRP 2009, 1121 = WM 2009, 1990 sowie OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.5.2008 – 11 U 39/07, BB 2008, 1417 = EWiR 2008, 497 (Emde), verneinen sie. 2892 Nach Ansicht von Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 sah die Kommission keine besonderen Umstellungsschwierigkeiten. 2893 Emde GRUR 2006, 997 ff. Zum Parallelproblem bei Ablauf der GVO 1400/02 Wendel BB 2008, 1292 (1303). Auch hier wird wohl nur eine Kündigung mit 2Jahresfrist in Betracht kommen. 2894 BGH, Beschl. v. 26.7.2005 – KZR 14/04, BB 2005, 2208 = ZIP 2005, 1936 (LS) = WuW 2005, 1141 (DE-R 1151) = WRP 2005, 1535 = NJW 2005, 3376 = EWiR 2006, 13 (Emde) = GRUR Int. 2006, 59. 2895 Eingehend Emde GRUR 2006, 997 ff. 2896 EuGH, Urt. v. 7.9.2006-C-125/05, Slg. 2006, I S. 7637 = RIW 2007, 60; EuGH, Urt. v. 30.11.2006 – C-376/05. 2897 GRUR Int. 2007, 232 mit zust. Anm. Ensthaler NJW 2007, 815. 2898 BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WRP 2009, 1121 = WM 2009, 1990. 2899 So auch BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WRP 2009, 1121 = WM 2009, 1990 Rn 21. 2900 Zust. Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618. Emde

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digkeit der Strukturkündigung könne auch mit Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt werden, die jedoch interne oder externe objektive Umstände voraussetzten, welche ohne eine schnelle Umstrukturierung – mit einjähriger Kündigungsfrist – in Anbetracht des Wettbewerbsumfeldes die bestehenden Strukturen des Vertriebsnetzes beeinträchtigen könne. Die subjektive Beurteilung des Herstellers reiche nicht aus, um die Notwendigkeit einer Umstrukturierung darzutun. Bei vorgesehener Änderung von Selektionskriterien verneinen Ensthaler/ Gesmann-Nuissl2901 die Berechtigung zur Strukturkündigung. Aber es wird auf den Einzelfall ankommen. Für das deutsche Recht wäre auch § 307 BGB zu berücksichtigen,2902 jedenfalls im Rahmen 393 einer AGB-Kontrolle. Die Strukturkündigung verkürzt die Kündigungsfrist nur zugunsten der Hersteller, was nicht nur § 307 BGB,2903 sondern auch § 89 Abs. 2 S. 1 widerspricht.2904 Auch große Händlerketten können Interesse an einer durch sie erklärten Strukturkündigung haben. Die meisten Strukturkündigungsklauseln dürften vor diesem Hintergrund unwirksam sein, worauf es allerdings auf Basis der alten BGH-Rechtsprechung2905 zur Strukturkündigung nicht ankam, unter den neuen Selbstverpflichtungskatalogen (AGB!) aber wieder ankommen könnte. Auf das europäische Leitbild der GVO können sich die Hersteller nun wohl nicht mehr berufen. Ohnehin gestattete die Alt-GVO 1400/02 zwar die Strukturkündigungsklausel, setzte aber nur einen Mindeststandard und disponierte nicht über das nach deutschem Recht bestehende Erfordernis, dem Händler die gleiche Kündigungsfrist zu gewähren. Beweispflichtig für die TB-Voraussetzungen der Strukturkündigung, die objektiv vor- 394 liegen müssen2906 und den Vollbeweis des § 286 ZPO erfordern,2907 ist der Kündigende,2908 und zwar auch wegen des Ausnahmecharakters der Strukturkündigung sowie der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB.2909 Das gilt auch bei der Kündigung eines Werkstattvertrages.2910 Zweifel gehen damit zu Lasten des Unternehmers.2911 Es soll jedoch eine fundierte Tatsachenfeststellungen voraussetzende2912 Prognose genügen, derzufolge die TB-Voraussetzungen plausibel zu antizipieren sind.2913 Der Hersteller soll deshalb nicht substantiiert darlegen und beweisen zu müssen, dass sich sein Entscheidungsspielraum so verengt hat, dass die binnen Jahresfrist zu 2901 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (623). 2902 Siehe bereits Emde EWiR 2005, 13; Emde BB 2005, 1121/1122; zur Strukturkündigung und der Beweislast nach der Kündigung auch Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2006, 2589 (2591). 2903 Vgl. etwa OLG Celle, Beschl. v. 9.6.2005 – 11 U 110/05, OLGR 2005, 650; Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (620); aA OLG Köln, Urt. v. 18.12.2008 – 19 U 33/08; OLG Saarbrücken, Urt. v. 15.9.2004 – 1 U 632/03-161, BeckRS 2005, 01443 (aber ohne Erörterung des § 89 Abs. 2 S. 1). 2904 Emde BB 2009, 2330; Emde EWiR 2008, 498; Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (620); aA OLG Frankfurt/ M., Urt. v. 13.5.2008 – 11 U 39/07, BB 2008, 1417 = EWiR 2008, 497 (Emde); OLG Köln, Urt. v. 18.12.2008 – 19 U 33/ 08. Danach bildet die GVO 1400/02 eine Spezialregelung. Aber bei ihr handelt es sich nur um eine VO der EUKommission, welche nach BGH v. 28.6.2005 – KZR 26/04, WRP 2006, 109 = EWiR 2006, 273 (Emde) zwischen den Parteien keine zivilrechtlichen Rechte und Pflichten erzeugt. Das OLG Saarbrücken, Urt. v. 15.9.2004 – 1 U 632/03161, BeckRS 2005 01443, verneint einen Verstoß der Strukturkündigungsklausel gegen § 307 BGB: Der Hersteller habe ein Interesse an einer schnellen Kündigungsmöglichkeit, sofern er umstrukturieren wolle. Das fehlende Recht des Händlers zur Anschlusskündigung führe nicht zur Unwirksamkeit. Mit der in § 89 enthaltenen Regel der Fristenparität setzte sich das OLG nicht auseinander. 2905 BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, WRP 2007, 1097 = RIW 2007, 614 = EWiR 2007, 547 (Emde). 2906 OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2005 – I-6 U 80/04, n. v. 2907 Emde BB 2009, 2330 (2333). 2908 BGH, Urt. v. 20.10.2010 – VIII ZR 13/09, WRP 2011, 244 Rn 14 m. abl. Anm Niebling; v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WM 2009, 1990 = WRP 2009, 1121, insb. Rn 30; OLG Köln, Urt. v. 7.12.2007 – 19 U 60/07; Emde EWiR 2008, 498; Emde BB 2009, 2330 (2333). 2909 Emde BB 2009, 2330 (2333). 2910 BGH, Urt. v. 20.10.2010 – VIII ZR 13/09, WRP 2011, 244 m. abl. Anm Niebling. 2911 BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WM 2009, 1990 = WRP 2009, 1121, krit. Emde BB 2009, 2330 (2333). 2912 Emde BB 2009, 2330 (2333). 2913 Emde BB 2009, 2330 (2333). 249

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realisierende Umstrukturierung aus objektiven Gründen die einzig gebotene Entscheidung war, um die Effizienz des Vertriebsnetzes zu erhalten und wirtschaftliche Nachteile abzuwenden.2914 Das berechtigte Interesse des Unternehmers, die Struktur seines Vertriebsnetzes möglichst schnell zu ändern, um den durch die Schwäche des Händlernetzes verursachten Markteinbußen alsbald entgegenzuwirken, soll ausreichen, um die Notwendigkeit der Umstrukturierung zu begründen und eine Strukturkündigung zu rechtfertigen.2915 Es soll nicht Sache der nationalen Gerichte sein, die wirtschaftlichen und geschäftlichen Überlegungen in Frage zu stellen, aufgrund derer ein Lieferant die Entscheidung zur Umstrukturierung getroffen hat.2916 Vielmehr soll es auch unter Berücksichtigung des Schutzzweckes der Vorschrift und ihres Ausnahmecharakters genügen, dass die Notwendigkeit auf plausible Weise gerechtfertigt werden kann mit Gründen der wirtschaftlichen Effizienz, die sich auf interne oder externe objektive Umstände des Unternehmens des Lieferanten stützen, welche ohne eine schnelle Umstrukturierung des Vertriebsnetzes in Anbetracht des Wettbewerbsumfeldes, in welchem der Lieferant agiert, die Effizienz der bestehenden Strukturen beeinträchtigen können.2917 Wirtschaftlich nachteilige Folgen, welche der Lieferant im Falle einer Kündigung mit 2jähriger Frist erleiden könnte, sind erheblich,2918 nach einer missverständlichen Passage des BGH sogar Abfindungs- und Ausgleichsansprüche2919 (weshalb sich die Strukturkündigung, die zu § 89b-Ansprüchen führt, selbst begründen würde2920). Die Beurteilung der negativen Folgen beruhe auf Prognosen, welche sich nach einer Umstrukturierung nicht mehr verifizieren ließen. Unerheblich sei daher, ob sich die Prognose bestätige.2921 Nachteile bräuchten daher nicht exakt beziffert zu werden; es genüge, dass im Fall der Fortführung des bisherigen Vertriebssystems über einen Zeitraum von einem weiteren Jahr voraussichtlich sinkende Marktanteile drohten.2922 Gerichte sind jedoch nicht auf eine bloße Willkürkontrolle beschränkt.2923 Die Notwendigkeit einer Umstrukturierung kann nicht der freien Beurteilung des Lieferanten unterliegen, sollen die Händler nicht jeden wirksamen gerichtlichen Schutz verlieren.2924 Eine als Strukturkündigung unwirksame Kündigung wird als solche mit Regelkündigungsfrist aufrechterhalten.2925 Kann der Unternehmer die erforderlichen Tatsachen nicht darlegen und beweisen, etwa weil er sich auf Geschäftsgeheimnisse berufen will,2926 muss er sich auf die Regelkündigungsfrist beschränken.2927 Die unberechtigte Strukturkündigung führt zur Schadensersatzpflicht.2928 Gem. Art. 3 Abs. 6 GVO 1400/02 musste ein Vertrag, um freigestellt zu sein, das Anrufen 395 eines unabhängigen Sachverständigen oder eines Schiedsrichters gestatten. Auch diese Regelung hat über die Selbstverpflichtungskataloge (Art. 1 ACEA-Code of Good Practice, Art. 3.4 CECRA-CoC) Eingang in die Händlerverträge erfahren. Unter der GVO 1400/02 war umstritten, ob das Verfahren zwingend vor Einreichung einer Klage vor ordentlichen Gerichten durchzufüh-

2914 BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WM 2009, 1990 = WRP 2009, 1121 = WM 2009, 1990 Rn 31; Ensthaler/ Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (620); krit. Emde BB 2009, 2330 (2333).

2915 BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WM 2009, 1990 Rn 31. 2916 BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WM 2009, 1990 Rn 27. 2917 BGH, Urt. v. 20.10.2010 – VIII ZR 13/09, WRP 2011, 244 Rn 14 m. abl. Anm Niebling; v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WRP 2009, 1121 = WM 2009, 1990, krit. Emde BB 2009, 2330 (2333). BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WM 2009, 1990 Rn 27. BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WM 2009, 1990 Rn 25; abl. deshalb Niebling WRP 2011, 248. Emde BB 2009, 2330 (2333). BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WM 2009, 1990 Rn 32. BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WM 2009, 1990 Rn 32. OLG Köln, Urt. v. 7.12.2007 – 19 U 60/07. BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, WM 2009, 1990 Rn 27. OLG Köln, Urt. v. 7.12.2007 – 19 U 60/07. Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (620). Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (620). Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (620).

2918 2919 2920 2921 2922 2923 2924 2925 2926 2927 2928 Emde

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ren war. Das war richtigerweise nicht der Fall.2929 Heute wird das Recht der Parteien, staatliche Gerichte anzurufen, in den Selbstverpflichtungskatalogen ausdrücklich geregelt. Es wird nicht vorausgesetzt, dass die Einschaltung des unabhängigen Sachverständigen, Schiedsrichters oder Gerichts vor dem Wirksamwerden der Kündigung erfolgen muss.2930

(5) Zu den einzelnen Regelungen der Kfz-GVO (a) Art. 1 Kfz-GVO. Art. 1 Kfz-GVO enthält Begriffsbestimmungen. Art. 1 lit. a, b gleichen den 396 entsprechenden Bestimmungen der GVO 330/10. Es wird auf die obige Kommentierung zur GVO 330/10 verwiesen. Gem. Art. 1 Abs. 1 lit. a Kfz-GVO ist eine vertikale Vereinbarung eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise, die zwischen 2 oder mehr Unternehmen besteht, von denen jedes für die Zwecke der Vereinbarung oder der abgestimmten Verhaltensweise auf einer anderen Ebene der Produktions- und Vertriebskette tätig ist,2931 und die die Bedingungen betrifft, zu denen die beteiligten Unternehmen Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen dürfen. Die Unternehmen dürfen aber keine Wettbewerber sein,2932 es sei denn, das Wettbewerbsverhältnis besteht nur auf der Einzelhandelsstufe (Art. 2 Abs. 4 lit. a, b GVO 330/10).2933 Der Betrieb eigener Werkstätten durch den Hersteller auf Einzelhandelsebene ist daher unschädlich.2934 Importeurverträge zwischen Kfz-Herstellern außerhalb der EU und Importeuren in der Gemeinschaft werden von der Kfz-GVO erfasst, ebenso B-Serviceverträge oder Serviceverträge mit untervertraglich beauftragten Werkstätten.2935 Leasingverträge zwischen Unternehmen hingegen fallen weder unter die allg. EU-Regeln für vertikale Vereinbarungen2936 noch in den Geltungsbereich der Kfz-GVO. Vereinbarungen zwischen Leasingunternehmen und privaten Fahrzeugführern fallen nicht unter Art. 101 AEUV. In lit. g wird der Begriff des Kfz definiert. Hierdurch wird der Anwendungsbereich der Kfz- 397 GVO von dem der GVO 330/10 abgegrenzt.2937 Die Kfz-GVO gilt ebenso wie die Vorgänger-GVO 1400/02 für Kfz, also für Fahrzeuge mit Selbstantrieb und mindestens 3 Rädern aller Art, die für den Verkehr auf öffentlichen Straßen bestimmt sind. Erfasst sind davon etwa Nutzfahrzeuge, Busse, Reisemobile, nicht jedoch Motorfahrzeuge, die nicht auf öffentlichen Straßen geführt werden,2938 also etwa Kfz, die nur gelegentlich öffentliche Straßen befahren (z. B. landwirtschaftliche Fahrzeuge, solche für Baustellen, Traktoren2939 und Erdbewegungsmaschinen2940), Fahrzeuge ohne Räder (z. B. Kettenfahrzeuge), Gebraucht-Kfz und Motorräder.2941 Abs. 2 entspricht Abs. 2 der GVO 330/10. Auch hier wird auf die obige Kommentierung ver- 398 wiesen.

2929 OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.7.1999 – 1 U 332–99-61, NJW-RR 1999, 1713; Wendel WRP 2002, 1395 (1403). 2930 EuGH, Urt. v. 18.1.2007 – C-421/05 – City Motors Groep NV/ Citroen Belux NV, EuZW 2007, 113 m. Anm. Wegner/Schroeder. Unterschiedliche Handelsstufen, s. Wegner BB 2010, 1803. Wegner BB 2010, 1803. Wegner BB 2010, 1803. Wegner BB 2010, 1803. Pfeffer NJW 2002, 2110 (2111) zur GVO 1400/02. LL zur GVO 330/10, Rn 26; FAQ zur GVO 461/10 vor Frage 7. Nolte BB 2013, 1667 (1668). Vogel in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Band 1, Europäisches Recht, GVO–Kfz Art. 1 Rn 25; Creutzig EG-Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) für den Kraftfahrzeugsektor, 2003, Rn 608 zur GVO 1400/ 02. 2939 Creutzig EG-Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) für den Kraftfahrzeugsektor, 2003, Rn 608; Buchner EG– Kartellrecht und Vertriebssysteme, insbesondere der Kfz-Vertrieb, München 2006, S. 193 zur GVO 1400/02. 2940 Creutzig EG Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) für den Kraftfahrzeugsektor, 2003, Rn 608 zur GVO 1400/ 02. 2941 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 684; Creutzig BB 2002, 2133 (2136); Wendel WRP 2002, 1395 (1404) zur GVO 1400/02.

2931 2932 2933 2934 2935 2936 2937 2938

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399 (b) Art. 2 Kfz-GVO. Dieser Artikel bestimmte als Schonfrist2942 die Fortgeltung der Alt-Kfz-GVO 1400/02 bis zum 31.5.2013 für den Neuwagenvertrieb – nicht aber den After-Sales-Vertrieb (dort gilt die Kfz-GVO 461/10 ab dem 1.6.2010, s. a. Tz 14 LL). Bis dahin sollte die Kfz-GVO nicht für Kfz-Vertriebsverträge gelten, welche die in der Alt-GVO 1400/02 festgelegten Freistellungsvoraussetzungen für den Bezug, Verkauf und Weiterverkauf neuer Fahrzeuge erfüllte (s. auch Tz 3, 10, 13 LL). Seit diesem Datum gilt für den Neuwagenvertrieb die GVO 330/102943 und damit auch der dort genannte doppelte Schwellenwert von 30 % Marktanteil.2944 Wegen des Überschreitens dieser Schwellenwerte im Kfz-Ersatzteilmarkt hat die Kfz-GVO mglw. einen geringen Anwendungsbereich (Tz. 39 LL),2945 anders als im Bereich des Kfz-Verkaufs, in dem die 30 %-Schwelle meist unterschritten wird.2946 Ferner finden die schwarzen und roten Klauseln der GVO 330/10 Anwendung. 400 Im Falle der Nichtanwendbarkeit der Kfz-GVO kann Art. 101 Abs. 3 AEUV relevant werden.2947 Eine Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV ist theoretisch denkbar,2948 oberhalb eines Marktanteils von 40 % jedoch schwierig.2949 Der Anwendungsbereich der GVO soll zudem eingeschränkt sein, weil unabhängige Akteure meist nach der de-minimis-Bekanntmachung nicht in den Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen.2950 Nach Ansicht von Böni2951 hätte sich daher die Erkenntnis aufdrängen können, dass eine produktspezifische GVO nicht am Leben gehalten werden müsse. Zur Marktanteilsabgrenzung im Kfz-Vertrieb vgl. Bendfeld Kfz-Betrieb Spezial November 401 2010, 43 ff. Beim Kfz-Vertrieb ist der sachlich relevante Markt von Hersteller und Händler2952 anhand der Stückzahlen verkaufter Kfz im räumlich relevanten Markt, meist einer Nation (z. B. Deutschland)2953 abzugrenzen. Etwa beim internationalen Großflottengeschäft (Speditionen, Autovermieter) kann aber auch das gesamte Gebiet des EWR räumlich maßgeblich sein.2954 Der Absatzwert gibt kein hinreichendes Abgrenzungsmerkmal, weil aus Käufersicht nur das einzelne Kfz substituiert wird. Für die Bestimmung des Marktanteils maßgeblich ist in erster Linie die offizielle Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes. Danach haben beispielsweise 2009 die Marken des VW-Konzerns (Audi, Seat, Skoda, VW) die 30 %-Grenze um 4,2 % überschritten. Sie können sich daher nicht auf die Freistellungswirkung der GVO berufen. Dies könnte auch für andere Hersteller gelten, wenn nicht nur nach Marken sondern nach Fahrzeugsegmenten abgegrenzt wird. Für eine solche Marktanteilsabgrenzung nach den Segmenten Kleinstwagen, Kleinwagen, Mittel-, obere Mittel-, Ober-, Luxusklasse, Sportwagen, Mehrzweckfahrzeuge, Geländewagen2955 und ggf. Fahrzeugen mit Elektro- und Gasantrieb2956 spricht die fehlende Substituierbarkeit aus Käufersicht. Denn der Käufer eines Oberklasse-Pkw wird seinen Kaufwunsch mglw. nur mit an2942 2943 2944 2945

Prasse BB 2010, 1481. Köhnen BB 2010, 781 (783). Nolte BB 2013, 1667 (1668); Böni WuW 2013, 479 (484); Köhnen BB 2010, 781 (783). LL zur Kfz-GVO Rn 39; Böni WuW 2013, 479 (485); Wegner BB 2010, 1803; Wegner BB 2010, 1867. Zu zulässigen Vertragsklauseln außerhalb des Anwendungsbereichs der GVO Wegner BB 2010, 1867 ff. 2946 Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1481). 2947 Böni WuW 2013, 479 (485). 2948 Nolte BB 2013, 1667 (1668). 2949 LL zur Kfz-GVO Rn 56 S. 1; Nolte BB 2013, 1667 (1668). 2950 Böni WuW 2013, 480 (486). 2951 Böni WuW 2013, 480 (488). 2952 Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1483). 2953 Nolte BB 2013, 1667 (1669); Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1482). 2954 Nolte BB 2013, 1667 (1669). 2955 Zu dieser Aufteilen der Kommission vgl. Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1482), die ebenso wie Nolte BB 2013, 1667 (1669) die Aufteilung aber auf die weniger differenzierten Segmente PKW, leichte und mittel/schwere Nutzfahrzeuge beschränken möchten. 2956 Vgl. Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1482), wobei diese Antriebsarten zumindest partiell mit konventionellen Antriebsarten substituierbar sein dürften. Emde

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deren Produkten der Oberklasse substituieren, nicht jedoch mit Produkten der Unterklasse.2957 Eine solche Feinaufteilung würde dazu führen, dass Hersteller insb. in der Oberklasse die 30 %Grenze überschreiten.2958 Grundsätzlich ist der Markt mit Pkw von weniger als 3,5 t ein einzelnes Marktsegment.2959 Innerhalb des Nutzfahrzeugmarktes könnte beispielsweise nach leichten (weniger als 5 t), mittelschweren (5–16 t) und schweren Nutzfahrzeuge (mehr als 16 t) abgegrenzt werden.2960 Für die Berechnung der Marktanteile im Bereich der Reparaturen und Wartung von Kfz 402 gilt: Abweichend vom sonstigen Bedarfsmarktkonzept2961 nimmt die Kommission im Rahmen der Kfz-GVO eine andere sachliche Marktabgrenzung vor, um zu prüfen, ob ein Vertragswerkstättenvertrag in den Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt. Sie stellt bei der Abgrenzung nicht auf die Marktsicht der Vertragswerkstatt im Markt und die Vergabe von Vertragswerkstättenverträgen ab, sondern auf die Sicht des Endkunden. Aus seiner Sicht wird eine Unterscheidung zwischen Werkstattleistungen für Kfz verschiedener Marken nötig. Schließlich käme für den Endkunden nur eine solche Werkstatt in Betracht, die Serviceleistungen an seinem konkreten Kfz durchführe. Sodann sei der Marktanteil des Herstellers auf diesem markenspezifischen Markt für Serviceleistungen zu betrachten, was regelmäßig zu einem Marktanteil von über 30 % führt.2962 Maßstab sind damit die Absatzwerte bzw. Service-Umsätze im Netz einer Marke innerhalb eines Kalenderjahres auf dem geographisch und sachlich relevanten Markt. Im Gegensatz zum Vertrieb von neuen Kfz werden im Service die Marktanteile verschiedener Marken, auch die untereinander verbundener Unternehmen, als separate Märkte begriffen.2963 Die Bestimmung des Marktanteiles für jede einzelne Marke erfolgt daher separat (markenspezifisch).2964 Nach einer Ansicht ist der Markt für Garantieleistungen nicht bei der Bestimmung des Marktanteils einzubeziehen,2965 da er nicht vom Endkunden, sondern vom Hersteller nachgefragt werde und die Garantieleistungen bereits beim Neuwagenverkauf bezahlt2966 wurden. Sofern ein überwiegender Teil der Käufer die Ersatzteil- und Servicekosten über die Lebenszeit des Fahrzeugs hinweg bei der Kaufentscheidung einbezögen, solle es sich um einen Systemmarkt mit eigener Marktabgrenzung handeln (Tz 57 LL), etwa bei Flottenkunden.2967 Wegner2968 will diesen Grundsatz auch auf Privatkunden anwenden. Die Ansicht, derzufolge der Markt für Garantieleistungen nicht in die Marktanteilsbestimmung einzubeziehen ist, dürfte abzulehnen sein.2969 Nur weil der Hersteller die Vornahme von Gewährleistungs- und Garantiearbeiten durch Mitglieder seines Vertriebsnetzes vorschreibt, können diese Leistungen nicht von der Marktanteilsberechnung ausgenommen werden. Sonst hätte es der Hersteller in der Hand, durch bilaterale Vereinbarungen zwischen sich und den Mitgliedern seines Vertriebsnetzes den maßgeblichen Marktanteil herab zu setzen. Auch dass der Hersteller diese Arbeiten bezahlt, führt zu keiner anderen Beurteilung.2970 Die Marktstärke wird nicht weniger gewichtig, weil der Hersteller die Leistungen entlohnt.2971 2957 2958 2959 2960 2961

Kritisch Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1482). Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1482). Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1482). LL zur Kfz-GVO 1400/02, S. 77; Wegner/Oberhammer BB 2011, 1480 (1482). BGH, Beschl. v. 26.1.2016 – KVR 11/15, NZKart 2016, 280 Rn 30; kritisch zu dieser Abweichung Wegner/Oberhammer WuW 2012, 366 (368 ff.). 2962 LL-Kfz-GVO, 15, 39 57; vgl. Wegner/Oberhammer WuW 2012, 366 (368). 2963 LL zur Kfz-GVO Rn 57; Wegner BB 2010, 1803 (1804); Wegner/Oberhammer WuW 2012, 366 (368). 2964 Böni WuW 2013, 479 (485). 2965 Wegner BB 2010, 1803 (1805). 2966 Wegner/Oberhammer WuW 2012, 366 (369). 2967 Wegner BB 2010, 1803 (1805). 2968 Wegner BB 2010, 1803 (1804 f.). 2969 Ensthaler/Gesmann–Nuissl BB 2006, 2589 (2595 f.). 2970 Ensthaler/Gesmann–Nuissl BB 2006, 2589 (2596 f.). 2971 Ensthaler/Gesmann–Nuissl BB 2006, 2589 (2596 f.). 253

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403 (c) Art. 3 Kfz-GVO. Gem. Art. 3 Kfz-GVO gilt die Schirm-GVO 330/10 ab dem 1.6.2013 für Vertriebsverträge über den Bezug, Verkauf oder Weiterverkauf neuer Kfz. Es handelt sich um eine „Hin- und Herverweisung“ von Art. 2 Abs. 5 Schirm-GVO 330/10 auf die Kfz-GVO.

404 (d) Art. 4 Kfz-GVO. Art. 4 Kfz-GVO enthält ähnlich dem Art. 2 Abs. 1 GVO 330/10 eine Generalfreistellung für Vertriebs- und Kundendienstverträge im After-Sales-Bereich. In Ausführung des Art. 101 Abs. 3 AEUV gilt das Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht für Vertriebsverträge, welche die Bedingungen regeln, unter denen die beteiligten Unternehmen Kfz-Ersatzteile beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen oder Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Kfz erbringen dürfen, und die die Freistellungsvoraussetzungen der GVO 330/10 (einschließlich der 30 %-Schwellenwerte2972) erfüllen sowie keine der in Art. 4, 5 Kfz-GVO aufgeführten Beschränkungen enthalten (Tz 17 LL). Bei Ersatzteilen ist der Geltungsbereich der Kfz-GVO nach Art. 4 i. V. m. der Definition des 405 Begriffs „Ersatzteile“ in 1 Abs. 1 lit. h Kfz-GVO nur eröffnet, wenn mit ausreichender Sicherheit feststeht, dass das Bauteil für den Einbau in oder an einem Kfz bestimmt ist. Dies gilt jetzt auch bei Schmieröllieferungen, wohl auch an Tankstellen. Abzustellen ist darauf, ob die Teile notwendig für die Nutzung des Kfz sind. Bei nachträglich montierten Zubehörteilen wie z. B. Navigationssystemen, Musikanlagen, Mobilfunkgeräten etc. ist dies in der Regel nicht der Fall, es sei denn, sie sind werksseitig montiert.2973 Die Einschränkung des Neuwagenverkaufs gegenüber zugelassenen Werkstätten soll durch Art. 4 Kfz-GVO nicht freigestellt sein.2974 Daraus folge, dass nur Regelungen des Vertrages freigestellt sind, die sich auf den Bezug und Verkauf von Servicedienstleistungen und Ersatzteilen beziehen, nicht jedoch ein Verkaufsverbot.2975 Auch eine Einzelfreistellung scheide regelmäßig aus.2976 Die Freistellung greift nur ein, soweit die Vereinbarung vertikale Beschränkungen enthält. 406 Die Freistellung muss sich also auf die vertikale Beschränkung selbst beziehen; sie erfasst keine mit dem Vertriebsvertrag nicht im Zusammenhang stehenden Abreden (vgl. zum Parallelproblem bei der GVO 330/10 Rn 300).

407 (e) Art. 5 Kfz-GVO. Art. 5 Kfz-GVO enthält Kernbeschränkungen, ebenso wie Art. 4 GVO 330/ 10. Liegt ein Verstoß gegen eine Kernbeschränkung vor, so ist die Vertikalvereinbarung insgesamt nicht freigestellt (Argument aus dem Wortlaut: „Die Freistellung gilt nicht für vertikale Vereinbarungen …“, sie gilt also insgesamt nicht). Es wird vermutet, dass sie unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt und die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV wahrscheinlich nicht erfüllt (Tz. 17 LL). Gem. Art. 5 Kfz-GVO gilt die Freistellung des Art. 4 Kfz-GVO nicht für Vertikalvereinbarun408 gen, die unmittelbar oder mittelbar, für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen unter der Kontrolle der beteiligten Unternehmen Folgendes bezwecken: (1) Beschränkungen des Verkaufs von Kfz-Ersatzteilen durch Mitglieder eines selektiven Ver409 triebssystems an unabhängige Werkstätten, welche diese Teile für die Instandsetzung und Wartung eines Kfz verwenden; (2) die zwischen einem Anbieter von Ersatzteilen, Instandsetzungsgeräten, Diagnose- und 410 Ausrüstungsgegenständen und einem Kfz-Hersteller vereinbarte Beschränkung der Möglichkeiten des Anbieters, diese Waren an zugelassene oder unabhängige Händler, zugelassene oder unabhängige Werkstätten oder Endverbraucher zu verkaufen; 2972 2973 2974 2975 2976 Emde

Wegner BB 2010, 1803. Vogels/Giesler/Köhnen1 § 3 Rn 661. Spix ZVertriebsR 2015, 283 (285). Spix ZVertriebsR 2015, 283 (285). Spix ZVertriebsR 2015, 283 (287). 254

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(3) die zwischen einem Kfz-Hersteller, der Bauteile für die Erstmontage von Kfz verwendet, 411 und dem Anbieter dieser Bauteile vereinbarte Beschränkung der Möglichkeiten des Anbieters, seine Waren- oder Firmenzeichen auf diesen Teilen oder Ersatzteilen effektiv und gut sichtbar anzubringen.

(1) Zu (1). Diese Kernbeschränkung hat nach Ansicht von Wegner2977 mglw. nur klarstellende 412 Bedeutung, da die Werkstätten, welche die Teile einbauten, Endverbraucher i. S. d. Art. 4 lit. c GVO 330/10 sein könnten. Sobald es für unabhängige Werkstätten schwierig ist, Originalteile über zugelassene Händ- 413 ler zu beziehen, ist ein Kfz-Hersteller zur Belieferung der Werkstätten verpflichtet2978 (vgl. zum Kontrahierungsanspruch im Ersatzteilbereich Rn 514). Zugelassene Werkstätten dürfen die Lieferung von Originalteilen an unabhängige Werkstätten verweigern, da sie keine marktbeherrschende Stellung besitzen.2979 Dieses Verhalten wird jedoch kartellrechtswidrig, wenn Mitglieder eines Selektivvertriebssystems übereinkommen, keine Originalteile an unabhängige Werkstätten zu verkaufen.2980 Schon Art. 102 AEUV widerspricht es, wenn ein Kfz-Hersteller die Gewährung von Prämien oder Rabatten für Originalteile an die Bedingung knüpft, dass die Werkstätten von ihm auch Ersatzteile für Fahrzeuge anderer Hersteller beziehen.2981 Wettbewerbswidrig wäre auch ein Zusammenwirken von Kfz-Anbietern und zugelassenen Werkstätten dergestalt, dass die zugelassenen Händler die Originalteile nicht an unabhängige Werkstätten liefern und sich zugleich der Kfz-Anbieter weigert, dies zu tun.2982 Ebenso wenig darf ein Kfz-Anbieter die Mitglieder seines zugelassenen Vertriebsnetzes da- 414 ran hindern, Ersatzteile an unabhängige Werkstätten zu verkaufen, die unabhängige Ersatzteilhändler als Vermittler nutzen.2983 Prämien und Rabattsysteme als bloß wettbewerbsförderndes Mittel sind erlaubt, obwohl 415 durch sie Werkstätten zu vermehrten Verkäufen von Ersatzteilen einer bestimmten Marke angereizt werden.2984 In Rn 69 der Ergänzenden Leitlinien wurde der allgemeine Grundsatz formuliert, dass Vereinbarungen über den rein qualitativen Selektivvertrieb nur dann unter eine Ausnahmeregelung nach dem EU-Wettbewerbsrecht fallen, wenn die Gewährleistung des Herstellers nicht davon abhängig ist, dass der Endverbraucher andere als die unter die Gewährleistung fallenden Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten nur innerhalb des Netzes zugelassener Werkstätten ausführen lässt. Gleichermaßen darf in den Gewährleistungsauflagen nicht verlangt werden, dass bei nicht unter die Gewährleistung fallenden Austauschmaßnahmen nur Ersatzteile mit Markenzeichen des Herstellers verwendet werden dürfen. Diese beiden Arten von Beschränkungen führen aller Wahrscheinlichkeit nach dazu, dass eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Fahrzeughersteller und seinen zugelassenen Händlern oder Werkstätten gegen EU-Wettbewerbsrecht verstößt. Diesem allgemeinen Grundsatz liegt die Argumentation zugrunde, dass ein solches Verhalten zu einem Ausschluss unabhängiger Werkstätten oder zur 2977 Wegner BB 2010, 1803 (1807). 2978 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 11. 2979 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 10 mit Fn. 17; Frenz WRP 2013, 163 (165).

2980 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 10 mit Fn. 18; Frenz WRP 2013, 163 (165).

2981 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 8; Frenz WRP 2013, 163 (165).

2982 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 11; Frenz WRP 2013, 163 (165).

2983 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 12; Frenz WRP 2013, 163 (165).

2984 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 8; Frenz WRP 2013, 163 (165). 255

Emde

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Ausschaltung alternativer Kanäle für die Herstellung und den Vertrieb von Ersatzteilen führen könnte. Dies wiederum könnte sich auf den Preis auswirken, den die Verbraucher für Instandsetzungs- und Wartungsdienste zahlen müssen.2985 Ein solcher Ausschluss darf auch nicht durch einen Dritten, etwa eine Versicherung, erfolgen.2986 Anders könnte mglw. entschieden werden, wenn eine erweiterte Gewährleistung Jahre nach dem Kauf erfolgt. Denn hier haben die Händler keinen privilegierten Zugang zum Kunden wie beim oder kurz nach dem Kauf.2987 Das „5-Sterne-Premium-Paket“ eines Kfz-Herstellers, welches für Käufer neuer Fahrzeuge den gleichzeitigen Abschluss eines Vertrages über kostenlose Kundendienstleistungen bis zu einer bestimmten Zeit– und/oder Kilometergrenze beinhaltet, soll zulässig sein, wenn die Begrenzung auf vier Jahre und 50.000 km lautet.2988 Auch beim Leasing ist ein Ausschluss des Kundendienstes durch Anreize zum Besuch zugelassener Werkstätten des Herstellers unzulässig, es sei denn, der Hersteller bleibt Leasinggeber.2989 Dieses Eigentümerinteresse besteht allerdings nicht mehr, wenn eine Übertragung des Eigentums auf den Leasingnehmer fest absehbar ist.2990 Ein Kfz-Anbieter darf seine zugelassenen Werkstätten verpflichten, die Ersatzteile anderer 416 Marken getrennt von den Ersatzteilen seiner eigenen Marke zu lagern, solange es den Werkstätten dadurch nicht übermäßig erschwert wird, Ersatzteile anderer Marken zu lagern.2991 Auflagen dieser Art dürfen nicht in unangemessener Weise die Lagerbestandskontrolle erschweren, mehr Lagerraum erforderlich machen oder den Zugang derart erschweren, dass Werkstätten davon abgebracht werden, Ersatzteile anderer Marken zu führen. Möglicherweise nicht gerechtfertigt wäre es, wenn ein Kfz-Anbieter Werkstätten verpflichtet, für Ersatzteile anderer Marken ein getrenntes Lager vorzusehen und diese nicht an den Werksplätzen zu lagern.2992

417 (2) Zu (2). Die Kernbeschränkung des Art. 5 lit. b. Kfz-GVO hat mit der „Essential-FacilitiesTheorie“ Verbindung.2993 Denn ohne Zugang zu den markenspezifischen Instandsetzungswerkzeugen können unabhängige Werkstätten keine Instandsetzung vornehmen. Über die Reichweite des Art. 4 lit. e GVO 330/10 hinaus erfasst Art. 5 lit. b Kfz-GVO als Kernbeschränkung auch einschränkende Vorgaben, die ein Kfz-Hersteller Ersatzteilherstellern hinsichtlich der direkten Belieferung von autorisierten Werkstätten macht.2994 Teilweise wird dies als nicht zu rechtfertigende Diskriminierung angesehen.2995 Lit. b. ist gegenüber Art. 4 lit. e. GVO 330/10 auch insofern strenger, als nach der GVO 330/10 zwar ebenfalls Verkäufe an den unabhängigen Ersatzteilmarkt und Endverbraucher nicht untersagt werden dürfen. Wohl aber darf der Hersteller sich vorbehalten, die Mitglieder seines zugelassenen Händler-/Werkstattnetzes selber zu beliefern.2996 Soweit die Kernbeschränkung in lit. b. Waren umfasst, welche nicht Regelungsgegen2985 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Seite 2; Frenz WRP 2013, 163 (164). 2986 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 3; Frenz WRP 2013, 163 (164). 2987 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 4; Frenz WRP 2013, 163 (164). 2988 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.9.2006 – VI-U (Kart) 15/06, WuW 2007, 161 = DE-R 1865. 2989 Denn als Eigentümer darf er über sein Eigentum verfügen; s. häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EUKartellrechts im Kfz-Sektor vom 27.8.2012, Frage 7; Frenz WRP 2013, 163 (165). 2990 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 7; Frenz WRP 2013, 163 (165). 2991 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 9; Frenz WRP 2013, 163 (165/166). 2992 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 9. 2993 Frenz WRP 2013, 163 (166). 2994 Böni WuW 2013, 480 (486). 2995 Böni WuW 2013, 480 (486). 2996 Wegner BB 2010, 1803 (1807). Emde

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stand der Kfz-GVO sind, nämlich Vereinbarungen über Diagnose-/Ausrüstungsgegenstände oder Instandsetzungsgeräte, überschreitet die Kfz-GVO nach Ansicht von Wegner2997 ihren Regelungsbereich, weswegen die Kernbeschränkung leer laufen soll.

(3) Zu (3). Die Beschränkung nach lit. c ist erforderlich, damit die Kompatibilität der Teile leich- 418 ter erkennbar wird (Tz 24 LL). Sie soll es Werkstätten und Endverbrauchern erleichtern, Ersatzteile aus alternativen Quellen – nämlich direkt vom Zulieferer der Originalteile auf dem Erstausrüstermarkt – zu beziehen, indem jene durch das aufgebrachte Markenzeichen den Hersteller des Zulieferteils identifizieren können.2998 (4) Zugang zu technischen Informationen. Gem. Rn 63 LL zur Kfz-GVO darf der Kfz-Liefe- 419 rant unabhängigen Marktbeteiligten den Zugang zu den für die Instandsetzung oder Wartung seiner Kfz oder für Umweltschutzmaßnahmen erforderlichen technischen Informationen, Diagnose- oder anderen Geräten und Werkzeugen neben einschlägiger Software oder die fachliche Unterweisung nicht verweigern. Auch die häufig gestellten Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor behandeln den Zugang zu diesen technischen Informationen ausführlich. Grund der Verpflichtung ist die insoweit bestehende Quasi-Monopolstellung der Hersteller.2999 Die Verpflichtung entspricht einer Kernbeschränkung.3000 Die Verpflichtung braucht jedoch nicht im Werkstattvertrag begründet oder erläutert zu werden.3001 Den unabhängigen Marktbeteiligten ist der Zugang unverzüglich in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form zu gewähren und die Angaben müssen verwendungsfähig sein. Zu den unabhängigen Marktbeteiligten zählen unabhängige Werkstätten, Teilehändler, Hersteller von Werkstattausrüstungen oder -werkzeugen, Herausgeber von technischen Informationen, Automobilclubs, Pannenhilfsdienste, Anbieter von Inspektions- und Prüfungsdienstleistungen, Einrichtungen für die Aus- und Weiterbildung von Werkstattmitarbeitern sowie unabhängige Ersatzteilhersteller.3002 Der Zugang muss unter anderem die uneingeschränkte Nutzung der geistigen Eigentumsrechte, des know-how, der elektronischen Kontroll- und Diagnosesysteme eines Kfz, deren Programmierung gemäß den Standardverfahren des Lieferanten, die Instandsetzung- und Wartungsanleitung, die Wartungsgeschichte des Fahrzeugs3003 und die für die Nutzung von Diagnose- und Wartungsgeräten sowie sonstige Ausrüstung erforderlichen Informationen einschließen (Ausnahme: Diebstahlssysteme, Informationen zur Manipulation an Tempomaten und Tachometern).3004 Herausgegeben werden brauchen aber nur die technischen, nicht aber die kommerziellen Informationen. Zu letzteren gehören z. B. Werkstattstundensätze oder Abrechnungssoftware, welche zwar zur Ausführung von derartigen Arbeiten genutzt werden kann, aber hierfür nicht erforderlich ist.3005 Unzulässig ist es, wenn der Hersteller die Übermittlung von Informationen oder allgemein den Zugang zu seinem Werkstattnetz davon abhängig macht, dass der Interessent nicht für die Reparatur von Fahrzeugen der Marke eines Wettbewerbers

2997 Wegner BB 2010, 1803 (1807). 2998 Wegner BB 2010, 1803 (1807). 2999 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 15; Frenz WRP 2013, 163 (166). Wegner BB 2010, 1867 (1870). AA Niebling WRP 2011, 1269 (1271). Wegner BB 2010, 1867 (1870). Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 17; Frenz WRP 2013, 163 (166). 3004 Ensthaler WuW 2002, 1042 (1050); Wendel WRP 2002, 1395 (1410 ff.). 3005 Rn 65 LL Kfz-GVO; Wegner BB 2010, 1867 (1870).

3000 3001 3002 3003

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zugelassen ist3006 oder die Werkstatt eine bestimmte Menge an Ersatzteilen oder Werkzeugen der Marke des Kfz-Herstellers abnimmt.3007 Der Kfz-Hersteller darf von der Werkstatt eine Schulung verlangen, sofern jene für Arbeiten an dem betreffenden System erforderlich ist und nicht lediglich für einen allgemein fachgerechten Umgang mit der Technik als solcher, etwa bei der Schulung zu Kunstoff-Karosserietechnik.3008 Zum Schutz vor Missbrauch darf eine Überprüfung des Vorstrafenregisters verlangt werden.3009 Da die Informationen „diskriminierungsfrei“ erteilt werden müssen, wird daraus geschlossen, dass sie den unabhängigen Werkstätten zu den gleichen Preisen erteilt werden müssten, wie etwa Vertragshändlern und Vertragswerkstätten.3010 Das halte ich für diskussionswürdig, da die den Vertragshändlern und -werkstätten auferlegten Verpflichtungen zur Erfüllung der Selektionskriterien – je nach Sachverhaltsgestaltung – einen hinreichenden Grund zur Ungleichbehandlung geben können und die Treupflichten des Unternehmers gegenüber ihren Vertragshändlern und -werkstätten fordern könnten, von ihnen ein geringeres Entgelt zu verlangen. Der BGH3011 hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 unabhängigen Marktteilnehmern zu gewährenden Informationen nicht nur per Lesezugriff sondern auch in elektronisch weiterzuverarbeitender Form bereitgestellt werden müssen. Der BGH äußert hieran im Einklang mit dem OLG Frankfurt/M3012 Zweifel.

420 (f) Art. 6 Kfz-GVO. Nach dieser Bestimmung kann die Kommission durch VO erklären, dass in Fällen, in denen mehr als 50 % des relevanten Marktes durch parallele Netze gleichartiger vertikaler Beschränkung abgedeckt werden, die Kfz-GVO auf vertikale Vereinbarungen, welche bestimmte Beschränkungen des Wettbewerbs auf diesem Markt enthalten, keine Anwendung findet.

421 (g) Art. 7 Kfz-GVO. Bis zum 31.5.2021 wird die Kommission die Anwendung der Kfz-GVO überwachen und einen Bericht erstellen.

422 (h) Art. 8 Kfz-GVO. Die Kfz-GVO tritt am 1.6.2010 in Kraft und gilt bis zum 31.5.2023.3013 Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat.

423 cc) Alt Kfz-GVO 1400/02. Zur Alt-Kfz-GVO 1400/02 siehe Emde Vertriebsrecht, 2. Aufl., Vor § 84 Rn 168 ff. sowie Staub/Emde 5. Aufl., Vor § 84 Rn 152 ff. Die aus der GVO 1400/02 übernommenen Händlerschutzbestimmungen werden unter Rn 388 besprochen.

3006 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 18; Frenz WRP 2013, 163 (167).

3007 S. häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 16; Frenz WRP 2013, 163 (166). 3008 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 15; Frenz WRP 2013, 163 (166). 3009 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012, Frage 15; Frenz WRP 2013, 163 (166). 3010 S. etwa Frage 89 des Leitfadens zur GVO 1400/02. 3011 BGH, Beschl. v. 21.6.2018 – I ZR 40/17, MDR 2018, 1200. 3012 OLG Frankfurt, Urt. v. 23.2.2017 – 6 U 37/16, WRP 2017, 1501; aA LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.1.2016 – 2-03 O 505/13, ZD 2016, 331. 3013 Zu Änderungsbedarf Wolf-Posch NZKart 2019, 209. Emde

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dd) GVO 1217/10. Vertriebsvereinbarungen können auch nach der GVO 1217/103014 über For- 424 schung und Entwicklung freigestellt sein.3015 Die Systematik dieser hier nicht näher besprochenen GVO folgt dem Muster der anderen GVOs. Art. 3 der GVO regelt als wesentliche Voraussetzung der Freistellung einige Grundanforderungen, Art. 4 der GVO deren zeitliche Begrenzung. Die Parteien können das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit durch einen echten gemeinsamen Vertrieb des Vertragsproduktes gem. Art. 3 Abs. 5, Art. 5 lit. b ii, Art. 5 lit. c GVO 1217/10 verwerten. Ein echter gemeinsamer Vertrieb liegt vor, wenn die Parteien ein Gemeinschaftsunternehmen oder einen Dritten mit dem Vertrieb betrauen oder den Vertrieb in die Hände einer gemeinsamen Abteilung legen.3016 Art. 5 GVO 1217/10 definiert Kernbeschränkungen. Ebenso wenig wie nach der GVO 330/10 darf der passive Verkauf beschränkt werden. Der aktive Verkauf darf lediglich in Gebieten und gegenüber Kunden beschränkt werden, die einer der Parteien im Wege der Spezialisierung zur Verwertung ausschließlich zugewiesen wurden.3017 Die Festsetzung von Preisen bildet nach Art. 5 lit. c GVO 1217/10 eine verbotene Kernbeschränkung.3018 Ausgenommen hiervon sind die Festsetzung des Preises für direkte Abnehmer sowie die der Lizenzgebühren für direkte Lizenznehmer, wenn die gemeinsame Verwertung der Ergebnisse den gemeinsamen Vertrieb der Vertragsprodukte oder die gemeinsame Erteilung von Lizenzen für die Vertragstechnologie umfasst.

2. Deutsches Kartellrecht Schrifttum Billing/Lettl Franchising und § 20 GWB, WRP 2012, 773.

a) Einleitung. Gem. § 130 Abs. 2 GWB findet das GWB nur Anwendung auf Wettbewerbsbe- 425 schränkungen, die sich im Geltungsbereich des GWB auswirken, selbst wenn sie außerhalb seines Geltungsbereiches veranlasst werden. Auf wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen mit rein innerstaatlicher Wirkung findet lediglich deutsches Kartellrecht Anwendung. Dazu müsste die Verhaltensweise (nur) im Inland eine spürbare Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken.3019 Auch mittelbare Auswirkungen genügen.3020 Bei Vertragsschluss zwischen zwei ausländischen Vertriebspartnern müsste die abgestimmte Verhaltensweise den inländischen Markt regeln,3021 was nicht der Fall ist, wenn das Vertriebsgebiet nicht im Inland liegt. Zum 1.7.2005 trat die 7. GWB-Novelle in Kraft. Sie führte zu einem grundsätzlichen System- 426 wandel.3022 Im Kartellverbot des § 1 GWB wurden die Worte „miteinander im Wettbewerb stehenden“ gestrichen. Vom Kartellverbot erfasst sind seither nicht mehr nur horizontale, sondern auch – zuvor von §§ 14–18 a. F. GWB (dazu 2. Aufl, Vor § 84 Rn 257) geregelte – vertikale Verein-

3014 GVO (EU) Nr. 1217/10 der Kommission v. 14.12.2010 über die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung, ABl. L 335 vom 18.12.2010, S. 36 ff. Dazu Schubert NZKart 2013, 278 ff. Siehe Schubert NZKart 2013, 278 (281). Siehe Schubert NZKart 2013, 278 (282). Siehe Schubert NZKart 2013, 278 (283). Stockmann in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, GWB, § 130 Rn 51. Stockmann in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, GWB, § 130 Rn 51. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Stockmann Kartellrecht, GWB, § 130 Rn 52. Giesler/Jacobsen2 § 2 Rn 1165; Kirchhain WuW 2008, 167.

3015 3016 3017 3018 3019 3020 3021 3022 259

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barungen,3023 die jetzt unter die Generalklausel des § 1 GWB fallen.3024 Nach der Gleichstellung vertikaler und horizontaler Vereinbarungen durch die 7. GWB-Novelle ist auch bei vertikalen Verträgen, also auch bei Vertriebsverträgen, erforderlich, dass der Vertragszweck die Notwendigkeit der wettbewerbsbeschränkenden Auslegung geboten sein lässt. Ein anzuerkennendes Interesse statt einer solchen Notwendigkeit reicht nicht mehr aus.3025 Die bisherige Rechtsprechung hierzu ist also unmaßgeblich. 427 § 1 GWB hat seit der 7. GWB-Novelle den gleichen Regelungsgehalt wie Art. 101 Abs. 1 AEUV.3026 § 2 Abs. 1 GWB enthält eine als Generalklausel formulierte Ausnahme vom Kartellverbot, die insb. eingreifen kann, wenn außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 101 AEUV auf die Vereinbarung eine EU-GVO unanwendbar ist oder deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind. § 2 Abs. 1 GWB übernimmt die Freistellungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV. Das Vorliegen der in § 2 Abs. 1 GWB genannten vier Voraussetzungen wird vermutet, wenn eine EUGVO auf die Vereinbarung anwendbar ist und deren TB erfüllt ist. Im Vertriebsrecht sind insoweit die Schirm-Vertriebs-GVO 330/10 und die Kfz-GVO 461/10 relevant.3027 Klarstellend überträgt Art. 2 Abs. 2 GWB den Regelungsgehalt der GVO in Form einer dynamischen Verweisung in das deutsche Recht.3028 An dieser Verweisung wird wegen Art. 80 Abs. 1 GG Kritik geäußert.3029 Bei fehlender Freistellung durch eine GVO mangelt es an einer offensichtlichen Freistellungsfähigkeit, die aber keine Indizwirkung für eine individuelle Prüfung der Freistellungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 GWB aufweist.3030 Neben § 1 GWB kann § 138 BGB anwendbar sein.3031 Eingegliederte, „echte“ HV3032 (oben, Rn 252) und Kommissionsagenten3033 sind wie bei Art. 101 AEUV von den Beschränkungen des § 1 GWB befreit. Ob solche Verträge in den Anwendungsbereich des § 1 GWB fallen, bestimmt sich also auch unter § 1 GWB danach, ob es sich um sog. „echte HV“ mit nur geringem eigenem finanziellem und geschäftlichem Risiko handelt (keine Anwendung) oder ob der HV bzw. Kommissionär hinsichtlich der zu tätigenden Investitionen des Absatzes der Waren ein eigenes Risiko trägt.3034 Der Unternehmer darf seinem eingegliederten HV z. B. Weisungen3035 und ihm im Rahmen des § 90a Wettbewerbsverbote3036 auferlegen. Im Ergebnis hat das deutsche Kartellrecht damit gegenüber Art. 101 AEUV keinen eigenständigen Regelungsgehalt mehr. Die Rspr. zum europäischen und deutschen Kartellrecht sollte sich weitgehend entsprechen, was zu begrüßen ist.

3023 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.9.2014 – 11 U 46/13 (Kart), ZVertriebsR 2015, 264 = WuW DE-R 4749 = WuW 2015, 907 m. Anm. Stein ZVertriebsR 2015, 372 und Anm. Ostendorf GWR 2015, 255; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (416); RegE zur 7. GWB-Novelle BT-Drucks. 15/3640, S. 23 ff.; LG München I, Urt. v. 21.3.2006 – 33 O 24781/04, WuW 2006, 626 (628) – DE-R 1708, 1710; Karl/Reichelt DB 2005, 1436 (1437); Kahlenberg/Haellmigk BB 2005, 1509; Thomas WuW 2010, 177 (178); Stancke VersR 2009, 1168 (1169) zum Versicherungsvertrieb. 3024 Hopt § 86 Rn 34, 36. 3025 BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751 = WuW/E DE-R 2554. 3026 Giesler/Jacobsen2 § 2 Rn 1166. 3027 Siehe Kahlenberg/Haellmigk BB 2005, 1509 (1510). 3028 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 771. 3029 Giesler/Jacobsen1 § 2 Rn 1160. 3030 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 775. 3031 BGH, Urt. v. 10.12.2008, WuW DE-R 2554; Thomas WuW 2010, 177 ff. 3032 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.9.2014 – 11 U 46/13 (Kart), ZVertriebsR 2015, 264 = WuW DE-R 4749 (4752) = WuW 2015, 907 (910) m. Anm. Stein ZVertriebsR 2015, 372 und Anm. Ostendorf GWR 2015, 255. 3033 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.9.2014 – 11 U 46/13 (Kart), ZVertriebsR 2015, 264 = WuW DE-R 4749 (4752) = WuW 2015, 907 (910) m. Anm. Stein ZVertriebsR 2015, 372 und Anm. Ostendorf GWR 2015, 255. 3034 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.9.2014 – 11 U 46/13 (Kart), ZVertriebsR 2015, 264 = WuW DE-R 4749 (4751) = WuW 2015, 907 (909) m. Anm. Stein ZVertriebsR 2015, 372 und Anm. Ostendorf GWR 2015, 255. 3035 Hopt § 86 Rn 35. 3036 Hopt § 86 Rn 37. Emde

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Auch das deutsche Kartellrecht unterliegt daher dem System der Legalausnahme.3037 Ge- 428 biets- und Kundenbeschränkungen waren nach deutschem Kartellrecht vor der 7. GWB-Novelle zulässig. Jetzt stellen sie Verstöße gemäß § 1 GWB dar (Art. 4 lit. b GVO 330/10).3038 Ob der Freistellungsausschluss für Gebiets- und Kundenbeschränkungen im deutschen Kartellrecht sachgerecht ist, wird bezweifelt.3039 Das deutsche Kartellrecht habe nicht die Funktion, den europäischen Binnenmarkt zu unterstützen; die Ausschaltung des Wettbewerbs sei in innerstaatlichen Fällen weniger wahrscheinlich.3040 Preisbindungen sind im deutschen Kartellrecht ebenfalls unwirksam (Art. 101 AEUV, Art. 4 lit. a GVO 330/10).3041 Unverbindliche Preisempfehlungen sind jedoch wirksam, solange sie nicht mittels faktischem Zwang durchgesetzt werden.3042 Höchstpreisbindungen sind zulässig, wie sich aus § 2 Abs. 2 GWB i. V. m. Art. 4 lit. a 2. Hs. GVO 330/10 ergibt.3043 Voraussetzung ist, dass sich die Höchstpreisbindung nicht faktisch wie ein Fest- oder Mindestverkaufspreis auswirkt. Unzulässigkeit kann auch eintreten, wenn die Höchstpreisbindung wie ein Orientierungspreis wirkt3044 oder Druck zur Einhaltung ausgeübt wird.3045 Denn nach § 21 Abs. 2 GWB ist schon das Androhen oder Zufügen von Nachteilen und das Versprechen oder Gewähren von Vorteilen, mit dem Ziel, zu einem nach Kartellrecht verbotenen Verhaltens zu veranlassen, unzulässig, etwa die Ausübung von Druck zur Durchsetzung einer Preisbindung.3046 Unwirksame Höchstpreisbindungen aus Altverträgen werden nicht automatisch wirksam.3047 Enge Bestpreis- oder Meistbegünstigungsklauseln sollten nach bisher h. M. auch innerstaatlich gegen das Kartellverbot verstoßen.3048 Meistbegünstigungsklauseln zu Lasten des Lieferanten sind freigestellt, wenn der Marktanteil des Lieferanten 30 % nicht übersteigt (§ 2 Abs. 2 GWB i. V. m. Art. 2 Abs. 1 S. 2, Art. 3 Abs. 1 GVO 330/10).3049 Mehr als 5jährige Wettbewerbsverbote sind wie im EU-Kartellrecht unzulässig (§ 2 Abs. 2 GWB i. V. m. Art. 5 Abs. 1 lit. a 1. Hs. GVO 330/10).3050 Für Altverträge soll das Wettbewerbsverbot mit einer geringeren Laufzeit aufrechterhalten werden.3051 Die 8. GWB-Novelle3052 brachte weitere Änderungen, von denen vor allem die Neuformulie- 429 rung des früheren § 20 GWB in den §§ 19, 20 GWB n. F. relevant ist.

3037 3038 3039 3040 3041

Kirchhain WuW 2008, 169. Kirchhain WuW 2008, 170. Kirchhain WuW 2008, 170. Kirchhain WuW 2008, 171. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.9.2014 – 11 U 46/13 (Kart), ZVertriebsR 2015, 264 = WuW DE-R 4749 = WuW 2015, 907 m. Anm. Stein ZVertriebsR 2015, 372 und Anm. Ostendorf GWR 2015, 255; Hinweise des BKartA zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 12.7.2017, ZVertriebsR 2017, 330 Rn 7; Kirchhain WuW 2008, 172. 3042 Hinweise des BKartA zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 12.7.2017, ZVertriebsR 2017, 330 Rn 52; Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (347); Seeliger/de Crozals DB 2017, 351 (353); Kirchhain WuW 2003, 167 (175). 3043 Grafunder/Kofler-Senoner NZKart 2018, 342 (346); Kirchhain WuW 2008, 172. 3044 Kirchhain WuW 2008, 173. 3045 Hinweise des BKartA zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 12.7.2017, ZVertriebsR 2017, 330. 3046 S. Hinweise des BKartA zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 12.7.2017, ZVertriebsR 2017, 330. 3047 Kirchhain WuW 2008, 174. 3048 BKartA, Beschl. v. 20.12.2013 – B 9 – 66/10, BeckRS 2014, 04343; Kirchhain WuW 2008, 175; aA OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2019 – VI–Kart 2/16 (V), NZKart 2019, 379 = EWiR 2019, 605 (Seifert) m. Anm. Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659; Dos Santos Goncalves/Karsten WuW 2019, 454 ff. (jedenfalls bei Marktanteilen bis 30 %). 3049 Kirchhain WuW 2008, 175; Bar WuW 2004, 259 (264); Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1212); Ackermann EuZW 1999, 741 (743); Semler/Bauer DB 2000, 193 (197). 3050 Kirchhain WuW 2003, 167 (176). 3051 BGH, Urt. v. 10.2.2004, RdE 2004, 260 (261); Kirchhain WuW 2008, 167 (177). 3052 Verkündet am 29.6.2013 (BGBl. 2013, Teil I Nr. 32, S. 1738). 261

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Derjenige, der sich auf die Nichtigkeit einer Vereinbarung gem. § 1 GWB beruft, ist hierfür darlegungs- und beweispflichtig.3053 Ist eine Vertragsklausel wegen Verstoßes gegen § 1 GWB unwirksam, so reicht die Nichtig431 keit nach § 134 BGB nur so weit, wie die Voraussetzungen des § 1 GWB gegeben sind. Die Nichtigkeit beschränkt sich auf die gegen § 1 GWB verstoßenden Vertragsbestimmungen, während die übrigen Teile nicht erfasst werden. Das gilt jedenfalls, sofern die nichtige Klausel von den anderen Regelungen abgesondert werden kann.3054 Bei einer Preisbindungsklausel ist dann nicht von einer Nichtigkeit des Gesamtvertrages auszugehen, falls der Vertrag eine salvatorische Klausel enthält.3055

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432 b) Bagatellbekanntmachung. Die Freistellung eines Vertriebsvertrages kann nach deutschem Recht auch nach der Bagatellbekanntmachung 2007 und der Bekanntmachung KMU 2007 des BKartA erfolgen.3056 Das Bundeskartellamt ist nicht nur für die Anwendung des GWB sondern auch des Art. 101 AEUV zuständig.3057 Die EU-Bagatellbekanntmachung gilt ausschließlich im Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV, d. h. nur dann, wenn die Wettbewerbsbeschränkung spürbare Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel haben kann. Keine Anwendung kann die Bagatellbekanntmachung 2007 des BKartA finden, falls die Vereinbarung nicht in den Anwendungsbereich des § 1 GWB/Art. 101 AEUV fällt oder von §§ 2, 3 GWB, einer GVO oder Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt ist.3058 In diesem Fall besteht kein Aufgreifermessen des BKartA. 433 Die Bagatellbekanntmachung greift nur innerhalb folgender Schwellenwerte ein: Bei einer nicht horizontalen Vereinbarung liegt der insgesamt maximal zulässige Marktanteil auf allen betroffenen Märkten bei 15 %. Kann die Einordnung nicht zweifelsfrei vorgenommen werden, gilt die geringere 10 %-Schwelle.3059 Besteht der Verdacht, dass auf einem betroffenen Markt der Wettbewerb durch einen kumulativen Marktabschottungseffekt von Vereinbarungen beschränkt wird, beträgt die Marktanteilsschwelle jeweils 5 %. Ein solcher kumulativer Abschottungseffekt liegt vor, wenn 30 % oder mehr des betroffenen Marktes von nebeneinander bestehenden Netzen von Vereinbarungen verschiedener Lieferanten für den Verkauf entsprechender Waren/das Angebot entsprechender Dienstleistungen abgedeckt werden. Unzulässige Kernbeschränkungen bilden die Festsetzung von Preisen oder Preisbestandteilen beim An- oder Verkauf von Erzeugnissen/Dienstleistungen in Bezug auf mit Dritten ausgehandelten Verträgen sowie die Beschränkung von Produktion, Bezug oder Absatz von Waren oder Dienstleistungen, insbesondere durch die Aufteilung von Versorgungsquellen, Märkten oder Abnehmern. Auf vertikale Vereinbarungen werden dieselben strengen Maßstäbe wie auf horizontale Vereinbarungen angewendet.3060 Insbesondere erlaubt das Bundeskartellamt nicht die gängigen Ausnahmen in vertikalen Vereinbarungen zur Beschränkung des Gebiets- oder Kundenkreises, in das oder an den der Käufer die Vertragswaren oder Dienstleistungen verkaufen darf.3061 Es kann nicht angenommen werden, dass eine Vereinbarung, die nach der Bagatellbekanntmachung des BKartA nicht freigestellt ist, regelmäßig über § 2 GWB i. V. m. einer GVO automatisch freigestellt wäre. In den allgemeinen Anwendungsvoraussetzungen einer GVO, wie z. B. im Bereich des Automobilvertriebs,

3053 OLG München, Teilurt. v. 24.10.2018 – 3 U 1551/17, ZVertriebsR 2018, 394 Rn 21. 3054 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.9.2014 – 11 U 46/13 (Kart), ZVertriebsR 2015, 264 = WuW DE-R 4749 (4752) = WuW 2015, 907 (910) m. Anm. Stein ZVertriebsR 2015, 372 und Anm. Ostendorf GWR 2015, 255.

3055 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.9.2014 – 11 U 46/13 (Kart), ZVertriebsR 2015, 264 = WuW DE-R 4749 (4752) = WuW 2015, 907 (910) m. Anm. Stein ZVertriebsR 2015, 372 und Anm. Ostendorf GWR 2015, 255. Dazu Pfeffer/Wegner BB 2007, 1173. Art. 3 Abs. 1 VO 1/2003, § 50 GWB; vgl. Pfeffer/Wegner BB 2007, 1173 (1174). Vgl. Bagatellbekanntmachung 2007, Rn 3; Pfeffer/Wegner BB 2007, 1173 (1174). Bagatellbekanntmachung 2007, Rn 8–10. Pfeffer/Wegner BB 2007, 1173 (1173). Pfeffer/Wegner BB 2007, 1173 (1174).

3056 3057 3058 3059 3060 3061 Emde

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können verschiedene – rein zivilrechtliche – Voraussetzungen enthalten sein, die eine Vereinbarung erfüllen muss, wenn sie die GVO in Anspruch nehmen will. Diese brauchen die Hersteller/ Importeure, deren Marktanteil unter 5 % liegt, im europäischen Recht nicht zu erfüllen, ohne hierdurch mit dem Kartellrecht in Konflikt zu geraten. Fällt eine solche Vereinbarung mangels Zwischenstaatlichkeit nicht mehr in den Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV, was z. B. bei einer Vereinbarung zwischen einem Kfz-Händler und einem ausschließlich regional tätigen Unterhändler in Betracht kommen kann, so wäre nicht die EU-Bagatellbekanntmachung sondern die Bagatellbekanntmachung 2007 des BKartA anwendbar. Ein solcher Händler könnte sich bei identischer Vertragsgestaltung nach deutschem Recht nicht darauf verlassen, dass seine Vereinbarung vom Bundeskartellamt nicht aufgegriffen würde.3062 Vereinbart er ein selektives Vertriebssystem, welches das Verbot des Verkaufs an Wiederverkäufer beinhaltet, könnte dies, als „Beschränkung des Absatzes“, der Anwendung der Bagatellbekanntmachung 2007 entgegenstehen. Zwar folgt aus der Nichterfüllung der Voraussetzungen der Bagatellbekanntmachung 2007 nicht, dass das Bundeskartellamt nun zwingend jegliche Vereinbarung, die die Bagatellbekanntmachung im Ansatz oder im Detail nicht erfüllt, verfolgen wird.3063 Sinnvoll ist ein derartiges Auseinanderfallen der Beurteilung aber nicht.3064 Denn es führt die weitgehende Anpassung des GWB an die europäische Systematik ad absurdum, wenn gerade bei Vereinbarungen mit geringfügiger Auswirkung auf den Wettbewerb die schwierige Abschätzung vorgenommen werden muss, ob eine Vereinbarung dem Art. 101 AEUV unterfällt oder nicht.3065 Das Merkblatt KMU 2007 des BKartA ersetzt das entsprechende Merkblatt des BKartA zur Kartellnovelle vom 16.12.1998. Nicht anwendbar ist das Merkblatt auf zwischenbetriebliche Kooperationen, welche geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel spürbar zu beeinträchtigen.3066 Zulässig bleiben Vertriebskooperationen, die sich darauf beschränken, Aufträge in Abhängigkeit der Frachtkosten zu vergeben.3067 Preisabreden können ausnahmsweise zulässig sein, sofern sie zwingend mit dem Rationalisierungserfolg verbunden sind, etwa bei einer Vertriebsgemeinschaft.3068

c) §§ 19, 20 Abs. 1 GWB aa) Einführung (1) Bedeutung des § 19 GWB (a) Anwendungsbereich. Nach wie vor besondere Bedeutung hat im Vertriebsrecht § 19 GWB, 434 insb. sein Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 GWB.3069 Auch Vertriebsmittler, insb. HV,3070 VV,3071 Vertragshändler3072 und FN,3073 können sich bei entsprechender Marktstärke des Unternehmers auf das Diskriminierungsverbot der §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB berufen, angeblich

3062 3063 3064 3065 3066 3067 3068 3069 3070

Pfeffer/Wegner BB 2007, 1173 (1175). Pfeffer/Wegner BB 2007, 1173 (1175). Rissmann EuW 2006, 884; Pfeffer/Wegner BB 2007, 1173 (1175). Pfeffer/Wegner BB 2007, 1173 (1175). Pfeffer/Wegner BB 2007, 1173 (1176). Merkblatt KMU 2007 Rn 33. Pfeffer/Wegner BB 2007, 1173 (1177). Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer10 Anh. § 310 Rn 943. Immenga/Mestmäcker/Markert § 26 Rn 125; Flohr/Wauschkuhn/Spenner Vertriebsrecht2 § 19 GWB Rn 175; Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 33; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene Vor § 84 Rn 32; Wellenhöfer-Klein ZIP 1997, 774 (776); offengelassen in BGH, Urt. v. 26.2.1970 – KZR 17/68, LM BGB § 138 Bb Nr. 28 = NJW 1970, 855. 3071 Stancke VersR 2009, 1168 (1177). 3072 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15, BeckRS 2018, 2279; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.8.2020 – VI U (Kart) 10/20, WuW 542 (543) – Motorrad-Händler; Beschl. v. 13.11.2013 – VI-Kart 5/09, WuW/E DE-R 4730 (4746) = WuW 2015, 888 (904). 3073 Billing/Lettl WRP 2012, 773 (776). 263

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jedoch nicht, falls der Vertriebsmittler in seinem Gebiet keinem Wettbewerb ausgesetzt ist.3074 Die Anwendbarkeit ist nicht ausgeschlossen, weil der HV weder Anbieter noch Nachfrager hinsichtlich der vom Unternehmer vertriebenen Produkte ist3075 oder die §§ 84–92c eine in sich geschlossene, §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB vorgehende und verdrängende Sonderregelung beinhalten.3076 Nach denjenigen, die in den §§ 84 ff. eine verdrängende Sonderregelung sehen, bestimmt sich die Entschließungs- und Dispositionsfreiheit des Unternehmers gegenüber dem HV nur nach HV-Recht und endet erst bei Willkür oder Absicht bewusster Schädigung des HV. Darüber hinaus soll sie durch §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB nicht weiter eingeschränkt sein.3077 Tatsächlich ist der Regelungsgegenstand der §§ 84 ff. kein kartellrechtlicher, so dass er der Anwendung der §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB nicht im Wege der Spezialität entgegensteht. Die Analyse von Jacobsen,3078 es sei kaum vorstellbar, dass ein Unternehmer seinen HV diskriminiere oder unbillig benachteilige, dürfte unzutreffend sein. Allerdings will auch die die Anwendbarkeit des § 19 GWB ablehnende Meinungsgruppe dessen Anwendung vor Abschluss des HV-Vertrags oder nach dessen Beendigung zulassen.3079 §§ 19 Abs. 2 Nr. 1 sowie § 20 Abs. 1 GWB sind auch auf mittels GVO freigestellte Vertriebs435 systeme anwendbar,3080 weil eine solche Freistellung nichts über die in §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB geregelten Fragen aussagt. Die Gegenansicht verneint die Anwendbarkeit der §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB und damit eine Belieferungspflicht insb. bei der Prüfung der Aufstellung und Anwendung von Selektionskriterien im Rahmen freigestellter selektiver Vertriebssysteme,3081 selbst wenn es sich bei der freigestellten Maßnahme um eine nicht von Art. 101 AEUV erfasste „einseitige“ handelt3082 (wofür die Lieferverweigerung ein typisches Beispiel bildet3083). Selektive Vertriebssysteme stellten Vereinbarungsgeflechte und keine einseitigen Handlungen des Herstellers dar, welche in Abgrenzung zum europäischen Kartellrecht allein von § 19 GWB erfasst seien.3084 §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB seien daher nur auf einseitige Handlungen des Herstellers gegenüber seinen gebundenen Vertriebshändlern und einseitige Handlungen gegenüber außenstehenden Dritten anwendbar, etwa falls der außenstehende Händler nicht zum selektiven Vertriebssystem zugelassen werde, obwohl er die Selektionskriterien erfül-

3074 OLG Schleswig, Urt. v. 28.1.2010 – 16 U (Kart) 55/09, BeckRS 2010, 02834 (zwh.). 3075 So aber Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 97. 3076 OLG Düsseldorf OLGR 1998, 11; Rittner WuW 1993, 592 (602 ff.); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 95; FK-GWB/ Carlhoff § 26 Rn 162; aA Immenga/Mestmäcker/Markert § 26 Rn 125; Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 33; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene Vor § 84 Rn 32; Wellenhöfer-Klein ZIP 1997, 774 (776). 3077 BGH, Urt. v. 7.3.1989 – KZR 15/87, BGHR GWB § 26 Abs. 2 Behinderung 5; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 97. 3078 Giesler/Jacobsen2 § 2 Rn 1264. 3079 Vgl. BGH, Urt. v. 21.2.1989 – KZR 3/88, EBE 1989, 263 = EWiR 1989, 783; v. 26.10.1972 – KZR 54/71, LM GWB § 26 Nr. 22 = NJW 1973, 280; v. 22.10.1973 – KZR 22/72, LM GWB § 26 Nr. 24 = NJW 1974, 141; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 97. 3080 Billing/Lettl WRP 2012, 773 (780/781); Weitbrecht EuZW 2003, 72; aA OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.11.2013 – 7 Kart 5/09, WuW DE-R 4730 (4747) = WuW 2015, 888 (905) – exklusives Vertriebsrecht; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HKO 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3085) – „JPG Le Male“ (zur quantitativen Selektion); Schultze/Pautke/ Wagener BB 2009, 2266 (2267); Wirtz WuW 2003, 1039 ff. 3081 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HK O 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3085) – „JPG Le Male“; Pischel GRUR 2011, 685 (689); Schultze/Pautke/Wagener BB 2009, 2266 (2267); Becker/Pfeiffer ZWeR 2004, 268 (277); HarteBavendamm/Kreutzmann WRP 2003, 682 (688); Wirtz WuW 2003, 1039 (1042); Hübschle in: Lange, Hdb. z. dt. und europ. KartellR,2 (2006), § 3 Rn 943; Jaeger in: Frankfurter Komm. Art. 3 VO 1/2003 Rn 18 f; Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff/Loewenheim § 20 Rn 71; Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht/Rixen Bd. 4, Losebl. Std. 4/2008, § 20 Rn 175, 177, 179; Schultz in: Langen/Bunte, § 20 Rn 141 – aber ein solches selektives Vertriebssystem verstößt oft schon nicht gegen Art. 101 AEUV und bedarf mithin keiner Freistellung. 3082 Pischel GRUR 2011, 685 (689). 3083 Siehe Pischel GRUR 2011, 685 (689). 3084 Harte-Bavendamm/Kreutzmann WRP 2003, 682 (689). Emde

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le.3085 Zutreffend hat der BGH jedoch ausgesprochen, auch im Geltungsbereich europäischen Kartellrechts ließen sich aus §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB Ansprüche auf Belieferung und Vertragsschluss herleiten.3086 In jedem Fall ist die Freistellung ein abwägungsrelevanter Umstand,3087 insb. bei der Billigkeitsbewertung.

(b) Systematik der Vorschrift. § 19 GWB enthält den Verbotstatbestand. Praktisch wird 436 meist § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Erste Voraussetzung der Anwendbarkeit ist, dass das Unternehmen, gegen welches vorgegangen werden soll, zu dem in §§ 19, 20 GWB genannten Normadressatenkreis gehört. Zweitens ist erforderlich, dass entweder eine unbillige Behinderung oder eine gegenüber gleichartigen Unternehmen unterschiedliche Behandlung ohne sachlich gerechtfertigten Grund vorliegt. § 20 Abs. 1 GWB erweitert den Normadressatenkreis um die Fälle der relativen Marktmacht, bei denen die Marktmacht nicht absolut wie bei den marktbeherrschenden Unternehmen festgestellt wird, sondern relativ in Bezug auf ihre Anbieter oder Nachfrager. Nur kleine oder mittlere Unternehmen können sich auf § 20 Abs. 1 S. 1 GWB berufen. Wann ein Unternehmen als solches anzusehen ist, ist im Gesetz nicht bestimmt. Die Einstufung lässt sich nicht in absoluten Zahlen festlegen.3088 Die relative Marktmacht ergibt sich aus der Abhängigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen von der Marktgegenseite in Form des Fehlens ausreichender und zumutbarer Ausweichmöglichkeiten. In der Praxis wird kaum noch auf die Marktbeherrschung abgestellt, da sich eine Abhängigkeit aufgrund relativer Marktstärke leichter begründen lässt.3089 Der Begriff der geschützten Unternehmen i. S. d. §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB ist weit 437 gefasst.3090 Nach §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB Verpflichtete sind etwa die meisten Kfz-Hersteller.3091 Auch die Herausgeber des amtlichen Telefonbuches, die zugleich die „Gelben Seiten“ verlegen, unterliegen mit Rücksicht auf die von ihnen ausgeübte Marktmacht erhöhten Anforderungen, wenn sie sich weigern, die ihnen von im eigenen Namen handelnden Werbevermittlern angedienten und geworbenen Anzeigenaufträge entgegenzunehmen.3092 Dem selektiven Vertriebssystem mit qualitativer Selektion stehen §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 438 Abs. 1 GWB nicht im Wege, vorausgesetzt, es wird seinerseits nicht diskriminierend angewandt und die Qualifikationsanforderungen sind sachgerecht und angemessen.3093 Selbst wenn die Qualifikationsanforderungen nicht sachgerecht und angemessen sein sollten, besteht nur ein Aufnahmeanspruch, wenn die weiteren TB-Voraussetzungen der §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB erfüllt sind (dazu Rn 466 ff.).

3085 Wirtz WuW 2003, 1039 (1044). 3086 BGH, Urt. v. 28.6.2005 – KZR 26/04, WRP 2006, 109 (111) = EWiR 2006, 273 (Emde); v. 12.5.1998 – KZR 23/95, BB 1998, 2353 = NJW-RR 1999, 189.

3087 BGH, Urt. v. 11.11.2008-KVR 17/08, WuW/E DE-R 2514 = WRP 2009, 208; v. 4.11.2003-KZR 2/02, WuW/E DE-R 1203 (1205) = WRP 2004, 374; OLG München, Urt. v. 8.1.2009-U (K) 1501/08; Weitprecht EuZW 2003, 69/72; Glöckner WRP 2003, 1127 (1337); Billing/Lettl WRP 2012, 773 (780). 3088 BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, ZVertriebsR 2018, 128 Rn 13. 3089 Westphal II Rn 416. 3090 Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht/Rixen § 20 Rn 403. 3091 BGH, Urt. v. 28.6.2005 – KZR 26/04, WRP 2006, 109 (111) = GRUR Int. 2006, 57 = EWiR 2006, 273 (Emde); zuvor bereits BGH, Urt. v. 23.2.1988 – KZR 20/86, WuW/E 2491 (2493) – Opel-Blitz; Beschl. v. 19.1.1993 – KVR 25/91, WuW/E 2875 (2878 ff.) – Herstellerleasing; Urt. v. 21.2.1995 – KZR 33/93, WuW/E 2983 (2988) – Kfz-Vertragshändler; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.8.2020 – VI-U (Kart) 10/20; WuW 2020, 542 (547) – Abhängigkeit dort wegen mangelnden Vortrages verneint; OLG Celle, Urt. v. 22.6.2000 – 13 U 137/98, WuW DE-R 581, 2001, 65 = OLGR Celle 2001, 126. 3092 OLG Bremen, Urt. v. 18.12.2003 – 2 U 71/03, OLGR 2004, 202. 3093 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, Bd. II, § 20 Rn 91. 265

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439 (2) Kündigungsschutz? § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB wird insb. geprüft, wenn die Unwirksamkeit einer Kündigung geltend gemacht werden soll.3094 Im Grundsatz gilt: Der Unternehmer ist auch als Adressat des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB in der Gestaltung seines Vertriebssystems frei3095 (zur Dispostionsfreiheit § 86a Rn 37 ff.). Angeblich bestehen auf dem Markt der Vertriebsleistungen sogar weitergehende Beschränkungsmöglichkeiten als auf dem Markt der vertriebenen Produkte.3096 Einmal bestehende Lieferbeziehungen können für die Zukunft nicht unabänderlich gestaltet werden; die Kündigung eines Vertriebsvertrages mit angemessener Frist erfordert aus kartellrechtlicher Sicht keine besondere Rechtfertigung.3097 Dies würde dem Wesen des Wettbewerbs als dynamischen Prozess, der steter Veränderung unterworfen ist, widersprechen. Die Kündigung gegenüber einem Vertriebsmittler kann gerade Ausdruck des Wettbewerbs sein, um einen günstigeren Dienstleister zu wählen. Die Kündigungsmöglichkeit hindert eine Wettbewerbserstarrung. Im Rahmen einer Interessensabwägung3098 ist das Freihaltebedürfnis des Unternehmers gegen das Schutzbedürfnis des Mittlers3099 unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes3100 abzuwägen. Dabei fällt auf Seiten des Händlers dessen Interesse an der Belieferung ins Gewicht. Zugunsten des Unternehmers ist zu berücksichtigen, dass § 19 GWB ihm unternehmerischen Freiraum bei der Gestaltung und Pflege seines Vertriebssystems belässt3101 und nur den Missbrauch von Marktmacht verhindern will. Eine innerhalb der Frist des § 89 erklärte Kündigung ist regelmäßig wirksam und wird 440 durch §§ 19, 20 GWB nicht ausgeschlossen,3102 selbst wenn ein Kündigungsgrund und eine sachliche Rechtfertigung fehlen.3103 Dem Unternehmer steht die Vertragsbeendigung grundsätzlich frei (§§ 89, 89a). So soll bei der Kündigung von Kfz-Vertragshändlerverträgen eine etwa bestehende Abhängigkeit nach § 19 GWB jedenfalls bei zweijähriger Kündigungsfrist grds. entfallen.3104 Nach Kündigung existiert grundsätzlich kein Anspruch auf Fortsetzung des Vermittlungsvertrages. I. d. R. ist die von § 89 als angemessen beurteilte Kündigungsfrist genügend, um dem Mittler eine ausreichende Anpassungs- und Umstellungszeit zuzubilligen. Weder eine elfjährige Vertragsdauer noch das zu Lasten des Händlers vereinbarte Verbot aktiver Werbung zugunsten anderer Hersteller, die mit einem kündigungsbedingten Herstellerwechsel üblicherweise verbundenen Folgen oder ein Ansehensverlust sollen es rechtfertigen, den Hersteller auf unbestimmte Zeit zu binden.3105 Die ordentliche Kündigung muss auch nicht begründet wer-

3094 OLG Schleswig, Urt. v. 28.1.2010 – 16 U (Kart) 55/09, BeckRS 2010, 02834; Canaris § 17 Rn 87; Niebling WRP 2002, 310.

3095 BGH, WuW/E DE-R 1151, 2003, 395; OLG Celle, Urt. v. 29.3.2001 – 13 U 53/00, WuW DE-R 864 = WuW 2002, 504 (Kfz-Vertragshändler).

3096 OLG Schleswig, Urt. v. 28.1.2010 – 16 U (Kart) 55/09, BeckRS 2010, 02834. 3097 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 32 – Jaguar; OLG Celle, Urt. v. 11.2.2010 – 13 U 92/09 (Kart), DE-R 2853 (2859); OLG Schleswig, Urt. v. 28.1.2010 – 16 U (Kart) 55/09, BeckRS 2010, 02834; Wegner/Berger ZVertriebsR 2016, 247 (248) – Kfz, 2-Jahresfrist. 3098 OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.8.2020 – VI-U (Kart) 10/20, WuW 2020, 542 (547). 3099 OLG Celle, Urt. v. 22.6.2000 – 13 U 137/98 – WuW DE-R 581 = WuW 2001, 65 = OLGR 2001, 126; Flohr/Wauschkuhn/Spenner2 § 19 GWB Rn 76. 3100 BGH, Urt. v. 28.6.2005 – KZR 26/04, WRP 2006, 109 (111) = GRUR Int. 2006, 57 = EWiR 2006, 273 (Emde); v. 23.2.1988 – KZR 20/86, WuW/E 2491 (2493) – Opel-Blitz; Beschl. v. 19.1.1993 – KVR 25/91, WuW/E 2875 (2878) ff. – Herstellerleasing; Urt. v. 21.2.1995 – KZR 33/93, WuW/E 2983 (2988) – Kfz-Vertragshändler. 3101 Flohr/Wauschkuhn/Spenner Vertriebsrecht2 § 19 GWB Rn 76. 3102 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 32 – Jaguar; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208) – Jaguar; Langen/Bunte/Schultz § 20 Rn 173 f. 3103 OLG Schleswig, Urt. v. 28.1.2010 – 16 U (Kart) 55/09, BeckRS 2010, 02834; Niebling WRP 2002, 310. 3104 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 25/15 (Kart), ZVertriebsR 2016, 244 Rn 32. 3105 OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.8.2020 – VI-U (Kart) 10/20, WuW 2020, 542 (547). Emde

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den.3106 Nur bei Existenz eines Kontrahierungszwanges gem. §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB gilt anderes: Die ordentliche Kündigung eines einzelnen oder eines Teils der Vertriebsmittler ist dann – aber nur dann – regelmäßig ausgeschlossen3107 (Verbot der Ungleichbehandlung, s. Rn 444 ff.). Greift der Kontrahierungszwang ein, darf der Unternehmer den geschlossenen Vertrag nur aus sachlichem oder sogar wichtigem Grund beenden, ggf. mittels außerordentlicher Kündigung.3108 In jedem Fall möglich bleibt die Strukturkündigung aller Vertriebsmittler3109 (s. u., Rn 444). Das Kündigungsrecht steht allerdings unter dem Vorbehalt Treu und Glaubens.3110 441 Zudem ist es ausgeschlossen, wo es missbraucht wird oder zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führt, die mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar ist.3111 Eine Grenze liegt auch in dem Verbot sittenwidrigen Handelns (§ 89 Rn 101 ff.). Die Tendenz der Gerichte liegt darin, eine ordentliche Kündigung nur bei Schikane, widersprüchlichem Verhalten oder zeitnahen Aufforderungen des Herstellers, zu investieren (Investitionsschutz), für rechtswidrig zu halten.3112 Wird von einem Unternehmer die ordentliche Kündigung eines HV-Vertrages angedroht, um eine Änderung der Zusammenarbeit zu erreichen, so bestehen meist weder vertragliche noch gesetzliche (§§ 138, 826 BGB, § 19 GWB) Schadensersatzansprüche, falls die ordentliche Kündigung keines besonderen Grundes bedarf und die Kündigungsfrist nicht unangemessen kurz ist.3113 Dazu s. Kommentierung zu § 89. So kann sich ein Kündigungsschutz ergeben, falls der HV auf Veranlassung des Herstellers besondere Investitionen erbracht hat. Dieser Kündigungsschutz unter Investitionsgesichtspunkten folgt aber nicht aus § 19 GWB, sondern aus dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) oder den §§ 627 Abs. 2, 671 Abs. 2, 712 Abs. 2, 723 Abs. 2, 2226 Abs. 2 BGB analog3114 (§ 89 Rn 108 ff.). Deshalb brauchen die strengen TB-Voraussetzungen des § 19 GWB in einem solchen Fall nicht vorzuliegen.

(3) Auslauffrist? Nach zutreffender Ansicht3115 hinterlässt § 19 GWB bei Existenz eines sachli- 442 chen Grundes zumindest die Wirkung, dass dem abhängigen Mittler eine angemessene Auslaufoder Umstellungsfrist zugesprochen wird, die beiderseitigen Interessen der Parteien wahrt, dem Mittler eine Umstellung seines Geschäftsbetriebs ermöglicht und ihn in die Lage versetzt, mit den gebotenen Anstrengungen eine neue Lieferbeziehung aufzubauen oder seinen Geschäftsbetrieb in anderer Weise wettbewerbsfähig umzugestalten.3116 Das OLG Düsseldorf entnimmt die Auslauffrist einer spiegelbildlichen Anwendung der Grundsätze der geltungserhaltenden Reduktion: Für ein vertragliches Wettbewerbsverbot, welches zeitlich über das notwendige Maß hinausgehe, wer3106 BGH, Urt. v. 21.2.1995 – KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260. 3107 BGH, Urt. v. 21.2.1995 – KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260 (1263); OLG München, Urt. v. 29.9.1993 – 7 U 2249/93, S. 16, n. v.; Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (622); Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht/Rixen § 20 Rn 178; aA Nolte WRP 2005, 1124 (1128). 3108 Siehe BGH, Urt. v. 21.2.1995 – KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260 (1263); OLG München, Urt. v. 29.9.1993 – 7 U 2249/93, S. 16, n. v.; Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (622). 3109 Vgl. Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (623). 3110 Niebling WRP 2002, 310. 3111 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 32. 3112 Niebling WRP 2002, 310. 3113 OLG Hamburg, Urt. v. 20.2.2003 – 3 U 26/99, GRUR-RR 2003, 325 (Tankstellen-HV-Vertrag). Immer ist allerdings zu prüfen, ob eine unzulässige Schikanekündigung vorliegt (siehe BGH NJW 1970, 855). 3114 S. Creutzig NJW 2002, 3430 (3432). 3115 BGH, Urt. v. 31.1.2012 – KZR 65/10, WuW DE-R 3549 = BeckRS 2012, 04855 Rn 31; v. 12.2.1980 – KRB 4/79, WuW/E BGH 1729 (1730) – Ölbrenner; Ensthaler/Gesmann-Nuissl/Stopper DB 2003, 257 (260); Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht/Rixen § 20 Rn 178. 3116 OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.8.2020 – VI-U (Kart) 10/20, WuW 2020, 542 (547) – Motorrad-Händler (dort verneint). 267

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de eine solche Reduktion anerkannt; die nichtige Laufzeitbestimmung durch eine kartellrechtlich zulässige Laufzeit ersetzt. Diese Grundsätze mit umgekehrter Stoßrichtung angewendet, hätten zur Konsequenz, dass eine kartellrechtswidrig zu kurze Kündigungsfrist durch die zulässige Kündigungsfrist ersetzt werde.3117 Nicht nur bei Vertragshändlern soll eine Umstellungsfrist von 12 Monaten angemessen sein.3118 Jedenfalls ist eine solche von 2 Jahren bei einem Kfz-Händlervertrag hinreichend bemessen.3119 Im außereuropäischen Bereich ist wegen der dort möglichen Verkürzung der Kündigungsfristen nach § 92c von Fall zu Fall zu entscheiden, wobei das Leitbild des § 89 einen Anhalt bieten kann.

443 (4) Beweislast. Wer Ansprüche aus §§ 33, 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB geltend macht, trägt die Darlegungs- und Beweislast nicht nur für die Normadressateneigenschaft des Behindernden, sondern auch für das Vorliegen einer Behinderung oder unterschiedlichen Behandlung gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund3120 oder eine sortimentsbedingte- oder Spitzenstellungsabhängigkeit.3121 Er muss z. B. darlegen und beweisen, dass er die Merkmale erfüllt, die der Lieferant für das qualitative-selektive Vertriebssystem festgelegt hat.3122

444 (5) Unterschiedliche Behandlung. Maßgeblicher Gesichtspunkt des § 19 GWB ist die Pflicht zur Gleichbehandlung betroffener Unternehmen. Im Normbereich des § 19 GWB folgt der Ungleichbehandlung eine Schadenersatzpflicht aus § 33 GWB.3123 Eine Ungleichbehandlung darf nicht unbillig sein. Ob sie ausscheidet, wenn die Vertriebs-GVO 330/10 die inkriminierte Bestimmung freistellt, hat der BGH offen gelassen.3124 Jedenfalls sei die Wertung des Gemeinschaftsrechts in die Abwägung nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB einzubeziehen.3125 Richtigerweise gibt die GVO zwar einen Fingerzeig für zivilrechtliche Fragestellungen,3126 entscheidet sie jedoch nicht abschließend.3127 Kündigt der Hersteller allen Absatzmittlern im Wege der Strukturkündigung, fehlt es an einer Ungleichbehandlung.3128 445 Fraglich ist, ob der Unternehmer bei Erfüllung der TB-Voraussetzungen des § 19 GWB verpflichtet ist, seine Vertriebsmittler untereinander und jene mit dem unternehmerischen Eigenvertrieb gleich zu behandeln.3129 Die Gleichbehandlungspflicht nach § 19 GWB besteht nur zwischen separaten „Unternehmen“. Die Rechtsprechung ist geprägt von der Situation des Einzelfalles. 3117 OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.8.2020 – VI-U (Kart) 10/20, WuW 2020, 542 (548). 3118 BGH, Urt. v. 31.1.2012 – KZR 65/10, WuW DE-R 3549 = BeckRS 2012, 04855 Rn 26; v. 21.2.1995 – KZR 33/93, WuW/E BGH 2983.

3119 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807. 3120 BGHZ 96, 337 = NJW 1986, 1877; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2015 – 11 U 25/15 (Kart), ZVertriebsR 2016, 244 Rn 31 – Unwirksamkeit einer Kündigung; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.1.2013 – VI-U (Kart) 5/12, ZVertriebsR 2014, 308 m. Anm. Wegner/Oberhammer; v. 20.8.2008 – VI – U (Kart) 1/08, GRUR-RR 2009, 109; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRUR-RR 2007, 121. 3121 BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, ZVertriebsR 2018, 128 Rn 18. 3122 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRUR-RR 2007, 121. 3123 BGH NJW-RR 2003, 834. 3124 BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 (209) = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel). 3125 BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 (209) = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.1.2008 – VI-Kart 11/06 (V), GRUR-RR 2008, 324; OLG München, Urt. v. 8.1.2009 – U (K) 1501/08, BB 2009, 518 m. Anm. Schultze/Spenner. 3126 Siehe BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, BB 2009, 1817. 3127 Siehe Emde BB 2009, 2330 ff. 3128 AA mglw. OLG Schleswig, Urt. v. 28.1.2010 – 16 U (Kart) 55/09, BeckRS 2010, 02834. 3129 Ensthaler/Gesmann-Nuissl/Stopper DB 2003, 257 (258). Emde

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(6) Unbillige Behinderung. Die Erhöhung des Werksabgabepreises von Kfz gegenüber den 446 Vertragshändlern stellt keine unbillige Behinderung i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB dar, weil Händler Fahrzeuge an Kunden wegen der jenen gewährten Rabatte regelmäßig unterhalb der UPE des Herstellers verkaufen und die Erhöhung des Werksabgabepreises kompensieren können, indem sie ihren Kunden geringere Rabatte gewähren.3130 Allerdings darf ein vereinbarter Rabatt nicht einseitig geändert werden. (7) Ermessen des Unternehmers bei der Gestaltung des Vertriebssystems. Der Unter- 447 nehmer ist durch § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB grds. nicht daran gehindert, sein Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie er dies für richtig und wirtschaftlich sinnvoll hält3131 (zum Dispositionsrecht des Unternehmers § 86a Rn 37). Er muss dabei aber nach sachlichen Gesichtspunkten vorgehen und das System konsequent und nicht willkürlich durchführen. Die Freiheit zur Ausgestaltung des Absatzsystems beinhaltet auch die Freiheit zu seiner Umgestaltung, jedenfalls sofern sachliche Gründe (etwa: Rationalisierung, die Ertragssituation, Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung oder gesteigerter Wettbewerbsdruck) dafür sprechen.3132 Eine solche Umstellung rechtfertigt auch den Abbruch bestehender Lieferbeziehungen3133 und den Wunsch, den Vertrieb über selbständige Tochtergesellschaften zu organisieren,3134 angeblich selbst bei Existenzgefährdung des Mittlers.3135 Allerdings kann es erforderlich sein, den bisher belieferten Abnehmern eine angemessene Umstellungsfrist einzuräumen (s. o., Rn 442). Dabei ist die konkrete Marktstärke des Normadressaten zu berücksichtigen. Je größer die Marktmacht des Normadressaten, desto höher das Maß an Rücksichtnahme, welches von ihm verlangt werden muss.3136 Da eine sofortige Umstellung regelm. ausscheidet, darf der Unternehmer sich sukzessive von den Vertriebsmittlern lösen.3137 Dafür gibt es dann sachliche Gründe. Die Gestaltungsfreiheit bezieht sich namentlich auf die unternehmerische Grundentschei- 448 dung, ob ein Hersteller sich eines unternehmenseigenen Absatzsystems oder eines Systems fremder Absatzmittler bedienen will.3138 Zulässig ist auch der Ausschluss von Marktstufen im Absatzsystem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB steht dem Direktvertrieb an Einzelhändler unter Ausschaltung des Großhandels oder unmittelbaren Endverbrauchers nicht entgegen.3139 Der Unterneh3130 OLG München, Urt. v. 22.1.2004 – U (K) 3329/03, WuW DE-R 2004, 1260 (1261). 3131 BGH, Urt. v. 24.9.2002 – KZR 38/99, WuW/E DE-R 1051/1053 – Vorleistungspflicht; v. 27.4.1999 – KZR 35/97, WuW/E DE-R 357 – Feuerwehrgeräte; v. 17.3.1998 – KZR 30/96, WuW/E DE-R 134 – Bahnhofsbuchhandel; v. 25.10.1998 – KVR 1/87, WuW/E BGH 2535 (2540) – Lüsterbehangsteine; v. 24.3.1981 – KZR 2/80, WuW/E BGH 1793 (1797) – SB-Verbrauchermarkt; v. 8.5.1979 – KZR 13/78, 1587 (1590) – Modellbauartikel I; v. 10.10.1978 – KZR 10/77, WuW/E BGH 1527 (1530) – Zeitschriften-Grossisten; v. 30.9.1971 – KZR 13/70, WuW/E BGH 1215 – Kraftwagen-Leasing; v. 27.9.1962, KZR 6/61, WuW/E BGH 502 (508) – Treuhandbüro; OLG Stuttgart v. 16.6.2003 – 2 U 144/02, WuW/E DER 1191 (1195) – Telefonbuch-Inserate; OLG Düsseldorf v. 19.3.2003 – U (Kart) 20/02, WuW/E DE-R 1184 (1186) – InfraCard-Tarif; OLG Hamburg v. 19.6.2002 – 5 U 28/02, WuW/E DE-R 1076 (1080) – Online-Ticketshop; Flohr/ Wauschkuhn/Spenner Vertriebsrecht2 § 19 GWB Rn 57; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, Bd. 2: GWB, § 20 Rn 89; Martinek/Kahlenberg3 § 39 Rn 112. 3132 BGH, Urt. v. 10.11.1998 – KZR 6/97, WuW/E DE-R 220 – U-Bahn-Buchhandlung; v. 17.3.1998 – KZR 20/96, WuW/E DE-R 134 – Bahnhofsbuchhandel; Flohr/Wauschkuhn/Spenner Vertriebsrecht2 § 19 GWB Rn 76. 3133 BGH, Urt. v. 31.1.2012 – KZR 65/10, WuW DE-R 3549 = BeckRS 2012, 04855; v. 17.3.1998 – KZR 30/96, WuW/E DE-R 134 – Bahnhofsbuchhandel; v. 10.2.1987 – KZR 6/86, WuW/E BGH 2360 – Freundschaftswerbung; v. 8.3.1983 – KZR 1/82, WuW/E BGH 1995 (1996) – Modellbauartikel III; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, Bd. 2: GWB, § 20 Rn 89. 3134 BGH, Urt. v. 31.1.2012 – KZR 65/10, WuW DE-R 3549 = BeckRS 2012, 04855; v. 10.2.1987 – KZR 6/86, WuW/E BGH 2360 (2367); Billing/Lettl WRP 2012, 773 (780). 3135 BGH, Urt. v. 10.2.1987 KZR 6/86, WuW/E BGH 2360 (2367); Billing/Lettl WRP 2012, 773 (780). 3136 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, Bd. 2: GWB, § 20 Rn 89. 3137 Martinek/Kahlenberg3 § 39 Rn 115. 3138 BGH, Urt. v. 24.9.2002 – KZR 38/99, WuW/E DE-R 1051 (1083) – Vorleistungspflicht. 3139 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, Bd. 2: GWB, § 20 Rn 90. 269

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mer ist weder nach HV-Recht noch nach Kartellrecht, auch nicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, daran gehindert, sich einen besonderen Vertriebsweg, etwa den Internetvertrieb, gegenüber seinen HV selbst vorzubehalten.3140 Entscheidet sich ein Unternehmen für ein unternehmenseigenes Absatzsystem, so besteht grds. kein Anspruch unternehmensfremder Händler auf Belieferung.3141 Werden unternehmensfremde Absatzmittler in das Absatzsystem eingeschaltet, so entsteht eine grds. Pflicht, gleichartige Unternehmen bei der Belieferung gleich zu behandeln. Eine Auswahl ist nur unter sachlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt.3142 Der Normadressat ist aber kartellrechtlich nicht verpflichtet, seinen Vertragspartner vor Wettbewerb zu schützen, um ihm die Existenz oder ein auskömmliches Einkommen zu sichern. Eine solche Pflicht kann sich nur aus der Treubindung ergeben. Die Zielsetzung des Kartellrechts verbietet es, bestehende Wettbewerbsstrukturen dauerhaft festzuschreiben.3143

449 (a) Gleichbehandlung der selbständigen Vertriebsmittler untereinander. Im Anwendungsbereich des § 19 GWB besteht in gleicher Situation eine Pflicht des Unternehmers zur Gleichbehandlung der unabhängigen (nicht mit dem Unternehmer verbundenen), selbständigen Vertriebsmittler.3144 So entschied der BGH im Opel-Blitz-Urteil,3145 von einem Unternehmer, der der überwiegenden Zahl seiner Vertragshändler die Fortsetzung des Vertrages angeboten habe und lediglich einem oder wenigen den Abschluss verweigere, dürften die von der Verweigerung Betroffenen nach §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB Vertragsschluss fordern. Sie würden nämlich in dem fraglichen Markt „Geschäftsverkehr mit dem Unternehmer“ gegenüber anderen Händlern diskriminiert. Jenes Ergebnis dürfte sich auf das HV-Recht übertragen lassen. Der Händler muss jedoch seinen Geschäftsbetrieb so stark auf die Produkte des Herstellers ausgerichtet haben, dass er nur unter Inkaufnahme erheblicher Wettbewerbsnachteile zu einem anderen Hersteller wechseln kann. Daran ist auch zu denken, sofern der vom Mittler aufgebaute Kundenstamm auf die zuvor vertriebenen Produkte fixiert ist. Ähnlich wie der BGH im Opel-BlitzUrteil entschied das OLG Celle3146: ordne ein Kfz-Hersteller sein Vertriebsnetz neu und einige sich mit der Interessenvertretung der Vertragshändler auf einen für die ausscheidenden Händler als angemessen anzusehenden Ausgleichsanspruch analog § 89b, müsse der Hersteller einen ausscheidenden Händler gleichbehandeln, wenn jener mit der Beendigung des Händlervertrages nicht einverstanden sei. Der Hersteller dürfe von seiner gleichmäßigen Übung gegenüber früheren Vertragshändlern nicht willkürlich abweichen, weil dies gegen das Diskriminierungsverbot des § 19 GWB verstoße und einen Schadenersatzanspruch auslöse, der über § 33 Abs. 3 GWB, 249 BGB zur Gleichbehandlungspflicht führe. Ein marktbeherrschendes Unternehmen darf aber den Vertrieb seiner Leistungen über unterschiedliche Kategorien von Vertriebsmittlern organisieren und sie in Abhängigkeit der von ihnen gegenüber erbrachten Leistung unterschiedlich oder auch nicht vergüten.3147 Es liegt angesicht der Verschiedenartigkeit der Vertragsverhältnisse zumindest ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vor.

3140 BGH, Urt. v. 4.3.2008 – KZR 36/05, WRP 2008, 1376 (1379) = WM 2008, 1894 = WuW 2008, 1087 (DE-R 2363) Rn 39 f.

3141 OLG Celle, Urt. v. 29.3.2001 – 13 U 53/00, WuW DE-R 864 = WuW 2002, 504 (Kfz-Vertragshändler, selektives Vertriebssystem); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, Bd. 2: GWB, § 20 Rn 90.

3142 BGH, Urt. v. 24.9.2002 – KZR 28/99, WuW/E DE-R 1051 (1053) – Vorleistungspflicht; Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, Bd. 2: GWB, § 20 Rn 90.

3143 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 11.5.2004 – 11 U (Kart) 27/03, GRUR-RR 2004, 276 (277) – Autobahn-Raststätte; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, Bd. 2: GWB, § 20 Rn 91. Emde VersR 2012, 536 (541). WuW BGH 2491. OLG Celle, Urt. v. 29.3.2001 – 13 U 53/00, WuW DE-R 864 (866), 2002, 504. LG Frankfurt/M., Urt. v. 15.6.2016 – 2-06 O 79/16, NZKart 2016, 389. Dort wurde zumindest ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung in der unterschiedlichen Lage der Reisebüros gesehen.

3144 3145 3146 3147

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(b) Gleichbehandlung zwischen Vertriebsmittlern und konzerneigenen Vertriebsge- 450 sellschaften. Auch im Anwendungsbereich des § 19 GWB ist der Unternehmer nicht daran gehindert, ein Mischsystem eigener Niederlassungen mit einem Absatz durch Mittler zu kombinieren.3148 Daran schließt sich jedoch die Frage an, ob den Unternehmer eine Pflicht zur Gleichbehandlung seiner Vertriebsmittler mit konzerneigenen Vertriebsgesellschaften trifft. (aa) Dies ist nach einer Auffassung der Fall. So hat der BGH in einer Entscheidung die 451 Pflicht zur Gleichbehandlung zwischen konzerneigenen Vertriebsgesellschaften und unabhängigen Absatzmittlern befürwortet.3149 Insbesondere eine Provisionsspreizung und die Ungleichbehandlung von konzerneigenen und konzernfremden, aber als gleichartig anzusehende Unternehmen durch ein marktbeherrschendes Unternehmen kann den Wettbewerb behindern. Deshalb kann in Ausnahmefällen eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung bestehen, sofern die Besserstellung eines Konzernunternehmens zu einer Diskriminierung eines Wettbewerbers führt.3150 (bb) AA war der BGH in einem kartellrechtlichen Judiz zur Auskehrung von Einkaufsvortei- 452 len in Franchisesystemen: Konzerneigenen Betrieben dürften günstigere Konditionen eingeräumt werden als konzernfremden. Niemand sei verpflichtet, zu seinen Lasten fremden Wettbewerb zu fördern.3151 Auch nach Auffassung des OLG Düsseldorf verstößt eine FG weder gegen das Diskriminierungsverbot noch gegen das Verbot unbilliger Behinderung, sofern sie eigenen Filialen Ware zu günstigeren Konditionen als ihren FN zur Verfügung stellt. Es handele sich bei eigenen Filialen und FN nicht um gleichartige Unternehmen i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB.3152 Die zum Vergleich herangezogenen Unternehmen müssten „andere“ Unternehmen seien. Die sei nicht der Fall, da die Vergleichsunternehmen mit dem bevorzugten Konzernunternehmen eine unternehmerische Einheit bildeten.3153 Eine Behinderung gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB scheide aus. Die Bevorzugung von Konzernunternehmen könne sich zwar als Behinderung von Wettbewerbern darstellen. Jedoch sei jene idR nicht unbillig.3154 Etwas anderes gelte nur, falls sich die Außenwirkung der konzerninternen Vorgänge auf dem Markt zwischen den Konkurrenten auswirkten und zu einer wettbewerbswidrigen Schieflage führe.3155 Bei einer solchen Betrachtungsweise würde § 19 GWB jedoch innerhalb von Vertriebssystemen kaum eingreifen. Auch der Online-Vertrieb durch verbundene Unternehmen eines FG soll keine unbillige Behinderung i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB darstellen. Es fehle an der „Unbilligkeit“, da ein FG grds. seine geschäftliche Tätigkeit und sein Absatzsystem nach eigenem Ermessen so gestalten dürfe, wie er das für wirtschaftlich sinnvoll und richtig erachte.3156 Mit Rücksicht auf die umfänglichen Aktivitäten von Wettbewerbern auf dem Gebiet des Internethandels bestehe ein vernünftiges wirtschaftliches Interesse des FG daran, die Marke im Internet zu präsentieren.3157 (cc) Der letztgenannten Meinungsgruppe ist jedenfalls zu widersprechen, wenn der Eigen- 453 vertrieb des Unternehmers mittels selbstständig (in eigener Rechtsform) organisierter Gesellschaften erfolgt. Dann hat sich der Unternehmer dafür entschieden, jene Unternehmen wie Drit3148 Emde VersR 2012, 536 (541). 3149 BGH WuW/E DE-R 1151, 2003, 395; wohl auch OLG München, Urt. v. 8.1.2009 – U (K) 1501/08, BB 2009, 518 m. Anm. Schultze/Spenner; Hopt § 86a Rn 15.

3150 BKartA, Beschl. v. 24.5.2016 – B9-136/13, WuW 2016, 503. 3151 BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel); ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.12.2006 – VI-U (Kart) 36/05, BB 2007, 738 (740) = EWiR 2007, 395 (Emde); wohl zu Recht den BGH ablehnend Oechsler LMK 2009 276152. 3152 OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.12.2006 – VI-U (Kart) 36/05, BB 2007, 738 (740) = EWiR 2007, 395 (Emde). 3153 OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.12.2006 – VI-U (Kart) 36/05, BB 2007, 738 (740) = EWiR 2007, 395 (Emde). 3154 OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.12.2006 – VI-U (Kart) 36/05, BB 2007, 738 (740) = EWiR 2007, 395 (Emde). 3155 OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.12.2006 – VI-U (Kart) 36/05, BB 2007, 738 (740) = EWiR 2007, 395 (Emde). 3156 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2014 – VI-U (Kart) 4/14 – Franchisevertrag. 3157 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2014 – VI-U (Kart) 4/14 – Franchisevertrag. Das Ergebnis ist zwh. Der Gedanke, dass Wettbewerber bereits einen Internetvertrieb durchführten, rechtfertigt es nicht zwingend: Denn der Internetvertrieb kann auch über die Vertriebsmittler geführt werden. 271

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te zu behandeln (was voraussetzt, dass er es auch tut). Bei einem Eigenvertrieb des Unternehmers durch ihn selbst, und nicht durch verbundene, selbständige Konzerngesellschaften, ist der Unternehmer jedoch kein Drittunternehmen i. S. d. § 19 GWB: Die Vorschrift ist in dieser Situation unanwendbar.3158 Ein Durchgriff ist gleichwohl im Einzelfall denkbar. 454 (dd) Da dem Unternehmer die Freiheit seiner Disposition auch dergestalt zusteht, dass er eigene Vertriebsgesellschaften einsetzen darf, wo er zuvor unabhängige Mittler beschäftigte und das Recht zur ordentlichen Kündigung durch § 19 GWB nicht ausgeschlossen wird,3159 steht § 19 GWB einer Kündigung der Mittler zum Zweck, jene durch einen Eigenvertrieb des Unternehmers, z. B. mittels Konzernunternehmen, zu ersetzen, nicht entgegen.3160 Das gilt insb., wenn der Unternehmer auch in der Vergangenheit aus solchen Gründen gekündigt hat (fehlende Ungleichbehandlung).

455 (c) Vertragliche Verpflichtung des Unternehmers zum Vertriebssystem ausschließlich mit unabhängigen Vertriebsmittlern. Jedoch kann sich der Unternehmer vertraglich verpflichten, ein Vertriebssystem ausschließlich mit unabhängigen Mittlern zu unterhalten.3161 Dazu s. zunächst § 86a Rn 40. Die Klausel „Der Vertrieb erfolgt … nur über XX-Vertragshändler“ schließt etwa den Verkauf des Herstellers durch konzerneigene Gesellschaften aus.3162 Den Verstoß gegen dieses Versprechen kann auch ein Händler geltend machen, dem nicht im eigenen Vertriebsgebiet, aber in dessen unmittelbarer Nachbarschaft (hier: 20–30 Autominuten) als Konkurrent entgegengetreten wird.3163

bb) Zu § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB 456 (1) Marktbeherrschende Unternehmen. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB setzt eine marktbeherrschende Stellung des Unternehmers voraus. Diese wird es nur selten geben. Meist wird § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB daher über § 20 Abs. 1 GWB anwendbar. Aus dem Umstand, dass der Unternehmer bereits auf dem nationalen Markt keine marktbeherrschende Stellung innehat, soll geschlossen werden können, dass eine solche auf dem gemeinsamen Markt oder einen wesentlichen Teil desselben erst recht nicht gegeben ist.3164

457 (2) Gleichartiges Unternehmen. Das Merkmal des Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, wurde mit der 8. GWB-Novelle gestrichen. Geblieben ist der Begriff des „gleichartigen Unternehmen“. In diesem weit auszulegenden3165 TB-Merkmal kommt das Prinzip der Gleichbehandlung zum Ausdruck.3166 Die wirtschaftliche Funktion des gleichartigen Unternehmens muss im Wesentlichen übereinstimmen. Im Allgemeinen sind Unternehmen gleichartig, welche auf derselben Wirtschaftsstufe, etwa als Vertriebsmittler, stehen.3167 Beispiele: 3158 Emde VersR 2012, 536 (541). 3159 OLG Schleswig, Urt. v. 28.1.2010 – 16 U (Kart) 55/09, BeckRS 2010, 02834; Niebling WRP 2002, 310. 3160 BGH, Urt. v. 24.9.2002 – KZR 38/99, WuW/E DE-R 1051 (1083) – Vorleistungspflicht; Emde VersR 2012, 536 (541 f.).

3161 Emde VersR 2012, 536 (540). 3162 OLG Köln, Urt. v. 17.11.2000 – 19 U 200/00, BB 2000, 2595 = EWiR 2001, 23 (Emde) = WuW/E 2001, 185 DE-R 605 = NJW-RR 2001, 1178.

3163 OLG Köln, Urt. v. 17.11.2000 – 19 U 200/00, BB 2000, 2595 = EWiR 2001, 23 (Emde) = WuW/E 2001, 185 DE-R 605 = NJW-RR 2001, 1178.

3164 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807. 3165 BGH, Urt. v. 4.11.2003 – KZR 2/02, WuW/E DE-R 1203 (1204) – Depotkosmetik; v. 17.3.1998 – KZR 30/96, WuW/ E BGH DE-R 134 – Bahnhofsbuchhandel.

3166 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 60. 3167 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 61. Emde

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Vertragshändler3168 oder FN3169 eines bestimmten Herstellers im Verhältnis zueinander. Die qualitative Einschränkung bei der Auswahl der Vertriebsmittler schließt die übliche Zugänglichkeit nicht aus,3170 ebenso wenig die Beschränkung des Vertriebs auf HV.3171 HV eines Unternehmers sind aber nicht mit anderen, unabhängigen Unternehmen (etwa Werbeagenturen) gleichartig. Im Hinblick auf die von ihnen vermittelten Geschäfte sind HV ein in die Betriebsorganisation ihres Prinzipals eingegliedertes Hilfsorgan. Sie bilden insoweit mit ihm eine wirtschaftliche Einheit. Da alle Risiken aus dem vermittelten Absatzgeschäft den Geschäftsherrn treffen, entspricht der Vertrieb über HV wirtschaftlich und funktional dem Direktvertrieb über Tochtergesellschaften.3172

(3) Maßgeblicher Markt. Der maßgebliche Markt war nach einer bisher h. M. der mit den zu 458 vertreibenden Produkten. So sah das OLG Düsseldorf3173 in seiner Rolex-Entscheidung als für die Beherrschung relevanten Markt den Angebotsmarkt betreffend den Bezug hochwertiger Luxusuhren durch den Facheinzelhandel an. Der in geographischer Hinsicht relevante Markt sei nach Maßgabe der räumlich gegebenen tatsächlichen Austauschmöglichkeiten aus der Sicht der nachfragenden Einzelhändler zu bestimmen. Kann der Mittler wegen dort bestehender Vertriebsbindungen nicht auf andere Gebiete ausweichen, ist sein Vertriebsgebiet der räumlich relevante Markt.3174 Bei höherwertigen Verbrauchsgütern, wie etwa Luxusuhren, sei die Kundennachfrage im Allgemeinen nicht regional oder örtlich gebunden, sondern entfalte eine hohe Mobilität. Dementsprechend sei eine das Gebiet Deutschlands unterschreitende Marktabgrenzung nicht geboten. Im Franchisebereich soll das zu vertreibende Produkt den Markt definieren, etwa bei Heimwerkermärkten der Bau- und Heimwerkerbedarf.3175 Nach der Rspr. des BGH3176 dürfte es jetzt auf den vorgelagerten Bezugsmarkt des Mittlers ankommen, d. h., darauf, auf welche anderen Bezugsquellen er ausweichen kann. Geht es um eine Vertragsfortsetzung sind auch die Ausweichmöglichkeiten des Mittlers nach Vertragsende zu untersuchen. Eine Marktabgrenzung nach Vertriebswegen (z. B. Vertriebsmittler/Eigenvertrieb) ist regelmäßig nicht geboten,3177 allenfalls nach Vertriebsstufen (Großhandel/Einzelhandel).3178 Die Marktabgrenzung ist Sache des Tatrichters, da sie wesentlich von tatsächlichen Gegebenheiten abhängt. Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob der Tatrichter von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, ob er alle für die Abgrenzung wesentlichen Umstände hinreichend in Betracht gezogen hat und ob seine Entscheidung im Einklang mit den Gesetzen und einschlägigen Erfahrungssätzen steht.3179 3168 BGH, Urt. v. 21.2.1995 – KZR 33/93, WuW/E BGH 2983 (2988) – Kfz-Vertragshändler; v. 23.2.1988 – KZR 20/ 886, WuW/E BGH 2491 (2494) – Opel-Blitz.

3169 Billing/Lettl WRP 2012, 773 (778). 3170 BGH, Urt. v. 4.11.2003 – KZR 2/02, WuW/E DE-R 1203 (1204) – Depotkosmetik im Internet; OLG Celle, Urt. v. 22.7.2000 -13 U 137/98 (Kart), WuW/E DE-R 581 – VAG-Vertrieb; OLG München, Urt. v. 23.5.1996, U (K) 1951/95, WuW/ E OLG 5659 – Versand-Parfümerie – OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.1995 – 6 U 102/95, WuW/E OLG 5652; Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 65. 3171 BGH, Urt. v. 15.4.1986 – KVR 3/85, WuW/E BGH 2238 (2246). 3172 BGH, Urt. v. 31.1.2012 – KZR 65/10, WuW DE-R 3549 = BeckRS 2012, 04855. 3173 Urt. v. 29.10.2003 – XI-U (Kart) 30/00, WuW DE-R 1480. 3174 OLG Schleswig, Urt. v. 28.1.2010 – 16 U (Kart) 55/09, BeckRS 2010, 02834. 3175 Billing/Lettl WRP 2012, 773 (778). 3176 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 6/09, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) m. zust. Anm. Schultze/Oest; KZR 7/09, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428. 3177 BKartA, Fallbericht v. 15.9.2010 – B-3. 59/10 „Versandapotheke“; Janssen in: Oelschlägel/Scholz, Handbuch Versandhandelsrecht, 2013, Kap. 9D Rn 227. 3178 Janssen in: Oelschlägel/Scholz, Handbuch Versandhandelsrecht, 2013, Kap. 9D Rn 227. 3179 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 7/09, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428. 273

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459 (4) Alleinbezugsverpflichtungen. Vertikale Ausschließlichkeitsbindungen (Bezugsbindungen) können beiden Vertragsparteien Vorteile bieten. Der Lieferant erhält eine Absatzgarantie und der Abnehmer einen Marktzugang unter günstigen Bedingungen und mit einer Bezugsgarantie. Deshalb fallen Ausschließlichkeitsbindungen nicht per se sondern nur dann unter das Kartellverbot, wenn sie i. V. m. gleichartigen Bindungen zu einer erheblichen Marktabschottung führen.3180 Ein Maßstab, wann ein über mehrere Jahre laufender Austauschvertrag unter § 1 GWB fallen kann, lässt sich der GVO 330/10 entnehmen. Sie geht davon aus, dass Austauschverträge mit Lieferanten, die lediglich über einen Marktanteil von bis zu 30 % verfügen und erheblichem Wettbewerb ausgesetzt sind, von § 1 GWB erfasst und nicht generell nach § 2 GWB freigestellt werden, wenn durch sie mehr als 80 % des Gesamtbedarfs des jeweiligen Abnehmers gedeckt und die Laufzeit 5 Jahre übersteigt (Art. 3 und 5 i. V. m. Art. 1 lit. b GVO 330/ 10).3181 Ob langfristige Bezugsverträge eine Wettbewerbsbeschränkung bewirken, kann danach nicht ohne Blick auf die Laufzeit und den Grad der Bedarfsdeckung beurteilt werden. Die mit dem Abschluss des Austauschvertrages einhergehende Ausschlusswirkung ist umso größer, je länger der Vertrag läuft und je höher der betroffene Bedarf ist. Verträge über die Deckung des Gesamtbedarfs des Abnehmers sind kartellrechtlich unbedenklich, sofern sie wegen ihrer kurzen Laufzeit den Wettbewerb nicht zum Erliegen bringen. Ebenso sind langfristige Verträge unbedenklich, die wegen ihres geringen Anteils ausreichende Liefermengen für Wettbewerber belassen.3182 Ob eine Bezugsbindung zu einer erheblichen marktabschottenden Wirkung führt und im erheblichen Maße zur Abschottungswirkung beiträgt, ist in aller Regel anhand einer Analyse der Marktsituation unter Berücksichtigung der relativen Marktstellung des Lieferanten, Händlers und der Wettbewerber, der Bindungsdauer, des Umfangs der Vereinbarung, einer etwaigen Gesamtmarktabdeckung, Marktzutrittsschranken, der Marktreife und des Zusammenwirkens mit anderen wettbewerbsbeschränkenden Abreden im Vertrag zu beurteilen.3183 Die für eine 5jährige Vertragslaufzeit vereinbarte Alleinbezugsverpflichtung eines Mittlers – dort eines FN – stellt ebenfalls keine unbillige Wettbewerbsbehinderung i. S. v. §§ 1, 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB dar, wenn sie das gesamte Warensortiment umfasst und dazu dient, die Einheitlichkeit eines Franchisesystems und seiner Qualitätsstandards zu sichern.3184 Das folgt aus Art. 4 lit. a GVO 330/10, auf die im Rahmen der Billigkeitsprüfung zurückgegriffen werden kann. Der FG, der seinen FN als Großhändler mit der Vertragsware beliefert und diesem nicht sämtliche Einkaufsvorteile weitergibt, erfüllt nicht den TB einer unbilligen Behinderung iSv § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Auch die Kombination einer 100 %-igen Bezugsbindung mit der Nichtweitergabe sämtlicher Einkaufsvorteile stellt nicht per se eine unbillige Behinderung des FN dar. Das gilt jedenfalls dann, wenn der FG seinen FN als Großhändler mit der Vertragsware beliefert und für diese Großhandelstätigkeit einen Teil der Einkaufsvorteile einbehalten darf3185 (Rn 676 ff.). Sollte die Laufzeit der Alleinbezugsverpflichtung 5 Jahre übersteigen, kann ein Verstoß (nach Art. 101

3180 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.4.2019 – VI-Kart 2/18 (V), WuW 2019, 319 (321); Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/ 16, ZVertriebsR 2017, 313 = WuW 2018, 49 Rn 21.

3181 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.4.2019 – VI-Kart 2/18 (V), WuW 2019, 319 (321); Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/ 16, ZVertriebsR 2017, 313 = WuW 2018, 49 Rn 27.

3182 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.4.2019 – VI-Kart 2/18 (V), WuW 2019, 319 (321); Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/ 16, ZVertriebsR 2017, 313 Rn 23.

3183 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.4.2019 – VI-Kart 2/18 (V), WuW 2019, 319 (321); Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/ 16, ZVertriebsR 2017, 313 Rn 24.

3184 BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.1.2008 – VI-Kart 11/06 (V), GRUR-RR 2008, 324; Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466; LG Hamburg, Urt. v. 21.10.2011 – 408 HKO 87/10, BeckRS 2015, 20432. 3185 BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.1.2008 – VI-Kart 11/06 (V), GRUR-RR 2008, 324; Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466; hierzu etwa Flohr BB 2009, 2159 ff. Damit hob der BGH den „Praktiker-Beschluss“ (v. 8.5.2006 – B 9 – 149/04, ZIP 2006, 1007) des BKartA auf. Emde

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AEUV) vorliegen und der Mittler einen Anspruch auf Vertragsänderung geltend machen.3186 Ein Verstoß liegt insb. vor, falls die Alleinbezugsvereinbarung nicht erforderlich ist, um das Erhalt oder Funktionieren des Franchisesystems zu sichern.3187 Jedoch soll eine 8-jährige Alleinbezugsverpflichtung nach den Umständen des Einzelfalles nicht nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sein,3188 sofern sie beiden Parteien Vorteile bringt und vom Hersteller während der Vertragslaufzeit 14 Dosiergeräte mit einem Wert von 36.300 EUR überlassen wurden.3189

(5) Verkaufsanreize. Marktbeherrschende Unternehmen dürfen Mitarbeitern von Vertriebs- 460 mittlern grundsätzlich keine Anreize für den Verkauf der Produkte des Marktbeherrschers gewähren. Verkaufsanreize sind nur insoweit zulässig, als sie durch Kostenvorteile oder andere wirtschaftliche Gründe objektiv gerechtfertigt sind und auf transparenten Bedingungen beruhen. Anreize für nicht exklusive Händler sind (auch im nicht marktbeherrschenden Bereich) ab einer Größenordnung von 15 EUR (Daumenregel des Jahres 2005) nicht den beim Vertriebsmittler tätigen Verkaufsangestellten, sondern dem Mittler zu gewähren. Von der Veranstaltung von Verkaufswettbewerben sollte abgesehen werden. Anreize für nicht exklusive Absatzmittler dürfen nicht dazu führen, dass der Mittler seinen Kunden das betreffende Produkt ohne Beachtung objektiver Kriterien und ausschließlich wegen der Prämie empfiehlt.3190

cc) Zu § 20 Abs. 1 GWB. § 20 Abs. 1 GWB wird vor allem in Vertragshändlerverträgen regelmä- 461 ßig anwendbar sein.3191 Die relative Marktmacht muss im Vertikalverhältnis zwischen verschiedenen Marktstufen vorliegen. Sie ist aus der Sicht desjenigen Unternehmens zu bestimmen, dessen Abhängigkeit geprüft werden soll.3192 Der Begriff der Abhängigkeit wird durch das Fehlen ausreichender und zumutbarer Aus- 462 weichmöglichkeiten definiert, s. Wortlaut des § 20 Abs. 1 GWB.3193 Vertriebsvertragstypisch ist die unternehmensbedingte Abhängigkeit,3194 insb im Kfz-Vertragshändlerrecht,3195 aber auch im Franchiserecht.3196 Sie liegt vor, wenn sich ein Abnehmer aufgrund längerer, regelmäßig vertraglich abgesicherter Lieferbeziehung auf einen Händler festgelegt hat und ein Wechsel

3186 3187 3188 3189 3190 3191 3192

OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.4.2007 – VI-U Kart 13/06; hierzu Flohr BB 2009, 2159 (2161). Flohr BB 2009, 2159 (2161 f.). OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, ZVertriebsR 2017, 313 Rn 26. OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, ZVertriebsR 2017, 313 Rn 37. Lorenz WRP 2005, 992 ff.; zu diesem Thema auch Heermann WRP 2006, 8 ff. Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer10 Anh. § 310 Rn 943. BGH, Urt. v. 12.11.2002 – KZR 11/01, WuW/E DE-R 1087 (1091); v. 24.9.2002 – KZR 34/01, WuW/E DE-R 1011 (1012); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 23. 3193 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 24. 3194 Vgl. BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 6/09, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) m. Anm. Schultze/Oest; KZR 7/09, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428 (Zulassungsanspruch einer Kfz-Werkstatt), dort aber abgelehnt; v. 1.7.1976 – KZR 34/75, WuW-E BGH 1455 – BMW-Direkthändler; OLG Stuttgart, Urt. v. 23.3.1979 – 2 W (Kart) 8/79, WuW/E OLG 2103 – Porsche-Vertragshändler; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.1979 – U (Kart) 7/79, WuW/E OLG 2133 – Premiumbier; KG, Urt. v. 28.11.1979 – (Kart) 12/79, WuW-E OLG 2247 – Parallellieferteile; Billing/Lettl WRP 2012, 773 (775) zum Franchising; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 41; Martinek/Kahlenberg3 § 39 Rn 52. 3195 BGH, Urt. v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 535 Rn 54 – Porsche-Tuning; v. 21.2.1995 – KZR 33/95, WuW/E BGH 2993 (2988) – Kfz-Vertragshändler; v. 10.1.1993 – KVR 25/91, WuW/E BGH 2875 (2877) – Herstellerleasing; v. 23.2.1988 – KZR 20/86, WuW/E BGH 2491 (2493) – Opel Blitz; Martinek/Kahlenberg3 § 39 Rn 52. 3196 BKartA, Beschl, v. 8.5.2006 – B 9 – 149/04, S. 29 – Praktiker; aA Billing/Lettl WRP 2012, 773 (777). 275

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zu einem anderen Unternehmer deshalb nur mit existenzgefährdenden Folgen möglich ist.3197 Die Abhängigkeit ergibt sich vor allem daraus, dass der Kundenstamm des Mittlers nicht ohne weiteres auf eine andere Marke umgestellt werden kann,3198 da der Mittler einen bedeutenden Teil seines Betriebskapitals durch die auf die Marke spezialisierten Ersatzteile, Spezialwerkzeuge und Spezialmaschinen gebunden hat und die Umstellung auf neue Einrichtungen dieser Art eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen würde.3199 Der Wechsel zu einer anderen Marke stellt häufig keine ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeit dar.3200 Zur Bestimmung der Abhängigkeit sind alle Umstände in Betracht zu ziehen auch die Vertrags- oder Mindestlaufzeit,3201 die Verpflichtung zum Einhalten der Selektionskriterien (weil damit ein Wechsel zur CI anderer Unternehmer erschwert wird)3202 oder Bezugspflichten.3203 Bei einer ebenfalls im Vertriebsrecht nicht untypischen3204 sortimentsbedingten Abhängigkeit kommt es darauf an, welche Bezugsalternativen für jenes Unternehmen bestehen3205 (etwa Tätigkeit für andere Marken3206), bei einer nachfragebedingten Abhängigkeit darauf, welche Absatzalternativen das Unternehmen hat. Eine sortimentsbedingte Abhängigkeit soll vorliegen, wenn ein durchschnittlicher Laborchemikalienhändler die erstrebten Produkte in seinem Sortiment führen muss, um wettbewerbsfähig zu sein, weil von 21 Laborchemikalienhändlern 18 Händler angeben, Laborchemikalien des einen Herstellers seien nicht gegen vergleichbare Produkte eines anderen Herstellers austauschbar3207 oder ein Facheinzelhändler für Lederwaren, der in nennenswertem Umfang Koffer führt, darauf angewiesen ist, dass er seinen Kunden jedenfalls auch Koffer aus dem Sortiment des Unternehmers anbieten kann.3208 Die Unterfälle der sortimentsbedingten Abhängigkeit, nämlich Spitzenstellungsabhängigkeit3209 und Spitzengruppenabhängigkeit3210 ergeben sich nicht aus dem Vertriebsvertrag sondern aus der Art der vertriebenen Produkte. Eine Spitzenstellungsabhängigkeit besteht, falls der Hersteller auf Grund der Qualität und Exklusivität seiner Produkte ein solches Ansehen und eine solche Bedeutung auf dem Markt besitzt, dass der nachfragende Händler in seiner Stellung als Anbieter darauf angewiesen ist, gerade (auch) dieses Produkt zu führen, weil sein Fehlen im Angebot zu einem Verlust an 3197 Siehe OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.6.1978 – 6 U (Kart) 132/77, WuW-E OLG 1998 (1999); Billing/Lettl WRP 2012, 773 (775); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 41.

3198 OLG Stuttgart, Urt. v. 23.3.1979 – 2 W (Kart) 8/79, WuW/E OLG 2103 – Porsche-Vertragshändler; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.1979 – U (Kart) 7/79, WuW/E OLG 2133 – Premiumbier; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 41. 3199 BGH, Urt. v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 535 Rn 54 – Porsche-Tuning. 3200 BGH, Urt. v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 535 Rn 54 – Porsche-Tuning. AA nach den Verhältnissen im Werkstattbereich von Nutzfahrzeugen BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 6/09, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) m. Anm. Schultze/Oest; KZR 7/09, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428 (Zulassungsanspruch einer Kfz-Werkstatt). 3201 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.4.2011 – VI-U (Kart) 20/10, IHR 253 Rn 49; aA Billing/Lettl WRP 2012, 773 (776) zum Franchisevertrag – mit der Begründung, sie binde beide Vertragspartner. Anderes dürfte jedenfalls gelten, wenn sie in AGB des Unternehmers vereinbart wird. 3202 BKartA, Beschl, v. 8.5.2006 – B 9 – 149/04, ZIP 2006, 1007; vgl. Billing/Lettl WRP 2012, 773 (777). 3203 AA Billing/Lettl WRP 2012, 773 (776) zum Franchisevertrag. 3204 Pischel GRUR 2011, 685 (686). 3205 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.11.2013 – VI-Kart 5/09, WuW/E DE-R 4730 (4747) = WuW 2015, 888 (905); Billing/ Lettl WRP 2012, 773 (776). 3206 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 6/09, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) m. Anm. Schultze/ Oest; KZR 7/09, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428 (Zulassungsanspruch einer Kfz-Werkstatt). 3207 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.11.2013 – 7 Kart 5/09, WuW DE-R 4730 (4747) = WuW 2015, 888 (905). 3208 BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, ZVertriebsR 2018, 128 = NZKart 2018, 134 = WuW 2018, 142 Rn 15. 3209 Hierzu BGH, Urt. v. 9.5.2000 – KZR 28/98, GRUR 2000, 1108 (1109); OLG München, Urt. v. 17.9.2015 – U 3886/ 14 Kart, NZKart 2015, 490 m. abl. Anm. Weiß GRUR-Prax 2015, 517 – Koffer mit Rillendesign. 3210 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 34. Emde

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Ansehen und zu einer gewichtigen Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit des Händler führt und sich daher vorhandene Möglichkeiten, auf andere Anbieter auszuweichen, nicht als ausreichend oder zumutbar erweisen.3211 Ob eine solche Form der Abhängigkeit vorliegt, ist anhand einer umfassenden Würdigung der Umstände des Falles zu beurteilen.3212 Hinweise auf eine Spitzenstellung können sich etwa aufgrund der hervorragenden Qualität, der einmaligen technischen Gestaltung oder der exponierten Werbung ergeben.3213 Beispiel: Die Ware ist durch gleichartige Waren anderer Hersteller im Sortiment eines Händlers nicht ersetzbar.3214 Verhält es sich so, dass der Verkehr das Angebot eines betreffenden Produkts beim Händler als selbstverständlich voraussetzt, und führt das Fehlen dieser Ware im Angebot zu einem Verlust an Ansehen und zu einer gewichtigen Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit des Händlers, so wird sich diese Stellung – zumindest bei einer Ware, die nicht über ein selektives Vertriebssystem abgesetzt wird – in einer entsprechenden Distributionsrate niederschlagen: die Ware wird sich in diesem Fall im Sortiment aller vergleichbaren Händler – nur auf solche Händler kommt es an3215 – finden, so dass eine hohe Distributionsrate jedenfalls außerhalb des selektiven Vertriebs ein deutliches Indiz für eine Spitzenstellungsabhängigkeit darstellt.3216 Bei einem Vertrieb über ein qualitativ-selektives Vertriebssystem (dazu oben) kann diesem Indiz ein geringeres Gewicht beizulegen sein.3217 In einem solchen System beliefert der Anbieter nur Händler, die bereit sind, bestimmte qualitative Vorgaben zu erfüllen. Die Bereitschaft der Händler hierzu kann darauf hinweisen, dass die Produkte des Anbieters für sie von besonderer Bedeutung sind. Zugleich kann der Befund, dass die betreffenden Waren nicht von fast allen vergleichbaren Händlern geführt werden, bei einer solchen Sachlage seine Erklärung darin finden, dass bestimmte Händler den Kriterien des Selektivvertriebs nicht genügen.3218 Entschließt sich ein Anbieter zu einem bestimmten Zeitpunkt dazu, auf ein qualitativ- selektives Vertriebssystem umzustellen, spricht das regelmäßig für das Vorliegen einer Spitzenstellungsabhängigkeit, wenn sich für den Zeitraum zuvor eine hohe Distributionsrate feststellen lässt.3219 Ein hoher Marktanteil spricht gleichfalls für eine solche Abhängigkeit,3220 nicht jedoch ein solcher von 4–5 % bei Umsatzzuwächsen von 20 % und einem Anteil der fraglichen Produkte am Gesamtumsatz von 1 %3221 oder ein Marktanteil von weniger als 10 %.3222 Wenn trotz hoher Distributionsrate (80 % der Händler führten die Produkte des Herstellers) 20 % der Händler ohne jene Ware auskommen, spricht dies gegen eine Spitzenstellungsabhängigkeit.3223 Gegenbeispiel (Kontrahierungsanspruch befürwortet): Bis zum Jahr 2008 war das Produkt in praktisch jedem Fachgeschäft in Deutschland angeboten worden. Bei Koffern von über 400 EUR hatte der Unternehmer einen

3211 BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, ZVertriebsR 2018, 128 = NZKart 2018, 134 = WuW 2018, 142 Rn 16; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HK O 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3082) – JPG Le Male.

3212 BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, ZVertriebsR 2018, 128 Rn 17. 3213 BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, ZVertriebsR 2018, 128 Rn 17; OLG München, Urt. v. 17.9.2015 – U 3886/14 Kart, NZKart 2015, 490 (491) m. abl. Anm. Weiß GRUR-Prax 2015, 517 – Koffer mit Rillendesign.

3214 OLG München, Urt. v. 17.9.2015 – U 3886/14 Kart, NZKart 2015, 490 (491) m. abl. Anm. Weiß GRUR-Prax 2015, 517 – Koffer mit Rillendesign.

3215 BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, NZKart 2018, 134 = WuW 2018, 142 Rn 27; OLG München, Urt. v. 17.9.2015 – U 3886/14 Kart, NZKart 2015, 490 (491) m. abl. Anm. Weiß GRUR-Prax 2015, 517 – Koffer mit Rillendesign.

3216 BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, NZKart 2018, 134 = WuW 2018, 142 Rn 18; OLG München, Urt. v. 17.9.2015 – U 3886/14 Kart, NZKart 2015, 490 (491) m. abl. Anm. Weiß GRUR-Prax 2015, 517 – Koffer mit Rillendesign. BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, NZKart 2018, 134 = WuW 2018, 142 Rn 19. BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, ZVertriebsR 2018, 128 Rn 19. BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, ZVertriebsR 2018, 128 Rn 19. LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HK O 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3082) – JPG Le Male. LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HK O 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3082/3083) – JPG Le Male. LG Dortmund, Urt. v. 13.12.2017 – 8 O 16/17, ZVertriebsR 2019, 65 Rn 22. BGH, Urt. v. 9.5.2000 – KZR 28/98, NJW-RR 2000, 1286 (Leitsatz dort unrichtig wiedergegeben).

3217 3218 3219 3220 3221 3222 3223 277

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Marktanteil von über 95 %.3224 Das OLG Düsseldorf3225 verneinte im Einklang mit der Rspr. des BGH3226 einen aus Art. 101 AEUV i. V. m. §§ 33 Abs. 3 GWB, 249 BGB hergeleiteten Belieferungsanspruch gegen den Hersteller von „Rolex-Uhren“ wegen einer „Spitzenstellungsabhängigkeit“ eines Händlers von diesen Uhren. Es könne aber Schadenersatz in Gestalt einer Belieferungsverpflichtung aus § 19 i. V. m. § 33 S. 1 GWB und § 249 BGB geschuldet sein, wenn ein marktbeherrschendes oder jedenfalls marktstarkes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, einem anderen, insbes. einem von ihm abhängigen Unternehmen, Geschäftsbeziehungen ohne einen sachlich gerechtfertigten Grund oder in einer unbillig behindernden Weise verweigert (zum Kontrahierungsanspruch Rn 466 ff.). Ob eine unbillige Behinderung oder eine sachlich ungerechtfertigte ungleiche Behandlung erfolgt, ist auch hier anhand einer Abwägung der individuellen Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB einschließlich der Wertung des europäischen Kartellrechts zu ermitteln. Im entschiedenen Fall fehlte eine Belieferungspflicht wegen des geringen Distributionsgrades (von 10.000 Uhren- und Schmuckfachgeschäften führten lediglich 140 Rolex-Uhren) und der mangelnden Erwartung der beteiligten Verkehrskreise, die Fachgeschäfte müssten diese Uhren führen. Eine Spitzengruppenabhängigkeit liegt vor, falls der Händler zwar nicht eine bestimmte, aber mehrere allgemein anerkannte Marken aus einer Spitzengruppe im Sortiment führen muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben.3227 Bei einer Ware, die nicht über ein selektives Vertriebssystem abgesetzt wird, geht eine Spitzengruppenabhängigkeit im Allgemeinen mit einer hohen Distributionsrate einher.3228 Die hohe Präsenz der Produkte (Distributionsrate von 80 %) dokumentiert, dass sie von den meisten Fachhändlern als unverzichtbarer Bestandteil eines entsprechenden Sortiments angesehen werden und eine Spitzengruppenabhängigkeit vorliegt,3229 nicht aber bei einer Distributionsrate von 64 %.3230 Nur in besonders gelagerten Fällen kann eine Distributionsrate von 5–10 % genügen.3231 Ein Anspruch auf ein Vollsortiment besteht nicht ohne Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen.3232 Bei der Prüfung der Abhängigkeit ist auch das eigene Verhalten des abhängigen Unter463 nehmens zu berücksichtigen, etwa wenn das Unternehmen in zurechenbarer Weise seinen Betrieb einseitig auf die Geschäftsbeziehung mit einem anderen Unternehmen ausgerichtet hat (selbstverschuldete Abhängigkeit).3233 Beruht etwa eine Abhängigkeit vom Unternehmer nicht auf Charakteristika der jeweiligen Branche, sondern auf einer selbst gesuchten Spezialisierung des Belieferung suchenden Unternehmers, so kann dies einen Anspruch auf Belieferung ausschließen.3234 Bei einem solchen Handeln können dem abhängigen Unternehmen größere Opfer und Risiken zugemutet werden, als einem Unternehmen, welches ohne eigenes Zutun in 3224 OLG München, Urt. v. 17.9.2015 – U 3886/14 Kart, NZKart 2015, 490 (491) m. abl. Anm. Weiß GRUR-Prax 2015, 517 – Koffer mit Rillendesign.

3225 OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.2003 – VI-U (Kart) 30/00, WuW 2005, 244 = DE-R 1480. 3226 BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/95, BB 1998, 2332 = ZIP 1998, 2070 = DB 1998, 2461 = NJW-RR 1999, 189 m. Anm. Mäsch ZIP 1999, 1507 und Birk EWS 2000, 485. 3227 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HK O 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3082) – „JPG Le Male“. 3228 BGH, Urt. v. 9.5.2000 – KZR 28/98, NJW-RR 2000, 1286. 3229 BGH, Urt. v. 9.5.2000 – KZR 28/98, NJW-RR 2000, 1286. 3230 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HK O 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3083) – JPG Le Male. 3231 BGH, Urt. 24.9.1979 – KZR 16/78, WuW/E BGH 1671 = WuW 1980, 415; KZR 20/78, WuW/E BGH 1629 = WuW 1980, 127; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HK O 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3083) – JPG Le Male. 3232 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HKO 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3083) – JPG Le Male. 3233 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 28 – Jaguar; v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 535 Rn 52 – Porsche-Tuning; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 35. 3234 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 28 – Jaguar; v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 525 Rn 52 – Porsche-Tuning. Emde

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Abhängigkeit geraten ist.3235 Die Zurechnung zu Lasten des abhängigen Unternehmens darf jedoch nicht erfolgen, wenn die einseitige Ausrichtung der Geschäftsbeziehungen marktüblich ist oder vom Geschäftspartner verlangt wurde3236 (Beispiel: Ausrichtung auf die CI des Unternehmers). So mag eine unternehmensbedingte Abhängigkeit vorliegen, wenn der Abhängige über viele Jahre besonderes, markenspezifisches Know-How erworben hat und aufgrund dieser Ausrichtung seines Geschäftsmodells, die erheblich über eine bloße einseitige Spezialisierung im Vertrieb hinaus geht, ein Ausweichen auf andere Anbieter, z. B. auf andere Automarken, nicht zumutbar ist.3237 Der Umstand, dass eine solche Abhängigkeit ohne vertragliche Vereinbarung im Wege einer autonomen Bezugskonzentration selbst geschaffen wurde, ist im Rahmen der Interessenabwägung bei der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen.3238 Auch wenn ein Mittler die in § 89 genannte Zeitspanne ungenutzt verstreichen lassen, obwohl Anlass bestand, sich um Ausweichmöglichkeiten zu bemühen, kann die Abhängigkeit zu verneinen sein.3239 Der Mittler ist gehalten, sich um eine andere Marke zu bemühen und während einer gewissen Zeit die dafür erforderlichen Investitionen vorzunehmen sowie seinen Kundenstamm umzustellen.3240 Der HV eines Lotterieunternehmens soll von der Lotterie als staatlicher Monopolistin nicht i. S. d. §§ 19, 20 GWB abhängig sein.3241 Die Tätigkeit als HV der Lotterie stellt keinen eigenen Markt dar. Der HV müsse sich auf andere Tätigkeiten eines HV im Außendienst verweisen lassen.3242 Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit bei demjenigen, der einen (Belieferungs)- 464 Anspruch geltend macht.3243 Der Vortrag, 70% des Umsatzes stammten aus dem Verkauf der Produkte nebst Ersatzteilen und Zubehör, soll keine Unmöglichkeit zeigen, künftig Produkte eines anderen Herstellers zu vertreiben.3244 Das gilt zumindest, falls hierdurch prohibitive Kosten entstehen.3245 Die Beurteilung, ob eine sortimentsbedingte Abhängigkeit oder eine Spitzenstellungsabhängigkeit besteht, ist grds. dem Tatrichter vorbehalten und vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend § 286 ZPO umfassend und widerspruchsfrei mit dem Prozessstoff auseinandergesetzt hat.3246

dd) Rechtsfolgen des Verstoßes gegen das Behinderungs- und Diskriminierungsver- 465 bot. Gegen einen Verstoß nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB kann die Kartellbehörde im Untersagungsverfahren vorgehen. Sie kann ferner ein Bußgeldverfahren nach §§ 81 ff. GWB einleiten. Ebenso besteht die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörde gem. § 34 GWB. Nach §§ 33 Abs. 1 GWB können zivilrechtlich Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche (verschuldensunabhängig) sowie nach Abs. 3 (verschuldensabhängig) Schadenersatzansprüche gel3235 3236 3237 3238

Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 35. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 35. BGH, Urt. v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 525 Rn 54 – Porsche-Tuning. BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 28 – Jaguar; v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 525 Rn 54 – Porsche-Tuning. 3239 KG v. 3.12.1974, (Kart) 37/74, WuW/E OLG 1548 (1541); OLG Düsseldorf v. 21.2.1978 – (Kart) 16/76, WuW/E OLG 1913 (1918) – Allkauf, Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 43. 3240 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim Kartellrecht, § 20 Rn 43. 3241 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 4.2.2014 – 11 U 22/13 (Kart), BeckRS 2015, 04853; aA wohl BGH, Urt. v. 7.3.1989, KZR 15/87, BGHZ 107, 273. 3242 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 4.2.2014 – 11 U 22/13 (Kart), BeckRS 2015, 04853; aA wohl BGH, Urt. v. 7.3.1989, KZR 15/87, BGHZ 107, 273. 3243 BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, ZVertriebsR 2018, 128 Rn 18; LG Dortmund, Urt. v. 13.12.2017 – 8 O 16/17, ZVertriebsR 2019, 65 Rn 21. 3244 OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.8.2020 – VI-U (Kart) 10/20, WuW 2020, 542 (547) – Motorrad-Händler. 3245 OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.8.2020 – VI-U (Kart) 10/20, WuW 2020, 542 (547) – Motorrad-Händler. 3246 BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, ZVertriebsR 2018, 128 Rn 20. 279

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tend gemacht werden, und zwar sowohl von den Betroffenen als auch von rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen. Denkbar ist etwa ein Schadenersatzanspruch gem. §§ 33 Abs. 3, 19 GWB, gerichtet auf Rücknahme einer Kündigung bzw. auf Wiedereingliederung in das Absatzsystem der Beklagten.3247 Aus § 33 Abs. 1, 3 GWB i. V. m. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB kann sich ggf. auch ein Anspruch auf Vertragsschluss, insb. auf Belieferung oder Aufnahme ergeben3248 (zum Kontrahierungsanspruch Rn 466 ff.), Ansprüche aus cic und Arglistanfechtung werden diskutiert.3249 Gem. § 134 GWB sind Vertragsbestimmungen nichtig, die Dritte beim Marktzugang unbillig behindern. Dagegen sind Rechtsgeschäfte, durch die die Marktpartner unterschiedlich behandelt werden, grds. nicht nichtig, da die Gleichbehandlung in der Regel durch entsprechende Abänderung der Vereinbarung möglich ist und die dem Beeinträchtigtem zur Verfügung stehenden Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche meist zur Durchsetzung seiner Interessen ausreichen.3250

ee) Kontrahierungsanspruch, Belieferungsanspruch und ihr Verhältnis zum Schadenersatzanspruch 466 (1) Einleitung. Grundsätzlich steht es Lieferanten, die keine marktstarke oder marktbeherrschende Stellung auf dem Markt haben, frei, die Belieferung von Händlern zu verweigern. Es besteht weder beim selektiven Vertriebssystem noch beim Vertriebssystem ohne selektive Zulassungskriterien ein Kontrahierungszwang, es sei denn, der Lieferant ist marktbeherrschend oder marktstark (§§ 19, 20 GWB).3251 Es ist umstritten, unter welchen Umständen ausnahmsweise3252 in erheblicher Abweichung von dem Recht des Unternehmers auf negative Abschlussfreiheit3253 Dritten ein Anspruch auf Zugang zu einem Vertriebssystem und zur Belieferung durch den Unternehmer zustehen kann. Insoweit zu unterscheiden sind der Belieferungs- und Kontrahierungsanspruch.3254 Der ver467 triebsrechtliche Kontrahierungsanspruch ist auf Abschluss eines Rahmenvertrages (Vertriebsvertrages) über die Belieferung gerichtet, der Belieferungsanspruch auf „weniger“, nämlich die bloße Belieferung ohne bindenden Rahmenvertrag. Gewichtend beschrieben bildet der Belieferungsanspruch einen „kleinen Kontrahierungsanspruch“, gerichtet auf den Abschluss nur der Einzelgeschäfte ohne rahmenvertragliche Absicherung.3255 Beide Ansprüche sind als Schadenersatzanspruch aus § 33 Abs. 3 GWB zumindest gegeben, sofern die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB erfüllt sind. Das ist, obwohl nicht viele Klagen auf Abschluss und Belieferung Erfolg zu haben scheinen,3256 weitgehend unstrittig. Stark umstritten ist, ob auch ein An3247 OLG Celle, Urt. v. 22.6.2000 – 13 U 137/98, WuW DE-R 581, 2001, 65 = OLGR Celle 2001, 126 (im dortigen Fall abgelehnt).

3248 BGH, Urt. v. 24.6.2003 – KZR 32/01, WuW/E DE-R 1144 (1146) – Schülertransporte; v. 24.9.1979, KZR 20/78, WuW/E BGH 1629 (1630) – Modellbauartikel II; v. 8.5.1979 – KZR 13/78, 1587 (1588) – Modellbauartikel I, v. 20.11.1975, KZR 1/75, WuW/E BGH 1391 – Rossignol; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim § 20 Rn 107; OLG München, Urt. v. 17.9.2015 – U 3886/14 Kart, NZKart 2015, 490 (491) m. abl. Anm. Weiß GRUR-Prax 2015, 517 – Koffer mit Rillendesign. 3249 Dück/Schultes NZKart 2013, 228. 3250 BGH, Urt. v. 24.6.2003, KZR 32/01, WuW/E DE-R 1144 (1145) – Schülertransporte; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.3.2003, U (Kart) 20/02, WuW/E DE-R 1184; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Loewenheim § 20 Rn 105. 3251 Emde NZKart 2013, 355; Spenner/Kiani ZVertriebsR 2013, 335 (336). 3252 Zum Ausnahmecharakter des Belieferungsanspruchs Traugott WuW 1997, 486 (493). 3253 Art. 2 Abs. 1 GG; s. Traugott WuW 1997, 486 (487); Wegener BB 2010, 1867 (1872). 3254 Emde NZKart 2013, 355. 3255 Emde NZKart 2013, 355. 3256 S. etwa BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 6/09, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) m. zust. Anm. Schultze/Oest; KZR 7/09, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.2003 – XI-U (Kart) 30/00, WuW DE-R 1480 – Rolex. Emde

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spruch aus § 33 Abs. 1, 3 i. V. m. Art. 101 AEUV besteht (dazu Rn 468). Eine Folgefrage ist dann, ob ein Wahlrecht des Anspruchstellers auf Belieferung oder – weitergehend – rahmenvertraglich gesicherte Aufnahme in das Vertriebssystem des Unternehmers besteht.

(2) Kontrahierungsanspruch aus §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB i. V. m. § 33 Abs. 3 GWB (a) Grundlagen des Kontrahierungsanspruchs. Unterliegt der Hersteller gem. §§ 19 Abs. 2 468 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB einem Kontrahierungszwang, so ist er zum Abschluss des Vertriebsvertrages und anschließender Belieferung verpflichtet.3257 Der Anspruch folgt zumindest als verschuldensabhängiger3258 Schadensersatzanspruch aus §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 GWB, § 249 BGB, falls ein marktstarker Unternehmer einem von ihm abhängigen Interessenten Geschäftsbeziehungen ohne sachlich gerechtfertigten Grund verweigert3259 und die Selektionskriterien des Unternehmers erfüllt sind. Dann ist es ihm untersagt, einen Rahmenvertrag oder die Annahme von Aufträgen ohne sachlichen Grund abzulehnen.3260 Daneben kann ein verschuldensunabhängiger3261 Beseitigungsanspruch aus § 33 Abs. 1 GWB, § 1004 BGB bestehen. AA war (wohl unzutreffend) das OLG Koblenz3262: Danach kann eine Lieferverpflichtung nicht auf die heutigen §§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. § 33 Abs. 1, 3 GWB gestützt werden, weil § 33 GWB in seiner Rechtsfolge lediglich auf einen Unterlassungs- und Schadenersatzanspruch gerichtet sei. Das für § 33 Abs. 3 GWB erforderliche Verschulden ist bereits dann anzunehmen, wenn der Normadressat erkennen konnte, dass keine Gründe zur Abschlussverweigerung vorlagen. Der Kontrahierungszwang hat insb. im Kfz-Werkstattgeschäft (dazu Rn 489 ff.) Bedeutung verlangt. Im Grundsatz ist anerkannt, dass im Anwendungsbereich der §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 469 GWB in gleicher Situation eine Pflicht des Unternehmers zur Gleichbehandlung der Bewerber zu einem Vertriebssystem mit den bereits zugelassenen Vertriebsmittlern besteht (Vor § 84 Rn 262 ff.). Theoretisch kann ein solcher Kontrahierungszwang zugunsten aller Bewerber um einen Vertriebsvertrag eingreifen, gleich ob es sich um einen HV-,3263 Vertragshändler3264 oder Franchisevertrag handelt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Unter-

3257 Emde NZKart 2013, 355 (356). 3258 Kritik an dem Verschuldenserfordernis äußert Immenga/Mestmäcker/Markert GWB3 2001, § 20 Rn 228. Die Kritik dürfte berechtigt sein, bleibt jedoch wegen des verschuldensunabhängigen Anspruchs aus § 33 Abs. 1 GWB, § 1004 BGB irrelevant. Ein Verschulden liegt zumindest vor, wenn der Unternehmer den Vertrag trotz Aufforderung des Bewerbers nicht schließt. Denn dann obliegt dem Unternehmer eine Rechtsprüfung. 3259 BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/96, WRP 1999, 101 = BB 1998, 2353 = ZIP 1998, 2070 = DB 1998, 2461 = NJWRR 1999, 189 („Depotkosmetik“) m. Anm. Mäsch ZIP 1999, 1507 und Birk EWS 2000, 485; v. 17.1.1979 – KZR 1/78, NJW 1979, 2152 = LM § 26 GWB Nr. 34 = WuW–E 1567 (1569) – Nordmende; v. 26.10.1972 – KZR 54/71, NJW 1973, 280 = LM § 26 GWB Nr. 22 = WuW–E 1238 (1245) – Registrierkassen; BGHZ 49, 90 (98) = NJW 1968, 400 – Jägermeister; OLG München, Urt. v. 17.9.2015 – U 3886/14 Kart, NZKart 2015, 490 (491) m. abl. Anm. Weiß GRUR-Prax 2015, 517 – Koffer mit Rillendesign; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.2003 – VI-U (Kart) 30/00, WuW 2005, 244 = DE-R 1480; Traugott WuW 1997, 486 (487 ff.) – zum Belieferungsanspruch; Martinek/Kahlenberg3 § 39 Rn 188; Loewenheim/Meesen/ Riesenkampff/Rehbinder Kartellrecht II, § 33 Rn 52; aA Lübbert in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 2008, § 30 Rn 8; s. a. Mäsch ZIP 1999, 1507. 3260 OLG Brandenburg, Urt. v. 31.3.2009 – Kart U 4/08, WuW DE-R 2824 – Lotteriegesellschaft. 3261 OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.3.1980 – 6 U 223/77, WuW/E OLG 2217; v. 8.11.1978 – 6 U 192/77, WuW/E OLG 2085 (2091); KG v. 12.10.1979 – (Kart) U 540/79, WuW/E OLG 2210; Aicher/Schroeder/Schuhmacher/Stockenhuber in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 40. Aufl. 2009, Art. 81 Rn 253; offen gelassen in BGH v. 8.5.1979 – KZR 13/78, WuW/E BGH 1587 – Modellbauartikel I. 3262 OLG Koblenz, Urt. v. 4.6.2013 – 3 U 375/13, BB 2013, 2131 mit abl. Anm. Ayad. 3263 Zum Versicherungsvertrieb etwa Stancke VersR 2009, 1168 (1177). 3264 Creutzig EG-Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) für den Kraftfahrzeugsektor, Rn 748 zu Kfz-Vertragshändlern. 281

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nehmer das Händlernetz ausdünnen will.3265 Die Art des betroffenen Vertriebssystems ist unbeachtlich. Richtet sich der Aufnahmeanspruch gegen eine Wirtschafts- oder Berufsvereinigung, verstößt es auch gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 20 Abs. 6 GWB, wenn die Aufnahmekriterien gegenüber einem Bewerber angewendet werden, gegenüber anderen jedoch nicht.3266

470 (b) Kontrahierungsanspruch ist nicht auf selektive Vertriebssysteme beschränkt. Die meisten Quellen betreffen selektive Vertriebssysteme. Dort wird der Anspruch bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 33 GWB bejaht, sofern der Bewerber die jeweiligen Selektionsbedingungen erfüllt.3267 Auf solche Systeme beschränkt ist der Anspruch wohl nicht. Jedoch müssen beim Bewerber alle Voraussetzungen für die Aufnahme in das Vertriebssystem des Unternehmers vorliegen.3268

471 (c) Zeitpunkt des Vorhandenseins der Selektionskriterien. Vor Abschluss des erstrebten Vertrages braucht der Bewerber nur Selektionskriterien zu erfüllen, deren Erfüllung angesichts der Unsicherheit, ob der Vertrag gezeichnet wird, wirtschaftlich zumutbar sind. Fehlt es an der Zumutbarkeit, genügt die einseitige Erklärung oder die Verpflichtung des Bewerbers, die Selektionskriterien nach Wirksamwerden des Vertrages zu erfüllen. Dies gilt etwa für Mindestbevorratungsmengen. Ohnehin ist zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt ein bestimmtes Selektionskriterium erfüllt sein muss. Im Zweifel (§ 305c Abs. 2 BGB) ist dies erst der Vertragsbeginn. Im Falle eines Gerichtsverfahrens beurteilt sich die Frage, ob ein kartellrechtlicher Aufnahmeanspruch, etwa nach den §§ 33 Abs. 1, 3, 20 Abs. 6 GWB besteht, nach der Lage im Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung.3269 Dem Bewerber muss eine angemessene Zeitspanne eingeräumt werden, um ggf. geänderten Anforderungen zur Aufnahme in das bzw. zum Verbleib im System zu genügen.3270 Der Hersteller darf aber den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen, soweit der Bewerber die Selektionsbedingungen nicht binnen angemessener Frist umsetzt. Außerdem kann der Hersteller die Selektionskriterien ändern; hierin liegt regelm. kein Rechtsmißbrauch.3271 Bei der Anschaffung von durch die Selektionskriterien geforderten Geräten steht dem Bewerber Ermessen zu. Kann der erstrebte Rahmenvertrag auch ohne ein Spezialgerät sachgerecht ausgeführt werden, sind Erwerbsverpflichtungen unter Kündigungsandrohung unzulässig.3272 Sofern der Internetvertrieb untersagt werden darf3273 oder ein Unternehmer lediglich stationäre Fachgroßhändler beliefert,3274 bietet dies einen sachlich gerechtfertigten Grund, die Belieferung reiner Internethändler sowie ihre Aufnahme in das Händlernetz zu verweigern.

3265 OLG München, Urt. v. 17.9.2015 – U 3886/14 Kart, NZKart 2015, 490 (491) m. abl. Anm. Weiß GRUR-Prax 2015, 517 – Koffer mit Rillendesign.

3266 OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.1.2013 – VI-U (Kart) 5/12, ZVertriebsR 2014, 308 m. Anm. Wegner/Oberhammer. 3267 OLG München, Urt. v. 17.9.2015 – U 3886/14 Kart, NZKart 2015, 490 (491) m. abl. Anm. Weiß GRUR-Prax 2015, 517 – Koffer mit Rillendesign; Creutzig EG-Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) für den Kraftfahrzeugsektor, Rn 748 zu Kfz-Vertragshändlern. 3268 BGH, Urt. v. 30.6.1981 – KZR 11/80, NJW 1981, 2357. 3269 OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.1.2013 – VI-U (Kart) 5/12, ZVertriebsR 2014, 308 m. Anm. Wegner/Oberhammer. 3270 OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.1.2013 – VI-U (Kart) 5/12, ZVertriebsR 2014, 308 m. Anm. Wegner/Oberhammer. 3271 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.1.2013 – VI-U (Kart) 5/12, NZKart 2013, 125 – „Großhandelsverband Haustechnik“ zur Änderung von Satzungsbestimmungen. 3272 Niebling WRP 2009, 153 (157). 3273 BGH, Urt. v. 4.11.2003 – KZR 2/02, „Depotkosmetik im Internet“, WuW/E DE-R 1203; Nolte BB 2014, 1155 (1158). 3274 OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.1.2013 – VI-U (Kart) 5/12, ZVertriebsR 2014, 308 m. zust. Anm. Wegner/Oberhammer. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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(d) Abhängigkeit. Schwierigkeiten bereitet die Feststellung der vom Bewerber darzulegenden 472 und nachzuweisenden Abhängigkeit.3275

(3) Anspruch aus § 33 Abs. 1, 3 i. V. m. Art. 101 AEUV (a) Streitstand. Umstritten ist, ob der Kontrahierungsanspruch – und ein solcher auf Beliefe- 473 rung – außer aus §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB i. V. m. § 33 Abs. 1,3276 3 GWB auch aus § 33 Abs. 1, 3 GWB i. V. m. dem heutigen Art. 101 AEUV3277 gerechtfertigt sein kann. Das verneint die hM.3278 Mit einer Spezialität des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB wird man dies schon wegen des Vorranges des Europarechts nicht begründen können.3279 Der wichtigste Anwendungsfall eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV ist auch hier die Verweigerung des Vertragsschlusses trotz Erfüllung aller Zugangsvoraussetzungen zu einem selektiven Vertriebssystem (Rn 199 ff.). Verweigert der Hersteller den Zugang, verletzt sein Vertriebssystem Art. 101 AEUV.3280 Die Zulassungsbedingungen müssen einheitlich und objektiv festgelegt und in nicht diskriminierender Weise angewandt3281 und möglichst bestimmt festgelegt werden, um dem Hersteller beim Zulassungsanspruch keine Möglichkeit willkürlicher Händlerauswahl zu geben.3282 Ehe § 33 GWB den Schadenersatz- und Beseitigungsanspruch auch auf Verstöße gegen Art. 101 AEUV erstreckte, wurde diese Frage unter den Anspruchsgrundlagen § 823 Abs. 2 BGB (statt § 33 Abs. 3 GWB) oder § 1004 BGB (statt § 33 Abs. 1 GWB) erörtert.3283

3275 Beispiele: BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/96, WRP 1999, 101 = BB 1998, 2353 = ZIP 1998, 2070 = DB 1998, 2461 = NJW-RR 1999, 189 („Depotkosmetik“) m. Anm. Mäsch ZIP 1999, 1507 und Birk EWS 2000, 485; OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 4.10.2010 – 1 U 1228/10 – Le Male; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.2003 – U (Kart) 30/00 – Rolex. 3276 Liesegang NZKart 2013, 233 (239) hält nur beim Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, nicht jedoch beim Schadenersatzanspruch, eine Beschränkung auf Geldersatz für möglich. Begründung: Der Unterschied zum Schadenersatzanspruch bestehe darin, dass Beseitigungs- bzw. Unterlassungsansprüche nicht darauf gerichtet seien, den Händler so zu stellen, wie er ohne den Kartellverstoß stünde, sondern darauf, andauernde kartellrechtswidrige Behinderungen zu beseitigen. Hierfür könne er entweder die Belieferungsverweigerung beenden oder die Belieferungsverweigerung fortsetzen und nur deren Kartellrechtswidrigkeit beenden. 3277 Die Frage zivilrechtlicher Rechtsfolgen des Art. 101 AEUV ist eine solche nationalen Rechts, s. EuGH, Urt. v. 18.9.1992 – T 24/90, Slg. 1992, II-2223 = EuZW 1993, 103; Loewenheim/Meesen/Riesenkampff/Jaeger Kartellrecht I, Art. 81 Abs. 2 Rn 32. Zu § 33 GWB zeigt dies aus der Sicht deutschen Rechts auch sein Wortlaut. 3278 BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/96, WRP 1999, 101 = BB 1998, 2353 = ZIP 1998, 2070 = DB 1998, 2461 = NJWRR 1999, 189 („Depotkosmetik“) m. Anm. Mäsch ZIP 1999, 1507 und Birk EWS 2000, 485; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.2003 – VI-U (Kart) 30/00, WuW DE-R 1480; Weyer GRUR 2000, 848 (848 ff.); Bechtold NJW 2003, 3729 (3731 f.); Traugott WuW 1997, 486 (491 ff.); Creutzig EG-Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) für den Kraftfahrzeugsektor, Rn 501; Schuhmacher in: Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2003, § 9 Rn 36; aA OLG München WuW/E OLG 5659 (5662); 5760; wohl auch LG Frankfurt/M., Urt. v. 18.6.2014 – 2-03 O 158/ 13, WuW DE-R 4409 (Rücksäcke); Rheinländer Selektives Vertriebssystem und Belieferungsansprüche ausgeschlossener Händler; Rheinländer WRP 2007, 501; Rheinländer GRUR 2007, 383; Haffinger WuW 1998, 456; Loewenheim/ Meesen/Riesenkampff/Jaeger Kartellrecht I, Art. 81 Abs. 2 Rn 44; Loewenheim/Meesen/Riesenkampff/Rehbinder Kartellrecht II, § 33 Rn 52; vgl. hierzu auch Haslinger WRP 2007, 926. 3279 Emde NZKart 2013, 355 (358). 3280 Rheinländer WRP 2007, 501 (502). 3281 EuGH, Urt. v. 14.6.2012 – C 158/11, BB 2012, 1883 Rn 33 m. Anm. Schultze - Auto24 SARL ./. Jaguar Land Rover France SAS. 3282 EuGH, Urt. v. 25.10.1977 – Rs. 26/76, Slg. 1977, 1875 (1905) Tz 20 – Metro I; EuG, Urt. v. 12.12.1996 – Rs. T-88/ 92, Slg. 1996, II-1961, 2012 Rn 117 – Leclerc; EuGH, Urt. v. 25.10.1983 – Rs. 107/87, Slg. 1983, 3151 (3194) Rn 35; Schlussantrag des Generalanwalts v. 3.3.2011 – C-439/09; Rheinländer WRP 2007, 501 (502). 3283 Siehe etwa BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/96, WRP 1999, 101 = BB 1998, 2353 = ZIP 1998, 2070 = DB 1998, 2461 = NJW-RR 1999, 189 („Depotkosmetik“) m. Anm. Mäsch ZIP 1999, 1507 und Birk EWS 2000, 485. 283

Emde

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1. Buch. Handelsstand

474 (b) Ansicht des BGH. Nach Ansicht des BGH3284 – geäußert ohne Vorlage nach Art. 267 AEUV – steht einem Abschluss eines Rahmenvertrages3285 und Belieferung fordernden Wiederverkäufer, welchem der Warenhersteller die Aufnahme in ein selektives Vertriebssystem verweigert, obgleich der Wiederverkäufer die nach europäischem Kartellrecht zulässigen qualitativen Voraussetzungen für die Aufnahme in das Vertriebssystem erfüllt, aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 101 AEUV kein unmittelbarer, auf Vertragsschluss oder Belieferung gerichteter Anspruch zu. Zwar ging der BGH davon aus, dass § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 249 BGB als Rechtsfolge zu einem Kontrahierungs- und Belieferungsanspruch führen könne. Die Existenz einer Kontrahierungspflicht müsse jedoch, wie der BGH betonte, in jedem Einzelfall geprüft und mglw. unterschiedlich entschieden werden. Maßgeblich sei nicht die Wirkung des wettbewerbswidrigen Verhaltens, sondern ob der Anspruchsteller zu dem geschützten Personenkreis zähle und ob ein Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, gewährt werden solle3286 (was beides wohl der Anspruchsteller zu beweisen hätte). Bei Wiederverkäufern sei ein Kontrahierungsanspruch nicht vom Schutzzweck des heutigen Art. 101 AEUV erfasst. Der BGH konnte deshalb offen lassen, ob ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV vorlag. Würden Wiederverkäufer vom Hersteller nicht beliefert, obwohl alle qualitativen Voraussetzungen für die Aufnahme in ein selektives Vertriebssystem beständen und unterbinde der Hersteller gleichzeitig den Warenbezug der Außenseiter durch lieferbereite Depositäre, könne ihnen lediglich ein auf Geldersatz gerichteter Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 101 AEUV als Schutzgesetz zustehen.3287 Beliefere der Hersteller Wiederverkäufer diskriminierungsfrei, die seinen qualitativen Ansprüchen genügten, scheide der Belieferungsanspruch ohnehin aus. Dass die h. M. aus dem unter Ziff. 2 dieses Beitrages erörterten Anspruch nach § 33 Abs. 3 GWB i. V. m. §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB einen Kontrahierungs- und Belieferungsanspruch herleite, könne, so der BGH, wohl wegen des anderweitigen Schutzzweckes des heutigen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB nicht auf den Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 101 AEUV übertragen werden. Ein Kontrahierungs- oder Belieferungsanspruch könne sich daher allenfalls aus § 33 Abs. 1, 3 GWB i. V. m. §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB ergeben.3288 Die Beschränkung auf einen finanziellen Ausgleich wird also – wenig griffig – mit fehlender Schutzbedürftigkeit begründet, nicht jedoch mit (alternativer) Kausalität3289 – die im Übrigen auch einen Geldersatz ausschließen dürfte.3290 475 Geldersatz gewährte der BGH auch in einem weiteren Urteil: Sei ein nicht zum selektiven Vertriebssystem eines Herstellers zählender Wiederverkäufer fabrikneuer Kfz aufgrund der Weigerung ausländischer Vertragshändler unfähig, Neufahrzeuge an systemfremde Wiederverkäufer zu liefern und Bestellungen seiner Kunden für Neuwagen auszuführen, könne ihm ein Schadenersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns aus § 823 Abs. 2 BGB iVm Art. 101 Abs. 1 AEUV zustehen, wenn in der fraglichen Zeit eine Freistellung des beanstandeten Verhaltens

3284 BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/96, WRP 1999, 101 = BB 1998, 2353 = ZIP 1998, 2070 = DB 1998, 2461 = NJWRR 1999, 189 („Depotkosmetik“) m. Anm. Mäsch ZIP 1999, 1507 und Birk EWS 2000, 485. Ebenso am gleichen Tag KZR 24/96 und KZR 25/96. 3285 Dort ein „Depotvertrag“ des Kosmetikhandels. 3286 BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/96, WRP 1999, 101 = BB 1998, 2353 = ZIP 1998, 2070 (2072) = DB 1998, 2461 = NJW-RR 1999, 189 („Depotkosmetik“) m. Anm. Mäsch ZIP 1999, 1507 und Birk EWS 2000, 485; zu Recht kritisch gegenüber diesem recht unpräzisen Schutzzweckgesichtspunkt Loewenheim/Meesen/Riesenkampff/Jaeger Kartellrecht I, Art. 81 Abs. 2 Rn 37 ff. 3287 BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/96, WRP 1999, 101 = BB 1998, 2353 = ZIP 1998, 2070 (2072) = DB 1998, 2461 = NJW-RR 1999, 189 („Depotkosmetik“) m. Anm. Mäsch ZIP 1999, 1507 und Birk EWS 2000, 485; Westphal II Rn 413. 3288 BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/96, WRP 1999, 101 = BB 1998, 2353 = ZIP 1998, 2070 = DB 1998, 2461 = NJWRR 1999, 189 unter II 1. – Depotkosmetik; LG Dortmund, Urt. v. 13.12.2017 – 8 O 16/17 Kart., ZVertriebsR 2019, 65 – Belieferungspflicht dort abgelehnt. 3289 Was Liesegang NZKart 2013, 233 (236 ff.) erwägt, aber ablehnt. 3290 Liesegang NZKart 2013, 233 (237). Emde

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nach einer GVO ausscheide.3291 Welcher Art der Anspruch auf Zahlung von Geld sein soll, zeigt der BGH nicht auf. Er wird darauf gerichtet sein, den Bewerber so zu stellen, wie er ohne die kartellrechtswidrige Lieferverweigerung gestanden hätte. Also muss der Gewinn erstattet werden, der dem Bewerber dadurch entgangen ist, dass er die begehrte Ware nicht vertreiben konnte.3292

(c) Zustimmung und Kritik an der Ansicht des BGH. Birk3293 stimmt dem BGH zu: Eine 476 allgemeine Belieferungspflicht sei abzulehnen. Händler- wie Herstellerinteressen blieben gleichwertig. Die Zulässigkeitskriterien für ein selektives Vertriebssystem regelten den Interessenausgleich zwischen beiden Vertriebspartnern: Der Hersteller dürfe sein System frei wählen. Er habe dabei die eigene Freiheit mit der Chancengleichheit anderer in Bezug auf den Marktzutritt abzuwägen. Ein Belieferungsanspruch bestehe, wenn das System zulässig sei und der Händler alle qualitativen Voraussetzungen erfülle. Gleiches gelte, falls die Kriterien dazu dienten, den Händler auf versteckte Weise zu disziplinieren. Berücksichtigt werden dürften Kapazitätsüberlegungen, Bonität, Bedeutung der Ware u. a. Die Anforderungen an den Hersteller wüchsen mit seiner Marktmacht; die Freiheit anderer dürfe möglichst wenig beeinträchtigt werden (mildestes Mittel). Tatsächlich wird dem BGH zu Recht widersprochen3294: Wenn ein Schadensersatzanspruch 477 gem. § 33 Abs. 3 GWB (zur Zeit der BGH-Entscheidung v. 12.5.19983295: § 823 Abs. 2 BGB) oder ein Beseitigungsanspruch aus § 33 Abs. 1 GWB (früher: 1004 BGB) i. V. m. Art. 101 AEUV in Betracht kommt, darf der Ausgeschlossene entgegen dem BGH auch Aufnahme und Belieferung im Wege der Naturalrestitution fordern.3296 Die Prüfung des jeweiligen Schutzzweckes ist wenig griffig und führt zur Rechtsunsicherheit. Auch ist der Wertungswiderspruch schwer verständlich, der darin begründet liegt, dass der BGH den Schadenersatzanspruch aus dem heutigen § 33 Abs. 3 GWB i. V. m. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB bejaht, den gleichen Anspruch aus Art. 101 AEUV jedoch ablehnt. Möglicherweise äußerte sich hier eine heute durch Zeitablauf verflossene Zurückhaltung gegenüber europäischem Kartellrecht. Die Verhinderung der Lieferverweigerung liegt gerade im Schutzzweck des Kartellverbots3297 und des Restitutionsgedankens. Die dem Aufnahmeanspruch möglicherweise entgegenstehenden Gedanken, man könne den Hersteller nicht dauerhaft an einen Händler binden bzw. eine Belieferungspflicht sei mit der Vertragsschlussfreiheit des Initiators des Vertriebsbindungssystems unverträglich,3298 weil er in Ausübung seiner Dispositionsfreiheit das Vertriebssystem umstellen dürfe3299 (etwa: Aufgabe des Vertriebssystems oder Vertriebsweges,3300 Übergang zum Direktvertrieb3301), weshalb ein Kontrahierungsoder Belieferungsanspruch nur gegeben sein könne, falls sich das Ermessen des Unternehmers

3291 BGH, Urt. v. 30.3.2004 – KZR 24/02, EuZW 2004, 381 = DB 2004, 1725 = WuW/E 2004, 779 DE-R 1263 = NJWRR 2004, 1185. Liesegang NZKart 2013, 233 (235). Birk EWS 2000, 485. Emde NZKart 2013, 355 (359). BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/96, WRP 1999, 101 = BB 1998, 2353 = ZIP 1998, 2070 = DB 1998, 2461 = NJWRR 1999, 189 – Depotkosmetik. 3296 Liesegang NZKart 2013, 233 ff.; Ströbl/Schäfer WRP 2013, 600 (604) für einen Servicevertrag; Bechtold BB 2011, 1610 (1611); Mäsch ZIP 1999, 1507; Loewenheim/Meesen/Riesenkampff/Jaeger Kartellrecht I, Art. 81 Abs. 2 Rn 44; zust. Emde VersR 2001, 148 (158). 3297 Liesegang NZKart 2013, 233 (237). 3298 Haslinger WRP 2007, 926. Gegenargument: Auch aus § 19 GWB kann ein Kontrahierungszwang folgen. 3299 Bechtold NJW 2003, 3729 (3732); Lübbert in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 2008, § 30 Rn 4. 3300 Liesegang NZKart 2013, 233 (235); Lübbert in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 2008, § 30 Rn 4. 3301 Liesegang NZKart 2013, 233 (235); Traugott WuW 1997, 486 (489).

3292 3293 3294 3295

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auf die Belieferung reduziert habe,3302 sind nicht überzeugend. Ein Zivilurteil stellt immer eine Momentaufnahme auf der Basis des Sachstandes zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung dar.3303 Spätere Änderungen des Systems schließt ein Urteil nicht aus; dem Unternehmer steht ggf. eine Vollstreckungsgegen-3304 oder Abänderungsklage (§ 323 ZPO)3305 offen. Solche Änderungen sind jedoch nicht sehr wahrscheinlich, zumal der Unternehmer meist durch Kündigungsfristen oder durch ein gegenüber jedem Systemteilnehmer bestehenden Kontrahierungszwang an der schnellen Beendigung aller Vertriebsverträge gehindert ist.3306 Ein den Neueintritt in das System begehrender Bewerber wird zudem (außer durch statistischen Nachweis der Durchschnittsgewinne anderer Händler) i. d. R. kaum in der Lage sein, einen Schadenersatzanspruch zu beweisen, insb. welche Umsätze und Gewinne er mit dem Verkauf des Systemprodukts hätte erzielen können und wie sich dies auf seinen Umsatz mit substituierenden Produkten ausgewirkt hätte.3307 Denn ein „Newcomer“ besitzt keine Kenntnis von Umsätzen der Vergangenheit, aus denen er seine Schäden berechnen könnte. Für eine rechtswidrige Weigerung, den Händler aufzunehmen, kann der Hersteller folglich schwer belangt werden, was eine effektive Rechtsdurchsetzung erschwert.3308 Diskutieren ließe sich weiter, ob der heutige Wortlaut des § 33 GWB, der – anders als zur 478 Zeit der BGH-Entscheidung3309 – einen gleichrangigen Schadenersatzanspruch sowohl bei Verletzung des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB wie des Art. 101 AEUV gewährt, also bei Verletzung des europarechtlichen Art. 101 AEUV keinen Rückgriff auf die allgemein zivilrechtlichen §§ 823 Abs. 2 BGB bzw. § 1004 BGB mehr erfordert, indiziert, dass mit dem Kontrahierungsanspruch eine gleichartige Rechtsfolge gewollt ist. Dafür spricht, dass § 33 GWB ersichtlich von einer Gleichartigkeit der Rechtsfolge ausgeht, zudem der Grundsatz effektiver Durchsetzung europarechtlicher Normen. Dagegen sprechen die unterschiedlichen TB-Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB einerseits und des Art. 101 AEUV andererseits und dass die Rechtsfolge – Schadenersatz und Naturalrestitution – schon zum Zeitpunkt der BGH-Entscheidung in den Fällen eines Verstoßes gegen den seinerzeitigen Art. 85 EGV (heute Art. 101 AEUV) und dem jetzigen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB identisch war. Mir scheint zwar die vom BGH befürwortete unterschiedliche Rechtsfolge gerade angesichts der besonderen Bedeutung des Europarechts und der erheblichen Schwere eines europarechtlichen Verstoßes wenig verständlich. Da der BGH seine Entscheidung aber mit dem Schutzzweck des heutigen Art. 101 AEUV und nicht dem der § 823 Abs. 2 BGB/§ 1004 BGB begründete, lässt die Novellierung des § 33 GWB die Argumentation des BGH formal unberührt.3310

3302 Lübbert in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 2008, § 30 Rn 5; Wegner/Oberhammer WuW 2012, 366 (372) zum Kfz-Werkstattbereich. Nach Ansicht von Traugott WuW 1997, 486 (489) gibt es jedenfalls im Rahmen des § 19 GWB schon wegen der bestehenden und nur mit Kündigungsfrist kündbaren Verträgen mit anderen Vertriebsmittlern keine andere Rechtsfolge als den Kontrahierungsanspruch. 3303 Mäsch ZIP 1999, 1507; zust. Emde VersR 2001, 148 (158); Immenga/Mestmäcker/Markert GWB3 2001, § 20 Rn 231. 3304 Loewenheim/Meesen/Riesenkampff/Jaeger Kartellrecht I, Art. 81 Abs. 2 Rn 44. 3305 OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.3.1980, WuW/E OLG 2217 (2223); Immenga/Mestmäcker/Markert GWB3 2001, § 20 Rn 231. 3306 Traugott WuW 1997, 486 (489) zu § 20 GWB. Traugott WuW 1997, 486 (491/492) verneint aber einen Kontrahierungsanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 101 AEUV, weil er zu Unrecht in allen Fällen des Verstoßes gegen Art. 101 AEUV von einer Unwirksamkeit von System und Rahmenvertrag ausgeht. 3307 Rheinländer GRUR 2007, 383 (384); Mäsch ZIP 1999, 1507. 3308 Loewenheim/Meesen/Riesenkampff/Jaeger Kartellrecht I, Art. 81 Abs. 2 Rn 44. Zum kartellrechtlichen Effektivitätsgrundsatz EuGH, Urt. v. 6.6.2013 – RS. C-536/11, BB 2013, 1551 – Donau-Chemie. 3309 Siehe den Wortlaut der Vorschrift vor der Novelle v. 7.7.2005 (BGBl. I S. 1954). 3310 Emde NZKart 2013, 355 (360). Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

Vor § 84

(4) Kein Kontrahierungs- und Belieferungsanspruch bei Unwirksamkeit des Vertriebs- 479 systems. Bejaht man den Kontrahierungsanspruch, so besteht er nur, soweit das Vertriebssystem und der Vertriebsvertrag, zu dem Beitritt begehrt wird, infolge des Kartellverstoßes nicht unwirksam werden. Denn zu einem unwirksamen Vertrag und System kann kein Beitritt gefordert werden3311 („keine Gleichheit im Unrecht“). Deshalb soll ein Kontrahierungsanspruch wegen Unwirksamkeit des Systems ausscheiden, wenn durch die Kartellrechtswidrigkeit der Belieferungsverweigerung und des darin liegenden Verstoßes gegen die gleichmäßige Anwendung der festgesetzten Selektionskriterien, etwa bei systematischer Absprache über wettbewerbswidrige Vertriebspraktiken zwischen allen Systembeteiligten, das gesamte Vertriebssystem gegen Art. 101 AEUV verstößt.3312 Ob das System wegen der Kartellrechtswidrigkeit einzelner Vertragsbestimmungen unwirksam wird, bestimmt sich nach §§ 139, 306 BGB. Dies wird nur selten anzunehmen sein.3313 Der Kontrahierungsanspruch aus § 33 Abs. 1, 3 GWB i. V. m. Art. 101 AEUV hat damit vor allem in Fällen Bedeutung, in denen ein leichterer Verstoß gegen Art. 101 AEUV vorliegt oder sich der Verstoß gerade aus der diskriminierenden Wirkung des Systems ergibt. Durch den Ausschluss kartellrechtswidriger Systeme vom Kontrahierungszwang wird der Zweck der Wettbewerbsvorschriften auch nicht in ihr Gegenteil verkehrt.3314 Denn durch die Zulassung eines weiteren Händlers zum kartellrechtswidrigen System würde die wettbewerbsbeschränkende Wirkung dieses Systems nur potenziert, ein sicherlich nicht gewolltes Ergebnis.

(5) Sachlicher Grund für die Nichterfüllung des Anspruches. Als sachlicher Grund für die 480 Ablehnung kommt etwa ein Fehlverhalten in der Vergangenheit in Betracht.3315 Die Schwelle der sachlichen Rechtfertigung ist hoch anzusetzen.3316 Es muss sich um Gründe handeln, die auch die Auflösung des Absatzmittlungsvertrages rechtfertigen würden, ohne dass notwendigerweise die Schwere eines wichtigen Grundes erreicht werden muss.3317

(6) Kündigung trotz Kontrahierungszwanges? Vgl. zunächst oben, Rn 439 zum Kündi- 481 gungsschutz aus § 19 GWB. Fraglich ist, unter welchen Umständen die Kündigung eines Vertriebspartners möglich ist, obwohl ein Kontrahierungszwang besteht.3318 Einigkeit dürfte darüber bestehen, dass das Vertragsverhältnis bei Existenz eines Kontrahierungszwangs nicht aus Gründen beendet werden darf, aus denen der Abschluss eines Vertrages nicht verweigert werden kann.3319 Uneinig ist man sich in der Folgefrage, ob der Unternehmer den Vertrag dann nur bei Vorliegen besonderer Gründe von einigem Gewicht oder – weitergehender – nur bei Existenz wichtiger Gründe außerordentlich kündigen darf.3320

3311 BGH, Urt. v. 28.6.2005 – KZR 26/04, WRP 2006, 109 (111) = GRUR Int. 2006, 57 = EWiR 2006, 273 (Emde) – zu § 19 GWB; Rheinländer GRUR 2007, 383 (385); Traugott WuW 1997, 486 (491/492); Bunte in: Langen/Bunte, 11. Aufl. (2010), Art. 81 Generelle Prinzipien Rn 257; skeptisch Liesegang NZKart 2013, 233 (238). 3312 Rheinländer GRUR 2007, 383 (385). 3313 Liesegang NZKart 2013, 233 (238). 3314 So aber Liesegang NZKart 2013, 233 (238). 3315 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208). 3316 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208). 3317 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208). 3318 Zu dieser Frage BGH, Urt. v. 21.2.1995 – KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260 (1263); OLG München, Urt. v. 29.9.1993 – 7 U 2249/93, S. 16, n. v.; Ströbl/Schäfer WRP 2013, 600 – zu Kfz-Werkstattverträgen; Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (622); Nolte WRP 2005, 1124 (1128). 3319 Nolte WRP 2005, 1124 (1129). 3320 Siehe BGH, Urt. v. 21.2.1995 – KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260 (1263); OLG München, Urt. v. 29.9.1993 – 7 U 2249/93, S. 16, n. v.; Ströbl/Schäfer WRP 2013, 600 (603) zu Kfz-Servicepartnern; Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (622). 287

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Der zivilrechtliche Kontrahierungszwang als Rechtsfolge spricht eher dafür, dass wichtige Kündigungsgründe vorliegen müssen. Die TB-Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB (eine unterschiedliche Behandlung wäre bei Existenz sachlicher Gründe gerechtfertigt) streiten hingegen für die unternehmerfreundlichere Auffassung, die sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung genügen lässt. Mir scheinen eher die den Kontrahierungsanspruch rechtfertigenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB entscheidend. Da ein Kontrahierungsanspruch bei unterschiedlicher Behandlung besteht,3321 dürften bereits sachliche Gründe zur unterschiedlichen Behandlung eine Kündigung rechtfertigen.3322 So auch das OLG München: Ergebe sich aufgrund der umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall ein Kontrahierungszwang zu gleichen Vertragsbeziehungen, so könne sich die Kündigung eines bereits bestehenden Mittlervertrages als unbillige Behinderung darstellen, sofern für jene – an sich als ordentliche, ohne besonderen Grund zulässige – Kündigung kein sachlich gerechtfertigter Grund vorliegt. Der Händler sei in diesem Fall nicht auf Schadensersatzansprüche beschränkt. Vielmehr sei bereits die sich als unbillige Behinderung darstellende Kündigung selbst als einseitige – infolge Fehlens eines sachlichen Grundes – sachlich nicht gerechtfertigte Maßnahme unwirksam, so dass es bei der Fortsetzung des Vertrages verbleibt.3323 Aber auch die Ansicht, welche die Rechtsfolge des Kontrahierungszwanges betont und einen wichtigen Kündigungsgrund zur Ablehnung des Kontrahierungszwanges fordert, ist vertretbar, zumal wenn man den Anspruch auch aus § 33 GWB i. V. m. Art. 101 AEUV herleitet. Mit dieser strengeren Ansicht wird vertreten, in jedem selektiven Vertriebssystem, welches sich allein auf qualitative Kriterien stützt, solle der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung gegenüber Händlern, die alle selektiven Kriterien erfüllen, aber keinen wichtigen Grund zur Kündigung gesetzt hätten, nicht wirksam erfolgen dürfen. Entweder sei die Kündigung unwirksam oder der Vertriebsmittler habe Anspruch auf Abschluss eines identischen Neuvertrags.3324 483 Die ordentliche Kündigung eines einzelnen oder eines Teils der Vertriebsmittler ist bei bestehendem Kontrahierungsanspruch ohne zumindest sachlichen Grund rglm. ausgeschlossen.3325 Denn der Gekündigte müsste sofort wieder in das Vertriebssystem aufgenommen werden – § 242 BGB, venire contra factum proprium.3326 Wegen fehlender Ungleichbehandlung3327 i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB möglich bliebe die – in der Terminologie der Alt-GVO 1400/2000 – sogenannte „Strukturkündigung“ aller Vertriebsmittler.3328 In keinem Fall darf die Kündigung Ausdruck einer planmäßigen, auf die Umgehung des Zulassungsanspruchs gerichteten Vertriebspolitik i. S. e. quantitativen Selektion sein.3329 Das Nichterreichen vereinbarter Verkaufs- und Absatzziele soll aber nach Ansicht von Nolte die Kündigung erlauben.3330 Dies kann nur im Einzelfall zutreffend sein, da das Verfehlen vereinbarter Ziele nicht notwendigerweise dem Verantwortungsbereich des Mittlers zufallen muss. Jedoch sollen erhebliche, wiederholte Verstöße im Leistungs482

3321 3322 3323 3324 3325 3326

Siehe Traugott WuW 1997, 486 (488/489). So wohl auch OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208). OLG München, Urt. v. 29.9.1993 – 7 U 2249/93, S. 16, n. v. Creutzig BB 2002, 2133 (2147); Reufels/Laufen WuW 2004, 392 (396). AA Nolte WRP 2005, 1124 (1128). Nolte WRP 2005, 1124 (1129); Martinek/Kahlenberg3 § 39 Rn 188; Creutzig EG-Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) für den Kraftfahrzeugsektor, Rn 903 zum Kontrahierungszwang im Kfz-Werkstattgeschäft. 3327 AA mglw. OLG Schleswig, Urt. v. 28.1.2010 – 16 U (Kart) 55/09, BeckRS 2010, 02834. 3328 Vgl. Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (623). 3329 Ströbl/Schäfer WRP 2013, 600 (604). 3330 Nolte WRP 2005, 1124 (1128); aA Frage 9 des Fragenkatalogs im Leitfaden zur GVO 1400/02. Nolte a. a. O., rügt insoweit fehlende Regelungskompetenz der EU-Kommission und Mangel der Rechtsqualität des Fragenkatalogs. Der Entscheidung BGH, Urt. v. 22.2.2005 – KZR 28/03, NJW 2005, 1660 dürfte sich aber ein Verbot der außerordentlichen Kündigung bei mangelnder Zielerreichung entnehmen lassen. Emde

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und Vertrauensbereich3331 die Kündigung erlauben. Nach Nolte soll eine dauerhafte Aufnahmeverweigerung nur gestattet sein, falls sich ein schwerwiegender Verstoß unmittelbar gegen den Lieferanten richtet und den „Goodwill“ seiner Waren oder Dienstleistungen am Markt beeinträchtigt.3332

(7) Verweigerung der Aufnahme nach vorheriger Kündigung? Fraglich ist, ob der Zugang 484 zum Vertriebssystem mit der Begründung verweigert werden kann, der Vertrag sei zuvor wegen einer Vertragsverletzung gekündigt worden. In der französischen Rspr. ist dies angenommen worden.3333 Allerdings darf nach jener Rspr. der Zugang nur für einen angemessenen Zeitraum abgelehnt werden. Nach der hier eingenommenen, eben dargelegten Ansicht folgt aus dem Kontrahierungszwang, dass der Neuabschluss verweigert werden darf, wenn dafür sachliche Gründe bestehen.3334 Nach der Gegenansicht darf nur demjenigen die Aufnahme verwehrt werden, dem bei Annahme eines gedachten Dauerschuldverhältnisses außerordentlich gekündigt werden könnte.3335 Eine erhebliche Vertragsverletzung der Vergangenheit bildet einen solchen sachlichen Grund (s. o. und unten zum Werkstattvertrag Rn 489 ff.). Die Frage des Wiederauflebens des Aufnahmeanspruchs nach berechtigter Kündigung und anschließender „Abkühlungsphase“ soll mit Hilfe einer Beweislastumkehr zu lösen sein. Der eine Wiederaufnahme begehrende Anspruchsteller soll nachweisen müssen, dass künftiges Fehlverhalten ausscheidet.3336 Daran mag man wegen des Regel-Ausnahme-Verhältnisses (Regel bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen: Kontrahierungszwang) zweifeln. (8) Darlegungs- und Beweislast. Sämtliche TB-Merkmale des Kontrahierungsanspruchs sind 485 vom Anspruchsteller zu beweisen,3337 auch die Normadressateneigenschaft3338 und die Erfüllung der Selektionskriterien des Unternehmers.3339 Denn der Anspruch ist für den Anspruchsteller günstig. Außerdem handelt es sich um eine von ihm zu beweisende Ausnahme von der negativen Vertragsfreiheit. Der Bewerber hat insb. die Abhängigkeit zu beweisen3340 und dass er die vom Hersteller festgelegten Selektionsmerkmale erfüllt.3341 Zu den Selektionsmerkmalen genügt zunächst die Darlegung, sie seien gegeben. Der Vortrag, dass alle Qualitätsmerkmale erfüllt werden, die ein oder mehrere zugelassene Händler aufweisen, ist erst auf subtanziertes Bestreiten des Herstellers erforderlich. Nur in diesem Fall ist es nicht ausreichend, die Erfüllung

3331 Ströbl/Schäfer WRP 2013, 600 (604) – zu Kfz-Serviceverträgen. Nach Ansicht von Ströbl/Schäfer WRP 2013, 600 (604) reicht es als Kündigungsgrund, wenn der Hersteller einen Vertragshändler mit Servicebetrieb nicht einsetzen kann, weil alle Interessenten den Vertragsschluss wegen der Konkurrenz des Servicepartners verweigern. Grund: Keine Wettbewerbsbeschränkung, sondern Erweiterung des Wettbewerbs im Händlerbereich durch Zutritt des neuen Händlers. 3332 Nolte WRP 2005, 1124 (1130). 3333 Cour de’appel de Versailles (2. Kammer, 2 Sektion) v. 29.2.1996, Balluz 1997, Summaire 62; zit. nach Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Vogel Kartellrecht, GVO-Kfz Rn 29. 3334 Reufels/Laufen WuW 2004, 392 (397); vgl. Nolte WRP 2005, 1129. 3335 Vgl. ansatzweise Nolte WRP 2005, 1129. 3336 Nolte WRP 2005, 1124 (1130); Bechtold NJW 2003, 3729 (3734). 3337 OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.8.2020 – VI-U (Kart) 10/20, WuW 2020, 542 (545). OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart.) IHR 2019, 203 (208) – Kfz; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.1.2013 – VI-U (Kart) 5/12, ZVertriebsR 2014, 308 m. Anm. Wegner/Oberhammer; Emde NZKart 2013, 355 (358); Martinek/Kahlenberg3 § 39 Rn 190. 3338 OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.8.2020 – VI-U (Kart) 10/20, WuW 2020, 542 (545). 3339 Bechtold NJW 2003, 2729 (3733). 3340 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI – U (Kart) 1/08, GRUR-RR 2009, 109. 3341 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart.) IHR 2019, 203 (208) – Kfz; v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRUR-RR 2007, 121. 289

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der Standards pauschal zu behaupten.3342 Deshalb muss der die Aufnahmepflicht bestreitende Hersteller als Erstes vortragen, warum der Aufnahme Begehrende die Standards nicht erfüllt oder dass es außerhalb der Erfüllung der Qualitätsmerkmale einen sachlich gerechtfertigten Grund für die Aufnahmeverweigerung gibt und dies ggf. zu beweisen.3343 Die Würdigung der maßgeblichen Umstände ist Sache des Tatrichters.3344 Weiteres unten, zum Kontrahierungsanspruch im Kfz-Werkstattbereich.

486 (9) Entscheidung über den Zulassungsanspruch. Der Hersteller muss über ein Zulassungsgesuch ohne ungebührliche Verzögerung und in nicht diskriminierender Form entscheiden.3345 Um diskriminierenden Verzögerungstaktiken bei der Zulassung zu einem selektiven Vertriebssystem vorzubeugen, verlangt die Kommission, dass der Hersteller grds. binnen vier Wochen über einen Zulassungsantrag entscheidet.3346 Hohe Eintrittskosten und nicht sachgerechte Selektionskriterien mit Abschreckungscharakter3347 sind unzulässig. Anforderungen, die dazu dienen, dem Hersteller ohne sachlichen Grund eine Vergütungsquelle zu verschaffen, etwa indem durch Auditierungen erhebliche Kosten entstehen oder die unnötige Hindernisse für den Vertragsschluss aufbauen, sind unwirksam.3348 Verweigert der Hersteller einem Händler die Zulassung, so muss er in einem Antwortschreiben an den Bewerber darlegen, welche Voraussetzungen er als noch nicht erfüllt ansieht.3349 Pflichtwidrigkeiten und Verzögerungen bei der Vertragsvergabe eines Werkstattvertrages können zu Schadensersatzansprüchen führen.3350 Dabei muss der Unternehmer die ihn betreffende Rechtslage kennen; ein Verbotsirrtum ist regelmäßig nicht schuldausschließend.

487 (10) Gerichtlicher Rechtsschutz. Der Bewerber darf seinen Kontrahierungsanspruch mittels eines Leistungsantrags auf Abschluss eines Vertriebsvertrages sichern.3351 Als „Minus“ zu einem Antrag auf Abschluss eines Vertrages oder Belieferung könnte die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung beantragt werden.3352 Der Klagantrag, festzustellen, dass ein Hersteller verpflichtet sei, den Kläger als „Jaguar-Vertragswerkstatt“ zuzulassen, ist nicht unbestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er ist dahin auszulegen, dass die Klägerin den Anspruch auf Abschluss eines neuen Werkstattvertrages zu den Konditionen festgestellt wissen will, die die Beklagte denjenigen ihrer bisherigen Vertragspartner angeboten hat, mit denen sie die Zusammenarbeit nach

3342 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart.) IHR 2019, 203 (208) – Kfz; v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRUR-RR 2007, 121; Niebling WRP 2007, 1426 (1427). Liesegang NZKart 2013, 233 (237). BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15, NZ Kart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR – Prax. 2018, 179. Creutzig BB 2002, 2133 (2144). Rheinländer WRP 2007, 501 (502). Niebling WRP 2011, 1269 (1270). Niebling WRP 2007, 1426 (1427). Kommission v. 21.12.1983, ABl. 1983 L 376/41 – SABA II; Rheinländer WRP 2007, 501 (502). OLG München, Urt. v. 8.1.2009 – U (K) 1501/08, BB 2009, 518 m. Anm. Schultze/Spenner; Niebling WRP 2006, 1334; Niebling WRP 2011, 1269 (1270) – unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung, also des § 19 GWB; Niebling WRP 2009, 153 (155); sehr weitgehend: OLG Stuttgart v. 22.7.2004 – 2 U 202/03, aufgehoben durch BGH v. 28.6.2005 – KZR 26/04, GRUR 2006, 57: Anspruchsgrundlage § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. der GVO. 3351 Siehe etwa BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 10; v. 12.5.1998 – KZR 23/96, BB 1998, 2353 = ZIP 1998, 2070 = DB 1998, 2461 = NJW-RR 1999, 189 – Depotkosmetik – m. Anm. Mäsch ZIP 1999, 1507 und Birk EWS 2000, 485; OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 774 (776); 847 (849); LG Düsseldorf, Urt. v. 11.9.2012 – 37 O 095/12 (Kart), ZVertriebsR 2013, 239 (241). 3352 BGH, Urt. v. 1.12.1981 WuW/E BGH 1879 (1880); Immenga/Mestmäcker/Markert GWB3 2001, § 20 Rn 231.

3343 3344 3345 3346 3347 3348 3349 3350

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der Kündigung der alten Verträge fortgesetzt hat.3353 Der Feststellungsantrag, demzufolge der Hersteller verpflichtet sei, den Bewerber auf der Grundlage der jeweils geltenden Werkstattverträge, derzeit auf Grundlage eines als Anlage vorgelegten Vertrages, als Vertragswerkstatt zuzulassen, ist zulässig.3354 Der Vorrang der Leistungsklage hindere nicht, da erwartet werden könne, dass der Hersteller ein Feststellungsurteil befolgen werde.3355 Mit der Rechtskraft des Urteils, welches den Unternehmer zum Abschluss des Vermittlungsvertrages verpflichtet, wird die zum Vertragsschluss führende Willenserklärung nach § 894 ZPO fingiert.3356 Ein Feststellungsantrag kann aber wegen des Vorranges der Leistungsklage problematisch sein.3357 Eine einstweilige Verfügung auf Abschluss wird regelmäßig wegen der darin liegenden Vorwegnahme der Hauptsache3358 nur als (vorläufiger) Belieferungsanspruch bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens und bei Existenz erhebliche Wettbewerbsnachteile3359 oder einer bestehenden oder drohenden Notlage3360 (etwa einer Existenzgefährdung3361) möglich sein.3362 Sie bedarf nach bisher h. M. sogar des Nachweises einer existenziellen Abhängigkeit von dem Hersteller. Die Abhängigkeit soll im Kfz-Werkstattgeschäft fehlen, falls die Werkstatt EU-Neufahrzeuge veräußert3363 und einen weiteren Werkstattvertrag führt.3364 Letzteres dürfte zweifelhaft sein, da auf Grund der Markengebundenheit des Kundenstammes jedenfalls bei einer – vom BGH3365 allerdings abgelehnten – markenbezogenen Betrachtungsweise eine Abhängigkeit existieren dürfte und keiner der betroffenen Hersteller den Antragsteller auf die Möglichkeit des Vertragsschlusses mit dem anderen Hersteller verweisen darf.3366 Tatsächlich bedarf es einer Notlage oder Existenzgefährdung nicht in jedem Fall. Ausreichend ist es, wenn die Leistungsverfügung zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Vermögensnachteils oder zur Abwendung eines endgültigen Rechtsverlustes erforderlich ist.3367 Das schutzwürdige Interesse des Unternehmers, nicht in einem nur mit eingeschränkten Erkenntnis- und Beweismöglichkeiten ausgestalteten summarischen Verfahrens zu einer Leistung verpflichtet zu werden, gewinnt umso mehr an Gewicht, wenn sich ihre Folgen 3353 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 10; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203.

3354 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15, BeckRS 2018, 2279 Rn 12 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88.

3355 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15, BeckRS 2018, 2279 Rn 14 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88. 3356 Rheinländer WRP 2007, 501 (503). 3357 An der Zulässigkeit zweifelnd OLG Frankfurt/M., Urt. v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRUR-RR 2007, 121. 3358 Martinek/Kahlenberg3 § 39 Rn 188; Loewenheim/Meesen/Riesenkampff/Rehbinder Kartellrecht II, § 33 Rn 54. 3359 OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 774 (776); 847 (849); KG, Urt. v. 12.9.1990 – Kart U 3919/90, WuW/E OLG 4628 (4629); OLG Hamburg WuW/E OLG 5703 (5705 f.); LG Düsseldorf, Urt. v. 11.9.2012 – 37 O 095/12 (Kart), ZVertriebsR 2013, 239 (241); Martinek/Kahlenberg3 § 39 Rn 188; Loewenheim/Meesen/Riesenkampff/Rehbinder Kartellrecht II, § 33 Rn 54; Immenga/Mestmäcker/Markert GWB3 2001, § 20 Rn 232. 3360 OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 774 (776); 847 (849); LG Düsseldorf, Urt. v. 11.9.2012 – 37 O 095/12 (Kart), ZVertriebsR 2013, 239 (241). 3361 Bejaht aufgrund der vom Kfz-Hersteller erklärten Kündigung von LG Darmstadt, Beschl. v. 13.4.2018 – 15 O 14/18. 3362 Zum Werkstattvertrag vgl. Kessel/Koch BB 2009, 1032 ff. Die verschiedenen Ansichten referiert BGH, Beschl. v. 11.10.2017 – I ZB 96/16, WM 2018, 323. 3363 LG Köln, Urt. v. 24.4.2008 – 86 O 8/08. 3364 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 7/09 Rn 27, KZR 7/09, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416; LG Köln, Urt. v. 24.4.2008 – 86 O 8/08; Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428. 3365 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 7/09 Rn 17, KZR 7/09, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428; zust. Wegner/ Oberhammer WuW 2012, 366 (370). 3366 Emde NZKart 2013, 355 (362). 3367 OLG München GRUR-RR 2003, 56; GRUR-RR 2002, 181; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2002, 176; Kessel/Koch BB 2009, 1032 (1036). 291

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nicht oder nur schwer wieder rückgängig machen lassen. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Verfügungsantrags einzubeziehen.3368 Gerade bei großen Händlern ist eine Existenzgefährdung kaum vorstellbar.3369 Für Großunternehmen gibt es jedoch kein minderes Recht. Zur Vermeidung von Zahlungsausfällen muss ggf. die Lieferung gegen Vorkasse beantragt werden.3370

488 (11) Beispiele. Verneint wurde der Kontrahierungsanspruch: – des HV eines Lotterieunternehmens als staatlicher Monopolistin.3371 Die Tätigkeit als HV der Lotterie stellt keinen eigenen Markt dar. Der HV müsste sich auf andere Tätigkeiten eines HV im Außendienst verweisen lassen.3372

489 (12) Aufnahme als Vertragswerkstatt in das Werkstattnetz des Unternehmers. Ein Seitenstück der Diskussion um den Kontrahierungszwang bildet der Streit um das Recht einer Werkstatt, als zugelassene Vertragswerkstatt in das Werkstattnetz des Unternehmers aufgenommen zu werden.3373 Auch ein Werkstattvertrag enthält vertriebsrechtliche Elemente, nämlich in Bezug auf den Vertrieb von Ersatzteilen und Werkstattleistungen.3374 In der Sache gibt es wenig Abweichungen zum Aufnahmeanspruch in anderen Bereichen des Vertriebsrechts, nur mehr Quellen zur Rechtslage. Nach bis zu den Entsch. des BGH v. 30.3.20113375 herrschender und mit zahlreichen Stimmen 490 auch heute vertretener Ansicht waren Kfz-Hersteller nicht nur im Verhältnis zu den mit ihnen bereits vertraglich verbundenen Vertragshändlern und –werkstätten sondern auch zu den Bewerbern um Vertragshändler- und Vertragswerkstättenverträge jedenfalls marktstarke Unternehmen i. S. d. §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, von denen Händler und Werkstätten als kleine oder mittlere Unternehmen unternehmensbedingt abhängig sind.3376 Aus diesen Normen ergebe sich, so diese Ansicht, in einem qualitativ-selektiven Werkstattsystem ein einklagbarer Kontrahierungsanspruch auf Abschluss eines Werkstattvertrages, sofern der Bewerber die qualitativen Vorgaben des Unternehmers (Selektionskriterien) erfülle,3377 und unabhängig davon, wie

3368 OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 774 (776); 847 (849); LG Düsseldorf, Urt. v. 11.9.2012 – 37 O 095/12 (Kart), ZVertriebsR 2013, 239 (241).

3369 Kessel/Koch BB 2009, 1032 (1036). 3370 OLG Braunschweig v. 1.9.2009 – 2 U 157/09, zit. nach Genzow kfz-betrieb 45/2009, 10. 3371 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 4.2.2014 – 11 U 22/13 (Kart), BeckRS 2015, 04853; aA wohl BGH, Urt. v. 7.3.1989, KZR 15/87, BGHZ 107, 273.

3372 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 4.2.2014 – 11 U 22/13 (Kart), BeckRS 2015, 04853; aA wohl BGH, Urt. v. 7.3.1989, KZR 15/87, BGHZ 107, 273.

3373 Siehe dazu Emde ZVertriebsR 2021, 3 ff. 3374 Ströbl/Schumacher BB 2009, 1201 (1202). 3375 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 6/09, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) m. Anm. Schultze/ Oest; KZR 7/09, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428; Besprechungen beider Urt. von Bechtold BB 2011, 1610. 3376 BGH, Urt. v. 28.6.2005 – KZR 26/04, WRP 2006, 109 (111) = GRUR Int. 2006, 57 = EWiR 2006, 273 (Emde); hierzu Niebling WRP 2006, 1334; zuvor bereits BGH, Urt. v. 23.2.1988 – KZR 20/86, WuW/E 2491 (2493) – Opel-Blitz; Beschl. v. 19.1.1993 – KZR 25/91, WuW/E 2875 (2878 ff.) – Herstellerleasing; v. 21.2.1995 – KZR 33/93, WuW/E 2983 (2988) – Kfz-Vertragshändler; OLG München, Urt. v. 8.1.2009 – U (K) 1501/08, BB 2009, 518 m. Anm. Schultze/Spenner (Nutzfahrzeuge); OLG Braunschweig v. 1.9.2009 – 2 U 157/09, zit. nach Genzow kfz-betrieb 45/2009, 10; Niebling WRP 2006, 1334; Wendel WRP 2002, 1395 (1408); Creutzig BB 2002, 2133 (2140); Anspruchsgrundlage: Allg. Diskriminierungsverbot des Art. 102 AEUV, § 19 GWB und §§ 19, 33 GWB, § 249 BGB; Niebling WRP 2003, 609 (610). 3377 LL zur Kfz-GVO 461/10, Rn 70; Frage 72 des Leitfadens der EU-Kommission zur Kfz-GVO 1400/02 (zum kartellrechtlichen Kontrahierungszwang); BGH, Urt. v. 28.6.2005 – KZR 26/04, WRP 2006, 109 (111) = GRUR Int. 2006, 57 = EWiR 2006, 273 (Emde); OLG München, Urt. v. 8.1.2009 – U (K) 1501/08, BB 2009, 518 m. Anm. Schultze/Spenner; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRUR-RR 2007, 121; v. 24.4.2008 – 86 O 8/08; OLG Braunschweig Emde

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viele Werkstätten bereits in einer bestimmten Region tätig waren.3378 Bei § 19 GWB handele es sich um eine Generalklausel. In sie flössen Wertentscheidungen anderer Normen ein.3379 Wenn kartellrechtlich von einem Kontrahierungszwang ausgegangen wurde (s. u., Rn 500), war dies nach bisher h. M. auch im Rahmen des § 19 GWB zu berücksichtigen, u. a. wegen des Gebots europarechtsfreundlicher Auslegung deutscher Generalklauseln: Da die Aufnahmevoraussetzungen in den Selektionskriterien der Händlerverträge enthalten seien, müssten sie – schon damit die Gleichbehandlung kontrollierbar bleibe – sämtliche abwägungsrelevanten Umstände nennen. Die Selektionskriterien begründeten damit für sich die Vermutung ihrer Vollständigkeit. Folglich ging man davon aus, dass die Hersteller in den Selektionskriterien die sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung sowie die Billigkeitserwägungen abschließend niedergelegt hatten (was wohl auch heute zutreffen dürfte). Deshalb sollten – außer die Nichterfüllung der Selektionskriterien – im Lichte des von der EU-Kommission grds. geforderten Kontrahierungszwanges nur sachliche oder sogar wichtige Gründe i. S. d. § 89a3380 (s. o. zur Diskussion, welche Gründe die Ablehnung des Vertragsschlusses rechtfertigen) den Aufnahmeanspruch ausschließen. Kfz-Hersteller sollten dieser Ansicht gemäß Betrieben, die autorisierte Werkstatt des Ver- 491 triebsnetzes des Herstellers werden wollten, also auch zivilrechtlich den Abschluss eines Werkstattvertrages nur bei Nichterfüllung der Selektionskriterien verweigern dürfen, etwa aus Gründen, die in der Qualität der Werkstatt lagen.3381 Es wurde von dieser früher h. M. vertreten, wegen der im Ersatzteil- und Service-Markt (räumlich relevanter Markt: Deutschland3382) regelm. überschrittenen3383 Marktanteilsschwelle von 30 % durch alle Hersteller sei eine Begrenzung der Zahl der Werkstätten (sog. „quantitative Selektion“) nicht nur kartellrechtlich, sondern auch zivilrechtlich unzulässig.3384 Zunächst schien es so, als billige der BGH die früher h. M. Er verneinte 20053385 nach den 492 Besonderheiten des Einzelfalls einen Aufnahmeanspruch aus § 19 GWB: Nutze der Hersteller ein Vertriebssystem, in welchem er nur eine begrenzte Anzahl an Werkstätten zulasse, werde ein Bewerber nicht ungleich behandelt und es fehle ein Aufnahmeanspruch aus §§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. In dem vom BGH entschiedenen Fall praktizierte der Kfz-Hersteller bis zum Ablauf einer kartellrechtlichen Übergangsfrist zum 1.1.2003 ein quantitativ-selektives System, welches exklusiv an bestimmte Werkstätten vergebene Gebiete vorsah. Selbst bei unterstellter Kartellv. 1.9.2009 – 2 U 157/09, zit. nach Genzow kfz-betrieb 45/2009, 10; Niebling WRP 2012, 1361 (1362); WRP 2010, 1454 (1458); WRP 2010, 81 (82, 85); JR 2009, 393; WRP 2007, 1426 (1427); WRP 2003, 609 (610) Creutzig BB 2002, 2133 (2144); Bauer/de Bronett Die EU-GruppenfreistellungsVO für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen 2001 Rn 17; Creutzig EG-Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) für den Kraftfahrzeugsektor, Rn 502 ff., 571, 903; Reimann KfzGruppenfreistellungsverordnung 2004, Rn 113; zweifelnd Roniger/Hermertsberger Kfz-Vertrieb neu, Wien 2003, Art. I Rn 42; krit. Wegner BB 2010, 1867 (1872), die darauf hinweist, der Hersteller sei nicht mehr Herr über Struktur und Dichte seines Werkstattnetzes. 3378 Pfeffer NJW 2002, 2110 (2114); Polley/Seeliger EWS 2002, 507 (509). 3379 Vgl. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff § 20 Rn 69. 3380 Siehe Bechtold NJW 2003, 3729 (3734); Niebling WRP 2011, 1518 (1520). 3381 Niebling WRP 2010, 1454 (1458). 3382 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 7/09 Rn 18, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428, Rn 18; OLG München, Urt. v. 8.1.2009 – U (K) 1501/08, BB 2009, 518 m. Anm. Schultze/Spenner; LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.8.2018 – 3-06 O 35/17, ZVertriebsR 2018, 400 Rn 62. 3383 OLG München, Urt. v. 8.1.2009 – U (K) 1501/08, BB 2009, 518 m. Anm. Schultze/Spenner; Ensthaler WuW 2002, 1042 (1050) („bei komplexen Reparaturen regelmäßig über 50 %); Wendel WRP 2002, 1395 (1408); Niebling WRP 2003, 609 (610/611); zur Marktanteilsabgrenzung Wegner BB 2010, 1803 (1804 f.). Gegen eine Einbeziehung der Garantieleistungen in die Marktabgrenzung Wegner BB 2010, 1803 (1805); Wegner/Oberhammer WuW 2012, 366 (369). 3384 Niebling WRP 2010, 1454 (1458), was sie kartellrechtlich auch nach dem Urt. BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 6/ 09, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) bleibt, siehe Schultze/Oest BB 2011, 1363 (1364); Bechtold BB 2011, 1610 (1612); Wegner/Oberhammer WuW 2012, 366 ff. 3385 BGH, Urt. v. 28.6.2005 – KZR 26/04, WRP 2006, 109 (111) = GRUR Int. 2006, 57 = EWiR 2006, 273 (Emde). 293

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rechtswidrigkeit dieses Systems ergab sich nach Ansicht des BGH keine die Aufnahme rechtfertigende Ungleichbehandlung i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB (Diskriminierungsverbot3386), weil die Werkstattverträge dann (insgesamt) kartellrechtlich nichtig gewesen und gleichfalls keine den Aufnahmeanspruch rechtfertigende Ungleichbehandlung eingetreten wäre. Erst mit der Einführung eines (rechtmäßigen) qualitativ-selektiven Systems sei der Hersteller verpflichtet gewesen, die Vertragswerkstatt zuzulassen. Zwar gestatte die GVO 1400/02 den Kfz-Herstellern für den Werkstatt- und Ersatzteilbereich nur noch eine qualitative und keine quantitative Selektion. Zivilrechtlich durchsetzbare Verhaltenspflichten des Herstellers ließen sich jedoch aus der GVO nicht herleiten. Der Hersteller bleibe auch nicht zur Vermeidung einer nach §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB untersagten unbilligen Behinderung verpflichtet, die Werkstatt zuzulassen. Für die Prüfung dieses TB-Merkmals sei eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes vorzunehmen. Dabei falle auf Seiten des Werkstattanwärters sein Interesse ins Gewicht, möglichst frühzeitig zugelassen zu werden. Zugunsten des Herstellers sei zu berücksichtigen, dass § 19 GWB ihm unternehmerischen Freiraum bei der Gestaltung und Pflege seines Vertriebssystems belasse und nur den Missbrauch von Marktmacht verhindern wolle. Einen solchen Missbrauch und damit eine unbillige Behinderung verneinte der BGH, da der Hersteller sich auf die möglw. irrige aber vertretbare Ansicht zurückziehen durfte (Rechtsirrtum), er habe die Klägerin erst ab dem 1.1.2003, also später, zulassen müssen.3387 Fazit: Der BGH wurde so verstanden, dass er einen Zulassungsanspruch aus dem heutigen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB befürwortete, falls andere Werkstätten zugelassen wurden3388 (Gleichbehandlungspflicht i. S. d. heutigen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB), ihn jedoch in diesem Einzelfall ablehnte. 493 Einen ersten Anhaltspunkt auf die neue Rspr. gab ein Urteil des OLG Düsseldorf. Nach ihm war die Judikatur des BGH zum Verbot der Diskriminierung und Behinderung von Vertragshändlern durch marktstarke Kfz-Hersteller auf das Verhältnis von Herstellern und Vertragshändlern von motorisierten Zweirädern nicht ohne Nachweis der marktbeherrschenden Stellung des Herstellers zu übertragen.3389 Gleichwohl relativ überraschend verneinte der BGH dann in seinen „MAN-Entscheidungen“ 2011 einen Kontrahierungsanspruch im Nutzfahrzeugbereich. Er bestätigte zwar die Anwendbarkeit des jetzigen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, lehnte jedoch auf der Tatsachenebene eine Abhängigkeit des Bewerbers ab (was bei weniger ausgeprägten Ausweichmöglichkeiten der Werkstatt zumindest theoretisch abweichende Ergebnisse zulässt3390). Dieser Tatsachenebene vorgelagert waren Rechtsausführungen des BGH zur Marktanteilsbestimmung, die von der zuvor wohl h. M. abwichen: Anders als es die Kommission für den Bereich des KfzService in den LL zur Kfz-GVO vertritt,3391 sei – so der BGH – für den zivilrechtlichen Kontrahierungsanspruch nicht der Marktanteil des jeweiligen Herstellers aus Sicht des Endkunden maßgeblich.3392 Der Marktanteil sei allein aus Sicht der Aufnahme begehrenden Werkstatt zu bestimmen; aus ihrer Warte betrachtet müsse der Hersteller marktbeherrschend oder marktstark sein. Bei dem für den Aufnahmeanspruch maßgeblichen Markt handelt es sich somit ge-

3386 Creutzig EuZW 2002, 560 (562). 3387 Wobei sich fragt, ob der Unternehmer nicht spätestens während des Rechtsstreits Prüfungspflichten unterlag und deshalb ein Rechtsirrtum ausschied.

3388 OLG München, Urt. v. 8.1.2009 – U (K) 1501/08, BB 2009, 518 m. Anm. Schultze/Spenner; Emde EWiR 2006, 273 (274); Niebling WRP 2006, 1334; Wendel/Ströbl WRP 2006, 1336 (1339); aA mglw. OLG Köln, Urt. v. 7.12.2007 – 19 U 60/07. 3389 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI – U (Kart) 1/08, GRUR-RR 2009, 109. 3390 Praktisch sind solche abweichenden Tatsachenfeststellungen wahrscheinlich nicht zu erwarten. 3391 Rn 70 der LL zur Kfz-GVO 461/10. 3392 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 6/09, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) m. zust. Anm. Schultze/Oest, KZR 7/09, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428; ebenso OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807. Emde

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genüber dem Kundenmarkt um einen „vorgelagerten“ Markt.3393 Der Markt gegenüber den Endkunden sei jenem Markt nachgelagert. Der nachgelagerte Kundenmarkt könne nur ausnahmsweise Auswirkungen auf die Marktstärke im vorgelagerten Markt haben.3394 Der für den Kontrahierungsanspruch aus Werkstattsicht vorgelagerte Markt, an dem sich der Aufnahmeanspruch messen müsse, umfasse alle Produkte, Dienstleistungen und Rechte, die den Zutritt zu dem nachgelagerten Endkundenmarkt erleichterten. Dazu zählten das Angebot von Ersatzteilen, Diagnosegeräten und Spezialwerkzeugen, die Vermittlung der erforderlichen markenspezifischen Fachkenntnisse sowie die Zulassung als Vertragswerkstatt für bestimmte Fahrzeugmarken. Angebot und Nachfrage um die Zulassung als Vertragswerkstatt bildeten keinen eigenständigen Markt.3395 Eine marktbeherrschende Stellung im vorgelagerten Markt folge nicht aus dem Umstand, dass eine Zulassung als Vertragswerkstatt nur unter Mitwirkung des jeweiligen Herstellers möglich sei. Es reiche entgegen der vom Vertreter des BKartA in der mündlichen Verhandlung vor dem BGH geäußerten Auffassung für die Annahme einer beherrschenden Stellung auf dem vorgelagerten Markt nicht aus, dass ein Anbieter über eine Ressource verfügt, die Voraussetzung für die Erbringung einer marktrelevanten Leistung sei – z. B. für Garantie- und Kulanzleistungen. Erforderlich ist vielmehr, dass es sich um eine Ressource handelt, ohne die der Zugang zu dem nachgelagerten Markt nicht oder jedenfalls nicht sinnvoll möglich ist.3396 Die Stellung als Vertragswerkstatt bilde keine Ressource, die für den Zugang zum Endkundenmarkt in den o. g. Bereichen unerlässlich sei.3397 Für eine Reparatur eventuell benötigte Ersatzteile könne eine Werkstatt etwa von anderen Vertragswerkstätten des Unternehmers erhalten.3398 Selbst wenn im Hinblick auf die Firmierung mit dem Markennamen des Unternehmers eine Spezialisierung der Klägerin auf Fahrzeuge dieser Marke bestanden habe und damit eine unternehmensbedingte Abhängigkeit etwa im Hinblick auf Material- und Support-Leistungen des Unternehmers nahelag, reiche dies für einen Kontrahierungsanspruch nicht aus.3399 Für ein nicht den Vertriebs- oder Servicenetz eines Fahrzeugherstellers angehörendes Unternehmen soll es nicht schon deshalb unzumutbar sein, Kfz-Ersatzteile und -zubehör bei Dritten zu beziehen, weil es dafür schlechtere Preise zahlen oder längere Lieferfristen in Kauf nehmen müsse als bei einem Direktbezug vom Händler.3400 Etwas anderes soll aber gelten, wenn der Antragsteller für jedes einzelne Teil eine fehlende anderweitige Bezugsmöglichkeit außerhalb der Vertriebsorganisation der Beklagten darlegen müsste.3401 Nachdem der BGH bereits in dem zitierten Urteil „Porsche-Tuning“3402 die z. T. kritisierten 494 harschen Konsequenzen seiner praktisch zum Fehlen eines Kontrahierungsanspruchs und Kündigungsschutzes im Werkstattbereich führenden Rspr. milderte, brachte sein „Jaguar-Urteil“3403 signifikante Linderung. Der BGH bestätigte zwar grds. die Marktabgrenzung und die Maßgeb3393 Kritisch zu dieser Marktabgrenzung Walz EWiR 2011, 465 (466), der eine markenspezifische Marktabgrenzung befürwortet.

3394 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 7/09 Rn 12, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428.

3395 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 7/09 Rn 15, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428.

3396 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 6/09 Rn 21, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) m. Anm. Schultze/Oest. 3397 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 7/09 Rn 20, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428. 3398 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807. 3399 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807. 3400 BGH, Urt. v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 525 Rn 97 – Porsche-Tuning. 3401 BGH, Urt. v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 525 Rn 97 – Porsche-Tuning. 3402 BGH, Urt. v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 525 – Porsche-Tuning. 3403 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285= EWiR 2016, 481 (Walz): Entscheidung des OLG nach Rückverweisung: OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203. 295

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lichkeit des „vorgelagerten Marktes“.3404 Er reduzierte jedoch die Anforderungen an die Darlegung der Abhängigkeit und die fehlenden Ausweichmöglichkeiten der Werkstatt.3405 Das bedeutet vor allem für die Werkstätten renommierter Marken mit weniger preissensiblen Kunden eine Verbesserung ihrer Rechtsposition. Insb. im Bereich von Kfz mit einer Lebensdauer von zumindest bis zu 4 Jahren könnte sich daraus generell eine Abhängigkeit von der Stellung als autorisierte Werkstatt ergeben.3406 Näheres werden Marktuntersuchungen der Hersteller ergeben, die als Statistiken ebenso wie in Ausgleichsstreitigkeiten in die gerichtlichen Verfahren einbezogen werden können. Notfalls wäre Beweis zu erheben. 495 Das Urt. des BGH v. 30.3.2011,3407 so der BGH in der Jaguar-Entscheidung,3408 könne nicht ohne weiteres auf den Markt für die Reparatur von PKW der Marke Jaguar übertragen werden. Es entspreche std. Rspr., dass die Verhältnisse auf dem nachgelagerten Endkundenmarkt Auswirkungen auf die sachliche Abgrenzung des vorgelagerten Ressourcenmarktes haben könnten. Eine solche Auswirkung bestehe etwa, wenn eine bestimmte Leistung auf der vorgelagerten Stufe deshalb nicht austauschbar sei, weil sie für eine Teilnahme am Wettbewerb auf der nachgelagerten Stufe unentbehrlich sei.3409 Hinsichtlich der Tätigkeit von Vertragswerkstätten komme es für die Marktabgrenzung auf dem vorgelagerten Ressourcenmarkt darauf an, ob freie Werkstätten, die Arbeiten an PKW einer bestimmten Marke durchführen wollten, eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit hätten, jene Tätigkeit auch ohne den Status einer Vertragswerkstatt des Herstellers auszuüben.3410 Sei das nicht der Fall, so sei der Hersteller hinsichtlich des Zugangs zur Instandsetzung- und Wartungsdienstleistung für seine Marke marktbeherrschend und der vorgelagerte Ressourcenmarkt markenspezifisch abzugrenzen.3411 Sei der Hersteller ein marktbeherrschendes Unternehmen, dürfe es andere Unternehmen nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB nicht unbillig behindern oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund anders behandeln als gleichartige Unternehmen. Dann dürfe er einen Bewerber, der die Qualitätsanforderungen erfülle, unter denen er gleichartige Unternehmen in sein Werkstattnetz aufnehme, nicht den Zutritt zum Netz verweigern, es sei denn, dafür sprächen sachliche Gründe.3412 Eine unternehmensbedingte Abhängigkeit – oder relative Marktmacht – i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 1 GWB werde in Fällen angenommen, in denen sich ein Händler so stark auf den Verkauf von Produkten eines bestimmten Herstellers ausgerichtet habe, dass er nur unter Inkaufnahme erheblicher Wettbewerbsnachteile auf die Vertretung eines anderen Herstellers überwechseln könne.3413 Selbst wenn die Abhängigkeit ohne vertragliche Vereinbarung im Wege einer autonomen Bezugskonzentration selbst geschaffen worden sei, könne eine unternehmensbedingte Abhängigkeit vorliegen, falls die Ausrichtung des Geschäftsmodells erheblich über eine bloße einseitige Spezialisierung hinausgehe und etwa den Erwerb besonderen, markenspezifischen Know-Hows umfasse, welches 3404 Ebenso OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (206); Walz EWiR 2016, 481 (482). 3405 Genzow IHR 2016, 163 sieht das Urteil daher als „Abkehr“ von der früheren Rspr. und hält die Unterschiede zwischen LKW- und PKW-Bereich für gering (S. 164). 3406 Walz EWiR 2016, 481 (482). 3407 KZR 6/09, BGHZ 89, 84 Rn 11- MAN. 3408 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 21. Entscheidung des OLG nach Rückverweisung (bestätigend): OLG Frankfurt/ M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203. 3409 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 22. 3410 So auch OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (206); OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.3.2019 – U (Kart) 16/18, NZKart 2019, 344 = WuW 2019, 529. 3411 So auch OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (206); OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.3.2019 – U (Kart) 16/18, NZKart 2019, 344 = WuW 2019, 529. 3412 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 26. 3413 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 28. Emde

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für eine Tätigkeit im Zusammenhang mit den Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen erforderlich sei. Der Umstand, dass die Abhängigkeit in diesem Fall auf einem einseitigen, autonomen Entschluss des Abnehmers beruhe, sei im Rahmen einer Interessenabwägung bei der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen.3414 Die Zulassung als Vertragswerkstatt anderer Marken oder die Möglichkeit, als freie Werkstatt tätig zu werden, seien dann ungeeignet, die Abhängigkeit auszuschließen. Dabei bleibe die Würdigung der auf einen bestimmten Markt bestehenden Verhältnisse Sache des Tatrichters.3415 So könnten etwa die – privaten – Eigentümer eines PKW der Marke Jaguar gesteigerten Wert darauf legen, ihr Fahrzeug auch nach Ablauf der Garantiefrist von einer Jaguar-Vertragswerkstatt warten und instandhalten zu lassen, selbst wenn sie dafür höhere Preise zahlen müssten als in einer freien Werkstatt. Bei Nutzfahrzeugen, die zum Teil in Flotten gehalten werden und bei denen der Kostenaspekt für die gewerbsmäßigen Eigentümer eine größere Rolle spielen möge, könne es anders liegen.3416 Der BGH habe demgemäß für die Marke MAN die Unentbehrlichkeit des Status einer Vertragswerkstatt schon durch den Umstand als widerlegt erachtet, dass der überwiegende Teil der Werkstattleistungen nach den in jenem Rechtsstreit getroffenen tatrichterlichen Feststellungen von freien Werkstätten ausgeführt wurde. Das könne nicht ohne weiteres auf andere Bereiche, etwa den PKW-Vertrieb, übertragen werden.3417 Ob eine Behinderung unbillig sei oder einer unterschiedlichen Behandlung die sachliche 496 Rechtfertigung fehle, sei aufgrund einer Gesamtwürdigung aller beteiligten Interessen zu beurteilen, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes zu orientieren habe.3418 Der Hersteller sei grds. frei, seine geschäftliche Tätigkeit nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie er dies für wirtschaftlich sinnvoll erachte. Daher reiche eine ordentliche Kündigung mit einer angemessenen Kündigungsfrist i. d. R. aus, um die Geschäftsverbindung zu lösen. Diese Freiheit sei ausgeschlossen, wo sie missbraucht werde oder zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führt, die mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar ist.3419 Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Hersteller das Netz seiner Werkstätten als kartellrechtlich unbedenkliches qualitativ-selektives Vertriebssystem ausgestaltet habe.3420 Hier sei eine quantitative Selektion grds. nicht erforderlich, sofern sie nicht nur über entsprechende qualitative Voraussetzungen – etwa einen Mindestumsatz der Werkstatt – erreicht werde.3421 Bei der Abwägung der Interessen der Parteien komme es darauf an, aus welchem Grund der Hersteller den Zugang verweigert habe.3422 Habe er die Umstellung

3414 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 28.

3415 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 22.

3416 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 24. Ebenso später BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15, BeckRS 2018, 2279 – Jaguar/Land-Rover. Diesen Unterschied verneint Genzow IHR 2016, 163 (164). 3417 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 24. Ebenso später BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15, BeckRS 2018, 2279 – Jaguar/Land-Rover. 3418 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 31. Ebenso später BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15, BeckRS 2018, 2279 – Jaguar/Land-Rover. 3419 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 32. 3420 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 33. 3421 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 33. 3422 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 34. 297

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des Systems zu einer quantitativen Selektion genutzt, könnte das damit verfolgte Interesse im Rahmen der Abwägung mit dem Interesse des Bewerbers, weiterhin dem Vertragswerkstättennetz anzugehören, im Regelfall nicht berücksichtigt werden. Aus der grds. nicht erforderlichen Begründung der Kündigung (Rn 388 ff.) lasse sich entnehmen, dass die Kündigung gegenüber sämtlichen Vertragspartnern Jaguars erfolgt sei und auf dem Wunsch der Konzernmutter beruhte, mit weitestgehend einheitlichen vertraglichen Rahmenbedingungen die Effektivität des Servicenetzes zu fördern und aufgrund globaler Standards in allen Servicebereichen ein gleich hohes Niveau aller Servicepartner in allen Märkten zu gewährleisten. Zwar werde damit nicht begründet, warum die Werkstatt aus dem neuen Werkstattnetz ausgeschlossen werden sollte. Hierauf komme es aber nicht an. Die Frage, ob der Bewerber nicht in das neue Werkstattnetz aufgenommen werden sollte, weil er die hierfür geschaffenen Standards nicht erfüllte, oder ob ihm die Aufnahme verweigert wurde, obwohl er die qualitativen Voraussetzungen erfüllte, oder zu erfüllen in der Lage war, betreffe nicht die Kündigung des alten Vertrages, sondern nur die Frage, ob der Bewerber einen Anspruch auf Abschluss eines neuen Vertrages besitze.3423 Diesen Kurs bestätigte der BGH in seiner Jaguar-/Land-Rover-Entscheidung vom 23.1.2018.3424 Er bestätigte, dass es auf die Verhältnisse auf dem den Endkundenmarkt vorgelagerten Markt, auf welchem sich Werkstätten als Nachfrager und die Hersteller von Kfz als Anbieter von Ressourcen für die Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten an Kfz gegenüberstehen, abzustellen sei.3425 Die Verhältnisse auf dem nachgelagerten Endkundenmarkt könnten jedoch Auswirkungen auf die sachliche Abgrenzung des vorgelagerten Ressourcenmarktes haben.3426 Damit die Verhältnisse des vorgelagerten Ressourcenmarktes maßgeblich seien, müsse geprüft werden, ob freie Werkstätten, die Arbeiten an PKW einer bestimmten Marke durchführen wollten, eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit besäßen, diese auch ohne den Status einer Vertragswerkstatt auszuüben.3427 Sei dies nicht der Fall, so bleibe der Hersteller hinsichtlich des Zugangs zu Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen marktbeherrschend und der vorgelagerte Ressourcenmarkt werde markenspezifisch abgegrenzt. Die Zulassung als Vertragswerkstatt anderer Marken oder die Möglichkeit, als freie Werkstatt tätig werden zu können, seien dann ungeeignet, den Bedarf des Bewerbers zu decken.3428 Eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit, als freie Werkstatt Servicearbeiten an PKW der Marken Jaguar und Land-Rover auszuführen, besitze die Werkstatt nur dann, wenn sie die realistische Erwartung hegen dürfe, eine auskömmliche Anzahl entsprechender Aufträge zu erhalten.3429 Hierfür sei die Fähigkeit zur ordnungsgemäßen Auftragserfüllung eine notwendige, aber nicht ohne weiteres hinreichende Voraussetzung. Bedeutung habe neben der spezifischen Leistungsfähigkeit und den hierfür notwendigen Vorbedingungen auch die Frage, in welcher Weise eine freie Werkstatt erwarten könne, dass Eigentümer von Kfz der Marken Jaguar und Land-Rover sie für die Erbringung einer Werkstattleistung in Betracht zögen.3430 Auch Befindlichkeiten der Kundschaft, die eher emotio3423 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) Rn 46.

3424 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15, BeckRS 2O18, 2279. 3425 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15, BeckRS 2018, 2279 Rn 23 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88.

3426 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15, BeckRS 2018, 2279 Rn 2 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179; sowie Siegert RAW 2019, 88; ebenso: OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203; Walz EWiR 2011, 465 (466). 3427 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15 BeckRS 2018, 2279 Rn 23 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88. 3428 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15 BeckRS 2018, 2279 Rn 23 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88. 3429 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15 BeckRS 2018, 2279 Rn 26 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88. 3430 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15 BeckRS 2018, 2279 Rn 26 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88; ebenso OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (206). Emde

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nal bedingt seien, könnten die Wettbewerbschancen eines Unternehmens erhöhen und seienmitzuberücksichtigen.3431 Ob eine Behinderung unbillig sei oder eine unterschiedliche Behandlung fehle, sei aufgrund einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen zu beurteilen, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des Gesetzes zu orientieren habe. Eine ordentliche Kündigung mit angemessener Kündigungsfrist reiche, so betonte der BGH erneut, i.d.R. aus, um die Geschäftsverbindung zu lösen, da das abhängige Unternehmen darauf die zumutbare Möglichkeit besitze, seinen Betrieb auf eine andere Marke umzustellen. Mit zunehmender Abhängigkeit der Marktgegenseite seien an die verfolgten Belange steigende Anforderungen zu stellen.3432 Die Einstellung der angesprochenen Endkunden sei von besonderer Bedeutung.3433 Deren Ansprüche, Erwartungen und Gepflogenheiten fänden ihren am ehesten greifbaren Ausdruck in dem tatsächlichen Nachfrageverhalten.3434 Infolgedessen sei maßgebend darauf abzustellen, welche Anteile der Werkstattleistungen an Kfz der Marken Jaguar bzw. Land-Rover von Vertragswerkstätten und von freien oder mit anderen Herstellern vertraglich verbunden Werkstätten erbracht würden.3435 Die Behauptung, der Status einer Vertragswerkstatt sei eine unentbehrliche Ressource, sei wiederlegt, wenn der überwiegende Teil der betreffenden Werkstattleistungen von freien Werkstätten ausgeführt werde.3436 Dabei sei weniger auf die Zahl erteilter Aufträge, als auf den Umsatz abzustellen.3437 Zu berücksichtigen sei zudem, dass Werkstattleistungen, deren Erbringung keine Kenntnisse und Erfahrungen erforderten, die typischerweise durch die Spezialisierung auf eine bestimmte Marke erworben würden, im Hinblick auf die Kundenpräferenzen wenig aussagekräftig erschienen und das Ergebnis möglicherweise verzerrten.3438 Sie seien bei dem vorzunehmenden Abgleich geringer zu gewichten.3439 Als Grundsatz gilt seitdem: Im maßgeblichen „vorgelagerten“ Markt um die Produkte, 497 Dienstleistungen und Rechte, die den Zutritt zu dem nachgelagerten Endkundenmarkt erleichterten (u. a. Angebot von Ersatzteilen, Diagnosegeräten und Spezialwerkzeugen, die Vermittlung der erforderlichen markenspezifischen Fachkenntnisse sowie die Zulassung als Vertragswerkstatt für bestimmte Fahrzeugmarken) wird der Marktanteil entgegen der h. A. vor dem MANUrteil nicht markenbezogen, sondern markenübergreifend abgegrenzt.3440 Von diesem Grundsatz ist nur abzuweichen, wenn der Bewerber einen Ausnahmefall darlegt und notfalls beweist, der in der Linie der Jaguar-Entscheidung sowie der ihr folgenden Ansicht liegt. Das gilt

3431 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15 BeckRS 2018, 2279 Rn 26 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88.

3432 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15 BeckRS 2018, 2279 Rn 35 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88.

3433 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15 BeckRS 2018, 2279 Rn 40 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88.

3434 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15 BeckRS 2018, 2279 Rn 40 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88.

3435 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15 BeckRS 2018, 2279 Rn 40 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88.

3436 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15 BeckRS 2018, 2279 Rn 40 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88.

3437 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15 BeckRS 2018, 2279 Rn 40 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88.

3438 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15 BeckRS 2018, 2279 Rn 40 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88.

3439 BGH, Urt. v. 23.1.2018 – KZR 48/15 BeckRS 2018, 2279 Rn 40 = NZKart 2018, 191 m. Anm. Birk GRUR-Prax. 2018, 179 sowie Siegert RAW 2019, 88.

3440 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285= EWiR 2016, 481 (Walz) – Jaguar; v. 30.3.2011 – KZR 7/09 Rn 17, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRURRR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428; zust. Wegner/Oberhammer WuW 2012, 366 (370). 299

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ungeachtet dessen, dass im Endkundenmarkt der Marktanteil markenbezogen zu bestimmen ist.3441 Nach bis 2011 h. M. erfolgte die Marktanteilsbestimmung auch gegenüber den Bewerbern um einen Vertrag bezogen auf die einzelne Marke, auch bei Marken eines Konzerns. Nach jener bis 2011 h. M. brauchte sich der Bewerber nicht auf eine Tätigkeit als freie Werkstatt verweisen zu lassen, weil dies zumindest bei Haltern von Kfz mit einem Alter von weniger als 2 Jahren zu einem Abwandern von Kunden (und damit zu einer Abhängigkeit) geführt hätte.3442 Ein außerhalb des Vertriebsnetzes des Unternehmers stehender Bewerber soll zudem im Grundsatz, anders als mglw. ein Vertragshändler, der sich bereits ausschließlich an einen Fahrzeughersteller und seine CI gebunden hat3443 oder anders als eine bereits zugelassene Werkstatt, die ihren Geschäftsbetrieb durch erhebliche Investitionen auf einen bestimmten Fahrzeughersteller ausgerichtet hat,3444 nicht zwingend – es kommt auf die Verhältnisse des Einzelfalls an, s. o. – von dem Hersteller unternehmensbedingt abhängig i. S. d. § 19 GWB3445 sein. Eine sortimentsbedingte Abhängigkeit (zur Abgrenzung, oben Rn 462) kann ebenfalls fehlen: Der Bewerber könne ggf. auch ohne Zulassung als Vertragswerkstatt im Werkstattgeschäft tätig werden.3446 Auch aus Art. 102 AEUV ergibt sich nicht zwingend ein Zulassungsanspruch.3447 Damit mangelt es nach dem BGH und den ihm folgenden Stimmen wegen fehlender Abhän498 gigkeit zivilrechtlich an einem Zulassungsanspruch aus § 19 GWB, sofern sich nicht entsprechend den Ausführungen insb des Jaguar-Urteils eine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung auf dem vorgelagerten Markt ergibt.3448 Diesbetreffend kommt es wohl bezogen auf die Ausweichmöglichkeiten des Bewerbers im konkreten Kundenstamm, eine Existenzgefährdung der Betriebes insgesamt ist wohl nicht erforderlich – auf den Vortrag zu der Marktstärke und den Ausweichmöglichkeiten der Werkstatt auf dem vorgelagerten Markt an (zur Darlegungsund Beweislast unten). Ob der Status als Vertragswerkstatt eine notwenige Ressource für die Erbringung von Werkstattleistungen der Kfz einer bestimmten Marke ist, und damit ein Kontrahierungsanspruch in einem Selektivsystem besteht, wird maßgeblich durch die Ansprüche, Erwartungen und Gepflogenheiten der Kfz-Eigentümer bestimmt.3449 Eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit, als freie Werkstatt Arbeiten an Kfz auszuführen, hat der Bewerber nur dann, wenn er die realistische Erwartung hegen kann, eine auskömmliche Anzahl entsprechender Aufträge

3441 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 7/09 Rn 17, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428.

3442 OLG Braunschweig v. 1.9.2009 – 2 U 157/09, zit. nach Genzow kfz-betrieb 45/2009, 10. 3443 So: BGH, Urt. v. 23.2.1988 – KZR 20/86, WuW/E 2491 (2493) – Opel-Blitz; v. 21.2.1995 – KZR 33/93, WuW/E 2983 (2988) – Kfz-Vertragshändler.

3444 BGH, Urt. v. 9.2.2006 – KZR 26/04, WuW/E DE-R 1621 = NJW-RR 2006, 689 Rn 1, 16 – qualitative Selektion. 3445 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 7/09 Rn 26, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428; Ströbl/Schäfer WRP 2013, 600 (601 f.). 3446 Zu den Ausweichmöglichkeiten einer Markenwerkstatt auf die Tätigkeit einer unabhängigen Werkstatt bereits Ströbl/Schumacher BB 2009, 1201 (1205 f.) – wohl etwas überzeichnend. 3447 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 7/09 Rn 28, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807; Ströbl/Schäfer WRP 2013, 600 (601 f.). 3448 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285= EWiR 2016, 481 (Walz); v. 30.3.2011 – KZR 6/09, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) m. Anm. Schultze/Oest; KZR 7/09, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428 – Nutzfahrzeugbereich; Bespr. beider Urt. durch Bechtold BB 2011, 1610; ebenso OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (206); v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807 (PKW-Vertrieb); OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.12.2011 – VI-U (Kart) 19/11 – PKW; siehe ferner Ströbl/Schäfer WRP 2013, 600 (601 f.); Wegner/Oberhammer WuW 2012, 366 ff.; Schultze/Oest BB 2011, 1363 (1364); wohl auch Bechtold BB 2011, 1610 (1611) zu 3 – zur Folgefrage, ob deshalb eine ordentliche Kündigung der Servicepartner zulässig ist, s. Ströbl/Schäfer WRP 2013, 600. 3449 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.3.2019 – U (Kart) 16/18, NZKart 2019, 344 = WuW 2019, 529. Emde

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zu erhalten.3450 Von Bedeutung sei die Frage, in welchem Maße eine freie Werkstatt erwarten könne, dass Eigentümer von Kfz der betreffenden Marke sie für die Erbringung der Werkstattleistungen in Betracht ziehen. Dabei können auch Befindlichkeiten der Kundschaft, die eher emotional bedingt sind, zu berücksichtigen sein.3451 Die Endabnehmergewohnheiten sind nicht homogen, sondern variieren in Abhängigkeit von dem Alter des Fahrzeugs. So ist für bis zu 4 Jahre alte Pkw eine starke Markenbindung bei der Werkstattauswahl zu beobachten.3452 Weiter könnten Fahrzeugeigentümer nach komplexen und weniger komplexen Arbeiten differenzieren.3453 Zudem bieten Haftpflichtversicherer vermehrt Tarife mit Werkstattbindung (i. d. R. freie Anbieter) an.3454 Auch eine freie Werkstatt kann theoretisch nahezu alle Reparatur- und Serviceleistungen erbringen.3455 Allein das Image freier Werkstätten als „Fast Fitter“ könne sogar Jaguar-Kunden nicht davon abhalten, eine solche zu besuchen.3456 Der Bewerber könne sich werblich und qualitätsmäßig absetzen, indem er mit einer Spezialisierung auf Kfz der betreffenden Marke werbe. Ein Zulassungsanspruch scheitert folglich, solange Bewerber die wirtschaftlich vertretbare Möglichkeit besitzen, auf eine Tätigkeit als markenfreie Werkstatt auszuweichen.3457 Der Zulassungsanspruch besteht nach dem BGH aber z. B. dann, wenn der Bewerber nachweist, dass es sich bei der Erbringung von Garantieleistungen, von Kulanzleistungen nach Ablauf der Gewährleistungsfrist, von Leistungen im Rahmen von Rückrufaktionen sowie für Inspektionen innerhalb der Garantiefrist um einen eigenständigen Markt handelt, der von dem Markt für die Ressourcen zur Erbringung sonstiger Werkstattleistungen abzugrenzen ist und auf dem der Hersteller zumindest marktstark ist3458 (was oft naheliegt). Auch falls ohne Zulassung als Markenwerkstatt Wartungsdienstleistungen der Werkstatt unmöglich oder wirtschaftlich sinnlos werden, könnte ein Zulassungsanspruch aufleben,3459 etwa aufgrund technischen Detailwissens, welches nur der Markenwerkstatt zur Verfügung steht.3460 Dem könnte wieder entgegnet werden, dass die freie Werkstatt nach Art. 6 VO 715/2007 Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen des Herstellers erlangen kann.3461 Außerdem besteht ein Belieferungsanspruch hinsichtlich bestimmter notwendiger Teile.3462 Teils wird – wie beim allg. Kontrahierungsanspruch (Rn 466 ff.) „als Kompensation“ für den 499 nach dem Vorstehenden recht „schwachen“ Anspruch aus § 19 GWB ein ebenfalls auf Zulassung gerichteter zivilrechtlicher Anspruch aus Art. 101 AEUV i. V. m. § 33 GWB befürwortet,3463 teils abgelehnt,3464 wobei die jenen Zulassungsanspruch Ablehnenden darauf verweisen, es könne keinen Anspruch auf Aufnahme zu einem Art. 101 AEUV widersprechenden Vertriebssystem geben3465 (wohl ein Zirkelschluss).

3450 3451 3452 3453 3454 3455 3456 3457 3458

OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (206). OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (206). Mitteilung der Kommission vom 22.7.2009, KOM (2009) 388 Rn 34; Walz EWiR 2016, 481 (482). Walz EWiR 2016, 481 (482). Walz EWiR 2016, 481 (482). OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (206). OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (207). OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203; Walz EWiR 2011, 465 (466). BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 6/09 Rn 16, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) m. Anm. Schultze/Oest. 3459 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 6/09 Rn 17, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) m. Anm. Schultze/Oest; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.3.2019 – U (Kart) 16/18, NZKart 2019, 344 = WuW 2019, 529; OLG Frankfurt/ M., Urt. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807; Walz EWiR 2011, 465 (466). 3460 Walz EWiR 2011, 465 (466) nennt das Beispiel der Verwendung von Carbonwerkstoffen. 3461 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (206). 3462 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (206). 3463 Ströbl/Schäfer WRP 2013, 600 (604); Bechtold BB 2011, 1610 (1611). 3464 Wegner/Oberhammer WuW 2012, 366 (372). 3465 Wegner/Oberhammer WuW 2012, 366 (372). 301

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Kartellrechtlich dürfte der Zulassungsanspruch ungeachtet der zivilrechtlichen Rechtslage in jedem Fall Freistellungsvoraussetzung sein3466: Die Kommission will nämlich auch nach den MAN-Entscheidungen bei ihrer den Zulassungsanspruch befürwortenden Auffassung bleiben. So soll etwa ausweislich Ziff. 12 der häufig gestellten Fragen zur Kfz-GVO 461/103467 ein Hersteller den Zugang zu seinem Netz zugelassener Werkstätten nicht mit der Begründung verweigern dürfen, dass die interessierte Werkstatt bereits für die Reparatur von Fahrzeugen der Marke eines konkurrierenden Kfz-Anbieters zugelassen ist, was zeigt, dass nach Ansicht der EU-Kommission ein Kontrahierungszwang besteht. Daher könnten zivilrechtliche und kartellrechtliche Lage differieren, ein für die Einheit der Rechtsordnung nicht unbedingt förderliches Ergebnis.3468 Das Verbot der quantitativen Selektion erfasst nach Ansicht der Kommission auch mittelbare Quantifizierungsvorgaben, etwa verbindliche Mindestumsätze3469 oder die Verpflichtung, neben den Werkstattdienstleistungen auch Neufahrzeuge zu vertreiben.3470 Auch eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV soll in solchen Fällen ausscheiden.3471 Das könnte dazu führen, dass Hersteller durch die kartellrechtlichen Folgen der Aufnahmeverweigerung zum Vertragsschluss motiviert werden.3472 Nach Ansicht des OLG Frankfurt/M. sollen die deutschen Gerichte aber nicht gehindert sein, eine andere Marktabgrenzung vorzunehmen als auf europäischer Ebene.3473 Daraus folgt: § 19 GWB kann nach wie vor einen Zulassungsanspruch rechtfertigen, 501 soweit seine TB-Voraussetzungen eingreifen3474: Ist das der Fall, darf der Hersteller weder einen Bewerber um Werkstattleistungen noch eine bereits zugelassene Werkstatt gegenüber vergleichbaren Unternehmen unbillig behindern noch sachlich ungerechtfertigt ungleich behandeln (§ 20 Abs. 1 GWB). Auch einem Supermarkt darf die z. B. Aufnahme nicht verweigert werden, sofern er die Selektionsbedingungen erfüllt3475 (dann agiert er nicht mehr als Supermarkt sondern als Werkstatt). Da der Kontrahierungsanspruch an die Marktstärke („Abhängigkeit“) und nicht an die GVO 502 anknüpft, bleiben er und seine Herleitung aus § 19 GWB auch nach Wegfall der alten Kfz-GVO 1400/02 und unter der Ägide der GVOs 330/10 und 461/10 relevant. Der Anspruch greift auch ein, wenn unterhalb eines Marktanteiles von 30 % der Anwendungsbereich der GVO eröffnet ist. Das ist naheliegend. Denn die Kommission versteht unter Rn 70 ihrer Ergänzenden Leitlinien zur Kfz-GVO3476 quantitative Kriterien und damit eine Begrenzung des Zugangs zu Werkstattverträgen der Hersteller generell (also auch bei Eingreifen der Kfz-GVO 461/10) als Verstoß gegen Art. 101 AEUV. Zur Marktanteilsbestimmung im Werkstattbereich oben Rn 206. Sofern der Hersteller in die Werkstattverträge nur die Klausel aufnimmt, die Vertragsware 503 allein an einen nach bestimmten Kriterien ausgewählten Abnehmerkreis zu verkaufen und sich die Abnehmer ihrerseits verpflichten, keine nicht zugelassene Wiederverkäufer zu beliefern, soll nach Ansicht von Wegner3477 keine Wettbewerbsbeschränkung und damit kein Aufnahmean-

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3466 LL zur Kfz-GVO 461/10, Rn 70, 43; Emde MDR 2013, 1079 (1081); Niebling WRP 2012, 1361 (1362 f.); WRP 2011, 1269; WRP 2011, 1518 (1519); Schultze/Oest BB 2011, 1363 (1364), wobei letztere nicht an eine Änderung der Kommissionspraxis glauben; Bechtold BB 2011, 1610 (1611), der auf S. 1613 diese Uneinheitlichkeit kritisiert. 3467 Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor v. 27.8.2012. 3468 Emde MDR 2013, 1079 (1081); Bechtold BB 2011, 1610 (1613). 3469 LL zur Kfz-GVO 461/10 Rn 44. 3470 LL zur Kfz-GVO 461/10 Rn 71. 3471 LL zur Kfz-GVO 461/10 Rn 71; siehe zum Ganzen Wegner BB 2010, 1867 (1872). 3472 Emde MDR 2013, 1079 (1081). 3473 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807. 3474 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) – Jaguar. 3475 Wendel WRP 2002, 1395 (1405) zur GVO 1400/02. 3476 Amtsblatt der EU v. 28.5.2010, C 138/16 Rn 70. 3477 Wegner BB 2010, 1867 (1873). Emde

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spruch bestehen. Dies erscheint zweifelhaft, da eine solche Regelung nur Bedeutung für die Freistellung eines Systems haben kann, nicht jedoch für den Aufnahmeanspruch aus § 19 GWB. Weitgehend Einigkeit besteht und bestand allerdings darüber, dass sich unmittelbar aus Art. 101 AEUV i. V. m. der GVO 330/10 oder der alten Kfz-GVO 1400/02 kein Kontrahierungszwang des Kfz-Herstellers oder -Importeurs zum Abschluss eines Werkstattvertrages ergibt, sondern bei einem Verstoß gegen Art. 101 AEUV lediglich das Entfallen der Freistellung.3478 Ebenso wenig folgt ein Kontrahierungszwang aus der Verpflichtung, sämtlichen Beteiligten Zugang zu den allerdings für Instandsetzung und Wartung erforderlichen Informationen zu geben (dazu Rn 419).3479 Zur Frage, welche Selektionskriterien der Bewerber vor Abschluss des Vertrages zu erfüllen hat oben, Rn 471. Auch bei der Diskussion um den Kontrahierungszwang im Werkstattbereich stellt sich die oben, Rn 480, angesprochene Frage, ob sachliche oder nur wichtige Gründe die Verweigerung des Abschlusses rechtfertigen können. Sie ist nicht anders als unter Rn 480 zu entscheiden. Sachliche Gründe von einigem Gewicht genügen, um den Vertragsschluss zu verweigern. In erster Linie ist an ein Fehlverhalten der Vergangenheit als Ablehnungsgrund zu denken.3480 Die Anforderungen an die sachliche Rechtfertigung sind hoch.3481 Es muss sich um Gründe handeln, die auch die Auflösung des Absatzmittlungsvertrages rechtfertigen würden, ohne dass notwendigerweise die Schwere eines wichtigen Grundes erreicht werden muss.3482 Beispiele: Erschwindeln von Provisionszahlungen durch fingierte Aufträge, Erschleichen von Zuschüssen aufgrund unrichtiger Angaben in erheblicher Größe,3483 Zahlungsunfähigkeit des Händlers3484 oder der Bewerber der faktischen Leitung von Personen untersteht, welche die Namens- und Markenrechte des Herstellers missbrauchen.3485 Nicht genügend sind unklare mietvertragliche Verhältnisse,3486 ein Schaden des Herstellers im Zusammenhang mit der Insolvenz einer anderen Gesellschaft,3487 mangelnde Kundenzufriedenheit, die nur dazu führt, dass Bonusprogramme, welche überobligationsmäßiges Verhalten der Werkstatt belohnen, nicht erfüllt sind,3488 wenn sich ein Mitarbeiter am Telefon nicht mit Vornamen meldet oder den Kunden nicht ungefragt verschiedene Termine zur Auswahl anbietet.3489 Das gilt insb:, wenn der Bewerber in den beiden Jahren vor Anspruch der Kündigung jeweils für die Kundenzufriedenheit besonders ausgezeichnet wurde.3490 Da nach Wegfall der Kfz-GVO 1400/02 wieder Vollfunktionsverträge (einheitlicher Vertriebs- und Werkstattvertrag) eingeführt wurden, stellt sich das durch die neuere Entschei-

3478 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 7/09 Rn 24, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428; v. 28.6.2005 – KZR 26/ 04, WRP 2006, 109 (111) = GRUR Int. 2006, 57 = EWiR 2006, 273 (Emde); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.7.2014 – 11 U 6/14, IHR 2015, 81 = WuW/E 2015, 1045 = DE-R 4807; v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRUR-RR 2007, 121; OLG München, Urt. v. 8.1.2009 – U (K) 1501/08, BB 2009, 518 m. Anm. Schultze/Spenner; Nolte WRP 2005, 1124 (1125); Pfeffer NJW 2002, 2910 (2912); aA Creutzig EG-Gruppenfreistellungsverordnung für den Kfz-Sektor, Rn 1503; Ensthaler/GesmannNuissl BB 2009, 618 (622); BB 2005, 1749 (1757). 3479 OLG Braunschweig, Hinweisbeschl. v. 6.3.2009 – 2 U 29/06, ZIP 2009, 1336 (1337). 3480 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208). 3481 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208). 3482 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208) – etwas unklar. 3483 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208/209). 3484 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (209). 3485 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRUR-RR 2007, 121. 3486 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRUR-RR 2007, 121. 3487 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRUR-RR 2007, 121. 3488 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (209). 3489 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (209). 3490 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (210). 303

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dungspraxis des BGH3491 relativierte Problem der Infektion des Kontrahierungszwanges auf den Gesamtvertrag. Eine zugedachte „Trennung“ der Verträge wird eher ausscheiden, so dass sich der Kontrahierungsanspruch auf den Vertriebsvertrag erstrecken könnte, sofern der Hersteller keinen separaten Werkstattvertrag anbietet. Man mag auch die gegenteilige Ansicht einnehmen und den (durchschnittlichen) Marktanteil aller mit dem Vollfunktionsvertrag übertragenen Pflichten einschließlich der Vertriebspflicht für maßgeblich halten, so dass wegen des dann geringeren Gesamtmarktanteils ein Kontrahierungszwang eher ausscheiden wird. 508 Wer auf Abschluss eines Händler- oder Servicevertrages klagt, hat die TB-Merkmale des Kontrahierungsanspruchs darzulegen und zu beweisen.3492 Im Prozess obliegt es der auf Zulassung klagenden Werkstatt, nachvollziehbar darzulegen und nachzuweisen, dass sie Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten für Kfz der betreffenden Automarke als freie Werkstatt nicht oder nicht wirtschaftlich sinnvoll erbringen kann.3493 Die Werkstatt hat weiter ihre Abhängigkeit zu beweisen.3494 Dazu soll eine sekundäre Darlegungslast des Herstellers fehlen, weil er die Verhältnisse freier Werkstätten nicht kennen kann.3495 Der Bewerber hat zu beweisen, dass er die vom Hersteller festgelegten Selektionsmerkmale erfüllt.3496 Das aber gilt zumindest nicht für einen über viele Jahrzehnte tätigen Vertragspartner, der früher die Selektionskriterien erfüllte. Hier muss der Hersteller zumindest ansatzweise vortragen, welche der Standards nicht erfüllt sind.3497 Auch ansonsten dürfte ein pauschales Bestreiten des Herstellers unbeachtlich sein.3498 Der Vortrag, dass alle Qualitätsmerkmale erfüllt werden, die ein oder mehrere zugelassene Servicepartner aufweisen, ist erst auf subtantiiertes Bestreiten des Herstellers erforderlich.3499 Deshalb muss der die Aufnahmepflicht bestreitende Hersteller vortragen, warum der Aufnahme Begehrende die Standards nicht erfüllt oder dass es außerhalb der Erfüllung der Qualitätsmerkmale einen sachlich gerechtfertigten Grund für die Aufnahmeverweigerung gibt und dies ggf. beweisen.3500 Der Hersteller ist hinreichend geschützt, indem er die Erfüllung der Kriterien zu Vertragsbeginn prüft und, soweit nötig, unter Kündigungsandrohung eine angemessene Frist zur Umsetzung setzt.3501 Der Hersteller muss über ein Zulassungsgesuch ohne ungebührliche Verzögerung und 509 in nicht diskriminierender Form entscheiden. Näheres oben, Rn 486. Der Anspruchsteller darf im Hauptsacheverfahren auf Zugang klagen3502 (Rn 487). Auch 510 hier soll der Nachweis einer existenziellen Abhängigkeit von dem Kfz-Hersteller erforderlich sein. Die Abhängigkeit soll fehlen, falls die Werkstatt EU-Neufahrzeuge veräußert3503 und einen

3491 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 6/09, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) m. Anm. Schultze/ Oest, KZR 7/09. OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.3.2019 – U (Kart) 16/18, NZKart 2019, 344 = WuW 2019, 529. OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.3.2019 – U (Kart) 16/18, NZKart 2019, 344 = WuW 2019, 529 – dort mißlungen. OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI – U (Kart) 1/08, GRUR-RR 2009, 109. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (207). OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208); v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRURRR 2007, 121. 3497 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208). 3498 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208); v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRURRR 2007, 121; Niebling WRP 2007, 1426 (1427). 3499 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRUR-RR 2007, 121; Niebling WRP 2007, 1426 (1427). 3500 Liesegang NZKart 2013, 233 (237). 3501 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2019 – 11 U 8/15 (Kart), IHR 2019, 203 (208). 3502 BGH, Urt. v. 26.1.2016 – KZR 41/14, IHR 2016, 159 m. Anm. Genzow = BB 2016, 1167 = GRUR 2016, 627 = NZKart 2016, 285 = EWiR 2016, 481 (Walz) – Jaguar; v. 30.3.2011 – KZR 6/09, NJW 2011, 2730 = BB 2011, 1361 = EWiR 2011, 465 (Walz) m. Anm. Schultze/Oest; KZR 7/09 Rn 24, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428; v. 28.6.2005 – KZR 26/04, WRP 2006, 109 (111) = GRUR Int. 2006, 57 = EWiR 2006, 273 (Emde); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 10.10.2006 – 11 U 3/06, GRUR-RR 2007, 121. 3503 LG Köln, Urt. v. 24.4.2008 – 86 O 8/08.

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weiteren Werkstattvertrag führt.3504 Letzteres dürfte zweifelhaft sein, da auf Grund der Markengebundenheit des Kundenstammes jedenfalls bei einer – vom BGH3505 allerdings abgelehnten – markenbezogenen Betrachtungsweise eine Abhängigkeit existieren dürfte und keiner der betroffenen Hersteller den Antragsteller auf die Möglichkeit des Vertragsschlusses mit dem anderen Hersteller verweisen darf. Wie unter Rn 487 ausgeführt bedarf es einer Notlage oder Existenzgefährdung nicht in jedem Fall.

(13) Belieferungsanspruch (a) Zulässigkeit. Es ist auch denkbar, dass sich ein Interessent darauf beschränkt, auf Beliefe- 511 rung und nicht auf Vertragsschluss zu klagen. Nur im Ausnahmefall ist ein Leistungsantrag, gerichtet auf zukünftige Belieferung des Händlers, gem. § 253 ZPO unzulässig.3506 Unzulässigkeit soll etwa vorliegen, falls der Antrag nicht hinreichend spezifiziert ist, z. B. weil lediglich ein Antrag auf Lieferung von Gegenständen, die erst nach Typ und genauer Stückzahl durch zukünftige Bestellungen konkretisiert werden müssten, gestellt wird. Es müssen also die genauen Bedingungen des Geschäfts im Antrag benannt werden.3507 Zum Antragsinhalt, insb. zu seiner Bestimmtheit, BGH, Urt. v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 535. Eine Klage auf Abgabe eines Angebots durch den Unternehmer soll ausscheiden,3508 die Klage auf Feststellung der Belieferungspflicht jedoch zulässig sein.3509 Auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bis zum Ablauf des Hauptsacheverfahrens ist zumindest bei existenzieller Betroffenheit möglich.3510

(b) Begründetheit. Eine allg. Belieferungspflicht des Herstellers ist nicht anzuerkennen3511 512 (siehe schon oben ee ccc). So kann sich ein Unternehmer etwa gegen die Belieferung von Discounthändlern entscheiden.3512 Eine Belieferungspflicht kann sich in erster Linie aus den §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB i. V. m. § 33 GWB3513 ergeben, nach der hier vertretenen Ansicht auch i. V. m. Art. 101 AEUV (siehe Rn 473 ff.). Die häufigsten Fälle einer solche Belieferungspflicht sind die oben behandelten Konstellationen, in denen eine Spitzengruppen- oder Spitzenstellungsab-

3504 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 7/09 Rn 27, KZR 7/09, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416; LG Köln, Urt. v. 24.4.2008 – 86 O 8/08; Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428. 3505 BGH, Urt. v. 30.3.2011 – KZR 7/09 Rn 17, KZR 7/09, NJOZ 2011, 1193 = WRP 2011, 909 = GRUR-RR 2011, 391 (Ls.) m. Anm. Niebling WRP 2011, 1416 sowie Böckenholt GRUR-Prax 2011, 323068 = GRUR-Prax 2011, 428; zust. Wegner/ Oberhammer WuW 2012, 366 (370). 3506 Rheinländer WRP 2007, 501 (503); Musterklage bei Karl Beck’sches Prozessformularbuch 12. Aufl. 2013, L 24. 3507 BGH WuW/E BGH 2125 (2126); 1885 (1886); Lübbert in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 2008, § 30 Rn 5. 3508 OLG München WuW/E DE-R 313 (314); Lübbert in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 2008, § 30 Rn 5. 3509 Rheinländer WRP 2007, 501 (503). 3510 LG Düsseldorf, Urt. v. 2.9.2009 – 14c O 95/06 – dort EV abgelehnt. 3511 Hinweise des BKartA zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 12.7.2017, ZVertriebsR 2017, 330 Rn 86; Walzel ZVertriebsR 2017, 71 (74). 3512 Hinweise des BKartA zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 12.7.2017, ZVertriebsR 2017, 330 Rn 87 – solange der Unternehmer nicht durch Kundgabe nach Außen auf die Preisgestaltung des Händlers Einfluss zu nehmen versucht. 3513 BGH, Urt. v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 535 – Porsche-Tuning; v. 30.6.1981 – KZR 11/80, NJW 1981, 2357; LG Dortmund, Urt. v. 13.12.2017 – 8 O 16/17 Kart., ZVertriebsR 2019, 65 – Belieferungspflicht dort abgelehnt; LG Frankfurt/M., Urt. v. 18.6.2014 – 2-03 O 158/13, WuW DE-R 4409 (Rücksäcke); Hinweise des BKartA zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 12.7.2017, ZVertriebsR 2017, 330 Rn 86; Traugott WuW 1997, 486; Emde NZKart 2013, 355 (362); Bechtold GWB3 2002, § 20 Rn 48; Loewenheim/Meesen/Riesenkampff/Rehbinder Kartellrecht II, § 33 Rn 52. 305

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hängigkeit vorliegt.3514 Es fehlt jedoch an einer den Belieferungsanspruch rechtfertigenden unbilligen Ungleichbehandlung i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, sofern der Hersteller andere Absatzmittler nur nach Abschluss eines Rahmenvertrages beliefert, etwa eines Vertragshändler- oder Franchisevertrages, und der Antragsteller nicht dessen Abschluss begehrt oder auf ihn keinen Anspruch besitzt.3515 So hat die Rspr. einen Belieferungsanspruch abgelehnt, wenn einem Vertragshändler gekündigt wurde, um einen ruinösen Wettbewerb zwischen ihm und einem neu eingesetzten Händler zu verhindern. Nach Kündigung durch den Hersteller scheitere ein Belieferungsanspruch daran, dass der Händler nicht mehr zum selektiven Vertriebssystem des Herstellers gehöre.3516 Das dürfte regelmäßig auch nach § 33 GWB i. V. m. Art. 101 AEUV nicht anders zu beurteilen sein. Denn der Verstoß gegen Art. 101 AEUV folgt meist aus der Nichtzulassung zum selektiven Absatzsystem trotz Erfüllung der Zugangsvoraussetzungen. Aus diesem Grund kann ein Kontrahierungsanspruch begründet sein, der scheinbar weniger belastende isolierte Belieferungsanspruch jedoch nicht.3517 Kein Belieferungsanspruch soll auch gegeben sein, wenn der diskriminierte Händler ursprünglich selbst an einer wettbewerbswidrigen Absprache beteiligt war und erst später aus dieser Politik ausschert und deshalb nicht mehr beliefert wird.3518 Ein Parfümhersteller, der ein selektives Vertriebssystem betreibt, ist nicht deshalb nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB zur Belieferung reiner Internethändler verpflichtet, weil er den Mitgliedern seines selektiven Vertriebssystems neben dem stationären Handel auch den Internethandel erlaubt. Denn dass der stationäre Handel auch per Internet vertreiben darf, wird durch Art. 4 lit. b GVO 330/10 vorgeschrieben. Es liegt mithin eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor.3519 Ein aus Art. 102 AEUV, § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB begründeter Belieferungsanspruch wegen Ungleichbehandlung mag auch fehlen, sofern andere Mittler nach Vertragsende nicht mehr beliefert werden.3520 Es gibt also nicht in jedem Fall ein Wahlrecht des Anspruchstellers zwischen Rahmenvertrag und bloßer Belieferung ohne rahmenvertragliche Begleitung. Wird ein in seiner vertraglichen Ausgestaltung zulässiges selektives Vertriebssystem aufgrund einer Willensübereinstimmung zwischen dem Hersteller und einzelnen Händlern über die Durchsetzung einer bestimmten, kartellrechtswidrigen Geschäftspolitik ungleichmäßig gehandhabt, so soll aus Art. 101 Abs. 2 AEUV ein Belieferungsanspruch des diskriminierten Händlers entstehen.3521 Eine Belieferungspflicht kann auch existieren, obwohl kein Rahmenvertrag auf Belieferung besteht.3522

513 (c) Belieferungspflicht in quantitativen Vertriebsbindungssystemen. Noch nicht sicher geklärt ist, ob ein Händler, dem die Belieferung verweigert wird, im Rahmen eines quantitativen Vertriebsbindungssystems (dazu Rn 226) eine Belieferungsklage auf der Grundlage der §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 33 GWB erheben kann.3523 Ein Recht auf Belieferung in einem solchen System wird mit dem Argument verneint, der Hersteller habe mit Implementierung eines quantitativen Systems zu erkennen gegeben, dass sein System nicht die Voraussetzungen eines für alle gleichermaßen qualifizierten Händler allgemein zugänglichen Geschäftsverkehrs i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 3514 Siehe etwa LG Dortmund, Urt. v. 13.12.2017 – 8 O 16/17 Kart., ZVertriebsR 2019, 65 – Belieferungspflicht dort abgelehnt.

3515 OLG Celle, Urt. v. 29.3.2001 – 13 U 53/00, WuW DE-R 864 = WuW 2002, 504 (Kfz-Vertragshändler, selektives Vertriebssystem). OLG Celle, Urt. v. 29.3.2001 – 13 U 53/00, WuW DE-R 864, 2002, 504. Kritisch Loewenheim/Meesen/Riesenkampff/Rehbinder Kartellrecht II, § 33 Rn 52. Rheinländer GRUR 2007, 383 (385). BGH, Urt. v. 4.11.2003 – KZR 2/02, DB 2004, 311; ähnlich OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009 – 6 U 47/08, MDR 2011, 1436 = WRP 2010, 412 = WuW DE-R 2789 (420) – Scout-Schulranzen. 3520 OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179. 3521 Rheinländer GRUR 2007, 383 (386). 3522 BGH, Urt. v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 525 Rn 62 – Porsche-Tuning. 3523 Hierzu LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HKO 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3084) – JPG Le Male (dort abgelehnt); Haslinger WRP 2007, 926 (927).

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GWB erfüllen solle.3524 Einem quantitativen System sei immer eine gewisse Willkür immanent, da nicht jeder Händler beliefert werden müsse.3525 Der Hersteller dürfe seine quantitative Selektion jederzeit ändern, so dass mit dem Wesen quantitativer Systeme ein individueller Zulassungsanspruch, gestützt auf eine Diskriminierung, unvereinbar sei.3526 Zudem werde ein quantitatives System von der Vertriebs-GVO gestattet, ein Zulassungsbegehren scheitere auch daran3527 (zweifelhaft, denn die GVO trifft zum Aufnahmebegehren keine Aussage). Richtig ist: Auch in einem quantitativen System kann ein Zugangsanspruch bestehen.3528 Das ist sicher, falls das System zulässig ist (was als erstes zu prüfen wäre), der Bewerber alle Voraussetzungen des Systems erfüllt und die Höchstzahl zugelassener Vertriebsmittler noch nicht ausgeschöpft ist. Selbst wenn die Höchstzahl erreicht ist, kann ein Zulassungsanspruch nach §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 33 GWB bestehen, falls (nur) die quantitative Begrenzung unzulässig ist. Das System steht nur im Einklang mit Art. 101 AEUV, sofern es eine nachvollziehbare und eindeutige Festlegung gibt, woraus die zahlenmäßige Beschränkung der Händlerzahl folgt bzw. woran sie festgemacht wird.3529 Bewerber müssen, sofern das Gebiet noch unbesetzt ist, eine klar definierte und realistische Chance auf Beitritt haben. Auch kommt es darauf an, ob das erstrebte Ziel durch die Wahl milderer, weniger beeinträchtigender Mittel erreicht werden kann.3530 Unzulässig wäre es, die quantitativen Selektionskriterien nur auf ein einzelnes Autorisierungsbegehren anzuwenden.3531 Ein Recht zur Verweigerung der Zulassung und/oder zur Nichtbelieferung besteht aber auch hier, wenn hierfür sachliche und objektive Gründe existieren.3532

(14) Belieferungspflicht mit Ersatzteilen. Eine weitere Ausnahme von der Dispositionsfrei- 514 heit des Unternehmers ist mit der bei Eingreifen der TB-Voraussetzungen der §§ 19, 20 GWB existierenden Verpflichtung des Unternehmers zur Lieferung von Ersatzteilen anerkannt worden.3533 Sie besteht auch dann, wenn zwischen den Parteien kein Rahmenvertrag besteht3534: Grundsätzlich fehlt zwar eine solche Belieferungspflicht.3535 Sofern jedoch der Unternehmer den Markt beherrscht, muss er einen ausgeschiedenen Händler oder HV3536 ausnahmsweise gem. §§ 20 Abs. 1, 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB mit Ersatzteilen beliefern.3537 Der für die Untersuchung der Marktbeherrschung maßgebliche Markt ist der für Ersatzteile,3538 wobei es einen Teilmarkt für Original-Ersatzteile gibt.3539 Eine unmittelbar oder mittelbar andersartige Behandlung gegenüber gleichartigen 3524 3525 3526 3527 3528 3529

Bechtold NJW 2003, 3729 (3730). Bechtold EG-Kartellrecht VO 2790/99, Art. 1 Rn 18 ff.; vgl. auch Haslinger WRP 2007, 926 (927). AA wohl Harte-Bavendamm/Kreutzmann DB 2003, 682 (691). LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HKO 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3085) – JPG Le Male. Emde NZKart 2013, 355 (363). Haslinger WRP 2007, 926 (928); aA LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HKO 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3084) – JPG Le Male; Bechtold NJW 2003, 3729 (3730) (bestimmte Kriterien der quantitativen Selektion brauchen nicht im Voraus festgelegt werden; die Festlegung erschöpfe sich in der quantitativen Selektion als solcher). 3530 BGHZ 81, 322. 3531 Emde NZKart 2013, 355 (363); Haslinger WRP 2007, 926 (928); offen gelassen von LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HKO 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3085) – JPG Le Male. 3532 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2010 – 4 HKO 2611/09, WuW/E DE-R 3078 (3085) – JPG Le Male. 3533 Hierzu Emde MDR 2013, 1079 ff. 3534 BGH, Urt. v. 6.10.2015 – KZR 87/13, ZVertriebsR 2016, 52 = NZKart 2015, 525 Rn 85 ff. – Porsche-Tuning. 3535 Flohr/Wauschkuhn /Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 22. 3536 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.11.1987 – 6 U 176/86, WuW OLG 4233. 3537 Flohr/Wauschkuhn /Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 25. 3538 BGH, Urt. v. 26.10.1972 – KZR 54/71, WuW/E BGH, 1238 (1442) – Registrierkassen; KG, Beschl. v. 23.1.1992 – Kart 24/89, WuW/E OLG 4951 (4965) – Kälteanlagen-Ersatzteile; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.1991 – U (Kart) 12/91, WuW/E OLG 4901 (4904) – Dehnfolien-Verpackungsmaschinen; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.11.1987 – 6 U 176/86, WuW OLG 4233. 3539 BGH, Urt. v. 27.4.2000, NJW-RR 2000, 773 – Feuerwehrgeräte; v. 21.2.1989, NJW-RR 1989, 1310 – Frankiermaschinen; v. 23.2.1988, GRUR 1988, 640 – Reparaturbetrieb; v. 26.10.1972, GRUR 1973, 277 – Registrierkassen. 307

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Unternehmen i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, bestimmt sich nicht nach dem mglw. diskriminierenden Verhalten des Unternehmers, sondern danach, was innerhalb der in Betracht kommenden Kreise bei natürlicher wirtschaftlicher Entwicklung3540 üblich bzw. angemessen ist.3541 Wenn andere Unternehmer Ersatzteile liefern, ist dies als üblich und angemessen maßgeblich.3542 Mit dem Bestreben, den Wartungs- und Reparaturdienst auf das eigene Unternehmen zu konzentrieren, kann das diskriminierende Unternehmen nicht bestimmen, was ein üblicherweise zugänglicher Geschäftsverkehr ist.3543 Bei der Frage, ob die Lieferverweigerung unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund erfolgt, sind auch hier die beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB gegeneinander abzuwägen.3544 Maßgeblich für das Unbilligkeitsurteil sind alle Umstände des Einzelfalls. Dabei fällt einerseits das Interesse des ausgeschiedenen Mittlers ins Gewicht, seine Kunden weiterhin zu betreuen;3545 andererseits das Interesse des Unternehmers, den Absatz seiner Erzeugnisse nach eigenem Ermessen zu gestalten.3546 Die Unbilligkeit wird nach h. A. weder beseitigt, weil Kunden ggf. beim ausländischen Unternehmer bestellen können,3547 noch weil andere Bezugsquellen im Ausland bestehen.3548 AA ist das KG3549: Es hält die Nichtbelieferung mit Ersatzteilen durch das inländische Tochterunternehmen des Herstellers für keine unbillige Behinderung, wenn den Nachfragern andere Bezugsquellen offen stehen und insb. der Direktbezug beim ausländischen Hersteller oder ausländischen Händlern möglich bleibt. Der Vorteil des Anspruchstellers reduziere sich dann auf die schnellere Belieferung aus dem Inland infolge der Lagerhaltung des deutschen Tochterunternehmens.3550 Dieser Vorteil sei jedoch, so das KG, kein schützenswerter Umstand. Es ist aber zu prüfen, ob der Bezug von anderen (deutschen) Händlern eine zumutbare Ausweichmöglichkeit darstellt.3551 Die persönliche Zuverlässigkeit und die Erfahrung des vormaligen Mittlers und Anspruchstellers sind bei der Billigkeitsabwägung zu berücksichtigen.3552 Sofern die Parteien z. B. 46 Jahre erfolgreich und ohne Beanstandung zusammengearbeitet haben, darf sich der Unternehmer nicht darauf berufen, dem Mittler fehle die erforderliche Qualifikation und Zuverlässigkeit.3553 Das Interesse eines Herstellers, die Wartung der vertriebenen Produkte ausschließlich selbst oder durch verbundene Unternehmen ausführen zu lassen, bildet i. d. R. keine Rechtfertigung für die Verweigerung der Belieferung anderer Unternehmen mit Original-Ersatzteilen.3554 Für die Billigkeitsabwägung irrelevant soll ferner die Befürchtung des Unternehmers bleiben, durch eine un-

3540 3541 3542 3543 3544

KG, Beschl. v. 23.1.1992 – Kart 24/89, WuW/E OLG 4951 (4967) – Kälteanlagen-Ersatzteile. BGH, Urt. v. 26.10.1972 – KZR 54/71, WuW/E BGH, 1238 (1442) – Registrierkassen. Emde MDR 2013, 1079. OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.1991 – U (Kart) 12/91, WuW/E OLG 4901 – Dehnfolien-Verpackungsmaschinen. BGH, Beschl. v. 23.2.1988 – KZR 2/97, WuW/E BGH 2479 (2482); v. 26.10.1972 – KZR 54/71, WuW/E BGH, 1238 (1443) – Registrierkassen; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.11.1987 – 6 U 176/86, WuW OLG 4233. 3545 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.11.1987 – 6 U 176/86, WuW OLG 4233. 3546 KG, Beschl. v. 23.1.1992 – Kart 24/89, WuW/E OLG 4951 (4968) – Kälteanlagen-Ersatzteile. 3547 OLG Stuttgart, Urt. v. 16.5.1997 – 2 U 73/96, WuW/E DE-R 6 (8) – Kennzeichnungsgeräte. 3548 OLG Stuttgart, Urt. v. 16.5.1997 – 2 U 73/96, WuW/E DE-R 6 (8) – Kennzeichnungsgeräte; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.1991 – U (Kart) 12/91, WuW/E OLG 4901 – Dehnfolien-Verpackungsmaschinen. 3549 Beschl. v. 23.1.1992 – Kart 24/89, WuW/E OLG 4951 (4970 ff.). 3550 Beschl. v. 23.1.1992 – Kart 24/89, WuW/E OLG 4951 (4970 ff.). 3551 BGH, Beschl. v. 23.2.1988 – KVR 2/97, WuW/E BGH 2479 (2482). 3552 BGH, Beschl. v. 23.2.1988 – KVR 2/97, WuW/E BGH 2479 (2482). 3553 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.11.1987 – 6 U 176/86, WuW OLG 4233. 3554 BGH, Urt. v. 26.10.1972, WuW/E BGH 1238 (1243 f.) – Registrierkassen; v. 23.2.1988, WuW/E BGH 2479 (2482 f.) – Reparaturbetrieb; v. 27.4.1999, WuW/E DE-R 357 (360) = GRUR 2000, 95 – Feuerwehrgeräte; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.1991 – U (Kart) 12/91, WuW/E OLG 4901 (4905 f.) – Dehnfolien-Verpackungsmaschinen; OLG Stuttgart, Urt. v. 16.5.1997, WuW/E DE-R 6 (7 f.) – Kennzeichnungsgeräte; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.8.1997, WuW/E DE-R 79 (81 f.) – Feuerwehr-Drehleitern; Immenga/Mestmäcker, GWB, § 20 Rn 172; enger KG, Urt. v. 23.1.1992, WuW/E OLG 4951 (4968 ff.) – Kälteanlagen-Ersatzteile; OLG München, Urt. v. 6.6.1991, WuW/E OLG 5032 (5033 f.) – Wartung von Reanimationsgeräten; Hopt § 86 Rn 37. Emde

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sorgfältige Ausführung von Reparaturarbeiten werde sein Ruf beeinträchtigt.3555 Auch der Wunsch des Herstellers nach Einbeziehung der Antragssteller in das betriebsinterne Qualitätssicherungssystem rechtfertigt keinen Belieferungsausschluss.3556 Ein wesentlicher Aspekt, der im Rahmen der Bewertung zu berücksichtigen sein kann, ist der Umstand, ob der anfragende Händler/Servicepartner in Konkurrenz zu Vertragshändlern des Lieferanten steht.3557 In diesem Fall würde der Lieferant dem Konkurrenzunternehmen zwangsläufig einen Wettbewerbsvorteil bei der Akquise von Neugeschäften einräumen, was je nach den Verhältnissen des Einzelfalls nach Ablauf einer Übergangsfrist eine Lieferverweigerung rechtfertigen mag.3558 Einen Ausnahmefall kennzeichnet auch die Entscheidung des OLG Düsseldorf.3559 Es entschied, eine Belieferungspflicht mit Ersatzteilen und Verbrauchsmaterialien gegenüber einem ehemaligen HV bestehe nicht, wenn dieser von einem Wettbewerber übernommen worden sei. In einem solchen Fall dürfe dem HV bei fortbestehendem Vertrag aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden. Folglich könne kein Recht des HV bestehen, mit Ersatzteilen beliefert zu werden. Dann darf der Unternehmer auch von der Handhabung abweichen, seine ehemaligen HV mit Ersatzteilen- und Verbrauchsmaterialien zu beliefern.3560 Dieses Argument lässt sich möglicherweise auf Fallgestaltungen übertragen, in denen ein HV nach der Beendigung des Vertrages Produkte eines Wettbewerbers vertreibt: Auch dann würde bei bestehendem Vertrag ein Kündigungsrecht bestehen. Man könnte also wie im Fall des OLG Düsseldorf argumentieren, dass es dem Unternehmer dann nicht angesonnen werden kann, den HV zu beliefern. Jedenfalls soll ein Belieferungsanspruch ausscheiden, wenn der HV den Vertrag selbst gekündigt und sich dadurch des Anspruchs auf die Vertragsleistung, die er nunmehr begehrt, freiwillig begeben hat.3561 U. U. ist die Belieferungsverpflichtung auf einen angemessenen Zeitraum zu befristen. Wie lange diese Anpassungsfrist zu bemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich nach der Zumutbarkeit für die Vertragspartner.3562 Bei einer Lebensdauer der vertriebenen Produkte von 20 Jahren muss eine unbegrenzte Lieferfrist ausgesprochen werden.3563 Sehr weit geht ein Urteil des OLG München,3564 welches angesichts der vorgenannten Entscheidungen eine Minderansicht bilden dürfte: Danach darf ein gekündigter Vertragshändler keine fortdauernde Belieferung fordern, sofern der Unternehmer Wert darauf legt, dass in einem bestimmten Bezirk nur ein Unternehmen sowohl als Vertragshändler wie als Reparaturbetrieb tätig wird. Soweit Belieferung geschuldet ist, muss diese diskriminierungsfrei zu den in dem maßgeblichen Abnehmerkreis üblichen Preisen erfolgen.3565

ff) Gerichtlicher Rechtsschutz. Zum gerichtlichen Rechtsschutz s. oben Rn 487 sowie zum 515 vergleichbaren Problem bei § 89a.

3555 BGH, Beschl. v. 23.2.1988 – KVR 2/97, WuW/E BGH 2479 (2482). 3556 OLG Stuttgart, Urt. v. 16.5.1997 – 2 U 73/96, WuW/E DE-R 6 (9) – Kennzeichnungsgeräte. 3557 BGH NJW-RR 1989, 1310 – Frankiermaschinen; Urt. v. 22.10.1973, NJW 1974, 141 – Buchungsmaschinen; zust.Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 26. 3558 BGH NJW-RR 1989, 1310 – Frankiermaschinen; Urt. v. 22.10.1973, NJW 1974, 141 – Buchungsmaschinen; zust.Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 26. 3559 OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2013 – VI-U (Kart) 36/13, ZVertriebsR 2014, 102 = NZKart 2014, 35 (36) = EWiR 2014, 465 (Engelhoven). 3560 OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2013 – VI-U (Kart) 36/13, ZVertriebsR 2014, 102 = NZKart 2014, 35 (36) = EWiR 2014, 465 (Engelhoven). 3561 OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2013 – VI-U (Kart) 36/13, ZVertriebsR 2014, 102 = NZKart 2014, 35 (36) = EWiR 2014, 465 (Engelhoven). 3562 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.11.1987 – 6 U 176/86, WuW OLG 4233. 3563 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.11.1987 – 6 U 176/86, WuW OLG 4233. 3564 V. 6.6.1991 – U (K) 6631/90, WuW/E OLG 5032. 3565 Emde MDR 2013, 1079 (1080). 309

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VI. UWG 516 Das UWG ist auch auf HV,3566 Vertragshändler und FN3567 anwendbar, insb. die Generalklausel des § 3 UWG.3568 Dass Parteien auf unterschiedlicher Vertriebsstufe tätig sind, schließt ein Wettbewerbsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG nicht aus.3569 (Ehemaliger) HV und Unternehmer befinden sich deshalb in einem Wettbewerbsverhältnis, wenn sie beide gleichartige Waren und Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen.3570 Verstößt ein Vertriebsmittler gegen § 3 UWG, darf er gem. § 8 UWG auf Beseitigung und Unterlassung in Anspruch genommen werden (s. u. zur „Zurechnung“). § 9 UWG begründet einen Schadenersatzanspruch. Den Schutz des UWG genießen nur kartellrechtlich zulässige selektive Vertriebssysteme (Rn 162). Ein kartellrechtlich unzulässiges selektives Vertriebssystem genießt keinen wettbewerbsrechtlichen Schutz.3571 Es ist entweder rechtlich unwirksam, so dass zu seinem Nachteil keine wettbewerbsrechtlich unzulässige Maßnahme möglich ist. Oder es ist den gebundenen Händlern nicht zuzumuten, sich an das System zu halten, weil der Unternehmer keine ausreichende Vorsorge gegen Missbräuche getroffen hat. Liegt ein geschütztes System vor, ist es wettbewerbswidrig, einen gebundenen Händler zum Vertragsbruch gegenüber dem Unternehmer zu verleiten (1. Alt.). Das bloße Ausnutzen des Vertragsbruchs eines so gebundenen Händlers ist hingegen wettbewerbsrechtlich unbedenklich. Von einem Verleiten zum Vertragsbruch kann nur ausgegangen werden, wenn der ungebundene Händler den Vertragsbruch außerhalb des Üblichen in einer Intensität fördert, die geeignet ist, den gebundenen Händler über die Verletzung seiner vertraglichen Pflichten ernsthaft nachdenken zu lassen. Die einfache Lieferanfrage eines außerhalb eines Vertriebsbindungssystems stehenden gewerblichen Abnehmers bei einem gebundenen Mittler stellt ebenso wenig wie die Entgegennahme des Angebots ein wettbewerbswidriges Verleiten zum Vertragsbruch dar.3572 Neben der 1. Alt. ist die zweite wettbewerbsrechtlich unzulässige Alt. die des Schleichbezugs.3573 Er liegt vor, wenn ein Wettbewerber gegenüber einem gebundenen Händler so tut, als sei er ebenfalls gebundener Händler oder aus anderen Gründen zum Bezug der gebundenen Ware zum Zwecke des weiteren Vertriebs berechtigt. Durch das Wettbewerbsrecht zur Abwehr der unzulässigen Handlung aktiv legitimiert ist der Verletzte. Der Exklusivhändler eines nachgeahmten Produkts kann als unmittelbar Verletzter gegen vermeidbare Herkunftstäuschungen geschützt sein, wenn durch die Nachahmung nicht nur über die Herkunft von einem bestimmten Hersteller, sondern zugleich auch über die Herkunft aus seinem Unternehmen getäuscht wird.3574 Vertriebsbindungssysteme sind keine Verhaltenskodizes i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UWG.3575 Nicht jeder schuldrechtliche Austauschvertrag und Vertriebsvertrag hat das Gewicht eines Verhaltenskodex. Insb. ist dies bei einseitig vom Unternehmer gestellten Selektionskriterien abzulehnen, bei deren Nichtbeachtung bestenfalls ein Vertragsverstoß gegenüber dem Unternehmer vorliegt, Verbraucherinteressen jedoch unberührt bleiben.3576 Wettbewerbsrichtli3566 3567 3568 3569

Köhler WRP 2009, 898 (900). Köhler WRP 2009, 898 (900). Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 35. BGH, Urt. v. 17.10.2013 – I ZR 173/12, GRUR 2014, 573; OLG Hamm, Urt. v. 24.1.2013 – 4 U 186/12, ZVertriebsR 2013, 228 (230). 3570 OLG Köln, Urt. v. 06.02.13 – 6 U 127/12, GRUR-RR 2013, 257 = WRP 2013, 938 Rn 4. 3571 Omsels in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig GWB2 § 4 Nr. 10 Rn 124 ff. 3572 OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.4.2002 – 20 U 15/02, GRUR-RR 2003, 89; Sosnitza WRP 2009, 373 ff. 3573 BGH WRP 2009, 177 (179 f.) – bundesligakarten.de; GRUR 2000, 724 (726) – Außenseiteranspruch II; GRUR 1999, 1113 (1114) – Außenseiteranspruch. 3574 BGH GRUR 1994, 630 (634) – Cartier-Armreif; 1991, 223 (225) – Finnischer Schmuck; 1988, 620 (621 f.) – Vespa; Omsels in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig GWB2 § 4 Nr. 9 Rn 237. 3575 Schmidhuber WRP 2010, 593 (596 ff.); aA Lamberti/Wendel WRP 2009, 1479 ff.; Hoeren BB 2008, 1182; ders. WRP 2009, 789. 3576 Schmidhuber WRP 2010, 593 (596 ff.). Emde

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nien privater Verbände – etwa die Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft – können (müssen aber nicht3577) die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise wiedergeben, in welchen Fällen eine Wettbewerbswidrigkeit vorliegt.3578 Sie sind daher bei der Bewertung eines Verhaltens ein Indiz3579 oder eine Auslegungshilfe, können jedoch nur bei allseitiger Überzeugung ihrer Richtigkeit durch die maßgeblichen Verkehrskreise entscheidend sein. Ein Schuldner, dem der Vertrieb eines Produktes untersagt worden ist, muss grds. durch einen Rückruf des Produktes dafür sorgen, dass bereits ausgelieferte Produkte von seinen Abnehmern nicht weiter vertrieben werden.3580

1. Zulässigkeit UWG-rechtlicher Streitigkeiten Die Feststellungsklage eines Grauimporteurs, die Vertragshändler eines Kfz-Herstellers seien be- 517 rechtigt, an Kunden mit Wohnsitz in einem anderen europäischen Staat oder an Wiederverkäufer zu verkaufen, soll unzulässig sein, weil es an einer Rechtsbeziehung zwischen den Parteien auch dann fehlt, wenn ein Vertragshändler Schadenersatzansprüche an den Kläger abgetreten hat.3581

2. Begründetheit UWG-rechtlicher Streitigkeiten a) Fehlende Wettbewerbswidrigkeit. Nicht wettbewerbswidrig sind: –



518

Ein sachliches Abschiedsschreiben,3582 in dem der HV auf die Trennung vom bisherigen Unternehmer hinweist. Ebenso darf er Kunden aufsuchen und über das Vertragsende berichten.3583 Das kann aber nur insoweit gelten, als die Kundenliste keinem Geheimnisschutz unterliegt.3584 Nach der Rspr. zu § 90 darf der HV nur im Gedächtnis verhaftete Adressen nutzen (siehe Kommentierung zu § 90). Die Abwerbung von HV durch einen Wettbewerber des Unternehmers.3585 Das Ausspannen der HV ist nicht per se unzulässig3586 und selbst dann erlaubt, wenn die Abwerbung bewusst und planmäßig erfolgt und grds. unabhängig davon, welche und wie viele Mitarbeiter abgeworben werden. Die Schwelle zur Unzulässigkeit wird überschritten, wenn das Verhalten bei objektiver Würdigung aller Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist oder die Behinderung derart ist, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistungen am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann.3587 Für eine Wettbewerbswidrigkeit sprechen also besondere Umstände, wie die unangemessene, unsachliche Einflussnahme auf Verbraucher.3588 Zudem wäre es unzulässig, wenn der HV von dem Wettbewerber zum Vertrags-

3577 Siehe Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. X Rn 30 zu den Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft – es handelt sich um eine Frage des Einzelfalls. BGH GRUR 1969, 474 (476); 1991, 462 (463). Höld NJW 2016, 2774 (2778). BGH, Beschl. v. 29.9.2016 – I ZB 34/15, WM 2017, 145. OLG Schleswig, Urt. v. 9.7.2002 – 6 U Kart 72/01, OLGR 2002, 378. BGH, Urt. v. 30.10.1962, WRP 1963, 50 (52); OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.3.1986, VW 1986, 690; Küstner/Thume/ Schröder I4 Kap. X Rn 36. 3583 BGH, Urt. v. 6.11.1963, NJW 1964, 351; Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. X Rn 36. 3584 Siehe BGH, Urt. v. 6.11.1963, NJW 1964, 351 sowie die Kommentierung zu § 90. 3585 OLG Oldenburg, Urt. v. 19.4.2012 – 1 U 98/07, WRP 2013, 943; v. 15.2.2007 – 1 U 97/06, WRP 2007, 460. 3586 Höld NJW 2016, 2774 (2778) – VV. 3587 OLG Oldenburg, Urt. v. 19.4.2012 – 1 U 98/07, WRP 2013, 943. 3588 Höld NJW 2016, 2774 (2778) – VV.

3578 3579 3580 3581 3582

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bruch verleitet wird.3589 Ein Unternehmer, der durch Beschäftigung eines bei einem Mitbewerber tätigen HV, dem wegen eines Wettbewerbsverbots eine Tätigkeit für Konkurrenten nicht gestattet ist, den Vertragsbruch des Mitarbeiters lediglich ausnutzt, ohne ihn zu dem Vertragsbruch zu verleiten, handelt auch nicht deshalb unlauter, weil er das Wettbewerbsverbot kennt oder kennen muss.3590 Die Abwerbung des HV (also ehemaligen Kollegen) eines vormaligen Unternehmers durch einen ausgeschiedenen HV.3591 Während eines laufenden HV-Vertrages verstößt die Abwerbung von Kollegen jedoch gegen die Interessenwahrungspflicht.3592 Einem HV soll es aber nicht verwehrt sein, sich mit seinen Kollegen über seine beruflichen Pläne zu unterhalten, dabei auf bessere Verdienstmöglichkeiten hinzuweisen und mit ihnen ggf. darüber zu sprechen, ob sie gemeinsam in einen anderen Betrieb überwechseln.3593 Die Wiederholungsgefahr für den Anspruch eines Versicherers gegen einen Mitbewerber auf Unterlassung der gegen den Arbeitsvertrag verstoßenden Abwerbung von HV zugunsten eines anderen Versicherers entfällt mit dem Ausscheiden des HV aus dem HV-Vertrag, sofern das Verhalten des HV nicht befürchten lässt, er werde auch nach Vertragsbeendigung Beschäftigte des früheren Unternehmers planmäßig zur Behinderung desselben abwerben.3594 Die Bezahlung des HV durch den Kunden. Sie ist nicht Voraussetzung und Wesensmerkmal des HV-Vertrages (s. Kommentierung zu § 87). Der HV-Vertrag fordert lediglich eine ständige Vertriebspflicht. Lässt sich daher ein VV, der seine Agenturbindung gegenüber dem VN offen legt, für die Beratung und die Vermittlung einer Netto-Police vom VN eine eigenständige Vergütung versprechen, verstößt dies nicht gegen § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 34d Abs. 1 GewO.3595 Durch das vom VN versprochene Honorar erweckt der VV auch nicht den unzutreffenden Anschein, er sei Versicherungsmakler.3596 Das gilt insbesondere, wenn nicht der Eindruck erweckt wird, der VV stünde als unabhängiger Berater auf der Seite des VN.3597 Ein eventueller Verstoß gegen die Interessenwahrungspflicht des § 86 Abs. 1 soll zudem wettbewerbsrechtlich irrelevant sein.3598 Hausbesuche eines HV, selbst wenn sie schriftlich nicht angekündigt oder vereinbart wurden.3599 Denn der Betroffene braucht den HV nicht zu empfangen. Ein „erzwungener Zutritt“, also hartnäckiges bzw. aufdringliches Verhalten des HV, ist jedoch ebenso wettbewerbswidrig wie die Nichtbeachtung des an der Haustür angebrachten Hinweises, Vertreterbesuche seien unerwünscht.3600 Wettbewerbswidrig kann ein unerbetener Vertreterbesuch sein, falls der Interessent nur Prospektmaterial angefordert hatte.3601 Nutzung der Marke oder des Logos des Unternehmers mit dessen Zustimmung: Die Rspr. zur Nutzung der Wort-/Bildmarke eines Unternehmens ist nicht frei von Inskonsistenzen: Relativ sicher scheint das Recht zu sein, die Wortmarke zu nutzen. Die Leuchtreklame eines ehemaligen Vertragshändlers und jetzigen freien Kfz-Betriebs mit den Aufschriften

3589 3590 3591 3592 3593 3594 3595 3596 3597 3598 3599

OLG Oldenburg, Urt. v. 15.2.2007 – 1 U 97/06, WRP 2007, 460. BGH, Urt. v. 11.1.2007 – I ZR 96/04, WRP 2007, 951. OLG Stuttgart, Urt. v. 6.11.1992 – 2 U 169/92, BeckRS 1992, 05088. OLG Stuttgart, Urt. v. 6.11.1992 – 2 U 169/92, BeckRS 1992, 05088. OLG Stuttgart, Urt. v. 6.11.1992 – 2 U 169/92, BeckRS 1992, 05088. OLG Stuttgart, Urt. v. 6.11.1992 – 2 U 169/92, BeckRS 1992, 05088. BGH, Urt. v. 6.11.2013 – I ZR 104/12, DB 2013, 2797 = WRP 2014, 57. BGH, Urt. v. 6.11.2013 – I ZR 104/12, DB 2013, 2797 = WRP 2014, 57 Rn 22. BGH, Urt. v. 6.11.2013 – I ZR 104/12, DB 2013, 2797 = WRP 2014, 57 Rn 24. BGH, Urt. v. 6.11.2013 – I ZR 104/12, DB 2013, 2797 = WRP 2014, 57 Rn 28. Entw. eines Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Gesetzen, 15.2.1985, BT-Drucks 10/2008, 176, S. 7; BGH, Urt. v. Urt. v. 18.6.2014 – I ZR 242/12; v. 1.4.2004 – I ZR 227/01; GRUR 1959, 277; Krauthausen ZVertriebsR 2019, 351 (352); aA LG Berlin, Urt. v. 18.12.2018 – 16 O 49/18 (Stromliefervertrag): Seit der BGH gegenteilig entschied hätten sich die Lebensverhältnisse fortentwickelt. 3600 LG Hamburg WRP 1987, 272. 3601 BGH GRUR 1968, 648; ZIP 1990, 199. Emde

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„VW“ und „Audi“ und dem Zusatz „Spezialist“ ohne Verwendung des Originalschriftzuges (Bildmarke) dieser Marken soll als Anpreisung der eigenen Tätigkeit in Bezug auf solche Fahrzeuge zu verstehen sein, die marken- und wettbewerbsrechtlich zulässig ist.3602 Noch weitergehend judizierte der BGH,3603 Mitsubishi habe keinen berechtigten Grund i. S. v. § 24 Abs. 2 MarkenG, dem nicht in sein Vertriebssystem eingebundenen Wiederverkäufer der Markenware bei dessen Werbung, die keine besondere Geschäftsbeziehungen (etwa als Vertragshändler3604) zu ihr vortäuscht, die Verwendung des Firmenlogos (Bildmarke) zu untersagen und ihn auf die bloß namentliche Nennung des Produktes (Wortmarke) zu beschränken. Wenig später ergänzte der BGH,3605 Audi dürfe einem freien Kfz-Vermittler nicht verbieten, mit ihrer Wort-/Bildmarke für die vermittelten Produkte zu werben. Der Händler könne sich auf die markenrechtliche Erschöpfung des § 24 Abs. 1 MarkenG berufen. Auch zugelassenen Vertragswerkstätten darf die Verwendung des Markenlogos eines Herstellers beim Angebot seiner Neufahrzeuge, die der Werkstatt – ohne Schleichbezug – etwa als EU-Importe angeboten worden sind, nicht verwehrt werden, sofern die Verwendung nur im Zusammenhang mit dem beworbenen Fahrzeug geschieht und nicht in einer Weise, die geeignet ist, einen Irrtum dahingehend hervorzurufen, dass die Werkstatt autorisierte Vertragshändlerin wäre.3606 Daran mangelt es, wenn sich der Mittler als EU-Mittler bezeichnet oder eine Vielzahl unterschiedlicher Marken vertreibt.3607 Eine Entscheidung des BGH v. 14.4.20113608 grenzt diese Rechte ein: Die Verwendung der Wort-/Bildmarke „VW“ (also des Bildzeichens und nicht nur des Wortes „VW“) in der für Inspektionen vorgesehenen Werbung von ATU verstoße gegen die guten Sitten i. S. d. § 23 Nr. 3 MarkenG, sofern die Nutzung nur der Wortmarke die Interessen VWs weniger beeinträchtige. Außerdem könne hierin eine Beeinträchtigung der durch § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG geschützten Werbefunktion der Marke liegen. Die Vermittlungstätigkeit eines Versicherungsvermittlers, die die Grenzen der gem. § 34d Abs. 1 GewO gegebenen Erlaubnis überschreitet, erfolgt in wettbewerbswidriger Weise.3609 Die Werbung eines Unternehmers mit Produkten zu bestimmten Preisen, die der Unternehmer auch durch selbstständige Eigenhändler (etwa Vertragshändler, FN) verkauft, auf deren Preisgestaltung der Unternehmer jedoch wegen des Verbots der Preisbindung keinen Einfluss nehmen darf, sofern ein für den Durchschnittsverbraucher eindeutiger und klarer Hinweis erfolgt, dass die selbständigen Eigenhändler nicht an die in der Werbung genannten Preise gebunden sind. Ein solcher Hinweis kann etwa durch die Formulierung „nur bei teilnehmenden Märkten“ erfolgen, aufgrund derer sich der Adressat der Werbung bei den Mittlern erkundigen kann, ob sie der Preisempfehlung folgen.3610 Gem. § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG besteht keine Pflicht des FG, alle teilnehmenden FN bei systemweiter Werbung mit einer unverbindlichen Preisempfehlung namentlich zu benennen.3611

3602 3603 3604 3605

Schweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 30.1.2002 – 4 C.142/01, GRUR-Int. 2002, 946. Urt. v. 7.11.2002 – I ZR 202/00, WRP 2003, 534 = GRUR 2003, 340. Lamberti/Wendel WRP 2009, 1479 (1480). BGH, Urt. v. 17.7.2003 – I ZR 256/00, GRUR 2003, 878 = NJW-RR 2003, 1402; ebenso OLG Naumburg GRUR– RR 2001, 297 (298) – Mitsubishi; OLG Düsseldorf GRUR–RR 2001, 299 (300) – Mercedes–Stern; hierzu auch Lamberti/ Wendel WRP 2009, 1479 (1480). 3606 LG Köln, Urt. v. 6.3.2008 – 84 O 159/07, S. 10; Niebling WRP 2010, 81 (84). 3607 BGH, Urt. v. 17.7.2003 – I ZR 256/00, GRUR 2003, 878 = NJW-RR 2003, 1402 (1403); Lamberti/Wendel WRP 2009, 1479 (1480). 3608 BGH, Urt. v. 14.4.2011 – I ZR 33/10, WRP 2011, 1602. 3609 BGH, Urt. v. 6.11.2013 – I ZR 104/12, DB 2013, 2797 = WRP 2014, 57 Rn 16. 3610 Lettl WRP 2013, 1105 ff. 3611 Billing/Lang ZVertriebsR 2013, 207 ff. 313

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519 b) Wettbewerbswidriges Verhalten. Wettbewerbswidrig ist: – Ein Abschiedsschreiben,3612 insb. wenn der HV mit einem Schlag den gesamten Kundenkreis seines früheren Geschäftsherrn an sich ziehen will und den Unternehmer dadurch wirtschaftlich zu vernichten versucht.3613 Das gleiche gilt, falls der HV für die Versendung des Schreibens auf Kundendaten seines Prinzipals zurückgreift und direkt oder indirekt auf seine zukünftige Tätigkeit als Wettbewerber oder für einen Wettbewerber hinweist.3614 Schon die Angabe eines zukünftigen Kontaktes bzw. der bloße Hinweis auf „bisheriges Vertrauen“ kann als Verstoß ausreichen. Denn eine solche Formulierung wird gewählt, um dem Adressaten nahezulegen, nach dem Ausscheiden weiter mit dem Agenten vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.3615 Die Wettbewerbswidrigkeit tritt wohl auch ein, falls das Abschiedsschreiben nach Vertragsende versendet wird.3616 – Die Kunden dazu aufzufordern, Auskunft über den letzten Kontakt mit dem ehemaligen Vertriebsmittler zu geben. Zwar dürfe ein Unternehmer die Kunden darüber informieren, dass der Vertriebsmittler nicht mehr für ihn tätig sei. Es sei jedoch i. S. d. § 4 Nr. 4 UWG wettbewerbswidrig, den Kunden mitzuteilen „wir mussten […] den Vertriebsmittler fristlos kündigen“. Damit werde vernachlässigt, dass der Vertriebsmittler die fristlose Kündigung zwar im Ergebnis akzeptiert habe, aber nur dadurch, dass er seinerseits sich dazu veranlasst gesehen habe, eine Gegenkündigung vorzunehmen. Gleiches gelte für die Mitteilung, leider geschehe es immer wieder, dass ausgeschiedene Mitarbeiter nach der Beendigung der Zusammenarbeit ihre Kunden zu Vertragsänderungen aufforderten (§ 4 Nr. 4 UWG).3617 – Die Werbung eines Mittlers in dem einem anderen Mittler exklusiv zugewiesenen Gebiet, sofern die Exklusivität wechselseitig gewährt wurde. Der HV verstößt zudem gegen die zwischen den HV bestehenden Treupflichten. Der geschützte HV kann ihn auf Unterlassung in Anspruch nehmen. – Wenn ein Außenseiter in ein geschlossenes Vertriebssystem eindringt: Ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 UWG ist aber nur gegeben, falls der Käufer einen gebundenen Vertragshändler oder eine gebundene Vertragswerkstatt entweder bewusst zum Vertragsbruch verleitet oder ihn über die Wiederverkaufsabsicht täuscht (Schleichbezug), z. B. sich als Verkaufsvermittler ausgibt, einen Strohmann vorschiebt oder mit ungetreuen Angestellten des Vertragshändlers zusammenwirkt. Fehlt es dagegen an einer dieser Voraussetzungen (Verleiten zum Vertragsbruch oder Schleichbezug), bestehen Ansprüche nach §§ 3, 8 Abs. 1 UWG nicht.3618 Der Hersteller/Importeur, der gegen einen gewerblichen Wiederverkäufer vorgehen will, stößt oft auf Beweisschwierigkeiten. Einen Schleichbezug wird er kaum nachweisen können. Etwas besser sieht die Situation beim Verleiten zum Vertragsbruch aus.3619 Ein solches kann im Einzelfall bestehen, weil es dem Vertragshändler eines selektiven Vertriebssystems vertraglich untersagt ist, die Ware an nicht autorisierte Wiederverkäufer zu verkaufen. Es genügt jedes bewusste Hinwirken darauf, dass der andere einen Vertragsbruch begeht, wenn auch dessen Widerstand noch so gering ist. Legt der Hersteller dar, dass er ein gedanklich lückenloses Vertriebssystem unterhält, soll eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass der Außenseiter die Ware nur auf wettbewerbs-

3612 Höld NJW 2016, 2774 (2775). 3613 Siehe BGH, Urt. v. 3.12.1969, DB 1970, 340 = NJW 1970, 471; v. 6.11.1963, NJW 1964, 351; RG, Urt. v. 25.10.1935, RGZ 149, 114 (121); Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. X Rn 38. BGH NJW 2004, 2385 = GRUR 2004, 704. BGH NJW 2004, 2385 = GRUR 2004, 704. Höld NJW 2016, 2774 (2775). LG Bielefeld, Urt. v. 29.4.2016 – 15 O 26/16. BGH BB 1999, 1888; Busche WRP 1999, 1231; Ensthaler NJW 2000, 2482; Köhler BB 1999, 1892; Sack WRP 2000, 447; Tiemann WRP 2004, 289; Wendel/Ströbl WRP 2004, 1340 (1343). 3619 Wendel/Ströbl WRP 2004, 1340 (1343).

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rechtlich unzulässige Weise erworben haben kann.3620 Das ist schon deshalb zweifelhaft, weil der Außenseiter die Bindungen innerhalb des Vertriebssystems nicht kennen muss, schon gar nicht außerhalb seines Heimatlandes. Boykott: Zwar darf in einem selektiven Vertriebssystem der Hersteller grds. frei entscheiden, welche Produkte er im Rahmen dieses Systems absetzen will und er kann über eine Auswahl seiner Vertriebspartner auch bestimmen, wer jene Produkte vertreiben darf. Er darf jedoch bei bestehenden Verträgen gem. § 21 Abs. 1 GWB nicht zu einem Boykott solcher Händler aufrufen, die kein Erstausstattungspaket von Waren geordert hat, dann jedoch Einzellieferungen wünschen.3621 Datenverarbeitung: Gem. § 4 Nr. 4 UWG wenn ein ehemaliger HV Kunden auffordert, die gegenüber dem Wettbewerber erteilte Einwilligung in die Datenverarbeitung zu widerrufen, den Wettbewerber zu löschen oder zur Sperrung der kundenbetreffenden Daten auffordert oder Kontaktverbote ausspricht.3622 Eigengeschäfte: Zu erklären, es sei mehrfach vorgekommen, dass Kunden und Verträge ohne Erlaubnis und ohne Wissen des Unternehmers zugunsten der Provisionsinteressen des Vermittlers über seinen eigenen Namen vermittelt worden seien3623 Geschäftsgeheimnisse: Falls Geschäftsgeheimnisse unzulässig genutzt werden. Die Überprüfung der Wettbewerbswidrigkeit hat zweistufig zu erfolgen: Zunächst ist die Frage zu klären, ob der ehemalige Mittler die streitbefangenen Daten überhaupt zur Verfügung haben durfte. Wird schon diese Frage verneint, handelt er wettbewerbswidrig. Wird die Frage bejaht, ist weiter zu überprüfen, ob die rechtmäßig verfügbare Information zu Akquisezwecken genutzt werden darf.3624 In der Praxis erfolgt meistens der zweite Prüfungsschritt, weil er zu praktikablen Ergebnissen führt und oft den visibelsten Verstoß darstellt. Ein HV verwertet unzulässig eine Kundenliste des Unternehmers als Geschäftsgeheimnis i. S. d. des früheren § 17 Abs. 2 UWG, wenn die Namen der Kunden im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit in die persönlichen Unterlagen des HV gelangt sind und von ihm bei der Ausübung seiner Geschäftstätigkeit außerhalb des Unternehmens verwertet werden.3625 Dem Unternehmer ist das Verhalten des HV nicht über § 8 Abs. 4 UWG zuzurechnen, weil es um eine wettbewerbswidrige Verwertung von Geheimnissen des früheren Unternehmers und damit nicht um eine von § 8 Abs. 4 UWG vorausgesetzte Gefährdung durch das arbeitsteilige Zusammenwirken von HV und Unternehmer geht. Der Unternehmer kann jedoch eigenverantwortlich als Störer oder als Tatbeteiligter am Geheimnisverrat haften. Eine Haftung des Unternehmers aus § 3 in Verbindung mit § 17 Abs. 2 UWG kommt insbesondere in Betracht, sofern der Unternehmer dem HV für „mitgebrachte“ Kunden eine recht hohe Zusatzprovision von 15 % verspricht.3626 Mithin haftet der Inhaber eines hiervon profitierenden Betriebs für Spionage oder Geheimnisverrat eines HV, falls er den Verstoß fördert.3627 Ähnlich entschied das OLG Saarbrücken: Der HV handelt wettbewerbswidrig, wenn er nach seinem Ausscheiden Kundenlisten des früheren Unternehmers, welche er unbefugt an sich gebracht hat, zum Zwecke des Wettbewerbs für ein Konkurrenzunternehmen nutzt. Dieser durch § 17 Abs. 2 UWG und nicht durch § 90 eröffnete Anspruch ist hinsichtlich sämtlicher Kunden begründet, gleich ob es sich um Stammkunden oder sonstige Kunden des Unternehmers handelt. Nicht zu entscheiden sei der Fall der Verwertung von Kundenadressen, welche dem HV bei seinem Ausscheiden im Gedächtnis blieben. Greife der HV unter Ver-

3620 3621 3622 3623 3624 3625 3626 3627 315

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WRP 2000, 734 (736); OLG Thüringen WRP 1997, 980; Wendel/Ströbl WRP 2004, 1340 (1344). Entscheidung des BKartA, 6.5.2014 – B 2-52/14, ZVertriebsR 2014, 330. OLG Jena, Urt. 27.3.2019 – 2 U 397/18, ZVertriebsR 2019, 327. LG Bielefeld, Urt. v. 29.4.2016 – 15 O 26/16. BGH GRUR 2012, 1048; Höld NJW 2016, 2774 (2776). BGH, Urt. v. 19.12.2002 – I ZR 119/00, NJW-RR 2003, 833 = GRUR 2003, 453 (454). BGH, Urt. v. 19.12.2002 – I ZR 119/00, NJW-RR 2003, 833 = GRUR 2003, 453 (454). Dittmer EWiR 2003, 731 (732). Emde

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stoß gegen § 17 Abs. 2 UWG auf Kundenlisten seines früheren Unternehmers zurück, so sei ihm jegliche Verwertung untersagt.3628 Zu § 17 UWG s. a. die Kommentierung zu § 90. U. U. die Kündigungshilfe. Sie ist aber nicht per se wettbewerbswidrig.3629 Gem. Nr. 48 der Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft ist es für den Bereich der Lebensversicherung verboten, einen möglichen Kunden dazu zu veranlassen, ein bestehendes anderweitiges oder beantragtes Versicherungsverhältnis zu lösen, um eine Lebensversicherung abzuschließen oder zu vermitteln. Eine Wettbewerbswidrigkeit liegt nicht vor, wenn der Wechsel von einer Lebensversicherung zur anderen für den VN sinnvoll ist.3630 Die Nutzung vorgefertigter Kündigungsschreiben, je nach Sachverhaltsgestaltung. Einzelheiten sind strittig: Nach einer Ansicht3631 sind vorformulierte Kündigungsschreiben wettbewerbsrechtlich nicht grds. unzulässig. Jedenfalls ein ehemaliger HV dürfe vorformulierte Kündigungsschreiben verwenden.3632 Der Kontakt mit (ehemaligen) Kunden könne ihm nicht gänzlich untersagt werden: Insb. bei stornierungsgefährdeten Verträgen bestehe ein Interesse des HV, mit Altkunden Kontakt aufzunehmen.3633 Der BGH3634 entschied zum Franchiserecht, die Abwerbung von vertraglich gebundenen Kunden durch Vorlage vorformulierter Kündigungsschreiben, die nach Einfügen des Kündigungstermins nur noch zu unterschreiben seien, bliebe auch dann zulässig, falls die Abwerbung durch den ehemaligen Angestellten des HV erfolge und dieser Angestellte nun im Rahmen seiner Tätigkeit als FN handele. Möglicherweise wäre der Fall anders zu beurteilen, wenn es sich bei dem Abwerbenden nicht um einen vormaligen Angestellten, sondern um den HV selbst handelte. Denn dann läge bei Nutzung von Geschäftsgeheimnissen des Unternehmers ein gem. § 90 unzulässiger Geheimnisbruch des HV vor. Sollte der Vertreter Sach-, HUK- und Rechtsschutzversicherungen vermitteln, war die Verwendung von vorgedruckten oder sonst auf mechanischem Wege vervielfältigten Kündigungsschreiben gemäß Ziff. 56 der alten Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft vom 15.12.1977 unzulässig. Fischer3635 vertritt in einer Besprechung des BGH-Urteils, die Kündigungshilfe sei nur bei Vorliegen besonderer Umstände wettbewerbswidrig. Solche seien etwa die Gefahr der Irreführung (§ 5 UWG), sofern der Abwerbende den Akzent auf die Kündigungshilfe lege und dabei dem Abzuwerbenden entscheidungserhebliche Angaben zum eigenen Leistungsangebot vorenthalte, die dieser als Informationsgrundlage benötige, um eine sachgerechte Entscheidung in Bezug auf Kündigung und Wechsel treffen zu können. Gewähre der Abwerbende die Kündigungshilfe nur, wenn der Kunde zu ihm wechselt, so müsse dieser auf die Verknüpfung hingewiesen werden. Von einer unzumutbaren Belästigung (§ 7 Abs. 1 UWG) durch das Eindringen in die Privatsphäre sei auszugehen, falls dem Kunden im Rahmen einer unangekündigten Haustürwerbung das Kündigungsschreiben vorgelegt werde. Eine „Überrumpelung“, vor der § 7 UWG ebenfalls schütze, komme bei unangekündigter Haustürwerbung in Betracht, wenn der Abwerbende sich die Kündigung sofort unterschreiben lasse und mitnehme. Die Einordnung der Kündigungshilfe als unangemessene unsachliche Beeinflussung (§ 4 Nr. 1 UWG) durch übertriebenes Anlocken oder Verschaffen einer psychischen Zwangslage sei kaum denkbar. Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 7, Nr. 8 UWG komme in Betracht, wenn der Konkurrent

3628 OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.7.2002 – 1 U 901/01, GRUR-RR 2002, 359. 3629 BGH, Urt. v. 7.4.2005 – I ZR 140/02, ZIP 2005, 1380 = WRP 2005, 874 m. Bespr. Fischer WRP 2005, 1230; OLG Jena, Urt. v. 27.3.2019 – 2 U 397/18, ZVertriebsR 2019, 327 Rn 18 ff.; Höld NJW 2016, 2774 (2778) – VV. 3630 Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. X Rn 32. 3631 OLG Jena, Urt. v. 27.3.2019 – 2 U 397/18, ZVertriebsR 2019, 327 Rn 16. 3632 BGH, Urt. v. 7.4.2005 – I ZR 140/02, ZIP 2005, 1380 = WRP 2005, 874 m. Bespr. Fischer WRP 2005, 1230; OLG Jena, Urt. v. 27.3.2019 – 2 U 397/18, ZVertriebsR 2019, 327 Rn 18 ff. 3633 BGH, Urt. v. 7.4.2005 – I ZR 140/02, ZIP 2005, 1380 = WRP 2005, 874 m. Bespr. Fischer WRP 2005, 1230; OLG Jena, Urt. v. 27.3.2019 – 2 U 397/18, ZVertriebsR 2019, 327 Rn 18 ff. 3634 BGH, Urt. v. 7.4.2005 – I ZR 140/02, ZIP 2005, 1380 = WRP 2005, 874 m. Bespr. Fischer WRP 2005, 1230. 3635 WRP 2005, 1230. Emde

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herabgesetzt, verunglimpft oder durch Behauptung nicht erweislich wahrer Tatsachen in seinem Ruf geschädigt werde. Eine sonstige gezielte Behinderung eines Wettbewerbers i. S. d. § 4 Nr. 10 UWG werde i. d. R. verneint werden können, da ein lauterkeitsrechtlicher Schutz vor der Abwerbung der eigenen Kundschaft durch Konkurrenten nicht bestehe. Der Abwerbung durch ehemalige Mitarbeiter könne durch die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots vorgebeugt werden. Unlauter sei es allerdings, falls Kundendaten verwendet werden, die auf unlautere Weise erlangt wurden. Die Feststellung eines Zuwiderhandelns gegen eine privatwirtschaftliche Wettbewerbsrichtlinie ersetze nicht die Prüfung, ob ein unlauteres Verhalten i. S. d. UWG vorliege. Auch das OLG Köln vertrat in seiner Entscheidung v. 16.3.1990,3636 bei einer Lebensversicherung reiche das bloße Abwerben von Kunden eines Wettbewerbers nicht für die Annahme unlauteren Verhaltens i. S. d. § 3 UWG aus, sofern nicht sonstige unlautere Momente hinzuträten. Ein unlauteres Abwerben könne vorliegen, wenn ein Konkurrent oder ein das Unternehmen wechselnder Vertreter den Kunden des bisherigen Prinzipals Kündigungshilfe mittels vorgedruckter oder sonst mechanisch vervielfältigter Formularschreiben leiste. Deshalb soll die Hilfe des VV bei der Fertigung von Kündigungsschreiben der VN für sich betrachtet noch kein wettbewerbswidriges Verhalten darstellen.3637 Träten jedoch weitere Umstände hinzu, etwa die Förderung des Vertragsabschlusses mit einem Wettbewerber und die Herabsetzung des früheren Unternehmers,3638 gelte anderes. In diesem Fall dürfe der Unternehmer wegen entfallender Billigkeit zumindest einen Teil des Ausgleichs zurückfordern.3639 Das OLG Nürnberg judizierte mit Urt. v. 24.7.1990,3640 eine Kündigungshilfe sei unlauter, falls sich der Kunde bereits zum Vertragsschluss mit dem Abwerbenden entschlossen habe. Denn in diesem Fall werde der Entschluss durch die Hilfeleistung bei der Kündigung gefördert. Zudem nehme der Abwerbende den Kunden durch die Mitnahme und das Absenden der Kündigungsschreiben die Möglichkeit, sich nochmals mit der Frage der Kündigung auseinander zu setzen. Dem stimmt das OLG München3641 zu: Die Kündigungshilfe sei auch dann, wenn die Entscheidung des Kunden für einen Wechsel getroffen sei, unlauter, weil der Kunde auf diese Weise „bei der Stange“ gehalten werde, ohne dass er die Frage der Kündigung nochmals überdenken könne. Das LG Münster nahm eine unlautere Abwerbung nach §§ 8 i. V. m. 4 Nr. 10 UWG sowie eine Verletzung der Interessenwahrungspflicht an, sofern ein HV vertragsbegleitend den Kunden des Unternehmers vorformulierte Kündigungsschreiben zur Verfügung, mit denen die Verträge des Unternehmers gekündigt werden.3642 Ähnlich i.E das OLG Dresden3643: Von einem Versicherer vorformulierte Schreiben, mit denen VN veranlasst werden sollen, gegenüber dem alten Versicherer die Kündigung der Versicherungsverträge auszusprechen und in denen mitgeteilt wird, eine Kontaktaufnahme durch den alten Versicherer sei unerwünscht, seien wettbewerbswidrig. Das wird man nicht anders beurteilen können, wenn ein VV ein solches Schreiben versendet. Das OLG Brandenburg hatte in seiner Entscheidung v. 12.6.20013644 über die Kundenabwerbung durch einen ehemaligen Mitarbeiter, der als VV für das Unternehmen tätig gewesen war und nach der Kündigung eine selbstständige Tätigkeit als Versicherungsmakler aufgenommen hatte, zu entscheiden. Das OLG war der An-

3636 GRUR 1990, 536. 3637 BGH, Urt. v. 7.4.2005 – I ZR 140/02, GRUR 2005, 603; OLG Rostock, Hinweisbeschl. v. 4.12.2008 – 1 U 57/08; OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.3.1986, VW 1986, 690; Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. X Rn 29. 3638 Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. X Rn 29. 3639 OLG Rostock, Hinweisbeschl. v. 4.12.2008 – 1 U 57/08. 3640 NJW–RR 1991, 233. 3641 GRUR 1994, 136. 3642 LG Münster, Urt. v. 31.7.2015 – 8 O 192/15, VW 10/2015, 88 m. Anm. Evers/Oberst. Dies rechtfertigt eine einstweilige Verfügung, so das LG. 3643 OLG Dresden, Urt. v. 14.7.2015 – 14 U 584/15, zit. n. VW 12/2015, 66. 3644 Urt. v. 24.6.1993, VersR 2002, 759. 317

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sicht, es stehe einem ehemals als HV für ein Unternehmen Tätigen auch nach Beendigung des Vertreterverhältnisses grds. frei, dem Unternehmen, für welches er bisher tätig gewesen war, auch in dem Bereich Konkurrenz zu leisten, in welchem er es vorher vertrat. Einen generellen Anspruch auf Erhaltung seines Kundenstammes besitze der Unternehmer nicht. Wettbewerbsrechtlich zu beanstanden sei ein solches Verhalten nur, wenn unlautere Mittel angewendet würden. Unlauter sei es nicht, wenn Kündigungshilfe unter Verwendung von Formularen geleistet werde. Das OLG Celle nahm in seiner Entscheidung vom 13.9.20013645 an, die Aufforderung an den Kunden zur Kündigung von Verträgen mit Wettbewerbern bei gleichzeitiger Vorlage eines vorgefertigten Kündigungsschreibens sei unlauter, wenn es sich um eine außerordentliche Kündigung handele. Tatsächlich dürfte eine vertragsbegleitende Fertigung von Kündigungsschreiben durch einen HV eine Verletzung der Interessenwahrungspflicht des § 86 Abs. 1 darstellen. Denn der HV muss Kunden werben und halten und darf sie nicht dabei unterstützen, Verträge mit dem Unternehmer zu beenden. Maklervollmacht: Nach Ansicht des LG Bielefeld3646 ist es wettbewerbswidrig, nach Kündigung eines Vertriebsmittlers bei den vom Vertriebsmittler geworbenen Kunden eine Maklervollmacht zur Vermeidung von Nachteilen und zur Ermöglichung von Anfragen bei Versicherungsgesellschaften zu fordern, weil hierdurch indiziert wird, nur über den Unternehmer sei eine verlässliche Betreuung der Versicherungsverträge gewährleistet, ohne Nachteile befürchten zu müssen (§ 4 Nr. 4 UWG). Die Mitteilung des Unternehmers, ein HV-Vertrag sei mit sofortiger Wirkung gekündigt worden, kann eine herabsetzende Äußerung i. S. d. § 4 Nr. 7 UWG darstellen, wenn der Vertrag tatsächlich nur durch eine ordentliche, fristgebundene Kündigung beendet worden ist.3647 Nutzung der Marke oder des Logos des Unternehmers ohne dessen Zustimmung: Ist eine Marke ohne Zustimmung ihres Inhabers für seine Agenten oder Vertreter eingetragen worden, darf der Markeninhaber gem. §§ 11, 17 MarkenG Löschung, Übertragung, Unterlassung oder Schadenersatz fordern. Agent oder Vertreter i. S. d. § 11, 17 MarkenG ist jeder Absatzmittler, der dem Inhaber der Marke so zur Wahrnehmung seiner Interessen verpflichtet ist, dass er die Marke nicht ohne dessen Zustimmung eintragen lassen darf.3648 Markenrechtlichen Ansprüchen kann jedoch Rechtsmissbrauch entgegengehalten werden, wenn ein Vertriebspartner nach 7jähriger Vertragsdauer Rechte aus den noch während der Vertragsbeziehung und ohne Einverständnis oder Kenntnis des Unternehmers in Behinderungsabsicht angemeldeten Marken geltend macht, um dem Unternehmer von einer weiteren Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit den vertriebenen Produkten auszuschließen.3649 Nachahmung: Gem. § 4 Nr. 9 UWG handelt unlauter, wer das Subway-Franchise-Konzept nahezu identisch nach vorheriger Tätigkeit als Subway-FN nachahmt, bei gleichem Warenangebot, bei identisch gebliebenem, nicht einmal farblich verändertem Mobiliar, dem unveränderten „Baukastenprinzip“ (Fertigung der Ware vor den Augen des Kunden), unveränderter Produktionsstraße mit dem auch farblich unveränderten Tresen und dem Fortbestand des „Mauerwerk“-Motivs, jedoch bei anderem Label.3650 Daneben liegt eine unlautere Rufausbeutung nach § 4 Nr. 9 UWG vor. Ein Franchisesystem soll aber nicht sittenwidrig nachgeahmt werden, wenn es sich lediglich um die Nachahmung einer bloßen Werbeidee handelt, etwa indem in einem Franchisesystem ein rollschuhfahrender und in

3645 3646 3647 3648 3649 3650 Emde

13 U 46/01. Urt. v. 29.4.2016 – 15 O 26/16. OLG Köln, Urt. v. 6.2.2013 – 6 U 127/12, GRUR-RR 2013, 257 = WRP 2013, 938. BGH, Urt. v. 26.6.2008 – I ZR 190/05, NJW-RR 2009, 114 (118); GRUR 2008, 611 = WRP 2008, 940 Rn 21. BGH, Urt. v. 26.6.2008 – I ZR 190/05, NJW-RR 2009, 114 (116). OLG Schleswig, Urt. v. 26.9.2013 – 16 U (Kart) 50/13, BeckRS 2013, 21955 – Subway. 318

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anderem ein mopedrollerfahrender Pizza-Zusteller gezeigt wird.3651 Nicht nur ein einzelner, grober Verstoß, sondern auch mehrere an sich mindere Verstöße können dazu führen, dass das Gesamtverhalten des Vertriebsmittlers unzumutbar wird. Hierbei könnten auch Verfehlungen berücksichtigt werden, die nicht unmittelbar vor der vorzeitigen Auflösung gesetzt wurden. Der eigentliche Anlassfall muss jedoch eine gewisse Mindestintensität erreicht haben.3652 Portale: Irreführend i. S. d. § 5 UWG ist es, wenn ein Portal, das häufig in einem HV-Verhältnis zum Auftraggeber steht, die Vermittlung anbietet, ohne den Nutzer darauf hinzuweisen, dass im Falle einer Provisionsvereinbarung zwischen Nutzer und Makler das Portal eine prozentuale Erfolgsbeteiligung erhält.3653 Die Werbung ist irreführend, weil sie dem Nutzer suggeriert, dass die Empfehlungen nach sachlichen Kriterien und von finanziellen Erwägungen unbeeinflusst erfolgen.3654 Insbes. die Werbung mit einer „unabhängigen Auswahl“ ist irreführend, wenn lediglich die vom Empfohlenen (hier: Makler) angegebenen Daten (Adresse, Telefonnummer, Umsatzsteuer-ID) überprüft werden, eine inhaltliche Auswahl nach Prüfung bzw. Verifizierung anhand von Qualitätskriterien jedoch nicht erfolgt.3655 Die Formulierung „Deutschlands größtes Empfehlungsnetzwerk“ ist irreführend, sofern das Netzwerk nicht maßgeblich auf Empfehlungen beruht.3656 Preise: In einer Franchiseorganisation ist eine Werbeaktion mit Niedrigpreisen nur zulässig, wenn deutlich und unübersehbar darauf hingewiesen wird, dass die Niedrigpreise nur von an der Aktion teilnehmenden FN gewährt werden.3657 Dazu genügen Fernsehspots nicht, in denen der Hinweis „in allen teilnehmenden Restaurants“ entweder nur senkrecht oder nur für 2–3 Sekunden waagerecht eingeblendet wird.3658 Unangekündigte Telefonanrufe zu Wettbewerbszwecken sowohl im privaten wie im gewerblichen Bereich.3659 Dies gilt namentlich, wenn zu dem Inhaber des Telefonanschlusses keine geschäftliche Beziehung bestand.3660 Nichts anderes kann angenommen werden, sofern der Vertreter seinen Anruf vorher schriftlich ankündigte.3661 Ausnahme: der Angerufene hat zuvor sein (stillschweigendes) Einverständnis mit dem Anruf erklärt.3662 Ein in AGB enthaltenes Einverständnis mit telefonischer Werbung ist unzulässig.3663 Entsprechende Grundsätze gelten für Fernkopien. Unverlangte E-Mails, mit denen ein HV versucht, Mitarbeiter eines anderen Unternehmens abzuwerben, solange nicht (zumindest) eine mutmaßliche Einwilligung für deren Zusendung vorliegt. Ein HV, der in einem Strukturvertrieb wirbt, ist Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG. Ein Unternehmen, das wie der HV Produkte im Direktmarketing verkauft, und der HV sind Mitbewerber i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, soweit sie als Nachfrager nach gleichartigen Dienstleistungen auftreten. Das ist der Fall, wenn sowohl das Unternehmen als auch der HV Vertriebspartner für den Direktvertrieb suchen.

3651 3652 3653 3654 3655 3656 3657

Österreichischer OGH v. 8.3.1994 – 4 Ob 16/94. Österreichischer OGH v. 23.2.2009 – 8 ObA 61/08 s. LG Hamburg, Urt. v. 16.4.2019 – 406 HKO 13/19, WRP 2019, 1082. LG Hamburg, Urt. v. 16.4.2019 – 406 HKO 13/19, WRP 2019, 1082. KG, Urt. v. 21.6.2019 – 5 U 121/18, WRP 2019, 1202. KG, Urt. v. 21.6.2019 – 5 U 121/18, WRP 2019, 1202. LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 10335/15, NZKart 2019, 114 = ZVertriebsR 2019, 34 – „King des Monats“. 3658 LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 10335/15, NZKart 2019, 114 = ZVertriebsR 2019, 34 Rn 68 ff. – „King des Monats“. 3659 Emde VersR 2001, 148 (151). 3660 BGH DB 1970, 1583; WRP 1991, 470; BB 1990, 301; GRUR 1989, 753/754; BGHZ 54, 188. 3661 BGH WM 1989, 1396 = ZIP 1989, 1258. 3662 BGH ZIP 1990, 199; BB 1991, 1140; 1995, 1211. 3663 BGH BB 1999, 1130. 319

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Sofern ein gebundener Versicherungsvermittler im Wege der Ventillösung konkurrierende Versicherungsprodukte mehrerer anderer Versicherer anbietet (unzulässige geschäftliche Handlung i. S. d. § 4 Nr. 11 UWG).3664 Verkaufsanreize: Das OLG Stuttgart stufte das Vorgehen einer Vertriebsfirma, die dem Verkaufspersonal der Händler Verkaufsprämien in Form von Wertmarken gewährte, als unzulässig ein.3665 Es bestehe die Gefahr eines Verleitens zum Vertragsbruch nach §§ 3, 4 Nr. 10 UWG. Andererseits hat das LG Frankfurt3666 das Vertriebsförderungssystem einer Fluggesellschaft, welche sich direkt an die Mitarbeiter von als HV agierenden Reisebüros richtete und mit denen die Fluggesellschaft Kino-Gutscheine für jedes verkaufte Flugticket anbot und zudem Flugtickets nach Kanada für die 4 Mitarbeiter mit der höchsten verkauften Anzahl an Tickets auslobte, nicht als unlauter angesehen, da der Wert der Kino-Gutscheine unter 20 DM lag und diese sehr leicht zu erlangen seien. Es sei unwahrscheinlich, dass die Mitarbeiter die Fluggesellschaft nur empfehlen würden, um Gutscheine zu erlangen. Die Gewährung von Flugtickets wurde hingegen als unlautere Vertriebspraktik beurteilt, da deren Wert erheblich sei. Es müsse befürchtet werden, dass die Kunden nicht mehr (nur) nach sachlichen Gesichtspunkten beraten würden. Ähnlich hielt das OLG Hamburg3667 das Vertriebsförderungssystem einer Autovermietung für unlauter, das den Mitarbeitern von Reisebüros Prämien für die Vermittlung ihrer Mietautos anbot. Der Kunde wisse zwar, dass ein Reisebüro Provisionen für die Vermittlung von Reiseleistungen erhalte. Dieses allgemeine kaufmännische Interesse hoher Gewinnerzielung habe aber nicht die Qualität von Einzelvergünstigungen an einzelne Angestellte. Bei Angestellten bestehe eher die Gefahr, dass sie einen kurzfristigen Vorteil für sich anstrebten und den Kunden einseitig berieten. Insgesamt schließt Lorenz3668 daraus, Angestellten von Händlern dürften nicht mit Bargeld oder Geschenken oder anderen Vorteilen von einem Wert von über 15 EUR bedacht werden. U. U. könne sogar an eine strafbare Bestechung nach § 299 StGB gedacht werden.3669 Ohne Hinweis auf die Vorläufigkeit eines einstweiligen Verfügungsverfahrens einen Beschluss eines LG an die Kunden zu übersenden, verbunden mit dem Hinweis, der ehemalige Vertriebsmittler dürfe die Kunden aufgrund dieses Urteils nicht mehr kontaktieren. Zwar dürfe der Unternehmer ein Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren bekannt machen, nicht jedoch im genannten Kontext.3670 Die Versendung von Schreiben an vormalige Kunden, mit denen wegen „wichtiger Vertragsinformationen“ um einen Anruf beim Mittler gebeten wird, wenn hierdurch die Kunden abgeworben werden sollen und der Eindruck hervorgerufen wird, es handele sich um ein Schreiben des vormaligen Unternehmers.3671 Die Verwendung unwirksamer (formularmäßiger) Vertragsbestimmungen, z. B. Wettbewerbsverbote, etwa nach § 90a, oder unwirksamer Beschränkungen des Ausgleichs,3672 ebenso die ohne Zustimmung des Händlers vorgenommene Gegenüberstellung von unverbindlicher Preisempfehlung mit dem tatsächlichen Preis, wenn dem Händler ein Alleinvertriebsrecht eingeräumt wurde3673 oder die Verwendung von Klauseln, die nach Art. 101 AEUV nichtig sind.3674

3664 3665 3666 3667 3668 3669 3670 3671 3672 3673 3674

OLG Schleswig, Urt. v. 13.7.2010 – 6 U 26/10, VersR 2011, 115. OLG Stuttgart, BB 1974, 1265; hierzu Heermann WRP 2006, 8 (15). LG Frankfurt/M., Urt. v. 16.11.2001, GRUR-RR 2002, 204. OLG Hamburg, Urt. v. 23.10.2003 – GRUR-RR 2004, 117. WRP 2005, 992 (997). Lorenz WRP 2005, 992 (998). LG Bielefeld, Urt. v. 29.4.2016 – 15 O 26/16. LG Bonn, Urt. v. 15.12.2009 – 11 O 52/09, BeckRS 2010, 04041. Koch WM 2001, 1016 (1019); Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 35. BGH, Urt. v. 28.6.2001 – I ZR 121/99, BB 2001, 1973. LG Frankfurt/M., Urt. v. 15.11.2002 – 3-11 O 87/02, EWiR 2003, 573 (Emde). Die Entscheidung wurde angeblich vom OLG Frankfurt/M. aufgehoben. Emde

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Wenn der HV heimlich eine weitere Vertretung für einen Wettbewerber übernimmt, ohne seinen Vertragspartner hiervon in Kenntnis zu setzen.3675 Vortäuschen der Vertriebsmittlereigenschaft: Niemand, der nicht Vertriebsmittler des Unternehmers ist, darf sich als solcher gerieren.3676 So liegt eine unlautere Irreführung i. S. d. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG vor, wenn sich der ehemalige Agent in der Außendarstellung weiter als Agent geriert, also sich am Markt weiter als VV ausgibt.3677 Klassischer Anwendungsfall bildet die irreführende Außenwerbung, etwa eine am Geschäftssitz angebrachte auf die Marke des bisherigen Unternehmers hinweisende „alte“ Leuchtreklame.3678 Sie hat deshalb hohe praktische Relevanz, weil die neue Vermittlungstätigkeit in den Geschäftsräumen einer ehemaligen Agentur fortgeführt wird.3679 Weitere Anwendungsfälle sind entsprechende Darstellungen auf Homepages, Branchenbüchern oder sonstige Werbeplattformen.3680 Auch eine Werkstatt oder ein Händler dürfen z. B. keinen Vertriebsvertrag mit einem Kfz-Hersteller vortäuschen, der nicht existiert. Entsteht z. B. beim angesprochenen Verkehr durch die Verwendung des Begriffs „XY-Vertragspartner“ der unzutreffende Eindruck, der Werbende sei „Vertragshändler“ eines Automobilherstellers, liegt darin eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung. Der Geschäftsverkehr erwartet von einem Händler, der vertraglich in das Vertriebsnetz eingebunden ist, ein besonders geschultes Fachpersonal, mithin eine gehobene Qualität bei der Beratung, beim Service und bei Werkstattleistungen. Zudem liegt es nicht fern, dass sich die Verbraucher von einem Vertragshändler eine besondere Nähe zum Hersteller und damit bessere tatsächliche und rechtliche Möglichkeiten bei der Regelung von Garantie- und Kulanzfällen versprechen als bei einem Betrieb, der mit dem Hersteller lediglich als Servicepartner verbunden ist.3681 Der Werbehinweis „Kfz-Meisterbetrieb speziell für Mercedes-Benz“ ist aber als zulässig angesehen worden,3682 ebenso die Werbung mit „Mercedes-Benz Spezial-Abteilung“ durch einen Autoreparaturdienst.3683 Die Angabe „Porsche-Spezial-Werkstatt“ für eine Kfz-Werkstatt ohne Vertragsbeziehungen zu Porsche wurde hingegen untersagt, weil der Verkehr nicht hinreichend zwischen „Vertragswerkstätten“ und „Spezialwerkstätten“ für Porsche-Fahrzeuge unterscheidet.3684 Stellt die Werbung zugleich eine Markenrechtsverletzung dar, folgt ein Unterlassungsanspruch zudem aus § 14 Abs. 2 MarkenG.3685 Der HV lässt trotz bestehenden Vertragsverhältnisses einen Wettbewerber des Unternehmers in bereits angebahnte Geschäfte mit Kunden eintreten.3686 Erweckt ein Kfz-Hersteller in Kundenanschreiben den unzutreffenden Eindruck, die Kunden könnten Nachteile bei der Abwicklung von Gewährleistungsansprüchen erleiden, sollten sie ihre Wartungs- und Reparaturarbeiten nicht bei einem Vertragshändler des Herstellers durchführen lassen, so kann darin eine unbillige Behinderung eines aus dem Vertragshändlernetz ausgeschiedenen freien Händlers nach § 3 UWG in Form einer boykottähnlichen Maßnahme liegen.3687

3675 Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 35. 3676 OLG München, Urt. v. 28.1.1988 – 29 U 6053/86, GRUR 1988, 708 – Vertragshändler; i. E. auch BGH, Urt. v. 17.3.2011 – I ZR 170/08, WRP 2011, 1417. BGH GRUR 2012, 1048; Höld NJW 2016, 2774 (2776). BGH GRUR 2012, 1048; Höld NJW 2016, 2774 (2776). BGH GRUR 2012, 1048; Höld NJW 2016, 2774 (2776). BGH GRUR 2012, 1048; Höld NJW 2016, 2774 (2776). BGH, Urt. v. 17.3.2011 – I ZR 170/08, WRP 2011, 1417; abl. Niebling WRP 2011, 1518 (1523 f). OLG Hamm GRUR 1989, 285 (287). KG GRUR 1977, 537. KG WRP 1978, 54. BGH GRUR 2012, 1048; Höld NJW 2016, 2774 (2776). Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 35. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.8.2004 – 11 U 17/04 (Kart), GRUR-RR 2005, 197.

3677 3678 3679 3680 3681 3682 3683 3684 3685 3686 3687 321

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3. Zurechnung 520 Vgl. zunächst oben, Rn 519 Stichwort „Geschäftsgeheimnisse“, zur Verwertung der Kundenliste. Die Strafvorschrift des § 17 UWG gilt nicht für den HV, da er als Selbständiger kein tauglicher Täter ist.3688 Er kann jedoch Teilnehmer sein. Beauftragte von Absatzorganisationen,3689 etwa HV3690 und Vertragshändler,3691 sind jedoch als Beauftragte i. S. d. § 8 Abs. 2 UWG3692 anzusehen, so dass der Unternehmer für deren Wettbewerbsverstöße auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann. Für die wettbewerbswidrige Handlung eines Franchisenehmers haftet der Franchisegeber grds. nicht auf Schadenersatz. Eine Störerhaftung kann nur Abwehransprüche begründen.3693 Hingegen hat ein Vertriebshändler, der Schuldner einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist, für die in einer auch in seinem Namen gezeichneten, von dem Hersteller geschalteten Werbeanzeige liegende Zuwiderhandlung einzustehen, wenn er dessen Praxis zur Veröffentlichung zentraler, mit den Händlern im Detail nicht abgestimmter Werbeaktionen kennt und seine Haftungserklärung beim Hersteller nicht aktenkundig gemacht hat.3694

VII. Das Antidiskriminierungsgesetz (AGG) 521 Am 18.8.2006 trat das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Das AGG ist im nachfolgend dargestellten Umfang auf Vertriebsverträge anwendbar,3695 auch auf die von HV, Vertragshändlern oder Franchisenehmern. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 AGG finden sämtliche Vorschriften des AGG zum Schutze der Beschäftigten vor Benachteiligungen auf Selbständige Anwendung, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Dies sind gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG Selbständige – zu ihnen zählen die vorgenannten Mittler –, die nicht persönlich sondern lediglich wirtschaftlich abhängig sind. Maßgebend ist, dass der Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit bei einem Auftraggeber liegt und die hieraus entstehende Vergütung die wesentliche Existenzgrundlage darstellt. Da die Vorschrift § 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 ArbGG weitgehend entspricht, kann die diesbezügliche Rspr. herangezogen werden3696 (s. § 84 Rn 42 ff.). Abzulehnen ist die Ansicht,3697 derzufolge selbstständige Absatzmittler, die nur für einen Unternehmer tätig sind, immer unter diese Vorschrift fallen.3698 Allerdings können HV, die nur für einen Unternehmer tätig sind, im Einzelfall derart einzuordnen sein, falls sie faktisch wirtschaftlich und sozial von ihm abhängig sind.3699 Insb ist nicht jeder Einfirmen-HV arbeitnehmerähnlich.3700 Eine Verdienstgrenze ist nicht maßgeblich. Das 3688 RG LZ 1914, 399; JW 1927, 2387; Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 35; Köhler/Piper UWG § 17 Rn 12; Schmidt-Rimpler S. 88; aA RG MuW 1932, 235 (237); Schlegelberger/Schröder § 90 Rn 12.

3689 OLG Hamburg, Urt. v. 27.6.2013 – 3 U 26/12, ZVertriebsR 2013, 232 (235); OLG Köln, Urt. v. 8.10.2010 – 6 U 69/ 10, MMR 2011, 321; Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 35; für Franchiseverträge Giesler/Nauschütt § 3 Rn 90.

3690 OLG Hamburg, Urt. v. 27.6.2013 – 3 U 26/12, ZVertriebsR 2013, 232 (235); OLG Köln, Urt. v. 8.10.2010 – 6 U 69/ 10, MMR 2011, 321; Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 35; für Franchiseverträge Giesler/Nauschütt § 3 Rn 90.

3691 OLG Hamburg, Urt. v. 27.6.2013 – 3 U 26/12, ZVertriebsR 2013, 232 (235). 3692 LG Frankfurt/M., Urt. v. 9.11.2018 – 3-10 O 40/18, ZVertriebsR 2019, 123 Rn 21. Ein HV ist regelmäßig als Beauftragter des Geschäftsherrn i. S. d. § 8 Abs. 2 UWG anzusehen. Anderes gilt für Eigenhändler, die regelmäßig die TBVoraussetzungen des § 8 Abs. 2 UWG nicht erfüllen (LG Frankfurt/M., Urt. v. 9.11.2018 – 3-10 O 40/18, ZVertriebsR 2019, 123 Rn 21). 3693 BGH BB 2000, 1959. 3694 OLG Köln, Urt. v. 30.3.2007 – 6 U 207/06, WRP 2007, 1272. 3695 Budde BB 2007, 731 (732); Giesler/Güntzel ZIP 2008, 11; Hopt § 86 Rn 10. 3696 Giesler/Güntzel ZIP 2008, 11. 3697 Budde BB 2007, 733 (732). 3698 Giesler/Güntzel ZIP 2008, 11. 3699 Großzügiger Budde BB 2007, 731 (732), der das Eingreifen häufig annimmt. 3700 OLG München, Beschl. v. 29.3.2017 – 7 U 4410/16, ZVertriebsR 2017, 242 Rn 11. Emde

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gleiche gilt für Franchisenehmer und Vertragshändler.3701 Nach aA gilt das AGG für HV insgesamt nur hinsichtlich seiner Zugangsbedingungen, nicht jedoch hinsichtlich der Ausübungsbedingungen.3702 Nach beiden Meinungsgruppen finden auf Vertriebspartner jedenfalls die Normen des AGG Anwendung, welche nach § 6 Abs. 3 AGG für Selbständige gelten. Gem. § 6 Abs. 3 AGG sind Absatzmittler, die lediglich für einen Auftraggeber tätig werden bzw. mit denen eine Alleinbezugsverpflichtung (etwa beim Vertragshändler) vereinbart wurde, den arbeitsrechtlichen Vorschriften des AGG unterworfen.3703 Auf sie anwendbar sind die Vorschriften, welche den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg regeln.3704 Der sachliche Anwendungsbereich des AGG ist zwar grundsätzlich in § 2 AGG geregelt. Er wird jedoch durch § 6 Abs. 3 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG für Selbstständige beschränkt auf die „Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie für den beruflichen Aufstieg“. Eine Klausel, die den HV-Vertrag mit dem 65. Lebensjahr enden lässt, bezieht sich weder auf den Zugang zur Erwerbstätigkeit noch auf den beruflichen Aufstieg sondern nur auf die Beendigung des HV-Vertrages. Dem HV ist es nämlich nicht verwehrt, nach diesem Datum eine andere HV-Tätigkeit aufzunehmen.3705 Dagegen sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG die dort geregelten Bereiche ausgeschlossen, weil hier die Existenz eines Beschäftigungsverhältnisses vorausgesetzt wird.3706 „Beruflicher Aufstieg“ ist für Absatzmittler unpassend und kann auf die vergleichbaren Sachverhalte „Karriere im System“, Erweiterung des Sortiments bzw. des Geschäftskonzepts, des Vertragsgebietes, des Rechts zur Eröffnung eines weiteren Systembetriebs, die Zuteilung eines zusätzlichen Vertragsgebietes, eine mit diesen Erweiterungen verbundene finanzielle Besserstellung etc. erstreckt werden.3707 Umstritten ist, ob der sachliche Anwendungsbereich auf Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Beendigung des Vertragsverhältnisses auszuweiten ist.3708 Es ist kein Grund ersichtlich, warum während des Vertrages Benachteiligungsverbote bestehen, während die Beendigung eines unter Umständen langjährigen Vertragsverhältnisses ohne einen Diskriminierungsschutz möglich sein soll.3709 Die Anwendung des AGG ist auch zu bejahen, wenn mehrere Vertriebspartner als Personengesellschaft tätig werden. Sie können sogar als arbeitnehmerähnliche Personen angesehen werden, wenn sie wirtschaftlich vom Auftraggeber abhängig sind. Dann gilt für sie das AGG insgesamt. Anderenfalls gelten für sie lediglich die Bestimmungen über Zugang und Aufstieg.3710 Die Anwendung des AGG auf als juristische Person organisierte Vertriebsmittler ist ausgeschlossen. Es kann aber damit gerechnet werden, dass die Rspr. Ausnahmen für Fälle der „Ein-Personen-Gesellschaft“ bilden wird.3711 Die Anwendbarkeit der Vorschriften aus dem zivilrechtlichen Abschnitt des AGG ist gemäß § 19 Abs. 1 AGG beschränkt auf Massengeschäfte, vergleichbare Schuldverhältnisse und zivilrechtliche Schuldverhältnisse, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben. Diese Vorschriften sind auf Vertriebsverträge mit HV, Vertragshändlern und Franchisenehmern unanwendbar.3712

3701 3702 3703 3704 3705 3706 3707 3708

Budde BB 2007, 731 (735). Bauer/Göpfert/Krieger DB 2005, 595 (597). Giesler/Güntzel ZIP 2008, 11. Budde BB 2007, 731 (732); Hopt § 86 Rn 10. OLG München, Beschl. v. 29.3.2017 – 7 U 4410/16, ZVertriebsR 2017, 242 Rn 12. Giesler/Güntzel ZIP 2008, 11. Giesler/Güntzel ZIP 2008, 11 (12). Budde BB 2007, 731 (733); Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, 2007, S. 41, Rn 96; aA Bauer/ Göpfert/Krieger AGG, 2007, § 2 Rn 30, § 6 Rn 31; Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, 2007, § 6 Rn 16; Wilemsen/Schweibert NJW 2006, 2583 (2584). 3709 Giesler/Güntzel ZIP 2008, 11 (12). 3710 Budde BB 2007, 731 (732). 3711 Budde BB 2007, 731 (732); Hopt § 86 Rn 10. 3712 Giesler/Güntzel ZIP 2008, 11 (12/13). 323

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In § 1 AGG werden sechs Merkmale aufgeführt, auf die sich das Benachteiligungsverbot bezieht, nämlich Alter, Behinderung, ethnische Herkunft bzw. Rasse, Geschlecht, Religion und Weltanschauung sowie sexuelle Identität. Beispiel für eine unmittelbare Benachteiligung ist es, wenn einem Bewerber wegen des Geschlechts eine Absage erteilt wird. Eine mittelbare Benachteiligung liegt gem. § 3 Abs. 2 AGG vor, falls durch ihrem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligt werden, es sei denn, ein rechtfertigender Grund liegt vor. Bei Franchiseverträgen kann das Benachteiligungsverbot etwa bei der systemtypischen Kleidung bedeutsam werden, sofern bestimmte, eine religiöse Überzeugung begründende Kleidungen nicht getragen werden können.3713 Nach § 7 Abs. 2 AGG sind Regelungen in Vereinbarungen unwirksam, die gegen das AGG verstoßen. Dies kann beispielsweise dazu führen, dass eine diskriminierende Vereinbarung über Provisionskürzungen oder Gebietsverkleinerungen unwirksam ist. Gem. § 15 Abs. 1 AGG bleibt der Unternehmer verpflichtet, bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot den entstandenen Schaden zu ersetzen, falls der Unternehmer die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Ein abgelehnter Bewerber hat keinen Anspruch auf Abschluss eines Vertriebsvertrages (§ 15 Abs. 6 AGG).3714 Der Schadenersatzanspruch gem. § 15 Abs. 1 AGG umfasst die bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder einer Festlaufzeit, bei Franchiseverträgen leicht eine fünf- bis zehnjährige Vertragslaufzeit,3715 entgehenden Gewinne. Diskutiert wird, diesen Schadensersatzanspruch auch im Falle einer zu erwartenden Festlaufzeit auf den bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gem. § 89 entstehenden Schaden zu beschränken,3716 was regelwidrig sein dürfte. Oft wird sich – außer bei großen Vertreterunternehmen mit Vergleichsmaßstäben – die Benachteiligung kaum je nachweisen lassen. Woran sollte die Diskriminierung gemessen werden? Offensichtlich dürfte sie lediglich werden, wenn derselbe Unternehmer unterschiedlichen Gruppen grds. einen geringen Provisionssatz verspricht. Es hilft, dass der Benachteiligte gem. § 22 AGG lediglich Indizien beweisen muss, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Dann kehrt sich die Beweislast um. Der Unternehmer trägt die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das AGG vorliegt. 523 Empfohlen wird, bei Strukturkündigungen sollten Anhaltspunkte vermieden werden, die auf die Anwendung unzulässiger Kriterien schließen ließen.3717 Potenzielle Auftraggeber sollten Stellenausschreibungen z. B. für HV oder Franchisenehmer möglichst neutral formulieren.3718 Auch die Auswahlentscheidung bei einer Erweiterung des Vertriebsgebietes kann gegen das AGG verstoßen.3719 So könnte die Voraussetzung einer langjährigen ununterbrochenen Beschäftigung für die Erweiterung des Vertrages zu einer mittelbaren Benachteiligung weiblicher Vertriebspartner führen, bei denen eine Unterbrechung ihrer beruflichen Tätigkeit wesentlich häufiger eintritt als bei männlichen Kollegen.3720 Selbst die Höhe des Provisionsanspruches darf nicht an das Alter des HV geknüpft werden.3721 Die Beendigung eines Vertriebsvertrages sollte nachweisbar nach den Kriterien des § 1 AGG getroffen werden. Kein Verstoß gegen das AGG liegt vor, wenn ein HV die Unwirksamkeit einer ordentlichen Kündigung mit der Begründung rügt, der Unternehmer nehme von dem HV vermittelte Verträge von „Ausländern“ nicht an.3722 522

3713 3714 3715 3716 3717 3718 3719 3720 3721 3722 Emde

Giesler/Güntzel ZIP 2008, 11 (12/13). Giesler/Güntzel ZIP 2008, 11 (13). Giesler/Güntzel ZIP 2008, 11 (13). Giesler/Güntzel ZIP 2008, 11 (14). Budde BB 2007, 731 (733). Budde BB 2007, 731 (735). Budde BB 2007, 731 (735). Budde BB 2007, 731 (735). Budde BB 2007, 731 (735). LG Köln, Urt. v. 14.6.2017 – 20 O 423/16. 324

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VIII. ZAG HV sind Agenten i. S. v. § 1 Abs. 7 ZAG.3723

524

IX. Versicherungsrechtliche Repräsentanteneigenschaft Der HV ist hinsichtlich der Kfz-Versicherung versicherungsrechtlicher Repräsentant des Unter- 525 nehmers, wenn er aufgrund einer mit dem Unternehmer getroffenen Vereinbarung das durch den Unternehmer geleaste und vorfinanzierte Kfz zu eigenen Zwecken nutzen durfte, der Pkw nicht in den Geschäftsbetrieb des Unternehmers eingegliedert war und der HV nach Ablauf der Leasingzeit das Fahrzeug auszulösen bzw. bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Unternehmen zu übernehmen hatte.3724

X. Berufsverbote Dem HV kann die Tätigkeit in anderen Berufen untersagt sein. So verbietet etwa § 17 SpG BW3725 526 HV nicht öffentlich-rechtlicher Unternehmen, die gewerbsmäßig Bank-, Finanzdienstleistungsoder Versicherungsgeschäfte betreiben oder vermitteln, und deren Zusammenschlüsse die Zugehörigkeit zum Verwaltungsrat der Sparkasse.

XI. Beweislast Die Beweislast für die Anwendbarkeit der vorgenannten Normen trägt derjenige, der sich auf 527 sie beruft.3726

F. Zwingendes Recht Das HV-Recht 1897 kannte nur dispositives Recht, wenngleich die Parteien natürlich von Anfang 528 an nicht darüber disponieren konnten, ob der Mittler nun HV war oder nicht. Im Grundsatz ist das HV-Recht noch immer disponibel,3727 so dass die grundgesetzlich geschützte Gestaltungsund Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)3728 außer an den nachfolgend näher dargestellten zwingenden Vorschriften der §§ 84 ff. nur ihre Grenzen an den §§ 242, 134, 138 BGB3729 sowie an den §§ 305 ff. BGB findet. Insbesondere die RL 1986 brachte jedoch eine weitgehende Einschränkung dieser Gestaltungsfreiheit.3730 Ihre Rechtfertigung findet sie in der Schutzbedürftigkeit des HV, der rechtstatsächlich oft einem Arbeitnehmer gleicht.3731 Eine Vereinbarung, die gegen eine zwingende Vorschrift verstößt, ist gem. § 134 BGB unwirksam. Jedoch wird, sofern nicht das gesamte Vertragsgefüge, d. h. das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung auseinanderfällt, regelmäßig anzunehmen sein, dass der HV-Vertrag auch ohne den nichtigen Teil geschlos3723 3724 3725 3726 3727 3728 3729 3730 3731 325

Warius in: Herzog, Geldwäschegesetz,2 2014, GwG § 2 Rn 94. OLG Koblenz, Urt. v. 22.12.2000 – 10 U 508/00, VersR 2001, 1507. I.d.F. v. 19.7.2005 (GBl. S. 587) BWGültV Sachgebiet 7640. Für das Kartellrecht OLG Hamburg EWiR 2001, 229 (Pohlmann). Hopt § 86 Rn 7. BVerfGE 8, 274 (328); 88, 384 (403); st. Rspr.; Cornils NJW 2001, 3758. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 1. Siehe etwa Eberstein S. 17; Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 58 ff.; Westphal I Rn 16. Man denke etwa an Versicherungsvertreter. Emde

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sen worden wäre (§§ 139 BGB, 306 Abs. 3 BGB).3732 Gemäß § 92c kann von den zwingenden Regeln abgewichen werden, sofern der HV seine Tätigkeit außerhalb des Gebietes der EU oder der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum ausübt oder mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften betraut wird, welche die Befrachtung, Abfertigung oder Ausrüstung von Schiffen oder die Buchung von Passagen auf Schiffen zum Gegenstand haben (s. Kommentierung zu § 92c). 529 Zwingend sind folgende Bestimmungen: § 85 (Urkundsanspruch), § 86 Abs. 1, 2 (Interessenwahrnehmungs- und Benachrichtigungspflicht des Vertreters), § 86a Abs. 1, 2 (Überlassungsund Unterrichtungspflicht des Unternehmers), § 86b Abs. 1 (Delkredereprovision), § 87a Abs. 1 (Vorschussanspruch), § 87c (Abrechnungs- und Informationsanspruch des Vertreters), § 88a (Zurückbehaltungsrecht), § 89a Abs. 1 (außerordentliche Kündigung). 530 Halbzwingend sind die §§ 87a Abs. 2 (Nichtleistung des Kunden), 87a Abs. 3 (Nichtausführung des Geschäfts), 87 Abs. 4 (Fälligkeit des Provisionsanspruch), 89 Abs. 1 (Mindestkündigungsfristen), 89b Abs. 1–3 (Ausgleichsanspruch), 90a Abs. 1–4 (nachvertragliche Wettbewerbsabrede), 92a (Mindestentgelt) und 92b (Kündigungsfrist beim Handelsvertreter im Nebenberuf; hier muss die Kündigungsfrist für beide Vertragspartner gleich lang sein). Bei den halbzwingenden Vorschriften ist eine Abweichung zum Nachteil des Vertreters nicht gestattet.

G. Spannungsverhältnis zwischen gesetzlichem Leitbild und rechtstatsächlicher Erscheinungsform 531 Die §§ 84 ff. und die genannten Vorschriften des „Nebenrechts“ gelten für alle HV, unabhängig von ihrem rechtstatsächlichen oder gesetzlichen Erscheinungsbild.3733 Regelungsgegenstand der § 84 ff. ist trotz ihres vielleicht missverständlichen Wortlautes das Vertragsverhältnis,3734 nicht die Person des Mittlers. Im Grundsatz spielt es folglich für das HGB keine Rolle, ob der Vertreter groß oder klein,3735 neben- oder hauptberuflich tätig, Einzelkaufmann oder Handelsgesellschaft ist. Ein allenfalls vor Umsetzung der RL 1986 auf europäischer Ebene3736 existierender Leitbild-Pluralismus,3737 sollte ihn das HGB angesichts der von ihm bezweckten Regelung des Vertragsverhältnisses, nicht des Status des HV, überhaupt gekannt haben, ist für die Gesetzesanwendung unerheblich. Nur muss jeweils geprüft werden, ob § 242 BGB oder eine an §§ 133, 157 BGB orientierte Vertragsauslegung die konkrete Anwendung des Gesetzes beeinflusst. Paradigma ist § 89a. Dasselbe Verhalten mag gegenüber einem HV ein Kündigungsrecht geben, gegenüber einem anderen nicht.

H. Andere Formen von Absatzmittlern I. Wahl der Vertriebsform 532 Alle Unternehmen müssen ihre Produkte vertreiben. Folglich ist das Vertriebsrecht der §§ 84 ff. HGB in direkter oder analoger Anwendung3738 eines der wichtigsten Rechtsgebiete des Wirt3732 Küstner/Thume/Schröder I4 Kap. II Rn 60; Westphal I Rn 14; Hopt § 86 Rn 11; Röhricht/Graf v. Westphalen/ Thume3 § 85 Rn 5. 3733 Bei der HV-GmbH: Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 52 ff. 3734 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 64. 3735 Krusche EWS 2001, 523. 3736 Ebenroth/Hakenberg2 Vor § 84 Anh. Rn 2. 3737 Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 18. 3738 In direkter Anwendung auf Handelsvertreter. In analoger Anwendung ggf. auf Vertragshändler und Franchisenehmer. Emde

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schaftsrechts. Juristische Fragestellungen ergeben sich in jeder Situation. Die zuerst zu entscheidende Frage ist, welchen Absatzweg ein Unternehmer wählen sollte.3739 Ökonomisch können diese Optionen gleichwertig sein, rechtlich sind sie es nicht.3740

1. Arbeitnehmer? Möglich ist zum einen, dass der Unternehmer seine Produkte über eigene Angestellte im Außen- 533 dienst absetzt. Betroffen ist dann in erster Linie Arbeitsrecht. Welches Arbeitsrecht welchen Staates anwendbar ist, bestimmt sich nach Art. 8 Rom I VO bzw. für bis zum 17.12.2009 abgeschlossene Arbeitsverträge nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB.

2. Eigene Niederlassungen? Ein Unternehmer kann zudem auf eigene unselbständige Niederlassungen setzen. Es kann also 534 Tochtergesellschaften gründen.

3. Vertriebsmittler? Gerade wenn ein Produkt am Markt noch nicht etabliert ist, etwa bei „Start ups“, versucht der 535 Unternehmer, die Kosten des Absatzes gering zu halten. Die kostengünstigste Variante ist der Vertrieb durch nach dem Erfolg ihrer Tätigkeit vergütete selbständige Vertriebsmittler, etwa HV, Makler, Vertragshändler oder Franchisenehmer.3741 Eine Vergütung nur nach dem Ergebnis wird bei Arbeitnehmern nach deutschem Arbeitsrecht nicht anerkannt, solange diese Vergütung unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegen würde. Der Absatz über rein nach Erfolg vergütete Arbeitnehmer ohne jedes Kostenrisiko scheidet also aus.

a) Franchisenehmer? Auch ein Vertrieb über ein Franchisesystem verbietet sich in dieser Situ- 536 ation meist. Ein Franchisesystem setzt ein zugkräftiges Produkt und eine ausgearbeitete Vertriebsstrategie voraus. Denn die Hauptpflicht des Franchisegebers liegt in der Überlassung von Know-how (Rn 664), wofür der FN Franchisegebühren zahlt. Es muss also Know-how existieren. Davon ist in der Einführungsphase eines Produkts selten und wohl nur dann auszugehen, wenn ein erfahrener oder erfindungsreicher Unternehmer hinter dem Produkt steht, der Know-how aus dem Absatz anderer Produkte transferieren oder solches neu entwickeln kann. Der Abschluss eines mehrere Länder abdeckenden Master-Franchisevertrages hilft wenig: Auch er verpflichtet den Franchisegeber zur Bereitstellung von Know-how. Franchiserecht ist also eher das Recht der Absatzmittler auf einer „höheren Evolutionsstufe“. Der Vorteil des Franchisevertrages ist gleichwohl offensichtlich: der Unternehmer leistet keine Vergütung. Vielmehr zahlt der Franchisenehmer an den Franchisegeber.

b) Handelsvertreter oder Makler? Gerade in der Einführungsphase des Vertriebs wird häufig 537 zum „Kernbereich“ der Absatzmittlerverträge gegriffen, nämlich zu HV- und Maklerverträgen.

3739 Dazu Emde NJOZ 2018, 441 ff. 3740 Mankowski RIW 2016, 457. 3741 Zu den verschiedenen Möglichkeiten des Vertriebs siehe Emde NJOZ 2018, 441 ff. 327

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Sie verbinden den Vorteil des für den Unternehmer fast völlig fehlenden Kostenrisikos mit einer recht einfachen Vertragsstruktur. Anders als etwa Franchiseverträge, die bei hochentwickelten Franchisesystemen selbst ohne Anlagen oft 300 Seiten einnehmen – hinzu tritt das meist existierende Franchisehandbuch mit dem bereitgestellten Know-how – begnügen sich HV- oder Maklerverträge oft mit einem „Handschlag“3742 oder einem einfachen, rund 10seitigen Vertrag mit keinen oder nur wenigen Anlagen.3743 Fördernd wirkt auch die Uniformität des HV-Rechts: innerhalb der EU ist es durch die RL (Rn 10 ff.) vereinheitlicht. Das erleichtert die Vorhersehbarkeit des anzuwendenden Rechts.

538 aa) Abgrenzung zwischen Handelsvertreter- und Maklervertrag. Der Unterschied zwischen dem HV-Vertrag der §§ 84–92c und dem Handelsmaklervertrag nach den §§ 93 ff. begründet sich aus § 84 Abs. 1: ein HV-Vertrag liegt nur vor, wenn der Vertriebsmittler „ständig betraut“ ist, für den Unternehmer (Hersteller oder Importeur) zu vermitteln oder abzuschließen. Der HV muss also verpflichtet sein, die Produkte des Unternehmers abzusetzen. Der Makler dagegen „darf“ tätig werden, „muss“ dies aber nicht (siehe Kommentierung zu § 84). Beide Verträge können durchaus eine längere Dauer haben. Die Einflussmöglichkeiten, die der Unternehmer auf den Mittler hat, sind damit beim Maklervertrag geringer. De facto ist allerdings auch der Handelsmakler auf einen ständigen Provisionsfluss angewiesen,3744 so dass die Unterschiede verschwimmen. Das gilt gerade, wenn der Unternehmer den Mittler zum ständigen Tätigwerden durch „Weisungen“ anhält, die Vertragsbestandteil werden können.

539 bb) Nachteil des Handelsvertretervertrages: Zwingendes Recht und Ausgleichsanspruch. Vom Rechtsanspruch auf das Tätigwerden besehen scheint der HV-Vertrag also für den Unternehmer vorteilhafter: wer will nicht, dass sein Mittler ständig für ihn tätig werden muss? Diesen Vorteil erkauft sich der Unternehmer durch die Vielzahl zwingender Vorschriften des HVRechts und vor allem durch den bei Vertragsende bestehenden Ausgleichsanspruch des HV nach § 89b. Das will bedacht sein. Insoweit gibt es jedoch Vermeidungsstrategien. Zwar kann der Ausgleichsanspruch, außer im Falle der Tätigkeit außerhalb der EU oder des EWR und zu Lasten des Schifffahrtsvertreters (§ 92c), nicht derogiert werden (§ 89b Abs. 4). Zu denken wäre jedoch daran, von dem Nachfolger des HV einen „Kauf-“ oder „Einstandspreis“ in Höhe des erwarteten Ausgleichsanspruchs zu verlangen (§ 89b Rn 454 ff.). Einfacher ist es, den künftigen Ausgleichsanspruch bei Vertragsbeginn „einzupreisen“ und eine geringere Provision anzubieten. Von einem HV, der das Produkt in dem ihm zugewiesenen Gebiet erstmals vertreibt, wird der Unternehmer aber wohl keine solche Leistung fordern können.

540 c) Eigenhändlerverträge? Makler und der HV vermitteln die Geschäfte im Namen des Unternehmers. Dem stehen die sog. „Eigenhändler“, insb. Vertragshändler und Franchisenehmer, gegenüber: sie schließen die Geschäfte mit ihren Kunden im eigenen Namen und nicht im Namen des Unternehmers. Das hat Vor- und Nachteile. Ein offensichtlicher Vorteil der Eigenhändlerverträge ist, dass den Unternehmer kein Risiko des Forderungsausfalls gegenüber dem End-

3742 Typisch bei Messegeschäften oder bei der Einführung des Produktes eines Unternehmers im Ausland. Vorteil für den Vertriebsmittler: es gilt gem. Art. 4 Rom I-VO dessen Heimatrecht und über Art. 7 EuGVVO ein Heimatgerichtsstand zugunsten des Mittlers. 3743 In den Anlagen werden oft die vertriebenen Produkte und das Absatzgebiet definiert. 3744 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 48 zum VV. Emde

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kunden trifft. Der Unternehmer hat einen – hoffentlich – solventen Vertragspartner, seinen Eigenhändler. Die Gefahr des Forderungsausfalls lässt sich allerdings unter den in § 86b genannten Voraussetzungen auch gegenüber dem HV durch dessen Delkredereversprechen reduzieren (für das allerdings Delkredereprovision an ihn zu zahlen ist), zudem durch entsprechende Versicherungen und Bürgschaften Dritter. Der gewichtigste Nachteil der Eigenhändlerverträge ist aus Sicht des Unternehmers, dass 541 sie dem deutschen und europäischen Kartellrecht unterfallen. Am meisten stört dabei das Verbot der Preisbindung (s. o.). Im Rahmen „echter“ HV-Verträge der Ziff. 12–21 Leitlinien zur GVO 330/10 (s. o.), bei denen der HV außer dem Risiko des Nichtentstehens seines Provisionsrechtes keine weiteren wirtschaftlichen Risiken trägt und damit nicht dem Kartellverbot unterfällt, darf der Unternehmer die Preise bestimmen. Bei Eigenhändlerverträgen sind nur Höchstpreise zulässig und zudem unverbindliche Preisempfehlungen (zum Kartellrecht s. o.), die nicht durch faktischen Druck durchgesetzt werden dürfen. Auch ggf. anwendbares außereuropäisches Kartellrecht reagiert tendenziell gegenüber Eigenhändlerverträgen empfindlicher als gegenüber HVVerträgen. Entscheidet sich der Unternehmer für einen Eigenhändlervertrag, wäre zum einen an eine blo- 542 ße Käufer-Verkäuferbeziehung zwischen Unternehmer und Abnehmer zu denken, des Weiteren an Vertragshändler- und Franchiseverträge. Der Nachteil eines Vertragshändler- oder Franchisevertrages im Vergleich zu reinen Käufer-Verkäuferbeziehungen ist, dass analog dem für HV geltenden § 89b bei Vertragsende ein Ausgleichsanspruch fällig werden kann, sofern der Eigenhändler einem HV vergleichbar in das Vertriebssystem des Unternehmers eingebunden ist und eine vertragliche Verpflichtung zur Übertragung der Kundendaten, insb. von Namen und Adressen der Kunden, vereinbart wurde (§ 89b Rn 52 ff.). Auch hier gibt es jedoch Perspektiven zur Ausgleichsvermeidung. Sieht der Vertragshändlervertrag nämlich keine Verpflichtung des Händlers vor, dem Unternehmer die Kundendaten mitzuteilen, ist kein Ausgleichsanspruch zu leisten (§ 89b Rn 52 ff.). Noch besser sieht es aus, falls der Händler außerhalb der EU oder des EWR tätig ist: wie oben erwähnt darf dann nach § 92c Abs. 1 der Ausgleichsanspruch vertraglich ausgeschlossen werden.

4. Vergütung Ist die Rechtsform des Vertriebsvertrages bestimmt, so stellt sich die Frage der Vergütungsform. 543 Grundsätzlich sind die die Provision des HV regelnden §§ 87 ff. dispositiv und die Art der Vergütung darf im gesamten Vertriebsrecht frei vereinbart werden. So ist beim HV jede Art der Vergütung zulässig, die klassische Provision des § 87 HGB, jedoch auch alle anderen Formen, etwa eine Garantie- oder Festvergütung (s. Kommentierung zu § 87). Der Eigenhändler wird i. d. R. durch seine Marge entlohnt, also durch die von ihm erzielte Differenz zwischen Einstandskosten und am Markt erzieltem Preis. Hier stellen sich zahlreiche Probleme. Z. B. wird darüber diskutiert, ob ein im Vertriebsvertrag vereinbarter Verkaufspreis zwischen Hersteller und Eigenhändler für dessen gesamte Dauer gilt oder geändert werden darf (dazu unten). Darüber hinaus gibt es eine sehr diskussionswürdige Rspr., derzufolge – ähnlich der Debatte um „Hungerprovisionen“ im HV-Recht – dem Eigenhändler eine Grundmarge zugesichert werden muss.3745 Wie sich dies außerhalb der §§ 138, 242 BGB rechtfertigt, ist auf den ersten Blick dogmatisch schwer verständlich und könnte auch deshalb bezweifelt werden, weil in einer reinen Käufer-VerkäuferBeziehung, die den Abnehmer mit weniger Rechten ausstattet als einen Vertragshändler, eine

3745 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 329

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solche Pflicht fehlt. Sie könnte bestenfalls als (dann wohl zwingende) Gegenleistung für das Konkurrenzverbot des Vertragshändlers begründet werden. Entscheidet sich der Unternehmer für einen HV-Vertrag, so hat er nach § 87 die Wahl zwischen den dort genannten Provisionsformen. Am günstigsten ist für den Unternehmer die reine Vermittlungsprovision, abrechnungstechnisch einfacher hingegen die Bezirksprovision. Meist einigen sich die Vertragspartner auf die Gewährung nur einer Vermittlungs- und Folgeprovision.

II. Handelsvertreterähnliche Mittler 544 Wie eben dargestellt, kann ein Unternehmen den Vertrieb seiner Leistungen auf verschiedene Weise organisieren. Die Vorschriften der §§ 84 ff. sind auf Verträge mit Vertriebsmittlern entsprechend anwendbar, wenn ihre rechtliche und tatsächliche Position der eines HV gleicht oder ähnelt.3746 Die analoge Anwendung des HV-Rechts als Fundament im Bausteinsystem des Vertriebsrechts,3747 zumindest aber dessen Orientierungspunkt,3748 wird deshalb im gesamten ungeregelten Vertriebsmittlerrecht zugunsten handelsvertreterähnlicher Vertriebsmittler befürwortet,3749 wenn die nachfolgend genannten Analogiekriterien erfüllt sind, nämlich (1) der Vertriebsmittler selbständig ist, 545 (2) sich die vertraglichen Beziehungen zwischen Unternehmer und Vertriebsmittler nicht in 546 einer reinen Verkäufer-Käuferbeziehung erschöpfen, der Vertriebsmittler vielmehr nach Gestaltung und/oder Handhabung des Vertrages durch Pflichten, wie sie in einer Käufer-Verkäuferbeziehung nicht bestehen, auf Dauer so in die Absatzorganisation des Unternehmers eingegliedert ist, dass er wirtschaftlich in großem Umfang einem HV vergleichbare Aufgaben zu erledigen, insb. den Absatz des Unternehmers laufend zu fördern hat und insgesamt den HV-typischen Bindungen unterliegt.3750 Eine solche Eingliederung kann auch bei einer konzerneigenen Vertriebsgesellschaft vorliegen und wird gerade dort häufig gegeben sein.3751 Die schlagwortartige Verkürzung der „HV-ähnlichen Einbindung in das Vertriebssystem des Unternehmers“ ist problematisch, weil bereits beim HV eine Einbindung in das Vertriebssystem nicht TB-Merkmal des § 84 ist.3752 Es muss also ein Innenverhältnis zwischen Unternehmer und Ver-

3746 Zur Ausgestaltung von Vertriebssystemen, Einheitsgesellschaft, Handelsvertretersystem, Kommissionsagentur, Vertragshändler- und Franchisesysteme Karsten Schmidt JuS 2008, 665 ff. Emde VersR 1999, 1464. Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (4). Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (24): „gesetzliche Leitbildfunktion“. Zum Vertragshändler: BGH, Urt. v. 13.7.2007 – VIII ZR 352/04, MDR 2007, 1084 = EWiR 2007, 661 (Emde) (Analogie dort verneint); v. 28.6.2006 – VIII ZR 350/04, BB 2006, 1648 = WM 2006, 1919; NJW 1984, 2101; v. 9.10.2002 – VIII ZR 95/01, NJW-RR 2003, 98; BB 1988, 1770; BB 1967, 44; NJW 1962, 1107; OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume Rn 65 – Kfz-Vertragshändler; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.3.2012 – I-16 U 199/10, BeckRS 2012, 13564 – Motorrad-Vertragshändler; OLG Köln, Urt. v. 21.9.2012 – 19 U 113/11, IHR 2013, 168 m. Anm. Thume; BB 1997, 2451; OLG München BB 1997, 595, Emde WRP 2003, 468 ff.; Emde WRP 2006, 449 ff.; Ostendorf MDR 2008, 1377; Siegert NJW 2007, 188 f.; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn2 § 89b Rn 373; Martinek/Manderla3 § 22 Rn 29; Martinek/van der Moolen3 § 24 Rn 7; Westphal II Rn 131; Ebenroth/Löwisch3 § 89b Rn 214; zum FN: OLG Schleswig, Hinweisbeschl. v. 11.12.2014 – 4 U 48/14, ZVertriebsR 2015, 48 m. Anm. Erdmann – Anspruch wg. fehlender Analogie verneint; OLG Hamm, Urt. v. 29.7.2013 – 18 U 169/12, IHR 2014, 231 (240) – Anspruch wg. fehlender Erfüllung des Analogiekriteriums verneint; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.5.2013 – I-16 U 36/12, BeckRS 2014, 18249 – Anspruch wg. fehlender Erfüllung des Analogiekriteriums verneint. 3751 Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 (23). 3752 Canaris § 17 Rn 14.

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triebsmittler ähnlich dem eines HV-Vertrages existieren,3753 wobei sich die Integrationstiefe, auch als „vertikale Vorwärtsintegration“ bezeichnet,3754 – abhängig von der Situation des Einzelfalles – in der Reihe Belieferungs-, Fachhändler-, Vertragshändler-, Kommissionsagenten3755 zu Franchiseverträgen steigern soll.3756 Generell lässt sich eine immer stärkere Einbindung der Absatzmittler in die Vertriebssysteme der Unternehmer attestieren.3757 Bedeutsam ist die wirtschaftliche Vergleichbarkeit, die eher gegeben sein dürfte als eine rechtliche Vergleichbarkeit. Sie wird – was unten näher ausgeführt wird – durch eine dem Mittler auferlegte Vertriebspflicht indiziert. Da die Vertriebspflicht jedoch häufig nicht ausdrücklich geregelt wird, muss die HV-ähnliche Einbindung dann anderen Indizien entnommen werden. Häufig spielt das Kriterium der HV-ähnlichen Einbindung in der oft auf Kfz-Vertragshändler bezogenen Rspr. eine geringe Rolle, weil es in diesem Segment zweifelsfrei besteht.3758 Diese Eingliederung kann auch bei auf der Einkaufsseite tätigen Mittlern vorliegen.3759 Dort ist der Mittler in die Einkaufsorganisation des Unternehmers eingebunden. (3) Als drittes Analogiekriterium wird die spätestens bei Vertragsende,3760 ggf. konklu- 547 dent,3761 begründete Verpflichtung des Mittlers gefordert, dem Unternehmer während oder zum Ende des Vertragsverhältnisses seinen Kundenstamm durch Übermittlung der Kundendaten so zu überlassen, dass dessen Vorteile bei Vertragsende sogleich für den Unternehmer nutzbar sind.3762 Dieses Analogiekriterium ist jedoch nur für die Gewährung des Ausgleichsanspruchs analog § 89b erforderlich, weshalb es dort näher dargestellt wird (§ 89b Rn 52 ff.). Bei der Analogie zu anderen Vorschriften des HV-Rechts braucht es hingegen nicht vorzuliegen.3763 Denn anders als bei der Gewährung des Ausgleichs muss kein Kundenstamm übergeben werden, um die analoge Anwendung anderer Regelungen der §§ 84 ff. zu rechtfertigen.3764

III. Handelsvertreterähnliche Stellung Siehe auch § 89b Rn 46 ff. In Literatur und Rechtsprechung werden folgende vertraglich, 548 ggf. konkludent3765 begründete oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung gefundene3766

3753 Hopt § 84 Rn 13. 3754 Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (5). 3755 Vgl. dazu BGH, Urt. v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056 (1059) = BB 2003, 1463 = ZIP 2003, 1707 (1712) = EWiR 2004, 115 (Emde): Einbindung des Kommissionsagenten bejaht; wohl auch BGH, Urt. v. 1.6.1964 – VII ZR 235/62, BB 1964, 823; Franke/Rohrßen IHR 2017, 60. Nach Franke/Rohrßen IHR 2017, 60 (65) scheide aber eine Eingliederung in die Absatzorganisation des Herstellers bei einem auf der Einkaufsseite tätigen Kommissionsagenten aus. Das dürfte zweifelhaft sein. 3756 Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (5). 3757 Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (5). 3758 Ostendorf MDR 2008, 1377. 3759 AA Franke/Rohrßen IHR 2017, 60 (65) für Kommissionsagenten. 3760 BGH NJW-RR 1992, 421 (423). 3761 BGH DB 1986, 1067 (1070); Ebenroth/Löwisch3 § 89b Rn 216; MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 89b Rn 23. 3762 BGH NJW 1983, 2877 (2878); BB 1993, 2399; NJW 1996, 2159 (2160); BGHZ 29, 83 (90); 34, 282 (286); BGH NJW 1964, 1952; NJW-RR 1994, 99; BGHZ 135, 14; BGH WM 1998, 1256; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.5.2013 – I-16 U 36/12, BeckRS 2014, 18249 (FN); OLG Saarbrücken NJW-RR 1999, 106; Ebenroth/Löwisch3 § 89b Rn 216; aA Karsten Schmidt DB 1979, 2357 (2359 f.); Eckert WM 1991, 1237 (1243 f.); Küstner/Thume, Außendienstrecht III,2 1998, Rn 1820. 3763 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 36; Emde DB 2003, 981 (985): aA OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, BeckRS 2013, 13370 unter C 2 a. 3764 Emde DB 2003, 981 (985). 3765 Canaris § 17 Rn 18. 3766 Canaris § 17 Rn 18. 331

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1. Buch. Handelsstand

Indizien genannt, aus denen auf die HV-ähnliche Eingliederung zu schließen sein soll.3767 Die wichtigsten Indizien werden nach ihrer Bedeutung absteigend genannt. – Förderung des Absatzes und der Interessen des Herstellers im Vertragsgebiet3768 = Vertriebspflicht.3769 Ein mittelbarer Druck über das Provisionssystem zum Tätigwerden soll keine HV-typische Absatzförderungspflicht begründen3770 – Absatzrisiko des Mittlers3771 – ständige Wahrnehmung der Interessen des Herstellers, verbunden mit einer besonderen Treupflicht, der Interessenwahrungspflicht3772 – Verpflichtung zum Besuch potentieller und bestehender Kunden3773 – Kontroll- und Überwachungsrechte des Unternehmers,3774 insb. Berechtigung des Herstellers, jederzeit Zutritt zu den Geschäfts- und Lagerräumen des Vertragshändlers zu verlangen3775 – Pflicht zur Übertragung des Kundenstamms3776 – Verpflichtung, die gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen3777 – Verpflichtung zum Vertrieb nach den Richtlinien (Standards) des Herstellers3778 – Alleinvertriebsrecht3779

3767 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 35; Martinek/van der Moolen3 § 24 Rn 8; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89b Rn 376; Westphal II Rn 131; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 150; Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3768 BGH, Urt. v. 10.2.1993, BB 1993, 2399; v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, MDR 1987, 490 = WM 1987, 542 (Analogie dort verneint); v. 3.3.1983 – I ZR 34/81, MDR 1983, 816 = BB 1983, 997; OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart); OLG Köln, Urt. v. 21.9.2012 – 19 U 113/11, IHR 2013, 168 m. Anm. Thume (Analogie verneint); Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/Wauschkuhn Rn 772; Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141); Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 (23); Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3769 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume Rn 67; Fröhlich ZVertriebsR 2015, 280. 3770 OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166 Rn 49. 3771 LG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2006 – 5 O 126/06, BeckRS 2007, 1449. 3772 BGH, Urt. v. 13.6.2007 – VIII ZR 352/04, MDR 2007, 1084 = EWIR 2007, 661 (Emde) – Analogie dort verneint; LG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2006 – 5 O 126/06, BeckRS 2007, 1449; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 150; Stumpf/Jaletzke/ Schultze Rn 214 ff.; Ostendorf MDR 2008, 1377. 3773 BGH, Urt. v. 3.3.1983 – I ZR 34/81, MDR 1983, 816. 3774 BGH, Urt. v. 13.7.2007 – VIII ZR 352/04, MDR 2007, 1084 = EWIR 2007, 661 (Emde) (Analogie dort verneint); v. 9.10.2002 –VIII ZR 95/01, BB 2002, 2520 = NJW-RR 2003, 98 = MDR 2003, 162 = DB 2003 825 = WM 2003, 842 = EWiR 2003, 587 (v. Hoyningen-Huene); LG Braunschweig Urt. v. 11.4.2019 – 22 O 2195/17; Schultze/Wauschkuhn/Spenner/ Dau/Wauschkuhn Rn 772; Genzow Rn 11, 65, 67–71, 73–76, 79; Martinek/Manderla3 § 22 Rn 24, 34; Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141); Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379); aA Thume IHR 2013, 173 (175). 3775 Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3776 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume Rn 67. 3777 BGH, Urt. v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW–RR 2003, 1056 (1058) – Kommissionsagent. 3778 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume Rn 67; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141). 3779 BGH, Urt. v. 3.3.1983 – I ZR 34/81, MDR 1983, 816; v. 21.6.1972 – VIII ZR 96/71, MDR 1972, 1028; BGHZ 89, 206; BGH MDR 1993, 520; Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141); Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 (23); Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89b Rn 376; Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/Wauschkuhn Rn 772; Graf v. Westphalen FG Jürgen Gündisch, S. 77 ff.; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 150; jedoch soll dieses Merkmal nicht allein genügen BGH, Urt. v. 13.6.2007 – VIII ZR 352/04, NJW-RR 2007, 1327 = MDR 2007, 1084 = EWiR 2007, 661 (Emde). Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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vertragliches3780 oder nachvertragliches3781 Konkurrenzverbot eine Jahreszielvereinbarung3782 Wenn ein Vermittlungsvertrag nicht nur die HV-Tätigkeit, sondern gleichermaßen den Absatz in Form von Eigengeschäften vorsieht. Dann liegt die Substituierbarkeit und damit die HV-gleiche Einbindung nahe.3783 In diesem Fall ist es dem Unternehmer gleich, ob der Mittler als HV oder Vertragshändler vermittelt3784 die Verpflichtung des Unternehmers, die Tätigkeit des Mittlers zu unterstützen und die Geräte zu einem marktgerechten Preis zu liefern3785 eine Gesamtbetrachtung der Verpflichtungen zur wirksamen Absatzförderung, zu den Anforderungen an die Geschäftstätigkeit, das Auftreten, zum Vorhalt eines Bestandes aus der Produktpalette des Herstellers, zu Anforderungen an Größe, Ausstattung etc. des Geschäftsbetriebs, Datenaustausch sowie zu Vorgaben betreffend das Rechnungswesen3786 Pflicht zur Beachtung einer einheitlichen Corporate Identity3787 Zuweisung eines bestimmten Vertrags- oder Marktverantwortungsgebietes,3788 auch wenn kein Gebietsschutz besteht3789 gemeinsame Kundenbesuche, Sales Meetings und Sales Conferences3790 Verbot der Tätigkeit außerhalb dieses Vertriebsgebietes3791 die Pflicht, keine Angebote in das Ausland abzugeben3792 andererseits wieder die Möglichkeit des Absatzes der Herstellerprodukte auch außerhalb des Vertragsgebietes Die Verpflichtung, ein Grundsortiment3793 oder eine Produktalette3794 zu führen

3780 BGH, Urt. v. 13.6.2007 – VIII ZR 352/04, NJW-RR 2007, 1327 = MDR 2007, 1084 = EWiR 2007, 661 (Emde) (Analogie dort verneint); OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (595); OLG Köln, Urt. v. 21.9.2012 – 19 U 113/11, IHR 2013, 168 m. Anm. Thume (Analogie verneint); OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart); OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179; LG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2006 – 5 O 126/06, BeckRS 2007, 1449; Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Wauschkuhn/ Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141); Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 (23); Schultze/ Wauschkuhn/Spenner/Dau/Wauschkuhn Rn 772; Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379); Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89b Rn 376; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 143; Hopt § 84 Rn 13. Bei Fehlen eines Konkurrenzverbots kann daher eine HV-gleiche Eingliederung fehlen, so OLG Köln, Urt. v. 21.9.2012 – 19 U 113/11, IHR 2013, 168. 3781 BGH, Urt. v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, MDR 1987, 490 = WM 1987, 542 (Analogie dort verneint). 3782 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume Rn 67. 3783 OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179. 3784 OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179. 3785 OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179. 3786 OLG München, Hinweisbeschl. v. 23.12.2009 – 7 U 3071/09 – BMW. 3787 OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.5.2013 – I-16 U 36/12, BeckRS 2014, 18249 (FN, Anspruch wg. fehlender Erfüllung der Analogiekriterien verneint); Flohr BB 2007, 1866. 3788 BGH, Urt. v. 3.3.1983 – I ZR 34/81, MDR 1983, 816; v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, MDR 1987, 490 = WM 1987, 542 (Analogie dort verneint); OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume Rn 67; Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89b Rn 376; Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/ Wauschkuhn Rn 772; Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3789 BGH, Urt. v. 12.1.2000 – VIII ZR 19/99, MDR 2000, 592; v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, BB 1993, 2399 = MDR 1993, 520. 3790 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593). 3791 OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). 3792 OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179. 3793 BGH, Urt. v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW–RR 2003, 1056 (1058) – Kommissionsagent. 3794 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593). 333

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Pflicht zur Befolgung angeblich auch allgemeiner3795 – also wohl nicht nur vertriebsbezogener – Weisungen des Unternehmers,3796 Richtlinien und Empfehlungen des Herstellers für den Verkauf Berechtigung des Herstellers zu Weisungen bezüglich des zu beliefernden Kundenkreises;3797 zu Vorgaben hinsichtlich der gegenüber den Abkäufern zu verwendenden Zahlungsund Lieferbedingungen3798 (kartellrechtlich wohl unzulässig) bzw. für Kontaktaufnahme und Verhandlungen mit Endkunden Einrichtung von geeigneten Geschäfts- und Werkstatträumen, Vorgaben zu deren Ausstattung3799 Hervorhebung, Wahrung und Pflege des Markennamens des Herstellers3800 Verpflichtung zur Werbung durch den Händler,3801 ggf nach Vorgaben des Unternehmers,3802 auch hinsichtlich der Werbekosten.3803 Besonders deutlich: wenn kumulativ die Vertragsprodukte angemessen unter Beachtung der Werbestrategien des Unternehmers zu bewerben sind, wobei größere Projekte der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Unternehmers bedürfen, der Unternehmer zweimal jährlich über die Werbemaßnahmen zu informieren und auf Nachfragen entsprechende Muster zu übermitteln sowie einen festgelegten Prozentsatz des Netto-Umsatzes für Werbung zu verwenden hat.3804 Eine Einbindung soll fehlen, wenn der Händler zwar Werbematerialien des Unternehmers auszulegen hatte, jedoch zu keinen darüber hinaus gehenden Werbemaßnahmen verpflichtet war und es keine konkreten Vorgaben hinsichtlich der Werbekosten gab3805 Verpflichtung zur Schulung der Mitarbeiter durch den Händler3806 oder Hersteller3807 Alleinbezugspflichten des Vertriebsmittlers,3808 insb. für sämtliche Backwaren und Rohstoffe3809 Verpflichtung zur technischen Schulung des Händlers durch den Hersteller3810

3795 Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3796 BGH, Urt. v. 13.6.2007 – VIII ZR 352/04, MDR 2007, 1084 = EWiR 2007, 661 (Emde) (Analogie dort verneint); v. 7.11.1991 – I ZR 51/90, MDR 1992, 951; OLG Köln, Urt. v. 21.9.2012 – 19 U 113/11, IHR 2013, 168 m. Anm. Thume (Analogie verneint); OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593); Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141); Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89b Rn 376; Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/Wauschkuhn Rn 772; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 150; Ostendorf MDR 2008, 1377 (1378, 1379). 3797 Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3798 BGH, Urt. v. 7.11.1991 – I ZR 51/90, MDR 1992, 951; Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3799 Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/Wauschkuhn Rn 772; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141); Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3800 Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3801 BGH, Urt. v. 12.1.2000 – VIII ZR 19/99, MDR 2000, 592; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141); Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/Wauschkuhn Rn 772; krit. Thume IHR 2013, 173 (175). 3802 BGH, Urt. v. 7.11.1991 – I ZR 51/90, MDR 1992, 951; OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart); Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3803 BGH, Urt. v. 7.11.1991 – I ZR 51/90, MDR 1992, 951. 3804 OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). 3805 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (594). 3806 BGH, Urt. v. 3.3.1983 – I ZR 34/81, MDR 1983, 816 = BB 1983, 997; Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/ Wauschkuhn Rn 772. 3807 Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379); ohne Differenzierung Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79. 3808 OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.5.2013 – I-16 U 36/12, BeckRS 2014, 18249 (dort Anspruch wg. fehlender Erfüllung der Analogiekriterien verneint). 3809 OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.5.2013 – I-16 U 36/12, BeckRS 2014, 18249 (dort Anspruch wg. fehlender Erfüllung der Analogiekriterien verneint). 3810 BGH, Urt. v. 10.2.1993, BB 1993, 2399. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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Verpflichtung zur Durchführung von Kundendienst-3811 (Service-) und Reparaturleistungen3812 Übernahme der dem Unternehmer obliegenden Erfüllung von Gewährleistungsansprüchen des Kunden3813 Einrichtung und Betreuung von Vertragswerkstätten im Vertragsgebiet Pflicht zur Vorhaltung von Lagerware,3814 insb. eine Lagerpflicht für Ersatzteile3815 Vorhaltung von Produkten zu Ausstellungs- und Vorführzwecken,3816 insb. die Pflicht zum Erwerb von Vorführgeräten3817 Mindest-3818 oder generell Abnahmepflicht3819 von Herstellerprodukten. Das gilt nicht, wenn die Verfehlung von Zielvorgaben keine negativen Konsequenzen hat3820 Orientierung an vorgegebenen Listenpreisen3821 oder Verpflichtung zu Preisnachlässen,3822 wobei kartellrechtlich allein unverbindliche Preisempfehlungen zulässig sind.3823 Freiheit bei der Ausgestaltung der Geschäfte mit den Kunden spricht gegen die Einbindung3824 Abstimmungspflichten bei der Preisgestaltung des Händlers,3825 insb. wenn bei der Festsetzung von Preisen und Konditionen mit dem Unternehmer verabredete Preisstrategien zu berücksichtigen sind.3826 Das Fehlen verbindlicher Regelungen zur Preisgestaltung spricht jedoch nicht entscheidend gegen eine Eingliederung, da verbindliche Preisvorgaben kartellrechtlich unzulässig sind3827 Einsichtsrechte in die Geschäftsunterlagen des Händlers3828 ein Buchprüfungsrecht des Unternehmers bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der Geschäftsunterlagen des Händlers3829

3811 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume Rn 67; Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141).

3812 Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3813 LG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2006 – 5 O 126/06, BeckRS 2007, 1449. 3814 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593); OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart) – Vorrat von mindestens 2 Monaten; Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Wauschkuhn/ Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141); Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3815 OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179; Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/ Wauschkuhn Rn 772; Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379); Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141). 3816 Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141). 3817 OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179; Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3818 BGH, Urt. v. 9.10.2002 –VIII ZR 95/01, BB 2002, 2520 = NJW-RR 2003, 98 = MDR 2003, 162 = DB 2003, 825 = WM 2003, 842 = EWiR 2003, 587 (v. Hoyningen-Huene); v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, BB 1993, 2399 = MDR 1993, 520; OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart); Martinek/van der Moolen3 § 24 Rn 8; Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/Wauschkuhn Rn 772; Graf v. Westphalen FG Jürgen Gündisch, S. 80 ff; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 150; Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3819 LG Braunschweig Urt. v. 11.4.2019 – 22 O 2195/17. 3820 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (594). 3821 BGH, Urt. v. 7.11.1991 – I ZR 51/90, MDR 1992, 951. 3822 BGH, Urt. v. 10.2.1993, BB 1993, 2399; Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3823 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593); Seeliger/de Crozals DB 2017, 351 (353); Thume IHR 2013, 173 (174); Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379); Kirchhain WuW 2008, 167 (172). 3824 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (594). 3825 BGH, Urt. v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, MDR 1987, 490 = WM 1987, 542 (Analogie dort verneint); OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). 3826 OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). 3827 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593). 3828 BGH, Urt. v. 12.1.2000 – VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 = MDR 2000, 592; aA Thume IHR 2013, 173 (175). Solche Einsichtsrechte sind jedenfalls unter Wettbewerbern kartellrechtlich bedenklich. 3829 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593). 335

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eine ins Einzelne gehende Unterrichtung des Unternehmers über Entwicklungen am Markt, die Geschäftsabschlüsse,3830 Kunden-Feedback und konkurrierende Aktivitäten,3831 monatliche Verkaufsberichte3832 sowie sonstige für den Absatz wesentliche Umstände – HV-ähnliche Berichtspflicht,3833 insb. wenn über Kundennamen vierteljährlich zu berichten ist.3834 Gegen eine Einbindung spricht aber, wenn die Berichte freiwillig sind und deshalb geleistet werden, um einen Sonderrabatt3835 zu erzielen bzw. Sonderpreisvereinbarungen zu kontrollieren.3836 der Händler Marktforschung zu betreiben hat3837 in Abstimmung mit dem Unternehmer eine jährliche Umsatz- und Werbeplanung vorzunehmen ist3838 die Verpflichtung zur einheitlichen Buchführung nach Vorgaben des Herstellers3839 oder für den Fall von Rückrufen3840 Hinweis auf die Vertragshändlereigenschaft für den Hersteller,3841 ggf im Firmennamen gemeinsame Markt- und Messepolitik mit dem Hersteller,3842 insb. Verpflichtung zum Besuch von Messen3843 Einsatz des Händlers für die Marke/Ware auf eigene Kosten3844 Pflicht zur Wahrung der Betriebsgeheimnisse des Unternehmers3845 Verpflichtung zum Vorhalten eines Verkäufers für die Vertragsprodukte3846 angeblich dass der Händler sich mit der Übernahme der Vertragspflichten eines bedeutenden Teils seiner unternehmerischen Freiheit begibt3847 (zwh., dann würde beim HV die Selbständigkeit fehlen) die Übersetzung von anfallenden Texten in die Landessprache3848 (als Indiz von zweifelhaftem Wert).

3830 BGH, Urt. v. 12.1.2000 – VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 = MDR 2000, 592. Es handelt sich aber um kein zwingendes Merkmal, s. OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart).

3831 OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). 3832 OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). 3833 BGH, Urt. v. 12.1.2000 – VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 = MDR 2000, 592; v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, BB 1993, 2399 = MDR 1993, 520; v. 7.11.1991 – I ZR 51/90, MDR 1992, 951; v. 3.3.1983, BB 1983, 997; OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593); Pour Rafsendjani ZVertriebsR 2015, 104 (106) zum FN – eine detaillierte Berichtspflicht kann nach Ansicht von Pour Rafsendjani genügen, um die HV-gleiche Eingliederung des FN zu begründen; Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 241; Canaris § 17 Rn 17; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 150; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141); Ostendorf MDR 2008, 1377 (1378, 1379). 3834 OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179. 3835 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (594). 3836 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (594). 3837 OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). 3838 OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). 3839 Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3840 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593). 3841 Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3842 BGH, Urt. v. 3.3.1983 – I ZR 34/81, MDR 1983, 816 = NJW 1983, 1789. 3843 BGH, Urt. v. 12.1.2000 – VIII ZR 19/99, MDR 2000, 592; Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/Wauschkuhn Rn 772; Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141); Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379). 3844 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 150. 3845 Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 236 ff. 3846 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, BB 1993, 2399 = MDR 1993, 520. 3847 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593). 3848 OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179. Emde

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Nicht erforderlich sind die Einräumung weiterer Kontroll- und Überwachungsbefugnisse und 549 ein Recht zur Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen.3849 Keinesfalls müssen alle vorgenannten Kriterien gleichzeitig erfüllt sein,3850 noch nicht ein- 550 mal ihr überwiegender Teil. Sie haben zudem unterschiedliches Gewicht,3851 so dass es einer wertenden Betrachtung bedarf.3852 Auch ist nicht erforderlich, dass alle nur denkbaren vertretertypischen Kriterien vorliegen.3853 Es kommt vielmehr darauf an, dass der Mittler dem Gesamtbild nach wie ein HV eingegliedert ist.3854 Dagegen soll es gegen eine handelsvertretergleiche Einbindung sprechen, wenn 551 – zwar ein Alleinvertriebsrecht eingeräumt und eine Alleinbezugsverpflichtung begründet wurde sowie der Händler das Markenzeichen des Herstellers zu verwenden hatte, ihm aber hinsichtlich des Vertriebs keine konkreten Vorgaben gemacht wurden3855 – eine Verpflichtung des Händlers zur nachdrücklichen Absatzsteigerung sowie zu einem vierteljährigen Erfahrungsaustausch über die Marktsituation sowie Preisgestaltung vereinbart war, ebenso Mindestabnahmemengen und Informations- und Berichtspflichten betreffend die Geschäftsentwicklung, jedoch eine Pflicht zur Information über einzelne Geschäftsabschlüsse fehlt3856 – der Schwerpunkt der Vertriebstätigkeit nicht darauf lag, dass der FN Waren des FG oder mit ihr verbundene Unternehmen vertreiben sollte, sondern dem FN das Know-How für den Betrieb eines „Futterhaus“-Fachmarktes zur Verfügung gestellt wurde und der Vertrag in erster Linie das Ziel verfolgte, die Marktanteile der angeschlossenen Tierhandels- und Zoofachmärkte zu erhöhen. Das soll auch gelten, wenn er die Verpflichtung zur Führung von Eigenmarken des FG regelte3857 – ein Absatzgebiet zugewiesen wurde, der Mittler einer Abnahmeverpflichtung sowie einem Konkurrenzverbotes unterlag, jedoch eingehende Informations- und Berichtspflichten fehlten3858 – eine Verpflichtung zur Ausrichtung auf die Organisation des Herstellers nicht vereinbart wurde3859 – Kontroll- oder Überwachungsrechte – von der Nachprüfung von Reklamationen abgesehen3860 – des Herstellers nicht existieren3861 – keine besonderen Weisungsrechte des Unternehmers bestehen3862

3849 OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). 3850 OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166 Rn 41; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 36; Canaris § 17 Rn 18; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89b Rn 378; Westphal II Rn 137; Schultze/Wauschkuhn/ Spenner/Dau/Wauschkuhn Rn 772; Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141). 3851 Westphal II Rn 138. 3852 OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166 Rn 41; OLG Köln, Urt. v. 21.9.2012 – 19 U 113/ 11, IHR 2013, 168 m. Anm. Thume. 3853 OLG München, Hinweisbeschl. v. 23.12.2009 – 7 U 3071/09 – BMW. 3854 OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166 Rn 41; Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89b Rn 378. 3855 BGH, Urt. v. 8.6.1988 – I ZR 244/86, BB 1988, 1770 = NJW-RR 1988, 1305. 3856 OLG Hamm, Urt. v. 9.6.2004 – 35 W 5/04, NJW-RR 1996, 226; zweifelh. 3857 OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 11.12.14 – 4 U 48/14, ZVertriebsR 2015, 48 (49), welches in diesem Fall eine Eingliederung für „zweifelhaft“ hielt, die Frage aber offen ließ. 3858 OLG Hamm, Urt. v. 15.5.1995, NJW-RR 1996, 226; zweifelh. 3859 OLG Köln, Urt. v. 20.5.1994 – 19 U 237/93, BB 1994, 1881. 3860 BGH, Urt. v. 8.6.1988 – I ZR 244/86, BB 1988, 1770 = NJW-RR 1988, 1305 = MDR 1988, 1026. 3861 BGH, Urt. v. 8.6.1988 – I ZR 244/86, BB 1988, 1770 = NJW-RR 1988, 1305 = MDR 1988, 1026; OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166; OLG Köln, Urt. v. 21.9.2012 – 19 U 113/11, IHR 2013, 168 m. Anm. Thume; v. 20.5.1994 – 19 U 237/93, BB 1994, 1881. 3862 OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166. 337

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der Geschäftsbetrieb des Händlers nicht spezifisch auf die Ware des Unternehmers ausgerichtet war3863 der Händler auch als Produzent tätig ist3864 eine enge Kooperation durch persönliche Kontakte, Verkaufsgespräche, gegenseitige Besuche, Besprechungen sowie Strategietreffen als auch durch die Kooperation bei der Entwicklung neuer Produkte und die Überlassung von Verkaufs- und Besuchsberichten bestand, der Händler aber nicht wie im HV-Recht verpflichtet war, die Interessen des Herstellers wahrzunehmen, ein Konkurrenzverbot zu achten oder einen Mindestbezug einzuhalten und keine generelle Richtlinienkompetenz des Herstellers bestand3865 ein Konkurrenzverbot nicht geregelt wurde3866 der Unternehmer keine Absatzorganisation am zugewiesenen Markt unterhält.3867 Im entschiedenen Fall gab es auf dem zu bearbeitenden Markt nur einen Kunden als Monopolisten; eine weitergehende Absatzförderung habe nicht erfolgen können3868 der Vertriebsmittler (ein Markenlizenznehmer) keine Waren des Unternehmers oder mit ihm verbundener Unternehmen vertrieb, sondern nur solche, die er sich von dritter Seite beschaffte und mit der Marke des Unternehmers versah3869 angeblich falls bei einem Markenlizenzvertrag der Markeninhaber und Lizenzgeber auf dem Gebiet vom Lizenznehmer vertriebenen Waren selbst nicht tätig ist.3870 Aus dem Vergleich mit Franchisingverträgen ergäbe sich nichts anderes. Dort sei eine vergleichbare Interessenlage nur in Fallgestaltungen angenommen worden, in welchen dem FN der Vertrieb von Produkten des FG zugewiesen war und nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die während der Vertragslaufzeit vom FN neu geworbenen Kunden dem FG allein zustehen sollten3871 angeblich wenn zwar Absatzförderungspflicht und Wettbewerbsverbot vereinbart sind, jene Pflichten aber im unmittelbaren Zusammenhang damit standen, dass die Mittler ein exklusives Vertriebs- und Verkaufsrecht eingeräumt erhielten und der Hersteller deshalb darauf angewiesen war, dass der Händler hiervon Gebrauch macht3872 angeblich sofern zwar eine allg. Pflicht zum intensiven Verkauf, zur umfangreichen Werbung, zum Einsatz geschulten Personals,3873 zur Kundenberatung sowie zu Werkstatttätigkeiten bestanden, „diese sich jedoch aus der „vereinbarten Zusammenarbeit des

3863 OLG Köln, Urt. v. 21.9.2012 – 19 U 113/11, IHR 2013, 168 m. Anm. Thume. Es stellt sich aber immer die Frage, was dies konkret heißt. Auch ein HV ist ohne spezifisch auf die Produkte des Unternehmers ausgerichteten Geschäftsbetrieb HV. 3864 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (595). 3865 OLG München, Urt. v. 8.1.1997 – 7 U 4334/96, BB 1997, 595. 3866 OLG Köln, Urt. v. 21.9.2012 – 19 U 113/11, IHR 2013, 168 – aber es gilt ohnehin kraft § 86 Abs. 1 und ist im Vertragshändlerecht kartellrechtlich problematisch. 3867 BGH, Urt. v. 13.6.2007 – VIII ZR 352/04, NJW-RR 2007, 1327 = MDR 2007, 1084 = EWiR 2007, 661 (Emde); aA OLG Hamburg DB 1980, 972; Hopt § 84 Rn 15. 3868 Richtigerweise kann ein Kunde genügen, OLG Hamburg DB 1980, 972; Hopt § 84 Rn 15. 3869 BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 3/09, DB 2010, 2331 m. Anm. Metzlaff ZVertriebsR 2012, 54 Rn 26 (kein Urteil des Vertriebsrechtssenats), zweifelh., da auch der Produktionsfranchisenehmer oder der mit Arbeitnehmern (Dritten) arbeitende Dienstleistungsvertreter einen Ausgleichsanspruch erhält. Zudem wird auch hier das Produkt mit dem Markennamen des Unternehmers assoziert; der Kundenstamm fällt ihm zu. 3870 BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 3/09, DB 2010, 2331 m. Anm. Metzlaff ZVertriebsR 2012, 54 Rn 32 – kein Urteil des Vertriebsrechtssenats. 3871 BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 3/09, DB 2010, 2331 m. Anm. Metzlaff ZVertriebsR 2012, 54 Rn 32 – kein Urteil des Vertriebsrechtssenats. 3872 BGH, Urt. v. 13.6.2007 – VIII ZR 352/04, NJW-RR 2007, 1327 = MDR 2007, 1084 = EWiR 2007, 661 (Emde) – eher zweifelhaft. 3873 OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (593); OLG Köln, Urt. v. 21.9.2012 – 19 U 113/11, IHR 2013, 168 m. Anm. Thume. Emde

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Vertragshändlers und des Unternehmers erklärten“ und auch im Interesse des Vertragshändlers lägen3874 – wenn der Mittler in der Preisgestaltung gegenüber dem Endkunden frei ist und sich insofern in einem wesentlichen Punkt nicht seiner unternehmerischen Freiheit begeben hatte3875 – sofern die die Einbindung und die Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstammes mglw. begründenden Vorschriften nur den Hauptzweck des Vertrags, im entschiedenen Fall eine Markenlizenzvereinbarung, unterstützen sollen3876 (zweifelhaft, da es auf den Zweck auch beim HV nicht ankommt) – ein Alleinvertriebsvertrag einem Händler neben einem Wettbewerbsverbot u. a. allgemeine Verkaufsförderungspflichten, eine systematische Verkaufsschulung sowie eine allgemeine, abstrakte Marktdaten betreffende Berichtspflicht zur laufenden Unterrichtung des Herstellers über den Ausbau der Organisation und die Einstellung der Kunden zu den Erzeugnissen des Herstellers auferlegt3877 – Absatzziele sowie die Verpflichtung zur intensiven Bearbeitung des Vertragsgebietes vereinbart sind, jedoch nähere Einzelheiten zu der dabei einzuhaltenden Vorgehensweise und den verbundenen Kontroll- und Weisungsbefugnissen der Herstellerin fehlen3878 – der Vertrag erst mit dem Abschluss des ersten Verkaufsgeschäfts in Kraft trat, und deshalb keine Pflicht zum Tätigwerden regelt3879 – der Mittler keinen vertriebs-, produkt- oder tätigkeitsbezogenen Weisungen des Unternehmers unterlag, vielmehr in der Ausgestaltung des Verkaufs3880 bzw. der Werbung3881 frei bleibt – Einsichtsrechte des Herstellers in die Geschäftsunterlagen fehlen3882 (aber das betrifft das dritte Analogiekriterium). Entscheidend ist das Gesamtbild des Vertrags.3883 Bei Franchiseverträgen soll sich die Ein- 552 bindung aus der Systemeingliederungs- und -förderungspflicht ergeben.3884 Irrelevant ist, ob die Vergütung händler- oder HV-typisch ist. Dies ist erst für die Berechnungsgrundlage des Ausgleichsanspruchs bedeutsam.3885 Tatsächlich dürfte es entgegen dem BGH in der oben zitierten Entscheidung3886 auf die Existenz einer Absatzorganisation des Unternehmers nicht ankommen. Die Worte von der „Einbindung in das Vertriebssystem des Unternehmers“ leiten in die falsche Richtung. Vertriebsrecht ist vertrags-, nicht systembezogen. Selbst wenn der Unternehmer kein Vertriebssystem unterhält und nur einen einzigen Mittler beschäftigt, kann dieser eine eigene Absatzorganisation des Unternehmers ersetzen.3887 Noch weniger kommt es auf die 3874 OLG Köln, Urt. v. 21.9.2012 – 19 U 113/11, IHR 2013, 168 m. Anm. Thume. In dieser Allgemeinheit eher fernliegend. Denn dann besäße kaum ein Vertragshändler ein Ausgleichsrecht.

3875 OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166. 3876 BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 3/09, DB 2010, 2331 m. Anm. Metzlaff ZVertriebsR 2012, 54 Rn 29 – kein Urteil des Vertriebsrechtssenats.

3877 OLG Stuttgart, Urt. v. 16.5.1997 – 2 U 229/96, NJWE-WettbR 1998, 46 (48) = LNR 1997, 14508 (dort letztlich offen gelassen und Ausgleich wg. Fehlens einer vertraglichen Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstammes verneint). 3878 OLG Köln, Urt. v. 12.1.2007 – 19 U 11/97, IHR 2007, 200 (207). 3879 BGH, Urt. v. 13.6.2007 – VIII ZR 352/04, NJW-RR 2007, 1327 = MDR 2007, 1084 Rn 18 = EWiR 2007, 661 (Emde). 3880 BGH, Urt. v. 8.6.1988 – I ZR 244/86, MDR 1988, 1026; v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, MDR 1987, 490 = WM 1987, 542. 3881 OLG Köln, Urt. v. 21.9.2012 – 19 U 113/11, IHR 2013, 168 m. Anm. Thume. 3882 BGH, Urt. v. 8.6.1988 – I ZR 244/86, MDR 1988, 1026; in BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, BB 1993, 2399 = MDR 1993, 520 wegen der Existenz von Berichtspflichten für überflüssig gehalten. 3883 Ostendorf MDR 2008, 1377 (1379); Canaris § 17 Rn 18. 3884 Canaris § 18 Rn 23. 3885 LG München I, Urt. v. 17.4.2009 – 3 HK.O 2148/07, S. 8. 3886 BGH, Urt. v. 13.6.2007 – VIII ZR 352/04, NJW-RR 2007, 1327 = MDR 2007, 1084 = EWiR 2007, 661 (Emde). 3887 Emde EWiR 2007, 661 (662). 339

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Absatzorganisation des Mittlers selbst an. Ferner ist das Bestehen von Kontroll- und Überwachungsrechten nicht zwingend, soweit sich die Einbindung aus anderen Kriterien ergibt.3888 Die Einräumung eines Alleinvertriebsrechts oder eines Gebietschutzes ist gleichfalls keine notwendige Voraussetzung der Analogie;3889 ebenso wenig der Einsatz eigenen Kapitals oder die Unterhaltung eines Lagers3890 bzw. die Schutzbedürftigkeit des Vertragshändlers.3891 553 Nach Ansicht des BGH3892 führt eine Vertriebspflicht nicht zur HV-gleichen Einbindung, wenn die Vertriebspflicht nur das Gegenstück zur gewährten Exklusivität darstellt. Schon zuvor war der BGH zurückhaltend, aus der Vertriebspflicht eine Einbindung herzuleiten.3893 Dies ist äußerst zweifelhaft, weil unter solchen Bedingungen einem Vertragshändler, dem Exklusivität zugesichert wurde und der damit einen besonderen Schutz erlangen will, grundsätzlich kein Ausgleichsanspruch mehr zusteht, soweit nicht weitere Analogiekriterien vorliegen. Es kann nicht sein, dass durch eine vertiefte Einbindung in das Vertriebssystem der Ausgleichsanspruch entfällt.3894 Vielmehr deutet die Exklusivität eher auf eine engere Einbindung hin. Vor allem steht auch dem Leitbild der Analogie, dem Ausschließlichkeitsvertreter, ein Ausgleich zu. Sein Ausgleich entfällt nicht infolge der Gewährung einer Exklusivität. Die vom BGH3895 betonte Freiheit im Verkauf trifft fast alle Vertragshändler. Das Merkmal ist daher kaum greifbar und würde bei strikter Anwendung zu einer weitgehenden Ausgleichsfreiheit führen. Sofern eine Vertriebspflicht existiert, spricht dieses klare Indiz für eine Einbindung, die der Pflicht des HV zur Werbung und (beim Abschlussvertreter) zum Abschluss entspricht.3896 554 Von den o. g. für die Einbindung sprechenden Kriterien sind neben der nach §§ 84, 86 im Vordergrund des HV-Rechts stehenden Vertriebspflicht3897 – hinter dieser leitbildtypischen Pflicht zurücktretend – wahrscheinlich allenfalls die ständige Wahrnehmung der Interessen des Herstellers, verbunden mit einer besonderen Treupflicht, die Unterrichtung des Unternehmers über Entwicklungen am Markt, Kontrollrechte des Unternehmers3898 und in geringerem Umfang ein ohnehin kartellrechtlich bestenfalls auf fünf Jahre zulässiges (s. o. zu Art. 5 GVO 330/10) Konkurrenzverbot3899 (dieses obliegt zwar dem HV kraft Gesetzes, es gibt jedoch zahlreiche HV, die von ihm befreit sind), die Zuweisung eines Vertragsgebietes (ein solches gibt es aufgrund kartellrechtlicher Vorgaben allerdings nicht einmal beim typischerweise ausgleichsberechtigten KfzVertragshändler) sowie die Verfolgung von vertriebstypischen Weisungen, Richtlinien und Empfehlungen des Händlers, die Pflicht zur Wahrung der Betriebsgeheimnisse sowie eine Berichtspflicht relevant,3900 wobei letztere für den Vertragshändler als eher untypisch empfunden wird. Allerdings unterliegt der Vertragshändler einer Informationspflicht (siehe Kommentierung zu § 86). Er ist also verpflichtet, den Unternehmer über die Marktverhältnisse zu informieren. Auch der HV erhält einen Ausgleichsanspruch, ohne dass ihm ausdrücklich ein Wettbewerbsverbot auferlegt werden muss. Jedes weitere Kriterium dürfte irrelevant sein, weil es auch beim HV typischerweise nicht vorzufinden ist. Die vorgenannten Pflichten und Kriterien bilden die Rechts-

3888 3889 3890 3891 3892 3893 3894 3895 3896 3897 3898

BGH BB 1992, 596; Westphal II Rn 139. BGH DB 1983, 2412; BB 1988, 1770; Westphal II Rn 139; Hopt § 84 Rn 13. BGH NJW 1977, 896. BGH NJW 1977, 896. BGH, Urt. v. 13.6.2007 – VIII ZR 352/04, NJW-RR 2007, 1327 = MDR 2007, 1084 = EWiR 2007, 661 (Emde). BGH, Urt. v. 8.6.1988, BB 1988, 1770. Emde EWiR 2007, 661 (662). BGH, Urt. v. 13.6.2007 – VIII ZR 352/04, NJW-RR 2007, 1327 = MDR 2007, 1084 = EWiR 2007, 661 (Emde). Fröhlich ZVertriebsR 2015, 280. Fröhlich ZVertriebsR 2015, 280. BGH, Urt. v. 8.6.1988, BB 1988, 1770; v. 7.11.1991, BB 1992, 596; Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/Wauschkuhn Rn 775. 3899 Thume IHR 2013, 173 (174). 3900 BGH, Urt. v. 7.11.1991, BB 1992, 596; Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/Wauschkuhn Rn 775; Ostendorf MDR 2008, 1377. Emde

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folge, nicht den Rechtsgrund der Statusfrage und Analogie,3901 und das auch beim HV-ähnlichen Mittler. Ihre vertragliche Regelung lässt allenfalls den Rückschluss zu, dass der Mittler wie ein HV in das Vertriebssystem des Unternehmers eingebunden werden sollte. Diejenigen, die mehr als die vorgenannten Merkmale als Voraussetzung der Analogie for- 555 dern,3902 verlangen für die Analogie mehr, als beim gesetzestypischen HV für dessen Einordnung als HV und ein Ausgleichsrecht erforderlich ist.3903 Verlangt werden von ihnen eine gegenüber dem Ausgangsfall des HV gesteigerte Abhängigkeit und eine Vielzahl von Pflichten und Vorgaben, die die unternehmerische Entscheidungsfreiheit über die des HV hinausgehend einschränken.3904 HV-Recht ist weitgehend dispositiv. Ein HV-Vertrag kann sogar formfrei geschlossen werden (§ 85) und oft wird in diesem Fall nicht mehr vereinbart, als dass der HV für den Unternehmer vermittelnd tätig sein soll und als Gegenleistung eine bezifferte Provision erhält. Die Rechtsfolge ergibt sich dann aus dem Gesetz, nämlich die Provisions- (§§ 87 ff.) und Ausgleichspflicht (§ 89b). Für die Einordnung als HV nicht gefordert werden hingegen die oben genannten Analogiekriterien, insb. die Zusicherung eines Alleinvertriebsrechts,3905 die Gewährung eines Marktverantwortungs-3906 oder Bezirksschutzes oder die Verpflichtung zur Lagerhaltung. Ganz sicher gilt das für die Verpflichtung zum Kundendienst,3907 die HV-untypisch ist, was nichts besser dokumentiert, als dass die frühere Kfz-GVO 1400/02 im Kfz-Vertragshändlerrecht eine zwingende Trennung von Verkauf und Kundendienst vorschrieb. Es gilt jedoch auch für die Unterhaltung von Geschäfts- und Werkstatträumen, die Durchführung von Kundendienst und Wartungsarbeiten, Bevorratung von Ersatzteilen, Mindestabnahmeverpflichtung oder die Schulung von Mitarbeitern.3908 Diese Merkmale dokumentieren lediglich eine Einbindung in das Vertriebssystem, aber eben keine HV-typische. Analogiebegründend kann nur sein, was in § 84 geregelt ist. Soweit der Vertriebsmittler selbständiger Gewerbetreibender ist und wie der HV einer Vertriebspflicht unterliegt (für den HV: mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften betraut, beim HV-ähnlichen Mittler: mit dem Vertrieb betraut), ist das wichtigste Analogiekriterium die einem HV vergleichbare Verpflichtung zum Vertrieb (Absatzförderungspflicht).3909 Aus ihr folgt die Verpflichtung zum Vertrieb, in deren Ausführung der Mittler als durch den Ausgleich vergütungspflichtiges Ergebnis den übergebenen Kundenstamm aufbaut (Leistungs-Gegenleistungsverhältnis). Liegt die Pflicht zum Vertrieb vor, ergibt sich das auf einen solchen Mittler anzuwendende Recht aus der analogen Anwendung des HV-Rechts. Die häufig auf Zufälligkeiten beruhende Bezeichnung des Vertrages als HV-, Vertragshänd- 556 ler- oder Franchisevertrag ist für diese Rechtsfolgen unerheblich.3910 Entscheidend ist allein die Aufbauleistung des Vertriebsmittlers in Hinblick auf den Kundenstamm, in welchem Rechtskleid auch immer. Bei gleicher Verpflichtung zum Vertrieb dem HV einen Ausgleich zu gewähren, den mit höherem Risiko – weil mit eigenem Kapitaleinsatz – arbeitenden Vertragshändler, Franchisenehmer oder Markenlizenznehmer mit Vertriebspflicht jedoch nicht, bedürfte einer sehr eingehenden Erklärung.

3901 AA BGH, Urt. v. 13.6.2007 – VIII ZR 352/04, NJW-RR 2007, 1327 = MDR 2007, 1084 = EWiR 2007, 661 (Emde). 3902 Typisch Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer10 Anh. § 310 Rn 968. 3903 Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (64); Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (145). Kritisch auch Thume IHR 2013, 173 (174), der das Leitbild eines „durchschnittlichen“ (besser wohl „gesetzesgemäßen“) HV-Vertrages anwenden will. 3904 Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (145). 3905 Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (64). 3906 Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (64). 3907 Fröhlich ZVertriebsR 2015, 280 (282). 3908 Fröhlich ZVertriebsR 2015, 280 (282). 3909 Eingehend Emde WRP 2006, 449 ff.; ebenso Wagner/Wexler-Uhlich BB 2011, 519 (520). 3910 BGH, Urt. v. 23.9.1975, BB 1976, 6 (7); Giesler/Vogels2 § 3 Rn 8. 341

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Die Vertriebs- oder Absatzförderungspflicht bildet damit das bedeutendste – aber nicht das einzige – Analogiekriterium.3911 Weisungsgebundenheit oder Interessenwahrungspflicht als Analogietatbestände treten hinter ihr als Indikator zurück.3912 Die letztgenannten Pflichten sind vielen Rechtsverhältnissen immanent, als Treupflicht etwa Geschäftsbesorgungs- (§§ 675, 665 BGB) und Dienstverträgen. Sie bestehen z. B. auch zwischen GmbH-Geschäftsführer und Gesellschaftern. Beide Pflichten sind – anders als die ständige Vermittlungspflicht – also nicht HVtypisch. Dies gilt insb. für die in den §§ 84 ff. nicht einmal normierte Weisungsfolgepflicht. Eine hier nicht gefasste Pflicht ist als vorrangiger Indikator einer Gesetzesanalogie ungeeignet.3913 Die Weisungsfolgepflicht wird zwar oft geregelt und ergibt sich bei Existenz vertriebsrechtlicher Vertragsteile als Rechtsfolge konkludent aus dem Vertrag. Sie wird teils aus § 86 Abs. 1 (Interessenwahrungspflicht) entnommen,3914 richtigerweise aber wohl aus §§ 675, 665 BGB.3915 Diese Herleitung aus allgemeinem Zivilrecht zeigt, dass auch die Weisungsgebundenheit nicht nur den Typus des HV prägt und nicht aus sich heraus analogiebegründend wirken kann. Die Interessenwahrungspflicht ergibt sich als Rechtsfolge aus dem durch die ausdrückliche oder stillschweigende Vertriebspflicht indizierten vertriebsrechtlichen Kern des Vertrages und ist selbst ohne dahingehende, ausdrückliche Abrede wegen der Verpflichtung des Mittlers zur Loyalität gegenüber dem Prinzipal stillschweigend vereinbart. Die Vertriebspflicht hingegen grenzt den HV vom nicht ausgleichsberechtigten, jedoch ebenfalls einer Interessenwahrungspflicht unterliegenden3916 Handelsmakler nach §§ 93 ff. ab.3917 Sie ist HV-typisch, weil leitbildprägend, und das auch im Bereich des Vertriebs durch HV-ähnliche Mittler.3918 Allerdings lässt sich die Existenz der Vertriebspflicht häufig nur aus Indizien herleiten und hier gewinnt die vertragliche Vereinbarung HV-typischer Rechtspflichten und Rechtsfolgen, etwa eines vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbots, das eigentlich Rechtsfolge und nicht Rechtsgrund der Statusfrage ist, Bedeutung.3919 Eine Vielzahl vertraglich vereinbarter Pflichten, die den Mittler dem Leitbild des HV nähern, deuten daher auf eine HV-gleiche Einbindung hin. 558 Verträge, die eine Vertriebspflicht enthalten, substituieren einen Eigenvertrieb des Unternehmers durch HV, Vertragshändler oder andere ausgleichsberechtigte Vertriebsmittler. Ein zwingendes Analogiekriterium ist diese Substitution nicht, nur ein weiterer Indikator. Dass um den vertriebsrechtlichen Kern des Vertrages – insb. die Vertriebspflicht – herum nicht dem Vertriebsrecht zugehörige Klauseln, etwa markenrechtliche Regelungen oder eine Produktionspflicht gelegt werden, ist kein analogieausschließender Umstand, ebenso wenig, wie es weitere um den Vertriebsrechtskern gruppierte Regelungen sind, etwa kaufrechtliche Bestimmungen (zumal die Kaufverträge meist unter dem Rahmenvertrag geschlossene, separate Einzelverträge bilden)3920 bzw. die Pflicht zur Zahlung von Lizenz- oder Franchisegebühren.3921 Sie könnten wirtschaftlich besehen auch in einem geringeren Vertragshändlerrabatt enthalten 557

3911 BGH, Urt. v. 31.1.1991 – I ZR 142/89, BB 1991, 1210; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 19; Emde WRP 2003, 468 ff.; Emde WRP 2006, 449 ff.; Emde EWiR 2007, 661 (662); Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167.

3912 AA Ostendorf MDR 2008, 1377 ff. 3913 AA Ostendorf MDR 2008, 1377 (1378). 3914 Küstner/Thume/Schürr I4 Kap. III Rn 149; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume3 § 86 Rn 25; Oetker/Busche § 86 Rn 16. 3915 Begr. RegE, BT-Drucks. I/3856, S 15; OLG München NJW-RR 2003, 401 (402); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 42; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 13; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31; kritisch hierzu Ostendorf MDR 2008, 1377 (1378). 3916 Hopt § 93 Rn 24. 3917 Schürr in: Küstner/Thume I4 Kap. I Rn 118; Karsten Schmidt Handelsrecht5 § 27 I 2d; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene Vor § 84 Rn 7; Emde DB 2003, 981 (982). 3918 Niebling WRP 2010, 631 zum Kfz-Vertragshändler. 3919 Emde EWiR 2007, 661 (662). 3920 Wagner/Wexler-Uhlich BB 2011, 519 (520). 3921 Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 250. Emde

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sein.3922 Wie wenig bedeutsam solche Nebenabreden sind, zeigt schon das heutige Erscheinungsbild der anerkannt ausgleichspflichtigen, samt Anlagen oft mit dreistelliger Seitenzahl und zahlreichen vertriebsuntypischen Abreden versehenen Tankstellen- und Kfz-Handelsvertreterverträge (Mercedes-Benz), Kfz-Vertragshändlerverträge3923 oder Franchiseverträge. Gerade die letztgenannten Verträge beinhalten umfassende Regeln zur Nutzung der Marke des Unternehmers sowie zum Systemauftritt und ein ausgleichspflichtiger Produktionsfranchisevertrag neben den vertriebsrechtlichen Klauseln nicht wenige Bestimmungen zu Produktion und Produktionsverfahren. In Vertragshändlerverträgen schließen sich den vertriebsrechtlichen Regelungen solche zu den Kaufverträgen zwischen den Vertragspartnern an.3924 An der Analogie ändert sich durch diese Zusatzregelungen nichts: Sie ergänzen den zur Analogie führenden Vertriebskern, schließen die Charakterisierung als Vertriebsvertrag jedoch nicht aus. Dass z. B. ein Produktionsfranchise- oder Markenlizenzvertrag neben dem Vertrieb die Produktion des Unternehmers ersetzt, berührt die Anwendung der §§ 84 ff. auf die vertriebsrechtlichen Regelungen des Gesamtvertrages nicht. Einem Mischvertrag ist immanent, dass verschiedene Teile des Vertrags unterschiedlichem Regime unterstehen können. Die Übertragung von Know-How, wie sie beim Franchisevertrag geschieht, ist gleichfalls keine Analogievoraussetzung. Sie ist nicht HV-typisch. Eine angeblich gegebene „pachtvertragliche Komponente“3925 etwa von Markenlizenzver- 559 trägen oder Vertragshändlerverträgen3926 kann die Analogie nicht beiseite setzen. Vielleicht zeigt dies außer der Diskussion um die pachtvertragliche Einordnung des ausgleichspflichtigen Franchisevertrages bereits der Vergleich zum Tankstellen-HV,3927 bei dem die Analogie befürwortet wird und der oft als Tankstellenpächter bezeichnet wird. Das Pachtrecht enthält zwar kein Ausgleichsrecht – weshalb ein reiner Pachtvertrag nicht ausgleichspflichtig wäre. Andererseits regelt es aber auch keinen Ausschluss der Ausgleichsberechtigung. Die pachtrechtliche Komponente vervollständigt den vertriebsrechtlichen Kern des Vertrages. Bei dem dann gegebenen Mischvertrag bliebe nach wie vor eine Regelungslücke bestehen: Ein Pächter unterliegt keiner Vertriebspflicht und muss deshalb keine Kunden werben. Die seine Vertriebspflicht erfüllende Aufbauarbeit am Kundenstamm wird durch das Pachtrecht nicht honoriert, weshalb sich ohne Analogie zum Vertriebsrecht möglicherweise eine Vergütungspflicht aus § 354 HGB oder § 812 BGB3928 ergäbe. Auch in Franchiseverträgen wird nach einer Meinungsgruppe auf die lizenzvertraglichen Vertragsteile Pachtrecht angewandt.3929 Gleichwohl besteht dort eine Ausgleichsberechtigung.

3922 Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 250. 3923 Vgl. zum extensiven Inhalt solcher Verträge beispielhaft BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15; v. 13.7.2004 – KZR 10/03, GRUR 2005, 62 = EWiR 2004, 1177 (Herbertz). 3924 Emde DB 2003, 981 (983). 3925 Martinek/Wimmer-Leonhardt WRP 2006, 204 (207, 219); Canaris § 18 Rn 17. 3926 OLG Braunschweig, Hinweisbeschl. v. 6.3.2009 – 2 U 29/06, ZIP 2009, 1336: Es handelt sich nur um eines vieler Elemente des Vertrages. 3927 BGH NJW 1985, 862; NJW 1998, 66; 1998, 71; NJW-RR 2002, 1548; Urt. v. 8.11.2005 – KZR 18/04, BB 2006, 180; OLG Köln OLGR 2003, 170; VersR 2001, 1234; Westphal OLGR-Kommentar 12/2002, K 35; Schürr in: Küstner/Thume I4 Kap. I Rn 161; Semmler Die Rechtsstellung des Tankstellenhalters zwischen Handelsvertreter und Vertragshändler, Baden-Baden 1995; Heyer Rechtsfragen an Tankstelle und Garage, Würzburg 1964; Rehbinder Der Tankstellenvertrag im Blickfeld der Rechtstatsachenforschung, Berlin 1971; aA English Court of Appeal; Entsch. v. 23.7.1999, ZEuP 2002, 823 m. Anm. Westphal. 3928 S. BGH, Urt. v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, ZflR 2006, 92 = NZM 2006, 15 = EWiR 2006, 101 (Eckert). 3929 Plassmeier in: Heide/Pauly/Amend, Anwaltsformulare, Franchiserecht, Rn 24, S. 876. 343

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IV. Beispiele 560 Diese Analogiekriterien können etwa bei folgenden Typen von Vertriebsmittlern erfüllt sein: – Vertragshändlern,3930 insbesondere Kfz-Vertragshändlern3931 – Franchisenehmern3932 – Kommissionsagenten3933 – Markenlizenznehmern3934 – Service-Providern, die Netzkapazitäten von Netzbetreibern im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreiben.3935

V. Typenkombinationsverträge 561 Mischverträge zwischen verschiedenen Arten von Vertriebsverträgen sind häufig. Sie sind z. B. teils HV-, teils Eigenhändlerverträge, insb. Vertragshändlerverträge. Es wird diskutiert, wie diese Typenkombinationsverträge einzuordnen sind. Nach der so genannten Absorptionstheorie soll das gesamte Rechtsverhältnis der Ordnung eines bestimmten Typs unterworfen sein.3936 Die Kombinations- oder Kumulationstheorie wendet hingegen die gesetzlichen Bestimmungen der im Typenkombinationsvertrag vertretenen Vertragstypen auf nur den jeweils einem Typus zuzuordnenden Teil des Regelwerks an.3937 Richtigerweise ist im Grundsatz die Kumulationstheorie. Auf eventuelle gemeinsame Bestimmungen, deren Zuordnung zu einzelnen Vertragstypen unmöglich ist (was bei vor der Klammer gezogenen Bestimmungen schwerlich denkbar ist, weil sie jeweils beiden Verträgen zugeordnet werden können), werden die Rechtsvorschriften angewandt, die zum Schwerpunkt des Vertrages passen. In der Praxis dürfte es kaum Schwierigkeiten geben, weil auf alle Vertragstypen letztlich HV-Recht angewandt wird, notfalls analog.

3930 BGH NJW 1983, 2877 (2878); BB 1993, 2399; NJW 1996, 2159 (2160); OLG Köln ZIP 2002, 420 (426); Ebenroth/ Löwisch3 § 89b Rn 214; Hopt § 84 Rn 11 ff.; krit. Kirsch NJW 1999, 2779 (Kommentar zu Kirsch bei Emde VersR 2001, 148 [163]). 3931 BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623 (630); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/ 18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume Rn 65. Besonders plastisch: OLG Köln, Urt. v. 15.11.2002 – 19 U 94/02, VersR 2003, 105. 3932 Siehe BGH NJW-RR 1997, 170 (175); OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, DB 2002, 2433; LG Hanau, Urt. v. 28.5.2002 – 6 O 106/01, n. v.; Martinek Franchising, S. 353, 366 ff.; Niebling Vertragshändlerrecht, 1999, Rn 205 ff.; Giesler ZIP 2000, 2098 ff.; Giesler WM 2001, 1441 ff.; Haager NJW 2002, 1463 (1471); Martinek ZIP 1988, 1362 (1378); offen gelassen von OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.5.2013 – I-16 U 36/12, BeckRS 2014, 18249 (dort wg. fehlender Erfüllung der Analogievoraussetzungen verneint). 3933 BGH, Urt. v. 21.6.2016 – I ZR 229/15, NJW 2017, 475 m. Anm. Wauschkuhn; v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056 (1059) = BB 2003, 1463 = ZIP 2003, 1707 (1712) = EWiR 2004, 115 (Emde) – nach den Verhältnissen des dortigen Falles; OLG München, Urt. v. 20.12.2017 – 7 U 260/17, IHR 2018, 123; OLG Oldenburg, Urt. v. 27.10.2015 – 13 U 40/15, IHR 2016, 215 = ZVertriebsR 2016, 182; Franke/Rohrßen IHR 2017, 60 (außer für Einkaufskommissionäre); Canaris § 16 Rn 13; Karsten Schmidt § 28 III 1 b aa; Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (27); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 89b Rn 451; wohl auch BGH, Urt. v. 1.6.1964 – VII ZR 235/62, BB 1964, 823 wonach eine Analogie wohl eher als beim Eigenhändler bejaht werden kann. 3934 Emde WRP 2003, 468; Emde WRP 2006, 449; Prasse MDR 2008, 122 (127); aA BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 3/ 09, DB 2010, 2331 m. Anm. Metzlaff ZVertriebsR 2012, 54; OLG Hamburg, Urt. v. 27.11.2008 – 3 U 146/06 m. Anm. Imhof GWR 2009, 286654; Martinek/Wimmer-Leonhardt WRP 2006, 204 ff. 3935 Pollklesener DB 2003, 927. 3936 BAG, Urt. v. 6.2.1969, AP Nr. 11 zu § 611 BGB; Giesler/Giesler2 § 1 Rn 31. 3937 OLG Hamburg, Urt. v. 12.8.1976, VersR 1977, 567; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.9.1994, WiB 1996, 640 (641) – Pronuptia III. Emde

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VI. Vertragshändler Schrifttum v. Brunn Die Händlerverträge in der Kraftfahrzeugwirtschaft (1949); ders. Ausgleichsansprüche beim Eigenhändlervertrag, DB 1961, 419; ders. Zum Recht des Eigenhändlers, Festschrift 150 Jahre Carl Heymanns Verlag (1965) 327; Buchwald Vertragshändler – Handelsvertreter? Zur Auswirkung des § 89b HGB, GmbHR 1957, 102; Evans-v. Krbek Die analoge Anwendung des Handelsvertreterrechts auf den Vertragshändler, 1976; Finger Die Stellung des Vertragshändlers bei Beendigung des Vertrages, DB (1970) 141; Glaser Steht dem Generalvertreter ein Ausgleichsanspruch zu? DB (1957) 1173; Habersack/Ulmer Rechtsfragen des Kraftfahrzeugvertriebs durch Vertragshändler, (1998); Kreifels/Lang Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers, NJW 1970, 1769; Martiny Zustandekommen von Gerichtsstandsvereinbarungen und stillschweigende Rechtswahl bei Vertragshändlerverträgen, AWD (1972) 165; Mücke Ist § 89b HGB auf Vertragshändler anwendbar? MDR 1956, 641; Nies Kann einem Eigenhändler der Ausgleichsanspruch des § 89b HGB zustehen? MDR 1961, 556; Hans-Carl Nipperdey Handelsvertreter und Eigen-(Vertrags-)händler. Der Ausgleichsanspruch des § 89b HGB, Festschrift Hedemann (1958) 207; Ostendorf Grenzen der analogen Anwendung von § 89b HGB auf Händler außerhalb des Kfz-Vertriebs, MDR 2008, 1377; Renz Das Rechtsverhältnis zwischen dem Vertragshändler und seinem Lieferanten, Diss. Heidelberg (1966); Sandrock Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers: der Bundesgerichtshof auf den Spuren von Odysseus, Festschrift Rob. Fischer (1979) 657; Karsten Schmidt Kundenstammüberlassung und „Sogwirkung der Marke“: taugliche Kriterien für den Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers? DB 1979, 2357; Schröder Steht ein Ausgleichsanspruch auch einem Eigenhändler (Vertragshändler) zu? BB 1958, 252; ders. Zum Ausgleichsanspruch des Eigenhändlers (Vertragshändlers), BB (1961) 809; ders. Zum Ausgleichsanspruch des Eigenhändlers, DB (1966) 449; Schuler Ausgleichsanspruch des Eigenhändlers? NJW 1959 649; ders. Zum Ausgleichsanspruch des Eigenhändlers und des Handelsvertreters, NJW 1961 758; Steffens Der Alleinverkaufsvertrag, Diss. Hamburg (1960); Stumpf/Zimmermann Zu den Voraussetzungen des Anspruchs des Vertragshändlers auf Zahlung eines Ausgleichs, BB (1978) 429; Sturm Der Eigenhändler im Außenprivatrecht, Festschrift Wahl (1973) 207 ff; Ulmer Der Vertragshändler, 1969 (dazu Rittner ZHR 135 [1971], 62).

1. Übereinstimmungen und Unterschiede in der Funktion Der unselbständige (angestellte) Reisende und der selbständige HV sind, abgesehen vom Auf- 562 bau eines Filialnetzes, nicht die einzigen Vertriebsformen, welche ein Unternehmer wählen mag. Er kann sich auch des Absatzes durch selbständige Mittler bedienen, die auf eigene Rechnung arbeiten, gleichwohl aber in seinen Vertriebsorganismus fest eingegliedert sind. Diese Erscheinung findet sich oft bei Markenartikeln (Kfz, Möbeln, Büromaschinen, Elektrogeräten, aber auch in der Getränkeindustrie – Vertrieb durch Abfüllunternehmer). Die Belieferung des Marktes erfolgt dann oft unter regionaler Aufteilung durch Händler, die jeweils, oft mit Alleinvertriebsrecht, einen bestimmten Bezirk zugewiesen erhalten. Grund des Vertriebes durch Vertragshändler ist u. a., dass sie den Herstellern Vertriebskosten in Höhe von 15 % der unverbindlichen Preisempfehlung ersparen.3938 Der Vertragshändler ist zunächst einmal Eigenhändler.3939 Eigenhändler ist der selbständi- 563 ge Kaufmann, der im eigenen Namen und für eigene Rechnung kauft sowie verkauft und weder rechtlich noch wirtschaftlich für einen anderen Unternehmer tätig ist.3940 Der Eigenhändler wird zum Vertragshändler, wenn die oben, Rn 544 ff., genannten Analogiekriterien erfüllt sind und er mit einem Unternehmer einen als Dauer- oder Rahmenvertrag3941 eingeordneten, also auf gewisse Dauer geschlossenen,3942 Rahmen- oder Bezugsvertrag mit ständiger, HV-ähnlicher Bindung schließt, durch den er in dessen Vertriebs- und Absatzorganisation eingegliedert 3938 Creutzig BB 2002, 2133. 3939 In der früheren Rspr. häufig synonym für den Vertragshändler gebraucht, s. BGH, Urt. v. 11.12.1958 – II ZR 73/57, BGHZ 29, 83 (87); v. 16.2.1961 – VII ZR 239/59, BGHZ 34, 282 (285); vgl. Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (6).

3940 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 139. 3941 Habersack/Ulmer S. 23; Canaris § 17 Rn 10 f. 3942 LG Braunschweig Urt. v. 11.4.2019 – 22 O 2195/17. 345

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wird,3943 mit der Verpflichtung, den Vertrieb der Ware oder der Produkte des Unternehmers in eigenem Namen und auf eigene Rechnung zu fördern (Vertriebspflicht)3944 (zur Rechtsnatur des Vertrages unten). Der EuGH3945 stellt für seine Definition eines „Vertragshändlervertrages“, da er den Begriff der „Dienstleistung“ des Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO ausfüllen musste, sehr auf die Rechte des Händlers ab, wenn er betont, der Vertrag bestehe in einem von zwei Wirtschaftsteilnehmern für die Zukunft geschlossenen Rahmenvertrag, der Liefer- und Bezugsverpflichtungen zum Gegenstand habe und spezifische Vertragsklauseln über den Vertrieb der vom Lizenzgeber verkauften Waren durch den Vertragshändler enthalte. Der Vertragshändler wirke durch die Gewährleistung des Vertriebs der Erzeugnisse an der Förderung ihrer Verbreitung mit. Dank der ihm nach dem Vertriebsvertrag zustehenden Beschaffungsgarantie und ggf. dank seiner Beteiligung an der Geschäftsstrategie des Unternehmers, insb. an Aktionen zur Absatzförderung, sei der Vertragshändler in der Lage, den Kunden Dienstleistungen und Vorteile zu bieten, die ein einfacher Wiederverkäufer nicht bieten könne, und somit für die Erzeugnisse des Unternehmers einen größeren Anteil am lokalen Markt zu erobern. Die Auswahl der Händler durch den Unternehmer verschaffe dem Vertragshändler einen Wettbewerbsvorteil, weil er als Einziger das Recht habe, die Erzeugnisse in einem bestimmten Gebiet zu verkaufen, oder zumindest, weil dieses Recht nur einer beschränkten Zahl von Händlern zustehe. Außerdem sehe der Vertriebsvertrag oft vor, dass dem Vertragshändler Hilfe in Form von Zugang zu Werbematerial, Vermittlung von Know-how durch Fortbildungsmaßnahmen oder auch Zahlungserleichterungen gewährt werde. Die Summe dieser Vorteile stelle einen wirtschaftlichen Wert dar. Nach Art. IV.E5:101 Draft Common Frame of Ref. ist der distribution contract ein Vertrag „under which one party, the supplier, agrees to supply the other party, the distributor, with products on a continuing basis and the distributor agrees to purchase them, or to take and pay for them, and to supply them to others in the distributor’s name and on the distributor’s behalf“. 564 Meist beziehen Vertragshändler die Ware käuflich vom Hersteller, um sie im Wege des Weiterverkaufs abzusetzen. Gerade zum bloßen Eigen- oder Großhändler besteht der Unterschied in dem (auch) geschäftsbesorgenden Charakter des Vertrages mit Vertriebspflicht zugunsten des Unternehmers.3946 Beschränken sich die Bindungen hingegen auf eine bloße Verkäufer-Käufer-Beziehung, liegt kein Vertragshändlervertrag vor.3947 Die Bezeichnung des Vertrags als Vertragshändlervertrag oder etwa als Konzessionärs565 oder Großhändlervertrag ist für die rechtliche Einordnung nicht anders als beim HV-Vertrag irrelevant. Zwar können dem Händler nach der Abschaffung der Preisbindung zweiter Hand für Markenartikel durch die Kartellnovelle 1973 nicht mehr rechtsgültig bestimmte Preise und Konditionen beim Weiterverkauf auferlegt werden.3948 Wohl aber sind „Empfehlungen“ zulässig. Daneben bleibt ein breiter Bereich zulässiger Weisungsgebundenheit. Der Händler kann verpflichtet werden, auf Anfordern Vertriebsschwerpunkte zu bilden, an Vertriebskonferenzen teilzunehmen, Einsicht in seine Bücher und Bilanzen zwecks Vergewisserung über seine Leistungsfähigkeit zu gestatten (zur Unwirksamkeit in AGB Rn 42 „Einsichtsrechte“). Berichtspflichten mehr oder weniger großen Umfangs pflegen das Bild der Integration in das Vertriebsnetz zu runden. Das Vertriebsnetz kann auch mehrstufig organisiert sein – weshalb im Folgenden dem

3943 LG Braunschweig Urt. v. 11.4.2019 – 22 O 2195/17. 3944 OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166 Rn 40; LG Braunschweig Urt. v. 11.4.2019 – 22 O 2195/17; Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 (21) unter Hinweis auf die Definition der Finanzverwaltung. 3945 EuGH, Urt. v. 19.12.2013 – C-9/12, ZVertriebsR 2014, 118 = EuZW 2014, 181 Rn 36 ff. 3946 Canaris § 17 Rn 5. 3947 Vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1958 – II ZR 73/57, BGHZ 29, 83 (87) = NJW 1959, 14; v. 16.2.1961 – VII ZR 239/59, BGHZ 34, 282 (286) = NJW 1961, 662; v. 14.4.1983 – I ZR 20/81, NJW 1983, 2877; OLG Köln NJW-RR 1995, 29; Canaris § 17 Rn 1 ff.; Westphal II Rn 5; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 89b Rn 8; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89b Rn 20; Alff Rn 328. 3948 KG NJW 1981, 2823. Emde

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„Hersteller“ der „Lieferant“ an die Seite gestellt wird –, etwa in der Automobilbranche. Es gibt auch Vertriebsmittler, die teils als HV, teils als Vertragshändler für denselben Hersteller tätig sind.3949 Die Integration oder Eingliederung in das Vertriebsnetz des Herstellers bei Existenz ei- 566 ner Vertriebspflicht, ist das, was dem Vertragshändler und dem HV gemeinsam ist. Beide haben die Pflicht, den Absatz der Erzeugnisse ihres Unternehmers (Herstellers) zu fördern. Konkurrenzware dürfen sie nicht führen. Von den Dispositionen des Unternehmers (Herstellers) sind sie, obwohl selbständige Kaufleute, wirtschaftlich, von seinen (zulässigen) Weisungen – auch hier besteht ein Weisungsrecht3950 – rechtlich abhängig. Zulässig sind in erster Linie Weisungen zur Vertriebspolitik und weniger zur Unternehmensorganisation des Vertragshändlers und zu den Verkaufsvorgängen des Händlers.3951 Es gelten insoweit die in der Kommentierung zu § 86 zum Weisungsrecht des HV dargelegten Grenzen. Auch die rechtliche Struktur ihres Tätigkeitsfundaments ist die gleiche: den Rahmen ihrer Arbeit gibt ein mit dem Unternehmen (Hersteller) geschlossener Rahmenvertrag; in Ausführung desselben haben die einzelnen Vertriebsakte sich zu vollziehen. Diese Integration bringt Vertragshändler- oft in die Nähe zu Franchiseverträgen.3952 Dennoch gibt es erhebliche Unterschiede. Der Vertragshändler „reist“ meist nicht, sondern 567 ist eher ortsfest, wobei auch dies kein festes Abgrenzungsmerkmal ist, da es stationäre HV (etwa: Tankstellen-HV und Mercedes-Benz-HV) gibt, aber auch reisende HV-ähnliche Vertriebsmittler („Eismänner“). Die Dienste des HV sind auch oft weniger kapitalintensiv. Der HV vermittelt oder schließt Geschäfte für seinen Unternehmer, der sie ausführt. Für die danach ausgeführten, auf seine erfolgreiche Vermittlung zurückzuführenden Geschäfte wird er vom Unternehmer entlohnt in Gestalt von Provisionen, berechnet nach einem meist festen Prozentsatz vom Abschluss. Andere Risiken als die, dass der Unternehmer das vermittelte Geschäft nicht abschließt, ein Geschäft aus vom Unternehmer nicht zu vertretenden Gründen nicht zur Durchführung gelangt oder der Kunde nicht zahlt (§ 87a Abs. 2, 3) und der HV dadurch seine Provision verliert, trägt er normalerweise nicht. Dies ist Grund dafür, dass die EU-Kommission in den Leitlinien zur GVO 330/10 (s. o.) HV und Eigenhändler durch das übernommene finanzielle Risiko abgrenzt. Das Provisionsrisiko des HV liegt zwar außerhalb seiner Einwirkungsmöglichkeit. Er kann sich aber dadurch schützen, dass er sein Risiko verteilt, indem er mehrere Vertretungen für verschiedene Unternehmer in nicht konkurrierenden Waren übernimmt und dadurch Sortiment und Tätigkeitsfeld auf breitere Basis stellt. Die Risiken des Vertragshändlers sind wesensbedingt andere. Der Vertragshändler arbeitet 568 auf eigene Rechnung. Er kauft und verkauft, muss Werbung im eigenen Namen betreiben, unterliegt Mangelgewährleistungsrecht und muss ggf. Service anbieten. Für alles benötigt er eigenes Kapital. Das Risiko des Vertragshändlers erfährt nicht nur gegenüber dem eines HV sondern auch gegenüber dem eines ungebundenen Händlers eine Verschärfung, da der Vertragshändler wegen der eingeschränkten Sortimentsfunktion nur mit Einschränkungen einen Risikoausgleich zwischen den Artikeln anstreben kann3953 und sich dem Schicksal der Produkte „seines“ Unternehmers unterordnen muss. Ferner darf sich der Vertragshändler aufgrund der Vertriebs- und Absatzförderungspflicht3954 nicht frei entscheiden, ob er von Fall zu Fall tätig werden will. Vielmehr hat er sich analog § 84 ständig um den Absatz der Herstellerprodukte zu bemühen.3955 Er trägt die Risiken der Umschlagsaufgaben des Handels, etwa der Vorausdisposition, der Transportgefahr, der Lagerhaltung und einer etwaigen Kreditierung des Verkaufspreises an den Abnehmer, wäh3949 3950 3951 3952

BGH DB 1974, 233. Ulmer S. 417; Canaris § 17 Rn 44. Canaris § 17 Rn 44. Nach Ansicht von Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 sind viele als Vertragshändlerverträge titulierte Rechtsverhältnisse bereits Franchiseverträge. 3953 Westphal II Rn 7. 3954 Sie steht im Vordergrund, s. Niebling WRP 2010, 631. 3955 Westphal II Rn 18; Reithmann/Martiny/Häuslschmid7 Rn 2255. 347

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rend sich der HV auf die Markterschließungs-, Marktbeobachtungs- sowie die Kundenberatungsfunktion konzentrieren kann.3956 Wenngleich auch der Vertragshändler bei der Absatzförderung Dienste persönlicher Art einzusetzen hat, so doch zu einem mindestens gleichgewichtigen Teil im Interesse seines eigenen unternehmerischen Kapitalwagnisses. Wird der Vertragshändlervertrag beendet, so sind die Folgen für den Vertragshändler oft einschneidender als für den HV: Er kann sein Kapital aus seinem Betrieb, dessen Warenbestand er nun nicht mehr vertreiben darf und dessen Kundendienstabteilung mit meist nicht unerheblich hohen Investitionen nutzlos geworden ist, nur unter Verlust herausziehen. Auch die Kunden gehen ihm verloren. Gerade als Letztverbraucher bleiben sie zu einem erheblichen Teil der „Marke“ treu; ihr Stamm kommt also dem Nachfolger zugute, wofür trotz des automatischen Übergangs des Kundenstammes („Sogwirkung der Marke“) nach h. M. kein Ausgleich zu zahlen ist, sofern dem Unternehmer die Kunden des HV-ähnlichen Vertriebsmittlers nicht ausdrücklich namhaft gemacht wurden. Deshalb ist die Zahl bekannter Händlerinsolvenzen erheblich, insb. im kapitalintensiven Kfz-Vertragshändlerbereich. Insolvenzen von HV, außer Verbraucherinsolvenzverfahren, sind hingegen eher selten. Zu weit dürfte die für den Kfz-Vertrieb gestellte Analyse gehen, die ehemals mittelständischen Händler seien zu Filialen des Herstellers mutiert.3957 Unter dem Druck eines „freien Kündigungsrechts“ seien den Händlern kaufmännisch unvertretbare Investitionen in DM-Milliardenhöhe (1999: 3 Mrd.) abverlangt worden.3958 Es sei nicht nachvollzogen worden, was andernorts gelte: Ausübung von Macht sei mit Haftung verbunden. Es stelle sich die Frage nach der Anwendung des Konzernrechts mit Verlustausgleichspflicht (§§ 302 f. AktG).3959

2. Abgrenzung vom Fachhändler 569 Ob es zwischen dem Vertragshändler und dem als Großhändler tätigen Eigenhändler noch die Gruppe der Fachhändler gibt, ist Gegenstand der Diskussion und wird vertreten.3960 Der Fachhändler kann sich vom Vertragshändler durch die fehlende Vertriebspflicht und die geringere Integration in das Vertriebssystem des Unternehmers unterscheiden. Zwingend ist dies nicht, da der umgangssprachliche Begriff des Fachhändlers weniger auf die vertriebsrechtliche Einbindung als die gegenüber dem Kunden hervortretende fachliche Spezialisierung zielt.3961 Auch der Vertragshändler vertreibt die Produkte auf eigene Rechnung mit eigenem Namen und kann für verschiedene Hersteller tätig werden,3962 ist jedoch in das Vertriebssystem des Herstellers oft enger eingebunden, weil er regelmäßig der qualitativen,3963 ggf. auch der quantitativen Selektion unterliegt und den Endverbrauchern gegenüber zur Beratung hinsichtlich des Produktes – spiegelbildlich gegenüber dem Hersteller zur Teilnahme an Schulungen etc. – verpflichtet ist. Eine eventuell bestehende Absatzförderungspflicht des Fachhändlers soll nur Nebenpflicht,3964 seine Weisungsfolgepflicht weniger ausgeprägt sein.3965 Nicht anders als beim Vertragshändler müssen die Verkaufsräume des Fachhändlers bestimmten im Fachhändlervertrag vereinbarten Voraussetzungen entsprechen. Auf Grund dieser Einbindung kann, wollte man dem Begriff des Fachhändlers rechtliches Eigenleben zubilligen, die Geltung der §§ 85, 86 3956 3957 3958 3959 3960

Westphal II Rn 37. Ensthaler BB 2002, 313 (314); ders. BB 25/2002, „Die erste Seite“. Ensthaler BB 2002, 313 (314); ders. BB 25/2002, „Die erste Seite“. Ensthaler/Gesmann-Nuissl/Stopper DB 2003, 257 (258). Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (5); Giesler/Giesler2 § 1 Rn 35 ff.; Martinek/Flohr/Pohl3 § 30 Rn 6, 10; Ebenroth/ Löwisch3 § 84 Rn 157; zum Fachhändler näher Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (25 f.). 3961 Die fachliche Spezialisierung sieht auch Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (25), die jedoch den „spezifischen Grad vertikaler Vorwärtsintegration“ des Fachhändlers betont. 3962 Giesler/Giesler2 § 1 Rn 36; Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (25). 3963 Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (25). 3964 Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (25). 3965 Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (26). Emde

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Abs. 13966 und 3, 86a Abs. 2, 89, 89a und 90a diskutiert werden.3967 § 89b ist hingegen ohne HVgleiche Einbindung unanwendbar, zum einen mangels Erfüllung des ersten Analogiekriteriums (insb. fehlende Vertriebspflicht), zum anderen, weil die Namen der Abkäufer dem Unternehmer nicht mitgeteilt zu werden pflegen (Fehlen des zweiten Analogiekriteriums).

3. Vertragsschluss Der Vertragshändlervertrag ist als Typus gesetzlich nicht geregelt. Er unterliegt keiner Form3968 570 und kann auch durch schlüssiges Verhalten abgeschlossen werden.3969 Der Vertrag unterfällt wie der Franchisevertrag einem zwingenden Schriftformerfordernis nach §§ 510 Abs. 1, 512, 355 BGB, wenn er die regelmäßige Lieferung von Waren der gleichen Art oder die Verpflichtung zum wiederkehrenden Erwerb oder Bezug von Sachen zum Gegenstand hat und es sich bei dem Vertragshändler um einen Verbraucher handelt3970 (dazu unten beim Franchisevertrag). Verbraucher ist der Vertragshändler, wenn der Vertragsschluss zur Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit dienen soll.3971 Der Verbraucher ist über sein Widerrufsrecht zu belehren. Bei Unterlassen verlängert sich die Widerrufsfrist auf unbegrenzte Zeit (§ 355 Abs. 3 S. 3 BGB). Ein Verstoß führt zur Unwirksamkeit der kreditähnlichen Elemente des Vertrages, also insbesondere der Bezugsverpflichtung3972 und damit gem. § 139 BGB gegebenenfalls zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages.3973 Dem Vertragshändlerverhältnis liegt durchweg ein detaillierter schriftlicher Vertrag, in aller Regel unter Nutzung eines vom Hersteller allgemein verwendeten Vertragsformulars (AGB),3974 zugrunde.

4. Anwendbares Recht und wechselseitige Pflichten Angesichts des Fehlens gesetzlicher Bestimmungen erhebt sich die Frage, an welchen gesetzli- 571 chen Maßstäben der Vertrag zu messen ist bzw. welches dispositive Recht eingreift. Die Einordnung des Vertragshändlervertrages in gesetzliche Kategorien ist umstritten. Die Rechtsbeziehungen des Händlers zum Hersteller – bei mehrstufigem Vertragshändler-Einsatz: zum Lieferanten – wurden früher3975 als solche eigener Art auf der Basis der Interessenverknüpfung angesehen, in welchen Elemente der Geschäftsbesorgung, der Abnahmeverpflichtung (gegenüber dem Hersteller bzw. Lieferanten) und schließlich Bindungen verschiedenen Inhalts und verschiedener Gerichtetheit sich mischen. Der Vertragshändlervertrag ist ein auf Geschäftsbesorgung gerichteter Dienstvertrag i. S. d. §§ 611, 675 BGB.3976 Allerdings muss der Begriff der Geschäftsbesorgung für die Interessen eines anderen3977 präzisiert werden. Das eigene Interesse des Vertragshändlers an der gegebenen Interessenverknüpfung mindert das die Geschäftsbeziehung prägende Gewicht der Inpflichtnahme für den Hersteller/Lieferanten deshalb nicht, weil es 3966 Dafür Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 157; mit guten Gründen gegen die Analogie Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (25), da der Fachhändler eher eigene Interessen verfolgen darf, als der auch in Vertriebsfragen weisungsgebundene HV. Martinek/Flohr/Pohl3 § 30 Rn 77, 80, 82, 98, 103, 107, 122, 136, 131, 132, 143 ff., 158; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 157. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 51. BGH WM 1987, 962; Westphal II Rn 44. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 54; Westphal II Rn 48. BGH NJW 1986, 1988 (1989); Giesler/Vogels2 § 3 Rn 55. BGH BB 1995, 217; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 57; Westphal II Rn 50; aA Martinek/Manderla3 § 22 Rn 58; Stumpf/ Jaletzke/Schultze Rn 130, die Gesamtnichtigkeit des Vertrages annehmen. 3973 BGH BB 1995, 217 (219); Giesler/Vogels2 § 3 Rn 57. 3974 Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer10 Anh. § 310 Rn 938; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 52. 3975 So noch BGH DB 1979, 165. 3976 P. Ulmer S. 264 f.; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer10 Anh. § 310 Rn 937; Evans-v. Krbek S. 94; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 23; Habersack/Ulmer S. 22; Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (26); Graf v. Westphalen DB 1999, 2553. 3977 P. Ulmer S. 266; hier: die Absatzförderungspflicht.

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nicht mehr ist als das Motiv, welches den Vertragshändler dazu bestimmt, die selbständige Vertretung der „Marke“ für das Vertragsgebiet zu übernehmen. Teils wird der Vertragshändlervertrag als ein auf Dauer gerichteter Rahmen- und Geschäftsbesorgungsvertrag eigener Art bezeichnet, durch den sich der Vertragshändler verpflichtet, die Produkte des Unternehmers im eigenen Namen und auf eigene Rechnung auf Grund besonderer Kaufverträge zu beziehen und weiterzuvertreiben, und durch den der Vertragshändler in die Vertriebsorganisation des Unternehmers eingegliedert wird.3978 Das betont Kaufverträge als Inhalt der Geschäftsbesorgung zu sehr. Der Vertragshändlervertrag kann jedoch kaufrechtliche Elemente3979 beinhalten, sofern bereits in ihm die Bedingungen für die später aufgrund des Rahmenvertrags mit dem Unternehmer abzuschließenden Einzelkaufverträge festgelegt werden. Regelmäßig sind die in Ausführung des Vertrages getätigten Geschäfte eigenständig.3980 Beruhen sowohl Ansprüche des Unternehmers wie des Vertragshändlers letztlich auf dem Rahmenvertrag, besteht ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB und mglw. nach § 320 BGB.3981 Nach der Definition der Rspr.,3982 die auch von der Literatur vertreten wird,3983 ist der Vertragshändler ein Kaufmann, dessen Unternehmen in die Vertriebsorganisation eines Herstellers, etwa von Markenwaren, in der Weise eingegliedert ist, dass er durch einen Vertrag mit dem Hersteller oder einem von ihm eingesetzten Zwischenhändler verpflichtet wird, ständig im eigenen Namen und auf eigene Rechnung die Vertragswaren im Vertragsgebiet zu vertreiben und den Absatz zu fördern, die Funktionen und Risiken seiner Handelstätigkeit hieran auszurichten und im Geschäftsverkehr das Herstellerzeichen, sofern vorhanden, neben der eigenen Firma herauszustellen. 572 Entscheidend und für die Folgerungen beim Ausgleichsanspruch grundlegend sind die von P. Ulmer herausgearbeiteten Erkenntnisse hinsichtlich der Entgeltlichkeit des Vertragshändlervertrages. Das Entgelt für die Absatzförderungsförderungspflicht des Vertragshändlers liegt meist nicht oder jedenfalls nicht wesensnotwendig in besonders günstigen Konditionen für den Bezug der Vertragsware.3984 Es liegt in der Eröffnung der günstigen Verdienstchancen beim Weiterverkauf, die der good will der „Marke“ begründet, an dem der Hersteller bzw. Lieferant den Vertragshändler damit teilhaben lässt3985 und den der Händler weiter fördert. Hingegen bildet ein Vertragshändlervertrag abweichend von den zu seiner Durchführung abgeschlossenen Einzelverträgen keinen Kaufvertrag i. S. d. UN-Kaufrechts.3986 ebenso wenig wie Franchiseverträge.3987 Eigenhändlerverträge sind von Kaufverträgen in der Weise abzugrenzen, dass der Vertriebsvertrag i. d. R. noch keine explizit geregelten, konkreten Kauf- und Lieferpflichten enthält. Vielmehr regelt der Rahmenvertrag nur allgemeine Vorgaben, die später durch einzelne 3978 BGHZ 29, 83 (87) = NJW 1959, 144; BGHZ 34, 282 (285) = NJW 1961, 662; BGHZ 54, 338 (341) = NJW 1971, 29; BGHZ 68, 340 (343) = NJW 1977, 896; BGHZ 74, 136 (139) = NJW 1979, 1783; BGH, Urt. v. 9.10.2002 –VIII ZR 95/01, BB 2002, 2520 = NJW-RR 2003, 98 = MDR 2003, 162 = DB 2003, 825 = WM 2003, 842 = EWiR 2003, 587 (v. HoyningenHuene); Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer10 Anh. § 310 Rn 937. 3979 Genzow Rn 5, 23; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 147; Martinek/Manderla3 § 22 Rn 7; aA Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 40; Ebenroth S. 33 („auf Geschäftsbesorgung gerichteter Dienstvertrag“). 3980 Canaris § 17 Rn 11 nimmt einen Vorvertrag an. 3981 OLG München, Teilurt. v. 24.10.2018 – 3 U 1551/17, ZVertriebsR 2018, 394 Rn 17. 3982 BGH, Urt. v. 11.2.1977 – I ZR 185/75, BGHZ 68, 340 (346 ff.); v. 21.10.1970 – VIII ZR 255/68, BGHZ 54, 338 (340 f.). 3983 Ulmer Der Vertragshändler, insb. S. 206; s. a. Karsten Schmidt Handelsrecht5 S. 758; Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (6). 3984 A. a. O. S. 285. 3985 A. a. O. S. 288. 3986 BGH, Urt. v. 4.4.1979, BGHZ 74, 136; v. 26.11.1980, NJW 1981, 1156 zum Haager Kaufrecht; Schlechtriem/ Schwenzer Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht,4 2004, Art. 1 Rn 31; Piltz NJW 2017, 2459 (2460); NJW 2003, 2056 (2058); NJW 2000, 553 (555); ICC Arbitration Case 8908/1989; ICC International Court of Arbitration Bulletin 10, 83, Handelsgericht Zürich IHR 2001, 45; United States District Court for the Eastern District of Pennsylvania IHR 2002, 28; Magnus IHR 2018, 49 (51); aA Corte Suprema di Cassazione, European Law Forum (EuLF) 2001, 11. 3987 Schlechtriem/Schwenzer Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht,4 2004, Art. 1 Rn 32. Emde

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Lieferaufträge ausgefüllt werden müssen.3988 Auch im Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts beurteilen sich etwa die Auswirkungen der Unwirksamkeit oder der Kündigung eines Vertriebsvertrages auf die einzelnen Kaufverträge nach nationalem Recht.3989 Ein Vertriebsvertrag bildet regelmäßig kein Dauerschuldverhältnis in der Form des Sukzessivlieferungsvertrages.3990 Anders ist es, wenn im Rahmenvertrag bereits feste Lieferabsprachen getroffen werden.3991 Da der Vertragshändlervertrag einen Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter 573 bildet, sind, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts Abweichendes ergibt, die oben genannten Regeln des Geschäftsbesorgungsrechts der §§ 675 ff. BGB mit ihren Verweisen auf das Auftragsrecht anwendbar. Insbesondere hat der Unternehmer entgegen Staub/Brüggemann4 durchaus ein Interesse an einer Information nach § 666 BGB. Er kann sich dabei jedoch auch auf §§ 242, 259 ff. BGB stützen. Anwendbar sind auch § 665 BGB3992 sowie die Auslegungsregeln der §§ 672–674 BGB über den Einfluss des Todes des Auftraggebers und des Beauftragten. Hier wird aber immer im Einzelfall zu prüfen sein, ob diese Regeln nicht nach der Art oder Größe des Geschäftes stillschweigend abbedungen sind. Das ist beim Vertragshändler tendenziell eher als beim HV anzunehmen, weil bei ihm häufiger der Kapitaleinsatz und die Geschäftsausstattung und weniger die persönliche Vermittlungsleistung im Vordergrund stehen mag. Unanwendbar sind meist – im Einzelfall mag sich nach der Art der Geschäftsausführung Gegenteiliges ergeben – die §§ 667 BGB (Herausgabepflicht des Beauftragten), 668 BGB (Verzinsung verwendeten Geldes), 669 BGB (Vorschusspflicht) und 670 BGB (Aufwendungsersatz). Anwendbar ist wieder § 665 BGB über das Abweichen von erteilten Weisungen und § 666 BGB hinsichtlich der Pflicht zur Erstattung der erforderlichen Nachrichten. Seinem Regelungstyp nach ist auf den vertriebsrechtlichen Teil eines Vertragshändlervertrages in erster Linie HV-Recht analog anwendbar. Tatsächlich steht das Regelungsregime des HV-Rechts den vertriebsrechtlichen Inhalten eines Vertragshändlervertrages am nächsten.3993 Es ersetzt daher auch bei Unwirksamkeit einzelner Klauseln des Vertragshändlervertrages die unwirksamen Regelungen.3994 Fraglich ist, inwieweit insbesondere die zwingenden Bestandteile des HV-Rechts auch für 574 das Recht des Vertragshändlers als unabdingbar zu gelten haben. Sieht man von den Bestimmungen ab, die für das Vertragshändlerverhältnis seiner Eigenart 575 wegen kaum passen (etwa: §§ 86b (Delkredere),3995 87 Abs. 1,3996 – § 87 Abs. 3 ist anwendbar3997 – 87a3998 und 87c3999 (jedoch kann dem Vertragshändler ein Auskunftsanspruch nach § 666 BGB und § 242 BGB zustehen4000) – Provision4001 und sie betreffende Kontrollrechte4002 –,

3988 3989 3990 3991

Magnus IHR 2018, 49 (51). Piltz NJW 2000, 553 (556). AA Kirsch NJW 2002, 2520 (2522). Magnus IHR 2018, 49 (51); Piltz NJW 2003, 2056 (2058); Helsinki Court of Appeal, Urt. v. 26.10.2000, CISGCase, CISG-online; Canaris § 17 Rn 12. 3992 Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (26). 3993 BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, WRP 2007, 1097 (1100) = RIW 2007, 614 = EWiR 2007, 547 (Emde). 3994 BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, WRP 2007, 1097 (1100) = RIW 2007, 614 = EWiR 2007, 547 (Emde). 3995 Hopt § 84 Rn 11. 3996 Thume IHR 2014, 52; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87 Rn 144. 3997 BGH NJW 1984, 2411; Martinek/van der Moolen3 § 25 Rn 3; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 148; aA Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87 Rn 146 (weil der Händler den Abschluss selbst in der Hand haben soll. Aber häufig entscheidet der Kunde); Hopt § 84 Rn 11. 3998 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87a Rn 94. 3999 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 148; aA Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 20a; Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 333 (für § 87c Abs. 2 und 3). Es kann aber eine analoge Anwendung in Betracht kommen, wenn der Händler provisionsartige Vergütungselemente erhält, s. Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 55; Schlegelberger/Schröder § 87c Rn 1, 20a. 4000 BGH, Urt. v. 2.4.1957 – VIII ZR 60/56, NJW 1957, 1026; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 148. 4001 BGH, Urt. v. 9.2.1984 – I ZR 226/81, NJW 1984, 2411; Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 320, 388 ff.; Hopt § 84 Rn 11. 4002 Hopt § 84 Rn 11. 351

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91, 91a4003 – Abschlüsse in Vollmacht des Unternehmers –, 924004 – Versicherungs- und Bausparkassenvertreter –, 92a,4005 92b4006 – Kleinvertreter und HV im Nebenberuf –), wohl auch § 86a Abs. 14007 (jedenfalls in den meisten Fällen), so ist die grundsätzliche Analogiefähigkeit des HV-Rechts heute wohl eher allgemeine Ansicht. In Betracht gezogen wurde historisch die Annahme einer Rechtsanalogie, welche die allgemeinen Rechtsgedanken des HV-Rechts auf das Vertragshändlerrecht ausgedehnt hätte. Konsequenz wäre gewesen, alle Grundgedanken des HV-Rechts auf das Vertragshändlerrecht anzuwenden. Eine Prüfung hinsichtlich der Analogiefähigkeit einzelner Vorschriften des HV-Rechts wäre überflüssig geworden. Eine solche Rechtsanalogie wurde jedoch mit dem Argument abgelehnt, das HV-Recht enthalte solch analogiefähige allgemeine Rechtsgedanken nicht.4008 Stattdessen wurde eine Gesetzesanalogie zu einzelnen Vorschriften vorgezogen.4009 Dies ist zutreffend: Wie der HV unterliegt der Vertragshändler analog § 84 einer Absatzförderungspflicht, der zufolge er sich nachhaltig für den Absatz der Vertragswaren einzusetzen hat.4010 Die Absatzförderungspflicht, auch als Vertriebspflicht bezeichnet, begründet die Vertragshändlereigenschaft sowie die Analogie und ist zugleich die wichtigste Hauptpflicht des Vertragshändlers. Zum ständigen Kauf oder Bezug ist der Vertragshändler ohne dahingehende Regelung nicht verpflichtet;4011 lediglich zu bestmöglichen Absatzbemühungen. Gleichwohl darf er nicht durch ständig überhöhte Preise den Absatz der Vertragswaren gefährden.4012 Die Vorschriften des HV-Rechts, welche die Innenbeziehung zwischen HV und Unternehmer regeln, sind analogiefähig, wegen des Eigenverkaufs des Vertragshändlers jedoch nicht die Regelungen, die das Außenverhältnis des HV zum Kunden betreffen.4013 Der Unternehmer darf dem Vertragshändler aber trotz der dem Händler obliegenden Absatzförderungspflicht keine unbestellte Ware liefern, in Rechnung und in die Kreditfinanzierung einstellen.4014 HV wie Vertragshändler stehen in einem Dauerrechtsverhältnis zum Unternehmer (Hersteller/Lieferanten), sie sind seinem Vertriebsorganismus eingegliedert und von seinen Dispositionen zur Produktpalette abhängig. Das Gebot der Zusammenarbeit bringt hier wie dort für beide Vertragsteile Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Teils mit sich. Anwendbar sind namentlich § 85,4015 §§ 86 Abs. 1,4016 Abs. 3, 86a Abs. 2 S. 3 sowie die aus § 86a Abs. 2 hergeleitete allgemeine Informationspflicht,4017 die Pflicht zur Gewährung der üblichen Vergütung (§ 86b Abs. 1),4018 § 87d,4019 § 88a, soweit der Vertragshändler bzw. bei § 88a Abs. 2 der Unternehmer in einem handelsvertreterähnlichen Vertragsverhältnis stehen4020 und 4003 4004 4005 4006 4007 4008 4009

Hopt § 84 Rn 11. Hopt § 84 Rn 11. Hopt § 84 Rn 11. Hopt § 84 Rn 11. Westphal II Rn 158. BGHZ 29, 83 ff. BGHZ 29, 83 ff.; NJW 1962, 1107; BB 1967, 44; NJW 1977, 896, BB 1983, 997; DB 1983, 2412; NJW 1984, 2101; BB 1988, 1770, BB 1992, 596; BB 1993, 2399; BB 1996, 1458; OLG Hamm NJW-RR 1996, 226; OLG Köln BB 1997, 2451; OLG München BB 1997, 595. 4010 Habersack/Ulmer S. 24; Westphal II Rn 446; Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (26); Niebling WRP 2010, 631 (zum Kfz-Vertragshändler). 4011 AA Canaris § 17 Rn 32. 4012 Canaris § 17 Rn 32; Westphal II Rn 451. 4013 Westphal II Rn 140. 4014 LG Frankfurt/M. – 3/14 O 131/09, BB 2010, 2641 m. Anm. Oberhammer. 4015 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 37, 53; Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 134 ff.; Westphal II Rn 156; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 148. 4016 BGH NJW 1984, 2101; Westphal II Rn 146; Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (26); aA Frings EWiR 2017, 529 (530). 4017 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 290; Westphal II Rn 159; Stumpf/Jaletzke/Schultze, Rn 287; Ulmer S. 433. 4018 Habersack/Ulmer S. 45. 4019 BGH NJW 1984, 2101; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 37; Westphal II Rn 161; aA Hopt § 84 Rn 11. 4020 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 88a Rn 31; Ensthaler/Genzow § 88a Rn 8; Oetker/Busche § 88a Rn 17; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 8. Emde

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es um Ansprüche geht, die unmittelbar aus der Geschäftsbeziehung resultieren,4021 etwa Boni und Prämien,4022 die Kündigungsvorschriften der §§ 89,4023 89a,4024 90a4025 und § 92c,4026 aber auch die Bestimmungen über den Aufwendungsersatz (§ 87d4027) und über die Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 90).4028 Im Zentrum der Erörterungen schließlich steht die Analogiefähigkeit des § 89b zum Ausgleichsanspruch. Die Interessenwahrungspflicht des Vertragshändlers geht in analoger Anwendung des 576 § 864029 positiv auf Unterrichtung über die Entwicklung des Vertriebs und die am Rande desselben gewonnenen, das gemeinsame Interesse berührenden allgemeinen Erkenntnisse über die gebotenen verkaufsfördernden Maßnahmen, Werbung oder Kundendienst. Darin ähnelt sie der Informationspflicht des HV. Der Vertragshändler muss etwa sein Augenmerk auf die Verletzung der Schutzrechte der von ihm vertretenen Marke im Vertragsgebiet richten und Tatbeständen dieser Art nachgehen. Die Herleitung der Informationspflicht aus einer Analogie zu § 86 ist gegenüber derjenigen aus § 666 BGB die überzeugendere insofern, als sie sich auf die Interessenwahrung im Dauerverhältnis bezieht, während § 666 BGB den Einzelauftrag im Auge hat, zudem ist § 86 lex specialis. Aus § 86 wird auch die Pflicht des Vertragshändlers entnommen, sich des Vertriebs von Konkurrenzware zu enthalten. Was insoweit für den HV gilt, gilt in gleicher Weise, verstärkt durch ein eventuelles Privileg des Alleinvertriebsrechts,4030 für den Vertragshändler. Wie der HV darf der Händler allerdings nicht-konkurrierende Erzeugnisse ohne Zustimmung seines Vertragspartners, des Herstellers/Lieferanten, in sein Sortiment aufnehmen.4031 Die Interessenwahrungs-, allgemein ausgedrückt: die Loyalitätspflicht des Vertragshändlers, gebietet es ferner, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Herstellers nicht preiszugeben, und zwar in gleicher Weise wie beim HV auch über das Vertragsende hinaus in analoger Anwendung des § 90;4032 ein Verstoß kann wie beim HV die außerordentliche Kündigung rechtfertigen.4033 Ebenfalls aus der Interessenwahrungspflicht ergibt sich, dass der Vertragshändler die „Marke“ und ihren Schutzbereich sorgsam zu beachten und ihre Verwässerung durch unsachgemäßen Gebrauch nicht nur zu vermeiden, sondern innerhalb der Sphäre seiner

4021 Ensthaler/Genzow § 88a Rn 8. 4022 Ensthaler/Genzow § 88a Rn 8. 4023 BGH, Urt. v. 9.10.2002 –VIII ZR 95/01, BB 2002, 2520 = NJW-RR 2003, 98 = MDR 2003, 162 = DB 2003 825 = WM 2003, 842 = EWiR 2003, 587 (v. Hoyningen-Huene); v. 17.7.2002 – VIII ZR 59/01, DB 2002, 1992 = EWiR 2002, 915 (Emde); EBE 1995, 259; BB 1967, 94; v. 5.4.1962 – VII ZR 202/60, DB 1962, 635 = NJW 1962, 1107; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 125 ff.; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 37; Westphal II Rn 150; Hopt § 84 Rn 11; aA OLG Stuttgart NJW-RR 1990, 491; Mesch ZVertriebsR 2015, 8 (10) – nach §§ 133, 157 BGB zu bestimmen; Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 622 ff.; Martinek/Manderla3 § 22 Rn 25, 26, 30 bis 40; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 148; zu den Kündigungsfristen: Graf v. Westphalen FG Jürgen Gündisch S. 83 ff. 4024 BGH DB 1962, 635; NJW 1982, 2432; v. 10.2.1993 – VIII ZR 48/92, NJW-RR 1993, 682 (683); OLG Saarbrücken NJW-RR 1999, 1339; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141); Giesler/Vogels2 § 3 Rn 37; Westphal II Rn 152; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 148; Hopt § 84 Rn 11. 4025 BGH, Urt. v. 12.11.1986, NJW-RR 1987, 612 (zum Franchisevertrag); Hermes RIW 1999, 81 (82); Flohr/Wauschkuhn/Spenner Vertriebsrecht2 § 90a Rn 59; Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 132, 492, 717; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 37, 58; Westphal II Rn 155 f.; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 148; Hopt § 84 Rn 11. 4026 Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 886; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 148. 4027 Ebenroth/Löwisch3 § 87d Rn 16; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87d Rn 4; aA Flohr/Wauschkuhn/ Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87d Rn 27; Hopt § 87d Rn 11; Oetker/Busche § 87d Rn 11. 4028 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 37; Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 44, 236 ff.; Westphal II Rn 162; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 148. 4029 BGHZ 54, 338 (341); 68, 340 (343); 74, 136 (139); 93, 29 (39); Genzow Rn 90; Habersack/Ulmer S. 22 für den Kfz-Vertrieb. 4030 BGH LM § 1 UWG Nr. 57. 4031 AA Staub/Brüggemann4 und P. Ulmer S. 423 ff. 4032 Westphal II Rn 458 ff. 4033 Westphal II Rn 460. 353

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Verantwortung nach seinen Möglichkeiten und Kräften zu verhindern hat.4034 Ganz allgemein hat er jedes den Unternehmer oder das vertriebene Produkt schädigende Verhalten zu unterlassen. Insoweit besteht eine nach Vertragsende nachwirkende Pflicht des Vertragshändlers. Wenn ihm eine bestimmte Marke zum Alleinvertrieb überlassen worden war, geht es aber zu weit, anzunehmen, er müsse sich des Gebrauchs einer ähnlichen Marke für ein anderes, nunmehr von ihm vertriebenes Erzeugnis enthalten,4035 solange eine Verwechslungsgefahr ausscheidet. Der Vertrieb eines Wettbewerbsprodukts steht ihm nach Vertragsende in Abwesenheit einer Wettbewerbsabrede (mit Karenzentschädigung) jedoch frei. 577 In Analogie zu § 86a existieren im Spannungsverhältnis zur Dispositionsfreiheit des Unternehmers4036 (s. Kommentierung zu § 86a) stehende, auf Grund der hohen Investitionen und der hohen Eingliederung oft stärker als gegenüber dem HV ausgeprägte4037 Förderungs- und Loyalitätspflichten (Treupflichten) des Herstellers/Lieferanten im Verhältnis zum Vertragshändler.4038 Jedenfalls aber übersteigen sie die vieler anderer Verträge.4039 Jene beiden Parteien obliegende, und auch aus § 242 BGB hergeleitete Treupflichten4040 ergeben sich aus der Natur des auf engen Austausch von Leistung und Gegenleistung ausgerichteten Vertragsverhältnisses, wobei die Interessenwahrungspflicht des Händlers wie beim HV die Treupflicht des Herstellers überwiegt. Der Umstand, dass der Händler nicht nur seine Tätigkeit, sondern auch seinen Geschäftsbetrieb und das von ihm investierte Kapital weitgehend den Interessen des Herstellers unterordnet, verpflichtet den Hersteller, den schutzwürdigen Belangen des Händlers angemessen Rechnung zu tragen und dessen Interessen nicht ohne begründeten Anlass zuwider zu handeln.4041 Selbst ohne Kapitaleinsatz des Mittlers schützt ihn die dem Unternehmer auferlegte Treupflicht, da sie aus dem Dauerschuldverhältnis selbst entspringt. Sie verstärkt sich durch einen Kapitaleinsatz.4042 Auch aufgrund dieser Förderpflicht darf der Hersteller dem Vertriebsmittler die Gewinnchance nicht ohne gerechtfertigten Grund verkürzen.4043 Dem Bemühen der Händler, die Vertragsprodukte bestmöglich und unter den strengen Vorgaben des Herstellers an den Endkunden zu bringen, steht die Pflicht des Herstellers gegenüber, im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit (s. Kommentierung zu § 86a) alles zu unterlassen, was die Marktposition und die Gewinnaussichten seines Vertriebspartners beeinträchtigen könnte.4044 Grds. wird man daher eine Pflicht des Unternehmers zur Belieferung des Händlers („Belieferungspflicht“) annehmen müssen,4045 sie ist geradezu Kern des Vertrages. Soweit eine solche Verpflichtung nicht ausdrücklich geregelt ist, ergibt sie sich aus Treu und Glauben.4046 Sie ist die Kehrseite der oft mit

4034 4035 4036 4037 4038

P. Ulmer S. 425. BGH BB 1967, 54. Westphal II Rn 518. Canaris § 17 Rn 35; Habersack/Ulmer S. 26/27. OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart); OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225); OLG München, Urt. v. 22.1.2004 – U (K) 3329/03, WuW DE-R 2004, 1260 (1262); Giesler/Vogels2 § 3 Rn 271; Habersack/Ulmer S. 26/27; Westphal II Rn 516. 4039 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225). 4040 OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). 4041 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225); OLG München, Urt. v. 22.1.2004 – U (K) 3329/03, WuW DE-R 2004, 1260 (1262). 4042 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225). 4043 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225). 4044 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2005, 1749 (1753); OLG München, Urt. v. 22.1.2004 – U (K) 3329/03, WuW DE-R 2004, 1260 (1262). 4045 BGH BB 1958, 540 (541); BB 1972, 193; OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart); OLG Bremen BB 1966, 756; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 284; Martinek/Manderla3 § 22 Rn 15; Ulmer/Brandner/Hensen/ Ulmer Anh. 9–11, Rn 888; Genzow Vertragshändlervertrag Rn 82; Canaris § 17 Rn 34; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 152; Rheinländer WRP 2007, 501 (502); aA Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 341 (müsste ausdrücklich vereinbart werden). 4046 OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart); Martinek/Manderla3 § 22 Rn 17; Rheinländer WRP 2007, 501 (502). Emde

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enormen Kosten verbundenen Marketingverpflichtungen der Händler.4047 Zwar ist der Unternehmer nicht verpflichtet, den Vertragshändler so zu beliefern, wie dieser es jeweils wünscht und abruft (zur generellen Belieferungspflicht s. Kommentierung § 86a). Der Vertragshändlervertrag stellt keinen Vorvertrag auf Abschluss demnächstiger Lieferverträge dar.4048 In dem Fehlen einer bedingungslosen Lieferpflicht gegenüber dem Vertragshändler liegt die Parallele zum Fehlen der Abschlusspflicht gegenüber dem HV, der das Geschäft bis zur Abschlussreife vermittelt hat. Der Hersteller unterliegt auch hier einer gewissen Dispositionsfreiheit. Allerdings darf er Lieferwünsche des Vertragshändlers nicht grundlos ablehnen,4049 insb. wenn er die Ware vorrätig hat oder sie unschwer produzieren oder erwerben kann.4050 Jedenfalls darf der Hersteller Bestellungen nicht willkürlich und ohne vertretbare Gründe ablehnen.4051 Das gilt insb., wenn dem Händler eine Mindestabnahmeverpflichtung und ein Konkurrenzverbot auferlegt worden sind.4052 Lieferengpässe wegen Qualitätsproblemen bilden einen sachlich gerechtfertigten Grund zur Nichtbelieferung.4053 Bei Lieferengpässen hat der Hersteller die Vertragshändler aber gem. §§ 19, 20 GWB gleich zu behandeln. Selbst eine befristet ausgesprochene Kündigung des Vertragshändlervertrages durch den einen oder anderen Teil ist kein zureichender Grund, für die Restdauer des Vertrages die Entgegennahme von Bestellungen zu verweigern4054 oder zu reduzieren.4055 Verletzt ein Hersteller die vertraglich zugesagte Exklusivität des Händlers, etwa indem er im zugewiesenen Bezirk andere Händler einsetzt, hat der verletzte Händler gem. §§ 249, 252 BGB Anspruch auf Ersatz des Gewinns, der ihm entgangen ist.4056 Zur Vorbereitung des Ersatzanspruches darf der Händler, will er seinen Schaden nicht aus dem Rohertrag der Vergangenheit berechnen, Auskunft über die vertragswidrigen Verkäufe des Herstellers an andere Händler im geschützten Gebiet verlangen.4057 Auskunft und Schadenersatz können im Wege der Stufenklage geltend gemacht werden. Einen gewichtigen Anhalt für den Umfang der dem Händler entgangenen Geschäfte stellen die Geschäfte dar, welche in der fraglichen Zeit im geschützten Vertragsgebiet durch den Hersteller oder von ihm eingesetzte Händler gezeichnet werden.4058 Dies schließt es nicht aus, bei der Schadensberechnung einen besonderen Einsatz der anderen Händler oder deren spezielle Betriebssituation zu berücksichtigen.4059 Schadensersatzansprüche wegen Nichtbelieferung sind gem. § 254 BGB ausgeschlossen, sofern der Vertragshändler seiner Mindestbevorratungspflicht nicht nachgekommen ist.4060

4047 4048 4049 4050 4051 4052 4053 4054 4055 4056

Rheinländer WRP 2007, 501 (502). Nach Ansicht von Canaris § 17 Rn 36 ist die Rechtslage aber zugunsten des Händlers ähnlich fest. BGH NJW 1958, 1138. Canaris § 17 Rn 36. OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). Einschränkend P. Ulmer S. 488. AA Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn2 § 89 Rn 142. BGH, Urt. v. 17.4.2002 – VIII ZR 139/01, VersR 2002, 1023 = BB 2002, 1507 = DB 2002, 1657 = NJW-RR 2002, 1256 = EWiR 2002, 766 (Emde) = WM 2003, 250; v. 22.11.2000 – VIII ZR 40/00, BB 2001, 115 = MDR 2001, 283 = NJW 2001, 821 = WM 2001, 686. 4057 BGH, Urt. v. 17.4.2002 – VIII ZR 139/01, VersR 2002, 1023 = BB 2002, 1507 = DB 2002, 1657 = NJW-RR 2002, 1256 = EWiR 2002, 766 (Emde) = WM 2003, 250; v. 22.11.2000 – VIII ZR 40/00, BB 2001, 115 = MDR 2001, 283 = NJW 2001, 821 = WM 2001, 686; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 – dort i. E. abgelehnt. 4058 Der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden bestimmt sich nach den Beweiserleichterungen des § 287 ZPO: Es genügt eine auf gesicherter Grundlage bestehende Wahrscheinlichkeit. Der Kläger hat Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, welche für eine Beurteilung nach § 287 ZPO ausreichende greifbare Anhaltspunkte bieten; so BGH, Urt. v. 3.12.1999 – IX ZR 332/98, VersR 2001, 246; siehe auch Freitag/Leible RIW 2001, 287. 4059 BGH, Urt. v. 22.11.2000 – VIII ZR 40/00, BB 2001, 115 = MDR 2001, 283 = NJW 2001, 821 = WM 2001, 686. 4060 OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). 355

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Der Hersteller ist allgemein zur Wahrung der Interessen des Händlers verpflichtet, etwa durch Überlassen der für den Vertrieb notwendigen speziellen Hilfsmittel, Sicherstellung gleichbleibender Qualität der Ware, jedoch nur im Ausnahmefall zu angemessener Werbung für das Produkt.4061 Führt der Vertragshändler Gewährleistungs- oder Garantiearbeiten aus, steht ihm voller Aufwendungsersatz einschließlich eines angemessenen kalkulatorischen Gewinns zu (s. o. zu AGB, Stichwort “Garantie-/Gewährleistungsvergütung“). Zur Rückkaufpflicht hinsichtlich der Lagerware s. u. Ein Vertragshändlervertrag begründet weder aus den §§ 19, 33 GWB, wegen schuldhafter 579 Verletzung von Treuepflichten, § 313 Abs. 1 BGB oder den §§ 675, 670 BGB eine Verpflichtung des Herstellers zum Ausgleich der Einbußen, welche der Händler erleidet, weil der Hersteller die Preise für Vertragswaren senkt (hier Kfz) und der Händler infolge dessen Kfz, die der Vertragshändler als Neufahrzeuge an Autovermieter veräußert und dann auf Grund einer gegenüber dem Hersteller übernommenen Rückkaufverpflichtung zurückgekauft hat, nicht mehr mit Gewinn absetzen kann.4062 Auch soll sich aus dem Vertragshändlerverhältnis keine Pflicht des Herstellers ergeben, die Belieferung des Vertragshändlers mit mangelhafter Ware zu vermeiden, um ihn vor Schäden durch Verlust von Kunden zu bewahren.4063 Die mit dem Hersteller/ Lieferanten abgeschlossenen einzelnen Kaufverträge sind rechtlich selbständig,4064 auch (wie sich insb. in der Zeit nach ausgesprochener Kündigung des Vertragshändlerverhältnisses zeigt) selbständig abzuwickeln. Hinsichtlich kaufvertraglicher Ansprüche ist der Vertragshändler regelmäßig auf die Gewährleistungsansprüche für die einzelne Lieferung beschränkt. Allenfalls anhaltend schlechte Lieferungen mögen dem Vertragshändler das Recht zur fristlosen Kündigung des Vertragshändlervertrages und Ersatzansprüche aus dem Rahmenvertrag geben.4065 Grundsätzlich unterliegt es der Dispositionsfreiheit des Herstellers, wie er seine Produktion 580 gestalten will. In dem Waschmaschinenfall BGH BB 1972, 193 hatte der Hersteller die Produktion einer neuen Serie entwickelt und konnte deshalb vorübergehend nicht mehr die vereinbarte Mindestmenge des bisherigen Typs liefern. Selbst hierauf hatte – so der BGH – der Vertragshändler Rücksicht zu nehmen; der Sachverhalt gab ihm kein Recht zur fristlosen Kündigung, wenn der Hersteller ihm für den vorübergehenden Ausfall an den Lieferungen des bisherigen Typs die entsprechende Menge des neuen Typs zur Verfügung stellte. Denn das wiederum verlangte die Rücksichtnahme auf die Belange des Vertragshändlers. Überhaupt erheischt die Loyalitätspflicht des Herstellers analog § 86a Abs. 2, dem Vertragshändler vorausschauend Nachricht zu geben, wenn wegen Produktionsengpässen Lieferung nicht uneingeschränkt möglich sein wird oder wenn Umstellungen in der Produktion anstehen. Auch der Vertragshändler muss seine eigenen Dispositionen entsprechend treffen können. Wird bei P. Ulmer4066 doch sogar mit Recht angenommen, dass der Hersteller/Lieferant den Vertragshändler rechtzeitig zu unterrichten hat, wenn er einen befristeten Vertragshändlervertrag nicht verlängern will: dem Vertragshändler muss Gelegenheit gegeben sein, seine Lagerbestände so rechtzeitig abzubauen, dass er bei dem demnächstigen Vertragsende keinen größeren Kapitalverlust erleidet. Die Unterrichtung muss so früh wie möglich, mindestens jedoch binnen der Kündigungsfristen des § 89 analog erfolgen (Rechtsfolge bei Unterlassen: Schadenersatz). Die Ansprüche auf Information durch den Unternehmer sind für den HV durch die zusätzli581 che Bestimmung des § 86a Abs. 2 S. 2 Hs. 2 als zwingende gestaltet. Damit stellt sich hier – und zugleich für spätere Zusammenhänge, in denen die Analogie von zugunsten des HV zwingenden Rechtssätzen zur Erörterung stehen wird – das Problem, wie weit die Analogie des Grundge578

4061 AA Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 295; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 152. 4062 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 18.11.2003 – 11U (Kart) 35/03, GRUR-RR 2004, 120 = OLGR 2004, 134. 4063 BGH, Urt. v. 22.11.2000 – VIII ZR 40/00, BB 2001, 115 = MDR 2001, 283 = NJW 2001, 821 = WM 2001, 686; zweifelhaft.

4064 OLG München, Hinweisbeschl. v. 29.1.2014 – 23 U 4161/13. 4065 Finger S. 144. 4066 S. 434. Emde

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halts der einzelnen Norm auch deren zwingende Geltung mit sich führt. Das wiederum hängt davon ab, ob der Vertragshändler generalisiert – auf den konkreten Vertrag wird man schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht abstellen dürfen – in gleicher Weise wie der HV als schutzbedürftig angesehen werden kann. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass es die Figur „des“ schutzbedürftigen HV nicht gibt. Wollte man die Analogie für die Unabdingbarkeit davon abhängig machen, ob der Vertragshändler im Einzelfalle schutzbedürftig sei, dann trüge das nicht nur einen Bruch in den Analogievollzug hinein, der dogmatisch nicht vertretbar wäre.4067 Man lieferte sich darüber hinaus auch kaum lösbaren Schwierigkeiten aus, nach welchen Kriterien sich die Schutzbedürftigkeit bemessen solle. Im Gegenteil: In vielen Fällen dürfte der Vertragshändler schutzbedürftiger als der HV sein, da er mit erheblichem Kapitaleinsatz arbeitet. Der BGH hat in seiner Rechtsprechung zu § 89b zweimal einen Ansatz gemacht, eine spezifische Schutzbedürftigkeit des Vertragshändlers aus diesen und anderen Merkmalen zu bestimmen: er hat beim dritten Mal seine Bemühungen aufgegeben. Die Analogie zum HV-Recht ist immer da gerechtfertigt, wo der Vertragshändler einem HV vergleichbar in das Vertriebssystem des Unternehmers eingegliedert ist (s. o.). Wird dieses Analogiekriterium angenommen, ist der Vertragshändler entgegen Staub/Brüggemann4 bei generalisierender Betrachtungsweise auch einem HV vergleichbar schutzbedürftig. Die zwingenden Vorschriften des HV-Rechts sind grundsätzlich auf ihn anwendbar, soweit sich nicht aus ihrer Natur etwas anders ergibt. Das zeigen klassische Abgrenzungsfälle, in denen der Absatzmittler formell als Vertragshändler unter Vertrag genommen wird, obwohl er der Sache nach wie ein HV gestellt ist.4068 In solchen Fallgestaltungen wird ohnehin HV-Recht auch gegen die rein äußerliche Eingruppierung des betreffenden Absatzmittlers als Vertragshändler angewandt. Die bloße Etikettierung entscheidet nicht. Zwingend ist auch die Bestimmung des § 86a Abs. 1. Auch sie ist analog anwendbar.4069 582 Danach ist der Hersteller/Lieferant verpflichtet, dem Vertragshändler Unterlagen und Hilfsmittel für den Vertrieb zu überlassen. Dazu gehören Werbematerialien, Kundendienstanleitungen, aber auch die Ausrüstung für die Durchführung des Kundendienstes. Wenn P. Ulmer4070 betont, die Lieferung könne im Gegensatz zum HV nicht unentgeltlich verlangt werden, gibt es dafür wenig Begründungsansätze. Denn die Interessenlage ist durchaus der beim HV vergleichbar, und nicht nur bei der Erstausstattung. Von Bedeutung ist namentlich die aus der gebotenen Förderung der Absatztätigkeit des 583 Vertragshändlers grundsätzlich erwachsende Pflicht des Unternehmers, seine Vertragshändler unter sich gleich zu behandeln, nicht einem von ihnen ohne rechtfertigenden Grund bessere Konditionen einzuräumen und ihm dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen;4071 dies auch unabhängig von den besonderen Voraussetzungen des Diskriminierungsverbots aus § 19 GWB. Als rechtfertigender Grund für eine Ungleichbehandlung nennt P. Ulmer4072 etwaige besondere Verhältnisse während der Anlaufzeit oder Standortnachteile. Bei eingeschränkter Liefermöglichkeit wird der Hersteller seine Vertragshändler gleichmäßig zu berücksichtigen haben.4073 In engem Zusammenhange mit der Loyalitätspflicht des Herstellers nach § 86a stehen die 584 Fragen der Sicherung des Vertriebsrechts des Vertragshändlers. Oft – nicht immer – wird eine sog. Absatzbindung des Herstellers vertraglich vereinbart. Sie bedeutet, dass der Hersteller nicht direkt in das Vertragsgebiet liefern darf, vorbehaltlich bestimmter Abnehmergruppen, die von dem Verbot ausgenommen werden. Gekoppelt sein kann damit ein Alleinvertriebs4067 4068 4069 4070 4071 4072 4073 357

So auch Kreifels/Lang S. 1774. BGH WM 1975, 1107; BB 1981, 871. AA Frings EWiR 2017, 529 (530). S. 433. P. Ulmer S. 434. S. 437 Fn. 133. V. Brunn Händlerverträge S. 85 ff., anders anscheinend P. Ulmer S. 437 Fn. 134; zum HV RG JW 1914, 403/404. Emde

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recht – der Hersteller lässt in einem bestimmten Vertragsgebiet nur diesen einen Vertragshändler zu – und/oder ein Gebietsschutz – der Hersteller verpflichtet sich gleichzeitig, Vertragshändlern in anderen Bezirken die Beschränkung ihres Tätigwerdens auf ihre Bezirke aufzuerlegen (näher s. oben zu Art. 4 GVO 330/10). In der einen oder der anderen Form sind solche Sicherungen in den Vertragshändlerverträgen häufig enthalten. Allerdings muss der Vertrag sich hierüber schon aussprechen; die Bezeichnung „Generalvertreter“ kann auch untechnisch gemeint sein und besagt jedenfalls noch kein Alleinvertriebsrecht.4074 Die Rechtsstellung eines so geschützten Vertragshändlers erinnert an die des Bezirksvertre585 ters nach § 87 Abs. 2. Indessen kann diese Bestimmung nicht analog anwendbar sein.4075 Dem Unternehmer sind meist Direktgeschäfte überhaupt nicht gestattet. Tätigt er sie, kann er sich schadenersatzpflichtig machen und § 87 Abs. 2 ist nicht maßgeblich. Ein Alleinvertriebsrecht erfasst – neben seinem Hauptinhalt, der Nichtzulassung weiterer Vertragshändler im Vertragsgebiet – die Pflicht des Unternehmers, sich nicht selbst als Konkurrent des Vertragshändlers im Vertragsgebiet durch Direktbelieferung zu betätigen.4076 Der Schadensersatz geht alsdann auf die entgangene Weiterverkaufsspanne abzüglich der darauf liegenden Kosten. Außerdem kann Herausgabe des durch den Direktverkauf erzielten Reinerlöses nach § 687 Abs. 2 BGB verlangt werden.4077 Gleichermaßen verpflichtet es zum Schadensersatz, wenn der Hersteller/Lieferant dem Vertragshändler dadurch im Vertragsgebiet Konkurrenz macht, dass er die Absatzbindungs- oder Alleinvertriebsklausel unterläuft und ein gleiches Erzeugnis wie die Vertragsware, nur unter anderer äußerer Aufmachung und anderer Bezeichnung, unmittelbar vertreibt.4078 586 Sind dem Unternehmer einzelne Direktgeschäfte gestattet, begeht er weder eine Vertragsverletzung noch ist § 87 Abs. 2 anwendbar. Denn der Unternehmer behält sich die Direktgeschäfte gerade vor, damit er jene schließen darf, ohne um Zustimmung des Händlers nachzusuchen oder ihm verpflichtet zu sein. Der BGH4079 fordert jedoch für die mit einem Direktbelieferungsvorbehalt verbundenen Beeinträchtigungen einen angemessenen Ausgleich, falls dem Händler ein Alleinvertriebsrecht zugesagt wurde. Liegt eine echte Gebietsschutzabrede vor, so können, wenn andere Vertragshändler den 587 Gebietsschutz durch Lieferungen in das geschützte Vertragsgebiet verletzen, Schadensersatzansprüche gegen den Unternehmer begründet sein, sofern dieser seiner Verpflichtung aus der Gebietsschutzklausel, dem konkurrierenden Vertragshändler die Respektierung des Vertragsgebiets aufzuerlegen (Vertragsstrafe), nicht gehörig nachgekommen ist oder sie nicht durchsetzt. Eine darüber hinausgehende allgemeine Einstandspflicht des Unternehmers, dem Vertragshändler Schäden aus Verletzung des geschützten Gebiets durch Belieferung gebietsansässiger Kunden von dritter Seite zu ersetzen, ist aus der Gebietsschutzabrede jedoch nicht herzuleiten. Auch so weit würde eine Analogie zu § 87 Abs. 2 nicht gezogen werden können. Ob wiederum die Alleinvertriebsabrede auch einen Gebietsschutz oder einen Kundenschutz in dem Sinne, dass kaufwillige Kunden an den zuständigen Vertragshändler zu verweisen seien, mitenthalte, ist Sache der Auslegung des Vertrages.4080 Allgemein wird sich das nicht sagen lassen, auch wenn es in früheren Urteilen4081 gelegentlich so gesehen worden war. Denn anders als 4074 BGH DB 1970, 872. 4075 BGH NJW 1984, 2411; Canaris § 17 Rn 21 (Vertrieb erfolgt im Eigeninteresse des Händlers, nicht als Geschäftsbesorgung für den Unternehmer); Hopt § 87 Rn 29.

4076 RG Recht 1920, Nr. 715, P. Ulmer S. 428, Peterek BB 1966, 353. 4077 Offen gelassen in BGH NJW 1964, 151; aA Staub/Brüggemann und P. Ulmer S. 429/430; OLG Celle Recht 1908, Sp. 491 Nr. 2809.

4078 BGH BB 1972, 1204: Der Kunde ist geneigt, unter der veränderten Aufmachung und Bezeichnung eine technische Verbesserung zu vermuten.

4079 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15; aA Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87 Rn 151. 4080 Vgl. BGH NJW 1966, 1117 (1118). 4081 OLG Colmar PucheltsZ 1906, 24 (26 ff.); OLG Hamburg HansGZ 1911, Hauptblatt 275 Nr. 123. Emde

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beim Vertrieb durch HV, wo sämtliche vermittelten Bestellungen beim Unternehmer zusammenlaufen und von ihm ausgeführt werden, hat im Vertragshändlervertrieb der Hersteller/Lieferant keine unmittelbare Möglichkeit, die Lieferung in das Vertragsgebiet des einen, obwohl von ihm für dieses Gebiet „konzessionierten“ Vertragshändlers durch den Vertragshändler eines anderen Gebiets zu unterbinden oder mindestens den „übergangenen“ Vertragshändler an diesem Geschäft in der einen oder anderen Form zu beteiligen – unterbinden könnte er das höchstens mittelbar durch die obigen Vertragsstrafeklauseln oder einen Kündigungsvorbehalt. Das Risiko, dass sein Alleinvertriebsrecht für einen bestimmten Bezirk von außen und ohne Mitwirkung des Unternehmers unterlaufen wird, trägt grundsätzlich der Vertragshändler.4082 Enthält ein Vertragshändlervertrag keine Bestimmung über die Rabatte, ist analog § 87b Abs. 1 von der branchenüblichen Handelsspanne auszugehen. Lässt sich diese nicht feststellen, ist die Lücke im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen.4083 Keine Probleme bietet die analoge Anwendung des § 87d über den Ausschluss des Aufwendungsersatzes. Trägt schon der HV, obwohl er für fremde Rechnung arbeitet, die Kosten seines Geschäftsbetriebs selbst, so muss das erst recht für den auf eigene Rechnung arbeitenden Vertragshändler gelten.4084 Es gilt im Grundsatz – vorbehaltlich der anerkannten Grundsätze zum Invesitionsschadensersatzanspruch – für ihn selbst dann, wenn er besondere Aufwendungen in seinen Betrieb investiert hat, die bei Vertragsende sich noch nicht haben amortisieren können. Insb. scheidet ein Aufwendungsersatzanspruch des Händlers aus,4085 solange er im eigenen Interesse tätig wird. Die Möglichkeit der Kündigung des Vertragshändlervertrages pflegt keiner der bekannt gewordenen und von P. Ulmer4086 untersuchten Formularverträge ungeregelt zu lassen. Unter dem Gesichtspunkt der analogen Anwendbarkeit des HV-Rechts ist daher nur zu fragen, ob dessen Kündigungsbestimmungen bei Fehlen oder der Unwirksamkeit einer vertraglichen Abrede ergänzend eingreifen, und wie weit zwingendes Kündigungsrecht (§§ 89 Abs. 3, 89a Abs. 1 S. 2) sich auch gegenüber vertraglicher Regelung zugunsten des Vertragshändlers durchsetzt. Dass Dauerrechtsverhältnisse kündbar sein müssen, ergibt sich bereits aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die in den Regelungen für andere Dauerrechtsverhältnisse ihren Niederschlag gefunden haben (aus dem BGB: §§ 314, 573, 620 Abs. 2, 723). Für die ordentliche Kündigung liegt dann allerdings, wenn vertragliche Abreden fehlen, die Schwierigkeit in der Bestimmung der Kündigungsfrist. Hier hilft nur die analoge Anwendung der Kündigungsfristen des HV-Rechts nach § 89 Abs. 1 und 2,4087 bei aller durch die Kürze der Frist für den HV und damit auch für den Vertragshändler und seine Abwicklungsschwierigkeiten bedingten Härte. § 627 Abs. 2 BGB wird man nicht anwenden dürfen.4088 Auch § 89 Abs. 3 ist analog anzuwenden;4089 ebenso das Verbot der

4082 Vgl. OLG Köln DB 1975, 49 – die dortige Kurzinformation läßt allerdings nicht erkennen, welche Schutzabrede im konkreten Falle getroffen worden war – und OLG Stuttgart BB 1966, 798 – Vertragshändler. Sehr weit in der Frage einer schuldhaft mittelbaren Begünstigung solchen Unterlaufens durch den Hersteller geht BGH DB 1961, 601 (HV). 4083 Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer10 Anh. § 310 Rn 953. 4084 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87d Rn 27. AA wohl Hopt § 84 Rn 11: Aber er wird dem Vertragshändler wohl keinen gegen den Unternehmer gerichteten Anspruch auf Aufwendungsersatz zubilligen? 4085 Ulmer S. 416; Canaris § 17 Rn 22; aA MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87d Rn 4. 4086 A. a. O. S. 127 ff. 4087 P. Ulmer S. 448/449; für Anwendung des § 89 Abs. 1: BGH LM § 89 HGB Nr. 1, RG WarnRspr. 1929, Nr. 52; OLG Stuttgart BB 1972, 548; OLG Colmar LZ 1913, Sp. 948 – die beiden letztgenannten Entscheidungen zu § 92 Abs. 1 a. F. –; Emde DB 2003, 981 (982); Westphal OLGR-Komm. 16/2000, K 35; Canaris § 17 Rn 23; Westphal II Rn 556; Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 51; Hopt § 84 Rn 11; differenzierend Oetker/Busche § 89 Rn 26 ablehnend Evans-v. Krbek S. 109 ff., wo allerdings nicht deutlich wird, welche Kündigungsfristen denn nun zu gelten hätten; für Anwendung des § 89 Abs. 2: Mücke S. 642. 4088 Für dessen Anwendung allerdings implizit RGZ 95, 166. 4089 AA Staub/Brüggemann, Vor § 84 Rn 22. 359

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Teilkündigung.4090 Bei Vertragshändlern in investitionsintensiven Geschäftsbereichen wird man verlängerte Kündigungsfristen von 1–2 Jahren annehmen müssen (§ 89 Rn 64 ff.). Analog anwendbar ist § 89a.4091 Diese Kündigungsmöglichkeit ist bei allen Dauerschuldverhältnissen rechtens (§ 314 BGB). Man könnte sich sogar fragen, ob nicht auf § 314 BGB als allgemeine Vorschrift zurückzugreifen wäre, nicht auf § 89a. Das ist jedoch wegen der größeren Sachnähe des HV-Rechts abzulehnen, woraus sich auch die Nichtanwendbarkeit der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB im Vertragshändlerrecht ergibt.4092 Vielmehr gilt hier, wie im HV-Recht, eine angemessene Überlegungsfrist (s. Komm. zu § 89a, Stichwort „Entschlussfrist“). Das außerordentliche Kündigungsrecht ist auch im BGB zwingend (vgl. etwa § 723 Abs. 3 BGB). Seine im HV-Recht zwingende Geltung (§ 89a Abs. 1 S. 2) ist deshalb auch im Vertragshändlerrecht anzuerkennen. Die Kündbarkeit aus wichtigem Grund war schon vom RG unter der Geltung des § 92 Abs. 2 a. F. zugelassen worden;4093 der BGH hat sich dem angeschlossen.4094 Kündigungsgründe sind in mannigfacher Form denkbar. Es können hierzu gehören: Wiederholte Belieferung mit mangelhafter Ware trotz Abmahnung, nachhaltige Verletzung der Informationspflichten, Zahlungsschwierigkeiten beim Vertragshändler, unerlaubte Konkurrenz oder wettbewerbliche Benachteiligung von Seiten des Herstellers, unerlaubtes Führen von Konkurrenzware durch den Vertragshändler (im Einzelnen § 89a Rn 27). Da das Vertragshändlerverhältnis auf vertrauensvoller Zusammenarbeit beruht, stellt vor allem der Missbrauch dieses Vertrauens einen Grund zur fristlosen Kündigung dar. Die durch schuldhaftes Handeln veranlasste fristlose Kündigung seitens des anderen Teils verpflichtet den Kündigungsgegner nach § 89 Abs. 2 zum Schadensersatz, und dies in analoger Anwendung auch im Vertragshändlerverhältnis. Zum Anspruch auf Rücknahme der Lagerware s. u. Von Staub/Brüggemann4 ist zudem – unabhängig von Anlass und Form der Beendigung des Vertragshändlerverhältnisses – die analoge Anwendung des § 87 Abs. 3 in Erwägung gezogen worden.4095 Diese Bestimmung sei der Sache nach ein Anwendungsfall des § 354.4096 Auch der Vertragshändler habe, in Erfüllung seiner Pflicht zur Absatzförderung dem Hersteller/Lieferanten Dienste geleistet, wenn er den Weiterverkauf erfolgreich so weit angebahnt habe, dass es nach Auslaufen des Vertragshändlervertrags zu einem Abschluss mit seinem Nachfolger (oder mit dem Unternehmer im Wege des Direktverkaufs) komme. Der Unternehmer habe analog § 87 Abs. 3 dem Nachfolger die Verpflichtung aufzuerlegen, den bisherigen Vertragshändler an der Verdienstspanne teilhaben zu lassen (§ 328 BGB) oder, wenn er selbst den Verkauf abwickele, dem bisherigen Vertragshändler einen angemessenen Teil der Verdienstspanne zu vergüten. Davon kann in Einzelfällen auszugehen sein, jedoch nur als gemäß § 242 BGB bestehender Anspruch. Regelmäßig dürfte kein solcher Anspruch bestehen. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann in gleicher Weise wie bei einem HV vereinbart werden. Bei diesem erfordert § 90a ebenso wie beim Vertragshändler die Schriftform.4097 Auch die bezahlte Karenz des HV bei einer mit dem Vertragshändler getroffenen Wettbewerbsabrede ist gem. § 90a Rn 4 zwingend.4098 Für die Beschränkung des Wettbewerbs4090 BGH BB 2000, 59 m. Anm. Emde; Westphal II Rn 553. 4091 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 48/92, NJW-RR 1993, 682 (683); NJW 1982, 2432; DB 1962, 635; OLG Saarbrücken NJW-RR 1999, 1339; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (141); Flohr/Wauschkuhn/Flohr2 § 89a Rn 1; Westphal II Rn 152; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 150; Hopt § 84 Rn 11. 4092 BGH DB 1994, 728; Westphal II Rn 153 f. 4093 RG WarnRspr. 1929, Nr. 52, RG DR 1942, 1226. 4094 BGH NJW 1967, 825; 1982, 2432. 4095 Vor § 84 Rn 25; ebenso P. Ulmer S. 488/489, der allerdings die aus § 87 Abs. 3 in analoger Anwendung abzuleitende Verpflichtung des Unternehmers, einem nachfolgenden Vertragshändler die Beteiligung des ausscheidenden Vertragshändlers an dem Verdienst aufzuerlegen, außer Betracht läßt und deshalb der Analogie nur einen geringen praktischen Spielraum zubilligen will; aA BGH VersR 1960, 653 (655); Finger S. 147. 4096 AA Evans-v. Krbek S. 117. 4097 BGH WM 1987, 512 (Franchisenehmer); Hopt § 90a Rn 5; aA Staub/Brüggemann4 Vor § 84 Rn 26. 4098 Canaris § 17 Rn 23; aA Staub/Brüggemann4 Vor § 84 Rn 26. Emde

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verbots auf zwei – früher drei Jahre – (§ 90a Abs. 1 S. 2) gilt gleiches.4099 Zu kartellrechtlichen Problemen § 90a Rn 14. Am umstrittensten ist die Frage, ob dem Vertragshändler in analoger Anwendung des 597 § 89b ein Ausgleichsanspruch zusteht. Dazu s. Kommentierung zu § 89b.

5. Die Entlohnung des Vertragshändlers Was dem Vertragshändler der einzelne Abschluss einbringt, ist nicht eine Provision, sondern ist sei- 598 ne Handelsspanne („Marge“, „Rabatt“ oder „Differenz zwischen VK und EK“), aus der er sich bezahlt macht.4100 Der Vertragshändler braucht als 5 Ob 72/16y Geschäftsbesorger nicht unentgeltlich tätig zu werden. Er ist schon nach § 354 berechtigt, vom Unternehmer für die Übernahme der im Interesse des Unternehmers liegenden Vertragspflichten ein Entgelt zu verlangen.4101 Der Unternehmer schuldet dem Vertragshändler aber nicht die Zahlung bestimmter Beträge für den Vertrieb der Vertragswaren, sondern die Einräumung einer realistischen Handelsspanne.4102 Als Gegenleistung für die Absatzförderungspflicht des Vertragshändlers ist daher die Eröffnung einer weitgehend gesicherten Verdienstmöglichkeit durch die Teilnahme am Vertrieb zu qualifizieren.4103 Der Unternehmer soll verpflichtet sein, dem Vertragshändler einen Grundrabatt oder vergleichbare Vergütungen zuzusichern. Denn sonst stände der Leistung des Vertragshändlers allein der Wettbewerbsvorsprung durch die Teilnahme am Goodwill des Herstellers und die Beschränkung des Absatzes der Vertragswaren gegenüber. Damit würde sich der Vertragshändler, wenn er weitgehend in die Vertriebsorganisation des Herstellers eingegliedert und von dessen Weisungen und Entscheidungen abhängig ist, hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Existenz völlig in die Hände des Herstellers begeben.4104 Jedenfalls für Fälle enger Einbindung ohne wirtschaftlichen Bewegungsraum ist dem zuzustimmen. Problematisch ist allerdings, wie der Grundrabatt gesichert werden kann. Denn dem Händler dürfen keine Preisvorgaben gegeben werden. Er bestimmt folglich selbst die Höhe seiner Marge. Genzow4105 vertritt die Sittenwidrig- wie Nichtigkeit von Händlerverträgen mit unzureichenden Verdienstmöglichkeiten. Möglicher Erwerb aus dem Werkstatt- und Gebrauchtwagengeschäft dürfe bei Kfz-Händlerverträgen in die Gesamtbetrachtung der Verdienstmöglichkeiten nicht einbezogen werden, da die Kardinalpflicht des Neuwagenvertriebs allein im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der aus ihm stammenden Vergütung steht,4106 soweit dieser Rabatt überhaupt vom Hersteller geleistet wird (nur dann kann ein solches Gegenseitigkeitsverhältnis bestehen). Die Handelsspanne besteht entweder in der Differenz zwischen dem Verkaufspreis des Unternehmers an den Vertragshändler einerseits und dem vom Vertragshändler festgesetzten Preisen bzw. einer unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers andererseits. Gelegentlich wird sie in Höhe eines Abzuges von der üblichen Preisliste des Herstellers vereinbart. Dieser Rabatt wird als „Vertragshändlerrabatt“4107 bezeichnet. Das Recht zur Festsetzung der (ggf. unverbindlichen) Verkaufspreise folgt aus der Organisationsautonomie des Unternehmers, soweit es sich nicht um „Mondpreise“

4099 OLG München BB 1963, 1114. 4100 Eingehend Giesler/Vogels2 § 3 Rn 115 ff.; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87 Rn 148 ff. s. a. Habersack/Ulmer S. 14.

4101 Ulmer S. 282; Habersack/Ulmer S. 25. 4102 Ulmer S. 282; Habersack/Ulmer S. 22, 25. 4103 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15; BGHZ 124, 351 (362); Ulmer S. 282, 426 ff.; Habersack/ Ulmer S. 25. 4104 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 4105 Genzow kfz-Betrieb 8/2001, 24. 4106 Genzow kfz-Betrieb 8/2001, 24. 4107 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 117 f. 361

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handelt.4108 Hinzu treten oft Zusatzleistungen mit verhaltensbezogenem oder absatzorientiertem lenkenden Charakter, meist als „Bonus“ oder „Gratifikation“ bezeichnet.4109 Bei den Zuschüssen, Gratifikationen und Boni kann es sich um Nebenleistungen handeln, wenn diese für andere Leistungen als die Erfüllung der Vertriebspflicht gewährt werden.4110 Mit zunehmender Bekanntheit und Ausdifferenzierung des Vertriebssystems wird die eigentliche Marge oft zu Gunsten der lenkenden Boni und Gratifikationen zurückgefahren.4111 Die Handelsspanne liegt meist höher als die Provision eines HV, weshalb sie bei der Ausgleichsberechnung auf die Provision eines HV zurückgeführt werden soll. Im Kfz-Bereich dient etwa ein erheblicher Teil der Handelsspanne (8,5–11 %) der Erfüllung der CI-Kriterien der Hersteller sowie der Ausstattung der Werkstatt.4112 Hersteller sind bei der Gestaltung der Preise gegenüber ihren Vertragshändler nicht frei. Nimmt der Hersteller durch Abgabe einer echten unverbindlichen Preisempfehlung (UPE) Einfluss, darf er die Preise, zu denen er die Händler beliefert, nicht so festsetzen, dass ihnen keine angemessene Gewinnspanne verbleibt. Der Abgabepreis an die Händler und die UPE müssen entsprechend harmonisiert werden.4113 Einen Schwerpunkt hat die Rechtsprechung zum Vertragshändlerrecht und insb. zum Leistungs-/ Gegenleistungsverhältnis in ihren Entscheidungen zu Kfz-Vertragshändlern gefunden.4114 Wegen ihrer hohen Investitionen nehmen diese Händler eine Sonderstellung ein. Die zu ihnen ergangene Rechtsprechung lässt sich daher nicht in jedem Fall übertragen.4115 An Sonderaktionen der Hersteller, mit denen z. B. besonders ausgestattete oder besonders günstige Sondermodelle oder -aktionen vorgestellt werden, müssen sich Vertragshändler nicht beteiligen.4116 Besteht ein faktischer Beteiligungszwang verstößt dies gegen die dem Hersteller obliegende Treupflicht, sofern sich daraus spürbar nachteilige Auswirkungen auf die Verdienstmöglichkeiten des Händlers ergeben.4117 Eine solche Treupflichtverletzung kann angenommen werden, falls die dem Händler obliegende Beteiligung an der Sonderaktion der Höhe seiner Marge nahe kommt oder entspricht.4118 Ansonsten sind Sonderaktionen zulässig, sofern dem Vertragshändler die freie Entscheidung über die Beteiligung zusteht.4119

6. Preisanpassung – Anpassung des Händlerrabattes 599 Da zwischen Vertragsabschluss und möglichem Abschluss eines Einzelgeschäfts ein langer Zeitraum, ggf. Jahrzehnte, liegen kann, hat der Unternehmer ein besonderes Interesse, Preisänderungsklauseln in Vertragshändler- oder Franchiseverträge4120 einzufügen.4121 Deshalb behält sich der Unternehmer regelmäßig die Neufestsetzung der unverbindlichen Preisempfehlung vor.4122 Die Rspr. muss diesem Bedürfnis entgegenkommen und darf nicht zu einer kaum pratikablen Erstarrung der Preisfindung führen oder die Parteien auf die von keiner Partei gewollte 4108 4109 4110 4111 4112 4113 4114 4115 4116 4117 4118 4119 4120

Habersack/Ulmer S. 34. Westphal II Rn 484. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 121. Vgl. Habersack/Ulmer S. 14. Habersack/Ulmer S. 18. OLG München, Urt. v. 22.1.2004 – U (K) 3329/03, WuW DE-R 2004, 1260 (1262). Westphal II Rn 28. Martinek ZVertriebsR 2019, 273 schreibt ihnen eine „Vorreiterrolle“ zu. Westphal II Rn 28. Habersack/Ulmer S. 58. Habersack/Ulmer S. 58. Habersack/Ulmer S. 58. Habersack/Ulmer S. 58. Zu Franchiseverträgen: Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (289); Liesegang BB 1999, 857 (859); Ekkenga AG 1989, 301 (313); Liesegang BB 1991, 2381 (2384). 4121 Vgl. Nagel in: Stumpf/Jaletzke/Schultze, Der Vertragshändlervertrag3 Rn 398 ff.; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 124 ff.; Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (42). 4122 Habersack/Ulmer S. 14. Emde

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Änderungskündigung4123 verweisen. Leitbild ist § 315 BGB,4124 dessen Voraussetzungen soweit als möglich in der Preisanpassungsklausel konkretisiert werden müssen (s. u.): Ein Vertragshändler darf, so das OLG Frankfurt/M.,4125 nicht davon ausgehen, dass er die Vertragswaren über einen längeren Zeitraum stets zu dem bei Abschluss des Händlervertrages gültigen Preis beziehen kann. Dies gelte insb. bei einer Vertragslaufzeit von 3–5 Jahren und wenn es sich um kurzfristig verfügbare Massenwaren handele, und zwar sowohl bei der Vereinbarung von AGB wie im Falle einer Individualvereinbarung. Das Thema der Preisanpassung ist sensibel, weil der Hersteller durch übermäßige Preiser- 600 höhungen die Weiterführung des Vertrages i. S. e. „stillen Kündigung“ verhindern kann. Grenzen setzen sein Eigeninteresse am Verkauf und die Treupflicht, die willkürlich unangemessen unterschiedliche Preise zwischen den Vertragshändlern eines einheitlichen Vertriebssystems ausschließen.

a) Individualverträge. Meist handelt es sich bei der Preisanpassung um ein AGB-Problem 601 (s. u.), da es Individualverträge im Vertriebsrecht kaum gibt. Was in AGB zulässig ist, ist es natürlich erst recht in Individualverträgen. Vermeidet der Rahmenvertrag die Nennung der Bedingungen der Einzelgeschäfte, bestimmen sich diese nach dem Prinzip von Angebot und Annahme bei Abschluss des Einzelgeschäftes.4126 In Individualverträgen dürfte es zulässig sein, dem Mittler keine festen Preise zuzusichern. Individualvertraglich vereinbart unterliegen Preisanpassungsklauseln den Grenzen der §§ 138, 315 BGB.4127 Willkürliche Preisanpassungen überschreiten das Dispositionsrecht des Unternehmers und sind unwirksam. Ob dem Unternehmer auch ohne Vereinbarung ein an § 315 BGB orientiertes Leistungsbestimmungsrecht zusteht oder er es sich jedenfalls vertraglich vorbehalten kann, ist umstritten. Die Rspr hat dies teils zugelassen4128: So entschied das OLG Stuttgart,4129 Fiat dürfe aufgrund des Fehlens einer Rabattvereinbarung im Vertragshändlervertrag nach § 316 BGB die Rabatte für ihre Produkte gem. § 316 BGB bestimmen. Allerdings ist eine konkludente Margenvereinbarung denkbar,4130 etwa wenn über längere Zeit hinweg eine bestimmte Marge gewährt wurde und Einigkeit über den Ausschluss einer Preiserhöhung bestand. Da die Marge im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Vertriebspflicht des Vertragshändler steht, fragt sich allerdings, ob nicht in Wahrheit der Vertragshändler das Bestimmungsrecht i. S. d. § 316 BGB besitzt.4131 Außerdem wäre an eine Analogie zu § 87b Abs. 14132 oder an eine ergänzende Vertragsauslegung unter Rückgriff auf den hypothetischen Parteiwillen4133 zu denken. In jedem Fall schuldet der Unternehmer unter Treupflichtgesichtspunkten eine angemessene Ankündigungsfrist, damit sich der Vertragshändler auf Preis-

Vgl. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 63. Vgl. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 63. OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). OLG Frankfurt/M., Urt. v. 20.12.2012 – 11 U 45/12 (Kart), ZVertriebsR 2013, 42. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87b Rn 63. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 20.12.2012 – 11 U 45/12 (Kart), ZVertriebsR 2013, 42; OLG Stuttgart, Urt. v. 26.4.1996 – 2 U 35/95, zit. nach Habersack/Ulmer S. 38; die Revision wurde vom BGH durch Beschl. v. 7.5.1997 – VIII ZR 175/ 96 – nicht angenommen. 4129 OLG Stuttgart, Urt. v. 26.4.1996 – 2 U 35/95, zit. nach Habersack/Ulmer S. 38; die Revision wurde vom BGH durch Beschl. v. 7.5.1997 – VIII ZR 175/96 – nicht angenommen. 4130 Habersack/Ulmer S. 39. 4131 Habersack/Ulmer S. 43. 4132 Habersack/Ulmer S. 43. 4133 Habersack/Ulmer S. 46.

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änderungen einstellen kann. Eine Ankündigungsfrist, die der Frist zur ordentlichen Vertragskündigung entspricht, ist immer zulässig. Sie ist aus Sicht des Unternehmers aber regelmäßig zu lang. Die Angemessenheit der Ankündigungsfrist bestimmt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls. 3 Monate bilden mglw. eine hinreichende Spanne. Sieht sich ein Hersteller schwer kalkulierbaren Schwankungen der Rohstoffpreise ausgesetzt, kann für diesen Fall eine konkrete Preisanpassungsklausel im Vorwege kaum formuliert werden.4134 Sie darf dann auch nicht erwartet werden. Auch die Anforderungen an die Abstrahierung der Preisänderungsfaktoren in AGB (dazu oben zu wirksamen und unwirksamen AGB Stichwort („Änderungsvorbehalte“) können in diesem Fall herabgesetzt sein. 602 Werden die Verkaufspreise in einem Vertragshändlervertrag nicht ausdrücklich genannt, so besteht meist keine Einigung dahingehend, dass die zum Zeitpunkt der ersten Willenserklärung oder bei Vertragsschluss gültige Preisliste unverändert für die gesamte Vertragslaufzeit gelten soll.4135 U. U. liegt eine zumindest konkludente Einigung auf einen bestimmten Anfangspreis vor, ggf. durch Ausführung mehrerer Einzelgeschäfte. Falls Verkaufspreise im Händlervertrag genannt wurden, eine an § 242 BGB orientierte Auslegung diese Preise als fix erscheinen lässt und eine Preisänderungsklausel fehlt oder unwirksam ist, wird eine Preisänderung unzulässig sein. Sicher ist dies bei Vereinbarung eines Festpreises. Es gilt dann der Grundsatz „pacta sunt servanda“. Will der Hersteller dann die Preise erhöhen, muss er den Weg der Änderungskündigung einschlagen. Bei widerspruchsloser Hinnahme angemessener Preiserhöhungen in der Vergangenheit kann eine konkludente Preisänderungsklausel nach dem Maßstab des § 315 BGB vereinbart worden sein. Bleibt der Teil der Klausel wirksam, der eine Preisänderung generell zulässt und ergreift die Unwirksamkeit nur den Teil der Klausel, der die Bedingungen der Preiserhöhung regelt, gilt das dispositive Recht, also §§ 138 und ggf. 315 BGB (s. o.). Dessen Geltung ist angesichts des Umstandes, dass kein Händler von jahrelanger Preisstabilität ausgehen darf,4136 das mglw. sachgerechte Ergebnis. 603 Ein der Preiserhöhung folgendes Lösungsrecht des Vertragshändlers vom Vertrag entsprechend den für Endverbraucher geltenden Entscheidungen BGH ZIP 1984, 330 (333) und BGH ZIP 1989, 1196 (1198) besteht nicht.4137 Allerdings kann eine nicht gerechtfertigte Preiserhöhung dem Vertragshändler nach Abmahnung einen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach §§ 89a, 89b Abs. 3 S. 2 geben. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.4138

604 b) AGB. Was in Individualverträgen unwirksam ist, ist es erst recht in AGB. Näher oben zu wirksamen und unwirksamen AGB Stichwort („Änderungsvorbehalte“).

7. Änderungen des Sortiments 605 Was für das Preisänderungsrecht gilt, gilt entsprechend für Änderungen des Sortiments. Zu AGB s. o., „Änderungsvorbehalte“.

4134 BGH, Urt. v. 16.1.1985, BB 1985, 1223; 1985, 260, Nagel in: Stumpf/Jaletzke/Schultze, Der Vertragshändlervertrag3 Rn 408. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 20.12.2012 – 11 U 45/12 (Kart), ZVertriebsR 2013, 42. OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart). Giesler/Vogels2 § 3 Rn 130. BGH, Urt. v. 16.1.1985, BB 1985, 1223; 1985, 260, Nagel in: Stumpf/Jaletzke/Schultze, Der Vertragshändlervertrag3 Rn 408.

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8. Rückgaberecht/Rücknahmepflicht für Vertragsware nach Vertragsende Eine vor allem beim Vertragshändler diskutierte Förderungspflicht des Herstellers besteht darin, 606 dass er bei Vertragsende gehalten sein kann, den Händler beim Absatz der noch vorhandenen Lagerbestände zu unterstützen, etwa die Überleitung der Bestände auf den Nachfolger zu vermitteln (ggf. unter Abschlägen vom Einstandspreis) oder auch sie zurückzunehmen, sofern sie aus sachlich vertretbaren Vorausdispositionen herrühren.4139 Dies gilt besonders dann, wenn der Vertragshändler ein Lager oder bestimmtes Depot zu unterhalten gehabt hatte.4140 Auch im Teilegroßhandel besteht eine Rücknahmeverpflichtung.4141 Die Verpflichtung kann in gleicher Weise beim FN4142 akut werden.

a) Rechtsgrundlage der Rücknahmepflicht. Da es in Deutschland, anders als in Österreich 607 sektorspezifisch zum Kfz-Vertrieb,4143 keine ausdrückliche gesetzliche Regelung zum Rückkauf gibt,4144 handelt es sich um Richterrecht: Der Unternehmer ist selbst ohne ausdrückliche Rücknahmeverpflichtung verpflichtet, Lagerware und Ersatzteile nach Beendigung des (Kfz-)4145Vertragshändlervertrages,4146 eines Franchisevertrages4147 oder eines Werkstattvertrages4148 zurückzunehmen. Das Recht des Unternehmers, die Rückgabe zu fordern, ergibt sich nur bei fehlendem Eigentumserwerb des Händlers aus §§ 985, 667, 675 BGB, § 242 BGB.4149 Sonst folgt eine Rückkaufverpflichtung des Unternehmers nicht aus einer analogen Anwendung des HV-Rechts sondern aus der nachvertraglichen Treupflicht des Unternehmers,4150 ggf. aus einer vertraglichen Vereinbarung.4151 Der Händler hat, wenn die Vertragsbeendigung nicht aus einem von ihm zu vertretenden Grund erfolgte, einen Anspruch auf Rücknahme der Vertragswaren und Ersatzteile, die er aufgrund der Vorgaben des Herstellers in seinem Lagerbestand gehalten hat, sofern er zur Lager-

4139 P. Ulmer S. 472. 4140 BGHZ 54, 338 (343 ff.); Canaris § 17 Rn 48. 4141 BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 93/08; VIII ZR 91/08, NJW-RR 2010, 353 = WRP 2010, 393; aA OLG Frankfurt/ M., Urt. v. 4.3.2008 – 11 U 42/07; 11 U 45/07.

4142 Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 81. 4143 KraSchG, s. Moritz ZVertriebsR 2017, 143 (148). 4144 Das gilt für diejenigen, die §§ 985, 667, 675 BGB anwenden nur im Falle der häufiger vorkommenden Fallgruppe, in der der Mittler die Ersatzteile bereits zu Eigentum erworben und den Kaufpreis gezahlt hat, s. Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148. 4145 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume Rn 49. 4146 BGH NJW 1995, 524 = ZIP 1995, 1222; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179; OLG Köln, Urt. v. 1.3.2002 – 19 U 182/01; VersR 2002, 886; OLG Saarbrücken NJW-RR 1999, 106; Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (145 ff.); Schriefers BB 1992, 2158; Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (621). 4147 Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (8). 4148 Niebling WRP 2011, 1269 (1272); Niebling WRP 2006, 1334 (1335). 4149 OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.3.2012 – I-16 U 199/10, BeckRS 2012, 13564 – Motorrad-Vertragshändler (dort Rückkaufpflicht des Unternehmers wegen fehlender Neuwertigkeit der Ware und anderen Verkaufsmöglichkeiten des Händlers abgelehnt). Allerdings kann sich aus diesen Normen kein Rückkauf- sondern nur ein Rückgabeanspruch ergeben. 4150 BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, WRP 2007, 1210 = WM 2007, 2078; BB 1995, 113 ff. = WM 1994, 1121 (1130); WM 1988, 1344 (1349 f.) = ZIP 1988, 1182; BB 1970, 1458; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume Rn 49; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179; Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (146); Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (8); Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 173. 4151 BGH NJW-RR 1999, 106; ZIP 1994, 461 ff.; ZIP 1988, 1182. 365

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haltung (ggf. konkludent, weil anders ein Vertrieb nicht möglich war) verpflichtet war.4152 Es wäre ungerecht, wenn der Vertriebsmittler das Absatzrisiko allein tragen müsste.4153 Der Händler soll jedoch nur die Folgen seiner Verpflichtung gegenüber dem Unternehmer, nicht auch das Risiko darüber hinausgehender eigener Entscheidungen auf diesen abwälzen können.4154 Enthält ein Vertrag einerseits die Verpflichtung zur Vorhaltung eines „angemessenen Lagers“ und andererseits eine Bevorratungsempfehlung, so besteht eine Lagerpflicht und eine Rücknahmepflicht.4155 Davon abgrenzend soll keine Rückkaufverpflichtung bestehen, wenn die Lagerpflicht nur sehr allgemein gefasst ist und der Händler den konkreten Lagerumfang bestimmt.4156 Das soll insb. gelten, falls die Lagerhaltung teilweise auch darauf beruht, dass der Händler bei dem Unternehmer größere Mengen bestellte, um in den Genuss eines Mengenrabatts zu gelangen.4157 Ebenso wenig soll die Pflicht zur Rücknahme bestehen, sofern die Verpflichtung besteht, alle Anstrengungen zu unternehmen, den erwarteten Bedarf an Ersatzteilen zur Erfüllung des Service durch Vorhalten eines entsprechenden Lagers im vereinbarten Umfang zu erfüllen, jedoch eine Abrede über den „vereinbarten Umfang“ fehlt.4158 Wirtschaftliche Interessen des Mittlers, die die Lagerhaltung fördern, genügen nicht, um den Rücknahmeanspruch zu begründen. Deshalb ist es nicht ausreichend, wenn eine Verpflichtung zu einen Mindestersatzteilumsatz von 30.000 EUR besteht, das Unterschreiten dieses Wertes aber nur zur Folge hat, dass Ersatzteile nicht mehr direkt vom Hersteller sondern nur noch von einem anderen Händler bezogen werden können.4159 Auch fehle in dieser Situation ein faktischer Druck zur Lagerhaltung,4160 der als konkludenter „Lagervertrag“ grds. genügen würde. Daher reicht es auch nicht, wenn der Hersteller durch Aktionen und Rabatte einen Anreiz zur Abnahme vieler Ersatzteile schaffen wollte.4161 Die Rücknahmepflicht besteht hingegen, wenn sich ein neuer Händlervertrag anschließt4162 oder der vorherige Händler autorisierte Werkstatt des Herstellers4163 bleibt. Denn eine Beendigung des Vertrages liegt nicht nur vor, wenn zwischen den Parteien überhaupt keine Vertragsbeziehungen mehr bestehen.4164 Dass der BGH die Rücknahmepflicht auch aus Treupflichten hergeleitet hat, weil Sinn und Zweck der auferlegten Lagerhaltung entfallen seien und dem Händler eine Veräußerung des Lagerbestandes wegen der veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mehr zumutbar sei, rechtfertigt nicht den Umkehrschluss, das Vorhalten eines Ersatzteillagers sei weiterhin im vollen Umfang sinnvoll.4165 Damit hob der BGH die Vorinstanz OLG Frankfurt/M.4166 auf, nach der eine ergänzende Vertragsauslegung den Rückkaufanspruch ausschloss, weil bei Abschluss der Rückkaufklausel die Möglichkeit der Fortsetzung des Händlervertrages durch einen Werkstattvertrag nicht vorherzusehen war. Gleichwohl bestand auch nach Ansicht des OLG Frankfurt/M. der Rücknahmeanspruch, falls die Werkstatt nicht oder nicht mehr in zumutbarem Maße die Möglichkeit besitzt, das Ersatzteillager zu amortisieren. Für eine 4152 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume Rn 49; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179; Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148.

4153 Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (145). 4154 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume Rn 49; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.7.2018 – 14 U 37/17, IHR 2019, 244 (246). OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.3.2019 – 12 U 37/18, ZVertriebsR 2019, 327 = BB 2019, 2260 m. Anm. Thume Rn 55. OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (596) – sehr streng. OLG München, Urt. v. 5.12.2019 – 23 O 2136/18, BB 2020, 592 (596). OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.7.2018 – 14 U 37/17, IHR 2019, 244 (246). OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.7.2018 – 14 U 37/17, IHR 2019, 244 (247). OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.7.2018 – 14 U 37/17, IHR 2019, 244 (247). OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.7.2018 – 14 U 37/17, IHR 2019, 244 (248). BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 93/08; v. 9.12.2009 – VIII ZR 91/08, NJW-RR 2010, 353 = WRP 2010, 393. BGH, Urt. v. 18.6.2008 – VIII ZR 154/06, DB 2008, 1913; v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, WRP 2007, 1210 = WM 2007, 2078, Rn 24; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.8.2006 – 11 U 13/06 (Kart), WRP 2006, 1387 = WM 2007, 2078; Niebling WRP 2010, 81 (82). 4164 BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, WRP 2007, 1210 = WM 2007, 2078 = NJW-RR 2008, 1371 Rn 25. 4165 BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, WRP 2007, 1210 = WM 2007, 2078 = NJW-RR 2008, 1371 Rn 27. 4166 Urt. v. 31.3.2006 – 21 U 25/05, WRP 2006, 1384; zust. Wendel/Ströbl WRP 2006, 1336 ff.

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Rücknahmepflicht spricht bereits das Formulierungsrisiko (§ 305c BGB) des Herstellers, der „Mitzieheffekt“ des Verkaufs für das Werkstattgeschäft und die nach Wegfall des Verkaufs reduzierten Reparaturaufträge. Bestenfalls kann der Rückkaufanspruch ausscheiden, wenn die Zusammenarbeit auf der Grundlage eines im Wesentlichen übereinstimmenden Vertrags fortgesetzt wird.4167 Ein solcher Ausnahmefall ist nicht schon automatisch gegeben, sobald sich an den bisherigen Vertrag, der sowohl das Neuwagen- als auch das Werkstattgeschäft umfasste, ein neuer Händlervertrag (für den Kfz-Vertrieb) und ein Werkstattvertrag anschließen. Es kommt vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung der neuen Verträge, d. h. darauf an, ob die Geschäftsbeziehung auch hinsichtlich des Ersatzteilgeschäfts im Wesentlichen unverändert fortgeführt wird.4168 Dazu dürfen dem weiteren Absatz der Ersatzteile durch den Händler im Vergleich zur bisherigen Geschäftsbeziehung keine unzumutbaren Schwierigkeiten entgegenstehen. Solche Schwierigkeiten treten aber ein, falls unter dem neuen Vertrag der Ersatzteilgroßhandel entfällt, welcher 70 % des Geschäftes erfasst.4169 Ausgenommen von der Rückkaufpflicht sind Teile, zu deren Bevorratung als Mindestbestand der bisherige Händler nach dem neuen Servicevertrag verpflichtet ist.4170 Aus der kulanzweisen Rücknahme von Ersatzteilen kann keine Verpflichtung zur Rücknahme entnommen werden.4171

b) Grund der Vertragsbeendigung. Soweit der Händler die Kündigung alleine verschuldet hat, 608 besteht keine Rückkaufpflicht.4172 Dazu muss ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens vorliegen, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigt hätte. Der Händler soll sich nicht auf die nachvertragliche Treuepflicht als Rückkauftatbestand berufen dürfen, wenn er sich zuvor selbst vertragswidrig verhielt.4173 Für jene Situation darf jede Rücknahme auch formularvertraglich ausgeschlossen werden. Hat der Händler das Vertragsende allein oder überwiegend vertreten, ohne dass ein wichtiger Kündigungsgrund besteht, dürfte die Rücknahmepflicht aus Treupflicht bestehen bleiben.4174 Nach aA ist ein Rekurs auf die Treupflicht des Unternehmers zumindest ausgeschlossen, wenn der Händler die Vertragbeendigung allein verschuldet hat.4175 Eine vertragsgemäße Eigenkündigung4176 oder die Ablehnung eines Folgevertrages4177 bilden als gesetzlich gestattetes Verhalten kein Verschulden des Händlers. Im umgekehrten Falle, bei außerordentlicher Kündigung des Händlers wegen schuldhaften Verhaltens des Herstellers, drohen dem Unternehmer Schadensersatzansprüche des Händlers aus § 89a Abs. 2 analog.4178 Eine Verpflichtung zur Lagerhaltung ist, wenn der Schadenersatzanspruch eingreift, keine

4167 BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 93/08 Rn 15; v. 9.12.2009 – VIII ZR 91/08, NJW-RR 2010, 353 = WRP 2010, 393; Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148.

4168 AA Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148: Eine wesentlich übereinstimmende Vertragsfortführung soll fehlen, sofern ein Händlervertrag als Werkstattvertrag fortgeführt oder durch einen Kommissionsagentenvertrag ersetzt wird.

4169 BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 93/08 Rn 17; v. 9.12.2009 – VIII ZR 91/08, NJW-RR 2010, 353 = WRP 2010, 393. 4170 BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 93/08; v. 9.12.2009 – VIII ZR 91/08, NJW-RR 2010, 353 = WRP 2010, 393; v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, WM 2007, 2078 Rn 37; v. 18.6.2008 VIII ZR 154/06, WM 2008, 2076; Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148. 4171 OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.7.2018 – 14 U 37/17, IHR 2019, 244 (248). 4172 BGHZ 54, 338 (346); BGH, Urt. v. 25.5.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077 = ZIP 1988, 1182; Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148; Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 175. 4173 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148. 4174 AA Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 176; offen gelassen von BGHZ 128, 67. 4175 BGH NJW-RR 1988, 1077 (1081); NJW 1971, 29 (31); OLG München BB 1998, 1332; Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 405; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (147). 4176 BGH BB 1995, 113 (114) = NJW 1995, 524 (525); 1988, 2201; Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 405; Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 177; Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (147). 4177 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148. 4178 Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (147); Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 40 ff. 367

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Anspruchsvoraussetzung.4179 Da die Nichtverwertbarkeit oder die erschwerte Verwertbarkeit (je nachdem, ob der Mittler die Ware noch absetzen darf) durch die Kündigung hervorgerufen wurde, muss der Warenbestand vom Unternehmer, unbeschadet weitergehender Verpflichtung zum Ersatz des dem Händler entstehenden Umstellungsschadens gem. § 249 BGB (Naturalrestitution), zumindest gegen Erstattung des Einstandspreises oder gegen Verzicht auf den noch ausstehenden Kaufpreises zurückgenommen werden.4180 Weitergehender, entgangener Gewinn ist gem. § 252 BGB zu erstatten,4181 ersparte Aufwendungen sind ggf. abzuziehen,4182 § 254 BGB mag anwendbar sein.4183 Haben beide Parteien die Vertragsbeendigung verschuldet, wird die Rücknahmepflicht unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verursachungsanteile eingeschränkt.4184 In diesem Fall bleibt die Rücknahmepflicht in vollem Umfang bestehen; die Rücknahmevergütung ist jedoch angemessen herabzusetzen.4185 Hat keiner der Parteien die Vertragsbeendigung zu vertreten, steht dem Händler ein Anspruch auf Rücknahme der Lagerwaren zu.

609 c) Vertragliche Bestimmung des Rücknahmerechts. Das Rücknahmerecht darf vertraglich geregelt und konkretisiert werden. Bezieht sich die vertraglich vereinbarte Rückkaufpflicht auf fabrikneue Ware, so besteht die Rückkaufpflicht nicht, wenn seit der Herstellung mehr als 12 Monate vergangen sind und eine mehrmonatige Zulassung des Kfz zum Straßenverkehr vorliegt.4186 Auch eine Rücknahmepflicht aus § 242 BGB existiert bei derartiger Ware nicht.4187 Die eine Rücknahmepflicht regelnde Klausel darf nicht „einschränkend“ bzw. „ergänzend“ so ausgelegt werden, dass die Rücknahme ausscheidet, falls sich an den beendeten Händlervertrag ein neuer Händlervertrag anschließt4188 bzw. die Rücknahmepflicht nur besteht, sofern der Händler im Einzelfall auf Grund der veränderten Verhältnisse nicht mehr oder nicht mehr im zumutbaren Maße, insbesondere innerhalb eines angemessenen Zeitraumes, die Möglichkeit hat, das Ersatzteillager zu amortisieren.4189 Der Hersteller darf nach § 89a Abs. 2 HGB, § 280 BGB, § 249 BGB im Wege der Naturalrestitution verlangen, dass der Händler auf die Klausel verzichtet, sollte der Händler das Vertragsende alleine pflichtwidrig verschuldet haben. Das wird nur erforderlich sein, sofern die Klausel für diesen Fall eine Rücknahmepflicht vorsieht.

610 d) Vertragliche Beschränkung des Rücknahmerechts. Individualvertraglich dürfen die Parteien den Rücknahmeanspruch innerhalb der Grenzen der §§ 138, 242 BGB festsetzen oder ausschließen,4190 außer für Fälle vorsätzlicher Schädigung.4191 Hat der Hersteller die Ver4179 Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 41. 4180 BGHZ 54, 338 = BB 1970, 1458; BGH BB 1995, 113 (114); Kleinmann/Siegert BB 2006, 785 f.; Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 173; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (147); die Kritik von Finger in der Anm. zu BGHZ 54, 338 in NJW 1971, 555 verkennt, dass der BGH hier nur den Grundsatz der Naturalrestitution angewandt hat. 4181 Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (148). 4182 Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (148); Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 42. 4183 Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (148); Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 43. 4184 BGHZ 54, 338 (346 f.); BGH ZIP 1988, 1182 (1187 f.); Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 406; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (147). 4185 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 406. 4186 OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.3.2012 – I-16 U 199/10, BeckRS 2012, 13564. 4187 OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.3.2012 – I-16 U 199/10, BeckRS 2012, 13564. 4188 BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 93/08; v. 9.12.2009 – VIII ZR 91/08, NJW-RR 2010, 353 = WRP 2010, 393; v. 18.6.2008 – VIII ZR 154/06, DB 2008, 1913. 4189 BGH, Urt. v. 18.6.2008 – VIII ZR 154/06, DB 2008, 1913. 4190 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 412. 4191 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (151). Emde

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tragsbeendigung zu vertreten bzw. trifft den Händler keine Verantwortung,4192 ist eine Beschränkung des Rücknahmeanspruchs im Formularvertrag unzulässig. Zu Formularklauseln s. o. zu wirksamen und unwirksamen Klauseln. Möglicherweise wird man Andeutungen des BGH entnehmen können, dass die Rückkaufpflicht auf einen vorgegebenen Mindestlagerbestand begrenzt werden darf.4193 Sofern eine AGB den Unternehmer zum Rückkauf der bei dem Händler befindlichen Vertragsware berechtigt, jedoch nicht verpflichtet, lässt sich keine Pflicht zum Rückkauf herleiten.4194

e) Umfang der Rücknahmepflicht. Grundsätzlich bezieht sich die Rücknahmepflicht auf das 611 gesamte Lager,4195 soweit die Pflicht zur Bevorratung ging,4196 egal welchen Alters, insb. auch auf Tageszulassungen bei Kfz, je nach Alter auch auf Vorführwagen. Übermäßige Bestände, die aufgrund von Dispositionsfehlern des Händlers gehalten werden, müssen nicht zurückgenommen werden.4197 Verweigert der Händler eine Rücknahme, steht dies einem Dispositionsfehler gleich.4198 Trotz des Zurückweisungsrechts bei Teilleistungen, darf sich der Händler darauf beschränken, nur einen Teil der Lagerbestände zurückzugeben.4199 Denn hierdurch wird der Unternehmer nicht belastet. Nach Ansicht von Wauschkuhn4200 widerspricht eine teilweise Rückgabe des Lagers dem Interesse des Unternehmers. Nur eine Komplettrückgabe sei möglich. Der Unternehmer müsse die Möglichkeit besitzen, die schlechteren Verkaufschancen weniger verkaufsfähiger Teile durch die besser gängiger Teile zu kompensieren.4201 Das Problem stellt sich nur, wenn der Händler unklug genug war, die Teilrückgabe zu thematisieren. Grunds. sind nur vom Unternehmer oder einem von ihm benannten Dritten erworbene Waren zurückzunehmen.4202 Die Rücknahmepflicht erstreckt sich aber auch auf Waren, die der Händler zum Zwecke der Eigenfinanzierung an eine konzerneigene Bank des Herstellers sicherungsübereignet hat.4203 Dies gilt auch, wenn die Rücknahmepflicht nur für „im Eigentum des Händlers stehende Ware“ vereinbart wurde.4204 Zumindest im selektiven Vertrieb4205 ist der Hersteller nach der Honda-Entscheidung des BGH4206 zudem verpflichtet, nicht vom Hersteller bezogene Lagerware zurückzunehmen (Art. 4 lit. d GVO 330/10).4207 Dies wird von Kleinmann/Siegert4208 zu Unrecht bemängelt. Letztlich stammt die Ware auch hier vom Unternehmer. Ob auch unbenutzte Spezialwerkzeuge, die vom Händler auf Veranlassung des Unternehmers angeschafft wurden, ohne vertragliche Regelung rücknahmefähig sind, wird uneinheitlich beur-

BGHZ 128, 67; Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 178. BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 93/08 Rn 19; VIII ZR 91/08, NJW-RR 2010, 353 = WRP 2010, 393. OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.3.2012 – I-16 U 199/10, BeckRS 2012, 13564. Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (149); Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (146). Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (146). OLG Saarbrücken NJW-RR 1999, 106; Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (149). Kleinmann/Siegert BB 2006, 785 (788). Unentschieden Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 403; differenzierend nach Anspruchspruchsgrundlagen Stumpf/Jaletzke/Schultze 689 f.; dagegen: LG Frankfurt/M. BB 1977, 1475. 4200 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (149). 4201 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (149). 4202 Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (146). 4203 KG BB 1999, 1518 mit Anm. Graf v. Westphalen; Emde VersR 2001, 148 (165). 4204 KG BB 1999, 1518 mit Anm. Graf v. Westphalen. 4205 Auf ihn beschränken Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (146) den Anwendungsbereich der Honda-Entscheidung. 4206 BGH ZIP 2005, 1785; aA OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.7.2005 – 1 U 532/04, BeckRS 2005, 11628. 4207 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (149). 4208 BB 2006, 785 ff.

4192 4193 4194 4195 4196 4197 4198 4199

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teilt.4209 Die Rücknahme wird in diesem Fall als Naturalrestitution nur über einen Investitionsersatzanspruch (dazu Komm. zu § 89) erfolgen können,4210 notfalls kann der Rücknahmeanspruch auch hier aus der Treupflicht hergeleitet werden. Darauf, dass die Vertragsware originalverpackt ist, dürfte es nicht ankommen,4211 es genügt, dass sie in neuwertigem und unbenutztem Zustand ist.4212 Ein Entfernen der Verpackung, die für die Rechtsdurchsetzung erforderlich ist, etwa durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen, bleibt ohnehin irrelevant. Für den Rücknahmeanspruch gelten die §§ 346 ff. BGB analog.4213

612 f) Rücknahmepreis. Fehlt es an einer Vereinbarung (dann wäre sie vorrangig) über den zu entrichtenden Preis, so finden die §§ 346 ff BGB entsprechende Anwendung.4214 Der Rücknahmepreis entspricht in diesem Fall grds. dem Zeitwert, im Zweifel dem Einkaufspreis im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung, mindestens4215 jedoch dem vom Händler entrichteten Kaufpreis4216 – § 346 Abs. 1 BGB (wobei angeblich gewährte Boni und Rabatte abzuziehen sind).4217 Hat der Unternehmer die Vertragsbeendigung verursacht und schuldet gem. § 89a Abs. 2 analog Schadenersatz, muss er unstrittig den vollen berechneten Preis zahlen.4218 In diesem Fall besitzt der Händler auch einen Anspruch auf Ersatz des ihm durch den Rückkauf entgangenen Gewinn.4219 Dieser Schadenersatzanspruch ist nicht ausgeschlossen, nur weil der Händler die Vertragsbeendigung mitverschuldet hat.4220 Es findet aber § 254 BGB Anwendung.4221 Die Berechnung kann in der Weise geschehen, dass der Unternehmer das Warenlager zurückkaufen muss, jedoch nur einen der beidseitigen Verantwortung entsprechenden Teil der Vergütung zu zahlen hat.4222 Von dem Rücknahmepreis können die vom Händler gezogenen Nutzungen (§ 346 Abs. 1 BGB) bzw. deren Wert (§ 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB) abgezogen werden, was etwa für Vorführgeräte von Bedeutung sein kann.4223 Wertersatz hat der Händler zu leisten bei einer Verarbeitung oder Umgestaltung der Lagerware (§ 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder bei einer Verschlechterung, die über die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme hinausgeht (§ 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB).4224 Bei Vorführwaren liegt die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme im Vorführzweck. Ihr Gebrauchsvorteil führt nicht zu einer Ersatzpflicht des Händlers gem. § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB.4225 Durch eine lange Lagerdauer kann eine erhebliche Wertminderung 4209 Dagegen: OLG Frankfurt/M. BB 1982, 209; LG Köln, Urt. v. 8.11.2001 – 86 O 120/99, n. v.; Westphal II Rn 660; Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 702; Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (151).

4210 Genzow Rn 135; Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 401. 4211 AA wohl BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, NJW-RR 2007, 1697; OLG Frankfurt/M, Urt. v. 5.4.2006 – 2110/ 06, BeckRS 2006, 12472; OLG Köln, Urt. v. 1.3.2002 – 1962/01, NJOZ 2002, 2175; OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.7.2005 – 1 U 532/04, BeckRS 2005, 11628; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179. 4212 OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179. 4213 BGH NJW 1994, 1060 (1067); NJW 1972, 1191; Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (146). 4214 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (150). 4215 AA Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (146): Wertminderung durch Lagerdauer schon bei der Bestimmung des Kaufpreises und nicht erst als Schadenersatzanspruch zu berücksichtigen. 4216 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (150): Eine Wertminderung soll nach Wauschkuhn auf den Rücknahmepreis anzurechnen sein, so dass auch nach ihm i. d. R. der Rücknahmepreis dem Verkaufswert der zurückzunehmenden Produkte zum Zeitpunkt der Rücknahme entspricht. 4217 BGH NJW-RR 1988, 1077 (1081); NJW 1971, 29 (31); KG BB 1999, 1518; OLG München BB 1996, 1685 (1686); Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (150). 4218 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (150). 4219 Kleinmann/Siegert BB 2006, 785 (789, 791). 4220 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (151). 4221 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (151). 4222 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (151). 4223 Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (146). 4224 Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (146). 4225 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 416. Emde

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der Ware eintreten. Fehler oder Wertminderung der zurückzugebenden Gegenstände stehen der Rücknahmepflicht zwar nicht grds. entgegen. Da der Händler das Lagerrisiko nicht grds. trägt,4226 ist ein über § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB hinausgehender Abzug vom Einkaufspreis für die Wertminderung nur bei vom Händler verschuldeter Verschlechterung in Form eines Schadensersatzanspruchs anzuerkennen,4227 mglw. auch sofern der Händler die Beendigung des Vertrages verschuldet hat.4228 Es besteht aber keine Vermutung dafür, dass bei der zurückzugebenden Lagerware eine Wertminderung eingetreten ist.4229 Eine Reduzierung des Rückkaufspreises in Höhe von 10 % des Netto-Einkaufspreises wegen zu erwartender Verwertungsverluste ist auch mittels AGB zulässig.4230 Da Grund des Abzuges von 10 % der mit der Neueinlagerung zahlreicher Einzelteile verbundene Verwaltungsaufwand des Lieferanten ist, kann diskutiert werden, ob die Reduzierung bei der Rückgabe von Vertragsware angemessen ist, die in leicht überschaubarer Anzahl erfolgt4231 – Gegenargument: Wertminderung. Befindet sich der Hersteller mit der nach Vertragsende geschuldeten Rücknahme der Teile im Annahmeverzug, darf der Händler gem. § 304 BGB i. V. m. § 354 HGB für die Dauer des Annahmeverzugs des Herstellers die ortsüblichen Lagerkosten beanspruchen.4232

g) Fälligkeit des Rücknahmeanspruchs. Mangels vertraglicher Bestimmung wird der An- 613 spruch mit Beendigung des Händlervertrags fällig.4233 Eine Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Rückkaufes existiert kraft Gesetz nicht. Der Händler braucht den Rückkauf noch nicht einmal binnen angemessener Frist zu fordern.4234

h) Verjährung und Verwirkung. Die Verjährungsfrist für den Rückkaufanspruch beginnt mit 614 Beendigung des Händlervertrags zu laufen. Nur weil der Hersteller den Rücknahmeanspruch ablehnt, handelt es sich um keine zweifelhafte Rechtsfrage, für die die Verjährung zu einem späteren Zeitpunkt zu laufen beginnt.4235 Ohne (wirksame) Fristregelung zur Rücknahme kann der Rückkauf innerhalb der allgemei- 615 nen Verjährungs- oder Verwirkungsfrist gefordert werden;4236 vor Ablauf der Verjährungsfrist ist eine grundsätzlich denkbare4237 Verwirkung kaum denkbar. In Abwesenheit einer vertraglichen Regelung kommt ein Ausschluss binnen eines Jahres nach Vertragsende nicht in Betracht.4238 4226 Der Hersteller verpflichtet den Händler zur Lagerhaltung, so dass wohl dem Unternehmer das Lagerrisiko zugewiesen werden muss. Weiter verpflichtet § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB nur zum Wertersatz für eine Verschlechterung, die über die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme (Lagerhaltung) hinausgeht. 4227 BGH NJW 1972, 1191 (1192); Schriefers BB 1992, 2161; aA Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (146): reduziert bereits ohne Verschulden den Rückkaufpreis. 4228 BGHZ 54, 338. 4229 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 414; Westphal II Rn 662. 4230 Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (150). 4231 Giesler/Köhnen1 § 3 Rn 420. 4232 BGH, Urt. v. 22.3.2006 – VIII ZR 173/04, WM 2006, 1403. 4233 OLG Frankfurt/M., Hinweisbeschl. v. 23.3.2010 – 11 U 5/10 (Kart), BeckRS 2010, 21415; Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (149); Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (147). 4234 Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 188; aA Wauschkuhn ZVertriebsR 2019, 148 (149); Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (147). Begründung nachvertragliche Treupflicht des Händlers und Verschlechterung der Ware fordert rasche Erklärung. Die Angemessenheit der Frist richte sich nach dem Umfang des Warenlagers, den technischen Erfassungsmöglichkeiten und der Art der Produkte. Bei Produkten mit hoher Umschlagsgeschwindigkeit ist die Frist kürzer als bei anderen. Aber selbst für § 89b gilt eine Jahresfrist. 4235 OLG Frankfurt/M., Hinweisbeschl. v. 23.3.2010 – 11 U 5/10 (Kart), BeckRS 2010, 21415. 4236 OLG Köln, Urt. v. 1.3.2002 – 19 U 182/01, NJOZ 2002, 2375 = OLGR 2002, 221 = VersR 2002, 886. 4237 Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 416; Kleinmann/Siegert BB 2006, 785 (789). 4238 AA Niebling Vertragshändlerrecht2 Rn 188. 371

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Der Händler muss bei Vertragsbeendigung einen kompletten Geschäftsbetrieb abwickeln. Deshalb sind keine strengen Voraussetzungen zu stellen.4239 Ein gekündigter Kfz-Vertragshändler verwirkt seinen Anspruch gegen den Hersteller auf Rückkauf des Ersatzteillagers nicht deswegen gemäß § 242 BGB, weil er den Anspruch erst nach rechtskräftigem Abschluss eines zwischen den Parteien geführten Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung des Händlervertrages geltend macht.4240 Vor Entscheid des Rechtsstreites hat der Händler keinen Anlass, den Rückkauf zu fordern, weil er von dem Fortbestehen des Vertrages ausgeht. Ältere Ersatzteile könnten noch für die Reparatur älterer Kfz verwendet werden.4241

616 i) Darlegungs- und Beweislast. Es ist grundsätzlich Sache des Händlers, das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Rückkaufanspruch darzulegen und zu beweisen.4242 Die Originalverpackung sowie die Fabrikneuheit der Ersatzteile darf der Hersteller bestreiten,4243 nach einer Überprüfung.4244 Unterlässt er die Überprüfung, kann das Bestreiten unsubstantiiert sein.4245 Alle zum Rückkauf angebotenen Ersatzteile sind aufzulisten und dem Unternehmer mitzuteilen, und zwar – soweit zur Identifikation erforderlich (und nur dann) – nach Nummer, Teilebezeichnung, Bestandszahl und Preis.4246 Mehr ist auch in einer Klage nicht gefordert.4247 Der Händler hat nicht für jedes einzelne Teil in der Aufstellung die Erfüllung der Rücknahmevoraussetzungen darzulegen.4248 Die Bezugsquelle braucht nicht benannt zu werden.4249 Nach der vom BGH abgelehnten Ansicht des LG Frankfurt/M., derzufolge bei einem auf den Vertragshändlervertrag folgenden Servicevertrag nur die für den Weiterverkauf vorgesehenen Teile zurückzunehmen waren, sollte der Händler nachweisen müssen, dass die von ihm zum Rückkauf geforderten Teile nicht für den Werkstattbereich vorgesehen waren.4250 Der Tatrichter muss ggf. durch Beweisaufnahme die Rücknahmefähigkeit der Ersatzteile feststellen.4251 Das pauschale Bestreiten des Herstellers, dass die Ware von ihm bezogen wurde, dürfte in den meisten Fällen irrelevant bleiben. Er kann aufgrund eigener Aufzeichnungen feststellen, ob er die Ware veräußert hat4252 (soweit dieses Bestreiten nach der Honda-Entscheidung4253 – Recht auf Rückgabe der durch Querbezug erworbenen Ware – überhaupt bedeutsam ist). Bei Vorhandensein von Originalvertragsware soll zudem ein Anscheinsbeweis dafür bestehen, dass der Händler die Ware beim Unternehmer erworben hat.4254

4239 AA Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 139 (147), die auf das Interesse des Unternehmers auf rasche Abwicklung und die begrenzte Verkaufsfähigkeit der Teile verweisen.

4240 OLG Köln, Urt. v. 1.3.2002 – 19 U 182/01, NJOZ 2002, 2375 = OLGR 2002, 221 = VersR 2002, 886. 4241 OLG Köln, Urt. v. 1.3.2002 – 19 U 182/01, NJOZ 2002, 2375 = OLGR 2002, 221 = VersR 2002, 886. 4242 BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, WRP 2007, 1210 = WM 2007, 2078 = NJW-RR 2007, 1697 Rn 45; BGH, Urt. v. 20.9.2006 – VIII ZR 127/04, BeckRS 2006 12687, II 1 b; Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (621). BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, NJW-RR 2007, 1697 (1702) Rn 47. OLG Köln, Urt. v. 1.3.2002 – 19 U 182/01, NJOZ 2002, 2375 = OLGR 2002, 221 = VersR 2002, 886. OLG Köln, Urt. v. 1.3.2002 – 19 U 182/01, NJOZ 2002, 2375 = OLGR 2002, 221 = VersR 2002, 886. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.9.2013 – 16 U 61/11, BeckRS 2014, 11111; Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (621). 4247 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.9.2013 – 16 U 61/11, BeckRS 2014, 11111. 4248 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.9.2013 – 16 U 61/11, BeckRS 2014, 11111. 4249 Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2009, 618 (621). 4250 LG Frankfurt/M., Urt. v. 20.6.2007 – 3-4 O 187/06, BeckRS 2010, 00576. 4251 BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, WRP 2007, 1210 = WM 2007, 2078 Rn 48. 4252 OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2007 – U (Kart) 22/06, BeckRS 2007, 07179; OLG Köln, Urt. v. 1.3.2002 – 19 U 182/ 01, NJOZ 2002, 2375 = OLGR 2002, 221 = VersR 2002, 886. 4253 BGH ZIP 2005, 1785; aA OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.7.2005 – 1 U 532/04, BeckRS 2005, 11628. 4254 Vogels/Giesler/Köhnen1 § 3 Rn 397.

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j) Rückkaufrecht des Unternehmers. Spiegelbildlich zur Rückkaufverpflichtung des Unter- 617 nehmers darf dem Händler vertraglich eine Rückverkaufspflicht auferlegt werden.4255 Diskutiert wird, ob sie sich spiegelbildlich der Rückkaufverpflichtung aus den Treupflichten ergibt, insb. im selektiven Vertriebssystem.4256 Dagegen könnte sprechen, dass ein nachvertragliches Verkaufsverbot des Händlers die Eigennutzung (er wurde Eigentümer!) nicht ausschließt. In jedem Fall muss das Rückkaufrecht Waren ausnehmen, die für die Erfüllung vor Vertragsende geschlossener Kaufverträge mit Abkäufern des Händlers erforderlich sind (in Individualverträgen ggf. einschränkende Vertragsauslegung in diesem Sinne möglich). Anderenfalls würde der Händler zum Vertragsbruch gezwungen. Erst recht darf eine solche Rückgabevereinbarung nicht für den Fall der vom Unternehmer verschuldeten Kündigung getroffen werden. Ohne vertragliche Vereinbarung dürfte sich aus der nachvertraglichen Treuepflicht kein Recht des Unternehmers auf Rückforderung der Lagerware ergeben.4257 Das gilt auch im selektiven Vertriebssystem.4258 VII. Franchiserecht Schrifttum Jacobsen/Schäfer Vorvertragliche Aufklärungspflichten – Darstellung am Beispiel des Franchising, ZAP 2008, 1085; Marx/Löffler Die bilanzielle Abbildung besonderer Entgelte beim Franchising, DB 2012, 1337; Rafsendjani Vorvertragliche Aufklärungspflichten für das Franchising: Materiellrechtliche Vorgaben und deren prozessuale Bedeutung, DB 2015, 2007.

Die deutsche Franchise-Wirtschaft wächst stetig. 980 Franchise-Systeme haben zusammen mit 618 66.900 Franchise-Unternehmen 2011 einen Umsatz von rd. 60 Milliarden EUR4259 erwirtschaftet. Gastronomiesysteme wie McDonald oder Burger-King wurden geradezu zum Aushängeschild des Franchising. Aber auch in anderen Branchen ist Franchising weitverbreitet, etwa bei der Getränkeabfüllung, im Bereich der Automaten-Videotheken,4260 Nachhilfeschulen oder Zahnarztpraxen4261 bis hin zu Erotikshops.4262 Selbst im Kfz-Vertrieb wären sie zulässig.4263 Das Franchiserecht bildet damit einen interessanten Teil des Vertriebsrechts.4264 Gleichwohl gibt es kein kodifiziertes Franchiserecht, abweichend von vielen anderen Ländern.4265 Insbesondere fehlt, anders als beim HV-Recht, vereinheitlichtes europäisches Recht. In Frankreich, Spanien, Italien, Belgien und Schweden gibt es gesetzliche Regelungen, wobei in Belgien die vorvertragliche Aufklärung beim Abschluss von Verträgen geregelt ist.4266 In Deutschland wird das Franchiserecht durch die §§ 84 ff., die Regelungen des allgemeinen Zivil-, Handels-, Gesellschafts-, Wettbewerbs-, Kartell-, Verbraucherschutz-, Arbeits- und Sozialversicherungsrechts soFlohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 54 ff. Dafür Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 55. AA Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 129 (148). AA Wauschkuhn/Teichmann ZVertriebsR 2013, 129 (148). Marx/Löffler DB 2012, 1337. Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 19.6.2008 – 4 U 72/08, GRUR-RR 2009, 30 = NJW-RR 2009, 392. BGH, Urt. v. 26.2.2009 – I ZR 222/06, BeckRS 2009, 21885. BFH, Urt. v. 20.3.2017 – X R 11/16, BB 2017, 2081. Niebling WRP 2010, 1454 (1456); aA Niebling WRP 2010, 81 (83) zum Rechtszustand unter der GVO 1400/02 (schon seinerzeit zwh.). 4264 Emde VersR 2001, 148 (154). 4265 Siehe etwa Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (7) – Frankreich, USA. Wer etwa die regelmäßigen Länderberichte des Newsletter „International Franchising“ der IBA Legal Practice Division durchsieht, wird feststellen, dass sogar Länder wie Vietnam ein kodifiziertes Franchiserecht kennen (Decree on Franchising v. 31.3.2006, vgl. Holmes Newsletter International Franchising May 2007, 13). 4266 Flohr ZVertriebsR 2018, 69 (70).

4255 4256 4257 4258 4259 4260 4261 4262 4263

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wie die Rechtsprechung geprägt.4267 Selbst höchstrichterliche Entscheidungen zum Franchiserecht sind „Mangelware“.4268 Das Europäische Parlament hat am 12.9.2017 eine europäische einheitliche Richtlinie für das Franchiserecht gefordert.4269 619 Franchisesysteme wurden erstmals in den USA eingeführt, und zwar 1889 von General Motors und im Jahr 1902 von Rexal. Sie sind aus ökonomischer Sicht attraktiv, weil sie durch ihr Branding eine Antwort auf Qualitätsunsicherheiten der Verbraucher geben4270 und die Existenzgründung erleichtern.4271 Für den FN liegt der Vorteil des Franchising in der Risikominimierung durch die Übernahme erprobten Know-Hows und der Ausnutzung des Images des FG. Das Risiko laufender Fehlinvestitionen wird reduziert. Überdies wird dem FN ein schneller Markteinstieg ermöglicht, weil er mit einem erprobten System am Markt teilnehmen kann. In evielen Fällen profitiert der FN auch von einer erprobten Franchisemarke.4272 Franchising ist ein Vertriebssystem, durch das Waren und/oder Dienstleistungen und/oder Technologien vermarktet werden. Es gründet sich auf eine enge und fortlaufende Zusammenarbeit rechtlich sowie finanziell selbstständiger und unabhängiger Unternehmen, dem Franchisegeber (FG) und seinem Franchisenehmer (FN). Der FG gewährt seinem FN das Recht und legt ihm gleichzeitig die Verpflichtung auf, ein Geschäft entsprechend seinem Konzept zu betreiben4273 – Systemfolgepflicht. Dieses Recht berechtigt und verpflichtet den FN gegen ein direktes oder offen vereinbartes indirektes Entgelt (oft Franchisegebühren benannt) im Rahmen und für die Dauer eines zu diesem Zweck zwischen den Parteien abgeschlossenen Franchisevertrags per laufender technischer und betriebswirtschaftlicher Unterstützung durch den FG den Systemnamen und/oder das Warenzeichen und/oder die Dienstleistungsmarke und/oder andere gewerbliche Schutzund Urheberrechte sowie das Know-How, die wirtschaftlichen und technischen Methoden und das Geschäftsordnungssystem des FG zu nutzen.4274 Der FN ist meist in das Weisungs- und Kontrollsystem des FG einbezogen.4275 Nach der Definition der Tz 43 LL zur GVO 330/10 gewährt der FG dem FN neben der Lizenz für die Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums an Marken- oder sonstigen Zeichen und von Know-How zum Zwecke der Nutzung und des Vertriebs von Waren bzw. Erbringung von Dienstleistungen für die Nutzung dieser Rechte während der Laufzeit der Vereinbarung fortlaufend kommerzielle oder technische Unterstützung in Form von Beschaffungsleistungen, Schulungsmaßnahmen, Immobilienberatung, Finanzplanung usw. Die Lizenzunterstützung sei Bestandteil der Geschäftsmethode, für die die Franchise erteilt werde. Das Franchisesystem kennzeichnet sich daher durch die Stichworte „Know-How“, „geheim“, „wesentlich“ und „genau beschrieben“,4276 bei bestehender Gegenleistungspflicht des FN zur Leistung der Franchisegebühren. Der FG muss das dem FN zur Verfügung gestellte Know-How nachweisen.4277 Dies ist für die Angemessenheit der Franchisegebühren wichtig.4278 Der Franchisevertrag bildet keinen Gesellschaftsvertrag, weil sich der FN nicht am Unternehmensträger des FG beteiligt. Zur Frage, ob Franchisesysteme einen selektiven Vertrieb bilden s. o. zum selektiven Vertrieb. Insb. im Ärztebereich werden berufsrechtliche Zweifel an der Zulässigkeit von Franchisesystemen geäußert. Es ist jedoch mit dem Grundrecht der freien Berufsausübung nicht vereinbar, einem niedergelassenen Zahnarzt die Verwendung eines Logos zu untersagen, 4267 4268 4269 4270 4271 4272 4273 4274

Vgl. Wachter/Flohr Kap 6 Rn 51. Niklas ZVertriebsR 2016, 362 (363). 2016/2244INE, hierzu Flohr ZVertriebsR 2018, 69. Marx/Löffler DB 2012, 1337. Marx/Löffler DB 2012, 1337. Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2009). LG München I, Urt. v. 25.2.2016 – 5 O 16652/15, ZVertriebsR 2017, 310 (311) m. Anm. Martenstein. Siehe etwa BSG, Urt. v. 4.11.2009 – B 12 R 3/08 R, BeckRS 2010, 66915 Rn 26; LG München I, Urt. v. 25.2.2016 – 5 O 16652/15, ZVertriebsR 2017, 310 (311) m. Anm. Martenstein. 4275 LG München I, Urt. v. 25.2.2016 – 5 O 16652/15, ZVertriebsR 2017, 310 (311) m. Anm. Martenstein. 4276 Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 4. 4277 Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 9. 4278 Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 10. Emde

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mit dem schlagwortartig auf die Einhaltung geprüfter Qualitätsstandards eines Franchise-Unternehmens hingewiesen und zugleich die Internetadresse angegeben wird, die nähere Informationen über die Standards und ihre Kontrolle enthält.4279

1. Die unterschiedlichen Franchisesysteme Unterschieden wird zunächst nach der Art der vertriebenen Produkte. Werden Sachgüter abgesetzt, 620 handelt es sich um Waren- oder Produktfranchising. Beim Vertrieb von Dienstleistungen spricht man von Dienstleistungsfranchising.4280 Stellt der FN die Produkte des FG vor dem Vertrieb unter der Marke des FG nach dessen Anweisungen her, spricht man von Produktionsfranchising.4281 Nach der Art des Systems unterscheidet Martinek Subordinationsfranchising und Partnerschaftsfranchising in den Formen des Koordinations-, Koalitions- und Konföderationsfranchising.4282 Subordinationsfranchising ist eine Fortentwicklung des Vertragshändlervertriebs4283 und kennzeichnet sich durch eine weisungsabhängige Stellung des FN auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrags mit zahlreichen Elementen des HV-Rechts. Es ordnet sich am ehesten in das klassische Vertriebsrecht i. S. d. eines auf den §§ 84 ff. fußenden Rechtsgebiets ein. Der FN hat sein Unternehmen nach den vertriebspolitischen Weisungen und Vorgaben des zur Kontrolle befugten FG zu führen4284 (darauf beruht gerade die Uniformität des Systems), bleibt aber – wie der HV – selbständig. Die oben dargestellten Analogievoraussetzungen zum HV-Recht sind auf Grund der Eingliederungstiefe in die vertriebspolitischen Vorgaben der Systemzentrale beim Subordinationsfranchising qua Natur übererfüllt. Gleichwohl darf die Selbständigkeit des Subordinationsfranchisenehmers nicht verletzt werden. Eher untypisch für das heutige Verständnis des Franchising ist das sog. Partnerschaftsfranchising.4285 Hier soll ein durch Weisungsunterworfenheit geprägtes Unterordnungsverhältnis fehlen. Das System wird durch partnerschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage von Austauschverträgen gekennzeichnet,4286 Abstimmung und Mitbestimmung betreffend den Absatz der angebotenen Waren oder Dienstleistungen treten unter Nutzung des vom FG zur Verfügung gestellten Know-Hows/Franchisepakets, für welches der FN die Franchisegebühren zahlt, an die Stelle von Weisungen. Der geschäftsbesorgende Charakter des Systems ist im Vergleich zum HV-Vertrieb schwach ausgeprägt; eine Vertriebspflicht des FN fehlt hier meist.4287 Da es sich bei dem Partnerschaftsfranchising nicht um klassisches Vertriebsrecht im o. g. Sinne handelt, können die §§ 84 ff. nur im Ausnahmefall angewandt werden.4288 Dies gilt insb. für § 89b. Gedacht werden könnte allenfalls an die Analogie zur einzelnen Vorschriften, etwa §§ 85 und 89. In erster Linie ist jedoch GbR-Recht anwendbar, ggf. ergänzt durch das Recht der stillen Gesellschaft.4289 Abgegrenzt werden die verschiedenen Formen nach dem Inhalt der Verträge, wobei die Bezeichnung wie im HV-Recht irrelevant ist.4290 Bei Mischformen bestimmt sich das anwendba4279 BVerwG, Urt. v. 24.9.2009 – 3 C 4/09, NJW 2010, 547 = GRUR-Prax 2009, 293766 = GRUR-Prax 2009, 42. 4280 EuGH, Urt. v. 28.1.1986 – 161/84, Slg. 1986, 353 Rn 13 – Pronuptia; Martinek/Martinek3 § 3 Rn 23; Ebenroth/ Löwisch3 § 84 Rn 162.

4281 EuGH, Urt. v. 28.1.1986 – 161/84, Slg. 1986, 353 Rn 13 – Pronuptia; Biling/Lettl WRP 2012, 773 (774). BVerwG, Urt. v. 24.9.2009 – 3 C 4/09, NJW 2010, 547 = GRUR-Prax 2009, 293766 = GRUR-Prax 2009, 42. 4282 Martinek/Martinek3 § 3 Rn 25; Martinek ZIP 1988, 1362 (1369 f.); ders. ZHR 161 (1997), 67 (85 ff.); ebenso Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (28); krit. Und aA Skaupy NJW 1992, 1785 (1788). 4283 Martinek/Martinek3 § 3 Rn 26, 27. 4284 Martinek/Martinek3 § 3 Rn 27. 4285 Beispiel: Schweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 8.9.2011 – 4 A 148/2011, ZVertriebsR 2013, 187. Skeptisch gegenüber dieser Sonderform Canaris § 18 Rn 22. 4286 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 164. 4287 Martinek/Martinek3 § 3 Rn 27; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 164. 4288 Martinek/Martinek/Habermeier3 § 27 Rn 91; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 173. 4289 Martinek/Martinek/Habermeier3 § 27 Rn 96, Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 173. 4290 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 162. 375

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re Recht nach dem Schwerpunkt der einzelnen Regelungen, auf unterschiedliche Regelungen des einheitlichen Vertrages darf verschiedenes Recht angewandt werden. 621 Bei dem Koordinationsfranchising (Austauschfranchising) werden gleichförmige Austauschverträge ohne die Pflicht des FN zur Befolgung von Weisungen sowie zur Wahrung der Interessen des Unternehmers geschlossen.4291 Die gegenseitigen Treupflichten sind schwächer ausgeprägt als beim Subordinationsfranchising. Der Franchiseeffekt wird durch Koordination der einzelnen Verträge der Vertragspartner erreicht.4292 Das Koalitionsfranchising bildet eine atypische zweigliedrige Innengesellschaft zwischen FN und FG. Die Partner haben den vereinbarten Gesellschaftszweck zu fördern, um den Vertrieb nach Maßgabe des gemeinsamen Franchisekonzepts zu unterstützen. Durch die Parallelität der Innengesellschaftsverträge wird der Franchiseeffekt erreicht.4293 Im Konföderationsfranchising (Bündnis- oder Blockfranchising) schließen sich alle Beteiligte im Wege eines Dauerschuldverhältnisses, dem Systemvertrag, zu einer GbR zusammen, deren Gegenstand die Pflicht zur Betriebseingliederung und Absatzförderung durch alle Gesellschafter ist. Daneben bestehen die separaten, auf Bildung einer (weiteren) Innengesellschaft gerichteten Koalitionsfranchiseverträge zwischen FG und dem einzelnen FN.4294 Klassisches Vertriebsrecht im vorgenannten Sinne bilden auch diese Systemformen nicht. Häufig sind auch mehrstufige Franchisesysteme. Ein Master-Franchisenehmer erhält das Recht, ein bestimmtes Gebiet durch Vergabe von Unter-Franchiseverträgen zu erschließen4295 (wobei Regelungen zu den Folgen der Beendigung des Mastervertrages auf die Subverträge getroffen werden sollten – etwa eine Verpflichtung zu deren Übertragung auf den FG). Die Bedeutung der vorgenannten Unterscheidungen darf nicht überschätzt werden. Zum Wettbewerbsverbot des Master-FG s. Kommentierung zu § 86a. Social-Franchise-Systeme bilden im Kern normale Franchisesysteme, so dass es kein speziel622 les Social-Franchise-Recht gibt.4296 Zum Teil erfolgt eine weniger enge Bindung an die FranchiseRichtlinien4297 und die Kündigungsklauseln sehen eher kürzere Laufzeiten vor.4298 Zudem werden u. U. die sozialen und ethischen Standards des Systems im Vertrag verankert, wobei die vertragliche Fixierung bestimmter Standards bezüglich der Person des FN möglich ist, jedoch im Spannungsverhältnis zu den §§ 307, 134, 138 BGB sowie dem AGG stehen kann.4299 Wenn der FN in vielen Fällen nicht zur Zahlung von Franchise-Gebühren verpflichtet, sondern auf Subventionen des FG angewiesen ist, stellt sich die Frage des Synallagmas.4300 Möglicherweise kann der Social-Franchisevertrag als Partnerschafts-Franchising ausgelegt werden, und zwar sowohl in der Untergruppe des Koalitions-Franchising wie auch des Konföderations-Franchising.4301

2. Abgrenzung vom Unselbständigen 623 a) Einleitung: Die Abgrenzung des FN vom Unselbständigen bestimmt sich analog § 84 nach dem dort normierten Merkmal der Selbständigkeit.4302 Wird sie missachtet, handelt es sich beim

4291 4292 4293 4294 4295 4296 4297 4298 4299 4300 4301 4302 Emde

Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 165. Martinek/Martinek3 § 4 Rn 63 ff.; § 19 Rn 88 ff.; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 165. Martinek/Martinek3 § 4 Rn 67 ff.; § 19 Rn 92 ff.; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 166. Martinek/Martinek in: Handbuch des Vertriebsrechts3 § 4 Rn 71 ff.; § 19 Rn 98 ff. Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 80. Niklas ZVertriebsR 2015, 291 (292). Niklas ZVertriebsR 2015, 291 (292). Niklas ZVertriebsR 2015, 291 (292). Niklas ZVertriebsR 2015, 291 (294). Niklas ZVertriebsR 2015, 291 (295). Niklas ZVertriebsR 2015, 291 (295). Canaris § 18 Rn 13. 376

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„FN“ analog § 84 Abs. 2 um einen Angestellten4303 bzw. die die Selbständigkeit verletzenden Bestimmungen sind unwirksam (vgl. § 84 Rn 24 ff.). Die unternehmerische Selbständigkeit des FN fordert, dass ihm ein Kernbereich eigener wirtschaftlicher Entfaltungsmöglichkeiten und Entscheidungsfreiheit verbleibt.4304 Typischerweise sind dem Franchisevertrag intensive Weisungsrechte und eine gleichermaßen intensive Einbindung des FG immanent.4305 Sie beweisen nicht immer eine Arbeitnehmereigenschaft sondern sind Gegenstand der Wirksamkeitskontrolle nach den §§ 134, 138, 242, 307 BGB.4306 Dienen Bestimmungen lediglich der Durchsetzung systemkonformen Verhaltens, sind sie vertragsimmanent und begründen ebenfalls keine Arbeitnehmereigenschaft.

b) Fallgruppen. Siehe zunächst § 84 Rn 24 ff.

624 625 Für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses soll sprechen, dass – dem FN bestimmte Arbeitszeiten vorgegeben werden, ohne dass dies zwingend für die Ausführung des Geschäfts erforderlich wäre;4307 – der FN nur unwesentl. auf die Höhe des Umsatzes und die Gestaltung seiner Tätigkeit Einfluss nehmen kann; – der FN allein ohne eigene Mitarbeiter tätig ist.4308 – dem FG umfangreiche Kontrollrechte eingeräumt werden.4309 Nicht für die Arbeitnehmereigenschaft soll sprechen: 626 – Die Erfolglosigkeit des FN: Der erfolglos operierende FN wird nicht allein wegen seiner Erfolglosigkeit zum AN;4310 – Ein Weisungsrecht des FG hinsichtlich der Ausstattung der Räumlichkeiten;4311 – Die Verpflichtung des FN, ein bestimmtes Warensortiment zum Zwecke der Vermarktung über den FG zu beziehen, zumal, wenn weitere Waren von Dritten bezogen werden können;4312 – Die Verpflichtung, ausschließlich das vom FG zur Verfügung gestellte Werbematerial zu verwenden;4313 – Die Verpflichtung, den Firmensitz an einem bestimmten Ort zu führen;4314 – Die Verpflichtung, das Ladengeschäft im Rahmen der gesetzlichen Ladenschlusszeiten möglichst lange offen zu halten, selbst wenn damit eine Öffnungszeit von wöchentlich 52 Stunden vorgegeben war. Denn über die Pflicht zum persönlichen Einsatz in diesem Zeitrahmen sei hiermit nichts gesagt;4315 – Vertragswidrige Beschränkungen, weil dadurch niemand zum Arbeitnehmer wird.4316

4303 BGH, Beschl. v. 4.11.1998 – VIII ZB 12/98, BGHZ 140, 11 = ZIP 1998, 2104; BAG ZIP 1997, 1714; OLG Düsseldorf ZIP 1997, 624, 1039; Wolf/Horn/Lindacher § 9 AGBG Rn 101; Weltrich DB 1988, 806; Matthiessen ZIP 1988, 1089; Skaupy NJW 1992, 1785 (1789, 1790); Horn/Henssler ZIP 1998, 589; Hopt DB 1998, 863 (866); Braun NZA Sonderheft 1999, 3. 4304 LG Mainz, Urt. v. 20.6.2006 – 12 HKO 82/05, BeckRS 2007, 08487; OLG München BB 2002, 2521. 4305 BGH, Urt. v. 5.10.1981, NJW 1982, 1817; v. 3.10.1984, NJW 1985, 1894. 4306 Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 11. Aufl. 2011 § 611 Rn 29. 4307 Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 11. Aufl. 2011 § 611 Rn 29. 4308 Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 11. Aufl. 2011 § 611 Rn 29. 4309 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.10.1987, LAGE BetrVG 1972 § 5 Nr. 16; s. LSG BE v. 27.10.1993, NZA 1995, 139. 4310 LAG RP 12.7.1996 LAGE BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 32. 4311 BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 27/02, DB 2003, 198 = MDR 2003, 285. 4312 BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 27/02, DB 2003, 198 = MDR 2003, 285. 4313 BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 27/02, DB 2003, 198 = MDR 2003, 285. 4314 BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 27/02, DB 2003, 198 = MDR 2003, 285. 4315 BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 27/02, DB 2003, 198 = MDR 2003, 285. 4316 BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 27/02, DB 2003, 198 = MDR 2003, 285. 377

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627 Gegen die Arbeitnehmereigenschaft soll sprechen: – Die Berechtigung, Arbeitnehmer selbst einzustellen;4317 – Dass dem FN über den eigentl. Vertragszweck des Franchising hinaus keine weiteren Weisungen erteilt werden, insb. hins. Verkaufszeiten, sondern sich die Vertragspflichten auf den Kern des Franchising beschränken;4318 – Dass der FN seinen Betrieb weitgehend selbst organisiert und über Anzahl und Personen, die er zur Erbringung der Dienstleistung einsetzt, frei entscheiden kann;4319 – Die Nichteinbindung in das Abrechnungssystem des FG;4320 – Das uneingeschränkte Verbot jedweder anderer Tätigkeit.4321 628 Wenn ein FN eigenständig sein Geschäft führt, sein Geschäftslokal selbst anmietet, selbständig Arbeitnehmer einstellen und die Endpreise bestimmen kann, ist er auch keine arbeitnehmerähnliche Person i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG.4322

629 c) Arbeitnehmerüberlassung. Um eine AN-Überlassung zu vermeiden, darf der FN nicht wie ein AN des FG tätig werden4323: dem FG darf nicht die zeitlich-örtliche Steuerung des Arbeitskräfteeinsatzes obliegen.4324 Anhaltspunkte für eine solche Überlassung geben folgende Merkmale: mangelnde freie Bestimmung der Arbeitszeit, Nutzung der vom FG zur Verfügung gestellten Betriebsmittel einschließlich der E-Mail-Adresse, Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation; Fehlen einer eigenen betrieblichen Organisation des FN, so dass er weder über betriebliche oder personelle Voraussetzungen verfügt, um die Tätigkeit der von ihm eingesetzten AN vor Ort zu organisieren, ihnen Weisungen zu erteilen oder zu kontrollieren; Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung; Pflicht zur Abstimmung des Urlaubes mit den AN des FG; Bereitstellung von Sicherheits- und Arbeitskleidung des FG; Führung der FN in Telefon-, Anwesenheits- oder Urlaubslisten des FG; Wahrnehmung von Vergünstigungen des FG, z. B. von Kantinenessen oder anderen Rabatten.4325 Im Grunde genommen handelt es sich um ähnliche Merkmale wie bei der Bestimmung der Selbständigkeit.

3. Rechtsnatur 630 Bei dem Subordinations-Franchisevertrag schließt sich der FN im Rahmen eines vertikal-kooperativ organisierten Absatzsystems rechtlich selbstständiger Unternehmen4326 einem meist eingeführten, einheitlichen Vertriebssystem des Franchisegebers fast immer gegen Zahlung von Franchisegebühren an. Mit dem durch den FG zur Verfügung gestellten Geschäftskonzept soll der FN eigenständig am Markt Kunden akquirieren.4327 Das System tritt am Markt uniform auf und wird geprägt durch das Leistungsprogramm des Systempartners sowie durch ein Weisungsund Kontrollsystem zur Gewährleistung eines systemkonformen Verhaltens.4328 Zwar ist der FN selbständiger Unternehmer und bietet seine Leistungen eigenständig am Markt an. Charakteris4317 BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 27/02, DB 2003, 198 = MDR 2003, 285. 4318 Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 11. Aufl. 2011 § 611 Rn 29. 4319 BGH, Urt. v. 27.1.2000, NZA 2000, 390; BAG, Urt. v. 21.2.1990, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 57; v. 24.4.1980, AP BGB § 84 Nr. 1. BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 27/02, DB 2003, 198 = MDR 2003, 285. LG Mainz, Urt. v. 20.6.2006 – 12 HKO 82/05, BeckRS 2007, 08487. BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 27/02, DB 2003, 198 = MDR 2003, 285. Frauser/Happ ZVertriebsR 2017, 343 ff. Frauser/Happ ZVertriebsR 2017, 343 (353). Frauser/Happ ZVertriebsR 2017, 343 (353). Hänlein DB 2000, 374. Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (285). Hänlein DB 2000, 374.

4320 4321 4322 4323 4324 4325 4326 4327 4328 Emde

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tisch ist aber, dass der FN wegen des Auftretens unter dem Markennamen des FG, für dessen Nutzung sowie die Nutzung der überlassenen Rechte – Warenzeichen-, Schutz-, Namensrechte, Rechte an technischer Ausstattung, Know-How – (Franchisepaket) er die Franchisegebühren zahlt, und das zu einheitlichem Auftreten von FG und FN nach außen führen soll, wenig als eigenständiger Marktteilnehmer wahrgenommen wird. Beide Parteien ziehen Nutzen aus dem Marktauftritt des FN, da die Tätigkeit des FN – auch – den Markennamen und die Interessen des FG stärkt (deshalb analoge Anwendung des § 89b). Der Franchisevertrag ist ein Typenkombinationsvertrag,4329 er kann Elemente des Dienst-,4330 Geschäftsbesorgungs-,4331 Pacht-,4332 Lizenz4333 (Übertragung gewerblicher Schutzrechte) und Kaufvertrages enthalten, wobei der Frendgeschäftsbesorgungsgedanke, ebenso wie beim Vertragshändler, weniger ausgeprägt als beim HV auftritt. Der vertriebsrechtliche Charakter des Vertrages steht im Vordergrund,4334 im Gegensatz zum Pachtvertrag beschränkt sich die Rolle des FG nicht auf die Überlassung des Pachtobjekts. Er unterliegt vielmehr stärkeren Treu- und Förderpflichten, das partnerschaftliche Element ist umfassend ausgeprägt.4335 Der Vertrag bildet keinen gesetzlich ausgeformten Typ, und er wurde – auch wegen seines relativen kurzen rechtstatsächlichen Auftritts – nicht gesetzlich erfasst. Dies ist auch nicht geplant, wenngleich insb. von den Verbänden der FN erwünscht. Vielmehr kommt es im besonderen Maße darauf an, was die Parteien im Einzelfall vereinbart haben.4336 Dem übereinstimmenden Verständnis des Gewollten gebührt dabei der Vorrang vor einer objektiven Auslegung von AGB.4337 Ob es sich bei dem Franchisevertrag um einen Sukzessivlieferungsvertrag handelt, ist eine Frage des Einzelfalls. Wenn der Vertrag die Verpflichtung zur fortlaufenden Abnahme von Vertragswaren enthält, mag dies der Fall sein.4338 Die Einräumung von Nutzungsrechten an Marken, Gebrauchs- und Geschmacksmustern, gelegentlich Patenten, Geschäftsbezeichnungen und Urheberrechten sowie die Überlassung von Know-How spielt beim Franchising eine bedeutsame Rolle.4339 Dies ist allerdings kein im Kern vertriebsrechtliches Problem. Zum Inhalt von Master-Franchise-Verträgen liegt eine Empfehlung des UNIDROIT vor.4340

4. Abgrenzung zu anderen vertriebsrechtlichen Verträgen Die Abgrenzung zum Vertragshändlervertrag ist oft fließend,4341 insb. falls der Händler – wie 631 im Kfz-Vertrieb – mittels Selektionskriterien zur Eingliederung in die Betriebsorganisation des Unternehmers gezwungen wird und daher auch bei ihm ein einheitlicher Systemauftritt vorliegt. Das sichtbarste Unterscheidungsmerkmal bildet die Pflicht zur Zahlung von Franchisegebühren4342 - aber auch der Vertragshändler mag etwa Werbekostenbeiträge zahlen. Zur Abgrenzung vom Vertragshändler stellt Pour Rafsendjani4343 darauf ab, ob und inwieweit eine Geschäftsidee 4329 Marx/Löffler DB 2012, 1337 (1338). 4330 Marx/Löffler DB 2012, 1337 (1338). 4331 Martinek ZVertriebsR 2015, 207 – Geschäftsbesorgung gerichtet auf den „Systemkopf“; Marx/Löffler DB 2012, 1337 (1338). Canaris § 18 Rn 17. Marx/Löffler DB 2012, 1337 (1338). Martinek ZVertriebsR 2015, 207; Martinek ZVertriebsR 2013, 198 unter 2. Yanakakis International Franchising Newsletter 5/2009, 20 (22). BGH NJW–RR 2000, 1159 (1160). BGH NJW-RR 2000, 1159 (1160). Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 96. Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 116. UNIDROIT, Guide to International Master Franchise Arrangements2 2007. Pour Rafsendjani DB 2015, 2007. Canaris § 18 Rn 7. Pour Rafsendjani DB 2015, 2007.

4332 4333 4334 4335 4336 4337 4338 4339 4340 4341 4342 4343 379

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als Gesamtkonzept durch den Absatzmittler von seinem Vertragspartner, der Systemzentrale, übernommen wird. Die Abgrenzung erfolge über die Intensität der Systemeingliederung. Je umfassender ein Geschäftskonzept übernommen werde, desto eher liege Franchising vor.4344 Der Franchise- unterscheide sich weiter vom Vertragshändlervertrag indem die das Franchising kennzeichnenden Unterstützungs- und Förderungsmaßnahmen nicht als unselbstständige Nebenpflicht, sondern als Hauptleistungspflicht des FG ausgestaltet seien. Tatsächlich dürfte die Intensität der Systemeingliederung ein wenig griffiges Abgrenzungsmerkmal bilden, ebenso die angebliche Hochstufung der Unterstützungs- zu einer Hauptleistungspflicht. Das beste Abgrenzungskriterium scheint noch die Zahlung von Franchisegebühren zu sein, zudem die Verpflichtung des FG zur Übertragung von „know-how“ bei intensiver Systemeingliederung ohne sichtbaren Eigenauftritt. Zum HV-Vertrag ist die Abgrenzung einfacher: Ein FN veräußert anders als der HV meist im eigenen Namen. Wenngleich auch ein HV-Vertrag mit einer franchiseähnlichen Eingliederungspflicht begründet werden kann, liegt bei Vermittlung oder Abschluss im Unternehmernamen ein HV-Vertrag vor.4345 Die analoge Anwendung der §§ 84 ff. ist dann überflüssig, das HV-Recht ist unmittelbar anwendbar.

5. Abschluss 632 Der Franchisevertrag kommt durch konsensuale Willenserklärungen zustande. Er kann formfrei geschlossen werden,4346 Rückschluss aus § 85 analog. Zur mglw. erforderlichen Eintragung in das HR wg. eines verdeckten Beherrschungsvertrages s. § 85 Rn 10. Das Vertragshandbuch braucht nicht in den Franchisevertrag einbezogen zu werden. Es bildet keine essentialia negotii.4347 Für Franchiseverträge, die unter die Bestimmungen des Verbraucherkreditrechts fallen, gilt für den gesamten Vertrag samt Nebenabreden (Miet- und Darlehensverträge)4348 ein Schriftformerfordernis gem. § 510 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB.4349 Das Offenlassen von Lücken führt zur Formnichtigkeit, etwa wenn vergessen wurde, den Standort oder das Eröffnungsdatum einzusetzen4350 oder eine im Vertragstext zitierte Anlage nicht beigefügt wurde.4351 Bei Verfehlung dieser Form sind nach § 510 Abs. 2 BGB zunächst nur die kreditrechtlichen oder kreditähnlichen Teile des Franchisevertrages unwirksam.4352 Nach aA ist von einer Gesamtunwirksamkeit des Franchisevertrages auszugehen.4353 Im Regelfall ist auch nach der erstgenannten Ansicht gemäß § 139 BGB eine Gesamtunwirksamkeit des Vertrages anzunehmen.4354 Grds. kann jede natürliche Person oder Gesellschaft FG und/oder FN werden. Ob es nicht ratsam ist, dass Kapitalgesellschaften FN werden, weil die dahinterstehenden Personen, die das Know-How und Training empfangen, weder persönlich zur Geheimhaltung noch zur Wettbewerbsunterlassung verpflichtet sind4355 ist fraglich. Daran mangelt es auch, wenn eine natürliche Person Vertragspartner ist, und Angestellte Know-How-Training erhalten. Außerdem dürfte in diesem Fällen ein Durchgriff (§ 86 Rn 135) in Betracht kommen. Schutz bietet eine vertragliche Bindung der

4344 4345 4346 4347 4348 4349 4350

Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2008). Canaris § 18 Rn 5. Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 122. LG Düsseldorf, Urt. v. 21.11.2013 – 14c O 129/12U, WuW DE-R 4417 = BeckRS 2014, 10383. Metzlaff in: Metzlaff, Praxishandbuch Franchising § 8 Rn 479 f. Metzlaff in: Metzlaff, Praxishandbuch Franchising § 8 Rn 479; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 450. LG Berlin, Urt. v. 29.11.1999 – 99 O 63/99, n. v.; ähnlich KG Berlin, Beschl. v. 11.2.1993 – 2 W 706/93, n. v.; Böhner NJW 1992, 3135 (3137); Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 459. 4351 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 460. 4352 BGH, Urt. v. 14.12.1994, ZIP 1995, 105 (107) = NJW 1995, 722; v. 16.4.1986, ZIP 1986, 781 (783). 4353 OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992, ZIP 1992, 1224 (1226); Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 462; Giesler WM 2001, 1441. 4354 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 276. 4355 Giesler/Güntzel ZIP 2013, 1264 (1268). Emde

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genannten Personen. Franchiseverträge sind in der Regel Formularverträge.4356 Zu einzelnen Klauseln siehe oben zu AGB. Häufig geht dem Abschluss des Franchisevertrages der Abschluss einer Reservierungsver- 633 einbarung, auch Gebietsreservierungsvertrag genannt, voraus.4357 Sie sind bei standortbezogenen Franchisekonzepten weit verbreitet.4358 Dieser Vorvertrag dient insb. dazu, den Zeitpunkt der Suche nach einem geeigneten Standort oder der Finanzierung des Franchisevorhabens abzusichern. Häufig sind Vertraulichkeitsvereinbarungen Teil solcher Reservierungsvereinbarungen.4359 Zu typischen Klauseln solcher Reservierungsvereinbarungen siehe Güntzel.4360

6. Aufklärungspflichten und Täuschung Grundsätzlich trägt auch bei einem Franchisevertrag jede Partei ihr Vertragsrisiko. Es obliegt 634 jedem Vertragspartner selbst, sich über die Risiken und Chancen einer geschäftlichen Verbindung zu informieren und sich ein eigenes Bild von den Marktchancen zu verschaffen.4361 Gleichwohl treffen beide Parteien Aufklärungspflichten,4362 FG und FN. Die Aufklärungspflichten des FG sind meist im Zusammenhang mit fehlender Aufklärung vor Vertragsschluss relevant. Dogmatisch abzugrenzen sind Täuschungshandlungen einerseits und unvollständige Aufklärung andererseits.4363 Eine unterlassene Aufklärung macht nur schadensersatzpflichtig, wenn eine Aufklärungspflicht bestand. Eine Täuschungshandlung wird auch ohne eine Aufklärungs- oder Beratungspflicht zur Schadensersatzpflicht.4364 Im Ergebnis führen beide Handlungen zu denselben Rechtsfolgen.

a) Pflichten des FG. Diskutiert werden Aufklärungspflichten und Täuschungshandlungen 635 meist im Zusammenhang mit Verfehlungen des FG4365: Dieser muss vollständig und richtig aufklären und darf aufklärungsrelevante Informationen nicht zurückhalten.4366 aa) Pflicht zur vollständigen Aufklärung. Die ausgeprägte Diskussion um vorvertragliche 636 Aufklärungspflichten ist eine Besonderheit des Franchiserechts.4367 Weder im Vertragshändlernoch im HV-Recht wird das Erfordernis einer umfänglichen vorvertraglichen Aufklärung durch

4356 Liesegang BB 1991, 2181; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 294. 4357 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.6.2016 – 13 U 107/14, ZVertriebsR 2016, 313 (314) m. Anm. Güntzel; Güntzel ZVertriebsR 2016, 315. Güntzel ZVertriebsR 2016, 315. Güntzel ZVertriebsR 2016, 315. ZVertriebsR 2016, 315 ff. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.6.2016 – 13 U 107/14, ZVertriebsR 2016, 313 (314) m. Anm. Güntzel; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357); OLG Schleswig, Beschl. v. 22.1.2008 – 1 W 27/07, NJW-RR 2009, 64; OLG Brandenburg, Urt. v. 28.9.2005 – 4 U 37/05, NJW-RR 2006, 51; OLG Hamburg, Urt. v. 30.12.2002 – 5 U 220/01, DB 2003, 1054. 4362 Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (6). Zum englischen Recht Hahn ZVertriebsR 2019, 293. 4363 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.6.2016 – 13 U 107/14, ZVertriebsR 2016, 313 (314) m. Anm. Güntzel; Timmermann ZVertriebsR 2013, 166 (167); Böhner BB 2011, 2248 (2251); Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099; Giesler/Nauschütt BB 2003, 435. 4364 Timmermann ZVertriebsR 2013, 166 (167). 4365 Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (6). 4366 Vgl. bereits BAG DB 1980, 2039; zu den Aufklärungspflichten generell Böhner BB 2011, 2248. 4367 Kritisch Waldzus BB 2016, 515.

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den Geschäftsherren in gleicher Weise diskutiert.4368 Jedoch bestehen auch dort Aufklärungspflichten. 637 Gesetzliche Regelungen zur Aufklärungspflicht fehlen.4369 Das BMJ hat am 25.3.2015 einen rechtsvergleichenden Forschungsauftrag ausgeschrieben, der gesetzliche Sonderregelungen zum Franchisevertrag und insb. zu den vorvertraglichen Aufklärungspflichten und deren wirtschaftlichen Auswirkungen zum Gegenstand hat.4370 Es geht dabei um den Schutz des FN vor einer asymmetrischen Informationsverteilung und vor den wirtschaftlichen Risiken des Franchisings. U. U. ist dies betreffend eine Kodifizierung, zumindest eines Teils des Franchiserechts zu erwarten.4371 Für vorvertragliche Aufklärungspflichten beispielhaft sind die im US-amerikanischem Recht einzelstaatlich geregelten Pflichten. So sieht das US-amerikanische Recht vor, dass der FG die Vertragsbedingungen in einem 20 Punkte umfassenden Auskunftsformular eingehend erläutert. Ob dies als Vorbild für das deutsche Recht gesehen werden kann, ist Gegenstand der Diskussion.4372 Das internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts (Unidroit) hat ein Modellrecht über die Offenlegungspflichten (Model franchise disclosure law) entwickelt.4373 Über den Inhalt der Aufklärungspflicht existieren ferner Richtlinien des deutschen Franchise-Verbandes zur vorvertraglichen Aufklärung.4374 Beide Empfehlungen sind nicht zwingend, jedoch besonders die deutsche RL für die Auslegung des Sorgfaltsmaßstabes relevant.

638 (1) Inhalt. Die Parteien sind bereits vor Abschluss des Vertrages zur besonderen Sorgfalt und zur Aufklärung über sämtliche Umstände verpflichtet, die für den Vertragsschluss erkennbar von besonderer Bedeutung sind.4375 Rechtsgrundlage sind die §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 2, 241 Abs. 2 BGB, wonach die Parteien zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des potentiellen Vertragspartners verpflichtet sind.4376 Bereits durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) sowie die Vertragsanbahnung (§ 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB) entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den späteren Vertragsparteien. Aus diesem resultiert die Pflicht des § 241 Abs. 2 BGB, d. h. eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen, späteren Vertragspartners.4377 Aufklärungspflichten existieren vor allem, wenn ein Wissens- oder Informationsgefälle existiert. Sie beginnen mit dem ersten Kontakt4378 und verdichten sich mit der Vertragsfortführung. Der FG lässt den FN an ihm unbekannten Know-how partizipieren; dieser unterwirft sich einer vom FG vorgegebenen Marketingstrategie und besitzt ein Informationsmonopol.4379 Der FG hat aufgrund seiner besseren Informationslage und Kenntnis des Systems sowie der zu erwartenden bedeutenden wirtschaftlichen Dispositionen des FN4380 den FN über sämtliche Umstände aufzuklären, 4368 4369 4370 4371

Waldzus BB 2016, 515 (516). Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2208). Hierzu Flohr ZVertriebsR 2016, 1 ff. Pour Rafsendjani DB 2015, 2007; angesichts der umfangreichen Judikatur krit. gegenüber einer Normierung Flohr ZVertriebsR 2016, 1 ff. 4372 Dafür Hibt/Siemens RIW 2000, 597. 4373 Wiedergegeben mit Explanatory Report in Unif.L.Rev. 2002, 1066; dazu Czerwenka IHR 2003, 53; Giesler/ Vogels2 § 3 Rn 7. 4374 Wiedergegeben in: Jahrbuch Franchising 1999/2000, S. 243 ff. 4375 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2008); kritisch Waldzus BB 2016, 515 ff. 4376 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2008). 4377 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (321) m. Anm. Niklas; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2008). 4378 Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 96. 4379 Schäfer Die Pflicht des Franchisegebers zur vorvertraglicher Aufklärung, Diss. iur. 2007, S. 77, Peters Vorvertragliche Informationspflichten des Franchisegebers, 2002, S. 78; Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1091). 4380 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2208). Emde

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die allein ihm bekannt sind und von denen er weiß oder wissen muss, dass die Entscheidung der anderen Partei über den Vertragsschluss durch deren Kenntnis beeinflusst wird.4381 Der Umfang der Aufklärungspflichten bestimmt sich nach den Spezifika des Einzelfalls in Abhängigkeit vom konkreten vorvertraglichen Informationsbedarf des FN.4382 Generell soll gelten: Je größer die Unerfahrenheit des FN, desto größer auch der Informationsbedarf und desto größer auch das Informationsgefälle.4383 Gerade einen Existenzgründer muss der FG aber besonders deutlich aufklären.4384 Fragen des Vertragspartners müssen vollständig und richtig beantwortet werden;4385 übergebene Unterlagen vollständig und richtig sein.4386 Das zur Aufklärung verwendete Datenmaterial muss auf einer sorgfältigen Untersu- 639 chung des Marktes und einer realistischer Einschätzung beruhen, auf den konkreten Standort ausgerichtet sein und darf nicht lediglich den Charakter einer Schätzung aufweisen.4387 Handelt es sich lediglich um eine Schätzung, muss darauf eindeutig hingewiesen werden,4388 ebenso falls Umsatzanalysen auf einer unsicheren Basis beruhen,4389 ein übergebener individueller und auf den künftigen Franchisebetrieb zugeschnittener Businessplan fehlerhaft und korrekturbedürftig ist4390 oder ein Pilotbetrieb sinkende Umsatzzahlen aufweist.4391 Den Mittelwert aus allen Stores zu nennen, reicht ohne Erläuterung nicht aus.4392 Eine Prognose muss auf realistischer Einschätzung beruhen.4393 Der FG darf sein System nicht erfolgreicher darstellen, als es tatsächlich der Fall ist4394 und gegenüber dem FN unzutreffende Vorstellungen über 4381 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.6.2016 – 13 U 107/14, ZVertriebsR 2016, 313 (314) m. Anm. Güntzel; OLG Schleswig, Beschl. v. 22.1.2008 – 1 W 27/07, MDR 2008, 791 = NJW-RR 2009, 64; OLG Köln, Beschl. v. 16.5.1994 – 2 W 14/94, n. v.; LG Hamburg, Urt. v. 6.6.1995 – 312 O 519/94, n. v.; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2208); Böhner BB 2011, 2248 (2251); Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1091). 4382 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.6.2016 – 13 U 107/14, ZVertriebsR 2016, 313 (314) m. Anm. Güntzel; OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (312) m. Anm. Niklas. 4383 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2008). Das dürfte jedenfalls richtig sein, sofern eine Fehlvorstellung des FN für den FG erkennbar ist. Grds. sind die Informationspflichten aber nicht subjektiv, sondern objektiv zu bestimmen, so dass es auf die Kenntnis des FN nicht ankommen dürfte. 4384 Flohr ZVertriebsR 2014, 112 (113). 4385 BGH, Urt. v. 14.1.1993 – IV ZR 206/91, NJW 1993, 1323 (1324); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.5.2011 – 22 U 181/ 08, ZVertriebsR 2012, 51 m. Anm. Metzlaff, n. v. (Beweis für unrichtige Beantwortung der Frage dort nicht erbracht); Waldzus BB 2016, 515 (516); Böhner BB 2011, 2248 (2249). 4386 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 m. Anm. Niklas – Ertragsvorschau; LG Bielefeld, Urt. v. 28.1.2010 – 9 O 385/04, BeckRS 2013, 02142. 4387 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (312) m. Anm. Niklas; OLG Hamm, Urt. v. 28.9.2010 – I-19 U 35/10, BeckRS 2011, 28767 = ZVertriebsR 2012, 177 m. Anm. Flohr; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2209). 4388 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (312) m. Anm. Niklas; OLG Hamburg, Urt. v. 28.7.2014 – 4 U 10/14, ZVertriebsR 2015, 107 (108) m. Anm. Flohr; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (47) m. Anm. Flohr und zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357); OLG Hamm, Urt. v. 28.9.2010 – I-19 U 35/10, BeckRS 2011, 28767 = ZVertriebsR 2012, 177 m. Anm. Flohr; LG Hamburg, Urt. v. 17.1.2014 – 332 O 249/12, ZVertriebsR 2014, 112 m. Anm. Flohr; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2209). 4389 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (312) m. Anm. Niklas; Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 91. 4390 BGH, Urt. v. 19.7.2011 – VI ZR 367/09, DB 2011, 2314 – Anspruchsgrundlage § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 263 StGB. 4391 BGH, Urt. v. 19.7.2011 – VI ZR 367/09, DB 2011, 2314 Rn 20 – Anspruchsgrundlage § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 263 StGB. 4392 OLG Hamburg, Urt. v. 28.7.2014 – 4 U 10/14, ZVertriebsR 2015, 107 (108) m. Anm. Flohr. 4393 BGH, Urt. v. 7.10.1987, WM 1987, 1557 (1558); OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 m. Anm. Niklas – Ertragsvorschau; OLG Hamburg, Urt. v. 28.7.2014 – 4 U 10/14, ZVertriebsR 2015, 107 (108) m. Anm. Flohr; LG Hamburg, Urt. v. 2.5.1995 – 312 O 519/94, n. v.; OLG Hamburg, Urt. v. 17.4.1996 – 5 U 137/95, n. v.; OLG München, Urt. v. 1.8.2002 – 8 U 5085/01, BB 2003, 443; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 46; Timmermann ZVertriebsR 2013, 166 (167). 4394 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357); Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2209). 383

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die Rentabilität erwecken.4395 Sollte sich eine Prognose nicht bewahrheiten, begründet dies aber nicht per se eine Aufklärungspflichtverletzung.4396 Sind die von der Rspr. niedergelegten Pflichten erfüllt, fehlt eine Verletzung der Aufklärungspflichten.4397 Der FG muss den FN befähigen, auf der Grundlage des vorgelegten Materials eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vornehmen zu können4398 sowie den Umfang der über das Startkapital hinaus anfallenden Aufwendungen sowie den Zeitraum der Anfangsverluste abzuschätzen.4399 Insbesondere falls er konkrete Vertriebsvorgaben gibt und die Parteien ein Recht des FG zur fristlosen Kündigung für den Fall der Nichteinhaltung dieser Vorgaben vereinbaren, müssen jene auf einer realistischen und sorgfältigen, auf das konkrete Vertriebssystem bezogenen Marktanalyse beruhen.4400 Namentlich hat der FG aufzuklären über die Erfolgschancen des Systems,4401 das voraussehbare Scheitern des Vertragszweckes (Aufbau eines erfolgreichen Unternehmens);4402 Funktion, Wirkungsweise,4403 Leistungen, Vorteile und Entwicklung des Franchisesystems, die Zahl der Franchisebetriebe,4404 die Anforderungen an den FN, die Konkurrenz- und Marktsituation, den intra-brandWettbewerb,4405 das erforderliche Mindest- und Startkapital, die durchschnittlich erforderlichen Finanzmittel, die durchschnittliche Umsatz- und Ertragserwartung, vergleichbare Betriebe,4406 jedenfalls aber den vermutlich zu erzielenden Umsatz,4407 die Rentabilität des Systems im Allgemeinen4408 (nicht aber des konkreten Standortes), bei Bezugspflichten alle Preise,4409 generell über Gebühren und Kosten einschließlich verdeckter Preisaufschläge,4410 berufliche Zulassungsvoraussetzungen,4411 erforderliche Bedingungen für den Geschäftserfolg, z. B. wenn das System nur bei günstigem Standort, hoher Kundenfrequenz sowie der Lage in mittleren oder größeren Städten erfolgreich sein kann,4412 den fehlenden Schutz vertragswesentlicher immaterieller Rechte, sofern sie Gegenstand gerichtlicher bzw. ernsthafter außergerichtlicher Auseinandersetzungen sind,4413 das mangelnde Recht des FN, anzuschaffende Einrichtungen (etwa we4395 BGH, Urt. v. 19.7.2011 – VI ZR 367/09, DB 2011, 2314; OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (312) m. Anm. Niklas: Information auf zutreffender Tatsachengrundlage; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46; LG Bielefeld, Urt. v. 28.1.2010 – 9 O 385/04, BeckRS 2013, 02142 (fehlerhafte Rentabilitätsvorschau). 4396 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.1.2012 – 3 U 222/10 Rn 40; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2009). 4397 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.1.2012 – 3 U 222/10 Rn 40; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2009). 4398 OLG Hamm, Urt. v. 28.9.2010 – I-19 U 35/10, BeckRS 2011, 28767 = ZVertriebsR 2012, 177 m. krit. Anm. Flohr. 4399 OLG Stuttgart, Urt. v. 13.7.2001 – 2 U 223/00, n. v. 4400 OLG Hamburg, Urt. v. 30.12.2002 – 5 U 220/01, DB 2003, 1054. 4401 OLG München, Urt. v. 24.4.2001 – 5 U 2180/00, BB 2001, 1759 m. Anm. Böhner BB 2001, 1749; Canaris § 18 Rn 53. 4402 Böhner BB 2011, 2248 (2253). 4403 OLG München, Urt. v. 24.4.2001 – 5 U 2180/00, BB 2001, 1759 m. Anm. Böhner BB 2001, 1749; Hibt/Siemens RIW 2000, 597. 4404 Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099 (3100). 4405 Liesegang BB 1999, 857. 4406 Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099 (3100). 4407 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357); OLG Hamm, Urt. v. 28.9.2010 – I-19 U 35/10, BeckRS 2011, 28767 = ZVertriebsR 2012, 177 m. krit. Anm. Flohr. 4408 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357); OLG Hamm, Urt. v. 28.9.2010 – I-19 U 35/10, BeckRS 2011, 28767 = ZVertriebsR 2012, 177 m. krit. Anm. Flohr; OLG München BB 1988, 865; NJW 1994, 667 f.; OLG Hamburg, Urt. v. 30.12.2001 – 5 U 2201/01; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2209); aA OLG Brandenburg NJW-RR 2006, 51; OLG Schleswig, Urt. 22.1.2008 – 1 W 27/07, NJW-RR 2009, 64. 4409 Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1094); Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099 (3100). 4410 Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1094). 4411 Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1094). 4412 Böhner BB 2011, 2248 (2253). 4413 Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1095). Emde

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gen entgegenstehender Schutzrechte des FG) zu nutzen,4414 die Zahl der neugewonnenen Franchisepartner innerhalb des letzten Jahres,4415 die „Scheiterungsquote“, also den Anteil gescheiterter FN,4416 die Zahlen vergleichbarer Franchisebetriebe4417 sowie die durchschnittlichen Kosten eines Franchisebetriebs.4418 Über Einkaufsvorteile ist ebenfalls aufzuklären, auch wenn sie – was der Ausnahmefall sein dürfte – nicht ausgekehrt werden.4419 Denn der FN muss auch wissen, wenn Einkaufsvorteile generiert, jedoch nicht ausgekehrt werden. Bei Neubetrieben problematisch sind Prognosen.4420 Zahlen fehlen.4421 Ist das der Fall, so muss dies dem Interessenten mitgeteilt werden.4422 Ggf. müssen die Daten vergleichbarer anderer Standorte herangezogen werden,4423 worüber der Interessent aber aufzuklären ist. Umsatzzahlen, die aus einer Systemfiliale in einem Bahnhof stammen, können wegen der unterschiedlichen Art des Publikums nicht ohne weiteres für die Prognose des Umsatzes einer geplanten Filiale in einem Einkaufszentrum verwendet werden.4424 Sofern ein bestimmter Franchisebetrieb trotz anonymisierter Daten zu identifizieren wäre, ist eine Bekanntgabe seiner Daten ohne seine Zustimmung unzulässig.4425 Wenn der FG über betriebswirtschaftliche Kennzahlen vergleichbarer Franchisebetriebe informiert, darf er nicht lediglich Höchstwerte vergleichbarer Unternehmen angeben.4426 Angesichts einer möglichen Streuung genügen auch Durchschnittswerte nicht.4427 Der FN darf mangels gegenteiliger Hinweise davon ausgehen, dass das Franchisekonzept ausreichend erprobt ist.4428 Eine Ertragsvorschau genügt diesen Voraussetzungen nicht, sofern sie bei einem Krankentransportsystem lediglich auf der Basis von 5 Tagen durchgeführt wird und die dabei erzielten Umsätze unter Heranziehung von höheren Tarifen, welche damals im Gebiet eines FN gezahlt wurden, hochgerechnet wurden. Hierbei handelt es sich allenfalls um eine grobe Schätzung.4429 Daran ändert es auch nichts, wenn die Ertragsvorschau den Hinweis enthält, dass die Hochrechnung keine Garantie für tatsächlich erzielbare Umsätze und Erträge bilde und die Zielerreichung im hohen Maße vom Standort und vom erfolgreichen Engagement des FN abhänge.4430 Der FG verletzt seine Aufklärungspflichten, sofern er den FN nicht darüber informiert, auf welcher Datengrundlage die ihm überlassene Ertragsvorschau erstellt wurde und dass die Ertragsvorschau allenfalls den Charakter einer groben Schätzung habe.4431 Der FG muss aber nicht über jeden einzelnen denkbaren Punkt aufklären, da das unterneh- 640 merische Risiko grundsätzlich beim FN liegt. Es obliegt wie jeder Vertragspartei grundsätzlich auch dem FN, sich über die Risiken und Chancen der geschäftlichen Verbindung, also das Ver4414 Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1095). 4415 Richtlinien des deutschen Franchiseverbandes, zweifelnd Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1098). 4416 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.5.2011 – 22 U 181/08, ZVertriebsR 2012, 51 m. Anm. Metzlaff, n. v.; OLG München, Urt. v. 24.4.2001 – 5 U 2180/00, BB 2001, 1759 m. Anm. Böhner BB 2001, 1749; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2209); Böhner BB 2011, 2248 (2253); aA Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1097); Schäfer S. 171; Czerwenka IHR 2003, 53 (57). 4417 OLG München, Urt. v. 13.11.1987 – 8 U 2207/87, BB 1988, 865; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2209). 4418 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 35. 4419 AA Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2010). 4420 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2009). 4421 Flohr ZVertriebsR 2015, 110. 4422 Flohr ZVertriebsR 2015, 110- zu Umsatzprognosen und Rentabilitätsberechnungen. 4423 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2009). 4424 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.1.2012 – 3 U 222/10 Rn 40; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2009). 4425 Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1096). 4426 LG Hamburg, Urt. v. 6.6.1995 – 312 O 519/94; Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1096). 4427 Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1096). 4428 OLG München NJW-RR 1997, 812 (814) = EWiR 1996, 1103 (Martinek); OLG Stuttgart, Urt. v. 13.7.2001 – 2 U 223/ 00, n. v.; Urt. v. 6.6.1995 – 312 U 519/94, n. v.; Böhner NJW 1994, 635 (636); Schäfer S. 150; Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1095). 4429 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (312) m. Anm. Niklas. 4430 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (312) m. Anm. Niklas. 4431 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (312) m. Anm. Niklas. 385

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tragsrisiko,4432 zu informieren und sich ein eigenes Bild von den Marktchancen zu verschaffen.4433 Insb. liegt es in der Verantwortung des FN, sich anhand der ihm überlassenen Unterlagen einen Überblick darüber zu verschaffen, welchen Kapitalbedarf er hat und welcher Arbeitseinsatz zu leisten ist.4434 Die Aufklärungspflicht hat allein die Funktion, das Risiko besser überschaubar und eingrenzbarer zu machen. Realisiert sich ein gut geprüfter Plan nicht, ist dem FG kein Vorwurf zu machen.4435 Der FG hat auch nicht die Aufgabe eines Existenzgründungsberaters.4436 Ihm obliegt es nicht, den FN über alle allgemeinen Risiken seiner beruflichen Selbstständigkeit4437 und über die „Durststrecke“ in der Aufbauphase aufzuklären oder für ihn umfassende Kalkulationen zu erstellen, welche ein mit betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen vertrauter FN selbst fertigen kann.4438 Insbesondere braucht der FG seinem FN vor Vertragsschluss keine auf den speziellen Standort bezogene Standortanalyse (die Eignung des konkreten Standortes für das geplante Unternehmen muss nicht überprüft werden4439), Marktanalyse4440 oder eine Wirtschaftlichkeitsberechnung4441 vorzulegen. Das gilt jedenfalls, falls eine solche dem FG nicht vorliegt.4442 Eine Rentabilitätsgarantie oder -vorschau4443 schuldet der FG daher nicht.4444 Die sich aus dem Gebot von Treu und Glauben abzuleitenden allgemeinen Auskunfts- und Beratungspflichten des FG würden überspannt, wollte man annehmen, er müsse dem FN nicht nur das Datenmaterial für eine eigene Wirtschaftlichkeitsprognose überlassen, sondern darüber hinaus auf eigene Kosten eine auf den Standort bezogene Rentabilitätsuntersuchung durchführen und dem FN für deren Richtigkeit einstehen.4445 Es ist Sache des FN, aus 4432 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (312) m. Anm. Niklas; Böhner BB 2011, 2248 (2254). 4433 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (312) m. Anm. Niklas; OLG Schleswig, Beschl. v. 22.1.2008 – 1 W 27/07, MDR 2008, 791 = NJW-RR 2009, 64; Böhner BB 2011, 2248 (2251). 4434 Waldzus BB 2016, 515 (518). 4435 Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099. 4436 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (312) m. Anm. Niklas; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.6.2016 – 13 U 107/14, ZVertriebsR 2016, 313 (314) m. Anm. Güntzel; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357); Böhner BB 2011, 2248 (2251); Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2210). 4437 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (312) m. Anm. Niklas; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.6.2016 – 13 U 107/14, ZVertriebsR 2016, 313 (314) m. Anm. Güntzel. 4438 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (312) m. Anm. Niklas; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357); OLG Schleswig, Beschl. v. 22.1.2008 – 1 W 27/07, MDR 2008, 791 = NJW-RR 2009, 64; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2210). 4439 OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.6.2004 – VI-U (Kart) 40/02, BeckRS 2004, 12148; OLG Brandenburg NJW-RR 2006, 51; Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099 (3101); OLG München BB 2001, 1759 (1760); Böhner NJW 1994, 635 (636); Schäfer S. 201; aA OLG Köln, Urt. v. 16.5.2004, zit. nach Flohr WiB 1996, 1137 (1140); OLG München, Urt. v. 16.5.1994 – 2 W 14/99, n. v.; OLG Stuttgart, Urt. v. 13.7.2001 – 2 U 223/00, n. v.; OLG Rostock DB 1995, 2006,; LG Essen, Urt. v. 9.5.2005 – 18 O 238/04; Flohr WiB 1996, 1137 (1140 f.); Braun NJW 1995, 504 (505); Giesler ZIP 1999, 2131 (2136). Referierend Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2210). 4440 Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099 (3101). 4441 OLG Schleswig, Beschl. v. 22.1.2008 – 1 W 27/07, MDR 2008, 791 = NJW-RR 2009, 64; OLG Brandenburg NJWRR 2006, 51; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.6.2004 – U (Kart) 40/02; OLG Lüneburg, Urt. v. 21.8.2006 – 4 U 193/06; Flohr ZVertriebsR 2012, 182. 4442 Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1097); Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099 (3101); Metzlaff in: Metzlaff, § 7 Rn 12. 4443 Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1097); Schäfer S. 218; Peters S. 149; OLG Brandenburg NJW-RR 2006, 51 ff.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.6.2004 – VI U (Kart) 40/02, n. v.; aA Martinek in: Flohr, Franchising im Wandel, S. 245; Liesegang in: Flohr, Franchising im Wandel, S. 233; Flohr ZAP F.6, S. 343 (350); Giesler in: Giesler/Nauschütt, Kap. 5 Rn 27. 4444 Böhner NJW 1994, 635 (636); ders. BB 2001, 1749; Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099; Flohr WiB 1996, 1137 (1141; Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1096). 4445 AA OLG Hamm, Urt. v. 28.9.2010 – I-19 U 35/10, BeckRS 2011, 28767 = ZVertriebsR 2012, 177 m. krit. Anm. Flohr. Emde

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dem Datenmaterial des FG Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten des geplanten Franchise zu ziehen und zu diesem Zweck eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchzuführen.4446 Nicht zu informieren ist auch über anhängige Gerichtsverfahren untergeordneter Bedeutung, die Anzahl vorzeitig beendeter Franchiseverträge oder die allgemeine wirtschaftliche Risiken4447 oder die Geschäftsentwicklung der Branche.4448 Spiegelbild der Verpflichtung des FN zur Aufklärung des FG ist die Pflicht des FN, sich mit 641 den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln Informationen zu beschaffen. Er muss sich in den Stand versetzen, die ihm vom FG überlassenen Informationen für sein eigenes persönliches Geschäftsmodell zu würdigen und zu evaluieren.4449 Ob er dies hingegen tut, obliegt ihm. Es gibt keine Verpflichtung des FN zur Auswertung.

(2) Zeitpunkt. Die Aufklärung ist unaufgefordert4450 und unverzüglich zu geben, sobald die 642 Vertragsverhandlungen beginnen und die Aufklärung zu erwarten war, spätestens mit späterer Kenntnis des FG. In der Praxis soll es üblich sein, die Informationen nicht später als 2 Wochen vor Vertragsschluss vorzulegen.4451

(3) Form. Weder gesetzlich noch richterrechtlich wird eine bestimmte Form der Aufklärung vor- 643 geschrieben. Die aufzuklärenden Sachverhalte können auch mündlich mitgeteilt werden.4452 Da der FG für die vollständige und richtige Aufklärung des FN die Beweislast trifft, empfiehlt sich eine hinreichende Dokumentation der Aufklärung. Es ist daher üblich, entweder über von beiden Parteien zu unterzeichnende Checkliste oder Gesprächsprotokolle die Aufklärung zu dokumentieren.4453 Auf eine Reservierungsvereinbarung sollen diese Grundsätze nicht anzuwenden sein. 644 Eine Reservierungsvereinbarung unterscheide sich von einem Franchisevertrag nicht nur durch die unterschiedlichen Leistungspflichten, sondern auch durch ihre zeitliche Bindung. Das gilt jedenfalls, sofern die Reservierungsvereinbarung lediglich eine dreimonatige Vertragsbindung als Gegenleistung für die Zahlung von 15.000 EUR durch den Franchiseinteressenten für die Reservierung eines bestimmten Gebietes, Hilfestellung bei Suche und Auswahl von Mitarbeitern, Unterstützung bei Vertragsverhandlungen mit Werbeträgern und der Wahl des Standortes vorsieht.4454 Solche Folgen seien überschaubar, während der Abschluss eines Franchisevertrages mit einer Laufzeit von 60 Monaten viel weitreichendere wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehe.4455 Wenn eine solche Reservierungsvereinbarung bzw. der Vorvertrag jedoch Regelungen enthalten, die zu einer rechtlichen Verbindung mit dem noch abzuschließenden Franchisevertrag führen, etwa indem sich der Franchiseanwärter in der Reservierungsvereinbarung verpflichtet, einen Franchisevertrag abzuschließen, müssen die für den Franchisevertrag geltenden

4446 OLG Brandenburg, Urt. v. 28.9.2005 – 4 U 37/05, NJW–RR 2006, 51 (52); siehe hierzu auch OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.1.2005 – 11 U (Kart) 12/04; zit. nach Haager NJW 2005, 3394 (3399); aA Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2208): FG hat über Erfolgaussichten aufzuklären. 4447 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2010). 4448 Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1093); aA Flohr Franchisevertrag, S. 28, der Angaben zur Wettbewerbsund Marktsituation fordert. 4449 Waldzus BB 2016, 515 (518). 4450 BGH, Urt. v. 4.4.2011- VIII ZR 32/00, DB 2001, 1298 = BB 2001, 1167; v. 11.5.2001 – V ZR 14/00, DB 2001, 1987 = BB 2001, 1548; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2208). 4451 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2011). 4452 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2011). 4453 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2011). 4454 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.6.2016 – 13 U 107/14, ZVertriebsR 2016, 313 (314) m. Anm. Güntzel. 4455 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.6.2016 – 13 U 107/14, ZVertriebsR 2016, 313 (314) m. Anm. Güntzel. 387

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Aufklärungspflichten Geltung beanspruchen.4456 Sofern der FG vor Abschluss der Reservierungsvereinbarung erkennen kann, dass sich bei dem Franchiseinteressenten aufgrund von Werbeaussagen des FG eine relevante Fehlvorstellung im Hinblick auf das Franchisesystem gebildet hat und der FG diesen Irrtum des Franchiseinteressenten bis zum Abschluss der Reservierungsvereinbarung nicht beseitigt, hat er eine unechte Aufklärungspflicht bezüglich dieses Vorvertrages verletzt.4457 Gleiches gilt bei konkreten Fragen des Franchiseinteressenten vor Abschluss der Reservierungsvereinbarung. Diese müssten wahrheitsgemäß beantwortet werden.4458

645 bb) Täuschungshandlungen. Täuschungshandlungen kommen vor allem bei unrichtiger Beantwortung explizit gestellter Fragen oder der Übergabe unrichtiger Dokumente und Informationen4459 vor. Der FG darf einen (potentiellen) FN nicht über vertragswesentliche Umstände täuschen und ihn in die Irre führen. Täuschungshandlungen betreffen beispielsweise die unzutreffenden Aussagen, es gebe eine große Zahl erfolgreicher FN;4460 man könne als FN viel Geld sicher verdienen, während utopische Umsatzzahlen als vorsichtige Schätzungen bezeichnet wurden;4461 es bestehe ein bundesweites Netz von Master-FN und deshalb ein reichhaltiger Erfahrungsschatz;4462 zur Erprobung und zu dem bisher erzielten Markterfolg des Franchisesystems;4463 zum qm-Umsatz;4464 zu vorhandenenen Kunden im Einzugsbereich des FN;4465 in der dem FN angebotenen Franchiseregion führe der FG „bestehende Großkundenverträge“;4466 bei Rahmenverträgen mit Großkunden sei der FG der größte Spezialdienstleister im Bereich Farbentfernung und Oberflächenschutz;4467 zu bundesweit tätigen Unternehmen in einer Referenzliste;4468 der FG betreue seit über zehn Jahren erfolgreich Großkunden aus ganz Deutschland;4469 zur aus der Gesamtschau der Unterlagen herzuleitenden Tatsache, dass der FG zu namhaften Großkunden Beziehungen unterhalte;4470 der Erfolg sei praktisch vorprogrammiert, obwohl von 135 FN 28 Unternehmen wirtschaftliche Schwierigkeiten hatten4471 und die Darstellung einer krisensicheren Zukunft, während in dem Franchisesystem erhebliche Schwierigkeiten bestanden.4472 Eine Pflichtverletzung ist jedenfalls anzunehmen, wenn die vom FG zur Verfügung gestellten Daten inhaltlich falsch, nicht aktuell oder in der notwendigen Gesamtschau 4456 4457 4458 4459

Güntzel ZVertriebsR 2017, 315 (318). Güntzel ZVertriebsR 2017, 315 (318). Güntzel ZVertriebsR 2017, 315 (318). BGH, Urt. v. 19.7.2011 – VI ZR 367/09, DB 2011, 2314 – unrichtiger individueller Businessplan; LG Hamburg, Urt. v. 17.1.2014 – 332 O 249/12, ZVertriebsR 2014, 112 m. Anm. Flohr = BeckRS 2014, 06779 – unrichtiger qm-Umsatz. 4460 OLG München, Urt. v. 13.11.1997, BB 1988, 865. 4461 OLG München, Urt. v. 16.9.1993, NJW 1994, 667 ff. 4462 OLG Köln, Urt. v. 7.9.2001 – 19 U 83/01, n. v. 4463 LG Hamburg, Urt. v. 2.5.1995 – 312 O 519/94, n. v.; bestätigt durch OLG Hamburg, Urt. v. 17.4.1996 – 5 U 137/ 95, n. v. 4464 LG Hamburg, Urt. v. 17.1.2014 – 332 O 249/12, ZVertriebsR 2014, 112 m. Anm. Flohr = BeckRS 2014, 06779. 4465 LG München I, Urt. v. 31.7.2001 – 4 O 2319/00, n. v. 4466 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (48) m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357). 4467 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (48) m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357). 4468 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (48) m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357). 4469 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (48) m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357). 4470 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (49) m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357). 4471 OLG München v. 24.4.2001, BB 2001, 1759 (1761). 4472 OLG Köln, Urt. v. 7.9.2001 – 19 U 83/01, n. v. Emde

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irreführend sind.4473 Von der unzulässigen Täuschungshandlunng sollen zulässige und unverbindliche werbende Aussagen abzugrenzen sein.4474 Eine Täuschungshandlung soll z.B fehlen, wenn der FN in seinem Unternehmensportrait sich als eines der erfolgreichsten Systeme der deutschen Franchisewirtschaft mit einem Umsatzwachstum von 2003 mit 500.000 EUR auf 20 Millionen Euro im Jahre 2010 bezeichnet.4475

cc) Rechtsfolgen. Wird der Geschädigte zu einem nachteiligen Vertragsschluss bestimmt, den 646 er ohne die Pflichtverletzung des anderen Teils unterlassen hätte, steht dem Geschädigten ein Wahlrecht zu.4476 Er darf entweder unter Aufhebung und Rückabwicklung des Vertrages seine Leistung und Ausgleich der nutzlosen Aufwendungen verlangen4477 oder den Vertrag entsprechend angepasst bestehen lassen.4478 Eine vorvertragliche Haftung kann aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB4479 oder aus Deliktsrecht (§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB)4480 folgen: Der FN ist so zu stellen, wie er ohne die Schadenersatz begründende Handlung gestanden hätte. Weiter bestehen die Rechte aus § 123 BGB, die zu einer Haftung aus § 311 Abs. 2 BGB führen, mit der Folge, dass der Getäuschte gem. § 249 BGB die Rückgängigmachung des Vertrages verlangen kann.4481 Da für einen Anspruch aus §§ 311 Abs. 2, 249 BGB jedes Verschulden genügt, besteht auch bei einer fahrlässigen Täuschung regelmäßig für den getäuschten Vertragspartner die Möglichkeit, als Schadensersatz die Rückgängigmachung des Vertrages zu verlangen.4482 Die Haftung für Prognosen, etwa Umsatz und Rentabilitätsplanungen, tritt bspw. ein, wenn die Prognosezahlen auf keiner nachvollziehbaren, realistischen Grundlage basieren4483 und die Täuschung in Bezug auf Tatsachen erfolgt, die für die Willensbildung von ausschlaggebender Bedeutung sind.4484 Das OLG Frankfurt/M.4485 verneint Schadenersatzansprüche eines FN wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen, falls die vom FG prognostizierten Umsatzvorgaben lediglich um rund 15 % verfehlt wurden. Nach Ansicht von Haager4486 übersieht das Gericht dabei, dass der Break-Even und damit ein rentables Betreiben des Ladenlokals erst bei einem Erreichen von mindestens 98 % des vorgegebenen Mindestumsatzes eingetreten wären. Ob die Grundsätze zur Prospekthaftung oder zur Haftung im Kapitalanlagebereich anwendbar sind, ist umstritten. Teilweise wird dies verneint, weil der Erfolg des FN weitgehend 4473 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (47) m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357). 4474 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.6.2016 – 13 U 107/14, ZVertriebsR 2016, 313 (315) m. Anm. Güntzel. 4475 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.6.2016 – 13 U 107/14, ZVertriebsR 2016, 313 (315) m. Anm. Güntzel. 4476 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357). 4477 BGHZ 69, 53 f.; 115, 213 (220 f.); BGH NJW 1987, 2511 (2512); 2000, 1254 (1256); WM 1990, 479 (480); Jacobsen/ Schäfer ZAP 2008, 1085 (1088); Hager NJW 1999, 2081 (2086). 4478 Jacobsen/Schäfer ZAP 2008, 1085 (1088). 4479 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 m. Anm. Niklas – Ertragsvorschau; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2208, 2211); Canaris § 18 Rn 53; Giesler/Nauschütt BB 2003, 435. 4480 BGH, Urt. v. 19.7.2011 – VI ZR 367/09, DB 2011, 2314 = ZVertriebsR 2013, 96 m. Anm. Timmermann ZVertriebsR 2013, 166 – fehlender Hinweis auf Korrekturbedürftigkeit der übergebenen Businessplans; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2211); Giesler/Nauschütt BB 2003, 435. 4481 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357); Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2211). 4482 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357). 4483 BGH, Urt. v. 7.10.1987, WM 1987, 1557 (1558); OLG Hamburg, Urt. v. 28.7.2014 – 4 U 10/14, ZVertriebsR 2015, 107 (108) m. Anm. Flohr; LG Hamburg, Urt. v. 2.5.1995 – 312 O 519/94, n. v.; OLG Hamburg, Urt. v. 17.4.1996 – 5 U 137/95, n. v.; OLG München, Urt. v. 1.8.2002 – 8 U 5085/01, BB 2003, 443; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 46. 4484 OLG München, Urt. v. 1.8.2002 – 8 U 5085/01, BB 2003, 443. 4485 Urt. v. 25.1.2005 – 11 U (Kart) 12/04; zit. nach Haager NJW 2005, 3394 (3399). 4486 NJW 2005, 3394 (3399). 389

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von Marktlage, Einsatz und Tüchtigkeit abhängt, die Parteien persönlich verhandelten und ein hinreichendes Schutzniveau bestehe.4487 Andere wiederum bejahen die Anwendbarkeit, z. T. unter Hinweis auf die Eigenschaft des FN als Kapitalanleger.4488 Die Prospekthaftung trete neben die Haftung des FG aus §§ 311 Abs. 2, 280 BGB. Ihm seien falsche Prospektangaben zuzurechnen, wenn er die Fehlerhaftigkeit kannte oder kennen musste und dennoch den Prospekt publiziert. Im Wege des Schadenersatzes ersetzt wird der Vertrauensschaden.4489 Der FG hat den FN so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Richtigkeit der Aufklärung bei Abschluss des Franchisevertrages vertraut hätte (negatives Interesse).4490 Geschuldet werden der unmittelbare und mittelbare Vertrauensschaden,4491 Eintritts-4492 647 und bereits geleistete Franchisegebühren4493 (ggf. anteilige Herabsetzung4494), Tilgungsraten in Bezug auf Finanzierungsverträge sowie Rechtsverfolgungskosten,4495 die Aufwendungen für den Bürobetrieb sowie die Kosten und Investitionen,4496 welche für das Führen des Franchisebetriebs nach den Vorgaben des FG entstanden sind, jedoch unter Abzug der erzielten Einnahmen,4497 Restwerte und Verwertungserlöse,4498 zudem Rückgängigmachung des Vertrages.4499 Der entgangene Gewinn ist erstattungsfähig, falls mglw. ein anderer Franchisevertrag bei pflichtgemäß erfolgter Aufklärung zu günstigeren Bedingungen zustande gekommen wäre. Denn dann umfasst der Schadenersatz auch das Erfüllungsinteresse.4500

648 dd) Beweislast. Grds. muss der FN zwar die Voraussetzungen des für ihn günstigen Schadenersatzanspruchs nach den allg. hierfür geltenden Grundsätzen beweisen.4501 Den FG trifft jedoch die Beweislast dafür, dass die vorvertraglichen Angaben zutreffend sind4502 und er vollständig und wahrheitsgemäß aufgeklärt hat,4503 da nur er hinreichend Einblick in die Umstände hat, die zu den mitgeteilten Informationen geführt haben4504 und dokumentieren kann. Nach aA obliegt es dem FG zumindest nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast, die Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit seiner vorvertraglichen wörtlichen Angaben und seines vorvertraglichen Zahlenwerks substantiiert darzutun, sobald der FN hinreichend substantiiert Anzeichen für – zumindest – unzureichende bzw. irreführende und auch tatsächlich falsche 4487 OLG Naumburg OLG-NL 2003, 28 (31); OLG München, Urt. v. 24.4.2001 – 5 U 2180/00, BB 2001, 1759 m. Anm. Böhner, BB 2001, 1749; Becker in: Metzlaff (Hrsg.), Praxishandbuch Franchising, § 11 Rn 298 ff.; Holtz ZVertriebsR 2014, 23 ff. 4488 Giesler ZIP 1999, 2121; Canaris 24. Aufl., § 18 IV Rn 60; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 69. 4489 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 53; Giesler ZIP 2000, 21 (31). 4490 OLG Brandenburg, Urt. v. 28.9.2005 – 4 U 37/05, NJW–RR 2006, 53; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2211). 4491 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2011). 4492 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 m. Anm. Niklas – Ertragsvorschau; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2011). 4493 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2011). 4494 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2011); Canaris § 18 Rn 55. 4495 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2011). 4496 Canaris § 18 Rn 55. 4497 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 55. 4498 OLG München, Urt. v. 24.4.2001 – 5 U 2180/00, BB 2001, 1759 m. Anm. Böhner BB 2001, 1749; OLG München, Urt. v. 16.9.1993, NJW 1994, 667 ff. 4499 OLG Hamm, Urt. v. 28.9.2010 – I-19 U 35/10, BeckRS 2011, 28767 = ZVertriebsR 2012, 177 m. Anm. Flohr; Canaris § 18 Rn 55. 4500 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2011). 4501 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2011). 4502 OLG München, Urt. v. 13.11.1987, BB 1988, 865 ff.; LG Hamburg, Urt. v. 17.1.2014 – 332 O 249/12, ZVertriebsR 2014, 112 m. Anm. Flohr = BeckRS 2014, 06779; LG Bielefeld, Urt. v. 28.1.2010 – 9 O 385/04, BeckRS 2013, 02142; LG Hamburg, Urt. v. 2.5.1995 – 312 O 519/94, n. v. 4503 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2211). 4504 OLG Hamburg, Urt. v. 30.12.2002 – 5 U 220/01, DB 2003, 1054. Emde

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vorvertragliche Angaben des FG vorgetragen hat.4505 Die zumindest sekundäre Darlegungslast des FG besteht im gesteigerten Umfang, wenn der FN ab Vertragsbeginn im Zeitraum von vier Monaten nur 4 Aufträge mit einem Umsatz von rund 1.500,00 EUR statt in der Umsatzplanung des FG für das erste Franchisejahr in Aussicht gestellter 101.000,00 EUR (bzw. rund 33.000,00 EUR für 4 Monate) abwickeln konnte.4506 Folge der Nichterfüllung der zumindest sekundären Darlegungslast des FG soll nach dieser Ansicht zwar keine Beweislastumkehr sein, jedoch eine Geständnisfiktion zugunsten des Klägers i. S. v. § 138 Abs. 3 ZPO.4507 Die sekundäre Darlegungslast exemplifiziert Pour Rafsendjani4508 wie folgt: Der FN stellt fest, dass seine Umsätze unter denen liegen, die der FG im Rahmen seiner vorvertraglichen Aufklärungspflicht prognostiziert hat. Im Prozess um die Aufhebung des Vertrages behauptet er, dass diese konkreten Zahlen vom FG geschönt wurden. Der FG muss nun substantiiert darlegen, wie er zu den Zahlen gelangt ist, die er dem FN in den Verhandlungen genannt hat, also z. B. die Berechnungsgrundlagen offenlegen. Sollte er dies nicht können, gilt die Behauptung des FN als zugestanden. Auf einen Beweis kommt es nicht an. Trägt der FG allerdings substantiiert vor, muss der FN den ihn ursprünglich obliegenden Beweis führen. Die Beweisführung ist nur vereinfacht, weil ein konkretes Berechnungsmaterial vorliegt und nicht mehr nur eine Vermutung. Kann der FN nun nachweisen, dass die Berechnungsmethode des FG ungeeignet war, ist ihm der Beweis gelungen. Ist eine Aufklärungspflichtverletzung bewiesen, so knüpft sich daran die widerlegbare Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens.4509 Oft wird für den FN bei vernünftiger Betrachtung nur die Abstandnahme vom Abschluss des Franchisevertrages naheliegen.4510 Die Kausalität zwischen Täuschung und Aufklärungspflichtverletzung und dem Entschluss des FN, den Franchisevertrag zu unterzeichnen, wird vermutet.4511 Sofern keine ungefragte Aufklärungspflicht besteht, hat der FN Fragen sowie eine unrichtige Antwort zu beweisen.4512 Der hypothetische Sachverhalt, wie sich der FN bei pflichtgemäßer Aufklärung verhalten hätte, soll zwar keines Beweises aber eines Wahrscheinlichkeitsurteils zugänglich sein. Verbleiben Unsicherheiten, ob es zu einem Vertragsschluss gekommen wäre, so gehen diese zu Lasten des Vertragspartners, der pflichtwidrig und unzutreffend bzw. unvollständig aufgeklärt hat.4513

ee) Mitverschulden. Ein Mitverschulden des FN ist zwar nicht pauschal auszuschließen. 649 So geht das OLG München4514 in einem Urteil aus dem Jahr 2001 von einem Mitverschulden des FN aus. Ein FG darf dem FN jedoch regelmäßig nicht als Mitverschulden entgegenhalten, dass er leichtfertig den Anpreisungen des FG4515 und den von ihm genannten Umsatzzah4505 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357); Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2211).

4506 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357).

4507 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357).

4508 Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2011). 4509 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (52) m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357); OLG Hamm, Urt. v. 28.9.2010 – I-19 U 35/10, BeckRS 2011, 28767 = ZVertriebsR 2012, 177 m. Anm. Flohr; Böhner BB 2011, 2248 (2254). 4510 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (52) m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357). 4511 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 48. 4512 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.5.2011 – 22 U 181/08, ZVertriebsR 2012, 51 m. Anm. Metzlaff, n. v.; Böhner BB 2011, 2248 (2255). 4513 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (322) m. Anm. Niklas. 4514 Urt. v. 24.4.2001, BB 2001, 1759 (1761). 4515 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (51) m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357); OLG Hamm, Urt. v. 28.9.2010 – I-19 U 35/10, BeckRS 2011, 28767 = ZVertriebsR 2012, 177 m. Anm. 391

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len4516 vertraut und keinen Fachmann eingeschaltet hat.4517 So ändert sich am Verschulden des FG nichts, dass dem FN angeboten wurde, durch einen Unternehmensberater einen Geschäftsplan erstellen zu lassen. Der FN ist nicht gehalten, von diesem Angebot Gebrauch zu machen.4518 Es liegt ausschließlich im Verantwortungsbereich des FG, realistische und auf hinreichenden Anschlusstatsachen beruhende Umsatzzahlen einzubeziehen oder darauf hinzuweisen, dass eine Ertragsvorschau allenfalls eine grobe Schätzung der zu erzielenden Umsätze beinhaltet.4519 Insb.braucht der FN nicht nach Umständen zu forschen (Due Diligence), über die der FG ungefragt aufklären muss.4520 Auch ein unterlassener Due Diligence begründet kein Mitverschulden.4521 Zum Schadensersatzprozess Giesler Praxishandbuch Vertriebsrecht 2005, § 4 Rn 43. Nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz sind keine Schadenersatz-Sammelklagen von FN wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten möglich.4522 Nach Ansicht von Flohr4523 besteht wegen des ausdifferenzierten Schutzniveaus der Aufklärungspflichten kein Anlass, die vorvertragliche Haftung in Franchiseverträgen gesetzlich zu regeln.

650 ff) Haftung von Verhandlungsgehilfen. FG bedienen sich bei der Anwerbung von FN häufig sogenannten „Area Developer“ oder „Development Agents“ als Verhandlungsgehilfen.4524 Eine Eigenhaftung dieser Vermittler wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses ist i. d. R. ausgeschlossen.4525 Möglich ist aber eine Haftung des Verhandlungsgehilfen nach den Grundsätzen der Sachwalterhaftung.4526 So kann die deutsche Tochtergesellschaft eines ausländischen FG als Verhandlungsgehilfin des FG nach den Grundsätzen der Sachwalterhaftung wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten ausnahmsweise selbst haften. Dies ist anzunehmen, sofern sie ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrages hat und gleichsam in eigener Sache tätig wird, z. B. wenn sie eine selbstübernommene Gewähr für die Richtigkeit einer von ihr übergebenen Wirtschaftlichkeitsberechnung übernimmt, indem sie zusichert, im Falle eines Scheiterns des Projekts werde sie das Franchiseobjekt übernehmen, „wie sich das für eine große Franchisefamilie gehöre“.4527 Nach Giesler/Güntzel4528 muss der Verhandlungsge-

Flohr; OLG München, Urt. v. 16.9.1993, NJW 1994, 667 ff. m. Anm. Böhner NJW 1994, 635 und Anm. Braun NJW 1995, 504; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 50; Böhner BB 2011, 2248 (2252); differenzierend nach Geschäftserfahrung vgl. Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 108; Flohr WiB 1996, 1137 (1139); Böhner NJW 1994, 635. 4516 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (51) m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357); OLG Hamm, Urt. v. 22.12.2011 – I-19 U 35/10, ZVertriebsR 2012, 177; OLG München, Urt. v. 16.9.1993 – 6 U 5495/92, NJW 1994, 667 m. Anm. Braun NJW 1995, 504. 4517 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 m. Anm. Niklas; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (51) m. Anm. Flohr und zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357); OLG Hamm, Urt. v. 28.9.2010 – I-19 U 35/10, BeckRS 2011, 28767 = ZVertriebsR 2012, 177 m. Anm. Flohr. 4518 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (322) m. Anm. Niklas. 4519 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320 (321/322) m. Anm. Niklas. 4520 Böhner BB 2011, 2248 (2253). 4521 Strenger wohl Böhner BB 2011, 2248 ff. 4522 Flohr BB 2006, 389 (392/393). 4523 ZVertriebsR 2014, 55; ZVertriebsR 2013, 273. 4524 Giesler/Güntzel ZIP 2013, 1264. 4525 BGH, Urt. v. 13.12.2005 – KZR 12/04, NJW–RR 2006, 993 = NJW 2006, 2547 (LS); OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.4.2004 – VI-U (Kart) 12/03; v. 18.2.2004 – VI-U (Kart) 42/02; Giesler/Güntzel ZIP 2013, 1264 (1265). 4526 BGH, Urt. v. 13.12.2005 – KZR 12/04, NJW-RR 2006, 993 = NJW 2006, 2547 (LS); Giesler/Güntzel ZIP 2013, 1264 (1265). 4527 BGH, Urt. v. 13.12.2005 – KZR 12/04, NJW–RR 2006, 993 = NJW 2006, 2547 (LS). Das OLG Düsseldorf hat die Klage nach Rückverweisung m. Urt. v. 15.11.2006 – VI-U (Kart) 42/02 abgewiesen: Der Beweis, dass der Verhandlungsgehilfe diese Äußerung vorbrachte, konnte nicht geführt werden. 4528 ZIP 2013, 1264 (1266). Emde

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hilfe eine echte vertragliche Garantie gegeben haben, um zu haften. Nach Flohr4529 liegt wegen der Informationsasymmetrie regelmäßig eine Sachwalterposition des Verhandlungsgehilfen vor. Mir scheint die Position von Flohr den Regelfall eher zu treffen, zumal der FG das ihn treffende Vertrauen gewissermaßen „auslagert“. Ob mit dem Verhandlungsgehilfen ein eigener Auskunfts- oder Beratungsvertrag geschlossen wurde, was grds. denkbar ist,4530 hängt vom Einzelfall ab. Anhaltspunkte dafür sind ein persönliches Engagement in der Form von Zusicherung nach Art einer Garantieübernahme, das Versprechen eigener Überprüfung von Angaben, die Beiziehung des Auskunftsgebers auf Verlangen des Empfängers, die Einbeziehung in solche Verhandlungen als unabhängige neutrale Person oder eine bereits anderweitig bestehende Vertragsbeziehung zwischen Auskunftsgeber und -empfänger.4531 Bei Planzahlrechnungen für Franchisegründungen soll im Regelfall ein Beratungsvertrag fehlen.4532 Giesler/Güntzel4533 wollen einen Beratungsvertrag annehmen, falls der Verhandlungsgehilfe die Auswertung des Datenmaterials eigenhändig vornimmt und Werturteile und Rückschlüsse daraus zieht sowie umfangreiche und professionell erscheinende Muster-Business- und Investitionspläne vorlegt, so dass der Franchise-Interessent von einer eigenen Aufbereitung der tatsächlichen Zahlen absieht. Schließlich kann an einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB oder § 826 BGB gedacht werden.4534 Theoretisch können auch Dritte, z. B. Kapitalgeber, Vermieter oder Familienangehörige, in den Schutzbereich des vorvertraglichen Schuldverhältnisses und damit der Aufklärungspflichten einbezogen werden.4535 Erforderlich sind Leistungsnähe, Einbeziehungsinteresse oder Gläubigernähe, Erkennbarkeit und damit Zumutbarkeit der Haftung sowie Schutzbedürftigkeit des Dritten.4536 Das Risiko einer solchen Haftung dürfte eher gering sein.4537 Bei Eigenkapitalgebern sollen nach Ansicht von Giesler/Güntzel4538 rglm. ein Interesse an der Einbeziehung in den Schutzbereich der Aufklärungspflichten bestehen.

b) Pflichten des FN. Auch der FN unterliegt Aufklärungspflichten4539: Seine Angaben bei der 651 Bewerbung müssen wahrheitsgemäß sein.4540 Er hat insb. über seine beruflichen Fähigkeiten, persönlichen Eigenschaften und finanziellen Möglichkeiten aufzuklären.4541

7. Widerrufsrecht Schrifttum Flohr Umsetzungsgesetz zur EU-Verbraucherrechte-Richtlinie, ZVertriebsR 2013, 334; ders. Die Widerrufsbelehrung – neues und hoffentlich Endgültiges zu einem zweifelhaften Instrument ders Verbraucherschutzes, ZVertriebsR 2012, 70. Zur Historie Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (71 f.).

4529 BB 2006, 389 (396). 4530 Geprüft von BGH, Urt. v. 13.12.2005 – KZR 12/04, NJW-RR 2006, 993 = NJW 2006, 2547 (LS); OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.2004 – VI-U (Kart) 42/02; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.4.2004 – VI-U (Kart) 12/03.

4531 S. Giesler/Güntzel ZIP 2013, 1264 (1266). 4532 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.4.2004 – VI-U (Kart) 12/03; v. 18.2.2004 – VI-U (Kart) 42/02; krit. Giesler/Güntzel ZIP 2013, 1264 (1267). Giesler/Güntzel ZIP 2013, 1264 (1267). Giesler/Güntzel ZIP 2013, 1264 (1267); abgelehnt v. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.4.2004 – VI-U (Kart) 12/03. Giesler/Güntzel ZIP 2013, 1264 (1268). Giesler/Güntzel ZIP 2013, 1264 (1268). Giesler/Güntzel ZIP 2013, 1264 (1268). ZIP 2013, 1264 (1270). Waldzus BB 2016, 515 (518); Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (6). Waldzus BB 2016, 515 (518). Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (6); Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 114.

4533 4534 4535 4536 4537 4538 4539 4540 4541 393

Emde

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652 a) Widerrufsrecht nur bei Verbraucherverträgen. Franchiseverträge, die mit Unternehmen abgeschlossen werden, bedürfen keiner Widerrufsbelehrung.4542 Nur Franchiseverträge, die mit Verbrauchern i. S. d. § 13 BGB abgeschlossen werden, benötigen eine Widerrufsbelehrung. Von einem Vertragsschluss mit einem Verbraucher soll bei einem Franchisevertrages rglm. nicht auszugehen sein.4543 Gem. § 512 BGB gilt für Rechtsgeschäfte im Zuge einer Existenzgründung der für Verbraucher (s. o.) geschaffene § 510 BGB entsprechend, und damit auch das Widerrufsrecht des § 355 BGB sowie das Schriftformgebot des § 510 Abs. 2 BGB. Erst recht gilt das bei Rechtsgeschäften zur Vorbereitung einer Existenzgründung.4544 Bei Verbraucherverträgen (§ 355 Abs. 1 BGB)4545 entsteht ein Widerrufsrecht, falls der Vertrag eine Bezugsverpflichtung i. S. d. § 510 Abs. 1 Nr. 3 BGB enthält („wiederkehrender Erwerb oder Bezug von Sachen“).4546 Das ist sogar anzunehmen, wenn ein Rückgaberecht des FN vorgesehen ist. Die meisten Franchiseverträge enthalten eine derartige Bezugsbindung,4547 sie soll zur Sicherung eines einheitlichen Qualitätsniveaus zulässig sein.4548 Es handelt sich um ein „verstecktes“ Entgelt.4549 Ausreichend ist es, wenn sich die Verpflichtung zum wiederkehrenden Erwerb oder Bezug von Sachen aus dem Franchisevertrag mittelbar ergibt.4550 Sie besteht nicht, wenn dem FN das Recht zusteht, binnen von zwei Jahren nach Vertragsunterzeichnung selbst zu entscheiden, ob er das Franchise nutzt oder nicht.4551 Die Widerrufsbelehrung ist bei solchen Verbraucherverträgen nur dann unnötig, wenn 653 die in § 512 BGB genannte Investitionssumme des FN einen Betrag von 75.000 EUR übersteigt.4552 Die Verpflichtung zum Bezug der Erstausstattung führt zur Anwendbarkeit der §§ 512, 510 Abs. 1, 355 BGB, sofern die Erstausstattung in Teilleistungen geliefert wird und in Teilleistungen zu bezahlen ist.4553 Die Wertgrenze von 75.000 EUR unterliegt nach einer Meinungsgruppe der teleologischen Reduktion, wenn ein Franchisegeschäft von einem Existenzgründer neu gegründet wird4554 oder ein Existenzgründer oder Kleingewerbetreibender tätig wird.4555 Bleibt zweifelhaft, ob die Investition diesen Betrag übersteigt, sollte eine Widerrufsbelehrung erfolgen. Nach einer Ansicht4556 kommt es zur Bestimmung der Wertgrenze nicht auf den Wert des Gesamtengagements an. Vielmehr sei jede Willenserklärung gesondert zu bewerten, was 4542 Flohr ZVertriebsR 2013, 334. 4543 Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (74) – der dafür plädiert, Franchiseverträge generell von dem Widerrufsvorbehalt zu befreien; Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099 (3100). 4544 BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, ZIP 2008, 27 = NJW 2008, 435. 4545 Flohr ZVertriebsR 2013, 334. 4546 Metzlaff in: Metzlaff, Praxishandbuch Franchising § 8 Rn 486; Flohr ZVertriebsR 2013, 334. 4547 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 413; vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 26.9.2013 – 16 U (Kart) 50/13, BeckRS 2013, 21955 – Subway; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466. 4548 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2013 – VI-U (Kart) 1/13, BeckRS 2014, 12436 – Subway; Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466; OLG Schleswig, Urt. v. 26.9.2013 – 16 U (Kart) 50/13, BeckRS 2013, 21955 – Subway; LG Düsseldorf, Urt. v. 21.11.2013 – 14c O 129/12U, WuW DE-R 4417 = BeckRS 2014, 10383; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 342. 4549 Canaris § 18 Rn 39. 4550 BGH, Urt. v. 14.12.1994, ZIP 1995, 105 (107); OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992, ZIP 1992, 1224 ff.; Giesler/Güntzel/ Giesler2 § 4 Rn 413. 4551 OLG Schleswig, Urt. v. 26.9.2013 – 16 U (Kart) 50/13, BeckRS 2013, 21955 – Subway. 4552 BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, ZIP 2008, 27 = NJW 2008, 435 (für §§ 13, 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 BGB); Beschl. v. 24.2.2005, ZIP 2005, 622 = NJW 2005, 1273; OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 641; LG Köln, Urt. v. 17.8.2012 – 24 O 331/11, BeckRS 2014, 11906; LG Kiel, Urt. v. 18.1.2013 – 14 O 63/11.Kart, BeckRS 2014, 13988; Flohr ZVertriebsR 2013, 334; Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (75); Kulke EWiR 2008, 485; Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099 (3100); Metzlaff in: Metzlaff, Praxishandbuch Franchising § 8 Rn 486. 4553 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 414. 4554 Giesler/Giesler/Kroll 1 § 4 Rn 263; von Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 407 aufgrund der Gesetzesänderung aufgegeben. 4555 Giesler ZIP 2002, 420. 4556 OLG Schleswig, Urt. v. 11.6.2010 – 1 U 122/09; OLG Brandenburg, Urt. v. 31.8.2005, NJW 2006, 159. Emde

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den Schutz des Existenzgründers betont. Da in der Regel eine Eintrittsgebühr die Wertgrenze von 75.000 EUR nicht erreicht, bedeutet dies, dass auch beim Existenzgründungsfranchisenehmer von der Notwendigkeit einer Widerrufsbelehrung auszugehen wäre.4557 Nach aA müssen auch Beträge berücksichtigt werden, die sich erst aus der Einbeziehung weiterer Verträge – namentlich der zukünftig noch abzuschließenden Einzelverträge mit Lieferanten – ergeben.4558 Bei einer 20jährigen Vertragslaufzeit käme es etwa darauf an, welcher Gesamtabnahmewert des Warenbezuges sich über diesen Zeitraum prognostizieren lässt.4559 Beim Warenfranchising wird die Wertgrenze von 75.000 EUR gelegentlich überschritten, beim Dienstleistungsfranchising soll dies zweifelhaft sein. Ungeklärt bleibt, wann beim Dienstleistungsfranchising ein Widerrufsrecht besteht. Rspr. und Lehre nehmen zutreffend ein Widerrufsrecht an, falls der FN vertraglich verpflichtet ist, seinen Vertrieb jederzeit nach den Änderungen unterliegenden Systemvorgaben des FG umzugestalten4560 oder im Falle der Weiterentwicklung der Franchise zusätzliche Gebühren zu entrichten hat.4561 Wer trotz gesetzlicher Verpflichtung keine oder eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung beifügt, handelt wettbewerbswidrig i. S. d. UWG.4562

b) Inhalt der Widerrufsbelehrung. Ist der FN Verbraucher i. S. d. § 13 BGB und die Wertgrenze 654 von 75.000 EUR nicht erreicht, wird eine mit zutreffender Anschrift des Unternehmers versehene,4563 bei deutscher Vertragssprache in deutsch verfasste (anders bei ausländischer Vertragssprache4564), deutliche (Sperrschrift, Unterstreichung, Einrahmung)4565 und damit hervorgehobene Widerrufsbelehrung notwendig. Der gesetzlich vorformulierte Text sollte wegen der damit verbundenen Gefahr der Unwirksamkeit verwendet und nicht abgeändert werden.4566 Der Fristbeginn muss genannt werden.4567 Auf die Widerrufsfolgen braucht nicht hingewiesen zu werden;4568 es gibt allerdings kein gesetzliches Muster ohne Nennung der Widerrufsfolgen. Unschädlich bleibt, wenn infolge einer Novellierung hinsichtlich des Fristbeginns statt auf § 312e Abs. 1 S. 1 auf § 312g Abs. 1 S. 1 verwiesen wird.4569 Die Widerrufsbelehrung ist unzureichend, falls sie nur Hinweise zu den Pflichten des FN im Falle des Widerrufs enthält, jedoch nicht zu seinen Rechten.4570 Enthält ein Vertrag einen Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit, obwohl nach dem Gesetz ein Widerrufsrecht fehlt, so wird im Zweifel ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt4571 (die Einräumung eines solchen ist zulässig). Seit dem 13.7.2014 hat

4557 Flohr BB 2006, 389 (394). 4558 OLG Schleswig, Urt. v. 26.9.2013 – 16 U (Kart) 50/13, BeckRS 2013, 21955 – Subway; LG Kiel, Urt. v. 18.1.2013 – 14 O 63/11.Kart, BeckRS 2014, 13988.

4559 LG Kiel, Urt. v. 18.1.2013 – 14 O 63/11.Kart, BeckRS 2014, 13988; LG Köln, Urt. v. 17.8.2012 – 24 O 331/11, BeckRS 2014, 11906.

4560 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 18.4.1997 – 18 O 115/96, zit. nach Giesler ZIP 2002, 420 (422). 4561 Giesler ZIP 2002, 420 (422). 4562 KG Berlin, Beschl. v. 8.9.2009 – 5 W 105/09; Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (76); für einen Bagatellverstoß bei unwirksamer Widerrufsbelehrung OLG Hamm, Urt. v. 5.11.2009 – 4 U 121/09. Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (76). Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (77). Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (75). Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (73, 74). Zur Fehlerhaftigkeit der früher vorgegebenen Widerrufsbelehrung u. a. Woitkewitsch MDR 2007, 630; zu den mit der Belehrung verbundenen Problemen Ebnet NJW 2011, 1029. 4567 LG Dortmund, Urt. v. 30.3.2012 – 3 O 31/11, ZVertriebsR 2013, 163 (165). 4568 Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (77). 4569 OLG Brandenburg, Urt. v. 8.10.2013 – 6 U 97/13, ZVertriebsR 2013, 388. 4570 LG Dortmund, Urt. v. 30.3.2012 – 3 O 31/11, ZVertriebsR 2013, 163 (165). 4571 LG Dortmund, Urt. v. 30.3.2012 – 3 O 31/11, ZV ertriebsR 2013, 163 (165).

4563 4564 4565 4566

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sich das Recht der Widerrufsbelehrung umfassend geändert.4572 Ab diesem Datum muss der Text einer neuen Widerrufsbelehrung verwendet werden, der in einem Musterformular als Anl. 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB wiedergegeben wird. Dies bedeutet, dass die Widerrufsbelehrung bzw. deren amtliches Muster künftig Gesetzeskraft hat und durch die Instanzgerichte nicht verworfen werden kann.4573 Altverträge, die bis zum 12.7.2014, 00:00 Uhr, abgeschlossen wurden, sind von den neuen Regelungen nicht betroffen. Für sie gilt das alte Recht fort, auch wenn das Gesetz keine Übergangsregelung enthält.4574 § 355 BGB regelt das Recht der Widerrufsbelehrung in einer ab 13.7.2014 geltenden Fassung. Die gesetzlichen Anforderungen an eine Widerrufsbelehrung entsprechen dem Grunde nach dem bis Juli 2014 geltendem Recht.4575

655 c) Rechtsmissbräuchlichkeit des Widerrufsrechts. Die Verwirkung des Widerrufsrechts kann kaum praktisch werden und nur in Ausnahmefällen angenommen werden.4576 Die Ausübung kann theoretisch rechtsmissbräuchlich sein,4577 etwa wenn der ehemalige FN vorsätzlich das Widerrufsrecht missbraucht, um dem FG Schaden zuzufügen. Die Beweislast liegt beim FG.4578 Allein eine konkurrierende Tätigkeit nach Beendigung des Franchisevertrages reicht hierfür nicht aus.4579

656 d) Rechtsfolgen des Widerrufsrechts. Besteht ein Widerrufsrecht, können bis zum 12.7.2014 geschlossene Franchiseverträge gem. §§ 510 Abs. 1,4580 512, 355 BGB4581 widerrufen werden.4582 Für den Fall des Widerrufs ist im Regelfall von der Einheitlichkeit der mit dem Franchisevertrag im Zusammenhang stehenden Nebenverträge auszugehen.4583 Die Frist zum Widerruf beträgt 2 Wochen (§ 510 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB).4584 Sie beginnt am Folgetag des Tages (§ 187 Abs. 1 BGB4585) zu dem der FN eine ordnungsgemäße Belehrung über sein Widerrufsrecht erhalten hat (§ 355 Abs. 1 S. 1 BGB – ab 13.7.2014: § 355 Abs. 2 BGB) und endet gem. §§ 182 Abs. 2, 193 BGB am letzten Tag der Wochenfrist um 24:00 h. Fällt die Frist auf einen Sonnabend oder Sonntag, verlängert sie sich bis zum nächsten Werktag um 24:00 h.4586 Wahrscheinlich wird man für eine ordnungsgemäße Prüfung der Vertragspflichten und damit den Fristbeginn nicht nur die

4572 Gesetz v. 14.6.2013 in Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie (BR-Drucks. 498/13, hierzu Flohr ZVertriebsR 2013, 334). Flohr ZVertriebsR 2013, 334. Flohr ZVertriebsR 2013, 334. Flohr ZVertriebsR 2013, 334. Flohr ZVertriebsR 2017, 306 (307). Flohr ZVertriebsR 2017, 306 (308). Flohr ZVertriebsR 2017, 306 (308). Flohr ZVertriebsR 2017, 306 (308). Die Regelung wird durch die zum 13.7.2014 für Neuverträge geltende Novellierung nicht berührt, s. Flohr ZVertriebsR 2013, 334. 4581 Zu der ab 13.7.2014 geltenden Fassung Flohr ZVertriebsR 2013, 334. 4582 BGH, Urt. v. 16.4.1986, BGHZ 94, 226 = NJW 1985, 1544 zum AbzG; OLG Hamm, Urt. v. 28.4.2009 – 4 U 13/09, NJW-RR 2009, 1707 (1708); Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099 (3100). 4583 BGH, Urt. v. 5.11.1997, WM 1998, 126; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.1.1987, WM 1987, 599 (600) (Auswirkung der Nichtigkeit des Franchisevertrages auf einen Mietvertrag); OLG Nürnberg, Urt. v. 3.2.1998 – 3 U 3361/96, n. v. (Auswirkung eines Widerrufs nach VerbrKrG); Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 273. 4584 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 416. 4585 Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (75). 4586 Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (75).

4573 4574 4575 4576 4577 4578 4579 4580

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Aushändigung des Vertrages sondern auch des Franchise-Handbuchs fordern müssen.4587 Die Fristenregeln wurden vielfach geändert.4588 Bis zum 12.7.2014 gilt gem § 355 Abs. 2, 4 BGB grds., dass das Widerufsrecht spätestens 6 Monate nach Vertragsschluss erlischt, jedoch nicht, falls keine Belehrung entsprechend § 360 Abs. 1 Nr. 1–4 BGB in Textform erfolgte.4589 Mangelt es an einer wirksamen Widerrufsbelehrung, kann bei bis zum 12.7.2014, 00:00 h geschlossenen Verträgen4590 unbefristet widerrufen werden. Für ab dem ab 13.7.2014 geschlossene Verträge gilt: Neu ist der Zeitpunkt, zu dem die 657 Widerrufsfrist beginnt. Hier sieht das Gesetz unterschiedliche Alternativen vor, so dass jedes Franchisesystem prüfen muss, zu welchem Zeitpunkt die Widerrufsfrist für den abzuschließenden Franchisevertrag beginnt.4591 Wird die Widerrufsbelehrung – obwohl notwendig- vergessen oder entspricht sie nicht den gesetzlichen Anforderungen, so erlischt das Widerrufsrecht nach einem Jahr und 14 Tagen.4592 Die Widerrufsfrist beträgt einheitlich 14 Tage und beginnt regelmäßig mit dem Abschluss des Verbrauchervertrages (§ 355 Abs. 2 BGB). Es genügt, dass der Verbraucher seine Widerrufserklärung innerhalb der Frist absendet (§ 355 Abs. 1 S. 5 BGB). Auf den Zugang beim Unternehmer kommt es nicht mehr an. Wann die Widerrufsfrist beginnt im Einzelfall tatsächlich beginnt, ergibt sich kumulativ aus den Bestimmungen in § 356 Abs. 2 und 3 S. 1 BGB. Liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor (§ 474 Abs. 1 S. 1 BGB), hängt der Beginn der Widerrufsfrist von der Art der Warenlieferung ab (§ 356 Abs. 2 Nr. 1 BGB): Bei einer einzigen Ware ist darauf abzustellen, wann der Verbraucher sie in Händen hält (lit. a). Bei Lieferung mehrerer einzelner Waren (lit. b) oder Teillieferung einer Ware (lit. c) aus einer Bestellung, d. h. sofern ein erkennbarer Zusammenhang zwischen den einzelnen Lieferungen besteht, kommt es auf die letzte Ware an. Bei regelmäßig wiederkehrenden Lieferungen über einen bestimmten Zeitraum hinweg ist hingegen der Erhalt der ersten Waren entscheidend (lit. b). Ist der Gegenstand des Verbrauchervertrags flüchtiger Natur, beginnt die Widerrufsfrist bereits mit Vertragsschluss (§ 356 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Unabhängig vom Vertragsgegenstand beginnt die Widerrufsfrist erst dann zu laufen, wenn der Unternehmer den Verbraucher auch über sein Widerrufsrecht (Bedingungen, Fristen, Verfahren) unterrichtet hat (§ 356 Abs. 3 S. 1 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB). Weitergehende Informationen, wie sie bislang notwendig waren, sind nunmehr nur noch bei Fehlern zu Dienstleistungen zu erteilen (Verweis auf Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB). Gem. § 356 Abs. 3 S. 2 BGB erlischt das Widerrufsrecht bei sämtlichen Geschäften außer Finanzdienstleistungen (S. 3) unabhängig von der ordnungsgemäßen Begehrung in jedem Fall 12 Monate und 14 Tage nach dem Zeitpunkt, der sich aus den einschlägigen Normen ergeben hat (§ 355 Abs. 2 S. 2 oder § 356 Abs. 2 BGB). Ein endloses Widerrufsrecht ist damit ausgeschlossen. Erfolgt eine ordnungsgemäße Belehrung innerhalb der Jahresfrist, endet die Widerrufsfrist 15 Tage danach. Ist Gegenstand des Verbrauchervertrages eine Dienstleistung, die der Unternehmer erst nach ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers in Kenntnis des Verlustes seines Widerrufsrechts begonnen hatte, erlischt das Widerrufsrecht, sobald der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat (§ 356 Abs. 4 BGB). Es genügt insoweit die einseitige Erfüllung durch den Unternehmer. Von der Frist zum Widerruf ist die sich an seine Ausübung anschließende Frist für die Rückgewähr zu unterscheiden. Sie beträgt üblicherweise ebenfalls

4587 Nach Ansicht von Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (77) nur, wenn es als Anlage zum Vertrag bezeichnet wurde. Aber es kommt nicht darauf an, sondern ob die Nichteinhaltung der Bestimmungen des Handbuches eine Vertragsverletzung bildet. Für eine hinreichende Prüfungsfrist auch LG Heidelberg – 11 O 150/06, zit. nach Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (77) bei Fn. 76. 4588 Vgl. zum wechselnden Rechtszustand OLG Hamm, Urt. v. 28.4.2009 – 4 U 13/09, NJW-RR 2009, 1707 (1708); OLG Frankfurt/M. GRUR 1984, 691; Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (71); Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 211; Giesler/Güntzel/ Giesler2 § 4 Rn 425. 4589 LG Dortmund, Urt. v. 30.3.2012 – 3 O 31/11, ZVertriebsR 2013, 163 (165); Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (73). 4590 Flohr ZVertriebsR 2013, 334. 4591 Flohr ZVertriebsR 2013, 334 (334/335). 4592 Flohr ZVertriebsR 2013, 334 (335). 397

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14 Tage und beginnt für den Verbraucher mit der Abgabe seiner Widerrufserklärung, für den Unternehmer mit deren Zugang (§ 357 Abs. 1 i. V. m. § 355 Abs. 3 S. 2 BGB). Beide Parteien haben die Leistungen der Gegenseite zurückzuerstatten. Der Unternehmer muss den erhaltenen Preis für den Kaufgegenstand und die Dienstleistung zurückzahlen. Der Verbraucher muss – wenn möglich – die Ware zurückgeben. Der Einwand des Rechtsmissbrauches gegen das Widerrufsrecht ist kaum möglich.4593 Hilfe könne eine erneute Erteilung der Widerrufsbelehrung geben.4594 Durch den Widerruf entstand bei bis zum 12.7.2014 geschlossenen Verträgen ein Rückab658 wicklungsschuldverhältnis (§§ 357, 346 ff. BGB).4595 Eine Rückabwicklung nach den §§ 812 ff. BGB schied aus. Geschuldet wurde die Rückgewähr der empfangenen Leistungen und Nutzungen. Das Handbuch war zurückzugeben.4596 Ein Problem stellte der Nutzungsanspruch (§§ 346 Abs. 1, 347 BGB) dar, wenn der Widerruf erfolgte, nachdem der FN aus der Franchise bereits Nutzungen gezogen hat. Nutzungen waren nur so weit zu ersetzen, wie das Recht durch den Gebrauch im Wert gemindert wird. Franchise nutzt sich jedoch nicht ab, gelegentlich gewinnt sie durch Aufwendungen des FN sogar an Wert, weil die Marke im Vertragsgebiet bekannt wird. Generell war eine Rückgewähr erhaltenen Know-Hows nicht möglich.4597 Das Know-How bildet keinen Wert, sofern es z. B. ausschließlich im Zusammenhang mit weiteren Leistungen des FG genutzt werden kann, welche der FN nicht mehr erhält.4598 Wertersatz war zu leisten, wenn die Rückgewähr oder Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist/oder der empfangene Gegenstand verbraucht oder veräußert worden ist.4599 In Höhe des Wertersatzanspruches des FG war seine Forderung mit dem Gebührenrückzahlungsanspruch des FN zu saldieren.4600 Nach Ansicht des LG Dortmund4601 war bei der Berechnung des Wertersatzes die im Vertrag vereinbarte Gegenleistung zugrunde zu legen. Wertlos ist ein Franchisehandbuch, das nicht auf die Belange des Systems zugeschnitten ist.4602 Der FN dürfte analog § 90 auch im Rückgewährschuldverhältnis zur Geheimhaltung verpflichtet sein.4603 Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus und hat er dem Unternehmer wirksam den 659 Widerruf erklärt, verwandelt sich das Geschäft bei seit dem 13.7.2014 geschlossenen Verträgen in ein Rückabwicklungsverhältnis und es müssen beide Parteien die von der Gegenseite erhaltenen Leistungen retournieren (§ 355 Abs. 3 S. 1 BGB). Die Rücksendung der Ware erfolgt prinzipiell auf Gefahr des Unternehmers (§ 355 Abs. 3 S. 4 BGB), wobei der Verbraucher nicht von jeglicher Sorgfaltspflicht befreit ist. Er muss daher die Ware – wenngleich nicht zwingend in der Originalverpackung – wenigstens so verpacken, dass sie Chancen hat, den Transport zu überstehen. Neben dem Kaufpreis etc. muss der Unternehmer die Verbraucher auch etwaig entstandene Lieferkosten ersetzen (§ 357 Abs. 2 S. 1 BGB). Der Ersatzanspruch ist aber begrenzt auf die günstigste Standardlieferung (§ 357 Abs. 2 S. 2 BGB), so dass beispielsweise besondere Kosten eines Expressversands nicht zu ersetzen sind. Mangels abweichender Vereinbarung muss der Unter4593 Waldzus BB 2016, 515 (518). 4594 Waldzus BB 2016, 515 (518). 4595 OLG Brandenburg, Urt. v. 17.3.2015 – Kart U 3/13, ZVertriebsR 2015, 317 (318); LG Dortmund, Urt. v. 30.3.2012 – 3 O 31/11, ZVertriebsR 2013, 163 (165); Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 441. 4596 Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (77). 4597 Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (77) – weshalb Flohr dem FG empfiehlt, nicht vor Ablauf der Widerrufsfrist zu leisten. 4598 BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, ZIP 1995, 105 (107 f.); Giesler WM 2001, 1441 (1442); ZIP 2002, 420 (423). 4599 OLG Brandenburg, Urt. v. 17.3.2015 – Kart U 3/13, ZVertriebsR 2015, 317 (318); LG Dortmund, Urt. v. 30.3.2012 – 3 O 31/11, ZVertriebsR 2013, 163 (165); Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 442. 4600 Giesler/Güntzel/Giesler2. Aufl. 2013, § 4 Rn 442; Giesler ZIP 2002, 420 (423). 4601 LG Dortmund, Urt. v. 30.3.2012 – 3 O 31/11, ZVertriebsR 2013, 163 (165). 4602 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 447; Flohr WiB 1995, 1010; aA OLG Dresden, Urt. v. 28.9.1995, NJW-RR 1996, 1013. 4603 AA wohl Flohr ZVertriebsR 2012, 70 (77). Emde

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nehmer dem Verbraucher das Geld auf demselben Weg zukommen lassen, wie er es erhalten hat (§ 357 Abs. 3 BGB). Handelt es sich um ein Verbrauchsgüterkauf, darf der Unternehmer die Rückzahlung solange verweigern, bis er seine Ware zurückerhalten oder zumindest einen Nachweis erhalten hat, dass der Verbraucher sie abgesandt hat (§ 357 Abs. 4 S. 1 BGB). Der Verbraucher muss die Ware üblicherweise (vgl. § 357 Abs. 5 BGB) auf eigene Kosten zurücksenden, sofern er vom Unternehmer darüber belehrt wurde (§ 357 Abs. 6 S. 1 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EGBGB). Eine Kostenobergrenze existiert nicht. Anderes gilt freilich, wenn der Unternehmer diese Kosten selbst zu tragen bereit ist (§ 357 Abs. 6 S. 2 BGB). Bei Außergeschäftsraumverträgen muss der Unternehmer die Ware zudem auf eigene Kosten abholen, wenn sie bei Vertragsschluss zur Wohnung des Verbrauchers geliefert wurde und so beschaffen ist, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden kann (§ 357 Abs. 6 S. 3 BGB). Dem Unternehmer steht ein Anspruch auf Wertersatz neben der Rückgabe der Ware zu, wenn sie einen Wertverlust erlitten hat, weil sie der Verbraucher während der Widerrufsfrist nicht ausreichend sorgfältig behandelt hat, obwohl ihm der Unternehmer ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat und er daher wissen musste, dass er die Sache eventuell nicht dauerhaft behalten würde (§ 357 Abs. 7 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Demgegenüber steht dem Unternehmer von vornherein ausschließlich ein Wertersatzanspruch zu, wenn er Dienstleistungen erbracht oder Energie geliefert hat, die für sich genommen nicht in Natura zurückgewährt werden können – oder er mit seiner Leistungen im Einverständnis mit dem ordnungsgemäß belehrten Verbraucher schon während der noch laufenden Widerrufsfrist begonnen hat. Zu ersetzen ist die bis zum Widerruf erbrachte Leistung (§ 357 Abs. 8 S. 1–3 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 3 EGBGB). Der Wertersatz ist mit Blick auf die vereinbarte Gegenleistung anteilig zu berechnen, hilfsweise nach dem Marktwert der Leistungen (§ 357 Abs. 8 S. 4 und 5 BGB). Im Falle der Lieferung unverkörperter digitaler Inhalte besteht grundsätzlich keine Wertersatzpflicht (§ 357 Abs. 9 BGB). Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, stehen dem Unternehmer grds. nur die Ersatzansprüche zu, die in §§ 357 ff. BGB enthalten sind, insb. der Wertersatzanspruch gem. § 357 Abs. 7 und 8 BGB. Der Unternehmer kann hinsichtlich der vom Verbraucher zurück zu gewährenden Leistungen selbst keine Ansprüche aus § 280 BGB oder aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend machen. Auch Nutzungsersatz wie bisher gem. § 357 Abs. 1 a. F. i. V. m. § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB kann er nun nicht mehr verlangen. Davon zu trennen sind allerdings etwaige Ansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher aufgrund von Pflichtverletzungen bei der Ausübung des Widerrufsrechts, z. B. wegen Verstoßes gegen Schutzpflichten (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) oder bei Verzögerungen (§§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB). Derartige weitergehende Ansprüche zu erheben, ist ihm nicht verwehrt.4604 Zum Nachteil des Verbrauchers darf nicht von den §§ 355 ff. BGB abgewichen werden, was zugleich ein Umgehungsverbot mit sich bringt (§ 361 BGB). Ist der Beginn der Widerrufsfrist zwischen den Parteien umstritten, trägt wie nach bislang geltendem Recht (§ 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F.) stets der Unternehmer die Beweislast (§ 361 Abs. 3 BGB).

8. Anwendbare Vorschriften Nach der Rspr. des BGH sind Vorschriften des HV-Rechts auf einen Franchisevertrag entspre- 660 chend anwendbar, wenn der hinter einer Einzelbestimmung stehende Grundgedanke wegen der Gleichheit der Interessenlage auch auf das Verhältnis zwischen FG und FN zutrifft.4605 Damit ist HV-Recht auf den vertriebsrechtlichen Teil des Franchisevertrages grds. analog anwend-

4604 Förster ZIP 2014, 1569 (1575). 4605 BGH, Urt. v. 5.2.2015 – VII ZR 109/13, NJW 2015, 945 m. Anm. Lindhorst = ZIP 2015, 583 = WM 2015, 535, Rn 13; v. 17.7.2002, WM 2003, 251 = NJW-RR 2002, 1554 (1555); Martinek ZVertriebsR 2015, 207. 399

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bar.4606 Die §§ 84,4607 85,4608 86a Abs. 14609 sowie die Unterrichtungspflicht des § 86a Abs. 24610 (wobei die Informationspflichten des FG über die im HV-Vertrag hinausgehen),4611 87d,4612 88a,4613 89,4614 89a4615 einschl. seines Abs. 2,4616 90,4617 90a,4618 92b, 92c4619 sind auf Subordinations-Franchiseverträge analog anzuwenden;4620 § 89b gleichfalls4621 (s. Kommentierung zu § 89b). Voraussetzung ist die HV-ähnliche Einbindung in das Vertriebssystem des Unternehmers. Sie wird angenommen, wenn der vertriebsrechtliche Teil des Vertrags unter dem Verdikt des einheitlichen Auftretens nach außen (Systemanwendungspflicht) und unter qualitätssichernden Maßnahmen des Unternehmers steht, der FN die seitens des FG entwickelten Richtlinien anwenden, an Fortbildungen teilnehmen und Kontrollen durch den FG dulden muss. Weitere Indizien sind ein Vertriebsschutz für das zugewiesene Gebiet sowie ein nachvertragliches Wett-

4606 4607 4608 4609

Ebenso im Schweizer Recht, s. BGE 89 II 33; Kull ZVertriebsR 2012, 168 (170). Prasse MDR 2008, 122 (123); differenzierend Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 469. Canaris § 18 Rn 26; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 469; Prasse MDR 2008, 122 (123). Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (28); Prasse MDR 2008, 122 (123); Martinek ZIP 1988, 1362 (1375, 1377); Giesler/ Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 469; aA Frings EWiR 2017, 529 (530). 4610 Höpfner in: Giesler, Franchiserecht, § 7 Rn 20; aA Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 469. 4611 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 130. 4612 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 469; Ebenroth/Löwisch3 § 87d Rn 16; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87d Rn 4; aA Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87d Rn 28; Oetker/Busche § 87d Rn 11.; Canaris § 18 Rn 25. 4613 OLG Köln BeckRS 2004, 11626; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 469; Prasse MDR 2008, 122 (123); Flohr/ Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 88a Rn 33; Oetker/Busche § 88a Rn 17; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 88a Rn 8. 4614 BGH, Urt. v. 17.7.2002 – VIII ZR 59/01, DB 2002, 1992 = MDR 2002, 1259 = NJW-RR 2002, 1554 = EWiR 2002, 915 (Emde) = WM 2003, 251; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466; Canaris § 18 Rn 27; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 144 ff.; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 492; Westphal OLGR-Kommentar 16/2000, K35 (K37); Westphal II Rn 109, 150; Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 52; Oetker/Busche § 89 Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89 Rn 6. 4615 Martinek ZVertriebsR 2015, 207; Prasse MDR 2008, 122 (123); aA (§ 314 BGB anwendbar) OLG München, Urt. v. 14.10.2014 – 7 U 2604/13, BeckRS 2014, 19514 – tendenziell, Frage aber offen gelassen; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2011, I-18 U 13/11, ZVertriebsR 2012, 183; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2009 – 2 U 76/09, BeckRS 2009, 86480; LG Bielefeld, Urt. v. 28.1.2010 – 9 O 385/04, BeckRS 2013, 02142; Giesler ZIP 2004, 744; Flohr/Wauschkuhn/Flohr Vertriebsrecht2 § 89a Rn 1. 4616 Canaris § 18 Rn 45. 4617 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 469; Prasse MDR 2008, 122 (123). 4618 BGH, Urt. v. 12.1.1986 – I ZR 209/84, NJW-RR 1987, 612 = MDR 1987, 556 = DB 1987, 1039; KG MDR 1974, 144; Canaris § 18 Rn 26; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 469; Prasse MDR 2008, 122 (123). 4619 AA Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 468. 4620 Giesler Franchiseverträge, Rn 143 f. m. w. N. Zum Schweizerischen Recht befürwortet das Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 8.9.2011 – 4 A 148/2011, ZVertriebsR 2013, 187 die Anwendung agenturrechtlicher Vorschriften. 4621 OLG Celle, Urt. v. 19.4.2007 – 11 U 279/06, BB 2007, 1862 (1864); OLG Dresden, Urt. v. 27.9.2001 – 19 U 881/01, OLGR 2003, 298; OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, BB 2002, 2521 (2523); OLG Naumburg, Urt. v. 28.4.2006 – 10 U 45/05; LG Mainz, Urt. v. 20.6.2006 – 12 HKO 82/05, BeckRS 2007, 08487; LG Hanau, Urt. v. 28.5.20026 O 106/01, n. v.; LG Frankfurt/M., Urt. v. 19.11.1999 –3-8 O 28/99 (bestätigt durch OLG Frankfurt/M., Vergl. v. 16.9.2003 – 11 U 13/00), EWiR 2004, 69 (Albicker); LG Berlin, Urt. v. 6.9.2004 – 101 O 23/04; LG Kiel, Urt. v. 9.12.2003 – 16 O 56/02; Bodewig BB 1997, 637; Canaris § 18 Rn 29 (HV-ähnliche Eingliederung angesichts des einheitlichen Außenauftritts stets gegeben); Flohr Franchisevertrag3 S. 243 (244); Ekkenga Die Inhaltskontrolle von Franchise-Verträgen, S. 179 f.; Emde in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 § 2 Rn 550; Prasse NJW 2008, 122 (126) – im anonymen Massengeschäft auch ohne vertragliche Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstammes –; Jacobsen/Prasse NWB 2002, 2877 (2887) Loseblattsammlung Fach 19, 1119; Graf v. Westphalen Vertrags- und AGB-Klauselwerke, Franchising, Rn 41; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89b Rn 442; Hopt § 84 Rn 10, § 89b Rn 4; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89b Rn 24; einschränkend Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume3 § 89b Rn 33; Küstner/Thume/Küstner II8 Kap. II Rn 117; Metzlaff Praxishandbuch Franchising, § 8 Rn 411 ff.; Martinek/Martinek/ Habermeier in: Handbuch des Vertriebsrechts3 § 29 Rn 81; Kroll in: Giesler/Nauschütt, Franchiserecht2 S. 578 ff; Emde

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bewerbsverbot.4622 Für die analoge Anwendung des § 89b – aber nur für diese – muss als zweites Analogiekriterium die vertragliche Verpflichtung des FN zur Übertragung des Kundenstammes hinzutreten. Auch ein Dienstleistungsfranchisingvertrag,4623 bei dem der FN die Dienstleistungen selbst erbringt, kann ausgleichspflichtig sein, wenn in Ausführung der Vertriebspflicht ein Kundenstamm aufgebaut wird. Gleiches gilt für einen Produktionsfranchisevertrag, bei welchem der FN die Waren selbst produziert. Das ausgleichspflichtige LeistungsGegenleistungsverhältnis wird allein durch die Vertriebspflicht einerseits und den Aufbau des Kundenstammes andererseits definiert. Umstritten ist die Anwendbarkeit von § 86.4624 Richtigerweise wird in dieser Frage differenziert, d. h. die analoge Anwendung von § 86 Abs. 1 wird angenommen,4625 während § 86 Abs. 2 von der Analogie ausgenommen wird.4626 Aufgrund der analogen Anwendung des § 86 Abs. 1 unterliegt auch der FN einem Wettbewerbsverbot.4627 Ebenso ist § 90a anwendbar.4628 Die Vorschriften über die Provision des HV, §§ 874629 Abs. 14630 und 2,4631 87a,4632 87b,4633 87c4634 sind unanwendbar, die analoge Anwendung des § 87 Abs. 34635 kann jedoch im Einzelfall bei Zahlung einer Vergütung durch den Unternehmer erwogen werden. Unanwendbar sind ferner §§ 86a, 91,4636 91a,4637 924638-92a. Das Auftragsrecht des BGB ist gleichfalls überwiegend anwendbar, so die §§ 664, 666, 672–674 und § 670 i. V. m. § 683 BGB4639 (hierzu unten).

Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 667 ff.; Köhler NJW 1990, 1689 (1691 f.); Rauser in: Metzlaff, Praxishandbuch Franchising, § 16 Rn 200; Giesler Die Rückabwicklung gescheiterter Rückabwicklungsansprüche, in: FS Dahs, S. 412–414; Liesegang Der Franchisevertrag6 S. 46 Fn. 56 mit der Betonung der Prüfung in jedem Einzelfall; ebenso zum österreichischen Recht OGH v. 17.12.1997 – 9 Ob 2065/96h, zit. n. Petsche/Lager/KutscheZVertriebsR 2013, 202; aA Waldzus BB 2016, 515 (522) – wenn der Schwerpunkt der vertraglichen Abrede nicht im Vertrieb von Waren des FG, sondern in der Zurverfügungstellung von Know-how liegt; Höpfner in: Giesler/Nauschütt, Franchiserecht1 § 7 Rn 47 ff.; Giesler/ Nauschütt2 S. 854; offen gelassen in BGH, Urt. v. 5.2.2015 – VII ZR 109/13, NJW 2015, 945 m. Anm. Lindhorst = ZIP 2015, 583 = WM 2015, 535; 23.7.1997 – VIII ZR 130/96, NJW 1997, 3304 (3308 f.) – Benetton. 4622 LG Hanau, Urt. v. 28.5.2002- 6 O 106/01, n. v. 4623 Hierzu Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 76 ff. 4624 Martinek Franchising, S. 319; aA Herrfeld, S. 288. 4625 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 205; Metzlaff/Rauser § 16 Rn 42. 4626 Höpfner in: Giesler/Nauschütt, § 7 Rn 17 ff.; aA Giesler/Güntzel/Giesler2. Aufl. 2011. § 4 Rn 217. 4627 OLG München, Urt. v. 15.4.1999 – 29 U 4446/98, EWiR 1999, 595 (Martinek), Canaris § 18 Rn 42; Rauser in: Metzlaff, Praxishandbuch Franchising, 2003, § 16 Rn 45; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 206; Küstner/Thume/ Teutsch III Rn 1794; Skaupy Franchising,2 S. 180. Nach Ansicht von Waldzus BB 2016, 515 (520) unterliegen beide Parteien einem Wettbewerbsverbot. 4628 BGH, Urt. v. 12.11.1986 – I ZR 209/84, NJW-RR 1987, 612; OLG Celle, Urt. v. 19.4.2007 – 11 U 279/06, BB 2007, 1862 (1865); OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, BB 2002, 2521; BB 1963, 1194; KG MDR 1974, 144; LG München I, Urt. v. 25.2.2016 – 5 O 16652/15, ZVertriebsR 2017, 310 (311) m. Anm. Martenstein; Ebenroth/Löwisch2 § 90a Rn 44; Ensthaler/Genzow § 90a Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 90a Rn 6. Zu den kartellrechtlichen Besonderheiten Flohr/Wauschkuhn/Spenner Vertriebsrecht2 § 90a Rn 65 ff. 4629 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 468. 4630 OLG Celle, Urt. v. 19.4.2007 – 11 U 279/06, BB 2007, 1862 (1863); Flohr BB 2007, 1866; Flohr/Wauschkuhn/ Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87 Rn 154. 4631 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87 Rn 155. 4632 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87a Rn 94; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 468. 4633 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 468. 4634 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 468; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87c Rn 120. Anders aber, wenn der FN provisionsartig vergütet wird. 4635 AA OLG Celle, Urt. v. 19.4.2007 – 11 U 279/06, BB 2007, 1862 (1863); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87 Rn 156. 4636 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 468. 4637 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 468. 4638 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 468. 4639 Martinek/Martinek/Habermeier3 § 27 Rn 52 ff.; Böhner NJW 1998, 109. 401

Emde

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9. Leistungsinhalt 661 Beide Parteien habe ihre Vertragspflichten unter Beachtung von Teu und Glauben zu erbringen.4640 Nach Ansicht von Waldzus4641 trifft beide Parteien ein aus § 242 BGB hergeleitetes Wettbewerbsverbot.

662 a) Leistungspflichten des Franchisenehmers. Wie andere Vertriebsmittler unterliegt auch der FN, der meist spätestens mit Vertragsschluss Kaufmann4642 und Unternehmer wird, einer Vertriebs- oder Absatzförderungspflicht.4643 Meist ergibt sie sich aus der Systemanwendungspflicht.4644 Nicht anders als beim Vertragshändler ist sie doppelrelevant: Zum einen begründet sie vermöge der durch sie hervorgerufenen Einbindung in das Vertriebssystem die analoge Anwendung des HV-Rechts. Zum anderen ist sie Rechtsfolge des Franchisevertrages. Dies gilt jedenfalls für die meisten Franchiseverträge und für diejenigen, bei denen die §§ 84 ff. analog anzuwenden sind. Als Ausdruck seiner Absatzförderungspflicht unterliegt der FN der Betriebseingliederungs4645- oder Systemanwendungspflicht,4646 die den FN verpflichtet, die Systemvorgaben einzuhalten. Meist sind sie im Betriebshandbuch niedergelegt.4647 Der FN muss das Franchisekonzept anwenden.4648 Folge ist die Quasi-Filialität. Gerade deshalb wird Franchising in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.4649 Franchisesysteme wollen nicht erkannt werden.4650 Der FN ist zur persönlichen Dienstleistung verpflichtet (§§ 613, 664 BGB). Er darf seine Tätigkeit nur mit Zustimmung des FG auf einen Dritten, auch eine von ihm gegründete Gesellschaft, übertragen.4651 Grundsätzlich muss das Recht des FN zur Erteilung von Sub-Franchiseverträgen im Franchisevertrag geregelt werden. Ohne eine vertragliche Regelung besteht es wegen der Verpflichtung zur persönlichen Dienstleistung nicht. Der FN darf sich zwar Hilfskräfte bedienen. Sub-FN darf er jedoch ohne vertragliche Gestattung nur mit Zustimmung des Unternehmers bestellen. Je nach Vertrag unterliegt der FN im Regelfall einer Betriebsführungspflicht.4652 Er muss den Franchisebetrieb aufbauen, eröffnen und unterhalten.4653 Sofern nicht wirksam anderweitig vereinbart, hat der FN sein Geschäftslokal nicht pausenlos zu öffnen, jedoch so, wie es seiner Absatzförderungspflicht entspricht. Gleich dem HV ist er zur Berichterstattung über die wesentlichen Ereignisse im Vertriebsgebiet und über seine Vertriebsbemühungen verpflichtet. Die Berichte sind unverzüglich zu erstatten, sobald dies notwendig ist. Die Notwendigkeit hängt von den konkreten Bedürfnissen der Parteien ab. Die Berichtspflicht kann jedoch auch vertraglich vereinbart werden, wobei der FN nicht übermäßig eingeengt werden darf. Wochen- oder Tagesberichte sind regelmäßig mit der Selbstständigkeit eines FN unverträglich und daher unzulässig. Es gilt im Grundsatz das in § 86 zur Berichtspflicht des HV Gesagte entsprechend. Der FN ist zur Auskunft gem. §§ 675, 666 BGB sowie § 86 Abs. 2 verpflichtet;4654 4640 4641 4642 4643

Waldzus BB 2016, 515 (519). Waldzus BB 2016, 515 (520). OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.11.2001 – 9 SchH 12/01, BB 2001, 2499. Martinek S. 260 ff.; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 194; Canaris § 18 Rn 15; Reithmann/Martiny/Dutta7 Rn 2082; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 163. 4644 Vgl. Canaris § 18 Rn 33. 4645 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 163. 4646 Waldzus BB 2016, 515 (519). 4647 Waldzus BB 2016, 515 (519). 4648 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 198. 4649 Siehe Pasderski in: Giesler/Nauschütt, § 6 Rn 11 ff.; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 199. 4650 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 199. 4651 Martinek/Martinek/Habermeier3 § 27 Rn 52. 4652 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 208. 4653 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 208. 4654 Canaris § 18 Rn 37. Emde

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der FG soll zudem Einsichtsrechte in die Bücher des FN haben4655 (dann bestände bereits deshalb eine ausgleichsbegründende Verpflichtung zur Bekanntgabe des Kundenstammes). Grundsätzlich ist der FG und nicht der FN zur überregionalen Werbung verpflichtet. Die regionale Werbung kann – wenn dies vertraglich vereinbart wurde – dem FN auferlegt werden. Zu ihr dürfte der FN auch ohne vertragliche Vereinbarung berechtigt und – je nach Üblichkeit des Einzelfalls – im Rahmen seiner Vertriebspflicht auch verpflichtet sein. Meist verpflichtet sich der FN im Franchisevertrag zur Zahlung von Franchisegebühren.4656 663 Diese Gebühren separieren sich häufig in Eintrittsgebühren,4657 laufende Gebühren sowie Marketing- und Werbegebühren4658 (meist für die überregionale Werbung4659). Mit der Eintrittsgebühr können der Systemeintritt, also die Teilhabe an dem Franchisesystem und/oder die im Zusammenhang mit der Betriebseröffnung erbrachte Ausstattungs- und Systemeingliederungsleistung abgegolten werden, etwa Entwicklungs-, Erprobungs-, Dokumentations-, Image-, Aufbau und Erstschulungsleistungen.4660 Sie kann eine Gegenleistung für bereits bei Vertragsbeginn erbrachte oder zukünftige Leistungen bilden,4661 was insb. Bedeutung für die Verpflichtung zur Rückgewähr bei vorzeitigem Vertragsende haben kann. Mit den laufenden Franchisegebühren kann können ebenfalls bei Vertragsbeginn erbrachte Systemeingliederungsleistungen honoriert werden, aber auch spätere Leistungen des FG, etwa und Betriebsförderungsleistungen des FG,4662 Gebietsschutz, Bereitstellung der Einkaufsmöglichkeiten, Nutzung von Logo und CI, laufende Information, Fortbildung und Systementwicklung.4663 Die Eintrittsgebühr soll nach § 307 BGB zulässig sein, sofern ihr wirtschaftliche und rechtliche Vorteile gegenüberstehen4664 (s. a. Komm. zu § 89b). Da sie aber auch eine vorzeitige Kündigung des FN verhindern soll,4665 gelten ggf. die in § 89 zu kündigungserschwerenden Wirkungen solcher Vereinbarungen genannten Maßstäbe. Eintrittsgebühren können ferner nach § 86a Abs. 5 unwirksam sein (siehe dort). Eine Anpassung nach § 313 BGB ist möglich, etwa in Zeiten der Corona-Pandemie.4666 Zur Rückerstattungspflicht bei vorzeitigem Vertragsende unten Rn 407. Möglicherweise handelt es sich bei den Gebühren um eine kontrollfreie Hauptleistung (s. o. zu AGB). Die Angemessenheit bestimmt sich nach den §§ 138, 242 BGB.4667 82 % der FG berechnen ihre laufenden Gebühren prozentual vom Umsatz. Teilweise werden Spannen angegeben, innerhalb derer sich umsatzabhängige Franchisegebühren regelmäßig bewegen sollten, um eine Unangemessenheit zu vermeiden. Es werden Spannen von 2–5 %, 1–10 %,4668 2–20 %4669 oder 14 %4670 genannt. Es kommt jedoch jeweils auf den Ein-

4655 Canaris § 18 Rn 37. 4656 OLG Schleswig, Urt. v. 26.9.2013 – 16 U (Kart) 50/13, BeckRS 2013, 21955 – Subway (8 % des Umsatzes); Waldzus BB 2016, 515 (519); Canaris § 18 Rn 34; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 163.

4657 Marx/Löffler DB 2012, 1337 (1339). Beispiel: BGH, Urt. v. 19.7.2011 – VI ZR 367/09, DB 2011, 2314 (Eintrittsgeld 25.000 EUR; Haftungsfall wg. Täuschung – Eingehungsbetrug). Angeblich werden in 85 % der Fälle Eintrittsgebühren erhoben, so Marx/Löffler DB 2012, 1337 (1339). Zur bilanziellen Behandlung der Eintrittsgebühr Marx/Löffler DB 2012, 1337 (1340). Zur Rückzahlungspflicht im Falle des Vertragsendes eingehend Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 94 ff. 4658 OLG Schleswig, Urt. v. 26.9.2013 – 16 U (Kart) 50/13, BeckRS 2013, 21955 – Subway (4,5 % des Umsatzes); Canaris § 18 Rn 34; zur bilanziellen Behandlung Marx/Löffler DB 2012, 1337 (1342). 4659 Waldzus BB 2016, 515 (519); Marx/Löffler DB 2012, 1337 (1342). 4660 Marx/Löffler DB 2012, 1337 (1339). 4661 Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 Vorb § 89 Rn 98 f. 4662 Canaris § 18 Rn 34; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 249. 4663 Marx/Löffler DB 2012, 1337 (1340). 4664 Vgl. Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 134. 4665 Marx/Löffler DB 2012, 1337 (1340). 4666 Emde ZVertriebsR 2020, 138 (149 ff.). 4667 Vgl. Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 136 ff. 4668 Skaupy S. 135. 4669 Martinek S. 301. 4670 Vgl. Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 241. 403

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zelfall an; die Angemessenheit ist durch Sachverständigengutachten festzustellen. 40 % der Franchisesysteme erheben eine monatliche Fixgebühr. Sie betrug um 2007 im Durchschnitt 230 EUR. Häufig ist eine Kombination beider Gebührenarten zu verzeichnen.4671 Den FG trifft die Beweislast für Grund und Höhe der Franchisegebühren. Hat ein FG keine ausreichenden Tatsachen dafür vorgetragen, in welche Höhe die nach Maßgabe der Verträge anhand der wöchentlichen Bruttoumsätze zu berechnenden Franchisegebühren und Werbekostenbeiträge in den von ihm zugrunde gelegten Zeiträumen angefallen sind, lässt sich kein Zahlungsanspruch gegenüber den FN in bestimmter Höhe feststellen.4672

664 b) Leistungspflicht des Franchisegebers. Der FG muss dem FN die nötige Unterstützung und Rücksicht4673 (Förderungspflicht) angedeihen lassen.4674 Es handelt sich auch im Franchiserecht um eine Neben-, nicht um eine synallagmatische Hauptpflicht.4675 Da wechselseitige, auch den FG verpflichtende4676 Treupflichten existieren,4677 hat der FG alles zu tun, um die Aufgaben des FN zu fördern und dessen Interessen nicht zuwiderzuhandeln, sogar vor Betriebseröffnung.4678 Diese Pflicht folgt auch aus der besonders engen Einbindung beider Parteien in den Franchisevertrag. Ihr Ausdruck ist etwa die Verpflichtung zur Einarbeitung der FN in das Systemkonzept4679 (je nach Bedeutung u. U. Hauptpflicht), die Pflicht zur zentralen Steuerung des Systems,4680 zur Einräumung der Rechte an Marken und Kennzeichen,4681 überregionalen Werbung,4682 zu Unterstützungsleistungen bei Der Errichtung und der Führung des Franchisebetriebs,4683 etwa bei Bankgesprächen, öffentlich-rechtlichen Genehmigungen4684 oder bei der Erstellung eines Muster-Buisinessplans.4685 Ob sie sich dazu verdichtet, dem FN eine wirtschaftliche Existenzgrundlage für das franchisierte Geschäft zu verschaffen,4686 erscheint zweifelhaft. Es gilt im Wesentlichen das Gleiche wie bei HV und Vertragshändler. Eine Pflicht, das Franchisesystem beliebig zu erweitern (Systemaufbaupflicht), trifft den FG nicht.4687 Er darf das System jedoch nicht bewusst lückenhaft lassen, wenn er zuvor andere Erwartungen geweckt hat. Gleiches gilt, sofern eine gewisse Zahl von Franchisebetrieben für die Funktionalität erforderlich ist.4688 Der FG muss werthaltiges Know-How an den FN übertragen,4689 etwa durch Schulungen4690 oder das Systemhandbuch.4691 Wenn im Franchisevertrag die Übertragung besonderen Know-How vereinbart wird, ohne dass sich der FG vergewissert hat, ob das System überhaupt

4671 4672 4673 4674 4675 4676 4677 4678 4679 4680 4681 4682 4683 4684 4685 4686 4687 4688 4689 4690 4691 Emde

Vgl. Wachter/Flohr Kap. 6 Rn 140. OLG Brandenburg, Urt. v. 17.3.2015 – Kart U 3/13, ZVertriebsR 2015, 317. Canaris § 18 Rn 57. Canaris § 18 Rn 16, 44. Für die Einordnung als Hauptpflicht Canaris § 18 Rn 16. Canaris § 18 Rn 57. Waldzus BB 2016, 515 (519). Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 136. Canaris § 18 Rn 16. Canaris § 18 Rn 16. Waldzus BB 2016, 515 (519). Canaris § 18 Rn 16. Waldzus BB 2016, 515 (519). Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 136. Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 137. So Flohr ZVertriebsR 2012, 176. Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 150. Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 150. Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 117 ff. Waldzus BB 2016, 515 (519). Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 126. 404

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über solches verfügt, führt dies zum Einwand des nicht erfüllten Vertrages.4692 Das Know-How muss Unterscheidungskraft und Abgrenzbarkeit besitzen. Geheim braucht es nicht sein,4693 solange es werthaltig ist. Auch nicht Geheimes kann zu einem Mix komponiert werden, der Geldwert besitzt. Häufig wird das Know-how in Richtlinien oder einem Betriebshandbuch wiedergegeben,4694 welches nur bei Vereinbarung bindender Vertragsbestandteil wird. Zu Änderungen dieses Handbuchs s. u. Mit angemessener Umstellungsfrist, deren Länge nach der Notwendigkeit und der Eilbedürftigkeit der Umstellung zu bestimmen ist (regelmäßig wird eine an § 89 angelehnte Umstellungsfrist von 6 Monaten nicht zu beanstanden sein), können die Richtlinien an aktuelle Bedürfnisse angepasst werden. Dafür besteht insbesondere im Franchisebereich Bedarf. Zum Teil wird eine Pflicht des FG zur Fortentwicklung des Know-How angenommen. Fehlt es an Know-How oder erfüllt das Know-How nicht die vereinbarten Anforderungen, muss zwischen Äquivalenz- und Leistungsstörungen unterschieden werden.4695 Eine Äquivalenzstörung liegt vor, falls die Übertragung des Know-How nicht ausdrücklich vereinbart wurde oder ausdrücklich nur öffentliches Know-How übertragen werden sollte und die Gegenleistung des FN orientiert an dieser Leistungserwartung unangemessen hoch erscheint.4696 Ein Fall der Leistungsstörung tritt ein, wenn vertraglich zugesichertes Know-How fehlt oder es den vereinbarten Anforderungen nicht entspricht.4697 Die Rechtsfolge ergibt sich aus den §§ 320, 280, 138 BGB sowie den Gewährleistungsvorschriften.4698 Da auch das Lizenzelement eine Gegenleistung der Franchisegebühr bilden kann, wird die jeweilige Bedeutung der auf das Know-How begrenzten Leistungsstörung zu bewerten sein. Der FN soll sich nicht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen dürfen, solange eine Äquivalenzstörung nicht existenzgefährdend wirkt. Ob die Konkurrenzschutzpflicht des FG eine vertragsimmanente Pflicht darstellt, ist umstritten.4699 Die Konkurrenzschutzpflicht ist Spiegelbild der Hauptpflicht zur Überlassung des Know-Hows4700 und existiert, jedenfalls hergeleitet aus der Treupflicht4701 und § 3 UWG, in ihrem Kern – begrenzt auf einen im Einzelfall zu bestimmenden Nahbereich – als Rücksichtnahmepflicht unabhängig von einer Gebietsschutzregelung4702 zumindest in Form des Schutzes vor – durch den FN zu beweisenden4703 – existenzbedrohendem Wettbewerb.4704 Er wurde bei einem Umsatzverlust von lediglich 15–30 % verneint.4705 Dieser Schutz ist umso erforderlicher, je stärker sich der FN in die Betriebsorganisation des FG eingegliedert und seine wirtschaftlichen Dispositionen durch Einsatz von Kapital, Arbeitskraft und Personal ausgerichtet hat.4706

4692 4693 4694 4695 4696 4697 4698 4699

Giesler ZIP 2003, 1025. Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 125; Giesler ZIP 2003, 1025. Kroll ZVertriebsR 2016, 284 ff.; Waldzus BB 2016, 515 (519). Giesler ZIP 2003, 1025 (1031). Giesler ZIP 2003, 1025. Giesler ZIP 2003, 1025. Giesler ZIP 2003, 1025. Dafür: OLG Celle, Beschl. v. 28.8.2008 – 13 U 178/08; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 161 ff.; Metzlaff Praxishandbuch Franchising § 26 Rn 72; Liesegang BB 1999, 857; hierzu Emde VersR 1999, 1464 (1468); dagegen: Fritzemeyer BB 2000, 472; offen gelassen von OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.2.2012 – I – 16 W 62/11, BeckRS 2012, 04916. 4700 Liesegang BB 1999, 857. 4701 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 161. Nach Flohr ZVertriebsR 2012, 176 leitet sie sich aus der Pflicht des FG zur Sicherung eine Existenzgrundlage des FN her – zweifelhaft. 4702 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 162. 4703 OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.2.2012 – I–16 W 62/11, ZVertriebsR 2012, 174 m. Anm. Flohr = BeckRS 2012, 04916. 4704 OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.2.2012 – I–16 W 62/11, ZVertriebsR 2012, 174 m. Anm. Flohr = BeckRS 2012, 04916; OLG Celle, Beschl. v. 28.8.2008 – 13 U 178/08; OLG Schleswig, Urt. v. 18.1.1994 – 6 U Kart 46/92, bestätigt durch Nichtannahmebeschluss des BGH v. 4.4.1995 – KZR 33/94 und durch Zurückweisung der dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerde durch Beschl. v. 6.7.1995 – BvR 1034/95; Flohr ZVertriebsR 2012, 176/177; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 162; Rauser in: Metzlaff § 16 Rn 83 ff. 4705 OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.2.2012 – I–16 W 62/11, ZVertriebsR 2012, 174 m. Anm. Flohr = BeckRS 2012, 04916. 4706 BGH, Urt. v. 23.7.1997 – VIII ZR 130/96, NJW 1996, 3304 (3307 f.); Ende NJW 1999, 326 ff. 405

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Der FN muss seine Investitionen amortisieren und angeblich einen angemessenen Gewinn (mindestens 30 % über der Vergütung eines angestellten Managers) erzielen können. Selbst Fritzemeyer, der eine Konkurrenzschutzpflicht ablehnt, nimmt eine Schadenersatzpflicht des FG an, wenn er das Franchise ungerechtfertigt häufig vergibt. Richtig dürfte die Existenz einer Leistungstreuepflicht sowie eines Schädigungsverbots des FG sein, welche es verbieten, einem „Kannibalismus“ der FN untereinander Vorschub zu leisten. Will sich der FG trotz Zubilligung von Gebietsschutz an den FN einen parallelen Direktvertrieb vorbehalten, muss dies ausdrücklich vereinbart4707 und eine angemessene Kompensation geleistet werden. Teilweise wird auch dann ein solcher Vorbehalt für unwirksam gehalten.4708 Kommt ein FG den vertraglich übernommenen Beratungs- und Werbepflichten nicht nach, steht dem FN angeblich kein Zurückbehaltungs- oder Leistungsverweigerungsrecht zu.4709 Der FG ist zur überregionalen Werbung berechtigt und innerhalb der Üblichkeiten wohl auch verpflichtet. Er darf sich diese überregionale Werbung auch vorbehalten. Für eine das Vertriebssystem schädigende Werbung kann der FG wegen der Verletzung der Rücksichtnahmepflicht haften.4710 Ggf. muss der FN den FG auf das Problem hinweisen.4711 Ein FG hat gem. §§ 666, 675 BGB über die vereinnahmten Werbekostenpauschalen als zugunsten der FN zu verwendendes, treuhänderisch gebundenes Vermögen abzurechnen und zu informieren.4712 Es handelt sich nicht um dem FG zustehende Gelder, sondern um treuhänderisch gebundenes Vermögen, welches zugunsten der FN für Werbemaßnahmen einzusetzen ist.4713 Nach Vertragsende besteht nach den oben zum Vertragshändler wiedergegebenen Grundsätzen eine Rücknahmepflicht des FG hinsichtlich der dem FN zum Vertrieb überlassenen, von ihm aber nicht mehr abzusetzenden Produkte, sofern der FN zur Lagerhaltung verpflichtet war.4714

665 c) Änderungen des Franchisehandbuches. Franchise-Verträge enthalten typischerweise einen Verweis auf das jeweils geltende Franchisehandbuch.4715 Der Hauptzweck dieser Verweise besteht darin, das Handbuch nach Bedarf inhaltlich abändern zu können. Es handelt sich also um eine „dynamische Verweisung“4716 oder eine „Verweisungs-, Bezugnahme-“ oder Jeweiligkeitsklausel. Die Verweisung muss hinreichend bestimmt sein.4717 Dazu muss das Handbuch existieren und erkennbar sein, welche Fassung gemeint ist. Durch die Verweisung werden die in Bezug genommenen Regelwerke Vertragsbestandteil und können nicht einseitig geändert werden. Es wäre kaum praktikabel, wenn der FG bei jeder für erforderlich gehaltenen Änderung auf die Zustimmung jedes

4707 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 166. 4708 LG Berlin, Urt. v. 21.6.2001 – 14 O 177/01, n. v.; hiergegen BGH, Urt. v. 4.3.2008 – KZR 36/05, WRP 2008, 1376 (1379) = WM 2008, 1894 = WuW 2008, 1087 (DE-R 2363) Rn 39 f.

4709 LG Braunschweig, Urt. v. 14.7.2004 – 22 O 289/04, zit. nach Haager NJW 2005, 3394 (3396) unter Berufung auf OLG Frankfurt/M. NJWE–WettbR 1996, 142.

4710 BGH, Urt. v. 6.7.1995, ZIP 1995, 1286 = BB 1995, 1792 (1794) – Benetton; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 158 f.; aA BGH, Urt. v. 29.6.1959, NJW 1959, 1964; v. 30.1.1986, NJW 1986, 1931; v. 6.5.1993, WM 1993, 1725; v. 21.6.1972, WM 1972, 1092; v. 10.2.1993, WM 1993, 1464; v. 19.1.1972, BB 1972, 193. 4711 BGH, Urt. v. 23.7.1997, BGHZ 136, 295. 4712 LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 10335/15, ZVertriebsR 2019, 34 Rn 83: Dabei sind auch Belege vorzulegen, §§ 666, 259 Abs. 1 BGB. 4713 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2013 – VI-U (Kart) 1/13, BeckRS 2014, 12436; LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 10335/15, ZVertriebsR 2019, 34 Rn 83; LG Köln, Urt. v. 17.8.2012 – 24 O 331/11, BeckRS 2014, 11906. Zum Ganzen Billing/Metzlaff ZVertriebsR 2020, 165 ff. 4714 BGH, Urt. v. 5.11.1997 – VIII ZR 351/96, NJW 1998, 540; Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (8); Martinek/Martinek/ Habermeier3 § 29 Rn 59--63. 4715 Kroll ZVertriebsR 2016, 284. 4716 Martinek ZVertriebsR 2018, 139 (141). 4717 Kroll ZVertriebsR 2016, 284. Emde

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einzelnen FN angewiesen wäre. Es handelt sich also um einen einseitigen Änderungsvorbehalt4718 (dazu oben, zu AGB Stichwort „Änderungsvorbehalte“). Die vertragliche Hauptpflicht des FG bildet die Pflicht, das Franchise-Konzept zur Nutzung zu überlassen und sein gesammeltes know-how zur Verfügung zu stellen.4719 Es wäre sehr unpraktisch, wenn sämtliche zur Konkretisierung der Systemanwendungspflicht erforderlichen Vorgaben in einem Pflichtenkatalog unmittelbar im Franchisevertrag wiedergegeben werden müssten.4720 Welchen Inhalt das Franchise-Handbuch haben darf, wird vom Gesetz nicht vorgegeben.4721 Damit besteht zwar keine völlige Freiheit in der Fassung,4722 aber eine Freiheit im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, insb. des BGB und des HGB. Bei wörtlicher Auslegung der Verweisungsklausel wird dem FG die Möglichkeit eröffnet, den Charakter des bei Vertragsschluss vorliegenden Geschäftskonzepts beliebig zu ändern.4723 Dies wäre jedoch trotz der §§ 315, 665 BGB4724 rechtlich nicht akzeptabel, da einseitige Vertragsänderungsrechte in AGB unzulässig sind. Sofern daher Änderungen des Handbuches eine Veränderung des vertraglich festgelegten Leistungs-/ Gegenleistungsverhältnisses oder der vertraglich festgelegten Rechte und Pflichten als solche bewirken, ist das schutzwürdige Interesse des FN an dem vereinbarten Leistungsaustausch betroffen.4725 Es würde sich dann nicht nur um eine kontrollfreie Leistungsbeschreibung i. S. d. §§ 305 ff BGB handeln.4726 Vielmehr läge ein klassischer einseitiger Änderungsvorbehalt vor. Fraglich ist damit, ob eine Verweisungsklausel den FN i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB benachteiligt.4727 Der FG ist für die Erhaltung der Markttauglichkeit des Franchise-Konzepts verantwortlich und übernimmt typischerweise die Pflicht zu dessen Weiterentwicklung. Dementsprechend erwartet der FN, dass Verbesserungsmöglichkeiten genutzt werden und diesbezügliche Änderungen oder Ergänzungen der Systemrichtlinien erfolgen. Es besteht mithin ein berechtigtes Interesse daran, das Franchise-System auf der Umsetzungsebene flexibel zu halten und insb. Verbesserungen schnell und unkompliziert gegenüber allen Mitgliedern einführen und umsetzen zu können.4728 Angesichts der Natur des Franchiseverhältnisses dürfte folglich ein einseitiger Änderungsvorbehalt erforderlich und zulässig sein.4729 Es müssen jedoch Sicherungen gegen ein grenzenloses einseitiges Änderungsrecht eingezogen werden. Die mit dem Franchisevertrag erworbenen Ansprüche dürfen nicht durch einseitige Änderungen des FG entwertet werden.4730 Die Öffnung über die Veränderbarkeit des Handbuchs darf insb. nicht dazu genutzt werden, die im Franchisevertrag festgelegten Rechte und Pflichten abzuschaffen, einzuschränken oder wesentlich zu erweitern.4731 So darf z. B. keine Erhöhung der vereinbarten Franchisegebühren über die Änderungen des Handbuchs eingeführt werden.4732 Auch der Charakter des Franchise-Konzepts darf nicht grundlegend verändert werden.4733 So darf ein Burger- nicht in ein vegetarisches Restaurant umgewandelt werden.4734 Die Forderung nach neuen Investitionen ist ebenfalls kritisch und unzu4718 4719 4720 4721 4722 4723 4724 4725 4726 4727 4728 4729

Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (285). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (286). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (286). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (286). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (286). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (286). Auf diese verweist Martinek ZVertriebsR 2018, 139 (141) als Rechtsgrundlage. Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (286). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (286). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (287). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (287). Flohr in Martinek/Semler/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts4 § 30 Rn 319; Giesler/Güntzel in Giesler/Nauschütt, Franchise-Recht3 Kap. 16, Rn 177; Liesegang BB 1991, 2381 (2383). 4730 Martinek/Semler/Flohr/Kroll/Flohr § 30 Rn 319; Giesler/Güntzel in Giesler/Nauschütt, Franchise-Recht3 Kap. 16, Rn 177; Liesegang BB 1991, 2381 (2383); Ekkenga AG 1989, 301 (302). 4731 Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (287). 4732 Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (287). 4733 Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (287). 4734 Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (287). 407

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lässig, sofern sie die anfängliche Kalkulation in Frage stellen.4735 Eine Klausel, die auf die jeweils vom FG einseitig festgelegte Fassung des Handbuchs verweist, ohne dass sich aus dem Wortlaut eine konkrete Einschränkung im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen FN ergibt, dürfte deshalb unwirksam sein.4736 Fraglich ist, ob der pauschale Hinweis, dass die Interessen des FN im Falle der Änderung des Handbuchs angemessen zu berücksichtigen sind, ausreicht. Nach Ansicht von Kroll4737 ist dieser Hinweis zur Konkretisierung der Änderungsgründe ebenso wenig geeignet wie der Hinweis auf das Erfordernis der Billigkeit. Notwendig sei vielmehr, dass die Voraussetzungen und der Umfang des Leistungsbestimmungsrechts tatbestandlich hinreichend konkretisiert werden.4738 Der bloße Hinweis, die Interessen des FN seien angemessen zu berücksichtigen, stelle nicht mehr dar als die Wiedergabe der abstrakten Definition dessen, was zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung erforderlich sei. Damit werde der gesetzliche Auftrag einer tatbestandlichen Konkretisierung nicht erfüllt.4739 Häufig enthält der Franchisevertrag ferner einen Verweis auf die „jeweils gültige“ Sortiment- und Preisliste. Dazu s. o., beim Vertragshändler. 666 Kroll4740 schlägt folgende Klausel vor, die Änderungen des Handbuchs gestatten soll: „Das Franchise-Handbuch enthält eine detaillierte Beschreibung des Franchise-Konzepts bzw. des dazugehörigen Know-hows des FG. Des Weiteren enthält das Handbuch Handlungsanweisungen für den FN, deren Einhaltung zur erfolgreichen Umsetzung des Franchise-Konzepts notwendig ist und die insoweit eine Konkretisierung der Systemanwendungspflicht des FN darstellen (Systemrichtlinien). Die Systemanwendungspflicht des FN erstreckt sich auf Verbesserung des zur Nutzung überlassenen Franchise-Konzepts, welche der FG in Erfüllung seiner Weiterentwicklungspflicht bekannt gibt. Ist zur Umsetzung der Verbesserung eine Nachinvestition erforderlich, muss die Höhe der Investitionskosten in angemessenem Verhältnis zum Nutzen der Verbesserung stehen. Übersteigt der aufgrund der Veränderung des Franchise-Konzepts erforderliche Nachinvestitionsbedarf den Betrag von EUR … pro Vertragsjahr, ist die Veränderung für den FN unverbindlich, es sei denn, der FG beteiligt sich an den Kosten in Höhe des die Grenze überschreitenden Betrages. Der FG hat das Recht, das Franchise-Handbuch zu ändern, soweit dies zur Aktualisierung der Konzeptdokumentation und der Anpassung der Konzeptvorgaben im Hinblick auf die eingeführten Verbesserungen erforderlich ist. Im Übrigen darf der FG Änderungen des Franchise-Handbuchs nur vornehmen, soweit dies zur Aufrechterhaltung des Franchise-Systems notwendig ist und daraus keine erhebliche Veränderung der dem FN vertraglich zugesicherten Rechtspositionen resultieren. Die einseitige Erhöhung der vertraglich vereinbarten Vergütung des FG ist ausgeschlossen. Der Abschluss von Verträgen mit Dritten darf über das Handbuch nur vorgegeben werden, soweit dies der Durchführung einer wirksam vereinbarten Bezugsverpflichtung dient oder zur Nutzung einheitlich vom Franchise-System eingeführter EDV-Systeme oder zur Erfüllung zwingender datenschutzrechtlicher Vorschriften erforderlich ist.“

10. Gleichbehandlungsgebot 667 Im Gegensatz zum HV-Recht wird im Franchiserecht überwiegend vertreten, dass der FG zur Gleichbehandlung seiner FN verpflichtet sei.4741 Diese Abweichung rechtfertigt sich möglicherweise aus der systembedingt engeren Einbindung des FN in das Vertriebssystem des Unternehmers, als sie gegenüber dem HV praktiziert wird. Der FG darf angesichts des Preisbindungsverbots beim Abnehmer des FN keine Preiserwartungen wecken. Wirbt daher ein FG, der Warenoder Dienstleistungen teils über ein Franchise-System, teils über eigene Filialen vertreibt, unter Angabe fester Endverkaufspreise, ohne die Preisangaben auf die eigenen Filialen zu beschränken oder auf deren Unverbindlichkeit für die Franchisebetriebe hinzuweisen, so kann von dieser 4735 4736 4737 4738 4739 4740 4741 Emde

Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (287); Liesegang BB 1999, 857 (859); Ekkenga AG 1989, 301 (313). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (288). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (288). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (288). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (288). Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (289). Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 149. 408

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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Werbung ein wirtschaftlicher Druck auf die FN zur Übernahme der beworbenen Preise ausgehen, der einer verbotenen Preisbindung gleichkommt.4742 Der FG muss entweder in seiner Werbung zwischen Filial- und Franchisebetrieben differenzieren oder deutlich herausstellen, dass er eine unverbindliche Preisempfehlung bewirbt. Nicht ausreichend sind Zusätze „ab“ oder „bis zu“.4743 Fraglich ist auch, ob die übliche Formulierung „nur bei teilnehmenden Betrieben“ klar genug ist. Der durch eine unberechtigte Preisbindung entstehende Schaden des FN errechnet sich aus der Spanne zwischen den Verkaufpreisen, welche er infolge des faktischen Drucks durch die Werbung gewähren muss und den Preisen, welche ohne diesen Druck erzielt worden wären, wobei gem. §§ 252 S. 2 BGB, 287 ZPO zu schätzen ist. Möglicherweise besteht eine vom FG zu widerlegende Vermutung eines Schadens in Höhe der Differenz zwischen beworbenen und vom FN gesetzten Preisen. Dass sich durch die Werbung u. U. die Absatzchancen erhöhen, bleibt unberücksichtigt.4744

11. Vertragliche Vereinbarung Wie dargestellt, werden die vertraglichen Pflichten der Parteien meist umfassend geregelt. Nicht 668 anders als beispielsweise Kfz-Vertragshändlerverträge sind Franchiseverträge für ihren extensiven Inhalt bekannt. Der FG kann sich wirksam verpflichten, nicht in Wettbewerb zum FN zu treten, der FN darf u. a. Verpflichtungen zum Qualitätsmanagement, zu einem Mindestsortiment, zur Zahlung von Werbekosten, Vertraulichkeit, Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen, zum einheitlichen Erscheinungsbild der Betriebsstätte oder zu Kontrollen durch den FG übernehmen.4745

12. Leistungsstörungen Die Rechtsfolgen einer Schlechterfüllung des Franchisevertrages bestimmen sich danach, wel- 669 che Pflicht verletzt ist. Bei vertriebsrechtlichen Pflichten stehen in erster Linie die analoge Anwendung des § 89a einschließlich seines Abs. 2 und auch jenseits des vertriebsrechtlichen Pflichtenkreises des § 280 BGB in Frage. Die Maßstäbe des HV-Rechts gelten auch hier. Die dienstvertraglichen Rechtsfolgen entsprechen dem oft, treten allerdings meist zurück, da ihre Verletzung i. d. R. auch eine Verletzung der vertriebsrechtlichen Absatzförderungspflicht bilden wird.4746 Soweit die Erstausstattung oder die Belieferung der Vertragswaren zwischen den Vertragspartnern in Frage steht, kann Kaufrecht Anwendung finden, etwa die §§ 434, 437 ff. BGB.4747 Insbesondere für die in Ausführung des Rahmenvertrages geschlossenen, rechtlich selbständigen4748 Kaufverträge über die Belieferung mit Vertragswaren gelten unzweifelhaft die §§ 434, 437 ff. BGB.4749 Der Rücktritt nach Kaufvertragsrecht erfasst möglicherweise analog § 139 BGB den gesamten Franchisevertrag, wenn nach Sinn und Zweck und dem Interesse der Vertragspartner anzunehmen ist, dass der Gesamtvertrag keine Geltung behalten soll.4750 Die

4742 BGH, Urt. v. 20.5.2003 – KZR 27/02, BB 2003, 2258 = WuW/E DE-R 1170, WuW 2003, 1192 = DB 2003, 2435 = WRP 2003, 1454 = NJW-RR 2003, 1624. Giesler ZIP 2004, 744. Kiethe WRP 2004, 1004 (1010 f.). Liebscher/Petsche EuZW 2000, 400 (404); Emde VersR 2001, 148 (157). AA Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 259, die §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Hs. 2, 441 Abs. 3, 434, 437 BGB entsprechend anwenden wollen. 4747 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 267. 4748 OLG München, Hinweisbeschl. v. 29.1.2014 – 23 U 4161/13 zum Vertragshändlervertrag. 4749 LG München I, Urt. v. 22.1.2001 – 8 HKO 1156/00, n. v.; Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 267. 4750 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 267.

4743 4744 4745 4746

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Regelungen über das Miet- und Pachtrecht treten meist zurück. Die §§ 137 ff., 581 Abs. 2 BGB sind daher im Regelfall unanwendbar.4751 Das gilt auch hinsichtlich der Überlassung von Franchise- und Betriebshandbüchern, weil dieser Fall durch analoge Anwendung des § 86a gelöst werden kann.4752 In erster Linie auf ggf. separat geschlossene Miet- und Pachtverträge, etwa über Betriebsräume, ist Miet- oder Pachtrecht anwendbar. 670 Im Fall der Nicht- oder Schlechtleistung des FG hat der FN folgende Rechte: ZBR gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB oder gem. § 273 Abs. 1 BGB; Androhung einer außerordentlichen Kündigung sowie Gewährleistungsrechte. Ein Minderungsrecht des FN lässt sich den §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1, Hs. 2, 441 Abs. 3 BGB (Teilunmöglichkeit) entnehmen. Voraussetzung ist Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB). Sie liegt in der Regel vor, da der überwiegende Teil der Leistung des FG den Charakter eines absoluten Fixgeschäftes einnimmt. Bei mangelhaften Know-How-Transfer kommt ein Minderungsrecht analog §§ 581 Abs. 2, 537 BGB in Betracht. Die Aushändigung des Franchisehandbuchs stellt eine vertragliche Hauptpflicht dar. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages kann auch im Falle völliger Fehlerhaftigkeit des Handbuchs erhoben werden.4753 Diskutiert wird, ob der FG gem. §§ 581 Abs. 2, 537 BGB Gewähr für die Geeignetheit des Marketingkonzepts zur Erreichung des Zweckes leistet.4754 Im Fall einer Nicht- oder Schlechtleistung steht den Vertragspartnern zudem Schadenersatz nach §§ 280 Abs. 1, 241 BGB zu. Führt die Änderung der Systemvorgaben im laufenden Franchisevertrag zu unverhältnismäßig hohen Investitionen, die sich nicht mehr amortisieren, kann der FN die Einwendung nach § 275 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BGB erheben und ggf. analog § 87d Ersatz der Aufwendungen fordern. Angeblich haftet der FG nicht, falls die Tätigkeit des FN einen zu hohen Kapitaleinsatz fordert,4755 zudem nicht für das Fehlen eines Pilotbetriebes, weil das System auch ohne einen solchen anwendungstauglich sein kann.4756 Für die wettbewerbswidrige Werbung eines FN haftet der FG grundsätzlich nicht auf Scha671 denersatz. Sofern der FG die im Streite stehende Werbung nicht veranlasst hat, kommt allenfalls ein durch Unterlassen begangener Verstoß in Betracht. Dieser setzt eine Erfolgsabwendungspflicht voraus, welche sich insbesondere nicht aus der Überlassung von „good will“ ergibt. Eine möglicherweise in Betracht kommende Störerhaftung kann nur Abwehr-, nicht aber die geforderten Schadenersatzansprüche begründen.4757

13. Nichtigkeit 672 Ein Franchisevertrag kann u. a. gem. §§ 134, 138 BGB,4758 § 306 BGB, Art. 101 AEUV oder § 34 GWB a. F.4759 (s. Kommentierung zu § 85) nichtig sein,4760 wobei die Nichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB zurückhaltend anzunehmen sein soll.4761 Die Wirksamkeit des Vertrages darf zudem ex Giesler/Giesler/Kroll 1 § 4 Rn 194; aA Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 263; Canaris § 18 Rn 46. Giesler/Giesler/Kroll 1. Aufl. 2011, § 4 Rn 194; aA Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 263. Giesler ZIP 2000, 2098. So Kroll Informationspflichten im Franchising, 2001, S. 109 ff. Canaris § 18 Rn 49. Canaris § 18 Rn 49; aA OLG München, Urt. v. 11.7.1996 – 24 U 63/95, NJW-RR 1997, 812 (814); Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2209). 4757 BGH, Urt. v. 6.4.2000, I ZR 67/98, NJW-RR 2000, 1710 = NJW 2001, 441 (LS) = MDR 2001, 163. 4758 BGH, Beschl. v. 17.7.2002 – BGH Aktenzeichen VIIIZR34700 VIII ZR 347/00; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466; OLG Oldenburg, Urt. v. 26.4.2006 – 8 U 206/06, OLGR Oldenburg 2008, 24 = BeckRS 2007, 16857; OLG Naumburg, Urt. v. 28.4.2006 – 10 U 45/05, BeckRS 2007, 03091; LG Kiel, Urt. v. 18.1.2013 – 14 O 63/11.Kart, BeckRS 2014, 13988 (dort verneint); LG Bielefeld, Urt. v. 28.1.2010 – 9 O 385/04, BeckRS 2013, 02142; Rohrßen ZVertriebsR 2019, 325 (326); Waldzus BB 2016, 515 (519); Giesler ZIP 2003, 1025. 4759 OLG Koblenz, Urt. v. 21.12.2006 – 11 HKO 4/05, BeckRS 2007, 01074. 4760 Giesler WM 2001, 1441. 4761 Waldzus BB 2016, 515 (520).

4751 4752 4753 4754 4755 4756

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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tunc beseitigt werden (Anfechtung,4762 außerordentl. Kündigung). Eine sittenwidrige Knebelung wird bei Franchiseverträgen angenommen, sofern die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des FN nicht nur übermäßig und unzumutbar durch eine ungleichgewichtige Verteilung von Vorteilen und Risiken beschränkt wird, sondern der FG seine wirtschaftliche Übermacht zur Fremdbestimmung des FN einsetzt und dieser deshalb seine wirtschaftliche Entschließungsfreiheit im wesentlichen Teil einbüßt4763 bzw. fast vollkommen dem Willen des FG unterworfen und faktisch zum Angestellten im eigenen Betrieb wird.4764 Indiz dafür können Weisungs- und Zustimmungsrechte des FG sowie deren Umfang sein.4765 Weiter kann eine Anzahl einseitig belastender Klauseln im Vertragswerk, die einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB nicht standhalten, den Franchisevertrag bei der gebotenen Gesamtschau als sittenwidrig erscheinen lassen.4766 Gewisse Weisungs- und Kontrollbefugnisse sowie die enge Einbindung des FN in das Vertriebssystem4767 sind allerdings franchisetypisch, um auch im Interesse des FN die Einhaltung der systemtypischen Qualitätsstandards zu gewährleisten und die korrekte Anwendung des vom FG zur Verfügung gestellten Know-How sicherzustellen.4768 Weiter wird auf die einseitige Risikoverteilung abgestellt.4769 Das OLG Düsseldorf4770 untersucht die Nichtigkeit wie folgt: Zunächst werde das Vorhandensein einer auffälligen Vielzahl einseitig belastender Klauseln geprüft, die den Anforderungen der Inhaltskontrolle nicht standhielten. Erschienen die dem FG eingeräumten Weisungs- und Zustimmungsrechte, Eingriffs- und Kontrollbefugnisse weitgehend und engten den dem FN verbleibenden unternehmerischen Spielraum sehr stark ein, werde geprüft, ob die aus dem Vertrag herzuleitenden Verpflichtungen des FG ebenfalls von einigem Gewicht seien und unternehmerisches Risiko beließen. Sei das der Fall, ließe dies unter Berücksichtigung der franchisetypischen Interessenlage beider Vertragspartner und der beiderseitiger Risiken und Chancen die Bewertung zu, dass eine zur Nichtigkeit führende Sittenwidrigkeit fehle. Nach diesem Maßstab sah das OLG Düsseldorf4771 die unternehmerische Freiheit des FN durch das vorgeschriebene Sortiment und die Bezugspflicht beim FG i. V. m. einer preisgebundenen Bezugsverpflichtung4772 ohne nennenswerten gestalterischen Spielraum und ohne eigenes Marketing als kaum gegeben an. Dessen unternehmerische Freiheit beschränke sich im Wesentlichen auf die Bestimmung der Bestellmengen. Auch Buchhaltung, Kassenführung und Zahlungsverkehr unterlägen Reglementierungen. Letzteres sei jedoch franchisetypisch, den Beschränkungen ständen Verpflichtungen des FG von bedeutendem Gewicht gegenüber, etwa die Übergabe eines komplett eingerichteten Geschäftslokals sowie die systemtypischen Leistungen

4762 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. Anm. Flohr und zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357) – Anfechtung nach § 123 BGB.

4763 BGH, Urt. v. 12.11.1986 – VIII ZR 280/85; LG Bielefeld, Urt. v. 28.1.2010 – 9 O 385/04, BeckRS 2013, 02142; Rohrßen ZVertriebsR 2019, 325 (326).

4764 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.2000 – 8 U 113/99, NZG 2000, 1169 (1170 f.), OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, BB 2002, 2521 ff.; Waldzus BB 2016, 515 (519). 4765 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466. 4766 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466; OLG Oldenburg, Urt. v. 26.4.2006 – 8 U 206/06, OLGR Oldenburg 2008, 24 = BeckRS 2007, 16857; LG Mainz, Urt. v. 20.6.2006 – 12 HKO 82/05, BeckRS 2007, 08487; Waldzus BB 2016, 515 (520). 4767 LG Kiel, Urt. v. 18.1.2013 – 14 O 63/11 (Kart), BeckRS 2014, 13988; Waldzus BB 2016, 515 (519). 4768 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466; OLG Oldenburg, Urt. v. 26.4.2006 – 8 U 206/06, OLGR Oldenburg 2008, 24 = BeckRS 2007, 16857. 4769 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466; OLG Oldenburg, Urt. v. 26.4.2006 – 8 U 206/06, OLGR Oldenburg 2008, 24 = BeckRS 2007, 16857. 4770 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466. 4771 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.9.2009 – 16 U 62/08, BeckRS 2009, 89466. 4772 Die Bezugspflicht sieht das LG Kiel, Urt. v. 18.1.2013 – 14 O 63/11.Kart, BeckRS 2014, 13988 als franchisetypisch an. 411

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mit Know-How. Das LG Bielefeld4773 sah den Umstand, dass der FG bei 10jähriger Vertragslaufzeit das gesamte Inkasso für den FN übernahm und die daraus resultierende Abhängigkeit als entscheidend an. Diese Abhängigkeit wurde verstärkt, da der FN 9,5 % seines Nettoumsatzes an den FG zu zahlen hatte, mindestens jedoch 1160 DM/Monat zzgl. Mehrwertsteuer, wobei sich der Betrag nach dem Ablauf des ersten und des zweiten Jahres jeweils um weitere 200 DM erhöhte. Die Verlegung des Geschäftslokales bedurfte der Genehmigung des FG; der Kundenstamm war zu übertragen. Ein Franchisevertrag soll auch sittenwidrig sein, wenn die realen, durch die Systemwertschöpfung zu erwirtschaftenden „Lizenzanalogiesätze“ durch die Belastung mit den laufenden Franchisegebühren um mehr als 100 % überschritten werden.4774 Unterwirft sich ein FN einem System, welches eine nahezu 100 %ige Kooperation mit dem FG verlangt, kann hieraus nicht ohne weitere Anhaltspunkte auf eine Sittenwidrigkeit des Vertrages geschlossen werden, solange unternehmerische Gestaltungsräume verbleiben.4775 Die „Unterwerfung“ ist oft Geschäftszweck. Bei vereinbarten Mindestgebühren müssen diese, so wird vertreten, am Standort des FN mit den lokalen Fixkosten auf Dauer zu „rechnen“ sein.4776 Dies bedeute, dass ein breakeven-point nach 18 Monaten erreicht sein müsse.4777 Ergebe sich aus dem Vergleich mit den Durchschnittserträgen der Branche, dass der durchschnittliche Ertrag der Standorte einer Branche wesentlich unter den Mindestfranchisegebühren liege, so könne sich auch daraus eine unangemessene Überbelastung ergeben.4778 Jedoch soll eine Franchise-Gebühr von 12,5 % nach den Umständen des Einzelfalls nicht sittenwidrig sein.4779 Im Fall der Unwirksamkeit ist gem. §§ 812 ff. BGB rückabzuwickeln,4780 und zwar entsprechend der Saldotheorie.4781 Beide Vertragspartner müssen empfangene Leistungen zurückgewähren. Folglich hat der FG erhaltene Zahlungen unter Abzug von Warenlieferungen, Nebenkosten und Fernsprechgebühren zurückzuerstatten. Schulungskosten werden nicht angerechnet. Die Saldotheorie soll aber dahingehend eingeschränkt sein, dass der FN als Bereicherungsgläubiger etwaige Zurückbehaltungsrechte bzw. Gegenansprüche des FG nicht bereits – etwa im Rahmen eines Antrages auf eine Zug-umZug-Verurteilung – zu berücksichtigen hat.4782 Probleme bereiten immaterielle Leistungen des FG, insb. Know-How. Es ist festzustellen, ob das erhaltene Fachwissen einen saldierungsfähigen wirtschaftlichen Wert besitzt, was der FG darzulegen und zu beweisen hat. Von einer Werthaltigkeit ist regelmäßig nicht auszugehen (insbesondere, wenn die Leistungen ausschließlich im Zusammenhang mit weiteren Leistungen des FG genutzt werden können), sofern die Leistungen nicht Ausdruck des franchise-spezifischen Know-Hows sind. Nicht anwendbar ist die Saldotheorie, wenn der Franchisevertrag mit Wirkung ex nunc beseitigt wird. Je nach Situation kann der FN Ansprüche, ggf. in Anspruchskonkurrenz, auf Vertragsaufhebungsschaden analog § 89a Abs. 2, Rücknahme und Vergütung von Vertragswaren (Ausnahme: Kündigung wg. schuldhaften Verhaltens des FN), Investitionsschutz (unklar ob als Kündigungs- oder Schadenersatzanspruch, nach Ansicht Gieslers vorrangig als finanzielle Ersatzleistung)4783 sowie Zurückbehaltungsrecht an gemieteten Geschäftsräumen geltend machen.

4773 4774 4775 4776 4777 4778 4779 4780

LG Bielefeld, Urt. v. 28.1.2010 – 9 O 385/04, BeckRS 2013, 02142. Dehe/Meeth BB 2002, 2524. OLG Naumburg, Urt. v. 28.4.2006 – 10 U 45/05, BeckRS 2007, 03091. Dehe/Meeth BB 2002, 2524. Dehe/Meeth BB 2002, 2524. Dehe/Meeth BB 2002, 2524. LG Dortmund, Urt. v. 30.3.2012 – 3 O 31/11, ZVertriebsR 2013, 163 (165). OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 m. Anm. Flohr und zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357). 4781 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (52) m. Anm. Flohr und zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357). 4782 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 (52) m. zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (357). 4783 Richtigerweise wohl beides, nach Wahl des FN. Emde

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Hat der FN eine wirksam vereinbarte Eintrittsgebühr gezahlt, hängt es von den Umständen 673 des Einzelfalls ab, ob sie bei vorzeitiger Vertragsbeendigung nach den Grundsätzen zu Einstandszahlungen (siehe bei der Kommentierung zu § 89b) pro rata temporis gem. § 812 BGB zurückzuzahlen ist. Im Wesentlichen gelten die Ausführungen im Rahmen des § 89b zu Eintrittsgebühren entsprechend. Besonderheiten können sich daraus ergeben, dass die Eintrittsgebühr weniger der Ausgleichsvermeidung dient und mehr der Honorierung übergebenen Know-Hows. Auch dieses Know-How hat für den FN aber möglicherweise nur Wert, wenn der Vertrag eine gewisse Laufzeit hat. Auch insoweit sind transparente Regelungen zur Rückzahlung im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung wesentlich. Ein FN darf nach § 812 BGB Rückzahlung geleisteter Franchisegebühren fordern, wenn der 674 Franchisevertrag in wesentlichen Teilen der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB nicht standhält und deshalb nach § 306 Abs. 3 BGB insgesamt unwirksam ist.4784 Meist ist dies nicht der Fall.4785 Eine Gesamtunwirksamkeit und keine geltungserhaltende Reduktion ist anzunehmen, falls die Unwirksamkeit zahlreiche, die unternehmerische Betätigung des FN regelnde Klauseln, aber auch die vereinbarte Vergütungsregelung betrifft, so dass ein der Ausfüllung durch dispositives Recht und ergänzende Vertragsauslegung zugänglicher Rest nicht mehr verbleibt.4786 In Anwendung der Saldotheorie muss sich der Anspruchsteller einen Abzug gefallen lassen, dessen Höhe mit 2/3 Reduktion vom OLG München4787 nicht beanstandet wurde. Das zur Verfügung gestellte „Know-How“ stellt keinen Wert dar, wenn es ausschließlich im Zusammenhang mit weiteren Leistungen des FG genutzt werden kann, die nach dem Scheitern des Franchiseverhältnisses nicht mehr zur Verfügung stehen.4788 Die Nichtigkeit eines Franchisevertrages führt jedoch nicht zur Nichtigkeit der in seiner Ausführung geschlossenen Kaufverträge.4789 Auch im Franchiserecht gelten die Grundsätze des faktischen Vertrages (s. Kommentierung 675 zu § 84).

14. Teilhabe des Franchisenehmers an Einkaufsvorteilen des Franchisegebers Umstritten ist, inwieweit FG zur Weitergabe von Einkaufsvorteilen (sog. „kick-backs“) an ihre 676 FN verpflichtet sind. Zunächst: Eine generelle Verpflichtung des FG, vorteilhafte Einkaufsbedingungen auszuhandeln, fehlt.4790 Verhandlungsverschulden ist nur schadenersatzträchtig, falls unternehmerisches Ermessen überschritten wurde. Einkaufsvorteile sind von der unstrittig zulässigen Handelsspanne4791 abzugrenzen, die der FG erhebt, wenn er selbst Produzent und Verkäufer ist. Der US-amerikanische Robinson-Patment-Act4792 verbietet kick-backs. Ia) Nach einer Ansicht gibt es keinen etwa aus §§ 812, 675 Abs. 1, 666, 667, 242 BGB hergeleite- 677 ten gesetzlichen Anspruch auf Weitergabe von Einkaufsvorteilen des FG an FN.4793 Eine sol4784 4785 4786 4787 4788 4789

OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, BB 2002, 2521. LG Dortmund, Urt. v. 30.3.2012 – 3 O 31/11, ZVertriebsR 2013, 163 (165). OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, BB 2002, 2521. OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, BB 2002, 2521. OLG München, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 5730/01, BB 2002, 2521. BGH, Urt. v. 16.4.1986, NJW 1986, 1988; v. 23.7.1997 – VIII ZR 130/96, EWiR 1997, 985 (Schlechtriem); OLG Brandenburg, Urt. v. 28.9.2005 – 4 U 37/05, NJW–RR 2006, 53. 4790 Flohr BB 2007, 6 (9). 4791 Giesler/Güntzel ZIP 2006, 1792. 4792 U.S.C. § 13 (c). 4793 BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel); OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.4.2011 – VI-U (Kart) 26/10, BeckRS 2011, 23540; VI-U (Kart) 28/10, BeckRS 2011, 23603 jeweils m. Anm. Matthes GWR 2011, 324284 = GWR 2011, 504; Beschl. v. 16.1.2008 – VI-Kart 11/06 (V), GRUR-RR 2008, 324; Urt. v. 13.12.2006 – VI-U (Kart) 36/05, BB 2007, 738 (740); Flohr BB 2006, 1074; ders. BB 2007, 741; ders. BB 2007, 6 (7); ders. BB 2009, 2159 ff.; Prasse MDR 2004, 256; Haager NJW 2004, 1220; zum Streitstand auch Haager NJW 2002, 1463. 413

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che Pflicht könne höchstens einer Auslegung der vertraglichen Abreden entnommen werden.4794 Ergäbe sie eine Weitergabepflicht, habe der FG alle systemimmanenten Vorteile des Franchisesystems offenzulegen und auszukehren.4795 Insbesondere müssten Einkaufsvorteile nicht weitergegeben werden, wenn vertraglich auf den Verbleib der kick-backs beim FG hingewiesen (was die Zulässigkeit solcher Klauseln impliziert) oder die Weitergabe in den zwischen FG und Lieferanten gezeichneten Lieferverträgen ausgeschlossen wurde4796 (diese wären jedoch bei fehlender Beteiligung der FN ein Vertrag zu seinen Lasten). Diese Auffassung fühlte sich durch die Apollo-Urteile des Jahres 20034797 bestärkt. Zwar befürwortete der Kartellsenat hier Auskunfts- und Zahlungsansprüche der FN auf der Grundlage einer Auslegung des Franchisevertrages. Alle drei Entscheidungen enthielten die Formulierung, es könne offen bleiben, ob neben der vertraglichen Regelung auch andere rechtliche Gesichtspunkte als Grundlage des verfolgten Begehrens in Betracht kämen. Dies wurde als Hinweis auf das Fehlen eines gesetzlichen Anspruchs interpretiert – angesichts des Vorrangs vertraglicher Ansprüche wohl eine Fehldeutung. 678 In dem Hertz-Urteil des BGH beantwortete der BGH die Frage nicht, ob sich Zahlungsansprüche aus den §§ 675, 666, 242, 667 BGB ergeben könnten,4798 weil der BGH Ansprüche gegen eine Beklagte wegen fehlender Einkaufsvorteile ablehnte und gegen die andere schon auf Grund einer Vertragsauslegung befürwortete. Auch jenes Urteil wurde von manchen so verstanden, als unterstütze es die Position derjenigen, die gesetzliche Auskunfts- und Zahlungsansprüche der FN ablehnten.4799 Bereits zuvor hatte der BGH in seinem Urt. v. 2.2.19994800 ausgeführt, in einem Franchisesystem bestehe keine gesetzliche Pflicht des FG, die von ihm ausgehandelten Einkaufsvorteile in vollem Umfang an die FN – ggf. anteilig den Regiebetrieben – herauszugeben. Der BGH hat darauf abgestellt, dass für die Erreichbarkeit optimaler Geschäftserfolge des FN im Wettbewerb mit konkurrierenden Anbietern auch und insb. günstige Einkaufsbedingungen von ausschlaggebender Bedingung sein können. Dem seien die Interessen des FG gegenüberzustellen.4801 Je nach Ausgestaltung der Verträge besitze er ein berechtigtes Interesse, einen Teil der Einkaufsvorteile einzubehalten, um damit zusätzlich von ihm zu erbringende Leistungen vergütet zu erhalten. Das sei insb. der Fall, wenn er – wie üblich bei Vertriebsfranchiseverträgen – die Funktion eines Großhändlers übernehme. Dann mache er mit der Einbehaltung eines Teils der Einkaufsvorteile von seinem Recht zur freien Preisbildung Gebrauch. Die Einkaufsvorteile blieben Gegenleistung für den Koordinierungsaufwand, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, das Insolvenzrisiko sowie die Gewährleistungspflicht.4802 Diese Leistungen würden durch die Franchisegebühr nicht abgedeckt.4803 Das OLG Düsseldorf4804 verneint auch einen Schadenersatzanspruch aus §§ 33, 19 GWB: Der FG sei bei Abschluss des Franchisevertrages kein markt4794 BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel); OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.4.2011 – VI-U 24/10, ZVertriebsR 2012, 52; VI-U (Kart) 26/10, BeckRS 2011, 23540; VI-U (Kart) 28/10, BeckRS 2011, 23603 jeweils m. Anm. Matthes GWR 2011, 324284 = GWR 2011, 504; Beschl. v. 16.1.2008 – VI-Kart 11/ 06 (V), GRUR-RR 2008, 324; Urt. v. 13.12.2006 – VI-U (Kart) 36/05, BB 2007, 738 (740); Flohr BB 2006, 1074; ders. BB 2007, 741; ders. BB 2007, 6 (7); ders. BB 2009, 2159 ff.; Prasse MDR 2004, 256; Haager NJW 2004, 1220; zum Streitstand auch Haager NJW 2002, 1463. 4795 NJW 2004, 1220. 4796 Flohr BB 2006, 389 (393). 4797 BGH ZIP 2003, 2030; ZIP 2004, 773; Urt. v. 25.5.2003 – KZR 29/02 und weitere Urteile. 4798 BGH ZIP 2006, 810 = BB 2006, 1071. 4799 Vgl. Giesler/Güntzel ZIP 2006, 1792 (1794). 4800 BGH KVR 11/97, NJW 1999, 2006, 171 (175 f.) = WRP 1999, 534 ff. insoweit in BGHZ 140, 342 und WuW/E DE264 nicht abgedruckt; offen gelassen in BGH, Urt. v. 20.5.2003 – KartZR 19/02, NJW-RR 2003 1635 (1637) = WRP 2003, 1448 ff. – Apollo-Optik. 4801 BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel). 4802 BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel). 4803 BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel). 4804 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.4.2011 – VI-U (Kart) 26/10, BeckRS 2011, 23540; VI-U (Kart) 28/10, BeckRS 2011, 23603 jeweils m. Anm. Matthes GWR 2011, 324284 = GWR 2011, 504. Emde

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starkes Unternehmen i. S. v. § 20 Abs. 1 GWB gewesen. Eine unternehmensbedingte Abhängigkeit der FN nach § 19 GWB könne frühestens durch den langfristigen Franchisevertrag begründet worden sein. Auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses komme es nicht an, soweit es um die Frage gehe, ob der FG den FN durch die vertraglichen Regelungen zu den Einkaufsvorteilen unbillig behindere oder diskriminiere. Es fehle zudem an einer Diskriminierung, weil der FG keinem ihrer FN einen Anspruch auf Weiterleitung von Einkaufsvorteilen eingeräumt habe und ferner an einer unbilligen Behinderung, weil der Franchisevertrag lediglich die Gesetzeslage (kein Anspruch der Franchisenehmer auf Einkaufsvorteile) wiedergebe. FG vereinbaren deshalb oft, dass Einkaufsvorteile als Gegenleistung für Listungs- und Konditionengespräche beim FN verbleiben,4805 was zulässig sein soll.4806 Eine solche Vereinbarung setzt in AGB (§ 307 BGB – es dürfte sich um keine kontrollfreie Hauptleistung handeln) die vom FG zu beweisende Werthaltigkeit seiner Gegenleistung voraus. Entsprechende Regelungen zu Einkaufsvorteilen und Werbekosten müssen klar formuliert sein.4807 Zudem bleibt das faktische Verhalten des FG genauso wichtig wie der Vertragstext, insb. seine vorvertragliche Aufklärung. Der FG darf seine Vorteile keinesfalls kleinreden.4808 Die Praxis lehrt, dass FG mit derlei Aufklärung Zurückhaltung üben, obwohl damit erhebliche rechtliche Risiken einhergehen.4809 Nur bei Einhaltung dieser Kautelen genügt die Klausel, Einkaufsvorteile verblieben beim FG, dem Transparenzgebot und benachteiligt den FN nicht unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.4810 In Individualverträgen wären §§ 138,4811 242 BGB Kontrollmaßstab. Insgesamt ist es nach dieser Auffassung rechenschaftsfreies Interna des FG, in welcher Weise er seine Einkünfte erzielt. b) Nach der Gegenansicht ist die Schadenersatzpflicht und ein vorgeschaltetes Auskunfts- 679 recht4812 auch ohne vertragliche Verpflichtung zur Weiterleitung der Einkaufsvorteile existent.4813 Jene Ansicht vertritt, der BGH habe einen gesetzlichen Anspruch auf Auskunft und Zahlung nicht abgelehnt. Gem. §§ 675, 667, 242 BGB, 20 Abs. 1, 2, 33 GWB4814 treffe den FG auch ohne dahin gehende vertragliche Abrede die Pflicht zur Herausgabe von Prämien, Rückvergütungen, Werbekosten, Zuschüssen, Provisionen und Einkaufsvorteilen, welche Lieferanten aufgrund des Warenbezugs der FN an ihn zahlten. Entgegenstehende Regelungen verstießen gegen § 307 BGB.4815 c) Für die kartellrechtliche Praxis dürfte der Streit durch den „Praktiker-Beschluss“ des 680 BGH4816 entschieden sein4817: FN würden nicht dadurch unbillig behindert, dass der FG, welcher ihnen gegenüber als Großhändler auftritt, nach dem Franchisevertrag nicht verpflichtet sei, Rabatte, Boni, Rückvergütungen und ähnliche Einkaufsvorteile, die ihm von seinem Lieferanten 4805 Flohr BB 2007, 6 (7). 4806 BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel). Eine solche Klausel formuliert Flohr BB 2009, 2159 (2162). Matthes GWR 2011, 324284 = GWR 2011, 504. Matthes GWR 2011, 324284 = GWR 2011, 504. Matthes GWR 2011, 324284 = GWR 2011, 504. Flohr BB 2007, 6 (8). S. LG Kiel, Urt. v. 18.1.2013 – 14 O 63/11.Kart, BeckRS 2014, 13988 – dort verneint; enge Einbindung des FN ist franchisetypisch. 4812 LG Dortmund, Teilurt. v. 19.8.2010 – 13 O 85/05 Kart, BeckRS 2010, 26733. 4813 OLG München BB 1997, 1430; LG Dortmund, Teilurt. v. 19.8.2010 – 13 O 85/05 Kart, BeckRS 2010, 26733; LG Hamburg, Urt. v. 10.4.2001 – 313 O 182/99 und 313 O 184/99; Böhner NJW 1998, 109; Böhner WRP 2006, 1089 (1092); Emde EWiR 2004, 67 (68); Giesler ZIP 2004, 744; Flohr DStR 2001, 710; Giesler in: Giesler/Nauschutt, Franchiserecht, 2002, § 5 Rn 137. 4814 Flohr BB 2007, 6 ff. 4815 AA Flohr BB 2007, 6 (8). 4816 BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, WRP 2009, 208 = EWiR 2009, 541 (Giesler/Güntzel); aA BKartA, Beschl. v. 8.5.2006 – B9-149/04, ZIP 2006, 1788. mit Anm. Giesler/Güntzel; hierzu Flohr BB 2007, 6 ff. (durch den BGH aufgehoben). 4817 Siehe die Analyse von Flohr BB 2009, 2159 ff.

4807 4808 4809 4810 4811

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gewährt werden, in vollem Umfang an die FN weiterzugeben. Damit hob der BGH im Einklang mit der Vorinstanz4818 den „Praktiker-Beschluss“ des BKartA4819 auf. 681 Nach beiden Meinungsgruppen sind zunächst die vertraglichen Abreden zu prüfen, ehe es auf gesetzliche Ansprüche ankommt: Enthält der Franchisevertrag (hier Apollos) die Klausel, „Vorteile … zur Erreichung optimaler Geschäftserfolge“ seien an die FN weiter zu geben, verpflichtet sie den FG in ihrer nach § 305c Abs. 2 BGB maßgeblichen verwenderfeindlichsten Auslegung zur Weitergabe sämtlicher Einkaufsvorteile. Die FN können dann gem. § 242 BGB Auskunft über die erzielten Einkaufsvorteile fordern.4820 Gleiches gilt, falls der Vertrag die Teilnahme der FN an Einkaufskonditionen und eine Auskunftspflicht über die Sonderkonditionen vorschreibt.4821 Sieht der Franchisevertrag hingegen nur eine Unterstützungspflicht bei der Bearbeitung von Verfahrensweisen hinsichtlich des Erwerbs von Material und Ausrüstung vor oder die Verpflichtung, laufend zentrale Leistungen zur Verfügung zu stellen,4822 ergibt sich keine Herausgabepflicht. Bei einmaliger Auskehrung ist zur Vermeidung von Folgeansprüchen besser ein Vorbehalt zu erklären.4823 682 Auch im Lichte der BGH-Rspr. dürfte es dabei bleiben, dass der FG im Rahmen seiner vorvertraglichen Aufklärungspflicht hinreichend transparent über den Verbleib der Einkaufsvorteile aufzuklären hat.4824 Das dürfte insb. gelten, sofern Umstände fehlen, aus denen der FN schließen durfte, an Einkaufsvorteilen zu partizipieren.4825 Die Aufklärung ist für den FN auch für seine Liquiditätsplanung wichtig.4826 Die Wirksamkeit einer Aufklärung mittels AGB ist umstritten,4827 dürfte aber bei hinreichender Deutlichkeit und Transparenz möglich sein. Spricht eine Klausel dem FN Einkaufsvorteile zu, muss sie Auskunft und Rechnungslegung ermöglichen.4828 Ob es dazu genügt, die Auskunft durch einen WP testieren zu lassen, erscheint zwh.4829 Im Falle fehlender Aufklärung ist an eine Haftung aus §§ 280, 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB, an § 311 BGB und ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu denken.4830 Das Schweigen über den Verbleib ist Betrug, die Aufklärungspflicht ergibt sich aus dem Franchisevertrag.4831 Kenntnisse einer Einkaufsvorteile verhandelnden Muttergesellschaft müsse sich der FN zurechnen lassen.4832 683 Soweit es sich bei den kick-backs um „verdeckte Franchisegebühren“ handelt, die im Franchisevertrag unerwähnt blieben, wird vertreten, der Vertrag erfülle nicht das Schriftformerfordernis des § 510 Abs. 2 BGB.4833 Letzteres ist zweifelhaft. Es dürfte zwischen dem Franchisevertrag und den in seiner Ausführung geschlossenen Kaufverträgen zu unterscheiden sein. Beide stehen in kei4818 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.1.2008 – VI–Kart 11/06 (V), GRUR-RR 2008, 324. 4819 BKartA, Beschl. v. 8.5.2006 – B9-149/04, ZIP 2006, 1788. mit Anm. Giesler/Güntzel; hierzu Flohr BB 2007, 6 ff. 4820 BGH, Urt. v. 20.5.2003 – KZR 19/02 – Apollo, BB 2003, 2254 (2255) = DB 2003, 2434 = WRP 2003, 1448 = MDR 2003, 1344 = NJW-RR 2003, 1635 = EWiR 2004, 67 (Emde); ebenso BGH, Urt. v. 20.5.2003 – KZR 27/02, NJW-RR 2003, 1624. Zu dem Urteil Böhner BB 2004, 119. 4821 BGH, Urt. v. 22.2.2006 – VIII ZR 40/04, WRP 2006, 595 = ZIP 2006, 810 = WM 2006, 923 = BB 2006, 1071 m. Anm. Flohr = NJW-RR 2006, 776 = GRUR 2006, 610. 4822 OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.12.2006 – VI-U (Kart) 36/05, BB 2007, 738, 739 = EWiR 2007, 395 (Emde). 4823 Flohr BB 2009, 2159 (2164). 4824 Flohr BB 2006, 389 (393); Flohr BB 2007, 741 (742); Flohr BB 2009, 2159 (2163); was angesichts geringer Transparenz gegen die Wirksamkeit der von Flohr BB 2009, 2159 (2162) formulierten Klausel sprechen könnte (dort auch Ausschluss der Auskunftsansprüche). Differenzierend Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2210), der eine Aufklärungspflicht nur befürwortet, soweit Einkaufsvorteile auch auszukehren sind. Aber der FN muss auch wissen, wenn Einkaufsvorteile bestehen und nicht ausgekehrt werden. 4825 AA OLG Celle, Urt. v. 29.1.2008 – 13 U 127/07; Pour Rafsendjani DB 2015, 2007 (2210). 4826 Flohr BB 2009, 2159 (2163). 4827 Befürwortend Flohr BB 2007, 6 (8). 4828 Flohr BB 2009, 2159 (2162). 4829 Dafür Flohr BB 2009, 2159 (2162). 4830 Flohr BB 2007, 6 ff. 4831 Emde VersR 2004, 1499 (1504). 4832 OLG München, Urt. v. 27.7.2006 – 23 U 5590/05, BB 2007, 14; Flohr BB 2007, 6 ff. 4833 Giesler/Giesler/Kroll1 § 4 Rn 137; Giesler ZIP 2004, 744. Emde

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nem untrennbaren Zusammenhang, da die Anzahl der zu schließenden Einzelverträge und die Höhe des Gewinns aus ihnen noch unbestimmt ist. Zudem handelt es sich bei den Rabatten nicht um essentialia des Vertrages, welche dem Schriftformerfordernis unterliegen.4834

15. Franchisenetzwerkhaftung Diskutiert wird, ob es neben dem Franchisevertragsrecht ein Franchisenetzwerkrecht gibt, 684 aus welchem sich eine zusätzliche Grundlage etwa für die Weiterleitung von Einkaufsvorteilen herleiten lässt.4835 Das dürfte eher zweifelhaft sein.4836 Die Beziehungen der Mitglieder eines Vertriebssystems untereinander sind nicht so eng, als dass sie zur Außenwirkung gegenüber Dritten führen. Im Fokus der §§ 84 ff. steht das bilaterale Verhältnis zwischen Unternehmer und Vertriebsmittler, hinter das die Beziehungen der Mitglieder des Vertriebsnetzes untereinander zurücktreten.4837 Unter den Mitgliedern des Franchisesystems bestehen nur Treu- und Rücksichtnahmepflichten, die aber zu Haftungsfolgen führen können. Siehe dazu, zum Netzwerkrecht und zu den Beziehungen der Mitglieder des Vertriebssystems untereinander im Rahmen der Kommentierung zu § 86, Stichwort „Treu- und Förderungspflichten innerhalb eines Vertriebssystems“.

16. Vertragspartner des Kunden – Geschäft mit dem FG? Sofern bei Vertragsschluss nicht weitere Umstände vorliegen, führt allein die Tatsache, dass inner- 685 halb eines Franchisesystems Marken oder sonstige Kennzeichen einheitlich als Bestandteil zur Bildung von weitere Bestandteile enthaltenden Firmen- oder sonstigen geschäftlichen Bezeichnungen verwendet werden, typischerweise nicht zum Handeln in fremden Namen4838 oder zur Verpflichtung des FG oder anderer FN nach Rechtsscheingrundsätzen.4839 Ob eine andere Beurteilung in Betracht zu ziehen ist, wenn Unternehmen im Rahmen eines Franchisesystems unter identischen Bezeichnungen auftreten, ohne dass ersichtlich wird, ob es sich jeweils um rechtlich selbstständige Unternehmen handelt, könne, so der BGH, offen gelassen werden.4840 Dies wird jedoch zum Teil angenommen: Eine Haftung des FG für Verbindlichkeiten des FN und damit eine Franchisenetzwerkhaftung soll, etwa unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens,4841 § 278 BGB als Erfüllungsgehilfe des FN,4842 gem. § 831 BGB als Verrichtungsgehilfe des FN4843 oder nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter4844 möglich sein, falls der Markenname des Franchisesystems durch gemeinsame und überregionale Werbung, Systemlogo, Symbole, Slogan, Handelsnamen und sonstige Geschäftsbezeichnungen überregionale Bedeutung gewonnen habe und die Firma des FN dahinter zurücktrete.4845 Auch soll aus der Quasi-Filialität der Franchisesysteme die Gefahr einer Rechtsscheinhaftung jedenfalls

4834 4835 4836 4837 4838 4839 4840 4841 4842 4843 4844 4845

Emde BB 2005, 390 (391). Siehe Böhner BB 2004, 119; Teubner ZHR 198 (2004), 1; einschränkend Giesler ZIP 2004, 744. Gegen ein Franchisenetzwerkrecht etwa Canaris § 18 Rn 20. Flohr ZVertriebsR 2019, 402; Karsten Schmidt JuS 2008, 665 (672). Canaris § 18 Rn 59; Flohr/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 §§ 54, 55 Rn 66. BGH, Urt. v. 18.12.2007 – X ZR 137/04, DB 2008, 812 (813); aA Canaris § 18 Rn 60. BGH, Urt. v. 18.12.2007 – X ZR 137/04, DB 2008, 812 (813). Canaris § 18 Rn 60. Canaris § 18 Rn 62. Teubner ZHR 154 (1990), 311 f.; Bräutigam WM 1994, 1194; Canaris § 18 Rn 64. Canaris § 18 Rn 63. Buck-Heeb/Dieckmann DB 2008, 855 (857); Martinek/Martinek/Habermeier3 § 27 Rn 66; Bräutigam in: Metzlaff, Praxishandbuch Franchising 2003, § 13 Rn 4 f. 417

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der Systemzentrale in direkter oder analoger Anwendung des § 56 resultieren.4846 Der nach § 15a GewO bekanntzugebende Firmenname trete zurück, weil er von den maßgeblichen Verkehrskreisen regelmäßig unbemerkt bleibe. Die Verpflichtung des FG könne sich zudem aus den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts4847 sowie der Duldungs- und Anscheinsvollmacht ergeben.4848 Eine Anfechtung der Rechtsscheinsvollmacht scheide regelmäßig aus, weil sich der FG über die Rechtswirkungen des gemeinsamen Auftritts bewusst sei: Er verpflichte die FN regelmäßig dazu, ihre Stellung als selbständige und unabhängige Unternehmen kenntlich zu machen.4849 Sogar die Netzwerkhaftung der anderen Franchisebetriebe wird erwogen,4850 etwa aufgrund rechtsgeschäftlicher Mitverpflichtung oder aus Vertrauenshaftung. Professionelle Geschäftspartner, z. B. Banken, wird die wahre Rechtslage ohnehin bekannt sein.4851 Das Problem stellt sich vorwiegend in den oft wirtschaftlich weniger bedeutenden Kundenbeziehungen.4852 Nicht mit der Außenhaftung zu verwechseln sind die Treupflichten unter den Mitgliedern des Franchisesystems, vertikal nach oben und horizontal untereinander. Sie können gerade im Franchiserecht mit erheblichem Investitionsbedarf und angesichts des Verdikts der Einheitlichkeit, welches von allen Mitgliedern Systemtreue fordert, bestehen.

17. Vertragsende 686 Franchiseverträge haben häufig eine Laufzeit von 5–10 Jahren,4853 damit sich die Investitionen des FN amortisieren können. Die in § 89 normierten Kündigungsfristen des HV-Rechts gelten analog im Franchiserecht, sofern der FN einem HV vergleichbar in das Vertriebsystem des FG integriert ist.4854 § 89 gewährt dem HV Schutzfristen, binnen derer er sich um eine neue Tätigkeit bemühen kann. Die Notwendigkeit einer solchen Umstellungsfrist besteht bei einem FN zumindest dann, wenn er seinen Geschäftsbetrieb im o. g. Sinne vertragsgemäß weitgehend auf das Vertriebskonzept des FG zuzuschneiden hat.4855 Nicht selten können gegenüber dem HV-Recht längere Kündigungsfristen erforderlich sein, vor allem im Falle erheblicher Investitionen4856: So soll regelmäßig eine Mindestkündigungsfrist von zwei Jahren nicht zu unterschreiten sein.4857 Geht mit dem Franchisevertrag ein Mietvertrag über die Geschäftsräume einher, wird diskutiert, ob der FN bei einem gleichzeitig endenden Mietvertrag zu einer Nutzungsfortsetzung berechtigt ist.4858 Regelmäßig wird dies nicht der Fall sein. Demgegenüber soll die analoge Anwendung des § 89a

4846 Vgl. Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 200. 4847 Heeb/Dieckmann BB 2008, 855 (856). 4848 Heeb/Dieckmann BB 2008, 855 (858); Wolf/Ungeheuer BB 1994, 1027; Pasderski in: Giesler/Nauschütt, Franchiserecht,2 2007, Kap. 6 Rn 27 f.; Bräutigam in: Metzlaff, Praxishandbuch Franchising 2003, § 13 Rn 6; aA Ullmann NJW 1994, 1255 (1556). 4849 Buck-Heeb/Dieckmann BB 2008, 855 (858); Wolf/Ungeheuer BB 1994, 1027; Pasderski in: Giesler/Nauschütt, Franchiserecht,2 2007, Kap. 6 Rn 27 f.; Bräutigam in: Metzlaff, Praxishandbuch Franchising 2003, § 13 Rn 6; aA Ullmann NJW 1994, 1255 (1556). 4850 Ablehnend Canaris § 18 Rn 61. 4851 Canaris § 18 Rn 58. 4852 Canaris § 18 Rn 59. 4853 Prasse MDR 2008, 122 (123). 4854 BGH, Urt. v. 17.7.2002 – VIII ZR 59/01, DB 2002, 1992 = MDR 2002, 1259 = NJW-RR 2002, 1554 = EWiR 2002, 915 (Emde) = WM 2003, 251; Canaris § 18 Rn 27; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 144. 4855 BGH, Urt. v. 17.7.2002 – VIII ZR 59/01, DB 2002, 1992 = MDR 2002, 1259 = NJW-RR 2002, 1554 = EWiR 2002, 915 (Emde) = WM 2003, 251. 4856 Martinek/Martinek/Habermeier3 § 29 Rn 12 ff., 39 ff. 4857 Giesler/Güntzel in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 § 4 Rn 496; Pfeffer NJW 1985, 1241 (1247). 4858 Eingehend Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 282 ff. Emde

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Abs. 14859 mangels Regelungslücke seit der Einführung des § 314 BGB ausgeschlossen sein,4860 was mglw. dogmatisch zutreffend, wegen der größeren Regelungsnähe des HV-Rechts aber diskussionswürdig ist.4861 Jedenfalls kann die Rspr. zum inhaltsgleichen § 89a übernommen werden. Zu wichtigen Kündigungsgründen s. die Kommentierung zu § 89a. Nach Beendigung des Franchisevertrages gilt es, in Vertragstreue und die Interessen der jeweils anderen Partei berücksichtigender Weise auseinanderzugehen.4862 FN oder Vertragshändler sind häufig unter der Marke oder Geschäftsbezeichnung des Vertriebssystems in Telefonbüchern und Verzeichnissen eingetragen. Diese Eintragung muss nach Vertragsende in der nächst erreichbaren Ausgabe geändert werden.4863 Für die Umsetzung haftet der FN nicht, wenn seine Änderungsanweisung nicht ausgeführt wird. Der Verlag ist nicht Erfüllungshilfe des Vertriebsmittlers.4864 Auch im Zeitraum zwischen Kündigungserklärung und Vertragsende haben sich beide Parteien vertragsgemäß zu verhalten. Der FG hat den FN zu beliefern4865 und ihm – außer in Fällen evident zu erwartenden Mißbrauchs – regelmäßig im bisherigen Umfang Know-How zu übertragen.4866

18. Steuerrecht Von FN in einen „gemeinsamen Werbeetat“ eingezahlte und zum Bilanzstichtag noch unver- 687 brauchte zweckgebundene Werbebeiträge zur Finanzierung der dem FG obliegenden überregionalen Werbung sind beim FG erfolgsneutral zu behandeln.4867

VIII. Tippgeber Der Tippgebervertrag ist vom HV-Vertrag abzugrenzen. Ein Tippgeber erhält eine Vergütung dafür, 688 dass er dem Unternehmer Vertragsmöglichkeiten oder Kunden benennt.4868 Er ist kein HV.4869

IX. Kommissionär und Kommissionsagent 1. Erscheinungsbild, Rechtsnatur und anwendbares Recht Mit dem Kommissionär der §§ 383 ff. hat der HV gemeinsam, dass er wie jener für fremde Rech- 689 nung tätig wird. Auch ist die Weite des Branchenfeldes im Prinzip die gleiche. Die entscheiden4859 Zu ihr Martinek/Martinek/Habermeier3 § 27 Rn 55 ff.; § 29 Rn 18 ff.; BGH, Urt. v. 17.12.1998 – I ZR 106/96, NJW 1999, 1177 m. Anm. Martinek EWiR 1999, 303.

4860 OLG München, Urt. v. 14.10.2014 – 7 U 2604/13, ZVertriebsR 2015, 110 m. Anm. Flohr = BeckRS 2014, 19514 – tendenziell, letztlich offen gelassen; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2011, I-18 U 13/11; ZVertriebsR 2012, 183; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2009 – 2 U 76/09, BeckRS 2009, 86480; LG Bielefeld, Urt. v. 28.1.2010 – 9 O 385/04, BeckRS 2013, 02142; Giesler ZIP 2002, 420 (426); Giesler ZIP 2004, 744; Flohr/Wauschkuhn/Flohr Vertriebsrecht2 § 89a Rn 1; aA Martinek ZVertriebsR 2015, 207; Höpfner in: Giesler/Nauschütt, § 12 Rn 44. 4861 Martinek ZVertriebsR 2015, 207; Giesler/Giesler/Kroll 1 § 4 Rn 294; aA wohl Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 469. 4862 Waldzus BB 2016, 515 (522). 4863 Giesler/Güntzel in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 § 4 Rn 632; Giesler WM 2001, 658. 4864 Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 632; Giesler WM 2001, 658. 4865 AA Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 153, soweit die Belieferung eine nachvertragliche Konkurrenztätigkeit des FN unterstützen würde. 4866 AA Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 153, wenn die Gefahr nachvertraglicher Wettbewerbstätigkeit besteht und keine wesentlichen Nachteile des FN, wie etwa Umsatzeinbußen, drohen. 4867 BFH, Urt. v. 22.8.2007 – X R 59/04, DB 2008, 324. 4868 OLG München, Urt. v. 23.1.2014 – 23 U 1955/13, VersR 2004, 1080; Reiff VersR 2015, 249 (251). 4869 Reiff VersR 2015, 249 (251) – zum VV und zu § 59 Abs. 1 VVG. 419

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den Unterschiede zwischen HV und Kommissionär liegen im Grundsatz darin, dass der HV an seinen Unternehmer durch Dauervertrag gebunden ist, während der Kommissionär im Einzelauftrag tätig wird;4870 zum anderen: dass der HV nur vermittelt, äußerstenfalls im Namen seines Auftraggebers abschließt, also erkennbar für diesen auftritt, während der Kommissionär im eigenen Namen auftritt und abschließt4871 (das Kommissionsgeschäft ist der Hauptanwendungsfall der sog. verdeckten Stellvertretung). Außerdem kennt das Kommissionsrecht die sog. Gelegenheitskommission eines sonst in anderen Branchen tätigen Kaufmanns, die im HV-Recht keine Entsprechung hat (der HV im Nebenberuf, § 92b, ist rechtlich und soziologisch keine vergleichbare Erscheinung). Auch hat der HV nicht das Selbsteintrittsrecht in das vermittelte Geschäft, welches dem Kommissionär nach § 400 zusteht. Die eigentliche Warenkommission wiederum ist im Inlandsgeschäft bis auf geringe Reste wie im Weinhandel, Briefmarkenhandel, Kunst- und Antiquitätenhandel verschwunden; nur im Export hat sie hier noch eine gewisse Bedeutung. 690 Während der Kommissionär grds. im Einzelauftrag tätig wird, ist er, wenn er zur kommissionsweisen Wahrnehmung von Aufträgen im Dauerverhältnis mit seinem Auftraggeber steht, – wohl fälschlich als bedeutungslos apostrophiert4872 – Kommissionsagent.4873 Kommissionsagenten sind in den verschiedensten Branchen tätig und können auf der Einkaufs- und Verkaufsseite agieren.4874 Beispiele bilden der VW-Vertrieb,4875 Tchibo und Pressegrossisten.4876 Rechtstatsächlich in Erscheinung traten zuletzt Sonderpostenmärkte.4877 Auch der Mittler eines anderen HV kann Kommissionsagent sein.4878 Der Kommissionsagenturvertrages ist im Gesetz nicht geregelt. In Anlehnung an die Defini691 tion des HV in § 84 Abs. 1 könnte man formulieren, Kommissionsagent sei, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, Geschäfte für Rechnung eines anderen Unternehmers im eigenen Namen abzuschließen.4879 Im Verhältnis zu Dritten, mit denen das Rechtsverhältnis eingegangen wird (sog. „Außenverhältnis“), gilt im Wesentlichen Kommissionsrecht (§ 383 ff.).4880 Dagegen ist für das Dauerrechtsverhältnis zwischen Kommissionsagent und Unternehmer (sog. „Innenverhältnis“), erneut zu fragen, inwieweit HV-Recht analog anzuwenden sei.4881 Das ist regelmäßig der Fall.4882 Auf den Kommissionsagenten entsprechend an4870 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer Vor § 84 Rn 10. 4871 S. Flohr/Wauschkuhn/Billing Vertriebsrecht2 § 84 Rn 89 f. 4872 Martinek ZVertriebsR 2012, 2 (4). Siehe nämlich die Bestandsaufnahme von Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 sowie die nachfolgend zitierten Entscheidungen.

4873 BGH, Urt. v. 21.6.2016 – I ZR 229/15, NJW 2017, 475 m. Anm. Wauschkuhn sowie Franke/Rohrßen IHR 2017, 62; v. 26.9.1980 – I ZR 119/78, BGHZ 79, 89 (97) = NJW 1981, 918; RGZ 69, 363 (365); OLG München, Urt. v. 20.12.2017 – 7 U 260/17, IHR 2018, 123; OLG Oldenburg, Urt. v. 27.10.2015 – 13 U 40/15, ZVertriebsR 2016, 182; Franke/Rohrßen IHR 2017, 62; Martinek ZHR 161 (1997), 67 (75); Ulmer/Habersack ZHR 159 (1995), 109 (112); Flohr/Wauschkuhn/Billing Vertriebsrecht2 § 84 Rn 89; Hopt § 84 Rn 19; eingehend Flohr/Wauschkuhn/Dau Vertriebsrecht2 Vorb § 383 HGB Rn 5 ff. 4874 Franke/Rohrßen IHR 2017, 60. 4875 EG-Kommission, Entsch. v. 29.6.2001, ABl. EG L 262 v. 2.10.2001, S. 14 ff. Rn 20. 4876 Flohr/Wauschkuhn/Dau Vertriebsrecht2 Vorb § 383 HGB Rn 7. 4877 BGH, Urt. v. 21.6.2016 – I ZR 229/15, NJW 2017, 475 m. Anm. Wauschkuhn sowie Franke/Rohrßen IHR 2017, 62; v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW–RR 2003, 1056; OLG München, Urt. v. 20.12.2017 – 7 U 260/17, IHR 2018, 123; OLG Oldenburg, Urt. v. 27.10.2015 – 13 U 40/15, ZVertriebsR 2016, 182. 4878 OLG München, Urt. v. 20.12.2017 – 7 U 260/17, IHR 2018, 123 (124). 4879 OLG Oldenburg, Urt. v. 27.10.2015 – 13 U 40/15, ZVertriebsR 2016, 182 Rn 13; Canaris § 16 Rn 2; Flohr/Wauschkuhn/Billing Vertriebsrecht2 § 84 Rn 89. 4880 Franke/Rohrßen IHR 2017, 260 (63). 4881 Evans-v. Krbek S. 118 ff. 4882 RGZ 69, 363 (365); RG HRR 1934, 1298; Flohr/Wauschkuhn/Dau Vertriebsrecht2 Vorb § 383 HGB Rn 12; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 138; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer Vor § 84 Rn 11, § 383 Rn 5; Hopt § 84 Rn 19; Schlegelberger/Schröder, § 84 Rn 20; Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (63); Martinek ZHR 161 (1997), 67 (76); Ulmer/Habersack ZHR 159 (1995), 109 (113). Emde

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wendbar sind die §§ 85,4883 86,4884 86a,4885 86b,4886 87 Abs. 1,4887 2,4888 3,4889 87a Abs. 3,4890 87c,4891 § 87c Abs. 2,4892 87d,4893 88a,4894 89,4895 89a4896 und 89b,4897 sowie §§ 90, 90a,4898 90b und 92c, nicht aber die §§ 91 und 91a sowie die sonstigen Vorschriften über die Provision und deren Abrechnung. Der Abschluss von Geschäften durch Kommissionsagenten soll der intensivst denkbaren 692 Vertriebsform entsprechen.4899 Er erfolgt zu den vom Unternehmer vorgegebenen Preisen, weil – ähnlich wie beim HV – kein Verbot der Preisbindung besteht.4900 Der Kommmissionsagent ist alleiniger Vertragspartner des Kunden (Abnehmers) mit allen sich daraus ergebenden Pflichten. Nur im Innenverhältnis entlastet ihn der Unternehmer meist von allen mit der Vertragserfüllung nach außen zusammenhängenden Aufgaben, z. B. Gewährleistung, Kundendienst. Er übernimmt ferner das Risiko für Absatz, Transport, Lagerhaltung, Gewährleistung. Das Absatzrisiko trifft den Kommissionsagenten bei Übernahme der Kosten durch den Unternehmer nicht.4901 Hierdurch gewinnt der Unternehmer einen durch eine erfolgsorientierte Provision (§ 396 Abs. 1) entlohnten, ständig beauftragten Absatzmittler mit der Stellung eines verdeckten Stellvertreters und braucht nicht selbst in direkte Vertragsbeziehungen zu dem Kunden zu treten.4902 Faktisch handelt es sich um eine Mischform zwischen HV und Vertragshändler.4903 4883 Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (63); Canaris § 16 Rn 12. 4884 BGH, Urt. v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056 (1059); Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (63); Ulmer/ Habersack ZHR 159 (1995), 109 (125 ff.); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 138. Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (63); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 138. Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (63); Canaris § 16 Rn 12. Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (63); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87 Rn 161. RG JW 1917, 157; Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (63); Canaris § 16 Rn 7. Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (63); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 138; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 103. 4890 Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (63); Canaris § 16 Rn 8; aA Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87a Rn 98. 4891 Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 55; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87c Rn 10b; Flohr/Wauschkuhn/ Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87c Rn 123 (jedenfalls Abs. 1). 4892 OLG München, Urt. v. 20.12.2017 – 7 U 260/17, IHR 2018, 123 (124). 4893 Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 (23); Canaris § 16 Rn 8; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87d Rn 29. 4894 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 88a Rn 35; Oetker/Busche § 88a Rn 17; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 88a Rn 8. 4895 RGZ 69, 363 (365); OLG München HVR Nr. 894; Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (63); Ebenroth S. 158; Küstner/ Thume/Thume III, Kap. 2 Rn 23; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87 Rn 163; Flohr/Wauschkuhn/ Wauschkuhn Vertriebsrecht2 § 89 Rn 154; Canaris § 16 Rn 9; Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 51; Hopt § 89 Rn 19; Oetker/ Busche § 89 Rn 26. 4896 RGZ 69, 363 (364 f.); Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (63); Canaris § 16 Rn 10. § 626 Abs. 2 BGB ist auch insoweit nicht anwendbar, es gilt die für HV maßgebliche Ausschlussfrist (Canaris § 16 Rn 10). 4897 BGH BB 1964, 823; OLG München, Urt. v. 20.12.2017 – 7 U 260/17, IHR 2018, 123; Canaris § 16 Rn 13; Flohr/ Wauschkuhn/Billing Vertriebsrecht2 Vor § 84 Rn 64; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 89b Rn 451; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 138; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer Vor § 84 Rn 11; Hopt § 84 Rn 19 (wie Hopt schreibt, noch eher als beim Vertragshändler); Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 20; wohl auch BGH BB 1964, 823. Die analogiebegründende Pflicht zur Offenlegung der Kundendaten ergibt sich zumindest aus § 384 Abs. 2 HGB (Canaris § 16 Rn 14). 4898 BGH NJW-RR 1987, 612 (613); OLG München BB 1963, 1194; Franke/Rohrßen IHR 2017, 62 (63); Canaris § 16 Rn 12; Flohr/Wauschkuhn/Spenner Vertriebsrecht2 § 90a Rn 64; Ebenroth/Löwisch3 § 90a Rn 47; Oetker/Busche § 90a Rn 46. 4899 OLG München, Urt. v. 20.12.2017 – 7 U 260/17, IHR 2018, 123 (124). 4900 Flohr/Wauschkuhn/Dau Vertriebsrecht2 Vorb § 383 HGB Rn 8. 4901 Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 (21). 4902 Martinek ZHR 161 (1997), 67 (76). 4903 Flohr/Wauschkuhn/Dau Vertriebsrecht2 Vorb § 383 HGB Rn 10.

4885 4886 4887 4888 4889

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2. Abgrenzung von anderen Vertriebsverträgen 693 Vom Vertragshändler und vom FN unterscheidet sich der Kommissionsagent insoweit, als dass er nicht für eigene, sondern für die Rechnung des Unternehmers tätig ist.4904 Es handelt sich auch um keinen Franchisevertrag, wenn der Mittler die Verkaufsgeschäfte auf Rechnung des Unternehmers führt und an ihrem wirtschaftlichen Erfolg allein mittels Provision teilnimmt.4905 Für einen Kommissionsagenten- und keinen HV-Vertrag spricht, falls: 694 – der Vertriebsmittler nicht berechtigt ist, ohne vorherige und für jeden Einzelfall zu erteilende schriftliche Zustimmung Erklärungen mit Wirkung für den Unternehmer abzugeben und vereinbart wurde, dass Forderungen gegen Kunden aus dem Verkauf von Waren als Forderungen des Unternehmers gelten und der Vertriebsmittler bereits im Rahmenvertrag sämtliche Forderungen aus dem Verkauf aller Waren an den Beklagten abtritt.4906 Denn weder wäre bei einem HV-Vertrag die Abtretungsregelung erforderlich, noch könnte der HV Erklärungen für den Unternehmer abgeben, wenn ihm dies untersagt ist. Dies soll auch dann gelten, wenn die Kassenbons Steuernummern des Unternehmers nennen, der Name des Mittlers dort nicht erscheint4907 und an der Eingangstür des Marktes ein Schild auf den Mittler als Inhaber hinweist.4908 – dass der Mittler eine Provision erhält, eine Gebühr für die Einbindung in das Vertriebssystem nicht zu entrichten hat und der Unternehmer die abzusetzenden Waren an den Mittler zwar liefert, nicht aber an ihn übereignet.4909 695 Der Umstand, wie der Mittler gegenüber Dritten, insb. gegenüber Kunden, auftritt, nämlich im eigenen oder im fremden Namen, soll unbedeutend sein.4910 Denn das Kundengeschäft bestimme nicht über den Inhalt des Vertriebsvertrages.4911 Die Kunden würden sich keine Gedanken darüber machen, ob der Mittler im eigenen oder fremden Namen handele.4912 Man wird aber wohl sagen können, dass eine im Einverständnis mit dem Unternehmer vorgenommene Ausführung solcher Kundengeschäfte u. U. zu einem stillschweigenden Abschluss eines HV-Vertrages oder zu einer Vertragsänderung führt, zumal sich der Mittler wegen der Vorteile des HV-Vertrages (geringeres Risiko, Ausgleichsberechtigung ohne Erfüllung der Analogievoraussetzungen) für den Vertragsschluss mglw. auf die Vermutung des § 151 BGB berufen kann. Ebenso irrelevant für die Einstufung als HV oder Kommissionsagent soll die Beschäftigung eigener oder fremder AN als Hilfspersonen sein. Auch ein HV darf nach seinem unternehmerischen Belieben selbstständige oder unselbstständige Untervertreter einsetzen.4913 Der Einstufung als Kommissionsagent steht auch nicht entgegen, wenn neben der Provision eine fixe Vergütung gezahlt wird. Dies ist auch bei dem HV nicht unüblich.4914

4904 BGH, Urt. v. 21.6.2016 – I ZR 229/15, NJW 2017, 475 m. Anm. Wauschkuhn; v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056; Flohr/Wauschkuhn/Billing Vertriebsrecht2 § 84 Rn 90.

4905 BGH, Urt. v. 21.6.2016 – I ZR 229/15, NJW 2017, 475 Rn 15 m. Anm. Wauschkuhn sowie Franke/Rohrßen IHR 2017, 62.

4906 BGH, Urt. v. 21.6.2016 – I ZR 229/15, NJW 2017, 475 Rn 11 m. Anm. Wauschkuhn. 4907 BGH, Urt. v. 21.6.2016 – I ZR 229/15, NJW 2017, 475 Rn 11 m. Anm. Wauschkuhn. 4908 BGH, Urt. v. 21.6.2016 – I ZR 229/15, NJW 2017, 475 Rn 11 m. Anm. Wauschkuhn; OLG Oldenburg, Urt. v. 27.10.2015 – 13 U 40/15, ZVertriebsR 2016, 182 Rn 21.

4909 BGH, Urt. v. 21.6.2016 – I ZR 229/15, NJW 2017, 475 Rn 14 m. Anm. Wauschkuhn sowie Franke/Rohrßen IHR 2017, 62; OLG München, Urt. v. 20.12.2017 – 7 U 260/17, IHR 2018, 123 (124). 4910 Zweifelhaft. 4911 BGH, Urt. v. 21.6.2016 – I ZR 229/15, NJW 2017, 475 Rn 22 m. Anm. Wauschkuhn sowie Franke/Rohrßen IHR 2017, 62. 4912 BGH, Urt. v. 21.6.2016 – I ZR 229/15, NJW 2017, 475 Rn 24 m. Anm. Wauschkuhn sowie Franke/Rohrßen IHR 2017, 62. 4913 OLG München, Urt. v. 20.12.2017 – 7 U 260/17, IHR 2018, 123 (124). 4914 OLG München, Urt. v. 20.12.2017 – 7 U 260/17, IHR 2018, 123 (124). Emde

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X. Handelsmakler Vom Handelsmäkler – zur Abgrenzung zum Zivilmakler siehe BGH DB 1982, 5904915 – unter- 696 scheidet sich der HV durch das Merkmal der ständigen Geschäftsvermittlung4916 (dazu Kommentierung zu § 84). „Gelegenheitsagenten“ sind daher Makler und nicht „freie Mitarbeiter“.4917 Die Wortwahl ist auch hier für die Abgrenzung unmaßgeblich.4918 Sind Mittler sowohl als HV wie als Handelsmäkler tätig (z. B. Exportvertreter, Linienvertreter und Schiffsmakler; Makleragent in der Versicherung4919), ist für das konkrete Einzelgeschäft zu prüfen, in welcher Funktion es vermittelt oder geschlossen wurde. Folgen ungenügender Trennung gehen im Zweifel zu Lasten des Mittlers, es sei denn, der Vertrag wurde vom Unternehmer formuliert. Neben solchen Zwillingserscheinungen gibt es Zwischenbildungen zwischen HV und Handelsmakler, bei denen von Fall zu Fall zu prüfen ist, welche Regeln aus dem Recht des einen oder des anderen zu der jeweils auftauchenden Frage die größere Sachnähe haben. Entscheidend ist allein der Tatbestand, nicht die von den Parteien verwendete Terminologie.4920 Wegen seiner Treupflichten gegenüber dem Unternehmer und der unausweichbaren Pflichtenkollision ist für den konkreten Geschäftsabschluss die Tätigkeit als HV der einen Partei bei gleichzeitiger Tätigkeit als Makler für die andere Partei unzulässig.4921 Handelsmakler können sich nicht auf die Rechte eines HV berufen, etwa Buchauszug oder Ausgleichsanspruch.

I. Gerichtliche Zuständigkeit und Auslegungsfragen I. Erfüllungs- und Leistungsort sowie Gerichtsstand des Erfüllungsortes Schrifttum Mankowski Commercial Agents under European jurisdiction rules, Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 ff.

Fraglich ist, wo bei Vertriebsmittlern der Erfüllungsort ihrer Leistungspflichten liegt.4922 Die 697 Antwort auf diese Frage hat auch Bedeutung für die gerichtliche Zuständigkeit in Vertriebsmittlerstreitigkeiten, insb. für die häufigen internationalen HV-Streitigkeiten.4923 Die RL regelt die Frage nicht ausdrücklich, so dass diesbezüglich klare Vorgaben fehlen.4924 698 Eine Regelung, derzufolge der Erfüllungsort generell am Sitz des HV liegen sollte, hat die Kommission zur Schaffung eines HGB abgelehnt.4925 Maßgeblich ist § 269 BGB. Leistungsort ist gem. § 269 BGB der Ort, an dem der Schuldner die Leistungshandlung vorzunehmen hat. Er wird in 4915 HV, tätig für Grundstücksmakler: nicht Untermakler, da dieser typmäßig nicht zum Tätigwerden verpflichtet. 4916 Zur Abgrenzung BGH BB 1982, 1877; NJW 1992, 2818 mit Anm. Dehner NJW 1993, 2225 (mit Indizien); Hopt § 84 Rn 20. 4917 AA Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 136. 4918 Hopt § 84 Rn 20. 4919 Bruck-Möller Vor § 43, 26. 4920 Siehe hierzu die Fälle OLG Bamberg MDR 1966, 56 (Möbelhaus bedient sich ein und desselben Mittlers für regelmäßig wiederkehrende Abschlüsse mit der Bundeswehr, aber ohne festen Dauerauftrag: Handelsmäkler trotz Bezeichnung als HV); OLG Stuttgart BB 1959, 537 (Auftrag zur Herstellung von Geschäftsverbindungen als einstweilen bloßer Rahmen für spätere Abschlüsse, mit Kontaktpflege und laufender Unterrichtung über neue Muster: Mäklervertrag). 4921 BGH, Urt. v. 23.11.1973 – IV ZR 34/73, NJW 1974, 137; Hopt § 84 Rn 20; vgl. auch OLG Bamberg MDR 1966, 55; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 135. 4922 Im Einzelnen Emde RIW 2003, 505. 4923 Analyse zum Fallmaterial bei Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 ff. 4924 Emde DStR 2009, 1478 (1485). 4925 9. Sitzung v. 30.11.1895, IX zu § 68 des Entwurfs. 423

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der juristischen Terminologie auch als Erfüllungsort bezeichnet4926 und bestimmt sich in erster Linie nach den Parteivereinbarungen,4927 sofern die Parteien als Kaufleute über den Erfüllungsort disponieren dürfen. Ohne Vereinbarung richtet er sich nach dem Gesetz. 699 Die h. A. verneint einen einheitlichen Erfüllungsort für die Pflichten beider Parteien aus einem Vertriebsvertrag.4928 Der Erfüllungsort für die Pflichten des HV und Unternehmers liegt nach dieser h. A. jeweils am Ort der gewerblichen Niederlassung des Schuldners zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses (§ 269 Abs. 2, 1 BGB).4929 Insbesondere BGH NJW 1988, 9664930 lehnte einen Erfüllungsortes am Sitz des HV ab und damit auch den dort belegenen Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO. Der BGH entschied durch den seinerzeit für das Vertriebsrecht zuständigen 1. Zivilsenat, der Gerichtsstand des Erfüllungsortes für die gegen einen portugiesischen Unternehmer gerichtete Informations-, Provisions- und Ausgleichsklage liege am Sitz des Unternehmers. Sämtliche geltend gemachten Ansprüche seien dort zu erfüllen. Der Umstand, dass der Schwerpunkt der vertraglichen Beziehungen am Vertriebsort liege, reiche nicht aus, jenen Ort als einheitlichen Erfüllungsort für die beiderseitigen Leistungen anzusehen. Auf diesen Schwerpunkt habe die Rechtsprechung lediglich bei der Frage abgestellt, welches materielle Recht nach dem hypothetischen Parteiwillen anzuwenden sei.4931 Gerade in Hinblick auf den gem. § 87c zu erteilenden Buchauszug könne nicht davon ausgegangen werden, dass dem Unternehmer generell die Leistung am Sitz des HV zumutbar sei. Der Unternehmer sei zur Erfüllung der Buchauszugsforderung in aller Regel auf die in seiner Niederlassung befindlichen Geschäftsunterlagen angewiesen und werde bestrebt sein, jenen Anspruch, der auch das Recht auf Einsicht in Geschäftsunterlagen einschließe (§ 87c Abs 4), an seinem Sitz zu erfüllen. Ob dieser Ansicht zugestimmt werden sollte, ist fraglich. Durchaus diskutiert werden könnte ein Einheitserfüllungsort am Sitz des Vertriebsmittlers.4932 Für innereuropäische Streitigkeiten hat diese Streitfrage, weil dort i. S. d. Einheitsgerichtsstandes entschieden, wegen Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO keinen hohen Stellenwert. Durchaus Bedeutung hat die h. M. aber für internationale, aber außereuropäische Streitigkeiten.

II. Erfüllungsort für die Pflichten des Vertriebsmittlers 700 Gem. § 269 Abs. 1 und 2 BGB ist Erfüllungsort für die Leistungen des Vertriebsmittlers grundsätzlich der Ort seiner gewerblichen Niederlassung zur Zeit der Begründung des Mittlervertrages,4933 und zwar unabhängig davon, ob dieser Ort im Vertriebsgebiet liegt4934 und wie viel der Mittler an andere Orte reist. Dies gilt insb. für die Herausgabe- und die Aufbewahrungspflicht und auch für den nur reisend tätigen Mittler. Sofern der Mittler keinen registerlichen Niederlassungsort oder keine gewerbliche Niederlassung hat, ist als Erfüllungsort der Ort anzusehen, an welchem er seinen geschäftlichen Mittelpunkt hat, wo er seine Geschäftsräume unterhält, wohin seine Geschäftsbriefe gehen, von wo er seine Reisen antritt und wohin er von ihnen zurückkehrt.4935 Jener Ort kann gelegentlich mit dem Niederlassungsort des Unternehmers zusammenfallen, ist aber grundsätzlich davon zu separieren. Dass aus der Natur des Schuldver4926 Palandt/Heinrichs § 269 Rn 1. 4927 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 22. 4928 OLG München, Urt. v. 29.4.2015 – 7 U 185/15 – inzident; OLG Karlsruhe IPRspr 1987, 112 a; LG München II IPRspr 1984, 142; Geimer IZPR3 Rn 1494 Fn. 574; Eberstein 8. Aufl. 1999, S. 144 Fn. 1; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 68. 4929 Hopt § 86 Rn 46. 4930 Kurze Zeit später bestätigt durch NJW 1988, 1466. 4931 BGHZ 53, 332 (337); Küstner/Thume Außendienstrecht III, 2. Aufl. 1998, Rn 2127 ff. 4932 Emde RIW 2003, 505. Für einen einheitlichen Erfüllungsort de lege ferenda auch Meyer ZVertriebsR 2017, 89 (93 f.). 4933 OLG Hamburg HVR Nr. 1221; Hopt § 86 Rn 46; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 51. 4934 Hopt § 86 Rn 46. 4935 MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene § 86 Rn 22. Emde

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hältnisses (§ 269 Abs. 1 BGB) zu folgern sei, der HV habe stets am Niederlassungsort des Unternehmers seine Vertragspflichten zu erfüllen, ist nicht anzuerkennen. Der Unternehmer setzt den HV oft gerade deshalb ein, weil er mit den Verhältnissen an dem von seinem Niederlassungsort entfernten Vertriebsort nicht vertraut ist. Insbesondere die Vermittlungs- und Abschlusspflicht ist nicht immer am Sitz der Kunden 701 zu erfüllen. Mittels moderner Kommunikationsmedien kann der HV auch von seinem Geschäftssitz aus erfüllen, etwa unter Zuhilfenahme von Telefon, Fernkopie und E-Mail. Deshalb ist heute eher davon auszugehen, dass der HV den Schwerpunkt seiner Vermittlungstätigkeit an seinem Sitz erbringt (siehe auch § 92c Rn 19 ff., 60 ff.). Zu einem Vertriebsvertrag zwischen einem deutschen Vertragshändler und einem italieni- 702 schen Hersteller entschied der Kassationshof4936 vor Geltung der EuGVVO,4937 Erfüllungsort für die Verpflichtung zur Übermittlung von Kaufaufträgen sei der Ort, an dem die Aufträge zur Kenntnis des Vertragspartners zu bringen seien (Art. 15 CISG). Werde diese Verpflichtung von einem deutschen Händler zu Gunsten einer italienischen Gesellschaft übernommen, bestehe gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ die Zuständigkeit der italienischen Gerichte betreffend einen Streit über eine Kündigung, welche in Folge der Verletzung dieser Verpflichtung erklärt wird. In einer Anmerkung zum Urteil referiert Braggion4938 die Grundsätze, nach denen italienische Gerichte ihre Zuständigkeit in Vertriebsmittlerstreitigkeiten prüfen. Offenbar teilt die italienische Praxis den Standpunkt der deutschen h. M., die im Vertriebsmittlerrecht einen Einheitserfüllungsort verneint. Für folgende Pflichten des Mittlers ist sein Sitz, mangels eines solchen sein geschäftlicher 703 Mittelpunkt,4939 bei Begründung des HV-Vertrages4940 Erfüllungsort: – Für die ihm obliegenden Pflichten;4941 – Für die Hauptpflicht der Vermittlung und des Abschlusses; – Für die Rückgabe von überlassenen Unterlagen nach Vertragsende oder Ablauf der Überlassungszeit;4942 – Für den Rückkauf des Warenlagers, etwa eines Vertragshändlers; – Für die Rückzahlung überzahlter Provisionen; – Für gegen den Vertriebsmittler gerichtete Schadenersatzforderungen; – Für die Übergabe der gem. § 86a Abs. 1 geschuldeten Unterlagen als Hilfsmittel des HV abweichend von § 269 BGB4943 nicht der Tätigkeitsort. Die Pflicht ist eine Bringschuld des Unternehmers.

III. Erfüllungsort für die Pflichten des Unternehmers Nach h. A. liegt der Erfüllungsort für Leistungen des Unternehmers an dessen Sitz. Getrennte 704 Erfüllungsorte für die beiderseitigen Verpflichtungen aus dem HV-Vertrag bestehen nur, wenn aus den Umständen, namentlich aus der Natur des Schuldverhältnisses, nichts Abweichendes zu entnehmen ist (§ 269 Abs. 1 BGB). Davon ist jedoch beim Vertriebsvertrag auszugehen. Der Erfüllungsort für Pflichten des Unternehmers liegt nach herrschender Meinung beispielsweise für folgende Pflichten an seinem Sitz: 4936 Urt. v. 10.3.2000, RIW 2001, 308. 4937 Auch jetzt könnte nach den Maßstäben dieses Urteils ein konkurrierender Gerichtsstand zum Einheitsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO gefunden werden. RIW 2001, 309. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 6; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene § 86 Rn 22. Hopt § 86 Rn 46; MünchKomm HGB/von Hoyningen-Huene § 86 Rn 22. Hopt § 86 Rn 46. OLG München BB 1999, 2320; Küstner/Thume/Thume I4 Kap. IV Rn 16, 25; Westphal I Rn 383; Hopt § 86a Rn 6. Küstner/Thume/Thume I4 Kap. IV Rn 16; Westphal I Rn 383.

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– Ausgleichsanspruch;4944 – Vertragsdokumentation nach § 85; – Informationspflichten nach § 86a Abs. 2;4945 – Auskunftspflicht nach § 87c;4946 – Buchauszug;4947 – Provisionszahlungspflicht;4948 – Schadenersatzzahlungen des Unternehmers. 705 Auch der Streit um die Wirksamkeit der Kündigung dürfte am Sitz des Unternehmers auszutragen sein. Denn die Entscheidung über die Vertragsfortsetzung ist dort zu treffen. Eine Gegenansicht ist vertretbar, weil der Mittler die Hauptpflicht erfüllt und die Kündigung dem Mittler an seinem Sitz zur Kenntnis gelangen muss.

IV. Einheitserfüllungsort nach Art. 7 Nr. 1 lit b. EuGVVO 706 Die VO (EG) Nr. 44/2001 (Brüssel I-VO oder EuGVVO) des Rates v. 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen,4949 die seit dem 1.3.2002 in Kraft ist und durch die VO 1215/12 v. 12.12.2012 (Brüssel Ia-VO)4950 (in Kraft seit 12.1.2015) novelliert wurde, hat innerhalb ihres Anwendungsbereichs die Stellung der Mittler entscheidend gestärkt. Die Anwendbarkeit der EuGVVO setzt die Erfüllung der zuständigkeitsbegründenden Merkmale des Art. 4 EuGVVO voraus. Im Grundsatz ist dazu ein Sitz des Beklagten in der EU erforderlich.4951 Hat der Beklagte keinen Wohnsitz innerhalb der EU und auch Dänemarks,4952 bestimmt sich die Zuständigkeit der Gerichte gem. Art. 6 EuGVVO nach dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedsstaates, in Deutschland also nach der ZPO,4953 im Falle des Wohnsitzes des Beklagten in den EFTA-Staaten Island, Norwegen und der Schweiz nach dem LugÜ.4954 Die örtliche Zuständigkeit indiziert dann die internationale.4955 Die EuGVVO ist jedoch nach h. M. auch für Klage eines in einem Drittstaat ansässigen Klägers gegen einen in einem Mitgliedstaat ansässigen Beklagten anwendbar. Art. 18 Abs. 1, 21, Abs. 2, 24 und 25 EuGVVO sind unabhängig von dem Wohnsitz der Parteien anwendbar, d. h. auch dann, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz außerhalb der EU hat. Besonders relevant ist Art. 25 EuGVVO über die freie Wahl des Gerichtsstandes.4956 4944 BGH NJW 1988, 966; zu dem Mangel europarechtlicher Vorgaben Emde DStR 2009, 1478 (1485). 4945 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 51. Dieser Erfüllungsort widerspricht der allgemeinen Regel, nach der der Erfüllungsort von Auskunftspflichten an den Erfüllungsort der Hauptpflicht angeknüpft wird (BGH, Urt. v. 12.6.2007 – XI ZR 290/06, ZIP 2007, 1676 (1679); BGHZ 151, 5 (9) = ZIP 2002, 1238 (1239); v. 30.9.1976 – II ZR 107/74, WM 1976, 1230 (1232). Hauptpflicht ist aber die am Sitz des HV zu erfüllende Vertriebspflicht. 4946 BGH NJW 1988, 966; OLG Celle, Urt. v. 29.11.2001 – 11 U 344/00. 4947 BGH NJW 1988, 966 (967); OLG München, Urt. v. 29.4.2015 – 7 U 185/15 – inzident; LG Hannover, Urt. v. 26.1.2004 – 21 O 159/03; Harten ZVertriebsR 2015, 288 (289); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87c Rn 45; aA wohl OLG Hamburg, Beschl. v. 5.4.2005 – 6 W 15/05, S. 4, n. v. 4948 BGH NJW 1988, 966; 1466; OLG Celle, Urt. v. 29.11.2001 – 11 U 344/00; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 16; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 43b. 4949 ABl.(EG) L 12 v. 16.1.2001, S. 1. 4950 ABl. (EU) L 351/1 v. 20.12.2012, S. 1. 4951 EuGH, Urt. v. 19.12.2013 – C-9/12, ZVertriebsR 2014, 118 = EuZW 2014, 181 Rn 22; OLG München, Urt. v. 29.4.2015 – 7 U 185/15; OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11; Reinmüller IHR 2015, 1 (3); Hau ZVertriebsR 2014, 79; Baumbach/Hartmann ZPO, EuGVVO Übers. Rn 3; Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (43). 4952 OLG Hamburg, Beschl. v. 13.12.2018 – 6 W 36/18, ZVertriebsR 2019, 132 Rn 20; Reinmüller IHR 2015, 1: Dänemark lässt sich wie ein Mitglied behandeln. 4953 OLG München, Urt. v. 29.4.2015 – 7 U 185/15; OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11. 4954 Reinmüller IHR 2015, 1; Hau ZVertriebsR 2014, 79. 4955 OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11. 4956 Reinmüller IHR 2015, 1 (3 f.). Emde

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Sofern die EuGVVO anwendbar ist, haben ihre Vorschriften grds. Vorrang vor den innerstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften, falls ein Rechtsstreit mit Auslandsbezug in den materiellen Anwendungsbereich der EuGVVO fällt.4957 Gem. Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO dürfen Personen, welche ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates haben, am Erfüllungsort der vertraglichen Verpflichtung verklagt werden. Nach Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO gilt als Erfüllungsort für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedsstaat, an welchem die Dienstleistungen nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Anders als unter Geltung des Art. 5 Nr. 1 LugÜ/EuGVÜ ist der Begriff des Erfüllungsortes 707 nach Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO autonom4958 und weit4959 anhand der vertragscharakteristischen Leistung4960 sowie der Legaldefinition der EuGVVO einzuordnen. Er ist also nicht mehr aus geltendem nationalen Rechts (in Deutschland: § 269 BGB und der dazu vertretenen oben dargestellten h. M.), sondern allein aus Sinn und Zweck der EuGVVO zu entwickeln. Dabei ist, wie der BGH4961 entschied, ein einheitlicher Erfüllungsort am Schwerpunkt des Vertrages zu bestimmen, um dem Zweck der EuGVVO entgegenzukommen, alle Streitigkeiten an einem Ort zu konzentrieren. Bei einem HV-Vertrag erbringt der HV die vertragscharakteristische Leistung und Dienstleistung i. S. d. Art. 7 Nr. 1 lit. b 2. EuGVVO,4962 bei einem Vertragshändlervertrag der Händler4963 und bei einem Franchisevertrag der FN.4964 Es kommt also darauf an, wo der HV erfüllt. Der Einheitserfüllungsort soll nur maßgeblich sein, wenn der Erfüllungsort in einem anderen Staat als der allgemeine Gerichtsstand des Mittlers liegt.4965 Dieser „Gerichtsstand des „Dienstleistungsortes“ gilt nach der EuGVVO für alle An- 708 sprüche aus dem Vertrag,4966 ungeachtet ihrer Art und der Art des Vertriebsvertrages, und zwar – obwohl kein einziger Typus eines Vertriebsvertrags in Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO ausdrücklich genannt wird – etwa für HV-,4967 Vertragshändler-,4968 insb. Alleinvertriebs-,4969 4957 EuGH, Urt. v. 19.12.2013 – C-9/12, ZVertriebsR 2014, 118 = EuZW 2014, 181 Rn 22. 4958 EuGH, Urt. v. 19.12.2013 – C-9/12, ZVertriebsR 2014, 118 = EuZW 2014, 181 Rn 32; EuZW 1999, 727; BGH, Urt. v. 2.3.2006 – IX ZR 15/05, NJW 2006, 1806; Musielak/Weth ZPO3 VO (EG) Nr. 44/2001, Art. 5 Rn 7; Thomas/Putzo ZPO, 24. Aufl., EuGVVO, Art. 5 Rn 8. 4959 BGH NJW 1994, 262; Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (28). 4960 EuGH, Urt. v. 19.12.2013 – C-9/12, ZVertriebsR 2014, 118 (120) = EuZW 2014, 181 Rn 34; v. 25.2.2010 – C-381/08, Slg. 2010, I-1255 Rn 31 f.; Nagel/Gottwald IZPR, 5. Aufl. 2002, § 3 Rn 49. 4961 BGH, Urt. v. 2.3.2006 – IX ZR 15/05, RIW 2006, 861 (863) zu einem Anwaltsvertrag. 4962 EuGH, Urt. v. 11.3.2010 – C-19/09, NJW 2010, 1189 Rn 34 = EWiR 2010, 355 (Mankowski). 4963 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C 64/17, BB 2018, 776 m. Anm. Fabig = EWiR 2018, 381 (Mankowski) – Saey Home & Garden; Französischer Kassationsgerichtshof, 1. Kammer f. Zivilsachen, Urt. v. 19.11.2014 – 13-13405, ZVertriebsR 2015, 132. 4964 BG Neusiedel (Österreich) v. 19.3.2009 – 6 C 1136/08g, zit. nach Petsche/Lager/KutscheZVertriebsR 2013, 202. 4965 Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (29); Hopt/Tzouganatos/Mankowski 131 (138). 4966 EuGH, Urt. v. 11.3.2010 – C-19/09, NJW 2010, 1189 = EWiR 2010, 355 (Mankowski); Thume IHR 2018, 231 (234). 4967 EuGH, Urt. v. 11.3.2010 – C-19/09, NJW 2010, 1189 = EWiR 2010, 355 (Mankowski); BGH, Urt. v. 15.12.2016 – VII ZR 221/15, WM 2017, 728 = VersR 2017, 1526 Rn 32; Thume IHR 2018, 231 (233); Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (29); Flohr/Wauschkuhn/Salger Vertriebsrecht2 Art. 7 EuGVVO Rn 8; Cour de cassation, Chambre commerciale, Urt. v. 6.10.2015 – Pourvoi Nr. 13 – 18.704, ZVertriebsR 2016, 62. 4968 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 m. Anm. Fabig = EWiR 2018, 381 (Mankowski) – Saey Home & Garden; Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO begründet, so EuGH, Urt. v. 19.12.2013 – C-9/12, ZVertriebsR 2014, 118 = EuZW 2014, 181, einen Gerichtsstand für einen Vertragshändler, sofern der zwischen den Parteien bestehende Vertrag besondere Klauseln über den Vertrieb der vom Händler verkauften Waren enthält. Es obliegt dem nationalen Gericht, zu prüfen, ob dies der Fall ist. Ebenso LG Stade, Urt. v. 25.10.2012 – 8 O 2/12; Thume IHR 2018, 231 (234); Niebling WRP 2009, 153 (158); Hau ZVertriebsR 2014, 79 (80); Flohr/Wauschkuhn/Salger Vertriebsrecht2 Art. 7 EuGVVO Rn 9; in Frankreich Kassationsgerichtshof, 1. Kammer f. Zivilsachen, Urt. v. 19.11.2014 – 13-13405, ZVertriebsR 2015, 132; aA Niebling WRP 2010, 1454 (1459); Flohr/Wauschkuhn/Salger Vertriebsrecht2 Art. 7 EuGVVO Rn 9 für die Ansprüche aus den in Ausführung des Vertragshändlervertrages geschlossenen Kaufverträge. 4969 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 41 m. Anm. Fabig – Saey Home & Garden. 427

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Franchise-4970 (einschließlich der Lizenzabreden des Franchisevertrages4971) oder Kommissionsagentenverträge.4972 Der VO-Geber hat mithin zum Zwecke der Gerichtsstandsbestimmung einen einheitlichen Erfüllungsort für Prozesse um alle Vertragspflichten postuliert.4973 Der Begriff der Dienstleistung wurde in der EuGVVO nicht definiert.4974 Nach Art. 57 AEUV sind „Dienstleistungen“ solche Leistungen, die i. d. R. gegen Entgelt erbracht werden,4975 insb. gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeiten. Gem. Art. 57 Abs. 2 lit. d AEUV zählen hierzu insb. freiberufliche Tätigkeiten. Gerade kaufmännische Tätigkeiten können Dienstleistungen i. S. d. Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO darstellen.4976 Die Definition dieses Art. kann bei der Bestimmung des Begriffs „Dienstleistung“ i. S. d. EuGVVO herangezogen werden4977 und sie spricht dafür, dass Vertriebsverträge Verträge über Dienstleistungen i. d. S. sind. Die Erbringung von Dienstleistungen erfordert die Vornahme positiver Handlungen und schließt Unterlassungen aus.4978 Insb. Geschäftsbesorgungsverträge bilden Verträge über Dienstleistungen.4979 Als Dienstvertrag über eine Geschäftsbesorgung ist deshalb der Vertriebsvertrag ein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen.4980 Erwägungsgrund 17 Rom I-VO bestimmt zudem, dass Franchiseverträge und Vertriebsverträge Dienstleistungsverträge darstellen. 709 Entgelt muss nicht im engen Sinne als Zahlung eines Geldbetrages zu verstehen sein.4981 Bei einem Vertriebsvertrag genügt, das der Vertriebsmittler durch die Gewährleistung des Vertriebs der Erzeugnisse an der Förderung der Verbreitung dieser Erzeugnisse mitwirkt.4982 Ferner der dem Händler aufgrund des Vertrags verschaffte Wettbewerbsvorteil eines völligen oder nahezu völligen Alleinvertriebs der Erzeugnisse des Lizenzgebers auf einem bestimmten Markt4983 oder eine dem Händler zustehende Beschaffungsgarantie und Beteiligung an der Geschäftsstrategie des Unternehmers, insb. an Aktionen zur Absatzförderung.4984 Hierdurch ist z. B. ein Vertragshändler in der Lage, den Kunden Dienstleistungen und Vorteile zu bieten, die ein einfacher Wiederverkäufer nicht bieten kann, und somit die Erzeugnisse des Unternehmers einen größe4970 BG Neusiedel (Österreich) v. 19.3.2009 – 6 C 1136/08g, zit. nach Petsche/Lager/KutscheZVertriebsR 2013, 202; Flohr/Wauschkuhn/Salger Vertriebsrecht2 Art. 7 EuGVVO Rn 10; Thume IHR 2018, 231 (234). Der Gerichtsstand gilt aber auch hier nicht für Streitigkeiten aus den einzelnen Lieferungen des FG, siehe Flohr/Wauschkuhn/Salger Vertriebsrecht2 Art. 7 EuGVVO Rn 10. 4971 Flohr/Wauschkuhn/Salger Vertriebsrecht2 Art. 7 EuGVVO Rn 11. 4972 Thume IHR 2018, 231 (234); Flohr/Wauschkuhn/Salger Vertriebsrecht2 Art. 7 EuGVVO Rn 12. 4973 BGH, Urt. v. 2.3.2006 – IX ZR 15/05, NJW 2006, 1806; ÖstOGH v. 2.9.2003, JBl 2004, 186 (187); Hopt/Tzouganatos/Mankowski 131 (139); Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (29). 4974 BGH, Urt. v. 2.3.2006 – IX ZR 15/05, NJW 2006, 1806. 4975 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 38 m. Anm. Fabig = EWiR 2018, 381 (Mankowski) – Saey Home & Garden; v. 14.7.2016 – C-196/15, BB 2016, 1934 = NJW 2016, 3087 = ZVertriebsR 2017, 60 m. Anm. KutscherPuis Rn 37. 4976 Micklitz/Rott EuZW 2001, 325 (328); Thomas/Putzo Art. 5 EuGVVO, Rn 8; Musielak/Weth Art. 5 Rn 7. 4977 BGH, Urt. v. 2.3.2006 – VIIII ZR 15/05, NJW 2006, 1806; OLG Düsseldorf, Hinweisbeschl. v. 26.7.2007 – 16 U 203/06, BeckRS 2007, 13992; BGH NJW 2006, 1806; OLG Saarbrücken NJOZ 2007, 709 (713); i. E. EuGH, Urt. v. 19.12.2013 – C-9/12, ZVertriebsR 2014, 118 (120) = EuZW 2014, 181 Rn 37. 4978 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 39 m. Anm. Fabig = EWiR 2018, 381 (Mankowski) – Saey Home & Garden; v. 19.12.2013 – C-9/12, ZVertriebsR 2014, 118 (120) = EuZW 2014, 181 Rn 38. 4979 Nagel/Gottwald IZPR, 5. Aufl. 2002, § 3 Rn 48. 4980 OLG Düsseldorf, Hinweisbeschl. v. 26.7.2007 – 16 U 203/06, BeckRS 2007, 13992 (aA Vorinstanz LG Düsseldorf, Urt. v. 26.9.2006 – 14c 236/05); OLG Saarbrücken NJOZ 2007, 709 (713); Emde RIW 2003, 505; Flohr/Wauschkuhn/ Salger Vertriebsrecht2 Art. 7 EuGVVO Rn 3. 4981 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 39 m. Anm. Fabig = EWiR 2018, 381 (Mankowski) – Saey Home & Garden; v. 19.12.2013 – C-9/12, ZVertriebsR 2014, 118 (120) = EuZW 2014, 181 Rn 39. 4982 EuGH, Urt. v. 19.12.2013 – C-9/12, ZVertriebsR 2014, 118 (120) = EuZW 2014, 181 Rn 38. 4983 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 39 m. Anm. Fabig – Saey Home & Garden. 4984 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 39 m. Anm. Fabig = EWiR 2018, 381 (Mankowski) – Saey Home & Garden. Emde

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ren Anteil am lokalen Markt zu erobern.4985 Es genügt also, dass dem Händler durch den Vertragsschluss ein Wettbewerbsvorteil verschafft wird, weil dieses Recht nur einer beschränkten Zahl von Vertriebshändlern zustehen wird.4986 Eine entgeltliche Tätigkeit kann auch vorliegen, weil der Unternehmer Hilfe in Form von Werbematerial, Know-How, Fortbildungsmaßnahmen oder Zahlungserleichterungen gewährt.4987 Die Summe dieser Vorteile kann als Entgelt des Händlers angesehen werden.4988 Die Feststellung ihres Vorliegens fällt in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts.4989 Angesichts dieses Gerichtsstandes sowie des Umstandes, dass bei Fehlen einer Regelung 710 das Recht am Vertriebsort gilt, ist es für deutsche Mittler bei Vertragsschluss mit einem ausländischen Unternehmer oft günstiger, auf einen schriftlichen Vertrag zu verzichten, als den vom Unternehmer gestellten schriftlichen Vertrag zu akzeptieren, welcher meist dem Recht und Gerichtsstand am Sitz des Unternehmers unterstellt wird. Durch den Einheitsgerichtsstand soll eine Konzentration aller Streitigkeiten aus einem 711 Vertrag bei dem Gericht des Erfüllungsortes erreicht werden, was deshalb sinnvoll ist, weil selbst Auseinandersetzungen über Nebenpunkte regelmäßig aus Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung der Hauptleistung resultieren.4990 Der Gerichtsstand gilt nicht nur Verfahren um die Erbringung der Dienste selbst (beim HV: um die Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit), sondern z. B. auch um (Gegen-)Ansprüche4991 und Zahlungsverpflichtungen des Unternehmers als Dienstleistungsgläubiger,4992 für negative Festellungs-,4993 Provisions- und Ausgleichsklagen,4994 Nebenansprüche,4995 etwa Informationsansprüche,4996 sowie für Klagen aus einem Vergleich zwischen den Parteien.4997 Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO ist gegenüber Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO spezieller.4998 Art. 7 Nr. 1 712 lit. b EuGVVO ist auch anwendbar, falls mit der Klage gleichzeitig mehrere Ansprüche, etwa Informations- und Ausgleichsansprüche in Form der Stufenklage, geltend gemacht werden.4999 Das geschieht häufig, denn die Buchauszugsklage wird meist – schon zum Zwecke der Verjäh4985 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 39 m. Anm. Fabig = EWiR 2018, 381 (Mankowski) – Saey Home & Garden; v. 19.12.2013 – C-9/12, ZVertriebsR 2014, 118 (120) = EuZW 2014, 181 Rn 38. 4986 EuGH, Urt. v. 14.7.2016 – C-196/15, BB 2016, 1934 = NJW 2016, 3087 = ZVertriebsR 2017, 60 m. Anm. KutscherPuis Rn 41. 4987 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 40 m. Anm. Fabig = EWiR 2018, 381 (Mankowski) – Saey Home & Garden; v. 14.7.2016 – C-196/15, BB 2016, 1934 = NJW 2016, 3087 = ZVertriebsR 2017, 60 m. Anm. KutscherPuis Rn 41. 4988 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 40 m. Anm. Fabig = EWiR 2018, 381 (Mankowski) – Saey Home & Garden. 4989 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 39 m. Anm. Fabig = EWiR 2018, 381 (Mankowski) – Saey Home & Garden. 4990 Micklitz/Rott EuZW 2001, 325 (328); Musielak/Weth Art. 5 Rn 7. 4991 Thume IHR 2018, 231 (234). 4992 BT-Drucks. 534/99 v. 23.9.1999 zum Vorschlag einer VO (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, S. 14; Thume IHR 2018, 231 (234); Micklitz/Rott EuZW 2001, 325 (328); Musielak/Weth Art. 5 Rn 7; Thomas/Putzo Art. 5 Rn 10; zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ bei Arbeitsverträgen auch EuGH, NJW 2003, 2224. 4993 OLG Bamberg, Urt. v. 24.4.2013 – 3 O 198/12, ZVertriebsR 2014, 121 (m. krit. Anm. Hau ZVertriebsR 2014, 79); Thume IHR 2018, 231 (234); Hau ZVertriebsR 2014, 79 (81). 4994 OLG Oldenburg, Urt. v. 25.2.2014 – 13 U 86/13, IHR 2014, 112 = BeckRS 2014, 05367; Emde RIW 2003, 505 (508); obiter LG Köln, Urt. v. 19.9.2002 – 83 O 53/01, n. v.; Hopt/Tzouganatos/Mankowski 131 (137) m. w. N.; Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (30); Hollander TBH 2000, 175 (178). 4995 OLG Oldenburg, Urt. v. 25.2.2014 – 13 U 86/13, IHR 2014, 112 = BeckRS 2014, 05367. 4996 OLG Oldenburg, Urt. v. 25.2.2014 – 13 U 86/13, IHR 2014, 112 = BeckRS 2014, 05367. 4997 OLG Koblenz, Urt. v. 13.3.2008 – 6 U 747/08; IHR 2008, 198 (200); Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (31). 4998 EuGH, Urt. v. 19.12.2013 – C-9/12, ZVertriebsR 2014, 118 (120) = EuZW 2014, 181 Rn 42. 4999 Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 5 Rn 10. 429

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rungsunterbrechung – als Stufenklage (§ 254 ZPO) erhoben, verbunden mit einer Provisionsoder Ausgleichsklage.5000 713 Der Gerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO ist schwer zu bestimmen, wenn der HV nach dem Vertrag in mehreren Staaten tätig sein soll.5001 Hier gibt es vier Lösungsmöglichkeiten5002: 1. Die erste Möglichkeit ist, nach einem relativen Schwerpunkt, also nach dem relativ gewichtigsten Tätigkeitsort zu suchen.5003 Dies ist grds. der Ort, zu dem der Streitgegenstand die engste Verknüpfung aufweist.5004 Das ist die Ansicht des EuGH5005 sowie des BGH5006 (die allerdings nicht den unten favorisierten 4. Lösungsweg als Vermutung ausschließt). Maßgeblich ist der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung, welche nach dem Vertragsinhalt zu bestimmen ist.5007 Bei einem Vertriebsmittler ist dies im allg. der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung.5008 Werden alle Leistungen des HV an dessen Sitz in Frankreich erbracht, so ist die gerichtliche Zuständigkeit Frankreichs gegeben.5009 Erfolgt der Vertrieb durch Außendienstmitarbeiter vor Ort im Land des Alleinvertriebs, dürfte dort der Schwerpunkt der erbrachten Leistung liegen und damit der Erfüllungsort.5010 Beschränkt sich der Vertriebsmittler auf Anrufe und fernschriftliche Werbung, so dürfte der Erfüllungsort am Sitz des Vertriebsmittlers liegen.5011 Die Vereinbarung eines Alleinvertriebsrechts allein reicht wohl nicht, um einen Schwerpunkt im Vertriebsgebiet zu begründen.5012 Sofern der Vertrieb ausschließlich oder überwiegend an einem anderen Ort stattfindet, kann jedoch der Erfüllungsgerichtsort dort belegen sein.5013 Kann der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung nicht anhand des Vertrags ermittelt werden, weil er entweder mehrere Erbringungsorte oder ausdrücklich gar keinen bestimmten Erbringungsort vorsieht, hat der HV aber bereits solche Leistungen erbracht, so ist hilfsweise der Ort heranzuziehen, an dem er seine Tätigkeiten zur Erfüllung des Vertrags tatsächlich überwie-

5000 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.10.2012 – I-16 U 150/11, ZVertriebsR 2013, 53 m. Anm. Semler = BeckRS 2012, 22930; Westphal I Rn 1338; Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 16; Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 84; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87c Rn 50. 5001 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 44 m. Anm. Fabig – Saey Home & Garden. 5002 Eingehend Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (31 ff.); Hopt/Tzouganatos/ Mankowski 139 ff. 5003 OLG Koblenz, Urt. v. 13.3.2008 – 6 U 747/08; IHR 2008, 198; OLG Düsseldorf NJW-RR 2008, 223; OLG Düsseldorf, Hinweisbeschl. v. 26.7.2007 – 16 U 203/06, BeckRS 2007, 13992; Thume IHR 2018, 231 (234); Hau ZVertriebsR 2014, 79 (81); Magnus IHR 2002, 45 (49); Niebling WRP 2009, 153 (158); MünchKommZPO/Gottwald Art. 5 EuGVVO Rn 8; Geimer/Schütze Art. 5 EuGVVO Rn 87. Ebenso Schweizer BG, Urt. v. 15.7.2014 – 4 A 113/14, IHR 2015, 37 zu Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich LugÜ. 5004 OLG Düsseldorf, Hinweisbeschl. v. 26.7.2007 – 16 U 203/06, BeckRS 2007, 13992; BGH NJW 2006, 1806; OLG Saarbrücken NJOZ 2007, 709 (713). 5005 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, ZIP 2018, 1754 = BB 2018, 776 m. Anm. Fabig = EWiR 2018, 381 (Mankowski); v. 11.3.2010 – C-19/09, NJW 2010, 1189 Rn 33 = EWiR 2010, 355 (Mankowski): Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung, wie er sich aus den Bestimmungen des Vertrags ergibt. 5006 BGH, Urt. v. 2.3.2006 – IX ZR 15/05, RIW 2006, 861 (863) zu einem Anwaltsvertrag. 5007 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, ZIP 2018, 1754 = BB 2018, 776 = EWiR 2018, 381 (Mankowski); v. 11.3.2010 – C-19/09, NJW 2010, 1189 Rn 38 = EWiR 2010, 355 (Mankowski); BGH, Urt. v. 15.12.2016 – VII ZR 221/15, WM 2017, 728 = VersR 2017, 1526 Rn 33 – HV-Vertrag; Cour de cassation, Chambre commerciale, Urt. v. 6.10.2015 – Pourvoi Nr. 13 – 18.704, ZVertriebsR 2016, 62. 5008 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 44 m. Anm. Fabig = EWiR 2018, 381 (Mankowski) – Saey Home & Garden; Thume IHR 2018, 231 (234). 5009 Cour de cassation, Chambre commerciale, Urt. v. 6.10.2015 – Pourvoi Nr. 13 – 18.704, ZVertriebsR 2016, 62. 5010 Fabig BB 2018, 780. 5011 Fabig BB 2018, 780. 5012 Fabig BB 2018, 780. 5013 Fabig BB 2018, 780. Emde

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gend vorgenommen hat,5014 vorausgesetzt, die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort widerspricht nicht dem Parteiwillen, wie er sich aus den Vertragsbestimmungen ergibt. Dabei können tatsächliche Aspekte, insb. die an diesen Orten aufgewendete Zeit und die Bedeutung der dort ausgeübten Tätigkeit, berücksichtigt werden. Es ist Sache des nationalen Gerichts, anhand der ihm vorgelegten Beweismittel über seine Zuständigkeit zu befinden.5015 Lässt sich auf diese Weise kein Schwerpunkt ermitteln, ist nach dem EuGH gem. Ziff. 4 zu verfahren. Die hier zu Ziff. 1 wiedergegebene Ansicht führt zu schwierigen Abwägungsproblemen5016 und Gewichtungsfragen (insb. bei der Bestimmung des Maßstabes (Einkaufs- oder Verkaufspreis [welcher Kunden?], Umsatz oder Provision,5017 Arbeitszeit,5018 sowie bei Beteiligung mehrerer Länder).5019 Richtigerweise dürfte auf den Ort abzustellen sein, an welchem die meisten Vermittlungstätigkeiten (Organisations-, Betreuungs- und Abwicklungstätigkeiten5020) erbracht werden, also die Niederlassung des HV.5021 Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich jedoch auch bei anderen Lösungswegen. Die nächste Variante besteht darin, jeden Tätigkeitsort für relevant zu halten (wobei auf die Vermittlungshandlungen aus dem Vermittlervertrag, und nicht auf die Erfüllungshandlungen des Kundengeschäfts abzustellen ist5022) und zum Erfüllungsort zu erheben. Damit multiplizieren sich jedoch die Gerichtsorte;5023 ein unbedeutender Erfüllungsort könnte zum Gerichtsstand werden.5024 Eine Untergruppe sieht dieses Forum nicht als Einheitsgerichtsstand für alle Ansprüche aus dem Vertrag, sondern nur für die am Gerichtsort erfüllten.5025 Aber die Rechtsstreitigkeiten könnten zu divergierenden Ergebnissen führen; die Abgrenzung der Vergütungs- und Ausgleichsbeiträge ist kaum handhabbar.5026 Eine einheitliche Billigkeitsabwägung scheidet aus, das Billigkeitsergebnis könnte verfälscht werden. Die Lösung wäre ferner unter dem Aspekt des Einheitsgerichtsstands konzeptwidrig.5027 Man könnte auch die Ermittelbarkeit des Erfüllungsortes verneinen5028 und über lit. c auf lit. a des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO zurückfallen. Damit gäbe man den Einheitsgerichtsstand auf.5029 Die vierte Variante läuft auf eine Vermutung hinaus. Unter ihr würde man den Erfüllungsort der Leistung vermutungsweise mit der (Haupt)Niederlassung des HV bzw. bei Einzelperso-

5014 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, ZIP 2018, 1754 = BB 2018, 776 = EWiR 2018, 381 (Mankowski); Cour de cassation, Chambre commerciale, Urt. v. 6.10.2015 – Pourvoi Nr. 13 – 18.704, ZVertriebsR 2016, 62. EuGH, Urt. v. 11.3.2010 – C-19/09, NJW 2010, 1189 Rn 40 = EWiR 2010, 355 (Mankowski). Hopt/Tzouganatos/Mankowski 139. Ablehnend Mankowski EWiR 2010, 356. Dafür Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (33) jedoch mit Hinweis auf den zweifelhaften Beweiswert der Aufzeichnungen des Mittlers (S. 34). 5019 Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (33). 5020 Mankowski EWiR 2010, 356. 5021 Mankowski EWiR 2010, 356. 5022 Vgl. Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (44). 5023 Hopt/Tzouganatos/Mankowski 140. 5024 Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (35). 5025 Mumelter Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Europäischen Zivilprozeßrecht, Wien/Graz 2007, 175; Czernich in: Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, Wien 2003, Art. 5 EuGVVO Rn 15; weitere Nachweise bei Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (38). 5026 Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (39). 5027 Hopt/Tzouganatos/Mankowski 140; Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (35). 5028 Dahingend Leiple in: Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, 2004, Art. 5 Brüssel I-VO Rn 55. 5029 Hopt/Tzouganatos/Mankowski 140; Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (36, 39).

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nen mit deren gewöhnlichem Aufenthaltsort gleichsetzen.5030 Der EuGH,5031 der diese Anknüpfung als Hilfanknüpfung bei Fehlschlagen der Bestimmung nach Ziff. 1 nennt, stellt auf den Wohnort ab. Dies soll der Vorhersehbarkeit und der räumlichen Nähe Rechnung tragen.5032 Sachgerechter ist der Geschäfts- oder Niederlassungsort. Diese Hilfsanknüpfung ist nach Auffassung von Mankowski5033 umso systemgerechter, wenn man das IPR-Pendant für Vertriebsverträge aus Art. 4 Abs. 1 lit. f Rom I-VO einbezieht. Dort ist der gewöhnliche Aufenthalt nach Art. 19 Rom I-VO des Vertriebshändlers für die objektive Anknüpfung bei Fehlen einer Rechtswahl entscheidend. Meist dürften beide Orte identisch sein. Immerhin dürfte dort ein großer Teil der organisatorischen Arbeit samt Aktenführung, Vertragsbearbeitung, -registrierung und -meldung an den Prinzipal erfolgen.5034 Diese Vermutung ist sachgerecht und verhilft auf einfachem Wege zu einem leicht zu bestimmenden Einheitsgerichtsstand. Die Vermutung ist jedoch widerleglich.5035 714 Richtig dürfte folgendes sein: In erster Linie ist gem. Nr. 1 auf den Vertragsinhalt abzustellen. Helfen der Vertrag und hilfsweise die tatsächliche Leistungserbringung nicht weiter, so gilt: Da der HV den Schwerpunkt seiner Dienstleistung am Sitz seiner Niederlassung erbringt, liegt dort regelmäßig der Tätigkeitsort der Dienstleistung, also der Erfüllungsort. Nur ausnahmsweise kann der von der Niederlassung abweichende Vertriebsort die Tätigkeit des HV so prägen, dass allein auf ihn abzustellen ist, etwa bei fehlender Niederlassung. Insoweit kann auf die in § 92c Rn 52 ff. wiedergegebene Diskussion zum Schwerpunkt der Tätigkeit i. S. d. Art. 28 EGBGB verwiesen werden. Fraglich ist, wie vorgegangen werden muss, wenn eine Partei die Existenz eines Vertriebs715 vertrages – ggf. mit Gerichtsstandsklausel – behauptet und die andere Partei dessen Existenz verneint. Meist wird die Frage nicht erheblich. Denn der Gerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO ist lediglich ein konkurrierender, der – meist dem klagenden HV – einen zusätzlichen Gerichtsstand5036 gibt, ohne andere Gerichtsstände auszuschließen. Dass es sich bei Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO nur um einen konkurrierenden Gerichtsstand handelt, zeigt die Formulierung „sofern nichts anderes vereinbart ist“, zudem der Umkehrschluss aus Artt. 13, 17 und 22 EuGVVO. Wäre man aA dürfte auch eine Gerichtsstandsvereinbarung an Art. 25 Abs. 5 EuGVVO scheitern. Der klagende HV kann also an seinem Heimatgerichtsstand klagen. Einer eventuellen auf einen anderen Gerichtsstand gestützten negativen Feststellungsklage des Unternehmers steht dann der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegen.5037 Das Problem kann wie folgt gelöst werden: Eine Möglichkeit wäre es, nach der Theorie zum doppelrelevanten Vortrag5038 vom Vortrag des Klägers auszugehen. Dagegen spricht, dass der Beklagte im Rahmen einer negativen Feststellungsklage des den Vertriebsvertrag leugnenden Unternehmers 5030 Magnus/Mankowski Brussels I Regulation, 2006, Art. 5 Brussels I Regulation Rn 121; Hopt/Tzouganatos/Mankowski 141.

5031 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 45 m. Anm. Fabig = EWiR 2018, 381 (Mankowski); v. 11.3.2010 – C-19/09, NJW 2010, 1189 Rn 42 = EWIR 2010, 355 (Mankowski); ebenso OLG Oldenburg, Urt. v. 25.2.2014 – 13 U 86/13, IHR 2014, 112 = BeckRS 2014, 05367; Cour de cassation (chambre commerciale), Urt. v. 14.5.2013 (pourvoui 11-26631), ZVertriebsR 2014, 58; Thume IHR 2018, 231 (234). 5032 EuGH, Urt. v. 8.3.2018 – C-64/17, BB 2018, 776 Rn 46 m. Anm. Fabig – Saey Home & Garden = EWiR 2018, 381 (Mankowski). 5033 Mankowski EWiR 2018, 381 (382). 5034 Hopt/Tzouganatos/Mankowski 141; Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (41). 5035 Hopt/Tzouganatos/Mankowski 142. 5036 Zöller/Geimer ZPO, Art 5 EuGVVO Rn 1; Baumbach/Albers, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rn 1. 5037 Im Anwendungsbereich der EuGVVO betreffen negative Feststellungsklage und korrespondierende Leistungsklage denselben Streitgegenstand. 5038 So OLG Bamberg, Urt. v. 24.4.2013 – 3 O 198/12, ZVertriebsR 2014, 121 (m. krit. Anm. Hau ZVertriebsR 2014, 79 [82]). Das OLG gelangt zu einem inkonsequentem Ergebnis (Theorie des doppelrelevanten Vortrages wird nur halbherzig angewandt); s. a. OLG Celle, Beschl. v. 4.6.2007 – 11 U 293/06, OLGR 2008, 177; KG Berlin KGR Berlin 2001, 128; MünchKommZPO/Gottwald2 Art. 5 EuGVÜ Rn 45. Emde

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so behandelt würde, als sei der Vertrag nicht existent. Andererseits kann es bei Nichtanwendung der Theorie zum doppelrelevanten Vortrages zu einem schwer erklärbaren Auseinanderfallen der Beweislast zwischen Zulässigkeit und Begründetheit kommen und der den Vertrag verneinende negative Feststellungskläger müsste im Rahmen der Zulässigkeit die Nichtexistenz des Vertrages beweisen, was schwer unmöglich ist. Würde man die Grundsätze zum doppelrelevanten Vortrag anwenden, müsste Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO ausgeblendet werden, wenn der Kläger die Existenz des Vertrages verneint. Ein deutscher Unternehmer könnte z. B. in Deutschland auf Feststellung klagen, dass ein ausländischer HV-Vertrag nicht existiert;5039 da er das Nichtbestehen des Rahmenvertrages behauptet, läge der Gerichtsort u. U. am Erfüllungsort der geschlossenen Einzelverträge.5040 Wollte man die Theorie des doppelrelevanten Vortrages nicht anwenden, müsste der Hersteller in jedem Einzelkaufvertrag vermerken, dass kein Rahmenvertrag besteht bzw. zustande kommt, damit sich die dort jeweils vorgesehenen Gerichtsstandsklauseln auch auf diesem Passus und diesbzügliche „Rahmenstreitigkeiten“ beziehen können.5041 Das erscheint einigermaßen förmlich und dürfte in der Praxis kaum als vertrauensbildende Maßnahme gewertet werden, sondern eher zu Irritationen zwischen den Geschäftspartnern führen.5042 Zumindest sollten die Gedanken anwendbar sein, welche das LG Trier5043 entwickelt hat: die negative Feststellungsklage kann nach Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO in Fällen, in denen das Vorhandensein des Vertrags selbst im Streit steht, an jedem Ort erhoben werden, an dem die Vertragspflichten möglicherweise zu erfüllen wären. Dabei genüge es, wenn gute Gründe dafür sprächen, dass jedenfalls ein Teil der Vertragspflichten auch an dem im Bezirk des angerufenen Gerichts liegenden Sitz der Klägerin zu erfüllen würde.5044 Eine vom BGH grundsätzlich befürwortete Suche nach einem Einheitsgerichtsstand5045 kann in dieser Situation nicht problemlos erfolgen, denn die Existenz des Vertrages selbst ist strittig. Es muss zunächst nach einem Forum gefahndet werden, in dem der Streit um das Bestehen des Vertrages ausgetragen wird. Die Parteien können den Erfüllungsort auch vertraglich festlegen. Hat er keinen Bezug zum Ort der realen Erfüllung, dann muss eine solche Vereinbarung die Form einhalten, die für Gerichtsstandsklauseln gilt.5046 5039 So der Fall des LG Trier, Urt. v. 17.10.2002 – 7 HKO 140/01, NJW-RR 2003, 287; aA OLG Bamberg, Urt. v. 24.4.2013 – 3 O 198/12, ZVertriebsR 2014, 121 (m. krit. Anm. Hau ZVertriebsR 2014, 79 [82]), da es sich im Kern um eine vertriebsrechtliche Streitigkeit handele. 5040 Das OLG München, Urt. v. 22.9.1995 – 23 U 3750/95, RIW 1996, 1035 nahm als den Erfüllungsort der in Ausführung eines Vertragshändlervertrages geschlossenen Einzelverträge den Sitz des Unternehmers (Herstellers) an. Im Ergebnis ähnlich zu einem HV-Vertrag LG Trier, Urt. v. 17.10.2002 – 7 HKO 140/01, NJW-RR 2003, 287. Das OLG Bamberg, Urt. v. 24.4.2013 – 3 O 198/12, ZVertriebsR 2014, 121 (m. krit. Anm. Hau ZVertriebsR 2014, 79 [82]), meint, es bestehe kein Gerichtsstand für eine negative Feststellungsklage in Deutschland, wenn der französische Händler sich der Existenz eines Vertragshändlervertrages berühme und der deutsche Hersteller gerichtlich dessen Nichtexistenz feststellen lassen wolle. Obwohl nach Ansicht des OLG Bamberg auch dann die Theorie des doppelrelevanten Vortrages anwendbar sei, führe sie nicht dazu, dass die behauptete Existenz eines Vertriebsvertrages ausgeblendet und die Klage am Ort der nach Ansicht des deutschen Herstellers allein gegebenen Geschäftsverbindung in Deutschland erhoben werden könne. Denn es handele sich um eine vertriebsrechtliche Streitigkeit, die allein Art. 7 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVVO (Gerichtsstand des Vertriebsvertrages) betreffe und nicht Art. 7 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich (Kauf beweglicher Sachen). Ob es sich bei der Ansicht des OLG Bamberg um eine konsequente Anwendung der Theorie des doppelrelevanten Vortrages handelt, mag diskutiert werden. Denn immerhin wird vom Vortrag der Beklagten ausgegangen, demzufolge ein Vertriebsvertrag existiert, und nicht von dem Vortrag des Klägers, demzufolge ein solcher Vertrag fehlt. 5041 Hau ZVertriebsR 2014, 79 (82). 5042 Hau ZVertriebsR 2014, 79 (82). 5043 LG Trier, Urt. v. 17.10.2002 – 7 HKO 140/01, NJW-RR 2003, 287. 5044 Court of Appeal, Entsch. v. 19.03./2.4.1986 in Sachen Boss Group Ltd. v. Boss France S.A., All England law reports (1996) 4. All ER. 5045 Dahin tendierenden Magnus IHR 2002, 45 (49); MünchKommZPO/Gottwald Art. 5 EuGVVO Rn 8; Geimer/ Schütze Art. 5 EuGVVO Rn 87. 5046 Magnus IHR 2018, 49 (59). 433

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Kadner Graziano5047 schlägt eine Neufassung des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO vor, bei der lit. e und f zum Gerichtsstand wie folgt lauten sollen: „e) für Franchiseverträge der Ort, an dem der Franchisenehmer zur Nutzung des übertragenen Rechts nach dem Vertrag berechtigt ist; f) für Vertriebsverträge, Wettbewerbsabreden, Konkurrenzverbote etc. der Ort, für den sie getroffen wurden.“ Sinnvoller wäre es wie bisher an dem Ort der hauptsächlichen Erfüllungshandlung (regelmäßig der Sitz des Vertriebsmittlers) anzuknüpfen. Die neue Fassung führt zu Problemen bei einem staatenübergreifenden und generell bei einem größeren Vertriebsgebiet. 717 Zwischenergebnis: Nach der EuGVVO besteht ein Einheitserfüllungsort und damit -gerichtsstand für alle Streitigkeiten am Erfüllungsort der Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit des HV. 718 Beispiele für Gerichtstände nach Art. 7 Nr. 1 EuGVVO – Der Anwendungsbereich des Art. 7 EuGVVO ist für Ansprüche eines (ehemaligen) HV betreffend eine (Alters-)Versorgung, die dieser gegen den Unternehmer als Schuldner geltend macht, eröffnet. Der Ausschlusstatbestand des Art. 1 Abs. 2 lit. c EuGVVO („soziale Sicherheit“) greift nicht ein.5048 – Für Vertragshändlerverträge könnte sich ein weiterer besonderer Gerichtsstand aus Art. 7 Nr. 1 EuGVVO ergeben, nämlich der Gerichtsstand des Erfüllungsortes des Art. 7 Nr. 1 lit. b, 1. Spiegelstrich. Danach liegt der Erfüllungsort für den Verkauf beweglicher Sachen an dem Ort in einem Mitgliedsstaat, in dem die Sache nach dem Vertrag vom Verkäufer an den Käufer geliefert worden ist oder hätte geliefert werden müssen.5049 Somit könne der in Deutschland sitzende Vertragshändler seinen Anspruch gegen den in Frankreich sitzenden Unternehmer in Deutschland einklagen. Darüber könnte diskutiert werden. Denn der Vertragshändlervertrag als Rahmenvertrag regelt nicht notwendigerweise die unter ihm geschlossenen Einzelgeschäfte.5050 716

V. Weitere vertriebsrechtliche Gerichtsstände nach der EuGVVO 1. Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 3 EuGVVO 719 Fordert ein Händler Schadenersatz wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einem Verstoß gegen das Verbot des Wiederverkaufs außerhalb eines selektiven oder ausschließlichen Vertriebs, so ist der Deliktsgerichtsstand des Art. 7 Nr. 3 EuGVVO nur für die Schäden im Hoheitsgebiet des Staates gegeben, in dem das angerufene Gericht ansässig ist.5051 Der Ort, an dem der Schaden i. S. d. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO tritt im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats ein, der dieses Verkaufsverbot durch die in Rede stehende Klage schützt und in dessen Hoheitsgebiet der Kläger einen Schaden erlitten zu haben behauptet.5052 Eine Schadensersatzklage wegen des plötzlichen Abbruchs langjähriger Geschäftsbe720 ziehungen mag nach den Verhältnissen des Einzelfalls keine unerlaubte Handlung, eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen

5047 RIW 2016, 14 (33). 5048 BGH, Urt. v. 15.12.2016 – VII ZR 221/15, WM 2017, 728 = VersR 2017, 1526. 5049 Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79 (85); aA wohl EuGH, Urt. v. 14.7.2016 – C-196/15, BB 2016, 1934 = NJW 2016, 3087 = ZVertriebsR 2017, 60 m. Anm. Kutscher-Puis Rn 35 für einen typischen Vertriebsvertrag ohne Regelung der Geschäftsbedingungen der in Ausführung des Rahmenvertrages geschlossenen Einzelgeschäfte. 5050 So wohl auch EuGH, Urt. v. 14.7.2016 – C-196/15, BB 2016, 1934 = NJW 2016, 3087 = ZVertriebsR 2017, 60 m. Anm. Kutscher-Puis Rn 35. 5051 EuGH, Urt. v. 21.12.2016 – C-618/15, NZKart 2017, 71 = EWS 2017, 53 – Concurrence ./. Samsung/Amazon, Verbot des Internetvertriebs. 5052 EuGH, Urt. v. 21.12.2016 – C-618/15, NZKart 2017, 71 = EWS 2017, 53 – Concurrence ./. Samsung/Amazon, Verbot des Internetvertriebs. Emde

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Handlung, i. S. d. VO darstellen.5053 Das gilt zumindest, sofern zwischen den Parteien eine stillschweigende vertragliche Beziehung bestand. Das zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts.5054 Der Nachweis einer solchen stillschweigenden vertraglichen Beziehung muss auf einem Bündel übereinstimmender Indizien beruhen, zu denen u. a. das Bestehen einer langjährigen Geschäftsbeziehung, Treu und Glauben zwischen den Parteien, die Regelmäßigkeit der Transaktionen, deren in Menge und Wert ausgedrückte langfristige Entwicklung, etwaige Absprachen zu den in Rechnung gestellten Preisen und/oder den gewährten Rabatten sowie die Korrespondenz gehören können.5055

2. Niederlassung des Prinzipals i. S. d. Art. 7 Nr. 5 EuGVVO Ein HV, der seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestim- 721 men kann, mithin nicht der Aufsicht und der Leitung des Stammhauses unterliegt, ist grds. nicht als Zweigniederlassung oder Agentur i. S. d. Art. 7 Nr. 5 EuGVVO anzusehen.5056 Er soll nur dann eine solche Niederlassung begründen, wenn er nicht zu selbständig und nicht gleichzeitig für mehrere Prinzipale tätig wird5057 bzw. sich darauf beschränkt, als Außenstelle des Verkäufers aufzutreten, also Aufträge zu werben, entgegenzunehmen oder weiterzuleiten.5058

VI. Einheitserfüllungsort und -gerichtsstand außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO? Die eigentlich als rein prozessuale Regel entstandene Legaldefinition des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO 722 könnte auch außerhalb ihres Anwendungsbereiches eine generelle, materiell-rechtliche Regel bilden. Grundsätzlich bestimmt sich sowohl bei innerdeutschen Streitigkeiten wie auch bei interna- 723 tionalen Vertriebsmittlerstreitigkeiten der Gerichtsstand nach den §§ 12 ff. ZPO. Zur Sonderzuständigkeit nach der EuGVVO s. o. Vertriebsmittler suchten schon unter der Geltung des LugÜ/ EuGVÜ bei Klagen gegen Unternehmer einen Heimatgerichtsstand. Der allgemeine Gerichtsstand des § 12 ZPO, Art. 2 Abs. 1 LugÜ/EuGVÜ des Unternehmers lag an dessen ggf. ausländischem Sitz. Er half also nicht. Der nur bei Auslandssachverhalten relevante, jedoch auch dort nur selten eingreifende Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO)5059 war ebenfalls nur von geringem Wert. Bei Streitigkeiten innerhalb der EU blieb er unanwendbar. Gerade in den USA sind Urteile, welche in diesem Gerichtsstand erstritten wurden, kaum anerkennungsfähig. Vollstreckt werden können sie damit nur außerhalb der USA und vor allem in Deutschland, was voraussetzt, dass hier vollstreckungsfähiges Vermögen existiert oder bekannt ist. Der Sitz der eigenen Agentur oder eines anderen Vertriebsmittlers des Prinzipals wird nicht als Gerichts-

5053 EuGH, Urt. v. 14.7.2016 – C-196/15, BB 2016, 1934 = NJW 2016, 3087 = ZVertriebsR 2017, 60 m. Anm. KutscherPuis Rn 28.

5054 EuGH, Urt. v. 14.7.2016 – C-196/15, BB 2016, 1934 = NJW 2016, 3087 = ZVertriebsR 2017, 60 m. Anm. KutscherPuis Rn 28.

5055 EuGH, Urt. v. 14.7.2016 – C-196/15, BB 2016, 1934 = NJW 2016, 3087 = ZVertriebsR 2017, 60 m. Anm. KutscherPuis Rn 28. Dostal ZVertriebsR 2019, 207 (213). Mankowski IHR 2014, 248. Dostal ZVertriebsR 2019, 207 (213). Zu solchen Fällen OLG München, Urt. v. 29.4.2015 – 7 U 185/15; v. 17.5.2006 – 7 U 1781/06, WM 2006, 1556 = EWiR 2006, 621 (Emde) m. partiell krit. Anm. Rühl IPRax 2007, 294. Siehe auch Heinicke ZVertriebsR 2013, 275 (276).

5056 5057 5058 5059

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stand der Niederlassung (§ 21 Abs. 1 ZPO, Art. 5 Nr. 5 EuGVVO/LugÜ) anerkannt,5060 weil es an der Aufsicht und Leitung durch den Unternehmer fehlen soll.5061 Der HV mag im Außenverhältnis zu Kunden Niederlassung des Prinzipals sein und den Kunden so einen zusätzlichen Gerichtsstand gegen den Prinzipal eröffnen.5062 Dies heißt aber nicht, dass seine eigene Tätigkeit ihm im Innenverhältnis zum Prinzipal einen Niederlassungsgerichtsstand gegen den Prinzipal eröffnete, weil er selber die Niederlassung (= Organisationsteil) des Prinzipals wäre.5063 Der HV kann aber gem. Art. 5 EuGVVO/LugÜ seinen ausländischen Unternehmer auf Zahlung von Provision, Ausgleich u. a. vor dem Gericht des Ortes in Anspruch nehmen, an dem sich das inländische Vertriebsbüro des Unternehmers befindet, wenn der HV Bestellungen über dieses Vertriebsbüro abwickelt.5064 Das gilt insb., wenn aus Gründen der Praktikabilität hauptsächlich die Korrespondenz mit der deutschen Niederlassung des ausländischen Prinzipals geführt und dieser gegenüber auch abgerechnet wird.5065 Dass die deutsche Niederlassung als GmbH eine eigenständige juristische Person ist, soll nicht entgegen stehen.5066 Vertragshändler oder HV begründen keine in einem Staat belegene Niederlassung des Unternehmers i. S. d. UN-Kaufrechts.5067 Außer an den Gerichtsstand der Widerklage, der eine bereits in Deutschland rechtshängige 724 Klage des Unternehmers gegen den HV voraussetzte, war deshalb nur an den Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO, Art. 5 Nr. 1 LugÜ/EuGVÜ5068 zu denken. Der Erfüllungsort bestimmte sich sowohl nach Art. 5 Nr. 1 LugÜ/EuGVÜ wie nach § 29 ZPO gemäß den Regeln des materiellen Rechts, welches nach dem IPR des jeweiligen Forums auf das Vertragsverhältnis anzuwenden war.5069 War deutsches Recht Sachrecht, galt § 269 BGB. Der Gerichtsstand des Erfüllungsort nach § 29 ZPO rechtfertigt sich aus der Sachnähe des 725 Gerichts am Ort der Leistungshandlung.5070 Ein Gerichtsstand am Leistungsort ist sachnah, wenn die betreffende Leistung dem Vertrag ihren prägenden Charakter gibt. Nach h. M. ergibt sich allerdings nicht nur nach deutschem Recht (§§ 269 BGB, 29 ZPO) sondern ferner im Anwendungsbereich des LugÜ gem. Art. 5 Nr. 1 Hs. 1 LugÜ/EuGVÜ eine doppelte Abweichung von den Regelungen der EuGVVO5071: Zum einen ist § 29 ZPO kein Einheitsgerichtsstand für alle Ansprüche aus dem Vertrag. Vielmehr bezieht er sich nur auf die einzelne streitgegenständliche Verpflichtung. Zum anderen ist der Erfüllungsort nicht übereinkommensautonom nach Maßgabe eines eigenständigen prozessualen Erfüllungsortsbegriffs zu ermitteln, sondern unter Anlehnung an das in der Sache anwendbare materielle Recht und unter Zwischenschaltung des IPR des Forums nach Maßgabe der materiellen lex causae. Verortet diese den Erfüllungsort am Ort der Niederlassung oder am Sitz des Schuldners (wie z. B. § 269 Abs. 1 BGB), so ist nach h. A.

5060 EuGH NJW 1977, 490 (491); Hopt/Tzouganatos/Mankowski 131 (142); Krümmel in: Praxishandbuch Vertriebsrecht2 § 6 Rn 96; Zöller/Vollkommer, 23 Aufl., § 21 Rn 9; Baumbach/Hartmann ZPO61 § 22 Rn 9; Art. 5 EuGVÜ Rn 22; Thomas/Putzo/Putzo ZPO24 § 21 Rn 2. 5061 EuGH NJW 1977, 490 (491). 5062 Mankowski RIW 1996, 1001 (1005); MünchKommZPO/Gottwald IZPR, Art. 5 EuGVÜ Rn 52; Hopt/Tzouganatos/ Mankowski 142. 5063 Emde RIW 2003, 505 ff.; Hopt/Tzouganatos/Mankowski 142. 5064 OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11; OLG München RIW 1999, 872 = EWiR 1999, 1119 (Emde). 5065 OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11. 5066 OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11. 5067 Piltz NJW 2003, 2056 (2058); United States District Court for the Northern District of California, San Jose Division, Urt. v. 27.7.2001; OLG Köln, Urt. v. 13.11.2001, beide CISG-Pace; vgl. auch OLG Stuttgart IHR 2001, 65. 5068 BGH NJW 1988, 966 = ZIP 1988, 436, dazu EWiR 1988, 489 (v. Hoyningen-Huene), Westphal I Rn 1330, 1355; Niebling Vertragshändlerrecht, 1999, Rn 343. 5069 EuGH NJW 2000, 719; Baumbach/Albers ZPO, Art. 5 EuGVÜ Rn 8; zu dem anwendbaren Recht bei HV-Verträgen Emde MDR 2002, 190. 5070 LG Kiel NJW 1989, 841; Baumbach/Hartmann § 29 Rn 2. 5071 Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (42 f.). Emde

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seine Zahlungsklage auf Provision oder Ausgleich am Sitz des Unternehmers zu erheben,5072 ein für den Mittler ungünstiger Gerichtsstand.5073 Bereits unter der EuGVO hatte der EuGH allerdings entschieden, dass ein gegen den HV gerichteter Anspruch auf Zahlung von Provisionen auf Grund eines HV-Vertrages und auf Zahlung von Schadensersatz wegen missbräuchlicher Auflösung eines solchen Vertrags im Hinblick auf die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist am Sitz des HV als Erfüllungsort zu erheben war.5074 Die starke europarechtliche Präformation des HV-Rechts durch die RL, die es auch gegen- 726 über anderen europarechtlichen Einflüssen offen lässt, spricht dafür, die werbende und vertragscharakteristische Tätigkeit des HV, die unter dem Gesichtspunkt der Sachnähe gem. Art. 28 EGBGB a. F. zur Anwendung des Rechts am Sitz des HV führte,5075 als vertragsprägend anzusehen. Sie prägt den Vertrag und gibt der Vermittlung ihr vertragscharakteristisches Bild.5076 Der Unternehmer erbringt jedenfalls im HV-Bereich allenfalls unterstützende Tätigkeiten. Das werbende und vermittelnde Element formt den Vertrag so sehr, dass dies i. S. e. Schwerpunktbetrachtung für einen grundsätzlichen Einheitserfüllungsort am Tätigkeitsort, regelmäßig dem Sitz des Mittlers, spricht.5077 Die h. M. ist bislang anderer Ansicht. Andere Rechtsordnungen, etwa die französische,5078 sind in HV-Sachen wenig zurückhaltend 727 in der Annahme eines einheitlichen Erfüllungsorts. Entsprechend nimmt auch das deutsche Recht zunehmend5079 einen Einheitserfüllungsort an, z. B. beim Arbeits-,5080 Dienst-,5081 Werk-5082 oder Architektenvertrag.5083 Dem Bauherrn wird ein Einheitserfüllungsort für alle Verpflichtungen aus dem Bauvertrag am Ort, an welchem das Bauwerk errichtet wird,5084 dem Architekten am Ort seines Büros für Ansprüche aus der Planungsphase,5085 dem Arbeiter einheitlich am Ort der Arbeitsleistung,5086 dem Verbraucher beim Vertrag über den Bezug von Strom am Ort der Energieabnahme5087 und – besonders vertriebsmittlernah – dem reisenden und angestellten Außendienstmitarbeiter an seinem Wohnsitz5088 zugebilligt. Mit diesen Vertragstypen lässt sich der Mittlervertrag vergleichen.5089 Er ist ein Dienstvertrag, häufig – vor allem bei Einfirmenvertretern und in der Versicherungsvermittlung – mit arbeitsvertraglichen Anklängen. Nicht umsonst ist die Statusfrage vielfach Gegenstand der Diskussion.5090 Auch der Vergleich mit dem Werkvertrag ist nicht fernliegend. Zwar 5072 5073 5074 5075

BGH, Urt. v. 22.10.1987, NJW 1988, 966; Emde RIW 2003, 505 (507); Hopt/Tzouganatos/Mankowski 143. Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (43). EuGH, Urt. v. 8.3.1988 – 9/87, „Arcado/Haviland“, EuGHE 1988, 1539. BGH NJW 1993, 2753 (2754); BGHZ 127, 368 (371) = NJW 1995, 318 (319); Hermes RIW 1999, 81 (85); Palandt/ Heldrich Art. 28 EGBGB Rn 15; MünchKommBGB/Martiny, Art. 28 EGBGB Rn 158; Küstner/Thume/Thume I4 Kap. XI Rn 102; Martinek/Lakkis3 § 55 Rn 23; Westphal I Rn 25; Ebenroth/Kindler2 § 92c Anh. Rn 22; Hopt § 92c Rn 2; Soergel/ von Hoffmann Art. 28 Rn 258, 265; Erman/Hohloch Art. 28 Rn 53; Reithmann/Kartzke Rn 1435; Kindler RIW 1990, 358 (363). 5076 Vgl. Einsiedler NJW 2001, 1549, der selbst allerdings aA ist. 5077 Emde RIW 2003, 505 (509 ff.); Niebling WRP 2009, 153 (158). 5078 Storp RIW 1999, 823/824. Anders aber offensichtlich die italienische Praxis, die die Erfüllungsorte wie die deutsche separiert, siehe Braggion RIW 2001, 309 ff. sowie das von ihm besprochene Urteil des Kassationshofes v. 3.4.2000, RIW 2001, 308. 5079 Vgl. Palandt/Heinrichs § 269 Rz. 12: die Rechtsprechung tendiere zu einem Einheitserfüllungsort; zweifelnd Prechtel MDR 2001, 591 (592). 5080 Baumbach/Hartmann § 29 Rn 19. 5081 Baumbach/Hartmann § 29 Rn 21. 5082 OLG Celle NJW 1990, 777; Baumbach/Hartmann § 29 Rn 33. 5083 BGH, Urt. v. 7.12.2000 – VII ZR 404/99, NJW 2001, 1936. 5084 BGH NJW 1986, 935; BayObLG, 83, 64; Putzo in: Thomas/Putzo, § 29 Rn 6. 5085 LG München II NJW-RR 1993, 212; Putzo in: Thomas/Putzo, § 29 Rn 6; aA LG Tübingen MDR 1995, 1208. 5086 Thomas/Putzo § 29 Rn 6. 5087 Thomas/Putzo § 29 Rn 6; Riemer Recht der Elektrizitätswirtschaft, 1989, 242. 5088 Thomas/Putzo § 29 Rn 6; Schulz NZA 1995, 14; aA ArbG Regensburg NZA 1995, 96. 5089 Für einen Einheitserfüllungsort de lege ferenda auch Meyer ZVertriebsR 2017, 89 (93 f.). 5090 Siehe Emde VersR 1999, 1464 ff.; 2001, 148 ff.; 2002, 151 ff. 437

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schuldet der HV – anders als der Werkunternehmer – keinen Erfolg. jedoch hat er ein leicht erkennbares Interesse an einem solchen. Denn schließlich hängt regelmäßig seine Provision von dem Vermittlungserfolg ab (§ 87 Abs. 1 S. 1). 728 Dieses Ergebnis ist auch bei der Bestimmung des Gerichtsortes sachgerecht: Handelt es sich wie bei Ausgleich, Provision oder den Informationspflichten des § 87c um Ansprüche, deren Inhalt durch die Umstände am Vertriebsort bestimmt werden, muss dort prozessiert werden. Provision ist nur zu leisten, wenn Geschäfte am Vertriebsort geschlossen (§ 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2) oder Folgegeschäfte getätigt wurden (§ 87 Abs. 1 S. 2). Für die Zahlung des Ausgleichs sind neugeworbene Stammkunden oder erweiterte Altkunden im Vertriebsgebiet nachzuweisen. Auch bei den Informationsansprüchen des § 87c geht es um die Umstände am Vertriebsort, zudem sind die Rechte des § 87c bloß untergeordnete Hilfsrechte,5091 die bei Entfallen des Hauptrechts, meist des Provisionsanspruches, erlöschen.5092 In allen Fällen geht es letztlich um die Verhältnisse am Tätigkeitsort. Nur ein dort situiertes Gericht liegt sachnah. 729 Die Argumentation des BGH,5093 jedenfalls die Informationspflichten des § 87c und damit auch Ausgleichs- und Provisionsanspruch seien am Sitz des Unternehmers zu erfüllen, überzeugt nicht. Bereits der Ausgangspunkt ist zweifelhaft.5094 Bis auf das Bucheinsichtsrecht sind die Informationsrechte des § 87c am Sitz des HV zu erfüllen. Zudem: Der Hinweis des BGH auf den Erfüllungsort der Informationspflicht ist nur Argument gegen einen am Sitz des HV belegenen Erfüllungsort für die Informationsansprüche. Warum der Ausgleich nicht am Sitz des HV gefordert werden darf, erklärt dieser Begründungsansatz nicht. Ein einzelner aus dem Gesamtvertrag hergeleiteter Anspruch sollte nicht den Gerichtsstand am Sitz des Herstellers bestimmen. Bei Verträgen, die kein normiertes Informationsrecht kennen, dürfen aus §§ 242, 259, 260 BGB Auskünfte gefordert werden,5095 ohne dass dieser Gesichtspunkt je gegen den Einheitserfüllungsort sprach. 730 Die wirtschaftliche Schutzbedürftigkeit des Mittlers sollte zudem bei der Wahl des Gerichtsstandes berücksichtigt werden. Typischerweise schutzbedürftig ist der Mittler, nicht der Unternehmer. Denn er ist meist die klagende Partei, sei es zur Durchsetzung der Zahlungsansprüche auf Provision und Ausgleich oder seiner Kontrollrechte nach § 87c. Eine Klage fern dem Vertriebsort ist für ihn jedoch wirtschaftlich und tatsächlich unsinnig. Wirtschaftlich unsinnig ist sie, weil ausländische Verfahrensordnungen vielfach keine Kostenerstattung kennen. In den Vereinigten Staaten sind Prozesskosten von EUR 50.000 bei einer einfachen Ausgleichsklage schnell erreicht und sie erhöhen sich durch Übersetzungs- und Gutachterkosten. Dies schreckt die wirtschaftlich schwächeren5096 Vertriebsmittler ab und hindert sie entgegen dem in der zwingenden Natur des Ausgleichs sichtbar gewordenen Schutzgehalt des materiellen Rechts an der Durchsetzung ihrer berechtigten Ansprüche, gerade in der finanziell schwächeren Zeit nach Vertragsende (Ausgleichsklage).5097 Dies wissen Unternehmer genau. Die Vertragshändlern gewiesene theoretische Möglichkeit, durch Nichtzahlung von Rechnungen auf Warenlieferungen im Wege der „Selbstjustiz“ eine Aufrechnungslage herzustellen, welche es ermöglicht, nach Vertragsende und dann eintretender Fälligkeit mit dem Ausgleich aufzurechnen, scheidet bei HV aus. Tatsächlich unsinnig ist die Klage am Sitz des Unternehmers, weil sämtliche Beweismittel am Ort der Niederlassung des Mittlers liegen und weiter dessen Recht anzuwenden wäre. Die etwa für die Berechnung des Ausgleichs maßgeblichen Dokumente, z. B. Kundenlisten, sind

5091 Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 31; Röhricht/Graf v. Westphalen/Küstner § 87c Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87c Rn 4.

5092 Martinek/Flohr/Pohl3 § 18 Rn 16; Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 33; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87c Rn 4, 49; Palandt/Heinrichs § 261 Rn 25. 5093 BGH NJW 1988, 966. 5094 Für einen Einheitserfüllungsort de lege ferenda auch Meyer ZVertriebsR 2017, 89 (93 f.). 5095 Vgl. Palandt/Heinrichs § 261 Rn 8. 5096 AA Freitag/Leible RIW 2001, 287. 5097 Kleinheisterkamp RabelsZ 73 (2009), 818 (836); gegen diese Berücksichtigung im Schiedsverfahren Quinke SchiedsVZ 2007, 246 ff. Emde

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in der Sprache des Vertriebsorts gefasst, ebenso wie die Korrespondenz mit Abnehmern. Am ausländischen Gerichtsort wären sie teuer zu übersetzen. Ohne Abwahl gilt wegen der Sachnähe das Recht am Ort der Niederlassung des Mittlers (Art. 3 Rom I-VO; Art. 28 EGBGB, § 92c Rn 52 ff.), d. h. bei einem deutschen Mittler deutsches Recht.5098 Die durch den Unternehmer gezahlte Vergütung ist zu wenig aussagekräftig, um sie als charakteristisch und rechtsprägend anzusehen.5099 Ein ausländisches Gericht müsste also wenig übersichtliches deutsches Provisionsoder Ausgleichsrecht anwenden und wahrscheinlich kostenintensiv durch Gutachten ermitteln. Eine deutsches Recht fortbildende Entscheidung ist nicht zu erwarten,5100 erst recht nicht zur komplexen Materie des Ausgleichsanspruchs, des Provisionsrechts der §§ 87 ff. oder der Informationsansprüche nach § 87c. Die HV sind zudem mit den Kosten zweier Anwälte belastet, nämlich den Kosten des zum materiellen Recht vortragenden Anwalts am Vertriebsort und eines das Verfahren führenden am Prozessort. Wenn prozesskonomische Gründe die Wahl des zuständigen Gerichts beeinflussen,5101 streitet dies für den Gerichtsstand Deutschland.5102 Forum und anwendbares Recht sollten einhergehen. Hinzu tritt als verständliche psychologische Komponente die Furcht vor einem ausländi- 731 schen Prozess. Sie trifft den HV härter als den Unternehmer. Der Unternehmer hat sich für den Vertrieb seiner Produkte auf den fremden Markt begeben und sich damit den lokalen Usancen und Gesetzen unterstellt. Dem HV dagegen mangelt diese internationale Erfahrung, da er den heimischen Markt bearbeitet und ihm zudem erfahrungsgemäß die wirtschaftliche Kraft zur Rechtsdurchsetzung im Ausland fehlt. Meist müssen HV zur Durchsetzung des Ausgleichsanspruches klagen. Gestaltungen, die 732 den Ausgleich behindern, sind nichtig (§ 89b Abs. 4). Zwar handelt es sich um eine Regel des materiellen Rechts. Ihre ratio, den Ausgleich zu stärken, ist jedoch auch im Verfahrensrecht der Ausgleichsklage zu beachten. Beide Körper des Rechts stehen sich nicht als Gegensätze, sondern als Teile einer einheitlichen Wertordnung gegenüber. Ist ein Anspruch materiell „stark“, ist das Verfahrensrecht so auszulegen und anzuwenden, indem die materielle durch eine formelle Stärke unterlegt wird. Dies ist auch bei der Suche nach dem Gerichtsort zu beachten und der materielle Schutzgehalt so zu unterstützen, dass ein materielles Recht effektiv und schnell durchgesetzt werden kann. Der EuGH hat aus der zwingenden Natur des Ausgleichs in seinem unter § 92c erläutertem Ingmar-Urteil vom 9.11.20005103 eine Rechtswahlfestigkeit hergeleitet. Er entschied, im Vertrag eines innerhalb der Gemeinschaft tätigen Warenvertreters dürfe der Ausgleich nicht durch Wahl ausgleichsfeindlichen Drittrechts ausgeschlossen werden. Der so durch richterrechtliche Rechtsfortbildung gewährte Schutz des Ausgleichs blieb verfahrensrechtlich lex imperfecta. Nicht ausdrücklich vorgeschrieben wurde nämlich durch die EuGH-Entscheidung ein europäischer, bei heimischen HV ein „deutscher“ Gerichtsstand der Ausgleichsklage. Das ist aus der Warte des EuGH verständlich, denn die RL zum HV-Recht regelt nichts Entsprechendes. Vielmehr entsprach es bis dato der vom BGH5104 geteilten h. A.,5105 der Ausgleich sei regelmäßig am Sitz des ausländischen Unternehmers einzuklagen. 5098 BGHZ 53, 332 (337); BGH NJW 1993, 2753 (2754); BGHZ 127, 368 (371) = NJW 1995, 318 (319); Hermes RIW 1999, 81 (85); Palandt/Heldrich Art. 28 EGBGB Rn 15; MünchKommBGB/Martiny Art. 28 EGBGB Rn 158; Küstner/Thume/ Thume I4 Kap. XI Rn 102; Küstner/Thume III2 Rn 2127 ff.; Martinek/Lakkis3 § 55 Rn 23; Westphal I Rn 25; Ebenroth/ Kindler2 § 92c Anh. Rn 22; Hopt § 92c Rn 2; Soergel/von Hoffmann Art. 28 Rn 258, 265; Erman/Hohloch Art. 28 Rn 53; Reithmann/Kartzke Rn 1435; Kindler RIW 1990, 358 (363). 5099 Kindler RIW 1987, 660 (662); Westphal I Rn 25; Martinek/Lakkis3 § 55 Rn 23; Ebenroth/Kindler2 § 92c Anh. Rn 22. 5100 Was aber neben der Auflösung der individuellen Streitigkeit Gerichtsaufgabe ist. 5101 BGH MDR 1999, 1217. 5102 Ausführlich Emde EWiR 1999, 1119 (1120); Emde VersR 2001, 148 (165 f.). 5103 EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – C-381/98, ZIP 2000, 2108 = EWiR 2000, 1061 (Freitag) = EWS 2000, 550 = BB 2001, 10 m. zust. Anm. Kindler = DB 2001, 36 = EuZW 2001, 50 m. Anm. Reich = RIW 2001, 133. 5104 BGH NJW 1988, 966. 5105 Westphal I Rn 1330, 1355; Niebling Vertragshändlerrecht, 1999, Rn 343. 439

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VII. „Ingmar-Gerichtstand“ 733 Die EuGVVO hat diese Argumente aufgenommen und die für richtig erkannte Rechtsfolge kodifiziert. Es entspricht im Bereich des durch die RL getroffenen Warenvertreterrechts5106 Sinn und Zweck des EuGH-Urteils v. 9.11.2000,5107 durch eine am Schutz der RL orientierte Auslegung des Prozessrechts (§§ 29 ZPO, 269 BGB) einen Einheitserfüllungsort am Vertriebsort zu schaffen. Der Regelungsappell der EuGVVO sollte daher als Ausdruck eines im gesamten Dienstleistungs- und damit auch des HV-Rechts geltenden Grundsatzes angenommen werden, schon um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Nationale Richter haben sicherzustellen, dass vom Gemeinschaftsrecht gewährte Rechte durchgesetzt werden können.5108 Eben diese Richtung weisen die unter Rn 743 ff. besprochenen Entscheidungen des BGH sowie der OLG.5109 Sie hielten ins ausgleichsfeindliche Ausland weisende Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen für unwirksam, weil die wertsetzende Bedeutung der zwingenden Normen der RL dort möglicherweise missachtet werden würde. Die Entscheidungen haben zwar nicht explizit den Schluss gezogen, dass ein Einheitsgerichtsstand des Mittlers am Vertriebsort besteht, schon gar nicht für Mittler, die außerhalb des Anwendungsbereichs der RL stehen. Vielmehr bestimmt sich der Gerichtsstand mangels wirksamer Gerichtsstandsvereinbarung nach den anwendbaren zivilrechtlichen Regelungen.5110 Gleichwohl geht die Intention der Entscheidungen in die zutreffende Richtung. Man wird den dort gefundenen Gedanken fortentwickeln können und auch bei Fehlen eines am Gerichtsort liegenden Gerichtsstandes nach § 23 ZPO einen Einheitsgerichtsstand am Vertriebsort annehmen müssen. 734 Bei allem Respekt vor einer eigentlich abschließenden, normierten Zuständigkeitsordnung wird man sagen können, dass der Schutz der Ingmar-Entscheidung sowie der daraus folgende verfahrensrechtliche Schutz, den Gerichte angenommen haben, nur komplett wird, sofern man dem HV – und mglw. sogar anderen Vertriebsmittlern (dazu unten) – einen europäischen Gerichtsstand sichert. Hat der Beklagte seinen Sitz in der EU, ist sie unmitelbar anwendbar. Sofern der Beklagte, etwa der Unternehmer im Falle einer Klage auf den Ausgleich seinen Sitz außerhalb der EU hat und auch in sonstigen Fällen, in denen die EuGVVO unanwendbar ist, sollte eine analoge Anwendung befürwortet werden, falls die „Ingmar-Voraussetzungen“ vorliegen. Da es sich, ebenso wie bei der RL, bei der EuGVVO um ein europäisches Regelungswerk handelt, erscheint es naheliegend, eine Analogie zu Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO zu suchen und dann generell einen einheitlichen Gerichts5106 Grundmann Europäisches Schuldvertragsrecht, 1999, S. 566, 572; Ebenroth/Löwisch3 Vor § 84 Rn 7. 5107 EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – C-381/98, ZIP 2000, 2108 = EWiR 2000, 1061 (Freitag) = EWS 2000, 550 = BB 2001, 10 m. zust. Anm. Kindler = DB 2001, 36 = EuZW 2001, 50 m. Anm. Reich = RIW 2001, 133.

5108 Rörig EuZW 2004, 18. 5109 OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 29.12.2011 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18825; Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18704, bestätigt durch BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und Eckhoff GWR 2012, 486 sowie zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358) – Gerichtsstandsklausel zu staatlichen Gerichten in Virginia; OLG München, Urt. v. 17.5.2006 – 7 U 1781/06, WM 2006, 1556 = EWiR 2006, 621 (Emde) m. partiell krit. Anm. Rühl IPRax 2007, 294 (abgrenzend und wohl zu eng OLG München, Urt. v. 29.4.2015 – 7 U 185/15); Accentuate Ltd. v. Asgira Inc., Queen’s Bench Division (2009) EWHC 2655 (QB); Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (48 f.); Oetker/Busche § 92c Rn 3; abl. Dathe NJOZ 2010, 2196 = NJW 2010, 3194; Quinke SchiedsVZ 2007, 246; Rühl IPRax 2007, 294 (297 ff.); Horn SchiedsVZ 2008, 210 (217 f.); Michaels/ Kamman EWS 2001, 301 (310); Hopt § 92c Rn 12; Cour d’appel de Paris, Urt. v. 24.11.2005, Rev. arb. 2006, 770; i. E. auch abl. (aber zum Rechtszustand vor der RL) BGH, Urt. v. 30.1.1961, NJW 1961, 1061 (1062). Kleinheisterkamp RabelsZ 73 (2009), 818 (829) stimmt dem OLG München mit seinem Urt. v. 17.5.2006 und der Begründung zu, Schiedsgerichte seien nicht an die Kollisionsnormen der lex loci arbitrii gebunden. Der belgische Cour de Cassation v. 16.11.2006 (Van Hopplynus Instruments S.A. ./. Coherent Inc.), Rev. dr. com belge 2007, 889 (890) m. Anm. Mertens sowie Kleinheisterkamp RabelsZ 73 (2009), 818 ff. hat eine i. E. identische Entscheidung getroffen. Jedenfalls wäre eine klagstattgebende kalifornische Entscheidung in Europa anerkennungs- sowie vollstreckungsunfähig (Kleinheisterkamp RabelsZ 73 (2009), 818 [832 ff.]; Quinke SchiedsVZ 2007, 246 [250]; aA Semler FS Wegen 2015 z. 65. Geb., 2015, S. 743 [745]). Die Judikate liegen auf der Linie von BGH, Urt. v. 1.12.2005 – VIII ZR 191/03, RIW 2006, 144 (zu einer Gewinnzusage). 5110 Eckhoff GWR 2012, 486. Emde

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stand des Erfüllungsortes am Sitz des Mittlers anzunehmen. Auch dem Europarecht ist eine Analogie nicht fremd (s. o., Rn 40). Konsequent fortgedacht kann die Ingmar-Rspr. nur Sinn haben, wenn das europäische Recht die Zuständigkeit absichernde Schutzvorschriften vorsieht, d. h. einen Gerichtsstand am Vertriebsort. Mit einem solchen Verständnis würde, um die auf die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung gemünzten Worte des BGH unter Rn 4 seines Nichtannahmebeschlusses v. 5.9.20125111 aufzunehmen „… der international zwingende Anwendungsbereich der Art 17 und Art. 18 der Richtlinie 86/653/EWG, wie er sich aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. November 2000 –, a. a. O. ergibt, zugunsten des Handelsvertreters, dessen Schutz die genannten Richtlinienbestimmungen bezwecken, zuständigkeitsrechtlich abgesichert und damit die Geltung der genannten Richtlinienbestimmungen gestärkt“. Das Urt. des EuGH v. 5.10.19995112 steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Der 735 EuGH entschied a. a. O., ein Einheitserfüllungsort scheide aus, wenn nach den Kollisionsnormen des Gerichtsorts ein separater Leistungsort vorliege. Eine „europäische“ oder „deutsche“ Auslegung, welche einen einheitlichen Gerichtsstand annimmt, ist folglich gestattet.5113 Die Entscheidungen, die bei zu erwartender Missachtung international-zwingenden Rechts einen deutschen Gerichtsstand geben, betreffen allerdings ausländische Gerichtsstände außerhalb des Anwendungsbereichs der Rom I-VO und der EU. Man könnte argumentieren, dass die Nichtbeachtung des „deutschen“ Rechts in der Konzeption des Art. 9 Abs. 1, 3 Rom I-VO angelegt und vom europäischen Normgeber gewollt war. Zwischenergebnis: Auch außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO sollte ein Ein- 736 heitsgerichtsstand am Ort des Vertriebs angenommen werden.

VIII. Gerichtsstandsklauseln und ihre Unwirksamkeit, etwa wegen Vereitelung der Ziele der RL 1. Zulässigkeit von Gerichtsstandsklauseln Das für die Prüfung der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsklausel maßgebliche Recht wird nach 737 deutschem internationalen Zivilprozessrecht in den §§ 38–40 ZPO teilweise nach der lex fori, also dem Recht am Gerichtsort, teilweise nach der lex causae, also nach dem gemäß den Kollisionsnormen in der Sache selbst auf einen bestimmten Sachverhalt anzuwendenden Recht, ermittelt. Zulässigkeit, Form und Wirkung bestimmen sich nach der lex fori, während das Zustandekommen und die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung sich nach der lex causae beurteilt.5114 Lex fori wäre bei einem Verfahren in Deutschland deutsches Recht. Lex causae wäre nach deutschem IPR meist das Recht am Sitz des Vertriebsmittlers (§ 92c Rn 52 ff.). Wird der Anwendungsbereich der EuGVVO nicht eröffnet, ist in Abwesenheit vorrangiger staatsvertraglicher Regelung auf das autonome Recht abzustellen.5115 Gerichtsstandsvereinbarungen können im innerstaatlichen Bereich gem. § 38 ZPO getroffen werden. Die Parteien müssen im Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsklausel Kaufleute sein. Die spätere Erlangung der Kaufmannseigenschaft genügt nicht, und zwar schon deshalb, weil der jederzeit mögliche Eintritt der Kaufmannseigenschaft, etwa während der Vertragsdurchführung, zu er5111 BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und Eckhoff GWR 2012, 486 sowie zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358).

5112 Rs. C-420/97, ZIP 1999, 1773 = EWiR 1999, 117 (Mankowski) = NJW 2000, 721 = VersRAI 2000, 7 L; ähnlich bereits zuvor EuGH VersRAI 2000, 10 L.

5113 Ausführlich Emde VersR 2001, 148 (166); Emde EWiR 1999, 1119 (1120). 5114 BGH, Urt. v. 17.5.1972 – VIII ZR 76/71, BGHZ 59, 23 (27) = NJW 1972, 1622 ff.; v. 20.1.1986 – II ZR 56/85, NJW 1986, 1438 (1439) mit Anm. Geimer; v. 24.11.1988 – III ZR 150/87, NJW 1989, 1431 f.; v. 21.11.1996 – IX ZR 264/95, ZIP 1996, 2184 (2186 ff.); v. 18.3.1997 – XI ZR 34/96, RIW 1997, 778 f.; Ebenroth/Kindler2 § 92c Anh. Rn 38. 5115 Ebenroth/Kindler2 § 92c Anh. Rn 38. 441

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heblicher Rechtsunsicherheit führt. Der spätere Eintritt der Kaufmannseigenschaft lässt die Schutzbedürftigkeit des Mittlers nicht rückwirkend entfallen, weil er nicht rückwirkend höhere Kenntnisse oder Fähigkeiten erwirbt. Gerichtsstandsklauseln in Existenzgründungsverträgen sind folglich unwirksam.5116 Auch internationale Gerichtsstandsklauseln werden nach den allgemeinen Grundsätzen Vertragsbestandteil.5117 Ausgehend von dem insoweit strengeren Art. 25 Abs. 1 EuGVVO wird allerdings gelegentlich die Auffassung eingenommen, auch bei § 38 Abs. 1 ZPO sei eine tatsächliche Willenseinigung der Parteien erforderlich. Internationale Gerichtsstandsklauseln hätten sehr schwerwiegende Folgen für die belastete Partei, weshalb eine größere Schutzbedürftigkeit anzunehmen sei. Diese Meinung findet im Gesetz keine Stütze.5118 Die Gerichtsstandsklausel kann die gesetzliche Zuständigkeitsordnung nicht pauschal, 738 also beispielsweise für alle Klagen aus den bestehenden Geschäftsbeziehungen der Parteien oder für alle künftigen Rechtsstreitigkeiten modifizieren. Gemäß § 40 Abs. 1 ZPO hat vielmehr eine Konkretisierung auf die Klagen aus einem bestimmten Rechtsverhältnis und die aus ihm entspringenden Rechtsstreitigkeiten zu erfolgen. Die Vereinbarung muss ferner auf ein zumindest bestimmbares Gericht verweisen. Auch sind die Schranken des § 40 Abs. 2 ZPO zu beachten (auch im internationalen Verkehr),5119 wonach es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handeln muss und die ausschließlichen Gerichtsstände nicht derogiert werden können. Auch die EuGVVO regelt in ihrem Art. 25 Gerichtstandsklauseln. Im Anwendungsbereich 739 der EuGVVO ist diese gegenüber § 38 ZPO vorrangig5120 und zulässig,5121 auch als AGB.5122 Solche Gerichtsstandsklauseln sind im gesamten Vertriebsrecht zulässig.5123 Art. 25 EuGVVO ist immer anwendbar, sofern eine der Parteien ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat hat,5124 also abweichend von Art. 4 Abs. 1 EuGVVO auch wenn nur der Kläger innerhalb der EU residiert. Art. 15 EuGVVO kommt nicht zum Zuge, da sein persönlicher Anwendungsbereich nicht eingreift.5125 Eine Gerichtsstandklausel nach Art. 25 EuGVVO ergreift auch vertriebsrechtliche Rechtsstreitigkeiten, die in der Klausel nicht ausdrücklich genannt werden, z. B. um Schadenersatz nach Art. 102 AEUV.5126 Die Gerichtsstandsvereinbarung kann allerdings nicht verhindern, dass eine Partei sich über sie hinwegsetzt und ihr zum Trotz vor einem eigentlich derogierten Gericht klagt.5127 Das Risiko der Klagabweisung wird in diesen Fällen vom Kläger in Kauf genommen, um Vergleichsdruck zu schaffen. Falls der HV unselbständig und damit Arbeitnehmer ist können sich ausländische Prinzi740 pale nicht gegen die Gerichtspflichtigkeit in Deutschland schützen, indem sie eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten ihres Heimatgerichts in den HV-Vertrag aufnehmen.

5116 Für das Franchiserecht: Giesler/Giesler/Kroll 1 § 4 Rn 226; differenzierend Giesler/Güntzel/Giesler2 § 4 Rn 314. Ansonsten: Baumbach/Hartmann § 38 Rn 15; Zöller/Vollkommer § 38 Rn 19; OLG Köln NJW-RR 1992, 571; OLG Karlsruhe MDR 2002, 1269; aA OLG Düsseldorf NJW 1998, 2980. 5117 Ebenroth/Kindler2 § 92c Anh. Rn 39. 5118 Ebenroth/Kindler2 § 92c Anh. Rn 39. 5119 Ebenroth/Kindler2 § 92c Anh. Rn 41. 5120 Mark/Gärtner MDR 2009, 837. 5121 Thume IHR 2018, 231 (233); Hopt/Tzouganatos/Mankowski 131 (135); eingehend zu Gerichtsstandsklauseln im internationalen Rechtsverkehr und Art. 25 EuGVVO Mark/Gärtner MDR 2009, 837 ff. 5122 Thume IHR 2018, 231 (233). 5123 Für Vertragshändlerverträge LG Braunschweig Urt. v. 11.4.2019 – 22 O 2195/17. 5124 Eingehend zum Streitstand Mark/Gärtner MDR 2009, 837 ff. 5125 Mankowski MDR 2002, 1352 (1353); Hopt/Tzouganatos/Mankowski 131 (135); Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (44). 5126 EuGH, Urt. v. 24.10.2018 – C-595/17, RIW 2018, 832. 5127 Hopt/Tzouganatos/Mankowski 131 (136). Emde

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Denn dann greift Art. 25 EuGVVO ein.5128 Eine HV-GmbH kann sich nicht auf die Art. 20–23 EuGVVO berufen und nicht den Schutz des internationalen Arbeitsprozessrechts genießen.5129

2. Unwirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln Ob von dem vorliegend entwickelten, zum Schutz des Dienstverpflichteten geschaffenen allgemei- 741 nen Gerichtsstand in jedem Fall durch Gerichtsstandsvereinbarungen abgewichen werden darf, ist diskussionswürdig.5130 Gerichtsstandsvereinbarungen sind auch in AGB zulässig.5131 Nach bislang h. M. fand eine Inhaltskontrolle von Gerichtsstandsklauseln in europäischen HV-Verträgen neben Art. 25 EuGVVO nicht statt, auch nicht durch die §§ 305 ff. BGB.5132 Auch findet keine Prüfung statt, ob der HV Kaufmann im Sinne des § 38 Abs. 1 ZPO ist.

a) Wege zur Kontrolle der Gerichtsstandsklauseln. Eine Kontrolle der Gerichtsstandsver- 742 einbarungen wäre auf mindestens zwei Wegen möglich: Einmal über Art. 9 Rom-I-VO (früher: Art. 34 EGBGB),5133 und dies auch bei Individualvereinbarungen. Zudem über die §§ 305 ff. BGB, dann jedoch nur bei AGB. Zur ersten Alternative vertritt Mankowski5134 zutreffend, dem im Ingmar-Urteil5135 gewährten Schutz könne ein gut informierter Unternehmer ausweichen, in dem er sich bemühe, vertraglich die Wahl drittstaatlichen Rechts durch die Vereinbarung eines korrespondierenden drittstaatlichen Gerichts zu vertiefen, welches dem Vortrag unzulässiger Rechtswahl vermutlich ablehnender als europäische Gerichte gegenüberstehe. Das materielle Recht benötige eine prozessuale Absicherung. Wer ernsthaft die Schutzgebote durchsetzen wolle, müsse dies auch auf der prozessrechtlichen Ebene der Zuständigkeit tun. Zwingendes materielles Recht müsse entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarungen die Wirkung nehmen. Eine richtlinienkonforme Auslegung sei nicht nur für spezifisches Umsetzungsrecht geboten, sondern für das gesamte nationale Recht. Sie würde zwar auch Individualvereinbarungen erfassen und wäre insoweit weiter als eine an den §§ 305 ff. BGB orientierte Beschränkung (dazu im Folgendem). Anderseits wäre sie auch enger, weil sie jede innereuropäische Verweisung anerkennen müsste und nicht von der RL erfasste Mittler, also sogar Nichtwarenvertreter und erst recht Vertragshändler und Franchisenehmer nicht schützt. b) Verfahrensrechtliche Sicherung der „Ingmar-Rechtsprechung“ aa) Effektive Durchsetzung des materiell-rechtlichen Schutzes durch das Verfahrens- 743 recht. Wenngleich die RL kein Verfahrensrecht regelt – dessen Ausgestaltung obliegt den nationalen Gesetzgebern –, muss es die effektive Durchsetzung insbesondere der zwingenden 5128 5129 5130 5131 5132

Mankowski IHR 2014, 249. Mankowski IHR 2014, 248. Siehe bereits Emde RIW 2003, 505 (508 ff.). Hau ZVertriebsR 2014, 79 (81). LG Stade, Urt. v. 25.10.2012 – 8 O 2/12; Hopt/Tzouganatos/Mankowski 131 (136); aA Emde RIW 2003, 505 (508 f.); Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (45) mit Hinweisen auf die Gegenansicht. 5133 So das OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 29.12.2011 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18825; Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18704, bestätigt durch BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358), das eine nach Virginia weisende Gerichtsstandsklausel gem. Art. 34 EGBGB (jetzt Art. 9 Rom-I-VO) für unwirksam hielt. 5134 Hopt/Tzouganatos/Mankowski 131 (149); Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (47). 5135 EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – C-381/98, ZIP 2000, 2108 = EWiR 2000, 1061 (Freitag) = EWS 2000, 550 = BB 2001, 10 m. zust. Anm. Kindler = DB 2001, 36 = EuZW 2001, 50 m. Anm. Reich = RIW 2001, 133. 443

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Rechte des HV gewährleisten.5136 Die Grundsätze der unter § 92c besprochenen Ingmar-Entscheidung des EuGH5137 finden hier ihr verfahrensrechtliches Pendant. Anderernfalls wäre es zu leicht, die Grundsätze der Ingmar-Rspr. zu umgehen.5138 744 Diesen Weg gehen – vom BGH nicht beanstandet5139 – im HV-,5140 aber auch im Vertragshändlerrecht,5141 zahlreiche Stimmen für durch die RL vorgeformtes, zwingendes Recht (meist geht es um den Ausgleichsanspruch): Trotz einer nach Virginia,5142 Kalifornien,5143 New York5144 bzw. in die Schweiz5145 weisenden Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarung billigten sie dem klagenden HV den deutschen Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO)5146 bzw. der Niederlas5136 5137 5138 5139

Siehe Magnus IHR 2018, 49 (58). Urt. v. 9.11.2000 – C-381/98, Slg. 2000, I-9305 = NJW 2001, 2007. Magnus IHR 2018, 49 (58). BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm Ayad/Schnell und zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358). 5140 OGH Österreich, Urt. v. 1.3.2017 – 5 Ob 72/16 y, ZVertriebsR 2017, 397 m. Anm. Moritz zum österreichischen Recht – Schiedsvereinbarung und wohl Schifffahrts-HV; OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 29.12.2011 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18825; Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18704, bestätigt durch BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358); OLG München, Urt. v. 17.5.2006 – 7 U 1781/06, WM 2006, 1556 = EWiR 2006, 621 (Emde) m. partiell krit. Anm. Rühl IPRax 2007, 294 (abgrenzend und wohl zu eng OLG München, Urt. v. 29.4.2015 – 7 U 185/15); LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2012 – 39 O 74/11; zust. Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (48 f); Oetker/ Busche § 92c Rn 3; Accentuate Ltd. v. Asgira Inc., Queen’s Bench Division (2009) EWHC 2655 (QB); aA Dathe NJOZ 2010, 2196 = NJW 2010, 3194; Quinke SchiedsVZ 2007, 246; Rühl IPRax 2007, 294 (297 ff.); Horn SchiedsVZ 2008, 210 (217 f.); Michaels/Kamman EWS 2001, 301 (310); Wauschkuhn/Flohr/Wauschkuhn/Teichmann2 § 92c Rn 44; Hopt § 92c Rn 12; Cour d’appel de Paris, Urt. v. 24.11.2005, Rev. arb. 2006, 770; i. E. auch ablehnend (aber zum Rechtszustand vor der RL BGH, Urt. v. 30.1.1961, NJW 1961, 1061 [1062]). Kleinheisterkamp RabelsZ 73 (2009), 818 (829) stimmt dem OLG München in seiner Entscheidung v. 17.5.2006 mit der Begründung zu, Schiedsgerichte seien nicht an die Kollisionsnormen der lex loci arbitrii gebunden. Der belgische Cour de Cassation v. 16.11.2006 (Van Hopplynus Instruments S.A. ./. Coherent Inc.), Rev. Dr. com belge 2007, 889 (890) m. Anm. Mertens sowie Kleinheisterkamp RabelsZ 73 (2009), 818 ff. hat eine im Ergebnis identische Entscheidung getroffen. Jedenfalls wäre eine klagstattgebende kalifornische Entscheidung in Europa anerkennungs- sowie vollstreckungsunfähig (Kleinheisterkamp RabelsZ 73 (2009), 818 [832 ff.]; Quinke SchiedsVZ 2007, 246 [250]). Übersicht der Rspr. Semler ZVertriebsR 2016, 139 (141 ff.). Zum Problem auch Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (153), insb. zur Übertragung der Rspr. auf den Vertragshändlerausgleich. 5141 Moritz ZVertriebsR 2017, 402 (403); Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (153); möglicherweise auch OGH Österreich, Urt. v. 1.3.2017 – 5 Ob 72/16 y, ZVertriebsR 2017, 397 m. Anm. Moritz sowie Eckardt IHR 2017, 126 f. Allerdings ist nicht ganz klar, ob die Entscheidung wirklich einen Vertragshändlerfall betrifft, oder nur einen HV, der kein Warenvertreter ist. Das Urteil spricht davon, der Mittler habe Aufgaben „gleich einem“ HV erfüllt und von „analoger Anwendung des § 24 HVertrG“, vgl. Moritz ZVertriebsR 2017, 402 ff. Es handelt sich aber nur um die Wiedergabe des Parteivortrages. Die Entscheidungsgründe, die auf eine HV-Tätigkeit und -Recht rekurrieren, sprechen eher dafür, dass es um einen HV-Fall und überschießendes Recht geht. Eckardt IHR 2017, 126 f. meint, dass von der Entscheidung des OGH kein HV betroffen war, so dass es nicht um die Anwendung der Art. 17, 18 RL ging, sondern um die Grundsätze von Unamar und international–zwingendem nationalen Recht. 5142 OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 29.12.2011 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18825; Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18704, bestätigt durch BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358). 5143 OLG München, Urt. v. 17.5.2006 – 7 U 1781/06, WM 2006, 1556 = EWiR 2006, 621 (Emde) m. partiell krit. Anm. Rühl IPRax 2007, 294. 5144 OGH Österreich, Urt. v. 1.3.2017 – 5 Ob 72/16 y, ZVertriebsR 2017, 397 m. Anm. Moritz zum österreichischen Recht – Schiedsvereinbarung und wohl Schifffahrts-HV. 5145 LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2012 – 39 O 74/11. 5146 Ebenso zum Recht Österreichs OGH Österreich, Urt. v. 1.3.2017 – 5 Ob 72/16 y, ZVertriebsR 2017, 397 m. Anm. Moritz. Man hätte auch mit dem Verfasser (Emde RIW 2003, 505 ff.) im Rahmen des § 29 ZPO einen Einheitserfüllungsort am vertrags- und rechtsprägenden Vertriebsort annehmen können, wie ihn im innereuropäischen Rechtsverkehr Art. 5 Ziff. 1 lit. b EuGVVO geschaffen hat. Die EuGVVO selbst war unanwendbar, da die allg. Zuständigkeitsvorschrift des Art. 2 EuGVVO nicht eingriff, vgl. Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (43). Emde

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sung (§ 21 ZPO)5147 zu. Der für § 23 ZPO erforderliche Inlandsbezug folge aus der Tätigkeit des HV in Deutschland. Zu denken wäre auch an den Gerichtsstand des § 29 ZPO, sofern das (allerdings unwirksam) gewählte Recht einen Gläubigergerichtsstand kennt,5148 schließlich (analog) Art. 7 Ziff. 1 lit. b EuGVVO an einen Gerichtsstand am Tätigkeitsort des HV.5149 Ist die Gerichtsstandsvereinbarung nach den „Ingmar-Grundsätzen“ unwirksam, so bestimmt sich der Gerichtsstand also nach den anwendbaren zivilprozessualen Regelungen.5150 Begründet wurde die Unwirksamkeit der auf einen außereuropäischen Gerichtsstand ver- 745 weisenden Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarung mit dem international zwingenden Charakters des § 89b, hergeleitet aus Art. 17–19 RL5151 (s. zur „Ingmar“-Entscheidung die Kommentierung zu § 92c). Man könnte die Unwirksamkeit auch aus Art. 9 Rom I-VO herleiten (auch dazu s. bei § 92c). Zur Unwirksamkeit genügt nach dem OLG München5152 die nahe liegende Gefahr, dass das Gericht bzw. Schiedsgericht des Drittstaates die Art. 17 ff. der RL nicht zur Anwendung bringe, was i. d. R. vermutet werden dürfe, wenn die Rechtsordnung des Drittstaates keine Vorschriften kenne, die ihnen entsprächen oder vergleichbaren Charakter tragen.5153 Um die Unwirksamkeit der Schiedsklausel anzunehmen, genügt nach Ansicht einiger Ge- 746 richte die nahe liegende Gefahr, dass das Schiedsgericht des Drittstaates die zwingenden Vorschriften der RL nicht zur Anwendung bringt, was i. d. R. vermutet werden soll, sofern die Rechtsordnung des Drittstaates keine Vorschriften kennt, die den RL-Vorschriften entsprechen.5154 Nach dem BGH ist ein deutscher Gerichtstand jedenfalls gegeben, sofern die Nichtanwendung europäischen Ausgleichsrecht sicher sei.5155 Sollte tatsächlich Sicherheit über den Ausgang des ausländischen Verfahrens gefordert sein – wann besteht sie eigentlich und lässt sich nicht schon der Ausgang eines deutschen Gerichtsverfahrens kaum sicher vorhersagen? – wäre dies eine sehr hohe Schwelle, die den Gerichten recht weite Erkenntnismöglichkeiten abverlangt. Unter Umständen müsste der Mittler erst die Entscheidung des fremden Gerichtes „austesten“,5156 was zeitlich u. a. verjährungsrechtliche Probleme bringt. Wahrscheinlich wird 5147 OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11, bestätigt durch BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358).

5148 Heinicke ZVertriebsR 2013, 275 (276). Da das unwirksam gewählte Recht unmaßgeblich ist, wird man ihm – entgegen Heinicke – wohl keinen Erfüllungsort entnehmen dürfen.

5149 Emde EWiR 2006, 621. 5150 Eckhoff GWR 2012, 486. 5151 OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 29.12.2011 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18825; Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18704, bestätigt durch BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und Eckhoff GWR 2012, 486 und zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358); OLG München, Urt. v. 17.5.2006 – 7 U 1781/06, WM 2006, 1556 = EWiR 2006, 621 (Emde) m. partiell krit. Anm. Rühl IPRax 2007, 294; s. auch Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (49). Die Entscheidungen liegen auf der Linie von BGH, Urt. v. 1.12.2005 – VIII ZR 191/03, RIW 2006, 144 (zu einer Gewinnzusage). 5152 OLG München, Urt. v. 17.5.2006 – 7 U 1781/06, WM 2006, 1556 = EWiR 2006, 621 (Emde) m. partiell krit. Anm. Rühl IPRax 2007, 294. Abgrenzend und wohl zu eng OLG München, Urt. v. 29.4.2015 – 7 U 185/15. 5153 OGH Österreich, Urt. v. 1.3.2017 – 5 Ob 72/16 y, ZVertriebsR 2017, 397 m. Anm. Moritz (nicht von der RL erfasster HV oder Vertragshändler und nach NY weisende Schiedsabrede). Im Ergebnis auch BGH NJW 1984, 2037, zu I 1.Vgl auch Dathe NJOZ 2010, 2196 (2200), der allerdings aA ist. 5154 Sofern sowohl Unternehmer wie HV Deutsche und in Deutschland tätig sind, soll kein schutzwürdiges Interesse an der Vereinbarung eines außereuropäischen (Schieds-)Gerichtsstands bestehen (Dathe NJOZ 2010, 2196, 2201; BGH, NJW 1961, 1061, 1062 – dort aus § 134 BGB hergeleitet). Eine Ausnahme soll gelten, wenn die Vertragsverhandlungen im Drittstaat stattfinden oder die überseeische Muttergesellschaft ihre Verträge durch eine Tochtergesellschaft abschließen lässt. 5155 BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358). Ähnlich OGH Österreich, Urt. v. 1.3.2017 – 5 Ob 72/16 y, ZVertriebsR 2017, 397 m. Anm. Moritz: es verblieben keine vernünftigen Zweifel. Magnus IHR 2018, 49 (59) fordert eine „hohe Wahrscheinlichkeit“. 5156 So im Fall OGH Österreich, Urt. v. 1.3.2017 – 5 Ob 72/16 y, ZVertriebsR 2017, 397 m. Anm. Moritz, in dem es bereits einen Teilschiedsspruch zur Frage des anwendbaren Rechts gab. 445

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man keine Sicherheit verlangen müssen, weil sie sich kaum prognostizieren lässt.5157 Die Gerichtsstandsklausel ist sogar dann unwirksam, wenn das derogierte Drittlandsrecht den fehlenden Ausgleichsanspruch wirtschaftlich kompensiert, etwa durch höhere Provisionen5158 (das dürfte dann nach deutschem und europäischem Recht unter den Gesichtspunkten „Vorauserfüllung“ und „Billigkeit“ zu prüfen sein). Denn „Ingmar“ hat den international zwingenden Charakter der RL bejaht, ohne nach dem Inhalt des gewählten Drittlandrechts zu differenzieren.5159 Auch der in Deutschland oder Polen für eine Schweizer Firma tätige HV, welcher die Geltung des Schweizer Rechts vereinbart hat, kann sich auf die Entscheidungen berufen, weil ihm nach Schweizer Recht ein geringerer Ausgleich auf Kundschaftsentschädigung gem. Art. 418 u OR zusteht.5160 Die vorgenannten Entscheidungen lehnen sich an den BGH5161 an, der bereits 1961 ausführte, die in einem HV-Vertrag getroffene Vereinbarung ausländischen Rechts und eines ausländischen Gerichtsstandes könne im Einzelfall unwirksam sein, falls sie dem Zweck diene und praktisch dazu führe, dass das Recht des prorogierten Landes vereinbart werde, obwohl die Parteien die Anwendung des ausländischen Rechts nicht wirksam vereinbaren könnten. Auf die kaum feststellbare individuelle Schutzbedürftigkeit des HV kommt es nicht an.5162 Die Gerichtsstandklausel ist dann in Bezug auf den Ausgleichsanspruch unwirksam. Ob sie insgesamt unwirksam ist, bestimmt sich nach nationalem Recht.5163 Zumindest nach deutschem Recht ist dies anzunehmen: Die Unwirksamkeit ist umfassend. Die Gerichtsstandsklausel kann nicht für einzelne Ansprüche aus dem Vertriebsvertrag, etwa Provisionsansprüche,5164 aufrechterhalten bleiben.5165 Schon die Rechtssicherheit fordert eine klare Rechtsfolge, zumal anderenfalls unsicher bliebe, welche Teile des Rechtsstreits vor welches Forum gehören. 747 Gelegentlich wird versucht, diesen verfahrensrechtlichen Schutz mit dem Argument zu widerlegen, bei mangelnder finanzieller Fähigkeit zur Durchführung des (ausländischen) Schiedsverfahrens dürfe ein Vertriebsmittler zu den ordentlichen Gerichten ausweichen.5166 Jene Argumentation widerlegt den Schutzzweck der oben zitierten Entscheidungen aber nicht. Denn zum einen handelt es sich bei fehlenden finanziellen Mitteln um einen eher seltenen Ausnahmefall. Zum anderen ist unsicher, ob ein im Ausland angerufenes Schiedsgericht diesen Einwand beachten wird. Und schließlich muss selbst bei Wegfall der Schiedsklausel nicht zwingend ein deutscher Gerichtsstand gegeben sein.5167 Wenn nach diesen Maßstäben sogar über eine Gerichtsstandsvereinbarung hinweggegan748 gen werden kann, wird es umso leichter fallen, bei Fehlen einer Gerichtsstandsvereinbarung einen deutschen Gerichtsstand zu finden.5168 Denn es ist ein Schritt weniger, nämlich das Negieren der Gerichtsstandsabrede, erforderlich. Das Beiseitesetzen der von den Parteien gewählten 5157 Emde RIW 2016, 104. 5158 BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und Eckhoff GWR 2012, 486 Rn 6 sowie zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358).

5159 BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und Eckhoff GWR 2012, 486 sowie zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358).

5160 Heinicke ZVertriebsR 2013, 275 (280); Thume IHR 2006, 69; Detzer/Ullrich Internationale Vertriebsvereinbarungen 2014, S. 177; i. E. auch LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2012 – 39 O 74/11. Anders mglw., sofern das ausländische Recht eine gleichwertige Vertragsentschädigung kennt, s. dazu Semler in: FS Wegen, 2015, S. 743 (748). 5161 BGH NJW 1961, 1061 (1062). 5162 AA Quinke SchiedsVZ 2007, 246 (249). 5163 Magnus IHR 2018, 49 (59). 5164 OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 29.12.2011 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18825; Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11, BeckRS 2012, 18704, bestätigt durch BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und Eckhoff GWR 2012, 486 sowie zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358); aA Ayad/Schnell BB 2012, 3104, die auf die vorrangigen Regeln des IZPR für die Bestimmung des Gerichtsstandes hinweisen. 5165 Magnus IHR 2018, 49 (59). 5166 So Ouinke SchiedsVZ 2007, 246, 251. 5167 Siehe OLG München, Urt. v. 29.4.2015 – 7 U 185/15, ZVertriebsR 2015, 368 m. Anm. Emde. 5168 Emde ZVertriebsR 2015, 384 ff.; aA OLG München, Urt. v. 29.4.2015 – 7 U 185/15. Emde

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Zuständigkeitsordnung (§ 38 ZPO) ist ein tiefgehender Eingriff als in die bloße gesetzliche Hilfszuständigkeit der §§ 12 ff. ZPO, die nur maßgeblich sind, sofern die Parteien keinen anderen Willen geäußert haben. Außerdem gehen Europarecht (RL) und seine Wertungen einschließlich einer „Ingmar-konformen“ Auslegung deutschen (Zuständigkeits-)Recht vor.5169 Siehe deshalb zum „Ingmar-Gerichtstand“ am Sitz des Vertriebsmittlers oben.

bb) Ausdehnung des Schutzes auf andere zwingende Vorschriften als den Ausgleichs- 749 anspruch? Was für den zwingenden Ausgleichsanspruch gilt, muss hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs dieses verfahrensrechtlichen Schutzes auch für alle anderen zwingenden Normen und Ansprüche der RL gelten und erst recht für Ansprüche, die der Durchsetzung des zwingenden Ausgleichsrechts gelten, also z. B. einer vorbereitenden Informationsklage.5170 Dabei wird es für den von „Ingmar“ geforderten starken Gemeinschaftsbezug ausreichen, 750 wenn der HV zumindest ein Großteil seiner Tätigkeiten in Deutschland ausübt,5171 etwa dort seinen Sitz hat.

cc) Verfahrensrechtlicher Schutz der europäischen Rechte voreinander? Es verbleibt die 751 Frage, ob auch der Schutz europäischer Rechte voreinander zur Unwirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung führen kann. Soweit es um den Verweis zu staatlichen Gerichten innerhalb der EU geht, ist dies trotz der Unamar-Entscheidung5172 eher zweifelhaft. Bei der Wahl staatlicher Gerichte ist der Streit auch von geringer Relevanz. Denn bei Entfallen der Gerichtsstandsvereinbarung griffe der Einheitsgerichtsstand des Art. 7 EuGVVO ein. Art. 25 EuGVVO als europäisches Recht erkennt die Wahl eines Gerichtsstandes an. Bei staatlichen EU-Gerichten darf erwartet werden, dass sie die Ausssagen europäischen Rechts, namentlich der RL und des nach der Rom I-VO international-zwingenden Rechtes eines Mitgliedsstaates, anerkennen. Peschke5173 bemerkt folglich, eine Entscheidung, die eine in das ausgleichsfeindliche Ausland weisende Gerichtsstands- oder Schiedsklausel für unwirksam hielte, erginge nur bei Anwendbarkeit des autonomen nationalen Zuständigkeitsrechts. Eine Vereinbarung zugunsten mitgliedschaftlicher Gerichte dürfte bei Geltung der EuGVVO kaum aus diesem Grunde für unwirksam erklärt werden.5174 Anders mag man bei der Vereinbarung eines innerhalb der EU tagenden Schiedsgerichtes urteilen, sofern die Missachtung zwingenden (EU-)Rechts droht5175 (dazu Rn 743 ff.).

dd) Ausdehnung der Ingmar-Rechtsprechung? Zum personellen Schutzbereich ist zu fra- 752 gen: Der von staatlichen Gerichten angenommene Schutz könnte ausscheiden, sofern die RL 5169 Emde ZVertriebsR 2015, 384 (385). 5170 Emde RIW 2016, 104; Emde ZVertriebsR 2015, 384 (385/386); Flohr/Wauschkuhn/Billing Vertriebsrecht2 Vorb § 84 Rn 74 f.; Ebenroth/Löwisch3 Anh. § 92c Rn 15a (falls alle Elemente des Sachverhaltes in der EU liegen); Oetker/ Busche4 § 92c Rn 3; Detzer/Ullrich Internationale Vertriebsvereinbarungen 2014, S. 178 (bei Vertriebsgebiet in der EU). 5171 OLG München, Urt. v. 17.5.2006 – 7 U 1786/06, WM 2006, 1556 = EWiR 2006, 621 (Emde);Flohr/Wauschkuhn/ Billing Vertriebsrecht2 Vorb § 84 Rn 74. 5172 EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-184/12 Rn 48 f., EWS 2013, 422 = RIW 2013, 874 = EWiR 2014, 11 (Mankowski) m. Anm. von Bodungen BB 2014, 403 sowie Gräfe/Giesa ZVertriebsR 2014, 29 (Schifffahrts-HV). 5173 Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (153). 5174 Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (153). 5175 GA Wahl hielt es deshalb in seinen der Unamar-Entscheidung vorausgehenden Schlussanträgen für überrraschend, dass die Frage der Nichtberücksichtigung der dortigen Wahl eines Schiedsgerichtes nicht auch dem EuGH vorgelegt wurde, vgl. Schlussanträge v. 15.5.2013 – C-184/12 Rn 22. 447

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nach ihrem Art. 1 Abs. 2 unanwendbar ist, etwa außerhalb des Rechts der Waren vertreibenden HV. Darüber wird diskutiert, weil zumindest das deutsche HV-Recht „überschießend“ umgesetzt wurde, so dass es auch für andere als die von der RL erfassten Waren-HV gilt (Rn 41 ff.). Überwiegend wird heute vertreten, die RL-Vorschriften seien auch auf nicht von der RL erfasste Mittler anzuwenden, sofern die ggf. auch nur analoge Anwendung einer nationalen Vorschrift in Frage stehe, welche auf der RL beruhe, etwa auf Dienstleistungs-HV,5176 Vertragshändler und FN. Das spricht dafür, dass der von Ingmar gewährte Schutz auch für nicht von der RL erfasste Mittler gilt.5177 Entsprechendes muss dann für den verfahrensrechtlichen Schutz zutreffen, zumal der BGH die Gleichstellung von HV und Vertragshändlern betont.5178 Eingewandt werden könnte jedoch, das Vertragshändler- und Franchiserecht sei nicht kodifiziert, was gegen seine international-zwingende Natur streite (s. § 92c Rn 70 ff.). Entsprechend hat der OGH Wien5179 vor dem Hintergrund der Ingmar- und Unamar-Rspr. eine nach NY weisende Schiedsabrede für unwirksam gehalten und für einen nicht von der RL erfassten Schifffahrtsvertreter, vielleicht sogar für einen Vertragshändler,5180 den nach österreichischem Recht gegebenen Gerichtsstand des Vermögens für maßgeblich gehalten, sofern der Mittler innerhalb der EU tätig war. 753 Fraglich ist ferner, ob der aus der Ingmar-Entscheidung hergeleitete Schutz auch bei ausländischem Vertriebsgebiet, aber Vertragsschluss mit einem innerhalb der EU ansässigen HV eingreift?5181 Man wird die Anwendung im HV-Recht (außerhalb des Waren-HV-Rechts) zumindest bejahen müssen, wenn der HV – hierfür spricht eine Vermutung – den Schwerpunkt seiner Tätigkeit am innereuropäischen Sitz ausführt. Nach Ansicht von Dathe5182 führt das Ingmar-Urteil des EuGH sowie die inhaltsgleiche Rege754 lung des Art. 9 Rom I-VO außer im Fall des Provisionsdumpings nicht dazu, dass ein am außereuropäischen Gerichtsstand erstrittenes Urteil innerhalb Europas wegen Verstoßes gegen den anerkennungsrechtlichen ordre public nicht anerkannt oder vollstreckt werden kann. Für diese Ansicht spricht nach Ansicht von Dathe bereits § 92c Abs. 2, demzufolge auch dem innerhalb Europas tätigen Schifffahrtsvertreter kein Ausgleichsanspruch zusteht (dieser fällt allerdings auch nicht unter die RL). Ggf. müsste die Frage nach Ansicht von Dathe auf eine Vorlage nach Art. 267 AEUV durch den EuGH geklärt werden. Sofern allerdings sowohl Unternehmer wie HV Deutsche und in Deutschland tätig sind, besteht kein schutzwürdiges Interesse an der Vereinbarung eines außereuropäischen (Schieds-)Gerichtsstands.5183 Eine Ausnahme soll gelten, wenn die Vertragsverhandlungen im Drittstaat stattfinden oder die überseeische Muttergesellschaft ihre Verträge durch die Tochtergesellschaft abschließen lässt.5184 5176 Auch der Fall OGH Österreich, Urt. v. 1.3.2017 – 5 Ob 72/16 y, ZVertriebsR 2017, 397 m. Anm. Moritz betrifft entweder einen nicht von der RL erfassten HV (Vermittlung von Schiffsraum), vielleicht sogar einen Vertragshändler. 5177 OGH Österreich, Urt. v. 1.3.2017 – 5 Ob 72/16 y, ZVertriebsR 2017, 397 (401) m. Anm. Moritz; Winkler v. Mohrenfels ZVertriebsR 2014, 281 (285); Gräfe/Giesa ZVertriebsR 2014, 29 (34); aA Wauschkuhn ZVertriebsR 2016, 79 (85) – Vertragshändler; Semler in: FS Wegen, 2015, S. 743, 747 zum Schiedsverfahren; Hagemeister RIW 2006, 498 (502); Wauschkuhn/Teichmann § 92 Rn 42, 54; Teichmann Art. 9 Rom I-VO Rn 29; Valdini S. 335. Dies hält auch Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (153) für möglich, die aber zumindest die Übertragung auf Schiedsabreden für problematisch hält. 5178 BGH, Urt. v. 25.2.2016 – VII ZR 102/15, NJW 2016, 1885 m. krit. Anm. Kindler NJW 2016, 1855 = BB 2016, 845 (846) = RIW 2016, 454 m. Anm. Mankowski. 5179 OGH Österreich, Urt. v. 1.3.2017 – 5 Ob 72/16 y, ZVertriebsR 2017, 397 (401) m. Anm. Moritz. 5180 Der Sachverhalt spricht davon, der Mittler sei „wie“ ein HV eingebunden gewesen, bennent den Vertrag aber als Agency Agreement. Jedenfalls wurde das Problem, ob die Ingmar-Rspr. auch für den Vertragshändler gilt, im Urteil nicht diskutiert. 5181 Vgl. Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (153). 5182 Dathe NJW 2010, 3194 = NJOZ 2010, 2196. 5183 Dathe NJOZ 2010, 2196 (2201); BGH NJW 1961, 1061 (1062) zu 3b – dort aus § 134 BGB hergeleitet. 5184 Dathe NJOZ 2010, 2196 (2201). Emde

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ee) Schutz durch die §§ 305 ff. BGB? Eine zweite Schutzalternative ist ein Schutz durch 755 die §§ 138,5185 305 ff. BGB5186: Wie ausgeführt ist HV-Recht meist AGB-Recht.5187 Allerdings liegt bei Gerichtsstandsklauseln, es sei denn, sie wurden im Vertrag „versteckt“, regelmäßig kein Fall einer überraschenden Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB vor, auch nicht bei Verwendung von Gerichtsstandsklauseln in internationalen Vertriebsverträgen.5188 Bereits unter der Geltung des EuGVÜ war umstritten, ob Art. 17 EuGVÜ (= Art. 25 EuGVVO) auch die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB verdrängt5189 oder ob § 307 BGB neben dieser Norm anwendbar blieb.5190 Zunächst muss bei Gerichtsstandsbestimmungen in AGB neben einem unzweideutigen Hinweis auf die AGB die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme in Form des Zugänglichmachens des Klauselwerks bestehen. Dazu reicht es nicht aus, falls die AGB auf der Rückseite eines Geschäftsschreibens abgedruckt werden; vielmehr muss die Bezugnahme eindeutig erfolgen.5191 Auch ist es ungenügend, wenn sie der Gegenseite erst später zugänglich gemacht werden.5192 Teilweise wird aus § 38 Abs. 1 ZPO die Zulässigkeit der internationalen Prorogation abgeleitet, weshalb eine Inhaltskontrolle nicht oder nur in Ausnahmefällen eingreifen soll.5193 Andere wollen eine Ausnahme machen, wenn es sich für einen der kaufmännischen Vertragspartner um ein Privatgeschäft handelt oder der vorgeschriebene Gerichtsort keine ausreichende Beziehung zum Rechtsgeschäft aufweist.5194 Eine weitere Meinungsgruppe sieht wegen der weitgehenden Akzeptanz von Gerichtsstandsklauseln eine Benachteiligung nur als gegeben an, sofern zusätzliche Umstände hinzutreten, die nicht durch das berechtigte Interesse des Klauselverwenders ausgeglichen werden.5195 Es könnte angesichts der maßstabsetzenden Wertung der EuGVVO diskutiert werden, eine vom Einheitsgerichtsstand am Tätigkeitsort (Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO) abweichende AGB-Gerichtsstandsklausel für mit § 307 BGB unvereinbar und unwirksam zu halten.5196 Ob das die Anwendbarkeit des Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO voraussetzt, d. h. den Sitz des Beklagten innerhalb der EU, könnte diskutiert werden, ist aber angesichts seines wertsetzenden Gehalts zweifelhaft. Jedoch wird der Schutz ausländischer Gerichtsstände vor einer nach Deutschland weisenden Gerichtsstandsklausel regelmäßig nicht Aufgabe des § 307 BGB sein. In diese Richtung geht ein Beschl. des OLG Bremen5197: Zu einem Vollstreckbarkeitserklärungsverfahren nach §§ 1060, 1061 ZPO entschied es, für einen in Deutschland ansässigen FN stelle es 5185 5186 5187 5188 5189 5190

Semler ZVertriebsR 2016, 139 (143). Emde EWiR 2006, 621 (622); Emde RIW 2003, 505 (508 f.). Martinek/Flohr/Pohl3 § 17 Rn 102, 112. Ebenroth/Kindler2 § 92c Anh. Rn 42. Gottwald FS Firsching, S. 89, 103 f.; Grüter DB 1978, 381 (384); Ebenroth/Kindler2 § 92c Anh. Rn 30. OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.12.1981 – 14 U 4/81, NJW 1982, 1950 f.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.1.1989 – 16 U 77/ 88, NJW-RR 1989, 1330 (1332 f.); Landfermann RIW 1977, 445 (448). 5191 EuGH, Urt. v. 14.12.1976 – 24/76, „Estasis Safotti/RÜWA“, EuGHE 1976, 1831 (1841) = NJW 1977, 494; BGH, Urt. v. 26.3.1992 – VII ZR 258/91, RIW 1992, 756 (758); Ebenroth/Kindler2 § 92c Anh. Rn 34. 5192 EuGH, Urt. v. 14.12.1976 – 24/76, „Estasis Safotti/RÜWA“, EuGHE 1976, 1831 (1841 f.) = NJW 1977, 494; v. 14.12.1976 – 25/76, NJW 1977, 495; Sieg RIW 1998, 102 (103 f.). 5193 OLG Köln, Urt. v. 28.4.1975 – 10 U 195/74, VersR 1976, 537 f.; ähnlich LG Bielefeld, Urt. v. 27.1.1977 – 13 S 74/ 76, MDR 1977, 672. 5194 OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.12.1981 – 14 U 4/81, NJW 1982, 1950 f.; LG Karlsruhe, Beschl. v. 3.9.1973 – 5 O 142/ 73, BB 1973, 1604; Schiller NJW 1979, 636 (637). 5195 OLG Hamburg, Urt. v. 30.12.1985 – 11 U 159/85, RIW 1986, 462 (464); Ebenroth/Kindler2 § 92c Anh. Rn 43. 5196 Emde RIW 2003, 505 (508 f.); ähnlich OLG Karlsruhe v. 30.12.1981, NJW 1982, 1950; OLG Düsseldorf v. 6.1.1989, NJW-RR 1989, 1330 (1331); Landfermann RIW 1977, 445 (448); vgl. zur Rechtswahlklausel Emde MDR 2002, 190 (198); aA Hopt/Tzouganatos/Mankowski 131 (136); Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (51 ff.) unter eingehender Auseinandersetzung mit der Ansicht des Verfassers. 5197 OLG Bremen, Beschl. v. 30.10.2008 – 2 Sch 2/08, OLGR 2009, 155; ähnlich die Rspr. anderer OLG, vgl. Schulz/ Niedermaier SchiedsVZ 2009, 196. Auch das OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2013 – VI-U (Kart) 1/13, BeckRS 2014, 12436 nimmt im Rahmen der AGB-Prüfung die Unwirksamkeit einer solchen Schiedsvereinbarung an. Allerdings fragt sich, wo die Abweichung vom dispositiven Recht liegt. Zwar wären ohne Schiedsvereinbarung ordentliche Gerichte zuständig. Aber der Gerichtsstand läge – Ingmar beiseitegedacht – noch immer im Ausland, jedenfalls nach h. M. 449

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bei Geltung österreichischen Rechts eine einseitige gröbliche Benachteiligung i. S. v. § 879 Abs. 3 östABGB dar, wenn er sich einer formularmäßigen Schiedsabrede mit einer Gerichtsstandsvereinbarung unterwerfe, nach der Streitigkeiten mit der niederländischen Franchisegeberin über einen Franchisebetrieb betreffend den Verkauf von Salaten und Sandwichs in New York auszutragen seien. Der Sitz der Muttergesellschaft rechtfertige die Gerichtsstandsvereinbarung nicht. Den Rechtsgedanken wird man auf § 307 BGB übertragen können, jedoch nur, wenn deutsches Rechts anwendbar ist. Die Prüfung nach § 307 BGB hat, trotz aller Bedenken, den Vorteil, dass sie sich weniger am recht grobkörnigen Kriterium des Vertriebsortes orientiert als an der Rechtsnatur und der Rechtstypik des Vertriebsvertrages und -systems, in den vorgenannten Fällen etwa eines Vertriebssystems finanzschwacher Einzelfranchisenehmer.5198 Sie kann selbst dann zu akzeptablen Ergebnissen führen, wenn der Schutz der RL nicht greift, z. B. falls trotz einer ins außereuropäische Ausland weisenden Rechtswahl- und Gerichtsstandsklausel § 89b im Vertrag für anwendbar erklärt wird.5199 Dem widersprechen Teile der Rspr.: Gegenüber einem deutschen HV dürfe durch AGB ein ausländischer Gerichtstand am Sitz des Unternehmers (hier: Frankreich) vereinbart werden (Art. 25 EuGVVO). Das Schutzbedürfnis des HV führe auch nicht analog Artt. 15, 17, 18, 19 und 21 EuGVVO zur Unwirksamkeit der Gerichtstandsklausel, da ein HV weder einem Arbeitnehmer noch einem Verbraucher gleichstehe.5200 Man könnte auch im Rahmen der AGB-Prüfung daran denken, den Prüfungsmaßstab am 756 Ingmar-Urteil zu orientieren und trotz innereuropäischer Tätigkeit auf einen Gerichtsstand außerhalb der EU weisende Vereinbarungen wegen des mangelnden Schutzes für unwirksam zu halten,5201 wobei innereuropäische Verweisungen aber auch hier wohl anzuerkennen wären. Das Ingmar-Urteil charakterisiert insoweit das Leitbild i. S. d. § 307 BGB. Jedoch müsste der Schutz wohl von der RL nicht erfasste Vertriebsmittler ausnehmen. Dies gilt auch innerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO. Zwar ist der Begriff einer Gerichtsstandsvereinbarung i. S. d. Art. 25 VO EuGVVO im Grundsatz gleichfalls autonom auszulegen.5202 Richtigerweise sind jedoch die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 25 Abs 1 lit. a und b EuGVVO nach dem IPR der lex fori zu prüfen.5203 Damit ist auch eine Prüfung anhand des § 307 BGB möglich.5204 Ebenso kann überprüft werden, ob überhaupt eine Prorogationsbefugnis nach § 38 ZPO vorlag.5205 Sie fehlt, wenn der HV kein Kaufmann ist. Angesichts der Gleichwertigkeit der Interessen beider Parteien an einem Heimatgerichtsstand könnte aber jedenfalls bei wirtschaftlicher Parität an einer unangemessenen Benachteiligung einer Partei durch die Gerichtsstandsklausel gezweifelt werden. Nach Ansicht von Niebling5206 kann durch AGB nicht von dem Gerichtsort der hauptsächlichen Leistungserbringung abgewichen werden, sofern es um Schadensersatzklagen wegen einer Kündigung geht. 5198 Wobei es auch in solchen Vertriebssystemen finanzkräftige Franchisenehmerketten gibt. 5199 Semler ZVertriebsR 2016, 139 (143/144); Semler in: FS Wegen, 2015, S. 743 (748); Antomo, http:// blogs.law.nyu.edu/transnational/category/conflict-of-laws/. Sollte dieser Gestaltungsempfehlung gefolgt werden, entfiele das Unwirksamkeitsargument aus Artt. 17–19 RL, § 89b; s. Semler ZVertriebsR 2016, 139 (143/144); Semler in: FS Wegen, 2015, S. 743 (748). 5200 OLG Hamburg, Urt. v. 14.4.2004 – 13 U 76/03, NJW 2004, 3126; aA Emde RIW 2003, 505. 5201 Hiergegen mit beachtenswerten Argumenten Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (31 ff.). 5202 Thomas/Putzo/Hüßtege Art. 5 Rn 3. 5203 OLG Saarbrücken NJW 1992, 987; MünchKommBGB/Martiny vor Art. 27 EGBGB Rn 50; Mankowski IPRax 1996, 427; Thomas/Putzo/Hüßtege Art. 5 Rn 4; für die Gerichtsstandsvereinbarung in einer Satzung auch EuGH NJW 1992, 1671. 5204 OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 1330; Landfermann RIW 1977, 448; aA MünchKommZPO/Gottwald Art. 17 EuGVÜ Rn 63; Graf v. Westphalen Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Gerichtsstandsklauseln, Rn 56. 5205 AA: autonome Auslegung nach Art. 25 VO EuGHE 1979, 3423 = NJW 1980, 1218; BGH NJW 1980, 2022; OLG München NJW 1982, 1951; Hopt/Tzouganatos/Mankowski 131 (136); Graf v. Westphalen Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Gerichtsstandsklauseln, Rn 54. 5206 Niebling MDR 2019, 907 (913). Emde

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IX. Schiedsabreden 1. Einführung Für Schiedsabreden gelten die zu Gerichtsstandsklauseln genannten Grundsätze entspre- 757 chend.5207 Nach Auskunft der ICC5208 entfällt ein Großteil der bei ihr anhängigen Schiedsverfahren auf vertriebsrechtliche Streitigkeiten, insb. auf HV-, Vertragshändler- oder Franchisestreitigkeiten mit internationalem Charakter.5209 Martinek schätzt einen Anteil von ¼ vertriebsrechtlicher Schiedsverfahren.5210 Dies liegt an der Stärke der deutschen Exportwirtschaft, die deutsches Recht in fremde Regionen betreffende Vertriebsverträge exportiert. Vertriebsstreitigkeiten sind schiedsfähig (s. Rn 757 ff.)5211 und Entscheidungen staatlicher Gerichte in vielen Staaten nicht anerkennungsfähig – anders als verfahrensabschließende Entscheidungen von Schiedsgerichten. Da eine Vielzahl von Staaten das New Yorker-Übereinkommen vom 10.6.1958 (NYC)5212 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche unterzeichnet haben, ist – gerade in arabischen Staaten5213 – die Vollstreckung von Schiedssprüchen leichter als die der Entscheidungen staatlicher Gerichte.5214 Dies zwingt zu Schiedsabreden. Gelegentlich einigen sich die Parteien auch nach – u. U. längeren – Auseinandersetzungen vor staatlichen Gerichten unterschiedlicher Nationalität auf eine Schiedsvereinbarung, um die Angelegenheit zu fördern. Angesichts ihrer praktischen Relevanz besteht Anlass, solche vertriebsrechtlichen Streitigkeiten zu beleuchten.5215

5207 OLG München, Urt. v. 17.5.2006 – 7 U 1781/06, WM 2006, 1556 = EWiR 2006, 621 (Emde) m. partiell krit. Anm. Rühl IPRax 2007, 294; Emde RIW 2016, 104; LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2012 – 39 O 74/11; in diese Richtung auch OLG Bremen, Beschl. v. 30.10.2008 – 2 Sch 2/08, OLGR 2009, 155; Mankowski Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, 19 (53 f); zu Rechtswahlklauseln EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – C-381/98, ZIP 2000, 2108 = BB 2001, 10; aA Cour d’appel de Paris, Urt. v. 24.11.2005, Rev. arb. 2006, 770. Dathe NJOZ 2010, 2196 (2199/2200) = NJW 2010, 3194 lehnt die Unzulässigkeit der in das außereuropäische Ausland weisenden Schiedsklauseln bei innereuropäischer Tätigkeit des HV ab. 5208 International Chamber of Commerce (ICC). Ähnlich bei der VIAC (International Arbitral Centre of the Austrian Federal Economic Chamber); s. Sippl/Sedrati-Müller, in: Conrad/Münch/Black-Branch, International Commercial Arbitration, 2013, § 6 Rn 6.29: 13 %. 5209 Internationalen Charakter tragen Vertriebsverträge mit Parteien verschiedener Staaten oder Verträge betreffend ein nicht ausschließlich deutsches Vertragsgebiet. Zur Abgrenzung Weigand, in: Weigand Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2002, Part 1 Rn 45 ff. 5210 Martinek ZVertriebsR 2019, 67. 5211 Magnus IHR 2019, 49 (59); Semler in: FS Wegen, 2015, S. 743 ff. (745); Thume, in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts I, 5. Aufl. 2015, Kap. XI Rn 159; Hopt § 92c Rn 12. Weder die zwingende Natur des HVRechts, das Verzichtsverbot des § 89b noch kartellrechtliche Streitpunkte stehen entgegen; s. Hopt § 92c Rn 12; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rn 200, 638; Baumbach/Hartmann § 1030 Rn 4. 5212 Das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche v. 10.6.1958 (Englisch: „Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards“) verpflichtet die unterzeichnenden Staaten, Schiedsvereinbarungen als Ausschluss des gerichtlichen Rechtswegs zu akzeptieren und Schiedssprüche der in anderen Staaten durchgeführten Schiedsverfahren anzuerkennen und zu vollstrecken. Es gibt immer noch ca. 50 Länder, die keine Mitgliedstaaten der NYC bzw. der beiden Genfer Schiedskonventionen sind. In diesen Ländern kann gleichwohl nach nationalen Schiedsgesetzen die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbart werden; näher Detzer/Ullrich, Internationale Vertriebsvereinbarungen, 2014, S. 163. Zum NYC Wolff, NYC, 2012. 5213 Bälz RIW 2012, 354; Trittmann, Mitteilungsblatt DAV Internationaler Rechtsverkehr I/15 Nr. 49, S. 6. 5214 Vgl. Thume Kap. XI Rn 159; Wauschkuhn/Teichmann, in: Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht2 § 92c Rn 37. 5215 Vgl. bereits Emde RIW 2016, 104 ff.; Semler in: FS Wegen, 2015, S. 743; sowie Risse/Spehl, ZVertriebsR 2012, 151: Das vertriebsrechtliche Schiedsverfahren sei ein Marathon, kein Sprint, ein Schiedsverfahren kein staatlicher Prozess, die klare Positionierung gegen/für die „document production“ erforderlich, meist würden zwischen 30– 70 % der Klagsumme zuerkannt, so dass eine Zuvielforderung strategisch gewünscht sein könne. Es müsse nicht der „beste“, sondern der „richtige“ Schiedsrichter gewählt werden, bei seiner Wahl sei die Zusammensetzung des 451

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Martinek5216 schlägt deshalb die Bildung eines institutionellen Vertriebs-Schiedsgerichts vor und macht dafür Vorschläge. 758 Vertriebsrechtliche Schiedsverfahren geben spezielle Probleme. Ausgeprägt ist die Bedeutung international-zwingenden Rechts. So kann eine nach Deutschland weisende Rechtswahlund Gerichtsstandsabrede infolge international-zwingenden Rechts des ausländischen Vertriebsorts unwirksam sein. Spiegelbildlich verweigert jedenfalls europäisches HV-Recht außerhalb Europas weisenden Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln ihre Wirksamkeit. Dies gilt zumindest, sofern zwingendes Ausgleichsrecht (Artt. 17–19 RL) derogiert oder seine Durchsetzung erschwert wird. Wie auch immer man es begründet, dass sich ein aus Sicht der gewählten Rechtsordnung fremdes Administrativrecht durchsetzt, steht zu erwarten, dass ein internationales Schiedsgericht jenes Eingriffsrecht anwendet. 759 Im Einzelnen5217:

2. Inhalt der Streitigkeiten 760 Worum geht es in internationalen vertriebsrechtlichen Schiedsverfahren? Klassisch sind Auseinandersetzungen über Provisionsansprüche, den Ausgleichsanspruch und Schadenersatz infolge einer angeblich unberechtigten Kündigung. Der Streitwert solcher Auseinandersetzungen valutiert meist signifikant oberhalb des Streitwerts der Verfahren vor staatlichen Gerichten. Allein der Provisionsanspruch für die Vermittlung von Geschäften des Anlagenbaus (Beispiel: Ölraffinerien) kann Millionenhöhe pro Objekt erreichen. Häufiger sind Streitigkeiten aus HV- und Vertragshändlerverträgen, seltener aus Franchiseverträgen, außer vielleicht Master-Franchiseverträgen. Internationale Schiedsverfahren dienen vorwiegend dem Zweck, die Vollstreckungsfähigkeit der Entscheidung zu sichern. Häufig ist die Wahl eines Schiedsverfahrens auch ein Kompromiss, da keine Partei ein staatliches Gericht am Sitz der anderen Partei akzeptieren will.5218 Nationale Schiedsverfahren sichern eher den Geheimnisschutz.5219

3. Schieds- und Rechtswahlklausel 761 a) Schiedsort und Schiedsgerichtsordnung. In Vertriebsverträge mit deutschen Unternehmen eingefügte Schiedsklauseln5220 mit Bezug zur ICC oder zu „neutralen Ländern“ sind häufig, etwa SCC,5221 VIAC5222 und – auch wegen der räumlichen Nähe im Vordergrund stehend – zu Schweizer Schiedsgerichten (etwa Swiss-Rules), z. T. vermittelt über ICC-Schiedsklauseln mit Schweizer Schiedsort.5223 Die Vorteile eines institutionalisierten gegenüber einem Ad-hocSchiedsgerichts zu berücksichtigen, der Anwalt müsse die Schiedsrichter-/Schiedsgerichtsszene kennen, das Gericht emotional für sich gewinnen, Bilder sprechen lassen, notwendige Anreize für alle setzen und die Datenflut organisiert werden. 5216 ZVertriebsR 2016, 69. 5217 Siehe auch Emde RIW 2016, 104 ff. 5218 Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis,2 2002, Rn 140 f. 5219 Nationale Schiedsstreitigkeiten werden meist nach den Schiedsordnungen der lokalen Handelskammern sowie der DIS geführt. Nicht selten bezweckt eine „nationale“ Schiedsklausel, die Vertriebsmittler von dem ihnen und ihren Hausanwälten oft fremden Schiedsverfahren abzuschrecken. Das Gleiche gilt nicht selten auch für „internationale“ Schiedsklauseln. 5220 Ein Überblick möglicher Schiedsklauseln findet sich bei Conrad/Cilingir/Baumbach, in: Conrad/Münch/BlackBranch, International Commercial Arbitration, 2013, § 2. Das Werk enthält auch Musterklauseln für Verfahren vor zahlreichen Schiedsorganisationen sowie weitere hilfreiche Dokumente. 5221 Arbitration Institute of the Stockholm Chamber of Commerce. 5222 S. hierzu Detzer/Ullrich, S. 165. 5223 Zu den oft gewählten Schiedsordnungen s. Detzer/Ullrich, S. 165 f. Emde

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Schiedsgericht sind offensichtlich.5224 Der Vorteil einer disziplinierenden und kontrollierenden Aufsicht einer Schiedsorganisation auf das Schiedsverfahren überwiegt denkbare Kostenvorteile des Ad-hoc-Gerichts. Eine solche Aufsicht ist wertvoll, da die am häufigsten genannte Stärke des Schiedsverfahrens – schnelle Streitentscheidung in nur einer Instanz – auch ihre größte Schwäche begründet: Den Mangel einer kontrollierenden Berufungsinstanz (die aber vereinbart werden darf) und damit typische Fehler eines erstinstanzlichen Gerichts. Sowohl die Adhoc- wie auch die institutionalisierte Schiedsgerichtsbarkeit5225 bevorzugt den Schiedsort Schweiz.5226 Trotz aller Bemühungen vieler Länder um einen vergleichbaren Status5227 sind die „Neutralität“ und die Gründlichkeit Schweizer Schiedsrichter hoch geachtet.5228 Sie haben sich den Ruf erarbeitet, „unbestechlich“ und „sorgsam“ zu agieren. Darüber hinaus finden sich besonders in Zürich zahlreiche auf Schiedsverfahren spezialisierte Dienstleister, etwa Court Reporter5229 und Übersetzer. Hinzu tritt, soweit es Zürich betrifft, die gemeinsame Sprache sowie die leichte Erreichbarkeit dank des internationalen Flughafens. Die Wahl eines nicht-deutschen Schiedsortes spricht für die Verhandlungsstärke des Ver- 762 triebsmittlers. Denn ein deutscher Exporteur wird, sofern er aufgrund der Umstände (etwa Vollstreckungsmöglichkeiten) das regelmäßig bevorzugte deutsche staatliche Gericht5230 nicht wählen kann, versuchen, Deutsch als Schiedssprache und die Zuständigkeit eines in Deutschland ansässigen Schiedsgerichts zu vereinbaren, etwa ein DIS-Schiedsgericht5231 oder ein Schiedsgericht der lokalen Handelskammern.5232 Ein ausländischer Schiedsort und die Wahl der englischen Sprache als Schiedssprache ist folglich oft das Ergebnis zähen Ringens beider Parteien.5233 Zu unterscheiden sind der vereinbarte und der tatsächliche Schiedsort. Meist wird das 763 Schiedsverfahren dort durchgeführt, wo der Vorsitzende des Schiedsgerichts seinen Sitz hat. Häufig ist dies ebenfalls die Schweiz. Am tatsächlichen liegt dann auch der rechtliche Schiedsort.5234 Das gilt wohl selbst dann, falls die gewählte Schiedsorganisation ihren Sitz am vereinbarten Schiedsort haben sollte.

b) Unwirksamkeit der Schiedsklausel aa) Unwirksamkeit aus europäischer Sicht. Aus der Ingmar-Entscheidung (§ 92c Rn 70 ff.) 764 werden verfahrensrechtliche Folgen abgeleitet (s. o.), mit denen sich der EuGH in dem zuvor vor staatlichen britischen Gerichten geführten Verfahren (es gab im Fall Ingmar keine auf einen außereuropäischen Gerichtsstand weisende Gerichtsstandsklausel) nicht zu beschäftigen brauchte. Jene Folgen haben namentlich, aber nicht nur5235 im Schiedsverfahrensrecht Bedeu5224 Thume Kap. XI Rn 160; Lionnet/Lionnet Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit3 2005, S. 200 ff.; s. auch Bühler/Jarvin, in: Weigand Practitioner’s Handbook on International Arbitration, Part 1, 2002, Rn 125 ff. 5225 Zum Unterschied Schütze, Rn 38 ff. 5226 Schütze Rn 52; Weigand Part 2, Intro. Rn 32. 5227 In Deutschland insbesondere der DIS, zudem auch lokaler Vereine zur Förderung des Schiedsgerichtswesens, in Hamburg etwa der HAC (Hamburg Arbitration Circle). 5228 Weshalb sie häufig als Schiedsrichter ernannt werden; s. Bühler/Jarvin Part 2, Intro. Rn 25. 5229 Court Reporter erstellen ein Protokoll der mündlichen Verhandlung, meist ein Wortprotokoll. 5230 Detzer/Ullrich S. 164. 5231 Bredow, in: Conrad/Münch/Black-Branch, International Commercial Arbitration, 2013, § 10. 5232 Detzer/Ullrich S. 164. 5233 Detzer/Ullrich S. 164 f. 5234 S. etwa Schütze, Rn 533. 5235 Im Grunde genommen handelt es sich um ein allgemeines Problem der Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln, so dass ein generelles Misstrauen gegenüber Schiedsgerichten nicht Grund der Rechtsprechung ist. Denn auch eine Schiedsklausel ist eine Gerichtsstandsklausel. 453

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tung. So wurde die Unwirksamkeit der zu einem außereuropäischen Gerichtsstand5236 leitenden Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarung von deutschen5237 und österreichischen5238 staatlichen Gerichten aus einer „verfahrensrechtlichen Fortsetzung“ der Ingmar-Entscheidung sowie gleichfalls dem international-zwingenden Charakters des § 89b HGB bzw. der Artt. 17–19 RL hergeleitet. Die Unwirksamkeit wird dabei z. T. aus Art. II Abs. 3 NYC hergeleitet, I.V.m. den IngmarGrundsätzen.5239 Da sich das HGÜ5240 nach seinem Art. 2 Abs. 4 nicht auf Schiedsverfahren bezieht, ändert 765 der Beitritt der EU zu ihm nichts an der Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Schiedsklauseln. Soweit es zu staatlichen Gerichten weisende Gerichtsstandsklauseln betrifft, wird man die bisherige Judikatur wohl mit Art. 6 lit. b und c HGÜ rechtfertigen. Nicht nur, dass solcher Protektionismus jedenfalls die Freiheit bei der Wahl des Schiedsor766 tes und des materiellen Rechts (nicht jedoch die Schiedsfähigkeit von Vertriebsrechtsstreitigkeiten5241) schwächt.5242 Dies ist erstaunlich, da sogar Verbraucherverträge schiedsfähig sind.5243 Deshalb wird bemerkt, de lege ferenda müsse der Parteiautonomie ein stärkerer Spielraum gegeben werden, zumal Vertriebsmittler häufig wirtschaftlich nicht schwächer als Unternehmer seien.5244 Jedenfalls kann diese Rspr. dazu führen, dass eine Rechtsordnung die Schiedsfähigkeit und ein die Rechtswahl der Parteien anerkennendes Schiedsurteil billigt und eine andere ein gegenteiliges Urteil vor den staatlichen Gerichten am Schiedsort.5245 Parallelverfahren mit paradoxen Ergebnissen sowie entsprechenden Herausforderungen im Vollstreckungsverfahren sind zu gewärtigen, etwa eine negative Feststellungsklage des Unternehmers vor dem Schiedsgericht und eine Zahlungsklage des Mittlers vor lokalen staatlichen Gerichten.5246 Jedenfalls sorgt diese Judikatur für Diskussionsstoff und erfordert ggf. kollisionsrechtliche Gutachten aus Sicht der betroffenen Rechts- und Verfahrensordnungen. 5236 Bei einem EU-Gerichtsstand ist die Anwendung der international-zwingenden RL gesichert; s. OLG Hamburg v. 14.4.2004 – 13 U 76/03, NJW 2004, 3126; OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 29.12.2011 – 5 U 126/11 Rn 35.

5237 OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.12.2011 (Hinweisbeschl.), v. 16.1.2012 – 5 U 126/11, best. durch BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und Eckhoff, GWR 2012, 486 und zust. Anm. Meyer, ZVertriebsR 2014, 352 (358) – Gerichtsstandsklausel zu staatlichen Gerichten in Virginia; OLG München, Urt. v. 17.5.2006 – 7 U 1781/06, WM 2006, 1556 = EWiR 2006, 621 (Emde) m. teilw. krit. Anm. Rühl, IPRax 2007, 294 – einerseits zur AAA weisende Schiedsklausel, andererseits Verweis zu kalifornischen staatlichen Gerichten, die Frage der Perplexität wurde nicht erörtert; Accentuate Ltd. v. Asgira Inc., Queen’s Bench Division, (2009) EWHC 2655 (QB); Mankowski in: Yearbook of Private International Law, Vol. X, 2008, S. 19, 48 f.; Oetker/Busche § 92c Rn 3; abl. Dathe NJOZ 2010, 2196 = NJW 2010, 3194; Quinke SchiedsVZ 2007, 246; Rühl IPRax 2007, 294, 297 ff.; Horn SchiedsVZ 2008, 210 (217 f.); Michaels/Kamman EWS 2001, 301 (310); Hopt § 92c Rn 12; Cour d’appel de Paris, Urt. v. 24.11.2005, Rev. arb. 2006, 770; i. E. auch abl. (aber zum Rechtszustand vor der RL) BGH, Urt. v. 30.1.1961, NJW 1961, 1061 (1062). Kleinheisterkamp RabelsZ 73 (2009), 818 (829) stimmt dem OLG München mit der Begründung zu, Schiedsgerichte seien nicht an die Kollisionsnormen der lex loci arbitrii gebunden. Der belgische Cour de Cassation v. 16.11.2006 (Van Hopplynus Instruments S.A./Coherent Inc.), Rev. dr. com belge 2007, 889 (890) m. Anm. Mertens sowie Kleinheisterkamp, RabelsZ 73 (2009), 818 hat eine i. E. identische Entscheidung getroffen. Jedenfalls wäre eine der Klage stattgebende kalifornische Entscheidung in Europa anerkennungs- sowie vollstreckungsunfähig (Kleinheisterkamp, RabelsZ 73 [2009], 818 (832 ff.); Quinke SchiedsVZ 2007, 246 (250); aA Semler in: FS Wegen, 2015, S. 743 (745). 5238 OGH Österreich, Urt. v. 1.3.2017 – 5 Ob 72/16 y, ZVertriebsR 2017, 397 m. Anm. Moritz. 5239 OGH Österreich, Urt. v. 1.3.2017 – 5 Ob 72/16 y, ZVertriebsR 2017, 397 m. Anm. Moritz. 5240 Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen. Zu ihm Antomo NJW 2015, 2919. 5241 Denn die Wahl eines Schiedsortes am Vertriebsort bleibt möglich. Zudem kann die Geltung des internationalzwingenden Rechts des Vertriebsortes im Vertriebsvertrag festgelegt werden, was die Argumentation erschwert, ein außerhalb des Vertriebsortes belegenes Schiedsgericht werde jenes Recht missachten. 5242 Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (153). 5243 Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (153). 5244 Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (154). 5245 S. etwa Wautelet S. 217, bei Fn. 57/69. 5246 Semler in: FS Wegen, 2015, S. 743 (745 f.): Ergeht die Entscheidung des deutschen staatlichen Gerichts vor der des Schiedsgerichts, wäre die schiedsgerichtliche Entscheidung in Deutschland nichtig oder aufhebbar. Emde

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Ob die Unwirksamkeit einer Schiedsklausel tatsächlich dem international-zwingenden Cha- 767 rakter nationalen Rechts oder der RL entnommen werden darf, ist zweifelhaft, da internationalzwingendes Recht auch von einem Schiedsgericht anzuwenden wäre. So gibt es durchaus Schiedsurteile zum Vertriebsrecht, die international-zwingendes nationales Recht achteten.5247 Die oben Rn 744 ff. zitierten Entscheidungen gehen hingegen davon aus, ein Schiedsgericht werde solches Recht missachten. Die vorgebrachten Bedenken, die in erster Linie an den außereuropäischen Sitz des Schiedsgerichtes anknüpfen, sind jedenfalls gegenüber Gerichten supranational tätiger Schiedsinstitutionen, bei denen jede Partei ihren eigenen Schiedsrichter mit der von ihr gewünschten Ausbildung (ggf. nach deutschem Recht) und Nationalität bestimmen darf (über ihn mag die eigene Sicht der Dinge sowie Vortrag zur international-zwingenden Natur europäischen Rechts eingebracht werden) und der Vorsitzende meist aus einem Drittstaat stammt (Beispiel: ICC), bedenklich. Ein außereuropäischer Sitz des Schiedsgerichtes ist nicht unüblich und ein häufiger Kompromiss. Skeptischer mag man bei einem Schiedsgericht sein, welches sich allein aus Mitgliedern mit Kenntnissen nur der gewählten Rechtsordnung zusammensetzt – ein bei einem Dreier-Schiedsgericht angesichts der Benennung zweier Schiedsrichter durch die Parteien sowie der Vielzahl erfahrener, in zwei Rechtsordnungen ausgebildeter Juristen schwer vorstellbares Szenario. Zumindest ist die Voreingenommenheit gegenüber Entscheidungen eines Schiedsgerichtes mit außereuropäischem Sitz problematisch, sofern der Vertrag eine Rechtswahlklausel zu einem EU-Recht enthält. Denn zu ihm zählt sein zwingendes Vertriebsrecht. Dann kann auch bei außereuropäischen Schiedsort nicht ohne deutliche Hinweise von einer Missachtung des vereinbarten europäischen, international-zwingenden Rechts ausgegangen werden.5248 Semler stellt die Frage, welcher Grad objektiver Wahrscheinlichkeit und subjektiver Bezeugung erforderlich ist, damit sich das deutsche Gericht über die Schiedseinrede des Prinzipals hinwegsetzen kann oder muss.5249 Komme es darauf an, ob im dem prorogierten ausländischen Gericht eine aus Laien bestehende Jury oder ein Fachgericht entscheidet? Wie, wenn die Parteien in der Schiedsvereinbarung, Schiedsrichter vereinbaren, aus der jeder Kundige entnehmen kann, dass die Ausgleichsgegner die Mehrheit haben? Insoweit müssten feste Maßstäbe gelten.5250 Man müsse die Einholung eines Rechtsgutachtens verlangen. Bloße Spekulationen genügten nicht.5251 Wenn Zweifel verblieben, sei dem Parteiwillen Vorrang zu geben.5252 Die zitierten Entscheidungen betrafen Verträge, in denen Nicht-EU-Recht und ein außerhalb 768 der EU liegender Schiedsort vereinbart waren.5253 Zu dieser Konstellation wird vertreten, die Kombination von Klauseln, die sowohl einen außereuropäischen Schiedsort als auch außereuropäisches Recht bestimmen, begründe einen Prima-Facie-Verdacht der Missachtung zwingenden EU-Rechts.5254 Es ist in solchen Fällen tatsächlich schwer vorherzusagen, welches Recht ein außerhalb der EU situiertes Schiedsgericht anwenden wird, namentlich ob es eine Norm des europäischen (Vertriebs-)Rechts als international-zwingend und anwendbar ansieht. Das gilt jedenfalls, sofern die Wahl eines Schiedsrichters mit deutscher Ausbildung ausscheidet oder ernsthaft zu befürchten steht, dass seine Rechtsansichten kein Gehör finden. Nur mit diesen Einschränkungen ist es verständlich, wenn ein staatliches Gericht sich der 769 kaum ergebnissicheren Prognose entzieht und die Schiedsklausel schon für unwirksam hält, 5247 S. etwa ICC-Schiedsgericht, Urt. v. 22.4.2013 – 17733/JRF/CA (Handelsvertreterrecht), in dem das Decree 78/ 71 nach dem Recht Guatemalas als international-zwingend angesehen wurde. Krit. auch Horn SchiedsVZ 2008, 209 (218); Schütze Rn 390. Semler ZVertriebsR 2016, 139 (142). Semler ZVertriebsR 2016, 139 (142). Semler ZVertriebsR 2016, 139 (142). Semler ZVertriebsR 2016, 139 (142). Ingmar-Entscheidung Rn 10: kalifornisches Recht. Kleinheisterkamp, The Impact of Internationally Mandatory Laws on the Enforceablitity of Arbitration Agreements, LSE Working Papers, 22/2009, S. 10. Auch Horn SchiedsVZ 2008, 209 (218), der seine Skepsis gegen diese verfahrensrechtliche Rspr. deutscher Gerichte ausdrückt, hält eine Vermutung der Missachtung zwingenden Rechts grds. für denkbar.

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sobald die Gefahr einer europäisches Administrativrecht negierenden Entscheidung besteht.5255 Hier die Zuständigkeit der mit dem anwendbaren deutschen Vertriebsrecht eher bekannten deutschen staatlichen Gerichte anzunehmen, ist eine nicht völlig fernliegende Schutzmaßnahme. Auf das Aufhebungsverfahren zu verweisen, hilft nur bedingt. Das gilt auch deshalb, weil die Aufhebung eines die RL missachtenden Schiedsspruches durch europäische Gerichte möglicherweise nicht vor einer Vollstreckung außerhalb Europas schützt. Das Ganze ist ein schwieriges Thema, bei dem es um eine kaum durchführbare Einschätzung geht, nämlich wie ein fremdes Schiedsgericht entscheiden wird. Jedenfalls gehen die staatlichen Gerichte davon aus, dass sie mehr als die Gefahr der Missachtung realistischerweise kaum prognostizieren können. Für diesen Fall der Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung wird sie von den Parteien der Klarheit halber auch gekündigt werden dürfen5256 Verständlich ist, wenn die Rspr. durch Schiedsverfahren finanziell überforderte, „kleinere“ 770 Vertriebsmittler einen Heimatgerichtsstand vor den oft günstigeren und einem Prozesskostenhilfeantrag zugänglichen staatlichen Gerichten sichern will. Wie Detzer/Ullrich5257 zutreffend ausführen, kann bereits der zu erwartende Kostenvorschuss eines Schiedsverfahrens die Klagefreudigkeit eines Mittlers bremsen. Die Frage ist zum einen, ob diese Hilfe sinnvoll ist, da jedenfalls aus der RL hergeleitete Unwirksamkeitsgründe generell eingreifen, also sowohl zugunsten wie zu Lasten finanzstarker wie finanzschwacher Mittler5258 und sogar dann, wenn Entscheidungen staatlicher Gerichte vollstreckungsunfähig blieben. Auch müsste fremden Rechtsordnungen das gleiche Recht zur Durchsetzung der aus ihrer Sicht international-zwingenden Normen zugebilligt werden. Dies würde dazu führen, dass unglücklich formulierte Schiedsabreden vertriebsrechtlicher Verträge bei zunehmend protektionistischem Recht schwerer durchsetzbar sein dürften.5259 Es bleibt den Parteien allerdings unbenommen, das materielle Recht des Schiedsortes oder jedenfalls die Geltung seines international-zwingenden Rechts zu vereinbaren.5260 Besonders in Kombination mit einem Schiedsort im Land des Vertriebsortes sind Unwirksamkeitsgründe dann schwer erkennbar. Bei europäischem Vertriebsort liegt es nahe, einen EU-Schiedsort zu vereinbaren. Sprachvorteile bieten Deutschland oder Österreich. 771 Gleichfalls problematisch, wenngleich wegen des Unangemessenheitsvorbehalts sowie der Berücksichtigung der Rechte Dritter „flexibler“, ist eine Kontrolle nach den §§ 138,5261 307 BGB. Sie könnte gegenüber ausländischem Recht gem. Art. 3 Abs. 3, 4 Rom I-VO durchgesetzt werden.

5255 Der BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und Eckhoff, GWR 2012, 486 sowie zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358), billigt dies jedenfalls, wenn die Nichtbeachtung der Vorschriften der RL feststehe. Nach dem OGH Österreich, Urt. v. 1.3.2017 – 5 Ob 72/16 y, ZVertriebsR 2017, 397 m. Anm. Moritz folgt aus dem Umstand, dass es im amerikanischen Recht keinen gesetzlichen Ausgleichsanspruch des HV oder sonst Schutzbestimmungen im Zusammenhang mit der Kündigung des Vertrages gibt, dass keine vernünftigen Zweifel verbleiben, dass der als HV oder Vertragshändler vorwiegend im Gebiet der EU Tätige ein nicht unabdingbarer Ausgleichsanspruch zusteht, der nach der im Vertrag vereinbarten, nach New York weisenden Schiedsklausel keine Beachtung finden werde. Sollte tatsächlich eine solche Sicherheit über den Ausgang des ausländischen Verfahrens gefordert sein – wann besteht sie eigentlich und lässt sich nicht schon der Ausgang eines deutschen Gerichtsverfahrens kaum sicher vorhersagen? – wäre dies eine sehr hohe Schwelle, die den Gerichten recht weite Erkenntnismöglichkeiten abverlangt. Wahrscheinlich wird man keine Sicherheit verlangen müssen, weil sie sich kaum prognostizieren lässt. 5256 Was wegen § 1032 Abs. 1 ZPO nicht unbedingt erforderlich ist; s. Lachmann Rn 401. 5257 Detzer/Ullrich S. 164. 5258 Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (154) schlägt deshalb eine Begrenzung des Schutzes auf schutzbedürftige Mittler vor. 5259 Krit. insoweit auch Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (153); Rühl IPRax 207, 294, 302; Kleinheisterkamp S. 11. 5260 Semler ZVertriebsR 2016, 139 (143/144). 5261 Vgl. Eckel/Richter WuW 2015, 1078 (1090); Schütze Rn 208. Emde

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Grundsätzlich unterliegen Schiedsklauseln einer AGB-Prüfung nach § 307 BGB,5262 mit dem möglichen Ergebnis ihrer Unwirksamkeit. Das ermöglicht eine Kontrolle, wie oben dargestellt.

bb) Unwirksamkeit aus außereuropäischer Sicht. Sämtliche Argumente, die zur Unwirk- 772 samkeit der Wahl deutschen Rechts angeführt werden, werden auch zur Rechtfertigung der Unwirksamkeit einer nach Deutschland oder Europa weisenden Schiedsklausel herangezogen.5263 4. Wie lassen sich mögliche Unwirksamkeitsgründe in das Schiedsverfahren einführen? Die oben (3.) zitierten Entscheidungen sind solche staatlicher Gerichte. Wie kommt es nun im Schiedsverfahren dazu, dass deutsches, europäisches oder auch außereuropäisches international-zwingendes Recht Anwendung findet, welches die Rechtswahl oder die Schiedsklausel beiseitesetzt? Der EuGH und die oben Rn 744 ff. zitierten Spruchkörper brauchten sich mit dieser Frage nicht auseinanderzusetzen, weil es sich um staatliche Gerichte handelte, die zwar über die Wirksamkeit eines Schiedsabrede judizierten, aber eben nicht als Schiedsgerichte. Schon rein faktisch wird es schwer sein, Schiedsrichter unter Hinweis auf internationalzwingendes Recht von ihrer Unzuständigkeit zu überzeugen. Eine solche Entscheidung ohne inhaltliche Prüfung der Ansprüche würde den Streit in der Sache offen lassen und wäre unbefriedigend. Die Schiedsrichter müssten befürchten, nicht wieder benannt zu werden. Wahrscheinlicher ist es schon, dass eine einzelne Vorschrift des gewählten Rechts nicht und international-zwingendes Recht einer anderen Rechtsordnung angewendet wird. Nach h. M. werden mindestens vier bis fünf Rechtsanwendungsbereiche separiert, nämlich das für den Entscheid über die erhobenen Hauptansprüche maßgebliche Sachrecht, das Recht, welchem die Schiedsvereinbarung unterliegt, das des Schiedsrichtervertrages5264 sowie eines eventuellen Vertrages mit der Schiedsorganisation5265 und schließlich das auf das Schiedsverfahren selbst anwendbare Recht (lex arbitri),5266 sog. „Trennungsprinzip“.5267 Damit ein Schiedsgericht Sachrecht anwendet, bedarf es einer vertraglichen oder gesetzlichen Regelung, die seine Geltung vorschreibt. EU-Recht wird als Teil des ggf. anwendbaren nationalen Sachrechts behandelt.5268 Aus europäischer Sicht unproblematisch sind Fälle, in denen das gewählte Sachrecht deutsches Recht oder zumindest ein der RL unterliegendes nationales Recht ist, wobei allerdings nach der Unamar-Entscheidung5269 auch die Rechte einzelner EUMitgliedstaaten voreinander geschützt werden können. In dieser Konstellation ergibt sich die Anwendbarkeit zwingenden europäischen Sachrechts aus der Rechtswahlklausel. Fraglich ist dann nur, wie außereuropäisches, nicht prorogiertes Administrativrecht eingeführt werden kann. Schwieriger wird es aus europäischer Sicht, falls ein außereuropäisches Recht gewählt

5262 Eckel/Richter WuW 2015, 1078 (1090); Aden, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit,2 2003, Kap. 8 Rn 15; Lachmann Rn 312 ff.; Stögmüller, in: Münchner Anwaltshandbuch IT-Recht3 2013, Rn 433. 5263 Bälz RIW 2012, 354; Detzer/Ullrich S. 163 ff. 5264 Lionnet/Lionnet S. 254 ff. 5265 Hierzu Risse/Reiser NJW 2015, 2839; Aden S. 420; Lionnet/Lionnet S. 195 ff. 5266 Vgl. Lionnet/Lionnet S. 169 (5 Rechtsanwendungsbereiche); Öhrström, in: Schütze, Institutional Arbitration, 2013, SCC-Rules, Rn 119 (3 Rechtsanwendungsbereiche). 5267 Czernich SchiedsVZ 2015, 181, 182, 187 zum Recht Österreichs. 5268 Theune in: Schütze, Institutional Arbitration DIS-Rules, Rn 195; Weigand in: Weigand Practitioner’s Handbook on International Arbitration Part 1 Rn 109. 5269 EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-184/12, RIW 2013, 874 = ZVertriebsR 2014, 55 = EWS 2013, 422 = EWiR 2014, 11 (Mankowski) m. Anm. v. Bodungen BB 2014, 403. 457

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wurde. Dann bedarf es eines „Einfalltors“,5270 um europäisches international-zwingendes Recht in das Verfahren zu transformieren. 777 Ob aus Sicht des anwendbaren, etwa des gewählten Sachrechts, fremdes, internationalzwingendes Vertriebsrecht in das Schiedsverfahren eingeführt werden kann, bestimmt sich grundsätzlich nach dem jeweils maßgeblichen IPR. Regelmäßig bedarf es dazu einer Vorschrift des IPR, die entsprechendes regelt.5271 Anderenfalls wird es schwierig, den Vorrang der fremden international-zwingenden Norm zu begründen. In Europa wäre dieses „Einfallstor“ jedenfalls für nach dem 16.12.2009 geschlossene Verträge die Rom I-VO. Aber ist die Rom I-VO überhaupt im Schiedsverfahren anwendbar? Zwar gilt sie gem. ihrem Art. 1 Abs. 2 lit. e nicht für Schiedsvereinbarungen. Ob nur die eigentliche Schiedsvereinbarung oder das gesamte Schiedsverfahren von der Anwendbarkeit der Rom I-VO ausgenommen ist, wird diskutiert.5272 Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 lit. e Rom I-VO ist eng. Richtigerweise nimmt er nur die Schiedsvereinbarung selbst vom Anwendungsbereich der Rom I-VO aus.5273 Gleichwohl schränkt auch dies den Geltungsbereich der Rom I-VO nicht unerheblich ein. 778 Wenn damit feststeht, dass die Rom I-VO im Schiedsverfahren nicht generell unanwendbar ist, bedeutet dies noch nicht positiv, dass sie anwendbar ist. Denn ein Regelungswerk, dessen Anwendung nicht ausgeschlossen ist, muss nicht notwendigerweise anwendbar sein. Man könnte daran denken, die Geltung zu befürworten, sofern die Parteien ein Recht gewählt haben, zu dem die Rom I-VO zählt, also die meisten Rechte der EU − und damit auch das deutsche Recht. Aber eine Rechtswahl der Parteien wird häufig so verstanden, dass sie sich nur auf das Sach- und nicht auf das Kollisionsrecht bezieht. Am deutlichsten wird dies, wenn eine Schiedsordnung im Einklang mit § 1051 ZPO bestimmt, dass die Rechtswahl nur als Verweis auf das Sachrecht eines Staates angesehen werden soll (so etwa Art. 23.1 DIS-Schiedsordnung, Art. 27.1 VIAC-Rules, § 26.1 MKAS-Rules, Art. 22.2 SCC-Rules, Art. 33.2 DIAC-Rules). Dann könnte das Kollisionsrecht (in Deutschland die Rom I-VO) als „Einfallstor“ für international-zwingendes Recht jeder Provenienz ausgeschlossen sein. 779 Letztlich wird das Schiedsgericht als solches erkanntes international-zwingendes Sachrecht anwenden (müssen),5274 ungeachtet des Streites über die Geltung irgendwelcher IPR-Vorschriften5275 bzw. der Rom I-VO. Entweder wendet man, wie die wohl h. M., die Artt. 3 ff. Rom I-VO und speziell Art. 9 Rom I-VO im Schiedsverfahren mittelbar an.5276 Oder man blickt auf die auch 5270 Diesen Begriff verwendet auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11 Rn 4. 5271 Das ICC-Schiedsgerichtsurt. v. 22.4.2013 -17733/IRF/CA Rn 309 ff. entnahm Art. 7.1 der Römischen Verträge das Recht, zwingendes guatemaltekisches Handelsvertreterrecht gegenüber dem gewählten deutschen Recht durchzusetzen. 5272 Dafür Mankowski RIW 2018, 1 ff.; 2011, 30 (wenn der Sitz des Schiedsgerichtes innerhalb der EU liegt); dagegen Patocchi/Niedermaier, in: Schütze, Institutional Arbitration, 2013, UNCITRAL-Rules, Rn 643; wohl auch Baumbach/Hartmann § 1051 Rn 2. 5273 Mankowski RIW 2018, 1 (4); RIW 2011, 30; wohl auch Begr. z. Novellierung d. §§ 1025–1066 ZPO, BT-Drucks. 13/5274 zu § 1051 ZPO; aA Kleinheisterkamp S. 13, Fn. 48. 5274 Czernich RIW 2016, 701, insb. 703. Zum Streit über die Anwendung international-zwingenden Rechts auch Weigand Part 1 Rn 161. 5275 Kleinheisterkamp S. 13 führt etwa aus, Schiedsgerichte seien, anders als staatliche Gerichte, nicht an die IPRVorschriften gebunden. 5276 Martiny in: MünchKommBGB, 6. Aufl. 2015, Vorbem. zu Art. 1 Rom I-VO Rn 100; zu Art. 27 EGBGB OLG Düsseldorf RIW 1996, 239; OLG Hamm SchiedsVZ 2014, 38 m. Anm. Bryant; vgl. Sandrock RIW 1986, 845, Fn. 32; E. Lorenz ZVersWiss. 1989, 263 (283 ff.); Hausmann in: Reithmann/Martiny Rn 6621 ff.; Czernich SchiedsVZ 2015, 181 (185), betreffend Österreich. Für eine unmittelbare Anwendung Basedow, in: JbPraxSch. 1 (1987), S. 4 ff.; wohl auch Prütting, ZPO3 2011, § 1051 Rn 6; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 1051 Rn 2; aA Musielak/Voit, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 1051 Rn 2. Nach Ansicht von Busse in: Handbuch Wiener Regeln, 2013, Art. 27 Rn 15, ist das Schiedsgericht nicht an die Rom I-VO gebunden. Es dürfe aber in geeigneten Fällen auf die Rom I-VO zurückgreifen. Im ICC-Schiedsverfahren Case 17733/IRF/CA, Urt. v. 22.4.2013 wendete das Schiedsgericht Art. 7.1 der Römischen Verträge auf den deutschem Recht unterliegenden HV-Vertrag an, obwohl der deutsche Gesetzgeber gegen die Geltung dieses Art. einen Vorbehalt erklärt hatte. Emde

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im Schiedsrecht anerkannte Regel, dass sich die „loi de police“ jedenfalls des erwarteten Vollstreckungsstaates5277 durchsetzen und international-zwingendes Recht nicht durch Parteivereinbarung derogiert werden darf,5278 und zwar unabhängig davon, ob die Frage der Geltung solchen Administrativrechts (zufällig) im IPR eines Staates (mit)geregelt sein sollte.5279 Die international-zwingende Natur vertriebsrechtlicher Vorschriften wird also ihnen selbst entnommen, wie in der Ingmar-Entscheidung.5280 Am deutlichsten wird dies, falls das jeweilige Recht seinen Charakter als Administrativrecht selbst bestimmt. Voraussetzung der Durchsetzung gegenüber dem gewählten Recht ist ein hinreichender Bezug zum Sachverhalt.5281 Jener Bezug beantwortet auch die Frage, welche Eingriffsnormen Geltung beanspruchen – die am Erfüllungsort, am Schiedsort oder im Vollstreckungsstaat.5282 Im Vertriebsrecht relevant dürften wohl allein die Eingriffsnormen am Vertriebsort5283 und bestenfalls noch die am Sitz des Mittlers sein.5284 Dass dabei der Sachverhalt und das in Frage stehende Recht sorgsam zu untersuchen sind,5285 dürfte eine Selbstverständlichkeit sein. Nach Ansicht von Semler muss ein Schiedsgericht die Eingriffsnormen der Rechtsordnung beachten, der das zu beurteilende Rechtsverhältnis unterliegt („lex causae“) sowie die Eingriffsnormen der lex fori.5286 Dabei seien sind Eingriffsnormen am Vertriebsort nicht notwendigerweise zu beachten, sofern sie nicht dem Recht der lex causae oder lex fori entstammen.5287 Semler bildet das Beispiel, in dem ein deutscher Waren-HV gegen seinen japanischen Prinzipal einen Ausgleich geltend macht und die Parteien den Vertrag japanischem Recht unterworfen haben. Ein ICC-Schiedsgericht müsse dabei nicht zwingend deutsches Eingriffsrecht beachten.5288 Dies dürfte aber den Aussagen der Ingmar-Rechtsprechung sowie den og. Deutschen Gerichtsentscheidungen wiedersprechen. Umstritten ist, ob das Schiedsgericht die Eingriffsnormen nur auf den Vortrag einer Partei 780 hin zu beachten hat und ob es zur Anwendung verpflichtet ist5289 (was man wohl bejahen muss). Der Streit hat keine Bedeutung, sofern ein spezialisierter Parteivertreter zur international-zwingenden Rechtsnatur vorträgt. Ob auch die Antwort auf die Frage nach der Wirksamkeit einer Schiedsklausel sich dem 781 Sachrecht gemäß bestimmt, ist umstritten.5290 Insoweit werden divergierende Ansichten eingenommen. Als anwendbar wird neben dem von den Parteien bestimmten (Sach-)Recht das der lex fori, also das Recht des Schiedsortes, bezeichnet. Am überzeugendsten scheint auch dies

5277 Mankowski RIW 2018, 1 (14). 5278 Czernich RIW 2016, 701, insb. 703; Busse Art. 27 Rn 16 (unter ausdrücklicher Nennung des HV-Rechts); Horn SchiedsVZ 2008, 209 (213 ff.), 218; Mayer Clunet 1981, 277; Blessing Journal of International Arbitration 1997, 23; Reiner/Aschauer in: Schütze, Institutional Arbitration, 2013, ICC Rules Rn 421; Weigand Part 1 Rn 161; Bühler/Jarvin Part 2, Art. 17 Rn 11; Gaillard/Edelstein, in: Weigand Practitioner’s Handbook on International Arbitration Part 4, C France, Rn 158; Wagner in: Weigand Practitioner’s Handbook on International Arbitration, Part 4, D Germany, Rn 378 f.; Patocchi/Niedermaier UNCITRAL-Rules, Rn 662 (die diese Frage nach dem IPR am Sitz des Schiedsgerichts bestimmen wollen); Zöller/Geimer ZPO, § 1051 Rn 4. 5279 In erster Linie soll der Verweis nur auf das Sachrecht die komplette Weiterverweisung zu einem anderen Recht ausschließen (Schwab/Walter Kap. 55 Rn 6), nicht die Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des IPR. Der in § 1051 ZPO gewählte Begriff „Kollisionsrecht“ ist also ggf. zu weit gefasst. 5280 EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – C-381/98, NJW 2001, 2007 Rn 25; hierzu auch Rühl IPRax 2007, 294 (298). 5281 Zöller/Geimer § 1051 Rn 4: „ernsthafter Bezug“. 5282 Von Busse Art. 27 Rn 16 offen gelassen. 5283 OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11 Rn 4. 5284 OLG München, Urt. v. 17.5.2006 – 7 U 1781/06, WM 2006, 1556 = EWiR 2006, 621 (Emde). 5285 Weigand Part 1 Rn 161. 5286 Semler ZVertriebsR 2016, 139 (142). 5287 ZVertriebsR 2016, 139 (142/143). 5288 Semler ZVertriebsR 2016, 139 (142/143). 5289 Diese Frage stellt Busse Art. 27 Rn 16. 5290 Vgl. Schwab/Walter Kap. 50 Rn 7. 459

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betreffend die Geltung des von den Parteien gewählten Rechts.5291 Gerade bei der Antwort auf die Frage, ob ein schiedsgerichtliches Verfahren oder eine Rechtswahl unzulässig ist, verzahnen sich Sach-, Verfahrens- sowie auf die Prüfung der Wirksamkeit der Schiedsklausel anwendbares Recht. Alle Fragen sollten einheitlich dem Regime des gewählten Rechts unterliegen, Art. V Nr. 1 NYC analog. Damit wird dem Parteiwillen am ehesten Genüge getan.5292 Randunschärfen, die sich aus der Abgrenzung der Rechtsanwendungsbereiche ergeben mögen, werden vermieden.5293 Man sollte es also bei der Regel belassen, dass durch Parteivereinbarung derogiertes Recht auch verfahrensrechtlich derogiertes Recht bleibt, erneut mit Ausnahme seiner international-zwingenden Bestimmungen. Insbesondere sollte die Wirksamkeit der Schiedsklausel nach demselben Recht geprüft werden, wie die jeder anderen Bestimmung des nämlichen Vertrages. 782 Fehlt eine Rechtswahlklausel, soll, sofern die relevante Schiedsordnung nichts Gegenteiliges bestimmt, nach einer Ansicht in Analogie zu Art. V Nr. 2a NYC die Wirksamkeit einer Schiedsabrede nach dem Recht der lex fori geprüft werden.5294 Lex fori wäre bei einen Schiedsort innerhalb der EU sowohl die Rom I-VO, die RL bzw. das ihr gemäß umgesetzte nationale Recht. Bei einem Schiedsort außerhalb der EU gälte das Gleiche, sofern die jeweiligen Regelungen von dem betreffenden nationalen Recht des Schiedsortes als international-zwingend anerkannt werden. Richtigerweise sollten auch hier Sach- und Prozessrecht einhergehen und alle Fragen nach dem Sachrecht geprüft werden.5295 Diskutiert werden könnte, ob die aus der RL hergeleitete Unwirksamkeit entweder dem 783 Wortlaut des Art. II Nr. 1 NYC oder jedenfalls dessen Geist widerspricht.5296 Nach Art. II Nr. 1 NYC erkennt jeder Vertragsstaat eine schriftliche Vereinbarung an, durch die sich die Parteien verpflichten, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen aus einem bestimmten Rechtsverhältnis, sei es vertraglicher oder nicht vertraglicher Art, bereits entstanden sind oder etwa künftig entstehen, einem schiedsrichterlichen Verfahren zu unterwerfen, sofern der Gegenstand des Streits auf schiedsrichterlichem Wege geregelt werden kann. Auf schiedsrichterlichem Wege geregelt werden können Vertriebsrechtsstreitigkeiten. Sie sind „schiedsfähig“ (s. o.). Gem. Art. II Nr. 3 NYC gilt, dass ein Gericht eines Vertragsstaates sie in diesen Fällen auf Antrag einer Partei auf das Schiedsverfahren zu verweisen hat, sofern es nicht feststellt, dass die Vereinbarung hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist. Dem lässt sich entnehmen, dass eine Schiedsklausel im Falle ihrer Unwirksamkeit missachtet werden darf.5297 Ein Widerspruch zur NYC ist also nicht erkennbar.5298

5. Umfang der Unwirksamkeit 784 Ist die Schiedsvereinbarung, z. B. wegen Verstoßes gegen § 89b HGB/Artt. 17–19 RL, unwirksam, so wirkt die Unwirksamkeit umfassend. Die Klausel kann nicht für einzelne Ansprüche, etwa 5291 Lachmann Rn 196; Schwab/Walter Kap. 7 Rn 5, 50 Rn 19 lit. d; ebenso zum Recht Österreichs Czernich SchiedsVZ 2015, 181 (184).

5292 AA Busse Art. 27 Rn 6. Offen gelassen v. Oberster Gerichtshof Österreich v. 23.6.2015 – 18 OGg 1/15v-9; zum Ganzen Czernich SchiedsVZ 2015, 181 (184 f.).

5293 Etwa bei der auf die Formwirksamkeit anwendbare Recht; s. Czernich SchiedsVZ 2015, 181 (185 f.). 5294 Hausmann Rn 6612, 6620; Czernich SchiedsVZ 2015, 181 (185) zum Recht Österreichs; i. E. auch Lionnet/Lionnet S. 170. 5295 BGH, Urt. v. 8.6.2010 – XI ZR 41/09, WM 2010, 2032; Schwab/Walter Kap. 7 Rn 5; Lachmann Rn 196. 5296 In diese Richtung Com. Bruxelles, 5.10.1994, Van Hopplynus Instruments S.A. v. Coherent Inc. (1995), Rev. dr. com belge 2007, 889 (890) m. Anm. Mertens; Wautelet S. 217, bei Fn. 50, 62, hierzu Kleinheisterkamp S. 4. 5297 Rühl IPRax 2007, 294 (301); Wolff in: Wolff, NYC, 2012, Art. II Rn 158 ff.; Schwab/Walter Kap. 57 Rn 1. Nach Bühler/Jarvin Part 2, Art. 17 ICC-Rules Rn 11 ergibt sich aus Art. V 1a NYC, dass ein Schiedsgericht internationalzwingendes Recht anzuwenden hat. 5298 Horn SchiedsVZ 2008, 209 (217). Rühl IPRax 2007, 294 (301) verneint einen Widerspruch auch deshalb, weil die europäische RL der NYC vorgehe, da Letztere lediglich einfaches Bundesrecht bilde. Emde

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Provisionsansprüche,5299 aufrechterhalten bleiben. Bei der Anwendung international-zwingenden Rechts wird man „flexibler“ sein können und nur die Teile des gewählten Rechts derogieren, die der international-zwingenden Norm widersprechen.5300 Die Situation gleicht dann der einer Teilrechtswahl.

6. § 1051 ZPO und Rechtswahl Nach § 1051 Abs. 1 ZPO hat das Schiedsgericht die Streitigkeit in Übereinstimmung mit den 785 Rechtsvorschriften zu entscheiden, die von den Parteien als auf den Inhalt des Rechtsstreits anwendbar bezeichnet worden sind.5301 Die Regelung ist wie die anderen Vorschriften der § 1025 ff. ZPO nur anwendbar, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens in Deutschland liegt (§ 1025 Abs. 1 ZPO). Man könnte auf die Idee kommen, eine Schiedsvereinbarung zu entwerfen, in der die §§ 84 ff. entweder vollkommen ausgeschlossen werden oder jedenfalls einzelne ihrer Regelungsbereiche, etwa das Ausgleichsrecht (§ 89b) oder der Buchauszug (§ 87c Abs. 2). Im Lichte der vorgenannten Rechtsprechung, die der ins Ausland weisenden Schiedsvereinbarung die Wirkung nimmt, wenn zu befürchten steht, dass das ausländische Schiedsgericht die zwingenden Vorschriften der RL nicht anwendet, werden auch solche Vereinbarungen unwirksam sein. Unabhängig von der Frage, ob ein Schiedsgericht die Rom I-VO anwenden muss, könnten solche Vereinbarungen schon nach § 307 BGB unwirksam sein (s. o.). Sie widersprechen nämlich einem wesentlichen Grundsatz, nämlich einerseits den zwingenden Vorschriften der RL und möglicherweise auch den in Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO geregelten Grundsatz, dass bei reinen Inlandsachverhalten die zwingenden Vorschriften des einfach-gesetzlichen Rechts nicht abbedungen werden darf. Jedenfalls steht zu erwarten, dass eine solche Vereinbarung durch ein OLG im Aufhebungsverfahren für unwirksam gehalten werden würde. Bei Nutzung einer solchen Schiedsvereinbarung gehen die Parteien auch das Risiko ein, dass die gesamte Schiedsvereinbarung unwirksam ist und damit staatliche Gerichte zuständig werden.

7. Anerkennung und Aufhebungsverfahren Die Nichtbeachtung der Artt. 17–19 RL, mglw. anderer zwingender Vorschriften der RL oder des 786 zwingenden (vertriebsrechtlichen) Kartellrechts5302 kann einen Verstoß gegen den „ordre public“ und damit einen Aufhebungsgrund geben.5303 Werde der Vertragshändlerausgleich als Eingriffsnorm anerkannt, so könnte auch dessen Missachtung einen Aufhebungsgrund für ein

5299 OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 29.12.2011 – 5 U 126/11 Rn 33; Beschl. v. 16.1.2012 – 5 U 126/11, bestätigt durch BGH, Nichtannahmebeschl. v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, BB 2012, 3103 m. Anm. Ayad/Schnell und Eckhoff GWR 2012, 486 sowie zust. Anm. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (358); aA Ayad/Schnell BB 2012, 3104, die auf die vorrangigen Regeln des IZPR für die Bestimmung des Gerichtsstandes hinweisen. 5300 So auch EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – C-381/98, NJW 2001, 2007 Rn 21, 24/25; OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 29.12.2011 – 5 U 126/11 Rn 33. 5301 Siehe hierzu auch Emde ZIP 2017, 1089 (1092). 5302 BGH, Urt. v. 31.5.1972 – KZR 43/71; v. 15.10.1966 – KZR 7/65; OLG Celle, Beschl. v. 14.10.2016 – 13 Sch 1/15, WuW 2017, 508 Rn 88; Thüringer OLG, Beschl. v. 8.8.2007 – 4 ScH 3/06, WuW DE-R 2008, 119 = WuW 2008, 353; C.A. Paris, 18.11.2004, JCP.-Ed.Gen. 2005, 570; hierzu Niggemann SchiedsVZ 2005, 265. 5303 Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (153) – zum Vertragshändlerausgleich; Eilmansberger, SchiedsVZ 2006, 5, (10, 14); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, Anh. § 1061 Rn 350; aA Semler ZVertriebsR 2016, 139 (143/144) – derzeit; Dathe NJW 2010, 3194 = NJOZ 2010, 2196. Vgl. hierzu auch EuGH, Urt. v. 26.10.2006, C-168/05, NJW 2007, 135 für einen Verstoß gegen Verbraucherschutzvorschriften sowie EuGH, Urt. v. 1.6.1999 – C-126/97 Eco Swiss China Time Ltd, Rn 32 ff. zum Verstoß gegen das Kartellrecht. 461

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Schiedsurteil bilden.5304 Nach Ansicht von Dathe5305 führt das Ingmar-Urteil außer im Fall des Provisionsdumpings nicht dazu, dass ein am außereuropäischen Gerichtsstand erstrittenes Urteil innerhalb Europas wegen Verstoßes gegen den anerkennungsrechtlichen ordre public nicht anerkannt oder vollstreckt werden kann. Für jene Auffassung spricht nach Ansicht von Dathe § 92c Abs. 2, demzufolge auch dem innerhalb Europas tätigen Schifffahrtsvertreter kein Ausgleichsanspruch zusteht (dieser fällt allerdings auch nicht unter die RL, da er kein Warenvertreter ist, ebenso wenig fällt die außereuropäische Tätigkeit des § 92c Abs. 1 unter die RL). Ggf. müsste die Frage, so Dathe, auf eine Vorlage nach Art. 267 AEUV durch den EuGH geklärt werden. Zur Verteidigung gegen eine in Deutschland vor staatlichen Gerichten erhobene Ausgleichsklage bei Existenz einer Schiedsvereinbarung diskutiert Semler die Möglichkeit einer negativen Feststellungsklage vor einem Schiedsgericht.5306 Wegen der Rechtskraftwirkung des Schiedsspruches (§ 1055 ZPO) dürfe ein Zahlungsurteil deutscher, staatlicher Gerichte jedenfalls dann nicht ergehen, wenn der ausländische Schiedsspruch in Deutschland anzuerkennen sei.5307 Der Schiedsspruch ist anzuerkennen, falls nicht einer der in Art. V NYC genannten Versagungsgründe eingreife.5308 Insoweit kommt als Versagungsgrund nur der Verstoß gegen den deutschen ordre public in Betracht, Art. V Abs. 2 lit. b NYC. Sieht man § 89b als bloße Eingriffsnorm i. S. d. Art. 9 Rom I-VO und nicht als Bestandteil des ordre public i. S. d. Art. 21 Rom I-VO, greift Art. V Abs. 2 lit. b NYC nach Ansicht von Semler5309 nicht ein. 1961 habe der BGH entschieden, dass § 89b nicht zum deutschen ordre public gehöre.5310 Auf der Grundlage dieses BGHUrteils sei, so Semler, die deutsche Justiz gezwungen, den ausländischen Schiedsspruch anzuerkennen. Freilich lässe sich kaum voraussagen, ob die deutsche Rspr. nicht in Fortentwicklung der Ingmar-Rechtsprechung postulieren würde, § 89b zwecks Umsetzung der RL zum Bestandteil seines ordre public zu erheben.5311

8. Wahl der Schiedsrichter und der Parteivertreter 787 Es spricht – abgesehen vom Kostenfaktor – nichts dagegen, in der Schiedsklausel ein DreiPersonen-Schiedsgericht zu vereinbaren.5312 Detzer/Ullrich5313 empfehlen bei kleineren und mittleren Streitwerten einen und bei hohen Streitwerten drei Schiedsrichter. Gerade im Falle einer mehrtägigen Verhandlung ist es kaum zumutbar, das Verfahren als Einzelschiedsrichter zu führen und alle Argumente und Zeugenaussagen aufmerksam aufzunehmen.5314 Das häufig zu beobachtende, oft ärgerliche Bestreben der Parteischiedsrichter, sich einseitig als Interessenwahrer der benennenden Seite zu geben,5315 kann auch der Wahrheitsfindung dienen: Die Parteischiedsrichter suchen und finden Schwachpunkte des „gegnerischen“ Vortrages, die sonst verborgen geblieben wären. 788 Bei einem „Einer-Schiedsgericht“ ist der Vorsitzende häufig kein deutscher Jurist. Selbst bei einem Dreier-Schiedsgericht sind meist zwei der Schiedsrichter, Vorsitzender und ein Parteischiedsrichter, ausländische Juristen. Dies hängt mit den Grundsätzen zur Wahl des Schiedsge5304 5305 5306 5307 5308 5309 5310 5311 5312

Peschke ZVertriebsR 2016, 144 (153). NJW 2010, 3194 = NJOZ 2010, 2196. Semler ZVertriebsR 2016, 139 (143). Semler ZVertriebsR 2016, 139 (143). Semler ZVertriebsR 2016, 139 (143). Semler ZVertriebsR 2016, 139 (143). BGH, Urt. v. 30.1.1961 – VII ZR 180/60, NJW 1961, 1061. Semler ZVertriebsR 2016, 139 (143). S. etwa Art. 12 ICC-Rules und § 1034 Abs. 1 ZPO. Zu den Vorteilen des Dreier-Schiedsgerichts s. Lionnet/Lionnet S. 236 ff. 5313 Detzer/Ullrich S. 167. 5314 Auch wenn ein Court Reporter ein Transkript fertigt, ist der unmittelbare Eindruck oft entscheidend. 5315 Vgl. dazu Schäfer NJW 2015, 3398 (3399). Emde

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richts zusammen. Die „nichtdeutsche“ Partei wird Wert darauf legen, einen Schiedsrichter eigener Nationalität zu benennen. Dass jener ein deutscher Jurist ist, ist nur wahrscheinlich, sofern die Geltung deutschen Rechts unbestritten bleiben soll. Die „deutsche“ Partei wird hingegen eher einen „deutschen“ Schiedsrichter wählen, u. U. mit zusätzlichen Rechtskenntnissen der nach Ansicht der Gegenseite anwendbaren Rechtsordnung. Beide Parteischiedsrichter oder die Schiedsorganisation5316 entscheiden dann – je nach Schiedsordnung5317 und Schiedsklausel – über die Person des Vorsitzenden.5318 Das Ergebnis ist oft die Wahl eines Schiedsrichters aus einem Drittland.5319 Typischerweise setzt der deutsche Unternehmer eines ausländischen Vertriebsmittlers eine zu deutschem Recht weisende Rechtswahlklausel durch (s. o.). Falls sich im Verlauf des Schiedsverfahrens trotz der dagegen gerichteten Einwände einer Partei ihre Wirksamkeit beweist, ist die Wahl eines nichtdeutschen Schiedsrichters problematisch. Der deutsche Jurist innerhalb des Schiedsgerichts gewinnt eine Übermacht, weil er fast sicher als einziger das deutsche Recht kennt.5320 In vertriebsrechtlichen Schiedsverfahren sind die Vorsitzenden häufig Juristen,5321 meist 789 Anwälte, aus Staaten, die ebenfalls ein gut normiertes Handelsvertreterrecht kennen. Bei europäischem Schiedsort stammen sie u. U. aus Ländern, die ihr Handelsvertreterrecht nach dem Vorbild der RL gebildet haben und damit ein dem deutschen Recht ähnliches Recht kennen. Das erleichtert den Rechtsvortrag. Auch für die Schweiz gilt, dass das dortige Handelsvertreterrecht dem deutschen nicht unähnlich ist und mit der „Kundschaftsentschädigung“ einen § 89b vergleichbaren Ausgleichsanspruch kennt. Jedenfalls liegt es nahe, einen Parteischiedsrichter zu benennen, der nicht nur mit dem anwendbaren Recht, sondern auch mit Schiedsverfahren vertraut ist5322 (und damit den weiteren Schiedsrichtern seine Erfahrung entgegensetzen kann). Außerdem sollte – selbst wenn deutsches Recht vereinbart ist – der gewählte Schiedsrichter ein Jurist mit Kenntnissen des Rechts und möglichst der Sprache5323 am Sitz der anderen Partei sein. Es ist nicht immer leicht, den „Alleskönner“ zu finden. In keinem Fall sollte ein Schiedsrichter prorogiert werden, dem Erfahrung in Schiedsstreitigkeiten fehlt. Er wird den anderen Schiedsrichtern unterlegen sein, es sei denn, es handelt sich um ein insgesamt aus „Neulingen“ zusammengesetztes Schiedsgericht. Der meist erfahrene5324 Vorsitzende wird insbesondere ein überproportionales Gewicht gewinnen, sofern es den Parteischiedsrichtern an eingehender schiedsrichterlicher Erfahrung mangelt. Die Namen möglicher Schiedsrichter in der Schiedsvereinbarung zu bestimmen, wie es gele- 790 gentlich angeregt wird,5325 ist risikoreich, sofern jene ihre Benennung ablehnen oder nach Jahren nicht mehr zur Verfügung stehen.5326 5316 Etwa S. Art. 12.5 ICC-Rules. 5317 S. § 1035 Abs. 3 ZPO. Andere Regelungen zur Bestellung des Schiedsrichters sind ebenfalls bekannt, etwa gem. Art. 57.3 i. V. m. Art. 16 CCMA (Corte Civil y Mercantil de Arbitraje, Madrid): Aus einer Liste von 8 Kandidaten werden von den Parteien 4 nach Präferenz benannt. Der Schiedsgerichtshof benennt daraus die beiden Kandidaten unter Berücksichtigung der angegebenen Präferenz. Das 3. Mitglied ist der Präsident des Schiedsgerichtshofs; s. Frühlingsdorf SchiedsVZ 2015, 127 (129). 5318 S. Schäfer NJW 2015, 3398 (3400) (ggf. nach Konsultation der den Parteischiedsrichter benennenden Partei); Schütze Rn 76 ff. 5319 S. etwa Art. 13.5 ICC-Rules: Vorsitzender aus einem Drittstaat. 5320 S. Schütze in: Schütze, Institutional Arbitration, 2013, Intro Rn 33. 5321 Da ein Schiedsrichter – je nach Schiedsklausel und Schiedsordnung – kein Jurist sein muss, wäre sogar ein „nicht-juristischer“ Schiedsrichter denkbar. 5322 Schäfer NJW 2015, 3398 (3399); Risse/Spehl ZVertriebsR 2012, 151. 5323 Das erleichtert das Verständnis der u. U. in dieser Sprache gefassten Originaldokumente. 5324 Sowohl die Mitschiedsrichter wie die Schiedsorganisation werden nur einen erfahrenen Schiedsrichter benennen. 5325 Lemaire/Arnaud Raynouard, in: Conrad/Münch/Black-Branch, International Commercial Arbitration, § 4 Rn 4.5.2. 5326 Vgl. Schwab/Walter Kap. 7 Rn 9, Kap. 8 Rn 12 sowie § 1039 ZPO. 463

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Sorgsam ist auch bei der Auswahl der Parteivertreter vorzugehen. Der „Hausanwalt“ einer Partei sollte überlegen, ob er das Schiedsverfahren allein führen möchte. Ein Spezialist zum Schieds- und/oder Vertriebsrecht ist gerade gefragt, wenn den ausländischen Schiedsrichtern das deutsche Recht unbekannt ist. Nichts spricht dagegen, dass auch der „Hausanwalt“ das Schiedsverfahren begleitet und etwa an der mündlichen Verhandlung teilnimmt. Dass zwei bis sechs Anwälte für jede Partei die Schiedsverhandlung besuchen, ist nicht selten. Oft wollen nämlich die ausländischen Hausanwälte einer Partei, deren Recht derogiert wurde, an ihr teilnehmen oder es erweist sich die (ggf. partielle) Nichtanwendbarkeit deutschen Rechts, was auch auf Seiten des Unternehmers dazu zwingt, ausländische Spezialisten einzubeziehen. Selbst von der Anzahl der Beteiligten her betrachtet spricht folglich nichts dagegen, als deutscher, nicht spezialisierter Anwalt einen auf vertriebsrechtliche Streitigkeiten spezialisierten Kollegen zu konsultieren. Das dafür entstehende Honorar dürfte gut angelegtes Geld sein. 792 Schiedsrichter lassen sich die Entscheidungen oft durch Angestellte ihrer Sozietät oder wissenschaftliche Mitarbeiter „vorbereiten“. Bekannte Schiedsrichter sind zeitlich außerordentlich belastet und eher wenig bereit, sich in jedes Detail eines Verfahrens einzuarbeiten. Das steht umso eher zu vermuten, wenn (nur) ein fester Honorarrahmen unabhängig von der tatsächlichen Tätigkeit sicher ist.5327 Die Entscheidung muss hierdurch nicht „falsch“ oder „unsorgfältig“ vorbereitet werden. Da der Schiedsrichter nicht alle Schriftsätze durchgearbeitet haben mag, gewinnt die mündliche Verhandlung samt ihres Plädoyers eine erhöhte Bedeutung. Dass Mitarbeiter der Schiedsrichter den ersten Entwurf des Urteils schreiben werden, erkennt man häufig, sobald die Schiedsrichter ihre Mitarbeiter an der mündlichen Verhandlung teilnehmen lassen.5328 791

9. Schriftsätze 793 Die im Schiedsverfahren ausgetauschten Schriftsätze weisen schon von ihrer äußerlichen Form Unterschiede zu den in staatlichen Verfahren typischen auf. So ist es üblich, die Schriftsätze ihrer Reihenfolge gemäß zu beziffern5329 und mit Randnummern zu versehen. Immer mehr setzt sich auch die – unpraktische – Übung durch, die Anträge an das Ende der Schriftsätze zu rücken. Sie werden zudem – zumindest vorweg – per E-Mail (elektronisch nach Stichworten durchsuchbare pdf- oder andere Datei) übermittelt und, wenn überhaupt, nur ergänzend als Hardcopy. Endet eine Frist, erfolgt die Zustellung oft automatisch per „Timer“ kurz vor Mitternacht des Tages des Fristablaufs (Achtung: Übertragungszeit und Übertragungsfehler einkalkulieren oder in den Terms of Reference die Absendezeit als fristwahrend vereinbaren5330), um die Reaktionszeit der gegnerischen Partei zu verkürzen. 794 Die (schriftsätzliche) Darlegung des jeweiligen Rechts ist nicht unproblematisch. Da die Schiedsrichter häufig keine deutschen Juristen sind, sind die Schriftsätze umfangreicher als die vor deutschen staatlichen Gerichten eingereichten. Sowohl das nach Ansicht der Partei anwendbare Gesetz muss dargelegt und zitiert werden (also die einzelnen Gesetzesvorschriften, bis hin zu den Nebenanträgen, also namentlich zur Verzinsung), und dies meist sowohl in der Originalsprache als auch der vereinbarten Schiedssprache. Leitentscheidungen müssen ebenfalls vorge5327 Die Schiedsordnungen sehen meist nach Streitwert (und ggf. Schwierigkeitsgrad) gestaffelte Gebührensätze für die Tätigkeit der Schiedsrichter vor, vergleichbar der Gebührenordnung nach RVG. Bei besonderer Schwierigkeit des Falles können sich die Gebühren erhöhen. Zum Ganzen Schütze Rn 38 ff. 5328 Zum offiziellen „Pendant“ einer solchen Hilfskraft, dem „Administrative Secretary“ sowie der Problematik der Anfechtbarkeit des Schiedsurteils aufgrund der Tätigkeit solcher Hilfskräfte s. Yukos Universal Ltd. vs. The Russian Federation, Final Award of 18.7.2014; Menz SchiedsVZ 2015, 210 ff. 5329 Etwa R1 für den ersten Schriftsatz des Beklagten (R = Respondent), C2 für die Replik des Klägers (C = Claimant). 5330 Schäfer NJW 2015, 3398 (3401). Emde

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legt und übersetzt werden. Staatliche Richter kennen (hoffentlich) das anwendbare Recht. Jedenfalls können sie es sich leicht erarbeiten oder erarbeiten lassen. Folglich muss staatlichen Richtern das maßgebliche Recht im geringeren Umfang erläutert werden. Ein gutes Mittel zur Darlegung des deutschen Ausgleichsrechts ist der in Englisch zugängliche Bericht der Kommission vom 23.7.1996,5331 welcher die deutsche Rechtsprechung zu § 89b im Kurzüberblick widergibt, verbunden mit dem Hinweis, sie biete Rechtsanwendern anderer Staaten Hilfestellung und Orientierung. Nicht immer erreichen die Schriftsätze die gelegentlich in Verfahren vor staatlichen Gerichten übliche dogmatische Tiefe. Denn sofern Schiedsrichter und gegnerische Partei keine deutschen Juristen sind, muss bei „Null“ begonnen und müssen zunächst die „Basics“ erläutert werden. Man beschränkt sich also oft darauf, entweder Standardliteratur zu zitieren oder wenige Leitentscheidungen, die auch als Anlage vorgelegt werden. Gerade wenn beide Parteivertreter und auch der Schiedsrichter deutschsprachig sind (was bei der Vereinbarung deutschen Rechts, der Einbeziehung deutscher Parteivertreter und Ernennung Schweizer und/oder österreichischer Schiedsrichter nicht selten ist), können sich die Parteien in den Schriftsätzen darauf beschränken, die relevanten Teile der zitierten Quellen in die fremde Schiedssprache zu übersetzen.5332 Die Quellen selbst (etwa Gerichtsentscheidungen) werden dann unübersetzt als „Exhibit“ beigefügt. Das kann die Darlegung erleichtern. Häufig ist aber zumindest ein Schiedsrichter nicht der deutschen Sprache mächtig, so dass alle Quellen vollständig übersetzt werden müssen. Beglaubigte Übersetzungen werden regelmäßig nicht gefordert.5333 Die damit verbundenen Kosten können gleichwohl nicht unerheblich sein. Sind die Parteien und Schiedsrichter sämtlich deutschsprachig, ist es gelegentlich möglich, sich auf Deutsch als Schiedssprache zu einigen (sogar wenn in der Schiedsklausel eine andere Sprache vereinbart war). Die Parteien sind Herr des Verfahrens und können sich auf fast alles verständigen, notfalls auch erst im Vertrag mit den Schiedsrichtern. Oft besteht die ausländische Partei trotz deutscher Rechtsanwälte als Parteivertreter darauf, dass es bei der ursprünglichen Schiedssprache verbleibt, etwa um die Einflussnahme ihrer Hausanwälte oder Rechtsabteilung auf das Verfahren ohne den Nachteil der durch Übersetzungen eintretenden Verkürzung der Reaktionszeiten zu ermöglichen. Bleibt etwa Englisch die Schiedssprache, mag es sich anbieten, die Schriftsätze in Deutsch und englischer Übersetzung einzureichen. Vermutlich wird ein deutschsprachiges Schiedsgericht die Schriftsätze in ihrer deutschen Fassung lesen, was der deutschen Partei einen Vorsprung verschaffen kann. Jedenfalls werden in solcher Situation die vor der mündlichen Verhandlung stattfindenden Telefonkonferenzen oft in Deutsch geführt. Das gilt zumindest, falls an ihr nur die deutschsprachigen Verfahrensbeteiligten teilnehmen, ohne die nicht-deutsche Partei. Der Anlagenapparat schiedsgerichtlicher Verfahren ist wesentlich umfangreicher als der vor staatlichen Gerichten vorgelegte. Das liegt nicht nur an der in Verfahren vor deutschen staatlichen Gerichten eher unüblichen Beigabe zitierter Quellen, sondern auch an den schriftlichen Witness Statements, die den Sachvortrag jeder Partei durch Bestätigungen von Zeugen unterstützen.5334 Achtung: Wessen Witness Statement vorgelegt wurde, kann in der mündlichen Verhandlung von der Gegenpartei befragt werden.5335 Wer schriftlich mit Hilfe der vorformulierenden Anwälte ein guter Zeuge sein mag, muss nicht notwendigerweise dem Druck einer Zeugenver5331 5332 5333 5334

Bericht der Kommission über die Anwendung von Art. 17 der RL, COM (96) 364. S. etwa Hahnkamper in: Handbuch Wiener Regeln, 2013, Art 26 Rn 15. S. etwa Hahnkamper Art. 26 Rn 15. S. Laumen MDR 2015, 1276 (1278); Haugenender/Netal, in: Handbuch Wiener Regeln, 2013, Art. 29 Rn 7. Zwingend ist diese Handhabung nicht; s. Lachmann Rn 809. 5335 Auch wenn das Schiedsgericht keine Handhabe hat, einen Zeugen zum Erscheinen zu zwingen (Laumen MDR 2015, 1276 (1279 f.).; Schäfer NJW 2015, 3398 (3402). Nach Art. 47 IBA-Rules kann das Witness Statement eines nicht erschienenen Zeugen unberücksichtigt bleiben. Gem. § 1050 ZPO darf ein deutsches Schiedsgericht staatliche Gerichte um Unterstützung bei der Beweisaufnahme bitten. 465

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nehmung des gegnerischen Parteivertreters standhalten. Es bedarf also einer gewissen Überlegung, wer ein Witness Statement abgeben sollte. Auch eine Partei darf ein Witness Statement vorlegen und Zeuge sein.5336

10. Gutachten zum anwendbaren Recht 799 Mit der Darlegung des anwendbaren Rechts korrespondiert die Frage, ob jene Darlegung durch Gutachten zum geltenden Recht unterstützt werden soll oder muss. 800 Jede Partei hat das maßgebliche Recht darzulegen und zu beweisen. Handelt es sich um deutsches Recht, so ist es sinnvoll, die Darlegung durch Gutachten spezialisierter Anwälte oder Professoren zu unterstützen.5337 Es ist wichtig, dass der Gutachter nicht nur ein vertriebsrechtlicher Experte ist, sondern auch ein gewisses „Standing“ besitzt. Dies wird am ehesten durch passende Publikationen und durch die Beifügung einer fachbezogenen Veröffentlichungsliste unterstrichen, vielleicht sogar mit Veröffentlichungen in englischer Sprache. Es gibt Kollegen und Professoren, die sich auf solche Gutachten spezialisiert haben und sie in englischer Sprache liefern können. Zwingend ist die Fertigung in der Schiedssprache nicht, da die Beifügung eines deutschen „Originals“ hilft, wenn sich das Schiedsgericht aus deutschsprachigen Mitgliedern zusammensetzt und die Übersetzungskosten vertretbar sind. Nicht selten sind sie geringer als die Kosten, die entstehen, weil der Gutachter in der Schiedssprache „langsamer“ arbeitet. Viele Übersetzer haben sich auf schiedsrechtliche Schriftsätze und Gutachten spezialisiert. 801 Häufig genügt es, sofern zunächst das anwendbare Recht schriftsätzlich dargelegt und auf die Entscheidung des Schiedsgerichts gewartet wird, ob ein Gutachten vorzulegen ist. Ein Restrisiko verbleibt: Denn es mag keine solche Entscheidung geben und der Vortrag ohne Gutachten weniger überzeugend sein. Ob ein Gutachten gefertigt wird ist auch eine Frage der Kosten. Sie können stark variieren. Alles innerhalb einer Spanne von 1500 EUR bis 60000 EUR ist nicht unüblich.

11. Andere Gutachten 802 Ein weiterer Kostenfaktor sind die Kosten anderer Sachverständigengutachten als zum anwendbaren Recht.5338 Tendenziell wird ein Schiedsgericht eher als ein deutsches staatliches Gericht geneigt sein, Sachverständigengutachten anzufordern. Über dem Schiedsgericht schwebt das für seine Mitglieder rufschädigende Schwert der Aufhebung des Schiedsspruchs. Die Neigung der Schiedsrichter, über Beweisantritte hinwegzugehen, ist folglich gering.5339 Hier ist mit weiteren Kosten zu rechnen.

12. Mündliche Verhandlung 803 Bei der Gestaltung der nicht obligatorischen5340 mündlichen Verhandlung lassen die Schiedsordnungen dem Schiedsgericht viel Freiheit. Die Verhandlung wird so terminiert, dass bei ihrem Beginn alle Schriftsätze (mit Ausnahme eventueller Post hearing briefs, dazu sogleich

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Laumen MDR 2015, 1276 (1279). Allgemein zur Beweiswirkung der Parteigutachten“ im Schiedsverfahren Laumen MDR 2015, 1276 (1279). S. z. B. § 1049 ZPO. Nicht selten gibt es aber auch gegenteilige Erfahrungen. Wie immer hängt alles von den handelnden Personen, hier dem oder den Schiedsrichter(n) ab. 5340 Lionnet/Lionnet S. 352. Emde

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Ziff. 12.) ausgetauscht5341 und Anträge auf „disclosure“ oder „document production“ abgehandelt sein sollten. Schon zeitlich erstaunt sie an kurze Termine gewohnte deutsche Juristen. Oft werden in dem zu Beginn des Verfahrens vom Schiedsgericht gefertigten „Provisional Timetable“ ganzwöchige Verhandlungen angesetzt, und das in Angelegenheiten, in denen manch deutsches staatliches Gericht einen Durchgangstermin von 10 Minuten bestimmt hätte. Oft verkürzt sich die Zeitspanne auf 2 oder 3 Tage, nachdem nur ein Teil der Zeugen, die ein Witness Statement vorgelegt hatten, von den Parteien benannt wurde und sich ihre Zahl auf diese Weise kondensiert. Die mündliche Verhandlung wird meist – hierüber einigen sich die Parteien i. d. R. oder 804 das Schiedsgericht bestimmt – durch ein Opening Statement (Dauer: 15 Minuten bis 2 Stunden) eingeleitet. Es kann nur empfohlen werden, jenes schriftlich auszuarbeiten und die Ausarbeitung dem Schiedsgericht auszuhändigen. Außerdem ist zu empfehlen, es als PowerPoint-Präsentation oder pdf-Datei mittels Beamer zu präsentieren. Es erstaunt, wie wenig Parteivertreter die Chance nutzen, eine weitere schriftliche Ausarbeitung, nämlich die schriftliche Fassung des Opening Statements, vorzulegen. Bekanntlich ist die Zahl der Schriftsätze im Schiedsverfahren limitiert, so dass eine solche Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen sollte − trotz zu erwartender Proteste der Gegenseite.5342 Dies gilt umso mehr, als sich bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung oft Punkte zeigen, die eigentlich eingehenderer schriftlicher Vertiefung bedurft hätten. Die Form des Opening Statement hängt von der Rechtsstreitigkeit ab. Häufig empfiehlt es 805 sich, in einem „Frage-Antwort“-Wechselspiel alle relevanten Streitfragen übersichtsartig anzusprechen. Eine andere Möglichkeit ist die Zusammenfassung in Form eines aus Parteisicht gefassten „Wunschurteils“. Das alles kann natürlich auch im „Post hearing brief“ geschehen (dazu sogleich Ziff. 12.). Relevante Dokumente oder Vorschriften können in das Opening Statement einkopiert und per Beamer präsentiert werden. Das Opening Statement sollte prägnant und nicht zu kompliziert gefasst sein. Anderenfalls hinterlässt es zu wenig Spuren. Zur Zeugenvernehmung haben sich gewisse Üblichkeiten herausgebildet: In erster Linie hat 806 das schriftliche Witness Statement Beweiswert: Nicht jede Person, die ein Witness Statement unterzeichnet hat, wird auch in der mündlichen Verhandlung gehört. Ihre Vernehmung lässt sich aber nicht ausschließen. Je nach Schiedsordnung lautet die Regel, dass man nur die „Zeugen der Gegenseite“, die ein Witness Statement vorgelegt haben und die man in der mündlichen Verhandlung einer „Cross-Examination“ unterziehen will, benennt, nicht die „eigenen“ Zeugen. Ob Personen gehört werden, die im Interesse der eigenen Partei Witness Statements abgegeben haben, bestimmt hingegen der Gegner. Meist akzeptieren die Schiedsgerichte auch, wenn man eigene Zeugen bezeichnet, die gehört werden sollen. Oder das Schiedsgericht entschließt sich auf das schriftsätzliche Beweisangebot einer Partei zur Vernehmung. Die Vernehmung der von einer Partei selbst benannten Zeugen unterliegt besonderen Restriktionen, gerade zeitlichen. Die Kernangst jedes Schiedsrichters bleibt es, unzureichend rechtliches Gehör gewährt zu haben. Denn damit lässt sich die Aufhebung des Schiedsentscheids begründen. Dass das Schiedsgericht bei der Akzeptanz von Zeugen gegenüber einer Partei großzügiger ist als gegenüber einer anderen, braucht deshalb nicht unbedingt als gutes Zeichen gewertet zu werden. Gerade gegenüber derjenigen Partei, die „schlechte Karten hat“, zeigt das Schiedsgericht häufig eine höhere Toleranzschwelle. 5341 Lionnet/Lionnet S. 351. Überraschungen sind nicht selten, insb. falls eine Partei das Verfahren vor oder nach der mündlichen Verhandlung behindern will („guerilla tactic“). Solches Verhalten wird u. U. bei der Kostenquotelung berücksichtigt. 5342 Ist die schriftliche Ausarbeitung in der Welt, wird sie auch gelesen. Sollte sie auf Antrag einer Partei „aus der Akte entfernt“ werden, spielt dies nach Kenntnisnahme keine Rolle. Ohnehin landen aus der Akte „entfernte“ Schriftsätze nicht in der Mülltonne, sondern bestenfalls in einer separaten Akte. Der wesentliche Inhalt des Opening Statements wird mündlich vorgetragen und damit im Transkript der Verhandlung festgehalten. Die Verwertung ist also gesichert. Verbleiben Unklarheiten, wird jeder Schiedsrichter auf die schriftliche Ausarbeitung zurückgreifen. 467

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Das bedeutet: Es ist sorgsam zu prüfen, welche Zeugen (der Gegenseite) man hören will. Gibt man der Gegenpartei zu viel Raum, ihre Position darzustellen, ist dies nur schädlich. Gerade in der Position des Beklagten bietet es sich an, dem beweispflichtigen Kläger (und „seinen“ Zeugen) nicht zu viel Zeit zur Präsentation seiner Sicht der Dinge zu geben. Die Partei, die den Zeugen stellt, darf ihn kurz vorstellen und einige, wenige einleitende Fragen stellen. Hierauf folgt die „Cross-Examination“ durch die gegnerische Partei, also die Partei, die das Witness Statement nicht vorgelegt hat. Die Seite, welche das Witness Statement des jeweiligen Zeugen eingereicht hat, kann abschließend einige Fragen stellen, meist begrenzt auf den Themenbereich der vorhergehenden Cross-Examination. Dies alles hängt von den Vereinbarungen der Parteien, der Schiedsordnung oder dem Schiedsvertrag ab.5343 Man sollte davon ausgehen, dass pro Zeuge bei einer Cross-Examination ein Zeitraum von 60 bis 120 Minuten einzuplanen ist. Das gilt insbesondere, sofern Fragen und Antworten übersetzt werden müssen. Hier zeigt sich ein Stück „Untersuchungsgrundsatz“: Jeder Partei soll Gelegenheit gegeben werden, den Fall umfassend darzustellen und zu erforschen, etwa indem Fragen gestellt werden dürfen, die über den Inhalt der „Witness Statements“ hinausreichen. Über die „Taktik“ der Cross-Examination ist viel geschrieben worden. Natürlich müssen die an die Zeugen gerichteten Fragen sorgsam vorbereitet werden. Ausgangspunkt des Fragenkatalogs ist das Witness Statement, welches der Zeuge abgegeben hat. Oft beschränkt sich das Fragerecht auf den Inhalt jenes Statements, um das Einbringen neuen Tatsachenvortrags über die einer Partei zuzurechnenden Zeugen auszuschließen. Man sollte eine Vielzahl von Fragen vorbereiten. Vielleicht werden nur einige gestellt, andere ergeben sich spontan aus dem Inhalt der Zeugenaussage. I. d. R. gilt: Lieber eine Frage zu viel vorbereitet als eine zu wenig. Soweit dies erlaubt ist – hierüber gibt es unterschiedliche Vorstellungen in den Rechtsordnungen – können die Zeugen auf ihre Aussage vorbereitet werden.5344 Dass sie dabei die Wahrheit sagen müssen ist klar. Man kann aber das Augenmerk darauf legen, dass die Zeugen ihre Antworten in Richtung der Punkte lenken, die aus Sicht der repräsentierten Partei bedeutsam sind. Es obliegt dem Gegner und letztlich dem Schiedsrichter, ggf. einzugreifen. Tendenziell sollte über für die eigene Partei ungünstige, schwer widerlegbare Tatsachen hinweggegangen und die Position herausgearbeitet werden, die der des Gegners entgegengehalten werden kann. Soweit die Zeugen im Witness Statement Positives bestätigt haben, kann und sollte die den Zeugen gestellte Frage mit einem Zitat dieser Passage eingeleitet und darauf beschränkt werden, ob jene Passage korrekt ist. Versucht der Zeuge auszuweichen und mit längeren Ausführungen zu seiner eigenen Position zu beginnen, kann er unterbrochen und darauf verwiesen werden, dass er nur mit „Ja“ oder „Nein“ zu antworten habe oder die Frage bereits beantwortet sei. Auch hier obliegt es dem Gericht, die Fragen als zu „lenkend“ zu beanstanden. Zu prüfen ist, ob ein Zeuge (der Gegenpartei) vermutlich leicht zu verwirren und zu verleiten ist, eine für die eigene Partei günstige Aussage abzugeben. Das hoffen manche zu erreichen, indem dem Zeugen eingangs der Vernehmung eine Reihe provokanter Fragen gestellt werden, damit er aggressiv und/oder müde wird. Die „wichtigsten“ Fragen werden dann zum Schluss der Vernehmung gestellt. Gut geschult sind oft Zeugen (und Anwälte)5345 aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis. Das gilt insbesondere für Zeugen, die bereits zuvor vor dort situierten Gerichten ausgesagt haben. Anders als den Zeugen des europäischen Rechtsraums ist ihnen die Cross-Examination vertraut. Es wäre zu viel zu behaupten, dass sich die gesamte Zeugenvernehmung planen ließe. Menschen sind schwer einzuschätzen. Zu einer erfolgreichen Zeugenbefragung gehört auch eine Portion Glück. Letztlich ist es aber so, dass sich die Wahrheit meist durchsetzt und für das erfahrene Schiedsgericht erkennbar wird. Es ist schwer, bei zahlreichen Zeugen eine „erlogene“ Position durchzuhalten. Das Schiedsgericht spürt sehr genau, welcher Zeuge glaubwürdig ist. 5343 Vgl. etwa Lionnet/Lionnet S. 364. 5344 Laumen MDR 2015, 1276 (1278). 5345 Schütze Intro Rn 40. Emde

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Jede „Lügenkette“ ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Und dies ist der schwächste Zeuge. Oft bricht jede Taktik und vorabgesprochene Aussage mit dem Zeugen zusammen. Nicht selten wünschen Zeugen, dass ihre Frage und Antworten übersetzt werden. Ebenso 815 häufig ist dieser (zeitraubende) Wunsch bloße Taktik: Die Frage wird bereits in der Schiedssprache, durchweg Englisch, verstanden. Der Zeuge will aber während der Übersetzung Zeit für eine durchdachte Antwort gewinnen und den Zeitraum für Fragen verkürzen. Diese Taktik kennen wir von Politikern. Wie erläutert, sind neben deutschen Anwälten meist auch Anwälte anderer Nationalitäten 816 am Rechtsstreit beteiligt. Zum einen deshalb, weil häufig das anwendbare Recht noch nicht feststeht, jedenfalls so lange, wie darüber noch nicht durch eine Zwischenentscheidung („bifurcation“5346) entschieden wurde. Zum anderen auch, weil zumindest eine Partei ihren Sitz in einem Land hat, welches nicht das des anwendbaren Rechts ist (oft der Vertriebsmittler) und folglich (Haus-)Anwälte aus dem Sitzstaat jener Partei beteiligt sind. Dies führt dazu, dass die mündliche Verhandlung mit Anwälten gut besucht ist. Denn die Kollegen werden der mündlichen Verhandlung beiwohnen wollen. Nicht selten werden sogar Parteivertreter einbezogen, deren materielles Recht nicht einschlägig ist, etwa auf Schiedsverfahren spezialisierte Anwälte. Alle Schriftsätze und Anlagen beider Seiten sollten während der mündlichen Verhandlung 817 in elektronischer Form und als Hardcopy zugänglich sein. Gericht und Gegner könnten auf einzelne Passagen Bezug nehmen. Ich bevorzuge es, zusätzlich den Gerichtsteil samt Anlagenordner als Hardcopy mitzuführen, selbst wenn das die Mitnahme mindestens eines weiteren Koffers erfordert. Ohnehin wird das Schiedsgericht meist fordern, dass jede Partei den Zeugen, deren Vernehmung sie wünscht, eine Ausfertigung des abgegebenen Witness Statements und der für die Vernehmung relevanten Anlagen zu den Schriftsätzen (ohne „hilfreiche“ Kommentare und Anmerkungen) vorlegt. Bei zahlreichen ausgetauschten Schriftsätzen mit umfangreichen Anlagenapparat wünscht das Schiedsgericht gelegentlich die Beibringung vorbereiteter „hearing bundles“ mit Auszügen der relevanten Schriftsätze samt Anlagen.5347

13. „Closing Statement“ und „Post hearing brief“ Ob die mündliche Verhandlung durch ein „Closing Statement” (Dauer zwischen 15 Minuten und 818 2 Stunden pro Partei) abgeschlossen wird, ist Geschmackssache. Der Verfasser ist kein Anhänger solcher Plädoyers. Sie führen nach der erschöpfenden, oft mehrtägigen mündlichen Verhandlung zu (im Transkript der Verhandlung protokollierten) voreiligen Schlüssen und Ausführungen. Weiter zwingen sie zur Vorbereitung entweder während der mündlichen Verhandlung, lenken also von ihr ab, oder im Anschluss an die mündliche Verhandlung des Tages, also zu einem Zeitpunkt, zu dem eigentlich die Zeugenvernehmung des Folgetages vorzubereiten ist. M. E. vorzugswürdig ist ein „Post hearing brief“, in dem nach Durchsicht des vom Court Reporter gefertigten Transkripts der eigene Standpunkt zusammengefasst wird. „Post hearing briefs“ unterliegen meist einer Seitenbeschränkung, oft zwischen 20 und 50 Seiten. Man sollte sich darauf beschränken, den Gang der mündlichen Verhandlung zu rekapitulieren und den gegnerischen Zeugen erwiesene Unwahrheiten vorzuhalten. Das Gericht wird es oft langweilen, eine Wiederholung der bekannten Schriftsätze zu lesen. Sinnvoll ist es, eingangs oder zum Ende des Briefs kurz unter die maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen zu subsumieren.

5346 Im Falle einer „bifurcation“ wird das Verfahren in einen Zulässigkeits- und einen Begründetheitsteil (oder andere Verfahrensabschnitte) separiert; s. z. B. Appendix IV ICC-Rules.

5347 Lemaire/Arnaud Raynouard § 4 Nr. 21. 469

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14. Besondere Anforderungen an die Sorgsamkeit 819 Es gibt im Schiedsverfahren, sofern nicht anders vereinbart,5348 nur eine Instanz. Meist werden nach dem einleitenden Schiedsantrag und der ihm folgenden, oft kurzen Erwiderung nur vier Schriftsätze, zwei für jede Partei, gewährt. Es fehlt also die Chance, zumindest zu den Rechtsfragen in weiteren Instanzen vorzutragen. Die Fristen sind kaum verlängerbar, auch deshalb, weil der gesamte Zeitplan des Verfahrens zu dessen Beginn in der Schiedsvereinbarung, der ersten „Procedural Order“ oder im „Provisional Timetable“ festgelegt wird. Wenn überhaupt, sind meist nur kurze Fristverlängerungen erreichbar. 820 Das zwingt die Parteien zu besonderer Sorgsamkeit, schnellem Arbeiten im Team und vor allem umfassenden Vortrag bereits im ersten nachgelassenen Schriftsatz. Es müssen alle Sachverhalts- und Rechtskonstellationen (ggf. zu mehreren Rechtsordnungen, falls das anwendbare Recht noch nicht feststeht) durchdacht und entsprechend vorgetragen werden. Hierdurch entsteht ein Fristendruck, der so aus dem staatlichen Verfahren mit der eher großzügigen Bereitschaft der Richter, Fristverlängerungen zu gewähren, unbekannt ist. Oft erfordert dies, dass das Schiedsverfahren nicht nur durch einen Anwalt geführt wird, sondern ein „Backup“ im Verhandlungsraum und Büro vorhanden ist, einerseits wegen der zeitlichen Belastung, andererseits für Krankheitsfälle und schließlich zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung des Folgetages. Die Teilnahme mehrerer Anwälte an der mündlichen Verhandlung ist letztlich auch aus anderen Gründen empfehlenswert: Sieht man sich allein einer Phalanx von Anwälten der Gegenseite gegenüber, ist man schon psychologisch im Nachteil.

15. Verteilung der Kosten 821 Die Allokation der Kosten nach Abschluss des Schiedsverfahrens obliegt dem Schiedsgericht,5349 abhängig von den Vereinbarungen der Parteien5350 oder der Schiedsordnung. Generell wird sich ein Schiedsgericht bei der Aufteilung der Kosten in erster Linie am Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen orientieren.5351 Eine Besonderheit des Schiedsverfahrens ist es, dass einer Partei aufgrund ihres Prozessverhaltens ein größerer Teil der Kosten auferlegt werden darf, als es das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen anbieten würde.5352 Es handelt sich insoweit um eine Verteilung nach Billigkeitsgrundsätzen. Ohne Übertreibung ist davon auszugehen, dass für eine umfangreiche schiedsgerichtli822 che Vertriebsrechtsstreitigkeit Kosten in Höhe von rd. 1 Mio. EUR (Kosten für Gericht, Parteivertreter, Gutachter, Übersetzer, Dolmetscher, Court Reporter, Zeugen, Reise zum Schiedsort, Übernachtungen, etc.) zu verteilen sind. Internationale Schiedsverfahren sind also deutlich kostenträchtiger als Verfahren vor staatlichen Gerichten,5353 selbst wenn man den möglichen Instanzenzug staatlicher Verfahren berücksichtigt. Natürlich hängen die Kosten vom Streitwert5354 und der gewählten Schiedsinstitution5355 ab. Aber die Kostenerstattung ist nicht auf

5348 5349 5350 5351

Schütze Rn 455. S. etwa Art. 3.7 ICC-Rules und Schäfer NJW 2015, 3398 (3403). Detzer/Ullrich S. 168; Musterklausel s. Conrad/Cilingir/Baumann § 2 Nr. 9. Schütze Rn 462 ff.; Bühler/Jarvin Part 2, Art. 31 ICC-Rules Rn 70; Mustill/Boyd, Commercial Arbitration, 2nd ed 1989, S. 395. Aber auch eine „Kostenaufhebung“ bei völligem Obsiegen einer Partei ist denkbar; s. Bühler/Jarvin, a. a. O., Part 2, Art. 31 ICC-Rules Rn 74. 5352 Etwa Art. 37 ICC-Rules. Hierzu Reiner/Aschauer, in: Schütze, Institutional Arbitration 2013, ICC-Rules Rn 764; Aden S. 409. 5353 Krümmel, in: Praxishandbuch Vertriebsrecht § 6 Rn 105; Schütze Rn 33; abwägend Weigand Part 1, Rn 16. 5354 S. die Zusammenfassung bei Schütze Rn 38 ff. 5355 Die „Preisunterschiede“ sind recht erheblich. Emde

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die RVG-Gebühren beschränkt.5356 Ein Richtwert von rund 500.000 EUR pro Partei ist bei einem Dreier-Schiedsgericht nicht unrealistisch. Gelegentlich wird es sogar teurer. Denn die Kosten der meist auf Stundenbasis honorierten Parteivertreter sind höher als im staatlichen Verfahren, weil eben alles und jede Kleinigkeit zum anwendbaren Recht dargelegt werden muss.

J. Allgemeines zum gerichtlichen Verfahren I. Sachliche Zuständigkeit Für den Entscheid einer Vertriebsmittlerstreitigkeit sind grundsätzlich die ordentlichen Ge- 823 richte, Zivilkammern, zuständig. Nur wenn die Voraussetzungen für die Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen begründet sind – beidseitiges Handelsgeschäft und gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG müsste der Beklagte Kaufmann sowie in das Handels- oder Genossenschaftsregister eingetragen sein – ist deren Kompetenz begründet. Nach § 84 Abs. 4 muss ein HV nicht notwendig Kaufmann sein. Ob ein beiderseitiges Handelsgeschäft vorliegt, ist daher nicht immer sicher.5357 Es gibt also keine Allzuständigkeit der Kammern für Handelssachen. Mit der Novellierung des § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG durch das HRefG v. 22.6.1998 wurde den Kammern für Handelssachen ein wesentlicher Teil ihrer Zuständigkeiten entzogen, was zu einer Teilzuständigkeit der Zivilkammern geführt hat. Das gilt zum einen, wenn der klagende HV keinen kaufmännischen Geschäftsbetrieb führt (was bei lediglich zwölf oder gar nur vier jährlichen Provisionsbuchungen nicht ausgeschlossen ist) oder der beklagte Unternehmer nicht in das Handelsregister eingetragen wurde. Die dadurch hervorgerufenen Zuständigkeitsstreitigkeiten und die geringere Zuständigkeitskonzentration bei den Kammern für Handelssachen dürfen bedauert werden.5358 Nach Ansicht von Kügel5359 ist bei HV ab einem Provisionsumsatz von etwa 100.000 EUR die Kaufmannseigenschaft anzunehmen (berechnet auf Basis eines Provisionssatzes von 2–5 %). Bei Vertragshändlern müsse man auf die Umsätze abstellen und ab einem solchen von 250.000 EUR die Kaufmannseigenschaft bejahen.5360 Richtigerweise gibt eine Gesamtbetrachtung, und nicht der Umsatz allein, Aufschlüsse über die Kaufmannseigenschaft.5361 Ist der HV arbeitnehmerähnliche Person i. S. d. § 5 Abs. 3 ArbGG sind die Arbeitsgerichte zuständig5362 (s. Komm. zu § 84). Ob das AG oder das LG zuständig ist, bestimmt sich nach der Höhe des Streitwertes. Ist eine Tatsache doppelrelevant, also sowohl für die Zuständigkeit wie die Begründetheit der Klage erheblich, ist nach der Theorie des doppelrelevanten Vortrages zur Bestimmung der Zuständigkeit nur auf den Klägervortrag abzustellen.5363 Nach einer Ansicht ist sogar dann allein auf den Klägervortrag abzustellen, wenn es sich bei den maßgeblichen Umständen nicht um doppelrelevante Tatsachen handelt.5364 Es sei allein maßgeblich, ob die vom Kläger zur Begründung seines Anspruchs behaupteten Tatsachen Rechtsbeziehungen oder Rechtsfolgen ergäben, die 5356 Schäfer NJW 2015, 3398 (3403). Weshalb es sich bei mit dem Mandanten vereinbartem Stundenhonorar anbieten kann, die Zeiteingaben gleich in der Schiedssprache zu fassen, damit sie ohne Übersetzung dem Schiedsgericht vorgelegt werden können. Manche Schiedsgerichte verzichten auf die Vorlage der Zeiteinträge. Ihnen reichen Kopien der an den Mandanten gerichteten Rechnungen ohne Aufschlüsselung der erbrachten Tätigkeiten. 5357 Siehe Emde VersR 1999, 1464. 5358 Hopt § 84 Rn 45. 5359 DB 1998, 1802 (1805). 5360 Kügel DB 1998, 1802 (1805) für den Einzelhandel. 5361 Emde VersR 1999, 1464. 5362 Küstner/Thume/Riemer I4 Kap. VI Rn 78. 5363 Hierzu OLG Celle, Beschl. v. 4.6.2007 – 11 U 293/06, OLGR 2008, 177; KG Berlin OLGR Berlin 2001, 128; Gottwald in: MünchKomm ZPO2 Art. 5 EuGVÜ Rn 45. 5364 OLG Celle, Beschl. v. 4.6.2007 – 11 U 293/06, OLGR 2008, 177. 471

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in die Zuständigkeit der Zivilgerichte fielen. Zwar bestehe das Risiko, dass der Kläger durch einseitigen Vortrag die Zuständigkeit der Gerichte bestimme. Hierdurch werde die jeweilige Beklagte aber nicht unzumutbar beeinträchtigt. Denn die einseitige Berücksichtigung des Klägervortrags beschränke sich auf die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs.

II. Schiedsverfahren 824 Vertriebsmittlerstreitigkeiten sind schiedsfähig (s. Rn 757 ff.).5365 Sieht ein Händlervertrag im Einklang mit den Selbstverpflichtungskatalogen im Kfz-Bereich (Rn 388) ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren vor, nach dem die Vertragspartner bei fehlendem Einvernehmen über die Gültigkeit einer fristlosen Kündigung einem zügigen Verfahren zur Beilegung der streitigen Angelegenheit durch Inanspruchnahme eines Sachverständigen Dritten oder eines Schiedsrichters zustimmen müssen, dürfen sich Hersteller wie Händler einem solchen außergerichtlichen Schlichtungsverfahren nicht versagen. Sie sind allerdings nicht gezwungen, vor Inanspruchnahme staatlicher Gerichte ein solches Verfahren vorzuschalten.5366 Zur Unwirksamkeit einer auf einen außereuropäischen Schiedsort verweisenden Schiedsgerichtsvereinbarung in einem zwingendem EU-Recht widersprechenden Vertrag s. o. „10 Ratschläge für das internationale Schiedsverfahren im Vertriebsrecht“ geben Risse/Spehl.5367 Das vertriebsrechtliche Schiedsverfahren sei ein Marathon, kein Sprint, ein Schiedsgerichtsverfahren kein staatlicher Prozess, die klare Positionierung gegen/für die „document production“ sei erforderlich, meist würden zwischen 30 und 70 % der Klagsumme zuerkannt, so dass eine Zuvielforderung strategisch gewünscht sein könne. Es müsse nicht der „beste“, sondern der „richtige“ Schiedsrichter gewählt werden, bei der Wahl des Schiedsrichters sei also die Zusammensetzung des Schiedsgerichts zu berücksichtigen, der Anwalt müsse die Schiedsrichter/Schiedsgerichtsszene kennen, das Schiedsgericht emotional für sich gewinnen, Bilder sprechen lassen, notwendige Anreize für alle setzen und die Datenflut gut organisiert werden. Da die meisten Staaten das UN-Übereinkommen v. 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche unterzeichnet haben, ist insb. in arabischen Staaten,5368 die Vollstreckung von Schiedssprüchen oft leichter als die von Entscheidungen staatlicher Gerichte.5369 Es biete sich also eine Schiedsabrede an (Rn 757).5370 Die Wirksamkeit der Schiedsabrede ist auch durch lokale Anwälte am Sitz des Vertriebsmittlers zu prüfen, da das lokale Recht u. U. Schiedsabreden ausschließen kann.5371 Regelmäßig sind vertriebsrechtliche Schiedsstreitigkeiten teurer als Prozesse vor staatlichen Gerichten.5372

III. Örtliche Zuständigkeit 825 Die örtliche Zuständigkeit folgt aus den §§ 12 ff. ZPO, im Anwendungsbereich der EUGVVO oder des LugÜ aus diesem. Der allgemeine Gerichtsstand des Unternehmers liegt gem. § 12 ZPO an

5365 Siehe nur Hopt § 92c Rn 12; Krümmel in: Praxishandbuch Vertriebsrecht2 § 6 Rn 99 ff. 5366 OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.7.1999 – 1 U 332–99-61, NJW-RR 1999, 1713. BGH, Urt. v. 15.12.2016 – VII ZR 221/ 15, WM 2017, 728 = VersR 2017, 1526 Rn 35 halt die Einrede, der Kläger müsse eine im HV-Vertrag geregelte „gütliche Einigung“ vor Anrufung der Gerichte versuchen, im Grundsatz für relevant. Nur nach den Verhältnissen des Einzelfalls (Wegfall der Schlichtungsstelle) war der Einwand unbeachtlich. 5367 ZVertriebsR 2012, 151 ff. 5368 Bälz RIW 2012, 354. 5369 Vgl. Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 § 92c Rn 37. 5370 So auch Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn/Teichmann Vertriebsrecht2 § 92c Rn 37. 5371 Bälz RIW 2012, 354 ff.; Detzer/Ullrich Internationale Vertriebsvereinbarungen 2014, S. 163 ff. 5372 Krümmel in: Praxishandbuch Vertriebsrecht2 § 6 Rn 105. Emde

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dessen ggf. ausländischem Sitz. Zum Gerichtsstand des Erfüllungsort s. o. Zu Gerichtsstandsklauseln s. o.

IV. Beweislast Für Streitigkeiten zwischen Unternehmer und Vertriebsmittler gelten die allgemeinen Regeln 826 zur Beweislast. Der Unternehmer darf Tatsachen, über die er sich bei seinem HV erkundigen kann – etwa die Mitteilung eines Schadensfalles5373 – nicht mit Nichtwissen bestreiten.5374

V. Eilverfahren Die Rechte beider Vertragspartner in Vertriebsmittlerstreitigkeiten können durch einstweilige 827 Verfügung gesichert werden. Besonders häufig geschieht dies bei Weiterbelieferungsverfügungen im Vertragshändlerrecht5375 oder auch als Antrag auf weitere Fortsetzung des Vertrags im HV-Recht. Der vorherige Versuch, den Vertrag durch Verhandlungen zu retten, schließt die Eilbedürftigkeit nicht aus.5376

VI. Revisionsgerichtliche Überprüfung Bei der Ermittlung des Sinngehalts der Vertragsbestimmung eines nicht den §§ 305 ff. BGB 828 unterliegenden Vertriebsvertrages geht es in erster Linie um eine dem Tatrichter obliegende Auslegung einer Individualerklärung (§§ 133, 157 BGB).5377 Das Revisionsgericht kann das Ergebnis nur darauf überprüfen, ob gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind.5378 Zu den anerkannten Auslegungsregeln zählt insb. die Maßgeblichkeit des Wortlauts als Ausgangspunkt jeder Auslegung sowie die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.5379 Das gleiche gilt in Ausgleichsstreitigkeiten. Hier obliegt es dem Tatrichter, Billigkeitsmomente oder die Abwanderungsquote zu schätzen. Bei Beurteilung der Frage, ob der Unternehmer ein vom HV angedientes Geschäft abschließen muss, soll es die Befugnis eines Gerichts überschreiten, sich in die Geschäftspolitik eines Unternehmens zu mischen und dessen Entscheidung darauf zu überprüfen, ob sie auf einen vernünftigen und einleuchtenden Grund beruhen. Daher soll jede plausible Begründung hinzunehmen sein.5380 In erster Linie für Haftungsprozesse zwischen Unternehmer und Drittem hat eine Entscheidung des OLG München5381 Bedeutung: Ein Unternehmer, der sich für den Abschluss von Darlehensverträgen selbstständiger Vermittler bedient, kann sich nicht über deren behauptete Vorgehensweise in Unkenntnis halten und diese pauschal oder mit Nichtwissen bestreiten.

5373 5374 5375 5376 5377 5378

LG Potsdam, Urt. v. 27.8.2007 – 2 O 485/05, VersR 2008, 1390 (1391). LG Potsdam, Urt. v. 27.8.2007 – 2 O 485/05, VersR 2008, 1390 (1391). Vgl. etwa LG Stuttgart NJW-RR 1999, 329 = EWiR 1999, 411 (Emde). Vgl. etwa LG Stuttgart NJW-RR 1999, 329 = EWiR 1999, 411 (Emde). BGH, Urt. v. 5.4.2006 – VIII ZR 384/04, BB 2006, 1300. BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 150/08, BB 2009, 1817 = BBL2009-1817-1 = WRP 2009, 1121 = WM 2009, 1990

Rn 30.

5379 BGH, Urt. v. 5.4.2006 – VIII ZR 384/04, BB 2006, 1300. 5380 LG Hamburg, Urt. v. 12.6.2006 – 415 O 17/06. 5381 OLG München, Urt. v. 27.4.2006 – 19 U 3717/04, NJW 2006, 1811. 473

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VII. Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung 829 Nach Kündigung eines Vertriebsvertrages kann der Mittler eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, hilfsweise auf Neuabschluss oder Weiterbelieferung5382 bzw. Annahme vermittelter Geschäfte erheben.

VIII. Internationale Vertriebsrechtsstreitigkeiten 830 Zum Gerichtsstand s. o. In internationalen Vertriebsrechtsstreitigkeiten versucht eine Partei häufig der ausländischen Leistungsklage der anderen Partei durch eine eigene Feststellungsklage zuvorzukommen. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig. In einem Staat mit erprobt langsamer Gerichtsbarkeit kann ein Beklagter Interesse an einer Verzögerung der Entscheidung eines Staates mit schnellerer Gerichtsbarkeit haben. Häufig geht es auch um die Sicherung der eigenen Gerichtsbarkeit. Sedes materie ist innerhalb des europäischen Raumes Art. 27 EuGVVO bzw. Art. 21 EuGVÜ/ LugA. Erhebt ein deutscher HV in Deutschland Schadenersatzklage wegen unberechtigter Kündigung des Vertretervertrages und klagt der Unternehmer in Italien auf Feststellung, dass für seine Kündigung ein wichtiger Grund bestanden habe und dem HV kein Ausgleichsanspruch zustehe, setzen deutsche Gerichte das Verfahren aus, wenn die italienische Klage als erste an- und rechtshängig war.5383 In dem eben zitierten Urteil entschied der BGH, die Kernpunkte des deutschen und des italienischen Verfahrens seien dieselben. Die „italienische“ Feststellungsklage, derzufolge für die Kündigung des Vertretervertrages ein wichtiger Grund bestehe, sei ein für die deutsche Zahlungsklage auf Schadenersatz wegen entgangener Provisionen vorgreifliches Rechtsverhältnis. Der Schadenersatzanspruch des Vertreters setze nach § 89a Abs. 2 voraus, dass er zu seiner eigenen Kündigung durch ein von dem Unternehmer zu vertretendes Verhalten veranlasst worden sei. Als ein solches Verhalten komme allein die Kündigung des Vertrages durch den Unternehmer in Betracht, die wegen der Befristung des Vertrages nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes berechtigt sei. Werde deshalb auf die Klage in Italien rechtskräftig festgestellt, für die Kündigung habe ein wichtiger Grund bestanden, so sei aufgrund der nach Art. 26 Abs. 1 EuGVÜ zu beachtenden materiellen Rechtskraft die Zahlungsklage der Klägerin ohne weiteres als unbegründet abzuweisen. Werde hingegen der Feststellungsantrag der Beklagten abgewiesen, so sei aufgrund der präjudiziellen Rechtskraftwirkung dieser Entscheidung für die deutsche Zahlungsklage des HV davon auszugehen, dass die Kündigung des Unternehmers unwirksam und damit vertragswidrig sei, was eine der notwendigen Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch des HV sei. Dass bei Abweisung der Feststellungsklage des Unternehmers noch nicht feststehe, ob der Schadenersatzanspruch des Vertreters gegeben sei, weil dafür noch weitere Voraussetzungen vorliegen müssten, stehe der Annahme einer doppelten Rechtshängigkeit i. S. d. Art. 21 EuGVÜ nicht entgegen. Ausreichend sei die Möglichkeit, dass es in beiden Prozessen zu unvereinbaren Entscheidungen komme. 831 Auf die Zulässigkeit der Aufrechnung kommt es in internationalen Vertriebsstreitigkeiten häufig an, etwa bei unterschiedlichen Gerichtsständen des Mittlers und Unternehmers.5384 Voraussetzung der internationalen Aufrechnung ist wie bei der Widerklage Konnexität. Eine solche dürfte bei gegenseitigen Ansprüchen aus einem einheitlichen Vertriebsvertrag regelmäßig vorliegen, etwa zwischen Ausgleich und Kaufpreisforderung beim Vertragshändlervertrag.

5382 OLG Celle, Urt. v. 22.6.2000 – 13 U 137/98, WuW DE-R 581, 2001, 65 = OLGR 2001, 126; OLG Saarbrücken NJWRR 1999, 1339 (Emde) = EWiR 1999, 1175.

5383 Urt. v. 6.2.2002 – VIII ZR 106/01, RIW 2002, 393. 5384 Busse MDR 2001, 729 (731). Emde

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K. Verjährung I. Inhalt der gesetzlichen Regelung Die Verjährung der Ansprüche aus Vertriebsverträgen richtete sich früher nach § 88 (ggf. ana- 832 log).5385 § 88 a. F. wurde durch Verjährungsanpassungsgesetz vom 28.10.2004, welches am 14.12.2004 verkündet wurde5386 und am 15.12.2004 in Kraft getreten ist, aufgehoben.5387 Zur Altregelung und zur nun kaum mehr relevanten Übergangsfrist s. Vertriebsrecht2 Vor § 84 Rn 477 f. sowie BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – VII ZR 28/15, IHR 2016, 124 Rn 15 ff. Gem. § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist nun mit dem Schluss des Jahres, in welchem 1. der Anspruch entstanden ist und (kumulativ5388) 2. der Gläubiger von allen den Anspruch begründenden TB-Merkmalen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder (alternativ) ohne grobe Fahrlässigkeit objektiv erlangen müsste (verwirkungsnaher TB).5389 Vorher ist der Gläubiger bei objektiver Sicht der Dinge nicht in der Lage, die Forderung geltend zu machen und nötigenfalls verjährungsunterbrechende Maßnahmen zu ergreifen.5390 Entscheidend für das „Entstehen“ des Anspruchs i. S. d. Nr. 1 ist seine Fälligkeit,5391 und damit die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, ihn zu fordern5392 und ggf einzuklagen.5393 Folglich beginnt der Verjährungslauf des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB wie unter § 88 a. F. regelmäßig mit Fälligkeit.5394 Denn vor der mit Fälligkeit eintretenden Durchsetzbarkeit eines Anspruchs kann – und darf – kein verjährungsauslösender Tatbestand erfüllt sein. Etwas anderes kann nur vertreten werden, wenn die Fälligkeit der Forderung ausschließlich von einer Handlung des Mittlers abhängt, wie etwa bei der Forderung nach den Informationsrechten des § 87c. Denn in dieser Situation steht die Klagereife im Belieben des Mittlers. Bei mangelnder Kenntnis bzw. mangelndem Kennenmüssen bleibt die Regelverjährungsfrist 833 des § 195 BGB unanwendbar. Vielmehr greifen die Abs. 2, 3 und 4 des § 199 BGB ein. Die Ansprüche verjähren dann gem. § 199 Abs. 4 BGB in 10 Jahren ab dem Tag ihres Entstehens, d. h. regelmäßig erneut ab Fälligkeit. Bei Existenz von Schadenersatzansprüchen kann eine 30jährige Verjährungsfrist eingreifen. Anders als die Regelverjährungsfrist wird die 10- sowie die 30jährige Verjährungsfrist des § 199 BGB taggenau berechnet und beginnt nicht automatisch erst mit dem 31.12. des jeweiligen Jahres. Das erschwert die Feststellung des Verjährungsablaufs, zumal das verjährungsrelevante Datum meist nur dem – allerdings beweisbelasteten – Unternehmer bekannt ist.

II. Geltungsbereich der gesetzlichen Regelung § 195 BGB gilt für alle vertraglichen und gesetzlichen Ansprüche der Parteien, auch für Ansprü- 834 che aus ungerechtfertigter Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag oder den Schadenersatz-

5385 5386 5387 5388 5389 5390 5391

Emde DB 2003, 981. BGBl. I 2004, 3214. Zur Genese des Verjährungsrechts vgl. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 77 ff. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 83. BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – VII ZR 28/15, IHR 2016, 124 Rn 15; eingehend Emde VersR 2009, 889 ff. Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 350; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 83. BGH, Urt. v. 19.12.1990 – VIII AZR 5/90, BGHZ 113, 188 (193); Wagner ZIP 2005, 558; Ebenroth/Löwisch3 § 84

Rn 82.

5392 OLG Hamm, Urt. v. 23.3.2001, NJOZ 2001, 2080; Ensthaler/Genzow § 87c Rn 13 zum Buchauszug. 5393 Glanegger/Ruß § 87 Rn 12. 5394 AA Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 88 Rn 3, der das Beispiel des Entstehens eines Provisionsanspruchs im Dezember bei Fälligkeit im Januar bildet; aA auch Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 354, demzufolge die Fälligkeit nach § 87a Abs. 4 i. V. m. § 87c Abs. 1 S. 2 erst einen Monat nach Schluss des Abrechnungszeitraums eintritt. 475

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anspruch aus Vertragsverletzung oder vorvertraglicher Pflichtverletzung.5395 Dies ist eine Abweichung von § 88 a. F.: Nach einer zu § 88 a. F. vertretenen Ansicht5396 verjährten nur typisch vertriebsrechtliche Ansprüche5397 und z. B. nicht der Rückkaufanspruch des Vertragshändlers in Bezug auf Lagerware nach der 4jährigen Verjährungsfrist des § 88 a. F. Diese Ansprüche unterlägen der 3jährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB.5398 Auch bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche – etwa bei überzahlter Provision – sollten wegen des Ausnahmecharakters dieser Norm nicht von § 88 a. F. erfasst sein.5399 Anders für Schadenersatzforderungen.5400 Vorzuziehen war auch nach altem Recht eine einheitliche Verjährung für alle Ansprüche aus dem Vertriebsvertrag, schon um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden,5401 etwa für den gegen den Unternehmer gerichteten Anspruch des Vertragshändlers auf Rückkauf der Vertragsware (Verjährungsbeginn mit Vertragsende5402).

III. Verjährung in Einzelfällen 1. Provisionen 835 Siehe Kommentierung zu § 87a.

2. Informationsrechte (§ 87c) 836 Siehe Kommentierung zu § 87c.

3. Ausgleichsanspruch 837 Siehe Kommentierung zu § 89b.

4. Kenntnis oder Kennenmüssen 838 Vor Kenntnis oder Kennenmüssen der Provisionsansprüche können weder das Hauptrecht noch Informationsansprüche als Hilfsrechte innerhalb der Regelverjährungsfrist verjähren. Denn ohne Kenntnis kann zwar der Lauf der Verjährung nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnen, nicht jedoch der gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Verschwiegene Ansprüche können binnen 10 Jahren (§ 199 Abs. 4 BGB) geltend gemacht werden, bei Eingreifen deliktischer Tatbestände innerhalb von 30 Jahren (199 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Da der Unternehmer den für ihn günstigen Verjährungseintritt darlegen und beweisen muss, die zum Verjährungsbeginn führende Kenntnis oder das Kennenmüssen jedoch regelmäßig nur durch die gleichfalls vom Unternehmer zu beweisende (§§ 362, 363 BGB) Erfüllung der Abrechnungspflicht oder eine vergleichbare Informationsdichte

5395 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 81. 5396 Ströbl WRP 2008, 1423; ebenso LG Frankfurt/M., Urt. v. 16.1.2008 – 3-09 O 7/07; in diese Richtung auch BGH NJW 1981, 918.

5397 AA Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 81. 5398 AA Emde DB 2003, 981 ff. 5399 OLG Koblenz, Urt. v. 12.11.1987, NJW-RR 1988, 673 = DB 1988, 497; Küstner/Thume/Küstner I3 Rn 1317; Martinek EWiR 1988, 1217. 5400 BGH, Urt. v. 28.10.1971 – VII ZR 15/70, MDR 1972, 132. 5401 Emde DB 2003, 981 ff. 5402 OLG Frankfurt/M., Hinweisbeschl. v. 23.3.2010 – 11 U 5/10 (Kart), BeckRS 2010, 21415. Emde

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hergestellt werden kann und hinsichtlich der Verjährung der Informationsrechte (siehe Kommentierung zu § 87c) bei Zweifeln über die zeitgerechte Information die Auskünfte des § 87c zu erteilen sind,5403 gilt ohne Beweis des Gegenteils eine regelmäßig mindestens 10jährige Verjährungsfrist. Der Beweis kann auch durch einen Anscheinsbeweis geführt werden; die Beweislast kann sich durch Vermutungen wenden.

a) Kenntnis oder Kennenmüssen bei Provisionsansprüchen. Dazu Kommentierung zu 839 § 87a.

b) Kenntnis oder Kennenmüssen beim Ausgleichsanspruch. Siehe Kommentierung zu 840 § 89b.

5. Ergänzend: Deliktischer Verjährungsschutz/§ 242 BGB Ergänzt werden die allg. Verjährungsvorschriften durch einen auf Naturalrestitution gerichte- 841 ten Schadenersatzanspruch aus §§ 280 BGB,5404 826 BGB, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263, 266 StGB (Wiederherstellung der Verjährungslage wie zum Zeitpunkt zeitgerechter und vollständiger Information). Das gilt auch für Schadenersatzansprüche aus einem Vertriebsvertrag.5405 Voraussetzung: der Unternehmer muss fahrlässig oder vorsätzlich handeln. Sofern der Unternehmer den HV über Hauptanspruch und Vergütungsrecht erst nach Eintritt der gesetzlichen oder der vertraglich vereinbarten Verjährung informiert, ist er verpflichtet, im Wege des Schadenersatzes – Naturalrestitution (§ 249 BGB) – den Verjährungszustand hinzunehmen, welcher bei zutreffender und zeitgerechter Information bestände.5406 Zumindest greift der Anspruch ein, wenn der Geschädigte von der rechtzeitigen Geltendmachung des Schadenersatzanspruches im Wege der Klage abgehalten wurde.5407 Der Ersatzanspruch ist nicht auf Fälle vorsätzlichen – bewussten – Verschweigens oder des § 826 BGB5408 begrenzt. Denn § 249 BGB ist sowohl bei vorsätzlichem wie fahrlässigem Verhalten anwendbar. In Rechtsprechung5409 und Literatur5410 genannte Fälle vorsätzlicher Begehung bilden nur (Extrem)beispiele. Die 10jährige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 4 BGB hat damit nur in Situationen nicht zu vertretenen Verschweigens Bedeutung. Man könnte zwar diskutieren, ob die Regelung über Kenntnis und Kennenmüssen in § 199 Abs. 1 BGB jetzt jedenfalls bei fahrlässigem Verschweigen vorrangig ist, nachdem in dieser Situation die Verjährungsfrist auf 10 Jahre angehoben wurde. Da der Unternehmer bei Fahrlässigkeit oder Vorsatz jedoch nicht schützenswert ist, wird nicht ersichtlich, warum das aus der Sphäre des Unternehmers stammende Risiko selektiver Information auf den HV verlagert werde sollte. Fehlendes Verschulden muss der Unternehmer subs5403 BGH WM 1989, 152 (153); OLG Koblenz, Urt. v. 26.4.2007 – 6 U 529/06, BeckRS 2007, 17218; OLG Bamberg, Urt. v. 16.5.2003 – 6 U 62/02, NJW-RR 2004, 475 (476); OLG Köln VersR 2003, 1126; OLG München NJW-RR 2002, 1034 (1035); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87c Rn 39. 5404 Glanegger/Ruß § 87 Rn 12; Hopt § 88 Rn 7; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 86; wohl nur bei Arglist OLG Nürnberg VersR 1982, 1099. 5405 OLG Köln, Urt. v. 15.8.2014 – 19 U 101/13, BeckRS 2015, 02078 – HV-Vertrag; Reif/David ZVertriebsR 2015, 343 (349) – HV-Vertrag; Emde VersR 2009, 889 (895). 5406 BGH, Urt. v. 28.1.1977 – I ZR 171/75, WM 1977, 410 = BB 1977, 414; OLG Schleswig, Hinweisbeschl. v. 27.11.2008 – 14 U 134/08; Stötter NJW 1978, 799; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 86; Glanegger/Ruß § 87 Rn 12; Röhricht/ Graf v. Westphalen/Thume4 Vor § 84 Rn 38. 5407 OLG Köln, Urt. v. 15.8.2014 – 19 U 101/13, BeckRS 2015, 02078 – HV-Vertrag. 5408 AA mglw. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 86. 5409 BGH, Urt. v. 28.1.1977 – I ZR 171/75, WM 1977, 410 = BB 1977, 414. 5410 Küstner/Thume/Thume I4 Kap. V Rn 598. 477

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tantiiert vortragen, weil er allein unter Berücksichtigung von Gefahrenbereichen hierzu in der Lage ist. Erst wenn der Unternehmer ernsthaft die Möglichkeit mangelnden Verschuldens darlegt, hat der HV das Vertretenmüssen des Unternehmers zu beweisen. Blieben dem HV Provisionsansprüche wegen fehlender Information, insb. aufgrund mangelnder Abrechnung, unbekannt, darf sich der Unternehmer zudem gem. §§ 162, 242 (unzulässige Rechtsausübung5411) nicht auf Verjährung berufen. Die aus Delikt oder §§ 162, 242 BGB hergeleiteten Rechte sollen nicht eingreifen, wenn es sich um Abrechnungsfehler handelt, welche der HV durch einfache Nachprüfung hätte feststellen können.5412 Zur Durchsetzung der vorgenannten Rechte dürfen alle Informationsansprüche des § 87c, zumindest aber Auskunftsrechte nach § 242 BGB, eingefordert werden. Die hier behandelten Ansprüche verjähren erneut gem. §§ 195, 199 BGB binnen 3 Jahren seit Kenntniserlangung oder Kennenmüssen der sie begründenden Umstände.5413 Mangels Kenntnis verjähren die Schadenersatzansprüche unabhängig von ihrem Entstehen gem. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB spätestens in 30 Jahren nach der schadensstiftenden Pflichtverletzung (199 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Ob diese 30jährige Verjährungsfrist erneut mittels eines Schadensersatzanspruchs durchbrochen werden kann, dürfte zweifelhaft sein. Bei Dauerhandlungen, etwa langfristig fehlender Abrechnung über Provisionsansprüche oder fortdauernden Vertragsverletzungen, setzt sich die Verletzungshandlung über ihre gesamte Dauer fort. Es handelt sich um wiederholte Verletzungshandlungen, bei der für jeden Schadenszeitraum eine separate Verjährungsfrist zu laufen beginnt.5414 Nichts anderes gilt, wenn man bei einer Verletzung der Exklusivität das Festhalten des Herstellers an den Verträgen mit den Wettbewerbern als eine Dauerhandlung betrachtet. In diesem Fall beginnt, sofern nicht das Alleinvertriebsrecht der Klägerin früher endet, die Verjährungsfrist nicht vor Abbruch der Lieferbeziehungen zu den Wettbewerbern.5415

6. Vereinbarungen über die Verjährungsfrist 842 In Abwesenheit einer Vereinbarung über das auf die Verjährung anwendbare Recht gilt das BGB-Verjährungsrecht,5416 ebenso bei Unwirksamkeit einer vertraglich vereinbarten, abgekürzten Verjährungsfrist.5417 Es bildet auch das gesetzliche Leitbild i. S. d. § 307 BGB; zur Unwirksamkeit muss jedoch eine unbillige Benachteiligung hinzutreten. Die Vorschriften über die Verjährung sind dispositiv5418 (vgl. § 202 BGB), auch im Vertriebsrecht.5419 Ferner fallen Vereinbarungen über die Verkürzung der Verjährungsfrist nicht unter das Derogationsverbot des § 87c Abs. 5 und sind auch nach § 225 S. 3 BGB zulässig.5420 Die gesetzliche Verjährungsfrist von 3 Jahren kann daher – wohl auch durch AGB5421 (s. o. zu wirksamen und

5411 OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.3.1974, BB 1974, 904; Küstner/Thume/Riemer I4 Kap. VI Rn 85; Glanegger/Ruß § 87 Rn 12; Hopt § 88 Rn 7.

5412 OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.3.1973 – 8 U 64/73, BB 1973, 1600; Teilurt. v. 23.10.1973 – 8 U 64/73, BB 1974, 713; Küstner/Thume/Riemer I4 Kap. VI Rn 85; Hopt § 88 Rn 6.

5413 Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 88 Rn 10; Hopt § 88 Rn 6. 5414 Vgl. BGH, Urt. v. 17.4.2002 – VIII ZR 139/01, VersR 2002, 1023 = BB 2002, 1507 = DB 2002, 1657 = NJW-RR 2002, 1256 = EWiR 2002, 766 (Emde) = WM 2003, 250; BGHZ 97, 97, 110; BGH NJW 1985, 1023. RGZ 80, 436 (437 f). Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 37. BGH, Urt. v. 12.2.2003 – VIII ZR 284/01, NJW 2003, 1670. Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 37; Palandt/Heinrichs § 202 Rn 1. Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 37; Hopt § 87 Rn 52; unzutreffend Eberstein S. 180. Emde MDR 1999, 1108 (1112); Küstner/Thume/Otto/Riemer I4 Kap. VI Rn 20 bzw. 119; Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 37; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 88 Rn 8. 5421 OLG München 1999, 69 = BB 1998, 2445; wohl auch BGH MDR 1991, 115 = BB 1990, 2066.

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unwirksamen Klauseln in AGB, Stichwort „Verjährung“) – reduziert werden.5422 Der BGH fordert zwar, dass „anerkennenswerte Interessen“ zumindest eines Vertragspartners die angemessene Abkürzung der Verjährungsfrist rechtfertigen.5423 Solche Interessen liegen aber vor, falls die Reduzierung der Verjährungsfrist einer zügigen Abwicklung des Vertrages und baldigen Klärung der beiderseitigen Rechte und Pflichten dienen.5424 Und das gilt eigentlich immer. In der Praxis ist die Verringerung der Verjährungsfrist Mittel, um vor allem bei den den Unternehmer „lästigen“ Informationsrechten des § 87c den Informationszeitraum und damit das Druckpotential des HV und das korrespondierende Risiko des Unternehmers einzugrenzen.5425 Denn sind Informations- und/oder Hauptrechte sicher verjährt, können die Kontrollrechte des § 87c nicht mehr gefordert werden (siehe Kommentierung zu § 87c). Eine solche Risikominimierung ist gerade bei dem aufwendig zu erstellenden Buchauszug willkommen. Die Verjährung beginnt dann gem. § 200 BGB mit der Entstehung des Anspruchs, meist spätestens mit Vertragsende, und nicht mit dem Schluss des Jahres zu laufen.5426 Verjährungsverkürzende AGB-Klauseln sind unwirksam, wenn sie für den Verjährungsein- 843 tritt eine Haftung generell ausschließen, ohne hiervon ausdrücklich Fälle des Vorsatzes (§ 202 Abs. 1 BGB)5427 und des groben Verschuldens auszunehmen (§§ 307, 309 Nr. 7, 202 BGB).5428 Für Fälle des Vorsatzes soll dies sogar für den Fall einer Individualvereinbarung gelten.5429 Die Abkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr für Ansprüche aus einem HV-Vertrag ist sowohl als AGB wie als Individualvertrag unwirksam, sofern der Lauf der Verjährung ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Anspruchsinhabers von der Entstehung des Anspruchs – hier: Provisionsforderung – beginnt.5430 Eine Abkürzung der Verjährungsfrist unterhalb der zwingenden 12monatigen Ausschlussfrist des Ausgleichsanspruchs ist gleichfalls unzulässig,5431 ebenso eine einseitige Verkürzung der Verjährung zu Lasten des HV.5432 Das Verbot einseitiger Verkürzung wurde bis zu seiner Streichung aus dem 1953 in das HGB eingefügten § 88 a. F. hergeleitet. Durch die seinerzeitige Novellierung sollte die zuvor bestehende Ungleichheit der Verjährung der Ansprüche des HV nach § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB a. F. einerseits und des Unternehmers gem. § 195 oder § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB a. F. andererseits beseitigt werden. Das begründete die Regel verjährungs-

5422 OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 18.11.2013 – 11 U 130/13, ZVertriebsR 2015, 358; Zurückweisungsbeschl. v. 27.12.2013 – 11 U 130/13, ZVertriebsR 2015, 359 (best. d. Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 8.4.2015 – VII ZR 21/14) – Verjährungsverkürzung auf 13 Monate. 5423 BGH, Urt. v. 12.10.1979 – I ZR 166/78, BGHZ 75, 218; OLG Stuttgart, Urt. v. 17.2.2016 – 3 U 118/15 Rn 14. 5424 BGH, Urt. v. 10.5.1990 – I ZR 175/88, BB 1990, 2066; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 88 Rn 8. 5425 OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 18.11.2013 – 11 U 130/13, ZVertriebsR 2015, 358; Zurückweisungsbeschl. v. 27.12.2013 – 11 U 130/13, ZVertriebsR 2015, 359 (best. d. Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 8.4.2015 – VII ZR 21/14) – Verjährungsverkürzung auf 13 Monate; Emde MDR 1999, 1108 (1112); Emde EWiR 2001, 631 (632); typisch das i. E. zweifelhafte Urt. OLG München v. 12.12.2007 – 7 U 3750/07, VersR 2009, 112 zum Buchauszug. 5426 Küstner in: Küstner/Thume I3 Rn 1302. 5427 OLG Hamm, Urt. v. 14.5.2018 – 18 U 85/17, ZVertriebsR 2018, 375 Rn 93; OLG Stuttgart, Urt. v. 17.2.2016 – 3 U 118/15 Rn 11/12, NJW–RR 2016, 1130. 5428 BGH, Urt. v. 26.2.2009 – Xa ZR 141/07, NJW 2009, 1486; v. 29.5.2008 – III ZR 59/07, NJW-RR 2008, 1129 = BB 2008, 1529; v. 19.9.2007 – VIII ZR 141/06, NJW 2007, 3774; v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, NJW 2007, 674; OLG Hamburg, Urt. v. 15.8.2015 – 18 U 182/14, IHR 2016, 85 (88) – HV-Vertrag; OLG Köln, Urt. v. 16.4.2010 − 19 U 142/09, NJOZ 2011, 1056; aA für den unternehmerischen Verkehr LG Stuttgart, Urt. v. 3.8.2011 – 39 O 19/10 KfH. 5429 OLG Stuttgart, Urt. v. 17.2.2016 – 3 U 118/15 Rn 11/12, NJW–RR 2016, 1130. 5430 BGH, Urt. v. 3.4.1996, VersR 1996, 848 = NJW 1996, 2097; OLG München, Urt. v. 15.11.2000 – 7 U 3545/00, OLGR München 2001, 111; v. 7.2.1996 – 7 U 5042/95, NJW-RR 1996, 991; OLG Hamm, Urt. v. 15.1.1999 – 35 U 30/98, VersR 1999, 1492 = NJW-RR 1999, 1712; OLG Celle, Urt. v. 12.2.1988 – 11 U 62/87, NJW-RR 1988, 1064; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 88 Rn 9; aA OLG München v. 12.12.2007 – 7 U 3750/07, VersR 2009, 112 zu einem Sonderfall (zwh.). 5431 Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 88 Rn 8. 5432 Hopt § 87 Rn 52; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 88 Rn 9. 479

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rechtlicher Gleichbehandlung von HV und Unternehmer,5433 welche als Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes auch nach Streichung des § 88 gilt.5434 Man wird das Prinzip dem Rechtsgedanken des § 89 Abs. 2 entnehmen dürfen.5435 Analog § 89 Abs. 2 wird für beide Teile die längere Frist maßgeblich sein. 844 Ist die Verjährung unzulässig verkürzt worden, hat der HV das jedoch aus Rechtsunkenntnis nicht erkannt und nach Ablauf der vermeintlichen „Verjährung“ die rechtzeitige Geltendmachung des Anspruchs unterlassen, verstößt es gegen Treu und Glauben, falls der Unternehmer ihm nunmehr die Verjährungseinrede entgegensetzt.5436 Davon ist jedenfalls auszugehen, wenn der Vertrag mit dieser (unwirksamen) Verjährungsklausel vom Unternehmer gestaltet worden war.

L. Verwirkung 845 Ansprüche beider Parteien können infolge einer aus § 242 BGB herzuleitenden Verwirkung ausgeschlossen sein.5437 Es gelten die allg. Verwirkungsgrundsätze. Laut OLG Düsseldorf5438 ist die Verwirkung ein außerordentlicher Rechtsbehelf, der strengen Anforderungen unterliegt. Jeder Schuldner müsse im Regelfall bis zum Ablauf der Verjährungsfrist mit der Geltendmachung des Anspruches rechnen. Reiner Zeitablauf und längere Untätigkeit des Gläubigers allein genügten nicht, um Verwirkung anzunehmen. Vielmehr müssten besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer sich das späte Geltendmachen als Verstoß gegen Treu und Glauben darstelle. Selbst wenn dem HV daher ein Teilbetrag, etwa berechnet nach den Grundsätzen in der Versicherungswirtschaft, gezahlt wird, ist er binnen Verjährungsfrist nicht gehindert, den ihm zustehenden Restbetrag zu fordern.5439 Um Verwirkung anzunehmen müssen sowohl ein Zeit- wie ein Umstandsmoment vorliegen.5440 Das einfache Untätigbleiben des HV reicht wie dargestellt nicht aus.5441 Ein Umstandsmoment müsste also entsprechend stark sein, womit kaum zu rechnen ist. Insbesondere vor Ablauf der Verjährungsfrist ist der Verwirkungseintritt schwer vorstellbar.5442 Der BGH hatte zu § 88 a. F. festgestellt, Ansprüche, welche nach dem Gesetz – wie § 88 a. F. – einer kurzen Verjährungsfrist unterlägen, könnten vor Ablauf der Verjährungsfrist nur aus besonderen Gründen verwirkt werden. Denn sonst würde die durch die Verjährung vorgesehene zeitliche Beschränkung für die Erhebung der Ansprüche gegenstandslos.5443 Dies 5433 BGH, Urt. v. 12.10.1979 – I ZR 166/78, BGHZ 75, 218 (219) = NJW 1980, 286; NJW 2003, 1670; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 77. 5434 OLG Stuttgart Urt. v. 17.2.2016 – 3 U 118/15 Rn 14 (auch individualvertraglich); Hopt § 87 Rn 52; Glanegger/ Ruß § 87 Rn 12; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 88 Rn 9. 5435 BGH, Urt. v. 12.10.1979 – I ZR 166/78, BGHZ 75, 218; v. 12.2.2003 – VIII ZR 284/01, VersR 2003, 991 = BB 2003, 919 = NJW 2003, 1670 = MDR 2003, 701 = DB 2003, 2121 = WM 2003, 2101; OLG Hamm, Urt. v. 25.6.1987 – I U 229/ 86, NJW-RR 1988, 674. 5436 OLG Karlsruhe Urt. v. 26.3.1974, BB 1974, 904. 5437 Schmidt BB 1965, 732 (733); Küstner/Thume/Thume I4 Kap. V Rn 604; Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrechts2 § 2 Rn 360; Hopt § 89b Rn 80; Schlegelberger/Schröder § 89b Rn 38; aA (Verwirkung generell ausgeschlossen) Ebenroth/Löwisch3 § 89b Rn 28. 5438 OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.10.1958, HVR Nr. 184; LG Hannover, Urt. v. 14.9.1972, RVA 1973, 101; OLG Stuttgart, Urt. v. 26.3.1957, VersR 1957, 329; OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.4.1957, BB 1975, 561. 5439 AA LG Münster, Urt. v. 29.8.2002; zit. nach Küstner/Thume/Thume II8 Kap. XIV Rn 32. 5440 Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrechts2 § 2 Rn 360. 5441 OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.10.1958, HVR Nr. 184; OLG Stuttgart VersR 1957, 329; OLG Karlsruhe BB 1957, 561; LG Hannover, Urt. v. 14.9.1972 – 12 O 210/72, n. v.; Küstner/Thume/Thume I4 Kap. V Rn 607; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 88 Rn 11. 5442 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 360; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 88 Rn 11; Hopt § 89b Rn 80. 5443 BGH, Urt. v. 17.2.1969 – II ZR 30/65, DB 1969, 569; v. 6.12.1988 – XI ZR 19/88, MDR 1989, 448; ebenso Röhricht/ Graf v. Westphalen/Thume § 88 Rn 11. Emde

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muss nach der Verkürzung der Verjährungsfrist um ein Jahr mittels § 195 BGB erst recht gelten. Dem HV muss eine angemessene Überlegungsfrist zugebilligt werden, welche das Gesetz in § 195 BGB bestimmt. Während dieser Überlegungsfrist ist dem Unternehmer auch ein „Hin und Her“ des HV zumutbar und es ist dem HV zuzubilligen, widersprüchliche Signale an den Unternehmer zu senden. Denn schließlich muss der HV nicht in jedem Stadium exakt wissen, was er will. Voraussetzung der Verwirkung wäre also, dass sich der Unternehmer nach dem Gesamtbild des Verhaltens des HV schon vor Ablauf der Verjährung darauf eingestellt hatte, der HV werde den Anspruch nicht oder nicht mehr verfolgen. Praktisch hätte man sich allenfalls Fälle vorzustellen, in denen der HV zwar den Anspruch zunächst geltend gemacht hat, aber im Weiteren jenes den Unternehmer in Sicherheit wiegende Verhalten betätigt. Es könnte beispielsweise darin liegen, dass der HV mit steigendem Lauf der Verjährungsfrist untätig bleibt und dem Unternehmer gegenüber – oder Dritten gegenüber in einer Weise, dass er annehmen musste, es werde dem Unternehmer zur Kenntnis gelangen – zu erkennen gibt, er sei an der Weiterverfolgung des Anspruchs nicht mehr interessiert, etwa weil ihm das Prozessrisiko zu groß erscheine. Provisionsansprüche können ebenfalls nach allg. Maßstäben verwirken. Nach Ansicht des LG Bonn5444 soll die Verwirkung von Provisionsansprüchen in Anbetracht der gesetzlichen Wertungen des HGB, ausweislich derer ein HV verdiente Provisionen behalte, er im Übrigen keinen Erfolg seiner Tätigkeit schulde und der Unternehmer mit dem ihm eingeräumten Recht zur außerordentlichen Kündigung (§§ 89a, 89b Abs. 3 Nr. 2) sowie begleitenden Schadensersatzansprüchen aus den §§ 280 ff. BGB hinreichend geschützt sei, allenfalls in besonderen Ausnahmefällen begründet sein. Ein solcher Ausnahmefall könne etwa bei groben Verstößen gegen den Unternehmer schützende Schutz- oder Rücksichtnahmepflichten zu erwägen sein.5445 Zur Verwirkung des Ausgleichsanspruchs § 89b Rn 447. Hier wird der Verwirkungseinwand besonders häufig erhoben.5446

5444 LG Bonn, Urt. v. 15.12.2009 – 11 O 52/09, BeckRS 2010, 04041; unter Hinweis auf OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.3.1988 – 15 U 105/87 – juris; Hopt § 86 Rn 49; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; Oetker/Busche § 84 Rn 68.

5445 OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.3.1988 – 15 U 105/87 – juris; OLG Koblenz BB 1973, 866. 5446 Küstner/Thume/Thume I4 Kap. V Rn 605. 481

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§ 84 [1] [Begriff des Handelsvertreters] (1)

1

Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. 2Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. (2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter. (3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein. (4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

Schrifttum Bogs Die Beurteilung der Selbständigkeit von Handelsvertretern als Methodenfrage der Sozialversicherungspflicht, VersR 1977, 197; Hueck Arbeitnehmer und freie Mitarbeiter DB 1955, 834; Ludwig Auf welche Handelsvertreter ist das Bundesurlaubsgesetz anwendbar? DB 1966, 1972; Marburger Zur Sozialversicherungspflicht von Vertretern und ähnlichen Personenkreisen, DB 1979, 840; Martin oHG und KG als Versicherungsvertreter, VersR 1967, 824; Neflin Der Industriepropagandist in handelsrechtlicher und steuerlicher Sicht, DB 1961, 833; Ordemann Zur Abgrenzung zwischen Handelsvertreter und Angestelltem, BB 1963, 498; Reinicke Arbeiter, arbeitnehmerähnliche und andere Selbständige in den Bereichen Handel und Verkehr sowie Transport und Verkehr, ZVertriebsR 2014, 151; Rewolle Die Abgrenzung des Begriffs „Handelsvertreter“ zum Arbeitnehmer und der Zuständigkeit der Gerichte, DB 1954, 214; Stolterfoth Die Selbständigkeit des Handelsvertreters, 1973; Stötter Abgrenzung zwischen Handelsvertretern und Reisenden, DB 1978, 429.

Übersicht 1

2.

A.

Überblick

B.

§ 84 Abs 1: Definition des Handelsvertre2 ters

C.

Erlaubnispflicht der HV Tätigkeit – Register7 eintragung

D.

Der Angestelltenstatus des nicht selbständi10 gen Geschäftsmittlers (Abs. 2)

E.

Vertrags- nicht Personenbezogenheit der De13 finition

F.

Europarechtliche Präformation

G.

Die einzelnen TB-Merkmale 15 des Abs. 1

I. 1.

Selbständiger Gewerbetreibender 16 Gewerbetreibender 17 a) Gewerblichkeit 20 b) Handelsgewerblichkeit

14

15

24 Selbständigkeit 24 a) Begriffsbestimmung b) Einzelkriterien zur Bestimmung der Selbst31 ständigkeit aa) Für die Selbständigkeit des Mittlers 33 sprechen folgende Merkmale (1) Merkmale die nur in geringem Maße für Selbstständigkeit spre34 chen (2) Merkmale die in höherem Maße für Selbstständigkeit spre35 chen (3) Merkmale mit starker Indizwirkung für Selbstständig36 keit (4) die zwingend für Selbstständig37 keit sprechen bb) Gegen die Selbstständigkeit sprechen38 de Merkmale (1) Merkmale mit keinem oder sehr 39 geringem Gewicht

[1] § 84 neu gef. durch G v. 6.8.1953 (BGBl. I S. 771); Abs. 4 angef. durch G v. 22.6.1998 (BGBl. I S. 1474). Emde https://doi.org/10.1515/9783110558401-002

482

§ 84

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

(2)

c) d) e) f)

II. 1. 2.

Merkmale mit mittlerem Ge41 wicht (3) Merkmale, die sehr stark für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses spre42 chen Bedeutung der SGB-Vorschriften über 45 die Scheinselbständigkeit 54 Arbeiternehmerähnlicher Personen 57 Die Beweislast Gerichtliches Verfahren zur Zuständigkeits58 bestimmung

Geschäftsvermittlung und Abschluss für einen 59 Unternehmer Unternehmer – Bedeutung des § 84 60 Abs. 3 Vermittlung und Abschluss von Geschäf67 ten 69 a) Europarechtliche Präformation 70 b) Vermittlungsvertreter 78 c) Abschlussvertreter 82 d) Geschäfte 85

III. 1. 2.

Ständige Betrauung 86 Betrauung 88 Ständig

IV.

Ungeschriebene Ausschlussmerkmale?

H.

§ 84 Abs. 4: Kein kaufmännischer Geschäfts99 betrieb

I.

Vertragschluss, Vertragsbeginn und Vertrags101 inhalt

I.

Abschluss des Handelsvertretervertra102 ges

98

Beweislast

L.

Arten von Handelsvertretern

105

124 Handelsvertreter und ihr Tätigkeitsfeld 125 Anzeigenvertreter 126 Anlagevermittler 127 a) Rechtslage bis zum 31.12.2012 128 b) FinVermV 128 3. Autovermieter 129 4. Auswanderungsagenten 130 5. Bausparkassenvertreter 131 6. Fotorepräsentanten 132 7. Mercedes-„Händler“ 133 8. Darlehensvermittler 134 9. Einkaufsvertreter 135 10. Vermittler von Energielieferverträgen 136 11. Grundstücksvermittler 137 12. Internetplattformen 138 13. Kapitalanlagevertreter 139 14. Kreditvermittler 140 15. Lotto-Vertreter 141 16. Mobilfunkvermittler 142 17. Maklerbetreuer 143 18. Online-Hotelportale 143 19. Postagenturen 144 20. Post-Wettannahmestellen 145 21. Quelle-Shops 146 22. Reisebüros 147 23. Stationäre Handelsvertreter 148 24. Strukturvertreter 149 25. Tankstellenvertreter 150 26. Verlagsvertreter 151 27. Versicherungsvertreter 152 28. Vertriebsleiter 153 29. Warenvertreter

1.

Vertragsinhalt

III.

Vertragsbeginn

IV.

Vertragsänderung und Vertragsüber107 gang 107 Vertragsänderung 108 Vertragsübergang Das Vertreterunternehmen als Gegenstand des Rechtsverkehrs – Wertbestimmung

106 2.

1. 2. 3.

113

Anfechtbarkeit und Nichtigkeit

J.

Auslegung von HV-Verträgen und Vertriebs121 verträgen

483

3. 4. 5. 6. 7. 8.

114

I.

123

I. 1. 2.

II.

II.

122

K.

9.

Abgrenzung nach rechtlicher Erscheinungs154 form 155 Alleinvertrieb und -vertreter 156 a) Alleinvertrieb 157 b) Alleinvertreter Arbeiternehmerähnliche Handelsvertre162 ter 164 Bezirksvertreter 165 Ein- und Mehrfirmenvertreter 166 Handelsvertreter im Nebenberuf (§ 92b) 167 Vertreter mit Kundenschutz 168 Minderjährige 169 Absatz 3: Untervertreter 171 a) Echte Untervertreter 179 b) Unechte Untervertreter 181 Vertretergesellschaften

Emde

§ 84

1. Buch. Handelsstand

A. Überblick 1 § 84 Abs. 1 nennt die Tatbestandsvoraussetzungen des HV-Vertrages. Abs. 2 hebt den Begriff der Selbständigkeit hervor und definiert die Antipode zum selbständigen Vertreter, den angestellten Reisenden. Der dann vorliegende Vertrag muss nicht notwendigerweise ein Arbeitsvertrag i. S. d. § 611a BGB sein. Meist wird er jedoch als solcher einzustufen sein. Abs. 3 (zu ihm Rn 48 ff zur Unternehmereigenschaft und Rn 113 ff zu Untervertretern) stellt klar, dass der HV auch Unternehmer sein kann und als solcher echte Untervertreter für sich tätig werden lassen kann. § 84 enthält in seinen Abs. 1 bis 3 zwingendes Recht. Der durch das Handelsrechtsreformgesetz 1998 eingefügte Abs. 4 bestimmt die Geltung der §§ 84 ff. auch für den bisher minderkaufmännischen HV (Rn 75 ff). Dieser erfüllt die Voraussetzungen der Kaufmannseigenschaft nach § 1 Abs. 2 HGB nicht und würde außerhalb des Anwendungsbereichs der Schutzvorschriften der §§ 84 ff. fallen, wenn Abs. 4 die Geltung dieses Schutzrechts nicht ausdrücklich anordnen würde.

B. § 84 Abs 1: Definition des Handelsvertreters 2 § 84 Abs. 1 definiert den Begriff des Handelsvertreters. Die Legaldefinition enthält fünf TB-Merkmale (Abs. 1 S. 1), nämlich Selbständigkeit (1), Gewerbe (2), ständige (3) Betrauung (4) – wobei das Merkmal ständig im Vordergrund dieses Begriffspaares steht – sowie Vermittlung oder Abschluss von Geschäften (5). Für die rechtliche Einordnung als HV brauchen die letztgenannten beiden Merkmale nicht kumulativ erfüllt zu sein. Man könnte hier also von TBMerkmalen 5 a und b sprechen. Nach anderer Ansicht und gekürzt auf logische Zusammenhänge stellt das Gesetz sogar nur drei Merkmale auf, die sämtlich erfüllt sein müssen, damit ein HV-Vertrag vorliegt, und zwar selbständiger Gewerbetrieb (1), ständige Betrauung (2) mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften für einen Unternehmer (3). Alle diese zwingenden Merkmale – mit Ausnahme des Alternativpaars Vermittlung oder Abschluss – müssen kumulativ vorliegen, damit das Vertragsverhältnis ein HV-Vertrag ist. Mangelt es an einem dieser TB-Merkmale, hat der Vertriebsmittler keinen HV-Vertrag geschlossen.1 Sofern eine ggf. auch nur stillschweigende Abrede der Parteien existiert, die alle diese Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, liegt ein HV-Vertrag vor (gesetzlicher Formenzwang). Dies gilt selbst wenn die Parteien den Vertrag anders bezeichnen2 oder eine oder alle Rechtsfolgen des HV-Rechts nicht wollen, solange nur auf der Tatbestandsseite eine Tätigkeit mit Wissen und Wollen beider Parteien vorliegt. Falls die Parteien erkennbar den Willen haben, sich ohne ausdrückliche Absprachen oder vor Einigung über alle Einzelheiten einer abzuschließenden Vereinbarung vertraglich zu binden und tatsächlich einen auf Dauer angelegten Handelsvertretervertrag praktizieren, entsteht ein den §§ 84 ff. unterliegender Vertrag.3 Bei Fehlen eines TB-Merkmals mag, je nachdem, an welchem Merkmal es mangelt, ein Ar3 beitsverhältnis (§ 611a BGB, fehlendes Merkmal: „Selbständigkeit“), ein Vertragshändler- oder Franchisevertrag (fehlendes Merkmal: „Geschäftsvermittlung“ bzw. „Abschluss im fremden Namen“), ein Kommissionsagentenvertrag (fehlendes Merkmal: „in dessen Namen“) oder ein

1 Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 1. 2 BSG, Urt. v. 9.11.2011 – B 12 R 1/10 R, BeckRS 2012, 68727: dort wurde der Vertrag als „Partnerschafts- und Abrechnungsvertrag“ bezeichnet und gleichwohl zutreffend als HV-Vertrag eingeordnet – siehe auch unten die Nachweise zum TB-Merkmal der „Selbständigkeit“. 3 BGHZ 62, 71 (74); BGH, Urt. v. 24.2.1983 – I ZR 14/81, NJW 1983, 1727; v. 13.11.1986 – I ZR 104/84, NJW-RR 1987, 546; v. 26.10.1989 – I ZR 20/88, NJW-RR 1990, 354 (355); v. 1.4.1992 – IV ZR 332/90, WM 1992, 1193 (1195); Ebenroth/ Löwisch3 § 84 Rn 45; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 69; vgl. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 33. Emde

484

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 84

Maklervertrag (fehlendes Merkmal: „ständige Betrauung“) vorliegen. Jedes Merkmal kann auch aus der Gesamtschau des Vertrages hergeleitet werden.4 Bei der Abgrenzung hilft eine breitgefächerte Fallgruppenbildung und eine Rechtsfolgenbetrachtung unter Einbeziehung des Schutzgedankens5 des HV-Rechts: Zieht man den Anwendungsbereich des HV-Schutzrechts zu eng, fallen bestimmte Verträge durch das Netz des überwiegend mittlerfreundlichen Handelsvertreterrechts. Zudem erleichtert das spezielle HV-Recht die Rechtsfolgenfindung, mit Ausnahme der dank der Umständlichkeit des Berechnungsweges (ein von den Gerichten hausgemachtes Problem) schwierigen Ausgleichsberechnung (dazu bei § 89b). Die Legaldefinition des § 84 gilt auch für das Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht. Der Hauptdefinition des Abs. 1 S. 1 stellt Abs. 1 S. 2 eine Unterdefinition zur Seite. Gemäß § 84 Abs. 1 S. 2 ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Jene Unterdefinition rückt im Normengefüge des § 84 den Begriff der Selbständigkeit in den Vordergrund, und zwar zu recht. Denn in der Praxis wird ausnehmend häufig über Selbständigkeit oder Unselbständigkeit gestritten. Die besondere Stellung des Tatbestandsmerkmals wird durch die Negativabgrenzung des § 84 Abs. 2 betont: Wer ohne selbständig zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter. Diese Folge ist zwingend, sie steht nicht zur Disposition der Parteien.6 Abs. 3 bestimmt aus heutiger Sicht Selbstverständliches: Unternehmer kann auch ein HV sein. Die Bedeutung des § 84 Abs. 3 liegt daher in dem mittelbar Mitgeteilten: der Vertreter darf sich nach dem gesetzlichen Leitbild Hilfspersonen bei der Vertragsausführung, insbesondere Untervertreter, bedienen (Konkretisierung der §§ 613, 664 BGB). Im Bereich handelsvertreterähnlicher Vertriebsmittler, bei denen eine Analogie zu § 84 4 gebildet wird (näher Vor § 84 Rn 544 ff.), wird auch die Legaldefinition des § 84 Abs. 1 analog angewandt. Sie lautet dann: „Handelsvertreterähnlicher Vertriebsmittler ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender im Vertriebssystem eines anderen Unternehmers (Unternehmer) einer auch im Interesse dieses Unternehmers auferlegten Vertriebspflicht unterliegt. Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann“. Kein HV ist der Honorarberater. § 34h GewO regelt die Honorarberatung und trat am 5 1.1.2014 in Kraft. In § 34h GewO wird die Provisions- von der Honorarberatung getrennt. Honorarberater werden in ein Register eingetragen. Sie werden ausschließlich vom Kunden vergütet. Für den Fall, dass Anlageprodukte nicht ohne eingerechnete Provisionen erhältlich sind (BruttoTarife), muss der Honorarberater die Provision unverzüglich und ungemindert an den Kunden auskehren. Finanzdienstleister müssen sich entscheiden, ob sie als Honorarberater tätig werden wollen oder provisionsbasiert. Der Gesetzgeber wählte trotz hierzu geäußerter Kritik die Trennung von Provisions- und Honorarberatung. Bieten Kreditinstitute die Anlageberatung sowohl auf Honorar- als auch auf Provisionsbasis an, müssen beide Bereiche organisatorisch, funktional und personell strikt voneinander getrennt werden. Der Honorarfinanzanlageberater muss dieselben Voraussetzungen erfüllen wie der Finanzanlagevermittler i. S. d. § 34f GewO (dazu unten, Handelsvertreter und ihr „Tätigkeitsfeld“: Zuverlässigkeit, geordnete Vermögensverhältnisse, guter Leumund, Sachkunde sowie Berufshaftpflichtversicherung). Ein Agent oder Vertreter i. S. d. §§ 11, 17 MarkenG kann nicht nur der HV sein. Entschei- 6 dend ist, dass es sich um einen Absatzmittler handelt, dem gegenüber seinem Vertragspartner die Pflicht trifft, dessen Interessen wahrzunehmen.7

4 5 6 7

OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.9.2006 – 1 U 34/06, VersR 2007, 1514 (1516). Canaris § 17 Rn 16. Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 52. BGH, Urt. v. 10.4.2008 – I ZR 174/05, GRUR 2008, 611.

485

Emde

§ 84

1. Buch. Handelsstand

C. Erlaubnispflicht der HV Tätigkeit – Registereintragung 7 Eine Erlaubnispflichtigkeit der HV-Tätigkeit besteht grds. nicht: Weder ist eine bestimmte Ausbildung gefordert noch die Erfüllung besonderer öffentlich-rechtlicher Voraussetzungen oder Vorschriften.8 Sonderregeln gelten im Versicherungsvermittlungsgewerbe (dazu Kommentierung zu § 92) sowie für den Vertrieb von Finanzinstrumenten. Die Anforderungen, die der Gesetzgeber an die Berufsausübung im Finanzdienstleistungssektor stellte, waren über viele Jahrzehnte kaum geregelt. Oft genügte ein Gewerbeschein nach § 34 GewO, um Anlageprodukte vermitteln zu dürfen. Darüber hinaus trat bei der gewerbsmäßigen Vermittlung des Abschlusses von Verträgen 8 über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, gewerbliche Räume, Wohnräume, Darlehen und geschlossene Fondsanteile oder im Vertrieb von Investmentfonds die Erlaubnis nach § 34c GewO ein. Im Jahre 2007 wurde auf Grund der EU-Vermittlerrichtlinie § 34d GewO eingeführt. Versicherungsvermittler müssen sich seither in einem von der IHK geführten Vermittlerregister registrieren lassen. Zur Beantragung der Zulassung einer Erlaubnis sind ein guter Leumund und Zuverlässigkeit, geordnete Vermögensverhältnisse, eine Berufshaftpflichtversicherung und eine angemessene Qualifikation erforderlich (s. Kommentierung zu § 92). Der Vertrieb von Finanzinstrumenten i. S. d. §§ 1 Abs. 11 KWG und 2 Abs. 2 b WpHG9 bedarf einer Erlaubnis gem. § 32 KWG i. V. m. § 1 KWG, sofern sie in Deutschland10 gewerbsmäßig und/oder in einem Umfang getätigt wird, der einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordert. § 2 KWG regelt Ausnahmen von der Erlaubnispflicht, insb. für den Vertrieb von Anteilen an Investmentvermögen, Vermögensanlagen und für bestimmte Derivatgeschäfte. Für Finanzanlagenvermittler gilt seit dem 1.1.2013 § 34f GewO. Neben den bereits aus § 34c und § 34d GewO bekannten Anforderungen müssen nunmehr auch Vermittler von Finanzanlagen sich registrieren lassen, ihre Qualifikation und eine Berufshaftpflichtversicherung nachweisen und neue Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten (s. u., „Handelsvertreter und ihr Tätigkeitsfeld“, Stichwort „Anlageberater“) erfüllen. Der Finanzanlagenvermittler unterliegt der Aufsicht durch die IHK, jedoch nicht, was während des Gesetzgebungsverfahrens umstritten war, der BaFin. § 34f Abs. 1 GewO unterteilt die Vermittlung in drei Bereiche: – Anteile oder Aktien an inländischem offenen Investmentvermögen, offenem EU-Investmentvermögen oder ausländischem offenen Investmentvermögen, die nach dem KAGB vertrieben werden dürfen, – Anteile oder Aktien an inländischem geschlossenen Investmentvermögen, geschlossenem EU-Investmentvermögen oder ausländischem geschlossenen Investmentvermögen, die nach dem KAGB vertrieben werden dürfen, sowie – sonstige Vermögensanlagen i. S. d. § 1 Abs. 2 des Vermögensanlagegesetzes. 9 Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um die Bereiche, die bislang als offene Investmentfonds, Anteile an geschlossenen Fonds oder als sonstige Vermögensanlagen bekannt waren. Sonstige Vermögensanlagen sind z. B. die Vermittlung von Genossenschaftsanteilen, Genussrechten, Namensschuldverschreiben und Ähnlichem. Jeder Vermittler entscheidet für sich, für welchen Teilbereich oder für welche Kombination von Teilbereichen eine Erlaubnis beantragt wird. Keiner Erlaubnis nach der GewO bedürfen gem. § 34f Abs. 3 Nr. 1–3 GewO Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Kapitalanlagegesellschaften, da sie bereits über eine Erlaubnis nach dem KWG bzw. dem Investmentgesetz verfügen. Außerdem sind gem. § 34f Abs. 3 Nr. 4 GewO gebundene Vermittler gem. § 2 Abs. 10 S. 1 KWG, die unter der Haftung eines Einlagenkreditinstituts gem. § 1 Abs. 3d S. 1 KWG oder eines Wertpapierhandelsunternehmens 8 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 6. 9 Finanzinstrumente sind vereinfacht gesagt Instrumente, die ihrer Art nach auf dem Kapitalmarkt handelbar sind, insb. Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Aktien, Schuldtitel, Schuldverschreibungen, Genussscheine, Zertifikate, Anteile an Investmentvermögen, Derivate, vgl. Kurz DB 2013, 501 (502). 10 Näher Kurz DB 2013, 501 (504). Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 84

gem. § 1 Abs. 3d S. 2 KWG handeln, von der Erlaubnispflicht nach der GewO ausgenommen.11 Die Haftung übernimmt dann das „Haftungsdach“.12 Dieses bedarf einer wesentlich strengeren Erlaubnis nach § 32 KWG. Die gebundenen Vermittler werden von ihrem Haftungsdach in ein von der BaFin geführtes öffentl. Register eingetragen. Gem. § 34f GewO ist die Erteilung einer gewerberechtlichen Erlaubnis für gewerbsmäßige Finanzanlagevermittlungen davon abhängig, dass die erforderliche Sachkunde durch eine ununterbrochene Tätigkeit seit dem 1.1.2006,13 eine vor der IHK abgelegte Prüfung oder einige gleichgestellte Berufsqualifikationen14 nachgewiesen sowie der Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung erbracht wird. Bei bestimmten Berufsqualifikationen wird die Sachkunde unterstellt (§ 4 Abs. 1 FinVermV). Weiter muss eine Eintragung in das dort geführte öffentliche Vermittlerregister gemäß § 11a GewO erfolgen.15 Ein Verstoß gegen diese Vorschriften stellt eine OWi dar und kann mit einem Bußgeld geahndet werden. HV, die Anlagen vermitteln, unterfallen ferner § 34d WpHG und der aufgrund § 34d Abs. 6 S. 1 und 2 WpHG erlassenen WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung.16 Gem. § 1 Abs. 1 WpHGMaAnzV muss sich die nachgewiesene17 Sachkunde etwa auf Bedarfsermittlung, Lösungsmöglichkeiten, Produktdarstellung und Information, Serviceerwartung, Besuchsvorbereitung, Kundengespräch, Kundenbetreuung, rechtliche Grundlagen der Anlageberatung, Funktionsweise und Risiken der Finanzinstrumente sowie die Gesamtkosten erstrecken,18 wobei sich die Sachkunde auf die zu vermittelnden Produkte beschränken kann19 (§ 1 Abs. 1 S. 3 WphGMaAzV). Bevor ein Mitarbeiter seine Tätigkeit aufnimmt, hat das Unternehmen dies der BaFin anzuzeigen, ebenso Änderungen der Verhältnisse.20 Erstanzeigen müssen die Tätigkeit des Mitarbeiters, Daten zu seiner Person und den Tag des Beginns der Tätigkeit nennen. Hierzu wird bei der BaFin ein Datenbankregister angelegt.21 Jede Kundenbeschwerde muss unverzüglich bei der BaFin angezeigt werden.22 Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt insb. derjenige nicht, der in den letzten 5 Jahren vor Aufnahme der Tätigkeit eines Verbrechens oder wegen Diebstahls, Unterschlagung, Erpressung oder Betrugs, Untreue, Geldwäsche, Urkundenfälschung, Hehlerei, Wuchers, einer Insolvenzstraftat, einer Steuerhinterziehung oder aufgrund des § 38 WpHG rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 6 WphGMaAzV). Zur Prüfung werden die Unternehmer die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses fordern müssen.23 Für vertraglich gebundene Vermittler wird damit eine Registrierungspflicht in drei Registern geschaffen (Registrierung bei der BaFin nach § 2 Abs. 10 S. 3 und 4 KWG, im BaFin-Register nach den Vorgaben der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung und im Vermittlerregister der IHK nach § 11a GewO), wohingegen für freie Finanzanlagevermittler nur die Registrierungspflicht im Vermittlerregister nach § 11a GewO besteht.24 Der Vertrieb von Immobilienfonds unterliegt im Wesentlichen den §§ 294 ff. KAGB.

11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

Kurz DB 2013, 501 (505). Artzt/Kemter BKR 2011, 476. Günther MDR 2013, 125 (126). Günther MDR 2013, 125 (126). Artzt/Kemter BKR 2011, 476 (478). Hierzu Günther MDR 2013, 125; ders. WM 2012, 2267. Günther MDR 2013, 125 (126). Hierzu näher Günther MDR 2013, 125 (126); ders. WM 2012, 2267 (2269). Günther MDR 2013, 125 (126). Günther MDR 2013, 125 (126). Günther MDR 2013, 125 (126). Günther MDR 2013, 125 (127); ders. WM 2012, 2267 (2268). BGH, Urt. v. 11.7.2013 – III ZR 31/12, BeckRS 2013, 14142; v. 14.3.2013, BB 2013, 1039 m. Anm. Stumpf = WM 2013, 692 = ZIP 2013, 729, Rn 24 ff.; Günther WM 2012, 2267 (2272). 24 Artzt/Kemter BKR 2011, 476 (482). 487

Emde

§ 84

1. Buch. Handelsstand

D. Der Angestelltenstatus des nicht selbständigen Geschäftsmittlers (Abs. 2) 10 Abs. 1 kontrastiert mit seinem Gegenbild, dem des angestellten Geschäftsmittlers (Abs. 2), der meist AN nach § 611a BGB sein wird. Die Regelung hat nur klarstellende Bedeutung. „Gilt als“ heißt „ist“. Das bedeutet: Selbst wenn die Beteiligten (etwa um einerseits den Ausgleichsanspruch auszuschalten, andererseits aber auch Sozialleistungen zu sparen) den nicht selbständigen Geschäftsmittler ungeachtet seines ständigen Betrauungsverhältnisses in einem Zwischenfeld ansiedeln und ihn entsprechend deklarieren wollten, als Verkaufsbetreuer, Firmenrepräsentant o. ä., „freier Mitarbeiter“ – ungeachtet es auch solche gibt – zur Verschleierung eines Angestelltenverhältnisses,25 nutzt ihnen das nichts. Der Betreffende hat, weil und solange er nicht selbständig ist, kraft gesetzlichen Befehls Angestelltenstatus. Die zwingenden Regeln in Abs. 1 und Abs. 226 sollen Umgehungen des Gesetzes verhindern, die unselbständig Tätigen den Schutz des Arbeitsrechts vorenthalten.27 11 Der in Abs. 2 angesprochene Angestellte ist solcher mit allen Folgen, nicht nur privatrechtlichen. Der übergreifende Ausdruck „Angestellter“, sonst dem HGB fremd und dem Arbeitsrecht angehörend, macht das deutlich. In der Tat kommt hier ein Element des Arbeits- und des Sozialrechts ins Spiel. Der als Angestellter zu klassifizierende Geschäftsmittler hat teil an allen persönlichen Zügen des abhängig Beschäftigten: er unterliegt dem Direktionsrecht des Unternehmers als seines Arbeitgebers, sein Beschäftigungsverhältnis wird bei Veräußerung des Unternehmens automatisch mit dem Unternehmensnachfolger fortgesetzt – § 613a BGB –, anders beim HV. Typmäßig ist er der auf Provisionsbasis angestellte „Reisende“, wie er in § 55 Abs. 1 apostrophiert ist. Er ist weisungsgebunden in Bezug auf Arbeitsrhythmus und Arbeitszeit. Dies äußert sich darin, dass er seine Arbeitszeit nicht selbst bestimmen kann28 sowie Weisungen über die Art und Weise, wie er seine Tätigkeit im Einzelnen zu entfalten hat, unterworfen ist.29 Zu seinen Gunsten gelten die arbeitsrechtlichen Kündigungsbestimmungen einschließlich des Kündigungsschutzgesetzes. Die Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfalle regelt sich nach den einschlägigen arbeitsrechtlichen Grundsätzen. Es besteht, anders als beim HV,30 Anspruch auf Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz. Das Beschäftigungsverhältnis ist lohnsteuerpflichtig; es sind Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen. Der als Angestellter geltende Geschäftsmittler ist auch für das Betriebsverfassungsrecht in den Betrieb des Unternehmers integriert. Durch Auslegung der einschlägigen Tarifverträge ist zu ermitteln, ob die dort vorgesehenen Löhne auch dem auf Provision angestellten Geschäftsmittler als Mindestvergütung zustehen. Wiederum besteht für ihn kein Ausgleichsanspruch. 12 Die Gegenüberstellung beider Typen ist, wie die Verklammerung durch Abs. 1 S. 2 beweist, eine einander ausschließende. Die Vertragspartner haben es nicht in der Hand, im Formenkreis des Geschäftsmittlers den HV-Begriff nach ihrem Belieben abzuwandeln. Am wenigsten vermögen sie es durch die bloße „Etikettierung“: durch vertragliche Bezeichnung als HV für denjenigen, der die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt; häufiger freilich mit umgekehrter Zielsetzung (um die Ausgleichsvergütung nach § 89b auszuschalten) durch handelsvertreterferne Benennung dessen, der nach dem gesetzlichen Bild HV-Eigenschaft hat. Die gewählte Terminologie – „Vertreter“, „Agent“, „Reisender“, „Verkaufsleiter“, „Repräsentant“, „Subdirektor“, „Filialdirektor“, „Generalvertreter“, „Geschäftsbesorger“, „Berater“, „Consul-

25 26 27 28 29 30

BGH DB 1982, 590. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 118; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 39; Hopt § 84 Rn 39. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 39. RAG ARS 30, 40. RAG ARS 10, 597. OLG München, Urt. v. 26.1.2012 – 23 U 3798/11 – WM 2012, 1743.

Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 84

tant“ u. a. – ist nie entscheidend.31 Nicht die Benennung dominiert die rechtliche Qualifikation, vielmehr der Inhalt des Vertrages und seine beständige, tatsächliche Durchführung32 (wobei im Zweifelsfall die letztere entscheidend ist,33 jedenfalls soweit sie auf eine stillschweigende Vertragsänderung hindeutet). Man wird allerdings ein Wahlrecht des Mittlers annehmen können, sich bei der Statusfrage auf die tatsächliche Durchführung zu berufen oder sich im Wege der Durchsetzung des Vereinbarten in die Selbständigkeit durchzukämpfen. Es muss also an der Definition des Gesetzes genau Maß genommen werden. Das bezieht sich namentlich auf das Erfordernis der Selbständigkeit des HV. Für Klagen auf Feststellung der TB-Voraussetzungen des Abs. 2 ist im Gegensatz zu entsprechenden Klagen nach Abs. 1 das Arbeitsgericht zuständig.34

E. Vertrags- nicht Personenbezogenheit der Definition Der Wortlaut des § 84 stellt den Begriff des HV, also dessen Person, in den Vordergrund. Inhalt- 13 lich regeln die §§ 84 ff. gleichwohl ausschließlich das Vertragsverhältnis.35 Das HV-Recht des 7. Abschnitts hat es nur mit diesen einzelnen HV-Verträgen zu tun. Die Kreuzpunkte mit dem Recht der Agenturfirma oder das Recht der Querbeziehungen innerhalb des Vertriebsnetzes36 hat das Gesetz vernachlässigt; erstgenannte ergeben sich überall da, wo die persönliche Dienstleistungspflicht des HV eine Rolle spielt37 (siehe Vor § 84 Rn 50 ff). Die Person des HV hat für die §§ 84 ff. keinerlei rechtliche Bedeutung. Außer einer natürlichen Person darf auch jede Gesamthandsgemeinschaft oder juristische Person38 HV sein. Auch kann derselbe AußendienstMitarbeiter – behält man die an die Person und nicht den Vertrag angelehnte Terminologie des § 84 bei – im Verhältnis zu einem Auftraggeber HV, gegenüber einem anderen vielleicht Reisender im Angestelltenverhältnis,39 Vertragshändler, Kommissionsagent oder Makler sein.40 Dies wäre kaum denkbar, sollte in § 84 allein die „unteilbare“ Stellung der Person des Mittlers geregelt sein: Nicht die Person des HV, sondern das rechtliche Band zwischen HV und Unternehmer ist also Regelungsgegenstand der §§ 84 ff. Die richtige Frage lautet deshalb: „welche Vereinbarung erfüllt die Voraussetzungen eines HV-Vertrages“, nicht „wer kann HV sein“? Möglicherweise hätten die Bestimmungen – trotz der Regelung auch der Außenbeziehungen zu Dritten41 – zum HV-Vertrag daher nicht in das 1. Buch (Handelsstand) sondern in das 4. Buch des HGB

31 BGHZ 59, 91; 68, 345; BGH BB 1972, 1410; 1982, 1877; BAG 15, 335; BSG VersR 1961, 172; BAG DB 1972, 2215; OLG München HVR Nr. 893; OLG Düsseldorf WM 1984, 1287; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/ 11, BeckRS 2014, 72685; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 14; Hopt § 84 Rn 5; Wank EWiR 1997, 829 – auch nicht in der Versicherungswirtschaft; OLG Stuttgart, BB 1959, 537; OLG Bamberg BB 1965, 1167; LAG Bremen DB 1955, 535. Tendenziell aA BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165, das der Bezeichnung „Consultancy Agreement“ ein Indiz für die Selbständigkeit entnahm. 32 BGH ZIP 2000, 630 (631); OLG Bremen, Beschl. v. 28.1.2005 – 2 W 108/04, OLGR 2005, 432; LG Osnabrück, Urt. v. 25.7.2014 – 15 O 486/13, ZVertriebsR 2015, 312 (314); Behrend NJW 2003, 1563. 33 BSG BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 29; LG Osnabrück, Urt. v. 25.7.2014 – 15 O 486/13, ZVertriebsR 2015, 312 (314); ArbG Hamburg, Urt. v. 3.8.2004 – 2 Ca 39/04, S. 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 35. 34 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 118; Hopt § 84 Rn 45; ausführlich Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 35b. 35 Canaris § 17 Rn 5; AA Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 1: Regelung sowohl der Vertragsparteibezeichnung wie der Kaufmannsgewerbebezeichnung. 36 Hierzu Karsten Schmidt JuS 2008, 665 ff. 37 Im Einzelnen Brüggemann ZHR 131 [1968] 1 ff. 38 Karsten Schmidt Handelsrecht5 § 27 I 1 a; Emde Die Handelsvertreter-GmbH, passim; Emde GmbHR 1999, 1005; Kindler/Menges DB 2010, 1109 (1110); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 26; Oetker/Busche5 § 84 Rn 17. 39 BFH HFR 1966, 465; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 118; Hopt § 84 Rn 39. 40 Vgl. Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 142 ff.; BGH VersR 1960, 462; LAG Baden-Württ. VW 1970, 57; Bruck/ Möller Anm. 431 vor §§ 43–48 VVG; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 2 und § 86 Rn 40. 41 Siehe §§ 91 f.: Probleme der Stellvertretung und Canaris § 17 Rn 6. 489

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(Handelsgeschäfte) gepasst.42 Die Einordnung als kaufmännische Hilfsperson ist schon deshalb unschlüssig, weil der Unternehmer kein Kaufmann sein muss.43 Mithin regelt § 84 wann ein HVVertrag vorliegt.

F. Europarechtliche Präformation 14 Die Definition des § 84 ist durch Art. 1 Abs. 2 RL europarechtlich determiniert.44 Nach Art. 1 Abs. 2 RL ist HV, wer als selbstständiger Gewerbebetreibender ständig damit betraut ist, für eine andere Person (den Unternehmer) den Verkauf oder Ankauf von Waren zu vermitteln oder diese Geschäfte im Namen und für Rechnung des Unternehmers abzuschließen.45 Die Abgrenzung von Selbständigkeit und Unselbständigkeit46 (dazu unten) sowie der Begriff des Gewerbes47 wurde in der RL nicht geregelt, wäre jedoch RL-konform und damit autonom auszulegen. Die deutsche Rspr. greift auf die nationalen Definitionen zurück. Ob der RL-Geber im Zweifelsfall diejenige Definition akzeptierte, welche zur Zeit des Inkrafttretens der RL in der Gemeinschaft bestand,48 ist zweifelhaft. Auch zu Art. 1 Abs. 2 RL gibt es Judikatur des EuGH. Der EuGH entschied, es stehe der Einordnung als HV i. S. d. Art. 1 Abs. 2 RL nicht entgegen, dass eine Person, die ständig damit betraut sei, für eine andere Person den Verkauf oder den Ankauf von Waren zu vermitteln oder Geschäfte in deren Namen und für deren Rechnung abzuschließen, ihre Tätigkeit von den Geschäftsräumen dieser anderen Person aus verrichte. Jedoch dürfe der Mittler nicht gehindert sein, seine Tätigkeit unabhängig auszuüben. Dies müsse das nationale Gericht prüfen. Art. 1 Abs. 2 RL stelle 3 notwendige und hinreichende Voraussetzungen dafür auf, dass eine Person als HV eingestuft werden könne. Erstens müsse sie selbständiger Gewerbetreibender, zweitens vertraglich dauerhaft an den Unternehmer gebunden sein und dittens eine Tätigkeit ausüben, die darin bestehe, den Verkauf oder den Ankauf von Waren für den Unternehmer zu vermitteln oder diese Geschäfte in dessen Namen und Rechnung abzuschließen.49 Es genüge, dass eine Person jene 3 Voraussetzungen erfüllt, um sie als HV einstufen. Dies sei unabhängig von den Modalitäten, unter denen sie ihre Tätigkeit verrichte, soweit sie nicht unter die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Abs. 3 und Art. 2 RL falle.50 Der Schutz der RL würde beschnitten, falls die Einstufung als HV und somit die Anwendbarkeit der RL von zusätzlichen Voraussetzungen wie denen der Modalitäten der Ausübung der Tätigkeit abhängig sei.51 Auch wenn im Rahmen dieser Würdigung der Umstand, dass der Mittler seine Tätigkeit von den Geschäftsräumen des Unternehmers aus ausübe, für sich allein keinen Ausschluss vom Begriff HV i. S. v. Art. 1 Abs. 2 RL zu rechtfertigen vermöge, so dürfe er nicht die Selbständigkeit des HV beeinträchtigen. Die Selbständigkeit könne nicht nur durch die Pflicht zur Befolgung von Weisungen des

42 Schmidt-Rimpler S. 1 ff.; Canaris § 17 Rn 5; Karsten Schmidt JuS 2008, 665 (666); aA Sandrock FS Raisch, 1995, S. 167 ff. 43 Canaris § 17 Rn 5. 44 Hopt § 84 Rn 36; ders. FS Medicus, 1999, S. 246. 45 Kiene RIW 2007, 287 (297). 46 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der Europäischen Union, Diss. iur. Münster 1994, S. 39; Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss iur Mainz 2004, S. 12. 47 Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss iur Mainz 2004, S. 11/12. 48 Vgl. Kiene RIW 2007, 287 (297). 49 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 = BB 2019, 1226 m. Anm. Schnell Rn 23/24 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard). 50 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 = BB 2019, 1226 m. Anm. Schnell Rn 23/24 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard). 51 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 = BB 2019, 1226 m. Anm. Schnell Rn 27 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard). Emde

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Unternehmers, sondern auch durch andere Modalitäten in Frage gestellt werden.52 Es stehe der Qualifikation als HV i. S. d. Art. 1 Abs. 2 RL auch nicht entgegen, dass eine Person nicht nur Tätigkeiten ausübe, die in der Vermittlung des Verkaufs und des Ankaufs von Waren für eine andere Person oder dem Abschluss dieser Geschäfte in deren Namen und für deren Rechnung bestehe, sondern sie für den Unternehmer auch Tätigkeiten anderer Art wahrnehme, ohne dass die Letzteren im Verhältnis zu den Ersteren nebenberufliche Tätigkeiten seien. Dieser Umstand dürfe den Mittler aber nicht daran hindern, die ersteren Tätigkeiten unabhängig auszuüben. Das habe das nationale Gericht zu untersuchen.53 Eine Auslegung des Art. 1 Abs. 2 RL, welche Personen vom Anwendungsbereich der RL ausschlösse, die zusätzlich zu ihrer HV-Tätigkeit einer Tätigkeit anderer Art nachgingen, würde dem Sinn und Zweck der RL zuwiderlaufen, der darin bestehe, die Interessen der HV gegenüber den Unternehmern zu schützen.54 Sie liefe darauf hinaus, es zuzulassen, dass sich der Unternehmer den zwingenden Bestimmungen der RL, insb. denen über seine Pflichten gegenüber dem HV, entziehe, indem er im Vertrag andere Tätigkeiten als die mit der HV-Tätigkeit verbundenen Aufgaben vorsehe.55 Zum anderen können zur Erfüllung der in Art. 1 Abs. 2 RL genannten Aufgaben je nach den Besonderheiten des betreffenden Sektors Dienstleistungen des HV gehören, die zwar streng genommen nicht unter die Tätigkeit der Vermittlung oder des Abschlusses von Verträgen fallen, jedoch mit ihr einhergingen.56 Die Kumulierung von HV-Tätigkeiten und Tätigkeiten anderer Art dürfe nicht dazu führen, dass die Eigenschaft als selbständiger Gewerbetreibender beeinträchtigt sei.57 Daher habe das nationale Gericht zu prüfen, ob die Tatsache, dass der Mittler seine Tätigkeit gemeinsam mit anderen Tätigkeiten gleicher Wichtigkeit verrichte, dazu führt, dass er unter Berücksichtigung aller Umstände, wie der Natur der Tätigkeiten, der Einzelheiten ihrer Ausübung, des Anteils, den jene Tätigkeiten an der Gesamttätigkeit hätten, der Modalitäten der Entgeltfestlegung oder des wirtschaftlichen Risikos daran gehindert sei, seine Tätigkeit unabhängig auszuüben.58

G. Die einzelnen TB-Merkmale des Abs. 1 I. Selbständiger Gewerbetreibender Diese Worte grenzen zum Anstellungsvertrag ab (§ 84 Abs. 2). Scheitert die Einordnung als Ver- 15 tretervertrag an der Abwesenheit jener Merkmale, bleibt der Mittler Angestellter. Das ergibt sich – zwingend59 – aus § 84 Abs. 2. Eine Zwischenform, belegen zwischen HV und Reisendem, oder gar die Anwendung eines „Rumpfvermittlerrechts“, verfasst aus den §§ 675 ff. BGB i. V. m. §§ 611 ff. BGB, ist vom Gesetz nicht gewollt.60

52 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C 452/17, ZVertriebsR 2019, 20 = BB 2019, 1226 m. Anm. Schnell Rn 32 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard). 53 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 = BB 2019, 1226 m. Anm. Schnell = EWiR 2019, 557 (Ehrhard). 54 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 = BB 2019, 1226 m. Anm. Schnell Rn 44 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard). 55 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 = BB 2019, 1226 m. Anm. Schnell Rn 45 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard). 56 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 = BB 2019, 1226 m. Anm. Schnell Rn 46 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard). 57 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 = BB 2019, 1226 m. Anm. Schnell Rn 49 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard). 58 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 = BB 2019, 1226 m. Anm. Schnell Rn 50 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard). 59 OLG Düsseldorf WM 1985; Hopt § 84 Rn 39. 60 Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 52. 491

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1. Gewerbetreibender 16 Der HV muss Gewerbetreibender und kann Handelsgewerbetreibender sein. Da Handelsgewerblichkeit die Voraussetzung der Kaufmannseigenschaft ist, baut sie auf der Gewerblichkeit auf. Das Vertriebsmotiv des HV ist ebenso wie das des Unternehmers irrelevant.61

17 a) Gewerblichkeit. Der Begriff des Gewerbes wird in einer Reihe von Gesetzen als Tatbestandsmerkmal verwendet, ohne dass eine einheitliche Terminologie existiert.62 Ein Gewerbe setzt als positive Tatbestandsmerkmale Selbständigkeit, Marktausrichtung, planmäßige Tätigkeit auf eine gewisse Dauer bei einer Unbestimmtheit von Geschäften, Gewinnerzielungsabsicht und als negative Abgrenzungsmerkmale das Nichtvorliegen eines freien Berufes bzw. der bloßen Verwaltung eigenen Vermögens voraus.63 Die Tatbestandsmerkmale des Gewerbebegriffes „Selbständigkeit“ und „gewisse Dauerhaftigkeit“ brauchen nicht ein zweites Mal geprüft zu werden, da sie bereits Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 sind (sonst: Doppelprüfung). Es bleiben die Merkmale Marktausrichtung, Planmäßigkeit, Gewinnerzielungsabsicht sowie die oben genannten negativen Abgrenzungsmerkmale. 18 aa) Auf den Markt ausgerichtet ist die Tätigkeit des HV regelmäßig. Denn anderenfalls könnte er auf den beiden für ihn relevanten Märkten – Tätigkeit gegenüber dem Unternehmer und Tätigkeit gegenüber den Kunden – nicht agieren. 19 bb) Auch planmäßige Gewinnerzielungsabsicht wird durchweg Motiv der Tätigkeit des HV sein, während ein freier Beruf64 oder die bloße Verwaltung eigenen Vermögens fehlt. Also ist die Vertretertätigkeit eine gewerbliche. Dass der HV im Einzelfall ohne Gewinn arbeitet, schließt die Gewinnerzielungsabsicht nicht aus.65

20 b) Handelsgewerblichkeit. Vor dem Handelsrechtsreformgesetz v. 22.8.1998 betrieb der HV kraft Gesetz (§ 1 Abs. 2 Nr. 7 a. F.) ein Handelsgewerbe.66 Das hierin versteckte „Minus“, die Gewerblichkeit, war ohne weitere Prüfung anzunehmen. Jene Stellung als „Gewerbetreibender kraft Gesetzes“ und die aus ihm folgende Kaufmannseigenschaft hat die Novelle 1998 beseitigt. Sieht man Abs. 1 isoliert, wäre nur derjenige HV Kaufmann, der ein Handelsgewerbe be21 treibt (§ 1 Abs. 1). Auf den nichtkaufmännischen Mittler blieben die §§ 84 ff. nicht anwendbar. Deshalb bestimmt § 84 Abs. 4, die §§ 84 ff. fänden auch Anwendung, sofern das Unternehmen des HV nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert (dazu unten). Starre Regeln, wann die Grenze zur Handelsgewerblichkeit überschritten ist, sind abzu22 lehnen.67 Entscheidend ist eine Gesamtwürdigung der Verhältnisse, wobei folgende Umstände eine Rolle spielen: Zahl der Beschäftigten und Art ihrer Tätigkeit, Umsatz, Anlage- und Betriebskapital, Vielfalt der im Betrieb erbrachten Leistungen, Geschäftsbeziehungen sowie Inanspruchnahme von Kredit.68 Deshalb darf auch nicht auf feste Provisionsgrößen abgestellt werden. Kögel69 meint, bei HV ab einem Provisionsumsatz von etwa A 100.000 (berechnet auf Basis eines 61 62 63 64 65 66 67 68 69

Zweifelhaft daher OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.9.2015 – 5 U 43/15, ZVertriebsR 2016, 113 (114) Rn 20 f. Ebenroth/Kindler § 1 Rn 15 ff. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 50. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 50. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 5; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 15. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 50. Zum Ganzen Kort DB 2019, 771 ff. OLG Dresden NJW-RR 2002, 33. DB 1998, 1802 (1805).

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Provisionssatzes von 2–5 %) könne man die Kaufmannseigenschaft vermuten. Bei Vertragshändlern, und so wird man ergänzen dürfen, Franchisenehmern, müsse auf die Umsätze abgestellt werden, man dürfe ab A 250.000 die Kaufmannseigenschaft bejahen.70 Westphal71 referiert Entscheidungen des LG Rottweil72 und des OLG Oldenburg v. 31.1.1985,73 die bei einem vermittelten Umsatz von A 250.000 und Provisionseinnahmen von A 300.000 jährlich (500 Kunden, 4 Firmen) bzw. bei jährlichen Provisionseinnahmen von A 65.000 mit einem vermittelten Umsatz von ca. A 0,5 Mio. (200 Kunden, 3 Firmen) die Vollkaufmannseigenschaft nach damaligem Recht (heute: „Kaufmann“) annahmen. Derartige feste Umsatzschwellen mögen zwar dem Wunsch nach Rechtssicherheit entsprechen. Sie versperren jedoch den Blick auf die Umstände des Einzelfalls. Auch bei hohen Provisionseinnahmen ist ein Vertreter kein Kaufmann, falls sich seine Buchführungstätigkeit im Wesentlichen auf die Verbuchung von zwölf jährlichen Provisionseinnahmen beschränkt. Jedoch ist dieser theoretische Fall kaum vorstellbar, da meist erhebliche Kosten gegenzubuchen sind. Wäre man allzu streng, schwächte man die Konzentration von HVAngelegenheiten bei den Kammern für Handelssachen erneut. Als Kaufmann führt der HV für seine Agentur eine Firma, ist Mitglied der IHK, hat Handels- 23 bücher zu führen und Bilanzen nach Handelsrecht zu erstellen, kann Prokura erteilen und kaufmännisches Personal beschäftigen. Seine Agentur ist – ebenso wie die eines Nichtkaufmanns – ein „eingerichteter und ausgeübter Geschäftsbetrieb“, der gegen Eingriffe den Schutz des Gesetzes durch Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB genießt.74

2. Selbständigkeit a) Begriffsbestimmung. Nur der „selbständige“ Mittler übt eine HV-Tätigkeit aus, wobei es 24 ausreicht, dass er mit Aufnahme seiner Tätigkeit Selbständigkeit erlangt.75 Das Merkmal ist – wie die gesamte Legaldefinition des Abs. 1 – in Art. I Abs. 2 RL europarechtlich präformiert76 und zwar trotz des Umstandes, dass die RL keine Definition der Selbständigkeit vornimmt. Zuweilen wird gegen den Ansatz eines europarechtlichen Selbstständigkeitsbegriffs vorgebracht, dem RL-Geber sei bekannt gewesen, dass in den Mitgliedsstaaten bisher nicht nur unterschiedliche Konzepte der Selbstständigkeit verfolgt wurden, sondern dass die Abgrenzung zwischen unselbstständigen Vermittlern und HV mit Schwierigkeiten verbunden war. Aufgrund dieser Tatsache soll es daher Sache der Mitgliedsstaaten sein, die Interpretation nicht definierter Bestimmungen zu übernehmen.77 Gegen diese Annahme spricht jedoch das Ziel, eine Angleichung der Rechtssysteme zu schaffen, um höhere Ziele der Gemeinschaft zu verwirklichen.78 So fallen etwa in Frankreich durch die nationale Auslegung des Selbstständigkeitsbegriffs weniger als 10 % der Vermittler in den Anwendungsbereich der RL,79 was wenig plausibel erscheint und gegen eine nationale Auslegung spricht. Der Begriff der Selbständigkeit grenzt zum materiellen Arbeitsrecht ab und hat damit zentrale Bedeutung,80 auch für die Abgrenzung des Rechtsweges ordentliche Gerichte/Arbeitsgerichtsbarkeit (formelles Arbeitsrecht), wobei sogar Rechts70 71 72 73 74

Kögel (DB 1998, 1802 [1805]) nimmt diese Grenze für den „Einzelhandel“ an. Westphal I Rn 38. HO 208/74. 1 O 143/84. OLG Karlsruhe BB 1959, 1006: diskriminierende Rundschreiben des Unternehmers an die Kunden nach Ausscheiden des HV; Hopt § 84 Rn 33. 75 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 17; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 1, 7. 76 EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17 – ZVertriebsR 2019, 20 ff. = EWiR 2019, 557 (Ehrhard); Hopt § 84 Rn 35. 77 Vgl. den Hinweis bei Fock Die europäische Handelsvertreterrichtlinie, 100; ebenso Salger-Ivens Handbuch der europäischen Rechts- und Wirtschaftspraxis, § 3 Rn 47. 78 Kiene RIW 2007, 287 (297). 79 Kiene RIW 2007, 287 (297). 80 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 25; Oetker/Busche5 § 84 Rn 25. 493

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streitigkeiten eines selbständigen HV als arbeitnehmerähnliche Person i. S. d. § 5 Abs. 3 ArbGG vor die Arbeitsgerichte verwiesen werden können.81 Der Streit um Selbständigkeit oder Unselbständigkeit hat seinen vorrangigen Standort im HV-Recht. Im Vertragshändlerrecht hat er kaum Bedeutung, im Franchiserecht trotz der vertragsbedingt engen Einbindung des Franchisenehmers gleichwohl nur eine marginale. Dort hat der Streit meist keine Bedeutung, weil sich die gegenüber einem FN erteilten Weisungen auf die Vertriebspolitik beziehen und nicht zu Unselbständigkeit leiten können. Auch sind viele Vertragshändler und FN juristische Personen, die kraft Rechtsform selbständig sind (s. u.). 25 Selbständigkeit liegt gem. § 84 Abs. 1 S. 2 vor, wenn der Repräsentant „im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen“ kann,82 also in beiden Punkten „sein eigener Herr“ ist. Dies entspricht der Definition des § 611a Abs. 1 BGB. Die zu § 611a BGB ergangene Rspr. kann also erläuternd herangezogen werden. Die Selbstständigkeit ist im Vertriebsrecht der Regelfall.83 Ob der Mittler von der ihm eingeräumten Möglichkeiten persönlicher Freiheit tatsächlich Gebrauch macht, ist für die Beurteilung der Selbständigkeit ohne Bedeutung.84 Für die Abgrenzung zum unselbständigen Angestellten beschränkt sich das Gesetz im Bereich der Vermittlung auf diese beiden Kriterien.85 Andere Legaldefinitionen ergänzen oder ersetzen § 84 Abs. 1 S. 2 folglich nicht. § 84 Abs. 1 S. 2 enthält ein typisches Abgrenzungsmerkmal, welches über seinen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus eine auch auf andere Mittlerverträge anwendbare allgemeine gesetzgeberische Wertung erkennen lässt.86 26 Einigkeit besteht darin, dass die knappe und unscharfe87 Legaldefinition des § 84 Abs. 1 S. 2 zur Eingrenzung der Selbständigkeit kaum geeignet ist und der Konkretisierung bedarf.88 Gelegentlich wird sie sogar als Unsicherheitsfaktor angesehen.89 Andererseits enthält Abs. 1 S. 2 ausfüllungsbedürftige Begriffe.90 Dass die gesetzlichen Kriterien unzureichend sind, hat sich sehr bald herausgestellt. Auch der angestellte Geschäftsmittler kann in Grenzfällen, etwa auf einem Außenposten, die Freiheit in einem Maße haben, dass die Art und Weise seiner Tätigkeit sich einer betrieblichen Kontrolliertheit und Kontrollierbarkeit weithin entzieht. „Selbständigkeit“ ist ein Merkmal, welches essentieller gefasst werden muss und dessen Bestimmung unter einer Fülle von Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Frühe Rspr.91 und Lehre haben hierfür eine Schwerpunktbetrachtung entwickelt. Sie stellt auf das Gesamtbild von Vertragsgestaltung und Vertragshandhabung ab und verwertet für die Einordnung als selbständiger HV eine Vielzahl von Indizien.92

81 Martinek/Wank § 13 Rn 49. 82 OLG München, Beschl. v. 20.3.2014 – 7 W 315/14, ZVertriebsR 2014, 305 = NJW-RR 2014, 887 = WM 2014, 1772 = BeckRS 2014, 06948; Hopt § 84 Rn 35. 83 Hopt/Tzouganatos/Mankowski Europäisierung des Handels- und Wirtschaftsrechts, 2006, 131, 134. 84 BAG, Urt. v. 19.11.1997 – 5 AZR 653/96, ZIP 1998, 612; v. 30.9.1998 – 5 AZR 563/97, ZIP 1999, 544 m. zust. Komm. Dalichau EWiR 1999, 549; LAG Nürnberg BB 1999, 793 (794). 85 LG Mannheim, Beschl. v. 19.10.2001 – 7 AKtE 1/01, ZIP 2001, 2149 = EWiR 2002, 23. 86 BGH DB 2003, 198 (zum Franchisevertrag). 87 Moritz DB 1987, 875 (879). 88 Begr. zur Novelle 1953, BT-Drucks. I/3856, S 15; Stolterfoht S. 94. 89 Schlessmann Kündigung von Handelsvertreter-Verträgen, 1966, S. 16. 90 RGRK-BGB/Schliemann § 611 Rn 1053. 91 BGH VersR 1964, 331; BB 1975, 1409 (1410); BAG 18, 87 (103); DB 1972, 2215; BSG VersR 1961, 172; BFH DB 1970, 862. 92 Grundlegend: BAG 18, 87; s. a. OLG München, Beschl. v. 20.3.2014 – 7 W 315/14, ZVertriebsR 2014, 305 = NJWRR 2014, 887 = WM 2014, 1772 = BeckRS 2014, 06948; OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685; v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980. Emde

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Die Bezeichnung der Parteien als Freiberufler,93 HV,94 FN95 oder Angestellter ist, wie auch 27 § 611a Abs. 1 S. 6 BGB bestimmt, ebensowenig relevant wie die Titulierung des Vertrages selbst, etwa als HV- oder Arbeitsvertrag.96 Der Status richtet sich nicht nach den Wünschen, Vorstellungen oder Apostrophierung (letzteres schon deshalb nicht, weil die Parteien den Vertrag auch konkludent schließen können97) der Vertragspartner, sondern danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Inhalt objektiv einzuordnen ist.98 Selbst wenn der Mittler im Vertrag als „Handelsvertreter“ benannt wurde, muss er kein solcher sein.99 Die Bezeichnung kann nur ein erstes Indiz geben.100 Ebenso irrelevant ist die Klausel, es liege kein HV-Vertrag vor.101 Es kommt auf die Subsumtion unter die TB-Merkmale des § 84 an. Selbständigkeit meint die „rechtliche“ oder „persönliche“ Freiheit in Ausübung der Tätigkeit (§ 84 Abs. 1 S. 2)102 im Gegensatz zur „wirtschaftlichen“, welche bei jedem Vertragsverhältnis und auch bei selbständigen Kaufleuten und Unternehmern fehlen kann103 (man denke nur an die Abhängigkeit vieler Zulieferer von ihrem Auftraggeber). Dieses Außerachtlassen wirtschaftlicher Abhängigkeit ist grundsätzlich sachgerecht, denn rechtstatsächlich sind Vertriebsmittler – schon wegen der kurzen Kündigungsfristen i. V. m. ihrem bei Einpersonen-Vertreterunternehmen auf wenige Unternehmer konzentrierten Geschäftsfeld – meist gegenüber dem Unternehmer der schwächere Part und von ihm wirtschaftlich abhängig. In mancher Beziehung sind sie das sogar stärker als angestellte Geschäftsmittler, die wenigstens an der Sicherung des „sozialen Netzes“ und einem Kündigungsschutz teilhaben. Die mangelnde Tauglichkeit der Fragestellung: wirtschaftlich abhängig oder nicht, beweist allein schon die Existenz des § 92a. Die wirtschaftliche Schutzbedürftigkeit kann nicht zum Fehlen eines HV-Vertrages und infolge des Wegfalls des Schutzes des HV-Rechts zur weiteren Schwächung der Position des HV führen. Allerdings ist das von § 84 Abs. 1 genannte Kriterium der „persönlichen Freiheit“ für sich ge- 28 nommen gleichfalls nichtssagend. Es soll vorliegen, falls rechtlich und tatsächlich die wesentliche Freiheit in persönlicher, fachlicher, zeitlicher, örtlicher und organisatorischer Hinsicht besteht,104 wobei der Unternehmer, da er die Leitlinien der Vertriebspolitik bestimmt, am stärksten in die fachliche Unabhängigkeit eingreifen und Anweisungen zum vertriebenen Produkt geben darf, ohne dass hierdurch die Selbstständigkeit des Mittlers tangiert wird. Grundsätzlich ordnet der HV Arbeitseinsatz und -zeit sowie Ort und Art der erledigten Arbeiten frei.105 Arbeitnehmer ist hingegen derjenige, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt.106 Einen HV-Vertrag begründet bereits die „wesentliche“, also überwiegende, Freiheit in der Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorga93 94 95 96

LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 18. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 7.3.2014 – 1 Ws 179/13, BeckRS 2014, 17893. LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 18; Reiserer BB 2018, 1588; tendenziell aA wohl BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 19 m. Anm. Mankowski, das aus der Bezeichnung „Consultancy Agreement“ auf die Selbständigkeit schließt. 97 OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245 (bei der Abgrenzung zum Maklervertrag); LG Ellwangen, Teilurt. v. 13.5.2013 – 1 O 15/10, best. durch OLG Stuttgart, Urt. v. 30.1.2014 – 13 U 99/13. 98 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 7.3.2014 – 1 Ws 179/13, BeckRS 2014, 17893 („Franchisevertrag“); OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/06, VersR 2007, 1222 (1223); Reiserer BB 2018, 1588. 99 OLG München, Urt. v. 21.1.2010 – 23 U 4124/09, BeckRS 2010, 07740. 100 Reiserer BB 2018, 1588. 101 OLG Stuttgart, Urt. v. 19.9.2012 – 3 U 195/11, BeckRS 2013, 15236. 102 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/06, VersR 2007, 1222; Hopt § 84 Rn 35. 103 Begr. RegE, BT-Drucks. I/3856, S 14; RAG 1, 253; 16, 273; RAG JW 1942, 1293; BGH VersR 1964, 331; BAG ZIP 1997, 1715; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/06, VersR 2007, 1222; Hopt DB 1998, 861 (863); Eberstein A II 1 a; Hopt § 84 Rn 35; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 3, 3 b. 104 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 21. 105 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 19; Oetker/Busche5 § 84 Rn 27 u. 31. 106 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/06, VersR 2007, 1222. 495

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nisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dieses Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Die fachliche Weisungsgebundenheit ist für Dienste höherer Art nicht immer typisch.107 Vollständige Freiheit, etwa Freiheit von jeden Weisungen, ist nicht erforderlich, wie der Umstand zeigt, dass HV in fachlicher Hinsicht – insbesondere in Hinblick auf die Leitlinien der Vertriebspolitik – typischerweise weisungsgebunden bleiben108 und das Weisungsrecht des Unternehmers der gesetzlichen Interessenwahrungspflicht des § 86 entnommen wird. Wenn die Ansicht eingenommen wird, die Präzision der Definition werde durch die Reduktion auf „wesentliche“ Freiheiten entwertet,109 ist dies fraglich. Denn durch jene Eingrenzung sollen lediglich Umstände des Einzelfalles Berücksichtigung finden. Ausfüllen lässt sich die Definition folglich nur durch eine Einzelfallbetrachtung unter wertendem Einfluss von Indizien. Es gilt daher: Ob Selbständigkeit vorliegt bestimmt sich unter Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls110 nach dem Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Handhabung111 (so auch § 611a Abs. 1 BGB), wobei zu untersuchen ist, ob der Schwerpunkt des Vertrages entweder auf handels- oder arbeitsrechtlichem Gebiet liegt („Schwerpunkttheorie“112). Es ist weder isoliert auf die von den Parteien gewählte Einordnung des Vertrags oder die von diesen gewählte Bezeichnung als Angestellter oder HV noch allein auf die tatsächliche Durchführung des Vertrags abzustellen.113 Persönliche Abhängigkeit kann sich aus einer sehr detaillierten und den Freiraum der Erbringung geschuldeter Leistungen stark einschränkenden rechtlichen Vertragsgestaltung oder tatsächlicher Vertragsdurchführung ergeben.114 Widersprechen sich der Wortlaut der Vereinbarung und deren tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsparteien am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten sie ausgegangen sind und was sie tatsächlich gewollt haben115: Letztlich gilt, was einverständlich gelebt wird. Deshalb kommt dem beidseitig tatsächlich Gewollten stärkeres Gewicht zu als der

107 108 109 110

OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/06, VersR 2007, 1222. OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 18. Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 3. BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455; BAG ZIP 2000, 630 = VersR 2000, 1143 = BB 2000, 826; BAG ZIP 2000, 808 = EWiR 2000, 533 (Emde) = BB 2000, 1469 m. Anm. Reiserer; LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 39 – ZVertriebsR 2017, 392; Flohr ZVertriebsR 2015, 335 (zu FN); Hopt BB 1998, 863 (865); Hanau/Strick DB 1998 Beil. 14/98, S. 4; Thume BB 1999, 2309; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 17; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 3 b. Auch nach EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C 452/17, ZVertriebsR 2019, 20 Rn 32 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard) sind grds. alle Modalitäten geeignet, die Selbständigkeit zu beeinträchtigen. 111 BGH, Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 45/08 – BeckRS 2009, 87283 m. zust. Anm. Pohlmann EWiR 2010, 569; Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 42/08 – NJW 2010, 873 = WM 2010, 281 (282) Rn 12; BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/ 09 – NJW 2010, 2455; OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19 – ZVertriebsR 2020, 56 Rn 15; LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18 – ZVertriebsR 2019, 119 Rn 16; OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08 – BeckRS 2009, 27276; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09 – OLGR 2009, 618 (619); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.5.2006 – 1 W 18/06 – VersR 2007, 207 (208); OLG Saarbrücken VersR 2005, 1388; OLG Hamm VersR 2004, 1133; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12 – BeckRS 2014, 66980; Hopt § 84 Rn 5, 36. 112 BVerfG NJW 1978, 365; BGH BB 1982, 1877; NJW 1982, 1758; WM 1991, 1474; ZIP 1998, 863, 2104; LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18 – ZVertriebsR 2019, 119 Rn 16; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 63; Stolterfoht S. 16 ff.; Canaris § 17 Rn 9; Hopt § 84 Rn 36; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 3a; Oetker/Busche5 § 84 Rn 26. 113 BGH, Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 45/08 – BeckRS 2009, 87283 m. zust. Anm. Pohlmann EWiR 2010, 569; v. 27.10.2009 – VIII ZB 42/08 – NJW 2010, 873 = WM 2010, 281; v. 4.3.1998 – VIII ZB 25/97 – NJW 1998, 2057, unter II 2; OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19 – ZVertriebsR 2020, 56 Rn 15; LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18 – ZVertriebsR 2019, 119 Rn 16; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 33 m. w. N. 114 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 39 – ZVertriebsR 2017, 392. 115 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 38 – ZVertriebsR 2017, 392. Emde

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(früheren) schriftlichen Vereinbarung,116 die bekanntlich geduldig ist. Der Vorrang der praktischen Handhabung vor der formalen Vertragstypenwahl bedeutet nicht, dass die Entscheidung der Parteien für eine bestimmte Art von Vertrag irrelevant wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragspartner für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände zu berücksichtigen.117 Spricht die tatsächliche Handhabung des Vertrages nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis, müssen sich die Vertragsparteien grds. an dem gewählten Vertragstypus festhalten lassen.118 Entscheidend ist bei einer Außendiensttätigkeit, die sowohl im Arbeits- als auch im HV-Verhältnis ausgeübt werden kann, die Zeithoheit des Betroffenen.119 Vorrang hat damit die zumindest konkludent als Vertragsinhalt gewollte120 (bloße Hinnah- 29 me vertragswidrigen Verhaltens reicht regelm. nicht aus, s. u.) tatsächliche und vor allem beständige Vertragshandhabung121 (siehe auch § 611a Abs. 1 S. 6 BGB). Eine vom Ursprungsvertrag abweichende Handhabung ist daher in erster Linie und zumindest dann abwägungsrelevant, wenn sie einverständlich erfolgt ist und damit konkludenter Vertragsinhalt wurde.122 Sie kann es nur sein, wenn die tatsächliche Handhabung rechtlich zulässig ist.123 Es ist ein abwägungsrelevanter Umstand, ob Regelungen oder Übungen durchgesetzt werden bzw. ihre Nichtbeachtung mit Sanktionen verbunden ist.124 Die Durchsetzung deutet besonders darauf hin, dass sie wirklich gewollt sind. Jedoch besteht bis zum Beweis des Gegenteils die Vermutung, dass der Vertrag auch entsprechend dem Vertragstext gelebt wurde. Derjenige, der sich auf eine vom Vertragstext abweichende tatsächliche Übung beruft, trägt hierfür die Beweislast. Damit entsteht die Frage, ob mit einer Änderung dieser tatsächlichen Handhabung sich nicht 30 auch der Schwerpunkt verschieben könne, ja sich beliebig verschieben lasse, und das unter Umständen sogar mehrmals im Laufe der Vertragszeit, mit allen für die Rechtsklarheit misslichen Folgen. Das Vertragsverhältnis müsste dann je nach den Umständen einmal als selbständiges und dann wiederum als unselbständiges behandelt werden. Die Gefahr ist nicht unbemerkt geblieben; Stolterfoth125 hat sie als „Chameläon-Effekt“ bezeichnet und die Schwerpunkttheorie deshalb abgelehnt. Dennoch ist die Gefahr nicht so groß, wie er sie sehen zu müssen glaubt. Die Beispiele, an denen sie aufgezeigt wird, sind immer wieder: die Erteilung und Hinnahme von mit der Selbständigkeit eines HV unvereinbaren Weisungen und die Aufstockung eines Fixums unter Verschiebung des Verhältnisses zu den Provisionen. Vielleicht lassen sich sogar andere „Schiebegewichte“ denken, Zuweisungen von Lehrlingen zur Ausbildung, nachträgliche Inanspruchnahme von Kontrollrechten für Buchführung und Karteiführung. Indessen: Die reine Tatsächlichkeit solcher oder 116 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455 Rn 19; v. 25.5.2005 – 5 AZR 347/04, BAGE 115, 1 unter I; ZIP 2000, 630 (631) = VersR 2000, 1143 = BB 2000, 826; LAG Köln, Beschl. V. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 18; Urt. v. 20.4.2015 – 2 Sa 998/14, ZVertriebsR 2015, 306 (308); LG Osnabrück, Urt. v. 25.7.2014 – 15 O 486/13, ZVertriebsR 2015, 312 (314); zum Tankstellen-HV auch Steinhauer BB 2009, 2386; wohl auch LSG BadenWürttemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980. 117 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455; LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 39, ZVertriebsR 2017, 392. AA LG Osnabrück, Urt. v. 25.7.2014 – 15 O 486/13, ZVertriebsR 2015, 312 (314): liegt eine praktische Handhabung vor, die nach ihrer Gestaltung sowohl im Angestelltenverhältnis als auch im Bereich der Selbstständigkeit möglich ist, kommt es auf die vertragliche Regelung an. 118 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 39, ZVertriebsR 2017, 392. 119 LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 24; LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 68, ZVertriebsR 2017, 392. 120 Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss iur Mainz 2004, S. 11/12. 121 BAG 18, 87; BAG BB 1990 1065; DB 1994, 2502; BGHZ 59, 91; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980; Reiserer BB 2018, 1588; Hopt § 84 Rn 36. 122 In diese Richtung auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980. 123 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980. 124 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.7.2004 – 5 W 144/2004 – 49, EWiR 2005, 147 (Rouvray); Hopt § 84 Rn 36. 125 S. 221 ff. 497

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ähnlicher Übergriffe des Unternehmers entscheidet nicht immer, und ebenso wenig ihre widerspruchslose Hinnahme durch den HV. Was der Unternehmer entgegen seinen vertraglichen Befugnissen in Anspruch nimmt, bleibt immer vertragswidrig; dies auch dann, wenn der HV es zunächst hinnimmt (er wird dazu um so eher geneigt sein, je stärker seine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer ihn bedrängt). Solche Sachverhalte vermögen rechtlich wenig zu ändern. Der Mittler könnte sich gegen eine übermäßige, vom Vertrag entfernte Gängelung mittels Feststellungs- oder sogar Leistungsklage wehren. Das Vertragsverhältnis läuft im Grundsatz mit demjenigen Charakter weiter, unter dem es begründet worden ist. Erst dann, wenn eine dem entgegenstehende Handhabung sich mit ersichtlicher Billigung beider Teile zeitlich und sachlich so verfestigt hätte, dass sich daraus eine einverständliche Änderung der seine Rechtsnatur konstituierenden Elemente ergäbe, könnte sich der Schwerpunkt über die Grenze hinüber verlagert haben. Gegen einen häufigen Wechsel des vertraglich Vereinbarten ist jedoch nichts zu erinnern, wenn er zumindest konkludent erfolgt. Vielleicht besteht eine Vermutung (Indiz126), das einverständlich über lange Zeit durchgeführte Tätigkeitsbild spiegele die vertraglichen Abreden wieder,127 notfalls als konkludenter Änderungsvertrag. Selbst dann aber müssten schon alle anderen bisher maßgebend gewesene Indizien durch das neue Faktum entkräftet sein. Die vertragswidrige Erteilung von Weisungen, ein gern gebrauchtes Beispiel, reicht dafür schwerlich aus. Beliebige „Schaukelzuweisungen“ des Vertragsverhältnisses durch schwankende Vertragspraxis sind schon wegen der meist vorliegenden faktischen Identität der Tätigkeit kaum ernsthaft zu befürchten und wären im Übrigen, ständigen schriftlichen Vertragsänderungen gleich, hinzunehmen. Die bloße, nicht einverständlich durchgeführte Abweichung vom Vertrag führt den Mittler also nicht in die Unselbständigkeit. Um die nötige Rechtssicherheit zu schaffen, dürfen nach Ansicht des OLG Saarbrücken128 zur Abgrenzung zwischen selbstständigem HV und unselbstständigem Reisenden nur vertraglich fixierte – Schriftform ist aber nicht erforderlich, § 85 – Pflichten herangezogen werden, nicht aber solche, bei denen ein Verstoß lediglich zur Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Erfolges führt, was allenfalls zutreffend sein dürfte, wenn man auch konkludente Vertragsänderungen den vertraglich fixierten zurechnet. Es ist daher nicht in jedem Fall richtig zu sagen, werde der Vertrag abweichend von den ausdrücklichen Vereinbarungen vollzogen, sei die tatsächliche Durchführung maßgebend. Die praktische Handhabung lässt allenfalls Rückschlüsse zu, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien ausgegangen sind.129 Insbesondere wird man auf den Vertragstext zurückgreifen müssen, wenn sich kein klares Tätigkeitsbild ergibt.130 In Grenzfällen kann auch die von den Parteien ausdrücklich vorgenommene Einordnung des Vertrages den Ausschlag geben,131 was jedoch nur dann schlüssig ist, wenn die übrige Vertragsgestaltung dem nicht widerspricht.

31 b) Einzelkriterien zur Bestimmung der Selbstständigkeit. Der Streit um Selbständigkeit oder Unselbständigkeit hat mittlerweile zu nahezu unübersehbaren Stellungnahmen aus Rechtsprechung und Literatur geführt.132 Die für Selbständigkeit oder Unselbständigkeit sprechenden Indizien werden im Folgenden stichwortartig dargestellt. Die Merkmale sind in jedem einzelnen Vertragsverhältnis gesondert zu prüfen.133 Zu berücksichtigen ist, dass jedes dieser Merkmale allenfalls ein – je nach Vertrag, beteiligten Personen und Umständen – stärkeres oder schwächeres Indiz in die eine oder andere Richtung geben kann, jedoch weder für die eine oder die andere

126 127 128 129 130 131 132 133

Canaris § 17 Rn 9. Siehe Hopt § 84 Rn 36: Die praktische Handhabung soll vorrangig sein. Beschl. v. 29.7.2004 – 5 W 144/2004 – 49, EWiR 2005, 147 (Rouvray). OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/06, VersR 2007, 1222; BAGE 41, 247, 258; BAG NZA 1991, 933; 1992, 407. Karsten Schmidt Handelsrecht5 § 27 I 2e. BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455; OLG München NJW 1957, 1767: „Handelsvertreter i. S. d. § 84“. Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 48 ff. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 23.

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Einordnung unverzichtbar ist.134 Die vorzunehmende Schwerpunktbetrachtung (oben, Rn 26 ff.) bedeutet, dass die Zuordnung zum einen oder zum anderen Typ auch ungeachtet eines Gegensatzes der indizierenden Merkmale möglich und nötig ist. Zur Einordnung irrelevant sind Einschränkungen der unternehmerischen Freiheit, welche durch zwingende Anforderungen der Geschäftsart bedingt sind.135 Formelle und gewillkürte Merkmale (etwa Eintragung in Registern, Korrespondenz auf eigenen Geschäftsbögen) besitzen die geringste Aussagekraft,136 weil die Parteien die rechtliche Einordnung ihres Vertragsverhältnisses nicht facto contrarium verschieben können. Gleiches gilt für dem Vertretervertrag typische und damit leitbildnahe Beschränkungen137 sowie aus der Natur der Sache folgende Vorgaben für die Vertragsausführung – z. B. hinsichtlich der Werbung und Präsentation des Vertriebsprodukts oder der Einzelheiten der Vertriebspolitik des Unternehmers.138 Vertriebsvorgaben haben eine reduzierte Bedeutung, weil sie leitbildtypisch sind. Das gilt insbesondere für Versicherungsvertreter,139 Bausparkassenvertreter140 und vergleichbar stark in die Betriebsorganisation des Unternehmers eingebundene HV. Wären enge Vertriebsvorgaben beachtlich, bliebe jeder Franchisenehmer und Tankstellenvertreter141 unselbständig. Abzulehnen ist daher die Aussicht, den Postagenturen der Deutschen Post AG fehle die Selbständigkeit und damit die Eigenschaft als HV (im Nebenberuf),142 da sie engen Vorgaben zum Vertrieb unterlägen. Letztlich ist die Abgrenzung anhand einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller Umstände vorzunehmen.143 Auch wenn die einzelnen Regelungen in dem Vertrag für sich genommen in einem HV-Vertrag zulässig und mit der Rechtstellung des HV vereinbar sein mögen, kann das nicht mehr gelten, wenn die Vertragswirklichkeit von einer selbstständigen HV-Tätigkeit zu weit abweicht.144 Infolgedessen können nicht wenige der nachfolgend für den einen oder den anderen Status aufgeführten Merkmale im Einzelfalle auch mit einer gegenteiligen Eingruppierung vereinbar sein. Ein Stadtreisender, obwohl er sich jeden Morgen bei seinem Unternehmer zur Berichterstattung einzufinden hatte, ist als selbständiger HV angesehen worden, weil er seine weitere Tätigkeit nach Inhalt und Zeit selbständig bestimmen konnte;145 ebenso ein HV, obwohl dessen allmorgiger Tätigkeitsbeginn auf 8 Uhr festgesetzt worden war und er zur Sozialversicherung angemeldet und für ihn eine „Lohnsteuer“ einbehalten wurde.146

134 135 136 137 138

Hopt § 84 Rn 36. OLG Köln, Urt. v. 21.11.2008 – 19 U 72/08, BeckRS 2009, 27270. AA Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 5. LAG Nürnberg BB 1999, 793 (795); Plagemann EWiR 1998, 491. BAG DB 1966, 546; OLG Düsseldorf ZIP 1998, 624 (625) m. abl. Anm. Griebeling EWiR 1998, 341 (342); OLG Düsseldorf ZIP 1998, 1039 (1040); Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 11; Schröder DB 1959, 817; Hopt DB 1998, 863 (864); Horn/Henssler ZIP 1998, 589 (600); Plagemann EWiR 1998, 491. 139 BAG ZIP 2000, 630, Urt. v. 15.12.1999 – 5 AZR 169/99, EWiR 2000, 969 (LS) = EWiR 2000, 968 (Emde); BB 1998, 1954; v. 15.12.1999 – 5 AZR 3/99, ZIP 2000, 808 = EWiR 2000, 532 (Emde); LAG Nürnberg BB 1999, 793 = EWiR 1999, 362 (Plagemann). 140 BAG, Urt. v. 15.12.1999 – 5 AZR 770/98, BB 2000, 932. 141 Auch bei ihnen bestimmt sich die Abgrenzung zwischen Selbständigkeit und Unselbständigkeit nach Vertrag und tatsächlicher Zusammenarbeit, vgl. hierzu Steinhauer BB 2009, 2386. 142 LG Dortmund, Urt. v. 14.12.2006 – 16 O 92/05, NJOZ 2007, 1485; wie hier OLG Frankfurt/M., Urt. v. 7.7.2010 – 4 U 25/06, BeckRS 2010, 19018; OLG Koblenz, Urt. v. 29.4.2010 – 2 U 185/09, BeckRS 2010, 12148; v. 30.1.2006 – 12 U 127/01, WM 2006, 1453 (dort aber nicht entscheidungserheblich); OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 8.4.2010 – 19 U 27/ 10, BeckRS 2011, 05555; OLG Hamm, Urt. v. 10.9.2004 – 35 U 43/03, BeckRS 2007, 04429; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980. 143 OLG München, Beschl. v. 20.3.2014 – 7 W 315/14, ZVertriebsR 2014, 305 = NJW-RR 2014, 887 = WM 2014, 1772 = BeckRS 2014, 06948; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 30; Hopt DB 1998, 863 (865); Walker EWiR 1998, 53 (54); Hanau/Strick DB 1998 Beil. 14/98 S. 4; Thume BB 1999, 2309. 144 OLG München, Beschl. v. 20.3.2014 – 7 W 315/14, ZVertriebsR 2014, 305 = NJW-RR 2014, 887 = WM 2014, 1772 = BeckRS 2014, 06948. 145 OLG München BB 1957, 560. 146 OLG Nürnberg VersR 1960, 904; vgl. auch RGRK-BGB/Schliemann § 611 Rn 998; Plagemann EWiR 1998, 491. 499

Emde

§ 84

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1. Buch. Handelsstand

Auf der anderen Seite standen der Einordnung als nicht selbständig nicht entgegen Vertragsbestimmungen, die eine Verpflichtung zur Anmeldung eines „Gewerbes“, zur Eigenversteuerung der Provision, zur Tragung der vollen Sozialversicherungsbeiträge und der Spesen außerhalb der Geschäftsräume vorsahen.147 Auf Grund einer einverständlichen Charakteränderung der Tätigkeit mag sich die Einordnung des Rechtsverhältnisses während der Vertragsbeziehung verschieben („Chameläon-Effekt“, s. o., Rn 30).

33 aa) Für die Selbständigkeit des Mittlers sprechen folgende Merkmale.148 Diese Umstände werden nachfolgend in solche mit geringem, mittlerem, starkem oder entscheidendem Gewicht untergliedert:

34 (1) Merkmale die nur in geringem Maße für Selbstständigkeit sprechen. In diese Gruppe fallen insbesondere formelle149 und gewillkürte Merkmale, also etwa – Benennung als HV150 (auch ein konkludenter Vertragsschluss wäre nämlich möglich151); – eigene Buchführung;152 – Entrichtung von Umsatz- und Gewerbesteuer;153 – Mitgliedschaft in der IHK154 und Zahlung von Beiträgen;155 – Eintragung in das Handelsregister;156 – Eintragung in das Gewerberegister sowie Anmeldung des Agenturgewerbes nach § 14 GewO bei der zuständigen Behörde;157 – Auftreten unter eigener Firma;158 – Benutzung eigener Briefbögen mit der Firma des HV;159 – eigene Homepage. Sie belegt kein selbstständiges, unternehmerisches Auftreten am Markt.160 Das gilt insbesondere, wenn im Wesentlichen das Produkt dargestellt wird;161 – Fehlen von Dienststunden (solche sind weder für angestellte noch für selbständige Mittler typisch);162

147 148 149 150

BGH DB 1982, 590. Siehe auch die umfassende Ausarbeitung von Hanau/Strick DB Beil 14/1998. Hopt § 84 Rn 36, Oetker/Busche5 § 84 Rn 30. BGH, Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 45/08, Beck RS 2009, 87283 m. zust. Anm. Pohlmann EWiR 2010, 569; Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 42/08, NJW 2010, 873 = WM 2010, 281; Urt. v. 4.12.1981 – I ZR 200/79, WM 1982, 272 (273); NJW 1982, 1757; BAG, Beschl. v. 16.7.1997 – 5 AZB 29/96, ZIP 1997, 1714; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619); Hopt § 84 Rn 5; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 30a, Westphal I Rn 2; Reiserer BB 2018, 1588; Jahnke ZHR 146 (1982), 616 ff. 151 OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245 (bei der Abgrenzung zum Maklervertrag). 152 OLG München NJW 1957, 1767; RAG 7, 175; Hopt § 84 Rn 36; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 5. 153 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 19; Oetker/Busche5 § 84 Rn 30. 154 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 19. 155 SG Detmold BB 1959, 636. 156 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 19. 157 OLG Celle MDR 1958, 341; OLG München NJW 1957, 1767; BB 1957, 560; SG Detmold BB 1959, 636; Hopt § 84 Rn 36. 158 BGH VersR 1964, 331; BAG BB 1980, 1471; Hopt § 84 Rn 36; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 5 („sicheres Anzeichen“). 159 OLG Celle MDR 1958, 341. 160 LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 19. 161 LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 19. 162 BAG ZIP 2000, 808 = EWiR 2000, 533 (Emde) = BB 2000, 1469 m. Anm. Reiserer; VersR 2000, 1501 = BB 2000, 1837 m. Anm. Bolle = EWiR 2000, 969 (Emde). Emde

500

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter



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§ 84

Selbstständige Fertigung von Einsatzplänen durch den HV. Die rein faktischen Zwänge, denen der Mittler bei der Einsatzplangestaltung unterliegt, sind nicht ausreichend, um ein Unterordnungsverhältnis anzunehmen;163 angeblich Kapitaleinsatz, da solcher nicht HV-typisch ist;164 Nichteinbindung in das Abrechnungssystem des Unternehmers;165 Rechnungsstellung durch den Mittler und Ausweisung der Umsatzsteuer;166 nebenberufliche Tätigkeit;167 wenn sich der Mittler auf schriftliche oder fernmündliche Berichte beschränken darf.168

(2) Merkmale die in höherem Maße für Selbstständigkeit sprechen. – –

– – – –

35 Fehlen konkreter Vorgaben hinsichtlich des Ortes und der Zeit der Tätigkeit;169 Freiheit in Arbeitszeit,170 Arbeitsumfang und Arbeitsgestaltung.171 Relativierend heißt es, die HV müssten zwangsläufig auf die zeitlichen Möglichkeiten der Kunden Rücksicht nehmen, so dass eine geringe Indizwirkung zu konstatieren sei.172 Außerdem soll ein Mindestumsatz gegen die freie Bestimmung der Arbeitsdauer sprechen;173 Falls der Mittler seine Kundenbesuche nach eigener Initiative und eigenem Gutdünken einrichten kann174 und hierbei nach Belieben auch ganze Tage auslassen darf;175 Auswahl der anzusprechenden Kunden durch den Mittler;176 Existenz eines eigenen Unternehmens mit eigenen unternehmerischen Chancen;177 Korrelation zwischen unternehmerischen Chancen und Übernahme von Kosten und angemessenen178 und freiwilligen179 Risiken der Geschäftstätigkeit (Unternehmerrisiko),180 etwa Verlust des Einsatzes von Arbeitskraft und Geldmitteln bei Erfolglosigkeit der Vermittlungsbemühungen, keine Provision bei Stornierung des Auftrags (§ 87a Abs. 2; Abs. 3 S. 2); keine Absicherung gegen Einnahmeausfall bei Krankheit181 oder Unfall;182 keine Sicherheit gegen Einnahmerückgang bei Änderung der Marktsituation; Übernahme der eigenen Ge-

163 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 23. 164 Hopt § 84 Rn 36. 165 BGH DB 2003, 198 (zum Franchisevertrag) entnahm diesem Merkmal allerdings eine starke Indizwirkung für die Selbständigkeit (zwh.). 166 LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 20. 167 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/06, VersR 2007, 1222 (1223). 168 Ordemann DB 1963, 1566. 169 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 23. 170 OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980; Reiserer BB 2018, 1588 (1589). 171 Hopt § 84 Rn 36; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 3b; Oetker/Busche5 § 84 Rn 31. 172 LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 26. 173 LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 27. 174 SG Karlsruhe VersR 1955, 388. 175 OLG Celle MDR 1958, 341. 176 LG Osnabrück, Urt. v. 25.7.2014 – 15 O 486/13, ZVertriebsR 2015, 312 (314). 177 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980; Reiserer BB 2018, 1588 (1589); Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 71; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 19; Hopt § 84 Rn 36; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 3b. 178 Martinek/Wank § 13 Rn 62. 179 Reiserer BB 2018, 1588 (1589); Martinek/Wank § 13 Rn 61. 180 BVerfG NJW 1978, 365; BAG AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 37; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.5.2006 – 1 W 18/06, VersR 2007, 207 (208); LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685; v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980; Hopt § 84 Rn 36; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 28, 44; Oetker/ Busche5 § 84 Rn 29. 181 LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 30. 182 LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 30. 501

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1. Buch. Handelsstand

schäftskosten (vgl. § 87d);183 insb. wenn der HV Kfz-, Telefon-, Reise- und Bewirtungskosten sowie Beiträge zu Vermögensschadens- und Haftpflichtversicherung (wenn auch erst ab dem 2. Jahr) trägt;184 eigene Geschäftsräume,185 Büro,186 Betriebsstätte187 oder Geschäftseinrichtung;188 falls die Kündigungsfristen des § 89 Abs. 1 gelten, nähere Bestimmungen zum Ausgleich nach § 89b getroffen werden und ergänzend die Vorschriften des HGB Anwendung finden sollen, soweit im Vertrag nichts Abweichendes bestimmt ist189 (letztlich handelt es sich aber um ein weniger aussagekräftiges, gewillkürtes Merkmal); kein „Urlaubsanspruch“,190 dass eine Abstimmung der Urlaubswünsche erwartet oder verlangt wird, verschlägt nicht;191 Vorherige Forderung eines Ausgleichsanspruchs durch den HV;192 Angeblich das Fehlen oder die Wiederholung handelsvertretertypischer Regelungen: So sollen fehlende Vertragsbestimmungen zu einem angemessenen Vorschuss nach § 87a Abs. 1 S. 2, zum Ausgleichsanspruch und § 87a Abs. 3 gegen die Selbständigkeit streiten.193 Letzteres ist zweifelhaft, weil die von den Unternehmern vorformulierten Verträge selten Regelungen zu für den HV günstigen Umständen enthalten und – diesen Maßstab allein betrachtet – damit praktisch alle HV unselbstständig wären; Provisionszahlungen194 (wobei es hier sehr auf die Verhältnisse des Einzelfalls ankommt. Denn bei gewillkürten Merkmalen ist immer Vorsicht angebracht); Das vertragliche Versprechen, einen Ausgleichsanspruch zu leisten.195

(3) Merkmale mit starker Indizwirkung für Selbstständigkeit. 36 –



Vertretung mehrerer Unternehmer196 oder anderweitige unternehmerische Tätigkeit; jedenfalls wenn die einzelnen Vertretungen wirtschaftlich gleich ertragreich sind und keine wirtschaftlich-faktische Identität oder gesellschaftsrechtliche Verflechtung zwischen den Unternehmern besteht; Unfähigkeit zur Erfüllung der Vertragspflichten ohne eigene Hilfskräfte;197

183 184 185 186 187 188

OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276; OLG München NJW 1957, 1767. OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276. LG Osnabrück, Urt. v. 25.7.2014 – 15 O 486/13, ZVertriebsR 2015, 312 (314). LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 23. Reiserer BB 2018, 1588 (1589). BVerfG NJW 1978, 365; OLG München NJW 1957, 1767; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/ 12 – BeckRS 2014, 66980; SG Stuttgart VersR 1956, 318; Hopt § 84 Rn 36; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 5; Martinek/Wank § 14 Rn 77. 189 OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276. 190 SG Stuttgart VersR 1956, 318. 191 AA LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11 – BeckRS 2014, 72685. 192 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/06 – VersR 2007, 1222 (1223). 193 LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18 – ZVertriebsR 2019, 119 Rn 29. 194 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.5.2006 – 1 W 18/06, VersR 2007, 207 (208); OLG Hamm, Beschl. v. 7.2.2003 – 35 W 11/02, VersR 2004, 1133; LG Osnabrück VersR 2000, 963; LG Mannheim, Beschl. v. 19.10.2001, 7 AktE 1/01, ZIP 2001, 2149 = EWiR 2002, 23; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 47; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 5. Auch Unselbständigen kann aber Provision zu zahlen sein, s. Mankowski IHR 2016, 167 (168) zum internationalen Recht. 195 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619); LG Bielefeld, Beschl. v. 13.1.2010 – 5 O 303/10, BeckRS 2013, 06820. 196 Begr. zu § 84 Abs. 2, BT-Drucks. 1/3856, S. 17; BAG AP § 611 Abhängigkeit Nr. 44; LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 23; OLG Celle MDR 1958, 341; Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (133); Hopt § 84 Rn 36; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 42; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 4, 5; Oetker/ Busche5 § 84 Rn 28; aA Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 22. 197 BAG DB 2002, 1610. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter



§ 84

Selbst ausgesuchtes eigenes Personal198 bzw. das Recht solches einzustellen,199 etwa die Erlaubnis, Untervertreter beschäftigen zu dürfen.200

(4) die zwingend für Selbstständigkeit sprechen. –

Vertragsschluss als juristische Person oder Gesamthandsgemeinschaft. In einem solchen 37 Fall spricht das formelle Kriterium für Selbständigkeit,201 es sei denn, es liegt ein Umgehungsfall vor (dann Durchgriff auf den hinter ihr stehenden ArbeitN). Die juristische Person oder Gesamthandsgemeinschaft ist auch als Konzernunternehmen i. S. d. § 18 AktG qua Status selbständig, weil Arbeitsrecht auf sie sinnvoll nicht angewendet werden kann.202

bb) Gegen die Selbstständigkeit sprechende Merkmale. Indizien, die gegen die Selbstän- 38 digkeit des Mittlers sprechen, fehlen ebenfalls nicht. Auch hier ist jedem Merkmal allenfalls indizielle Funktion beizumessen, so dass jeder Einzelfall an seinen Besonderheiten zu messen bleibt.203 Dies zeigt schon die allgemeine Meinung, derzufolge es auf das Gesamtbild der vertraglichen und tatsächlichen Handhabung ankommt.

(1) Merkmale mit keinem oder sehr geringem Gewicht. Zunächst wird die Gruppe von 39 Merkmalen genannt, der bei der Abwägung überhaupt kein oder nur ein sehr geringes Gewicht zukommt. Diese Merkmale sind zur Abgrenzung weitgehend ungeeignet, weil sie einen Schluss auf das Vorliegen der Unselbständigkeit kaum zulassen. In diese Gruppe fallen: 40 – die vertragliche Bezeichnung, da die Parteien nicht durch eine formale Etikettierung über die Anwendung zwingender Schutznormen disponieren können,204 anders jedoch, wenn

198 BAG ZIP 2000, 630 = VersR 2000, 1143 = BB 2000, 826; DB 1997, 2437; BGH VersR 1964, 331; LSG BadenWürttemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980; Hopt § 84 Rn 36; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 43; Oetker/Busche5 § 84 Rn 28. 199 BGH DB 2003, 198 (zum Franchisevertrag). 200 OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 25; LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 32; SG Karlsruhe VersR 1955, 388; Hopt DB 1998, 863 (864); siehe auch BGH ZIP 1998, 2176, 2178; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 19; Hopt § 84 Rn 36. 201 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 10 (GmbH); Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 88 f.; Emde GmbHR 1999, 1005 (1007); Karsten Schmidt Handelsrecht5 § 27 I 2a; offen gelassen von Hopt § 84 Rn 40. 202 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 87 ff.; Karsten Schmidt Handelsrecht5 § 27 I 2 a; Hopt/Tzouganatos/Mankowski Europäisierung des Handels- und Wirtschaftsrechts, 2006, 131, 134; Martin VersR 1967, 824; Schuler JR 1954, 284 (285); Stolterfoht S. 260; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 14; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 23; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 21, 49. 203 Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 65. 204 BAG ZIP 2000, 808 = EWiR 2000, 533 (Emde) = BB 2000, 1469 m. Anm. Reiserer; VersR 2000, 1501 = BB 2000, 1837 m. Anm. Bolle = EWiR 2000, 969 (Emde); OLG Stuttgart, Urt. v. 19.9.2012 – 3 U 195/11 – BeckRS 2013, 15236 (Regelung, dass kein HV-Vertrag vorliegt); OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619); OLG Bremen, Beschl. v. 28.1.2005 – 2 W 108/04, OLGR 2005, 432; OLG Hamm, Beschl. v. 7.2.2003 – 35 W 11/02, VersR 2004, 1133; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 14, 22; Hopt § 84 Rn 5, 36; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 33; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 6a; Oetker/Busche5 § 84 Rn 26; Reiserer BB 2018, 1588; tendenziell aA wohl BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14 – IHR 2016, 165 Rn 19 m. Anm. Mankowski, das aus der Bezeichnung „Consultancy Agreement“ auf die Selbständigkeit schließt. 503

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sich kein klares Tätigkeitsbild ergibt, dann ist „hilfsweise“ auf den Vertragstext zurückzugreifen;205 formale Merkmale,206 etwa Gewerbeanmeldung bzw. Gewerbeerlaubnis gem. § 34c ff. GewO,207 Firmenführung, Buchführung, Zahlung von Umsatz- wie Gewerbesteuer,208 IHKBeiträgen, Sozialabgaben,209 Übergabe von Arbeitspapieren210 etc. Denn über sie kann beliebig disponiert werden, die Abgrenzung darf jedoch nicht im Belieben der Parteien liegen;211 die Bereitstellung eines Arbeitszimmers im Haus des HV durch ihn212 (dies unterstreicht gerade die Selbständigkeit); Modalitäten der Entgeltzahlung;213 Die Bezeichnung der Vergütung, etwa als „Salary“;214 die Zahlung von handelsüblichem Aufwendungsersatz oder von Gratifikationen;215 übliche Verpflichtung zur Abstimmung mit anderen Vertriebsmittlern und dem Unternehmer, etwa die Verpflichtungen zum Eintragen von Terminen in einem Outlook-Kalender oder die sonstige Abstimmung mit anderen Mitarbeitern des Unternehmers;216 die Verpflichtung zur Teilnahme an Besprechungsterminen mit einem Organisationsleiter des Unternehmers,217 an Analysegesprächen218 oder Teammeetings.219 In einer verbindlichen Teilnahme an Besprechungsterminen liegt zwar eine Beeinträchtigung der Freiheit zur Bestimmung der Arbeitszeit. Jedoch bildet die Verpflichtung zur Teilnahme an Besprechungen einmal die Woche keine gravierende Einschränkung.220 Das gilt auch für die Anordnung, an einem bestimmten Wochentag an einer Besprechung teilzunehmen;221 das Recht des Mittlers, selbständig Kundentermine zu vereinbaren. Denn dieses Recht besitzen auch höhere Angestellte;222 die Verpflichtung des Mittlers, Fixkosten wie Raummiete, Gehälter, Grundgebühr und Miete für das Telefon sowie Büromaterial, Porti, Fachzeitschriften und Telefaxkosten, oder Kfz223 anteilig zu tragen;224

Karsten Schmidt Handelsrecht5 § 27 I 2 e. Hopt § 84 Rn 36. OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276. OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/06, VersR 2007, 1222 (1223); Oetker/Busche5 § 84 Rn 30. Oetker/Busche5 § 84 Rn 30. Vgl. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 46 f.; aA Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 5. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 47 misst diesen Merkmalen deshalb nur bei Fehlen materieller Abgrenzungsmerkmale Bedeutung bei; aA Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 5. 212 LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242. 213 LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/ 06, VersR 2007, 1222 (1223). 214 LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242. 215 LAG Köln, Urt. v. 20.4.2015 – 2 Sa 998/14, ZVertriebsR 2015, 306 (309). 216 LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242. 217 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455 Rn 25; v. 15.12.1999 – 5 AZR 169/99, zu B II 2 a aa der Gründe, BAGE 93, 132; LAG Köln, Urt. v. 11.2.2011 – 10 Sa 1207/10, BeckRS 2011, 74030. 218 LG Osnabrück, Urt. v. 25.7.2014 – 15 O 486/13, ZVertriebsR 2015, 312 (314). 219 LAG Köln, Urt. v. 20.4.2015 – 2 Sa 998/14, ZVertriebsR 2015, 306 (309). 220 LG Osnabrück, Urt. v. 25.7.2014 – 15 O 486/13, ZVertriebsR 2015, 312 (314). 221 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455 Rn 25; v. 15.12.1999 – 5 AZR 169/99, zu B II 2 a aa der Gründe, BAGE 93, 132; LAG Köln, Urt. v. 11.2.2011 – 10 Sa 1207/10, BeckRS 2011, 74030. 222 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685. 223 LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242. 224 LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242; OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276.

205 206 207 208 209 210 211

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die Einbeziehung in die betriebliche Altersversorgung des Unternehmers,225 weil auch Angestellten eine solche Altersversorgung zugesagt wird; die Zahlung eines Provisionsvorschusses;226 geringer Verdienst227 (Arg. aus § 92a HGB; § 5 Abs. 3 ArbGG), dann aber mglw. prozessuale Zuständigkeit des ArbG, siehe § 5 Abs. 3 ArbGG). Das gleiche soll für einen hohen Verdienst gelten, selbst wenn die Vergütung so erheblich war, dass sie, wäre sie sozialversicherungspflichtig, über der des GF des Unternehmers liegen würde.228 Ein gewichtiges Indiz für Selbstständigkeit soll erst dann vorliegen, wenn das vereinbarte Honorar deutlich über dem eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigen liegt und dadurch eine Eigenvorsorge zulässt;229 die Dauerhaftigkeit des Vertragsverhältnisses;230 Die Verpflichtung zur insb. im Versicherungsvertrieb üblichen Bestandspflege231 mit dem Recht zur Ersatzvornahme durch den Unternehmer;232 Führung von Personalakten;233 dass der HV sein Unternehmen als Pächter oder Nießbraucher führt;234 Tätigkeit als Einfirmenvertreter, d. h. ein Tätigkeitsverbot, welches über ein Konkurrenzverbot hinausgeht, etwa ein Nebenbeschäftigungsverbot oder dem Unternehmer zugesagte Exklusivität.235 Diesem Kriterium kann aber nicht zwingend die Unselbständigkeit entnommen werden, da § 92a den Einfirmenvertreter zulässt.236 Erforderlich sind ergänzende Indizien; die tatsächlich nur unzureichende Wahrnehmung der vertraglich gewährten Rechte, wenn auf den Mittler kein (auch nur indirekter) Druck zur Missachtung ausgeübt wird;237 ein angeblich mit Sanktionsregelungen verbundener Karriereplan, soweit nicht klar wird, welche Sanktionen gemeint sind;238 die Verpflichtung der Postagenturen, das Post-, Bank- und Fernmeldegeheimnis zu wahren;239 die einheitliche Preisgestaltung bei HV;240

225 Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 73; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 22; AA BFH DB 1970, 861 (862); Heymann/ Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 15.

226 OLG Hamm, Beschl. v. 7.2.2003 – 35 W 11/02, VersR 2004, 1133; tendenziell aA LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685. 227 BFH VersR 1964, 1157; nach den Urteilen BSG v. 31.3.2017 – B 12 R 7/15 R, BB 2017, 2555 m. Anm. Hey BB 2017, 2560 (kein vertriebsrechtlicher Fall); LSG Rheinland-Pfalz v. 1.7.2004 – L 5 KR 120/03 kommt der Höhe der Vergütung aber eine indizielle Bedeutung zu; so auch Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 71. 228 LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 21. 229 LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 21. 230 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/06, VersR 2007, 1222 (1223). 231 OLG Bremen, Beschl. v. 1.7.2008 – 2 W 21/08, OLGR 2008, 834. 232 OLG Bremen, Beschl. v. 28.1.2005 – 2 W 108/04, OLGR 2005, 432. 233 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/06, VersR 2007, 1222 (1223). 234 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 5. 235 BAG ZIP 2000, 808 = EWiR 2000, 533 (Emde) = BB 2000, 1469 m. Anm. Reiserer; LG Osnabrück VersR 2000, 963; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 70; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 19, 22; Hopt § 84 Rn 36; für stärkere Bedeutung: LAG Niedersachsen LAGE § 611 (Arbeitnehmerbegriff) Nr. 24. 236 OLG Hamm, Beschl. v. 7.2.2003 – 35 W 11/02, VersR 2004, 1133; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 70; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 42. 237 LAG Nürnberg BB 1999, 793 = EWiR 1999, 363 (Plagemann); zur Genese des Rechtsstreites Küstner BB 1999, 541, 542; LG Osnabrück VersR 2000, 963. 238 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.7.2004 – 5 W 144/2004 – 49, EWiR 2005, 147 (Rouvray). 239 OLG Köln, Urt. v. 21.11.2008 – 19 U 72/08, BeckRS 2009, 27270. 240 OLG Köln, Urt. v. 21.11.2008 – 19 U 72/08, BeckRS 2009, 27270. 505

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Verpflichtung zur Teilnahme an produktbezogenen241 Schulungen, weil auch der HV einer Fortbildungspflicht unterliegt242 und auch der Unternehmer ein Interesse an einer qualifizierten Tätigkeit der HV besitzt.243 Schulungs- oder Weiterbildungsangebote,244 etwa in einem bestimmten Verkaufskonzept,245 lassen die Selbständigkeit zumindest unberührt, wenn keine Verpflichtung zur Teilnahme besteht.246 Die Weiterbildungspflicht bringt nur eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck und reglementiert weder Arbeitsgestaltung noch Arbeitszeit des HV;247 wenn der Mittler an wichtigen Verhandlungen des Unternehmers teilzunehmen pflegt;248 dass einem Berufsanfänger für den Beginn seiner Tätigkeit ein ausgebildeter Mitarbeiter zur Seite gestellt wird, falls nach dem Gesamtbild der Vertragsgestaltung und -handhabung die HV-Eigenschaft zu bejahen ist;249 Kontrollanrufe bei zwei von dem HV besuchten Kunden. Diese sind von der Interessenwahrnehmungspflicht des § 86 Abs. 1 abgedeckt;250 die Anonymität des Massen- oder Bargeschäftes;251 die vertragliche Verpflichtung, allgemein die Interessen des Unternehmers (selbst mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns252) zu wahren (siehe § 86 Abs. 1); die vertragliche Vereinbarung oder die Zuweisung eines festen Vertreterbezirks (§ 87 Abs. 2) oder -gebiets (weil vertretertypisch);253 Rotationsvertrieb,254 d. h. Wechsel von Bezirken; Verpflichtung zu „ständiger“ Tätigkeit (solche ist nämlich TB-Merkmal des § 84 Abs. 1, s. u.);255 Verpflichtung, den Firmensitz an einem bestimmten Ort zu führen;256

241 LAG Köln, Urt. v. 20.4.2015 – 2 Sa 998/14, ZVertriebsR 2015, 306 (309); OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619). 242 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 41, ZVertriebsR 2017, 392; OLG Hamm, Beschl. v. 7.2.2003 – 35 W 11/02, VersR 2004, 1133; LG Bielefeld, Beschl. v. 13.1.2010 – 5 O 303/10, BeckRS 2013, 06820; für stärkeres Gewicht wohl OLG Bremen, Beschl. v. 28.1.2005 – 2 W 108/04, OLGR 2005, 432. Tendenziell aA auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685, falls die Schulung eher einer „Ausbildung“ gleicht. 243 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 41, ZVertriebsR 2017, 392. 244 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 8.1.2010 – 22 W 55/09, BeckRS 2010, 21939. 245 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 62, ZVertriebsR 2017, 392. 246 OLG Bremen, Beschl. v. 1.7.2008 – 2 W 21/08, OLGR 2008, 834. 247 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 8.1.2010 – 22 W 55/09, BeckRS 2010, 21939; OLG Bremen, Beschl. v. 1.7.2008 – 2 W 21/08, OLGR 2008, 834. 248 BGH DB 1982, 590 (zwh., weil dieser Umstand gerade auch für die Unabhängigkeit des Mittlers sprechen kann). 249 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.7.2004 – 5 W 144/2004 – 49, EWiR 2005, 147 (Rouvray). 250 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455 Rn 31; Urt. v. 20.9.2000 – 5 AZR 271/99 – unter II 2 b ee, BAGE 95, 324. 251 AA LAG Nürnberg DB 2002, 1777. 252 OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276. 253 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455 Rn 22, 29; v. 15.12.1999 – 5 AZR 3/99 – unter II 2 b aa; BAGE 93, 112; ZIP 2000, 808 = EWiR 2000, 533 (Emde) = BB 2000, 1469 m. Anm. Reiserer; VersR 2001, 857 = BB 2001, 48 = EWiR 2001, 277 (Emde); OLG Düsseldorf NJW 1998, 2978 = DB 1998, 2262; LG Krefeld, Beschl. v. 5.10.2009 – 1 T 48/09, BeckRS 2011, 00679; LG Osnabrück VersR 2000, 963; Oberthür/Lohr NZA 2001, 126, 131; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 22; Hopt § 84 Rn 36. Unrichtig daher wohl LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685, das auch aus der Beschränkung des Kundenkreises die Unselbständigkeit herleiten will. 254 Emde VersR 2001, 148 (149); Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (131); aA Schaefer NJW 2000, 320 (321). 255 BAG VersR 2001, 857 = BB 2001, 48 = EWiR 2001, 277 (Emde). 256 BGH, Beschl. v. 16.10.2003 – VIII ZB 27/02, DB 2003, 198 (zum Franchisevertrag). Emde

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die Zuweisung zu einer Geschäftsstelle257 oder einem bestimmten Zuständigkeitsbereich,258 solange es sich um eine bloß organisatorische Maßnahme handelt.259 Es handelt sich um eine vom HV zu akzeptierende Entscheidung des Unternehmers im Rahmen der Kundenbetreuung gem. § 86a.260 Sie beinhaltet keine Zuweisung eines Arbeitsorts, sondern eines bestimmten Vertriebsbezirks.261 Anderes mag gelten, wenn die in der Geschäftsstelle erwartete Anwesenheitszeit 50 Std./Woche erreicht;262 die Verpflichtung Outlets zu betreuen, jene zu fotografieren und über sie zu berichten;263 HV-typische Berichtspflichten (§ 86 Abs. 2),264 sofern nicht übertrieben265 (letzteres gilt etwa für eine tägliche Berichterstattung). Es handelt sich dabei um typische Nebenpflichten, die eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen kennzeichnen (vgl. §§ 556 Abs. 3, 666, 675, 681 S. 2, 687 Abs. 2 S. 1, 713, 740, 1214 Abs. 1 BGB);266 die Verpflichtung zur Übermittlung von Wochenberichten, Umsatz- und Wochenplanungen.267 Es handelt sich um eine Ausprägung der Informationspflicht; eine Pflicht, dem Versicherer Kundenberatungsbögen vorzulegen;268 Vorgaben zu Erfassungsbögen und Anträgen sowie zur Beratungsdokumentation.269 Denn gem. § 675, 665 BGB hat der HV allg. Weisungen in Bezug auf den Inhalt seiner Tätigkeit zu befolgen;270 eine Leistungskontrolle, da sie auch im HV-Verhältnis zulässig und begründet ist;271 die Verpflichtung zur Vermittlung von Produkten,272 auch nicht wenn dies nur in der vom Unternehmer vorgegebenen Form geschehen soll,273 da der Unternehmer den Inhalt des Vertragsangebots bestimmt274 und eine solche Verpflichtung sowohl in einem Arbeitswie in einem HV-Vertrag zu finden sein kann. Deshalb ist es auch irrelevant, ob der Mittler verpflichtet war, Kunden zu akquirieren und zu betreuen, Promotionsmaßnahmen umzusetzen oder Etiketten umzuarbeiten;275 dass der Mittler seine Tätigkeit, insb. seine Arbeitszeit, nach den Anwesenheitszeiten der Kunden auszurichten hat276 oder bestimmte Umstände die Tätigkeit an einem Ort

257 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455 Rn 28; OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619). 258 LAG Köln, Urt. v. 11.2.2011 – 10 Sa 1207/10, BeckRS 2011, 74030. 259 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455 Rn 28; OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619). 260 OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276. 261 OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276. 262 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685. 263 LAG Köln, Urt. v. 20.4.2015 – 2 Sa 998/14, ZVertriebsR 2015, 306 (309). 264 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 25; v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455 Rn 29; Urt. v. 15.12.1999 – 5 AZR 3/99 – unter II 2 b aa, BAGE 93, 112; LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 22; OLG Hamm, Beschl. v. 7.2.2003 – 35 W 11/02, VersR 2004, 1133; LG Krefeld, Beschl. v. 5.10.2009 – 1 T 48/09, BeckRS 2011, 00679; Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (132); Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 6. 265 S. OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19 – ZVertriebsR 2020, 56 Rn 19: ins Einzelne gehende Berichte, wohl etwas streng. 266 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 25. 267 LAG Köln, Urt. v. 20.4.2015 – 2 Sa 998/14, ZVertriebsR 2015, 306 (309). 268 OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 19. 269 OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 18. 270 OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 18. 271 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 62, ZVertriebsR 2017, 392. 272 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 20. 273 OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 20. 274 OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 20. 275 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 24. 276 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 20; Hopt § 84 Rn 37; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 39. 507

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(etwa: Belegenheit der Tankstelle beim Tankstellenvertreter oder des Lotto-Geschäftes277) erzwingen (die so determinierte Tätigkeit entspricht lediglich der Interessenwahrungspflicht); insb., dass der Tankstellenhalter standortgebunden ist und die Tankstellenbedienung nicht beliebig, gar auf ganze Tage, unterbrechen darf. Deshalb spricht die Verpflichtung eines Tankstellenvertreters, die Tankstelle 24 Stunden täglich offen zu halten, nicht für Unselbständigkeit. Denn im Hinblick auf die Länge der Öffnungszeiten ist auszuschließen, dass der Tankstellenvertreter persönlich an die Öffnungszeiten gebunden sein soll.278 Gleiches gilt für die Verpflichtung des FN, das Ladengeschäft im Rahmen der gesetzlichen Ladenschlusszeiten möglichst lange offen zuhalten, selbst wenn damit eine Öffnungszeit von wöchentlich 52 Stunden vorgegeben ist, da über die Pflicht zum persönlichen Einsatz in diesem Zeitrahmen keine Aussage getroffen wird;279 wenn der Unternehmer dem HV ein Büro zur Verfügung stellt, dessen Nutzung freiwillig ist;280 die freiwillige Benutzung der Telefon- oder EDV-Anlage des Unternehmens;281 die Aufstellung eines unverbindlichen „Erfolgsplans“ o. ä.; Abarbeiten von Stornogefahrmitteilungen,282 da dieses Abarbeiten Aufgabe des HV ist (s. Kommentierung zu § 87a); die Verpflichtung, regelmäßig vertretertypische Tätigkeiten zu verrichten (Bestandspflege,283 Verwaltung etc.); ein Gebiets- und Kundenschutz.284 Ein solcher ist insb. für selbstständige VV nicht ungewöhnlich, zumal bei ihnen gem. § 92 Abs. 3 S. 2 kein Bezirksschutz vorgesehen ist;285 Klauseln, nach denen der Unternehmer den Vertreterbezirk durch einseitige Weisung ändern kann (jene sind ohnehin unwirksam);286 die fehlende Befugnis, das vermittelte Produkt bzw. die Produktpalette zu gestalten (dies darf auch der HV nicht);287 die Verpflichtung, geschlossene Verträge, Abrechnungen, Einnahmen o. ä. pünktlich an den Unternehmen weiterzuleiten; das Fehlen eines zur Betreuung zugewiesenen Kundenkreises; die vertraglich vereinbarte Beschränkung auf bestimmte Sparten; Verbote, die geeignet sind, ein wettbewerbswidriges Verhalten des im Außendienst Tätigen zu verhindern,288 z. B.: (1) das Verbot systematischer Telefonwerbung; (2) das Verbot des systematischen Ausspannens von Kunden; (3) das Verbot unzulässiger Kopplung von vermittelten Verträgen mit anderen Produkten; (4) das Verbot des Auftretens gegenüber potentiellen Kunden unter Verschweigen der Vertretereigenschaft; (5) das Verbot, Veröffentlichungen zu Werbezwecken vorzunehmen, die nicht mit dem Unternehmer abgestimmt wurden; (6) die Bindung an Wettbewerbsrichtlinien oder andere Standesregeln

277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287 288

Hierzu OLG Schleswig, Beschl. v. 31.7.2014 -16 U 68/14, BeckRS 2015, 11000. OLG Köln OLGR Köln 2003, 170. BGH DB 2003, 198; LG München I, Urt. v. 23.12.2016 – 10 O 16326/14 – Outlet. OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619). LG Osnabrück VersR 2000, 963; Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (132). BAG VersR 2000, 1501 = BB 2000, 1837 m. Anm. Bolle = EWiR 2000, 969 (Emde). OLG Bremen, Beschl. v. 1.7.2008 – 2 W 21/08, OLGR 2008, 834. OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 23. OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 23. BAG ZIP 2000, 808 = EWiR 2000, 533 (Emde) = BB 2000, 1469 m. Anm. Reiserer. Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 82; aA ArbG Nürnberg ArbuR 1996, 417. BAG ZIP 2000, 808 = EWiR 2000, 533 (Emde) = BB 2000, 1469 m. Anm. Reiserer; VersR 2000, 1501 = BB 2000, 1837 m. Anm. Bolle = EWiR 2000, 969 (Emde). Emde

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die Verpflichtung, Inkasso-Tätigkeiten nach Richtlinien des Unternehmers wahrzunehmen;289 die Tatsache, dass dem im Außendienst Tätigen keine Kosten für seinen Geschäftsbetrieb entstehen; die Verpflichtung, Untätigkeit (Urlaub, Krankheit) zu melden oder abzustimmen,290 insb. innerhalb bestimmter Fristen einen bis zu einwöchigen und längeren Urlaub abzustimmen;291 wenn der Mittler sich im Verhinderungsfalle, namentlich im Falle von Krankheit,292 Arbeitsunfähigkeit293 und sonstiger Hinderungsgründe,294 zu entschuldigen hat;295 das Überlassen von Informationsmaterial, Formularen296 usw. für die Kunden (dies ist eine übliche Unterstützung durch den Unternehmer), ggf. auch von sonstigem Arbeitsmaterialien;297 die Verpflichtung eines Mittlers, nur Unterlagen und Programme des Unternehmers zu verwenden (da § 86a Abs. 1 vom Unternehmer fordert, solche Unterlagen zur Verfügung zu stellen);298 allgemein die Unterstützung durch den Unternehmer;299 Überlassung von Kundenlisten,300 jedenfalls sofern es sich um eine bloße Unterstützungsmaßnahme handelt und der HV zur Abarbeitung nicht verpflichtet ist;301 Anzeigepflichten bei der Wahl von Untervertretern;302 die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer,303 selbst wenn sie besonders ausgeprägt sein sollte304 (dann aber mglw. Nichtigkeit gem. § 138 BGB305). Dies zeigt schon § 92a;306 dass eine vom HV abhängige GmbH mit der Führung eines Ladenlokals des HV beauftragt wird;307 die ohnehin kaum bestimmbare soziale Schutzbedürftigkeit308 (sie hat gerade zu den Schutzbestimmungen des zwingenden Vertreterrechts geführt, kann folglich kein Indiz der Unselbständigkeit sein);

289 LG Osnabrück VersR 2000, 963. 290 OLG Hamm, Beschl. v. 7.2.2003 – 35 W 11/02, VersR 2004, 1133; aA LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685 für die Urlaubsabstimmung. 291 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 41, ZVertriebsR 2017, 392. 292 SG Karlsruhe VersR 1955, 388. 293 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 41, ZVertriebsR 2017, 392. 294 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 41, ZVertriebsR 2017, 392. 295 RAG ARS 15, 505; 45, 34. 296 BAG VersR 2000, 1501 = BB 2000, 1837 m. Anm. Bolle = EWiR 2000, 969 (Emde). 297 OLG München, Beschl. v. 20.3.2014 – 7 W 315/14, ZVertriebsR 2014, 305 = NJW-RR 2014, 887 = WM 2014, 1772 = BeckRS 2014, 06948: weder Hinweis in die eine wie die andere Richtung. 298 LG Bielefeld, Beschl. v. 13.1.2010 – 5 O 303/10, BeckRS 2013, 06820. 299 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619). 300 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 12. 301 BAG NZA 1995, 649; Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (132). 302 Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (133). 303 BAG ZIP 2000, 808 = EWiR 2000, 533 (Emde) = BB 2000, 1469 m. Anm. Reiserer; AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 6 m. Anm. Schnoor; LAG Berlin AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 50; Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (130); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 45; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 3 b; aA Beuthien RdA 1979, 2, (5); Ranke AuR 1979, 9 (15 ff.); Wank Arbeitnehmer und Selbständige, S. 125 ff. 304 LG Bielefeld, Beschl. v. 13.1.2010 – 5 O 303/10, BeckRS 2013, 06820; aA Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 3b. 305 OLG Düsseldorf NJW 1998, 2978 (2981) = DB 1998, 2262. 306 LG Bielefeld, Beschl. v. 13.1.2010 – 5 O 303/10, BeckRS 2013, 06820; Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (131). 307 LG München I, Urt. v. 23.12.2016 – 10 O 16326/14. 308 LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 23.3.2011 – 5 Ta 260/10, BeckRS 2011, 74114; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 21; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 32; aA Beuthien RdA 1978, 2 ff. 509

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mangelnder eigener Kapitaleinsatz;309 allgemein personenbezogene und ablauforientierte Weisungen hinsichtlich der Umstände, unter denen die Leistung erbracht wird,310 insb. ein allgemeines, auf die fachliche Tätigkeit („Betrauung“) bezogenes Weisungsrecht.311 Jenem unterliegt auch der HV (§ 86 Abs. 1),312 z. B. in Hinblick auf die Leitlinien der Vertriebspolitik.313 Der Selbständigkeit tut es keinen Abbruch, wenn der Vertreter Direktiven erhält, was er im Interesse des von ihm vertretenen Unternehmens anzustreben hat; das Wie der Ausführung muss regelmäßig ihm überlassen bleiben. Deshalb dürfen dem HV Weisungen zur Preisgestaltung, Verbuchung und Abrechnung von Lieferungen, Präsentation, zu Vertragskonditionen, Zahlungsmodi, Produktdarstellung, zum Ausfüllen von Versicherungsanträgen314 und dass der Fachhandel oder Endverbraucher zu beliefern ist315 gegeben werden.316 Schädlich sind Weisungen hinsichtlich der unternehmerischen Tätigkeit des HV und seiner Arbeitszeit,317 insb. in ihren Kerngehalt.318 Gerade in der Versicherungswirtschaft darf wegen der außerordentlichen Schwierigkeit und Vielgestaltigkeit des Versicherungsrechts und der sehr hohen finanziellen Risiken der Rahmen für gegenüber dem selbständigen HV zulässige Weisungen nicht zu eng gezogen werden.319 Ein VV, der vertraglich verpflichtet ist, ein Mindestarbeitsvolumen zu leisten, einmal pro Woche die Räumlichkeiten des Auftraggebers aufzusuchen und dem ein bestimmter regionaler Bezirk vorgegeben ist, ist dennoch ein selbständiger HV.320 Er soll den Status eines Selbständigen einnehmen, wenn er als Vergütung eine Provisionszahlung ohne festes Entgelt bezieht, die Betriebsausstattung aus eigenen Mitteln aufzubringen hat und lediglich eine bestimmte Büroorganisation und Anzahl von Vertragsabschlüssen anstreben soll.321 Ein gutes Beispiel für das Überschreiten der Weisungsgrenzen, deren Respektierung der HV kraft seiner Selbständigkeit verlangen kann, bietet die Entscheidung OLG Oldenburg DB 1964, 105;322 die Verpflichtung, Weisungen hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes des Büros etc. zu befolgen, insb. vertriebsspezifische Vorschriften zum äußeren Erscheinungsbild,

309 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980; Hopt § 84 Rn 36. 310 LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 40. 311 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 13; v. 31.3.1982 – I ZR 60/80, WM 1982, 1152 (1153); OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 18; LAG Köln, Urt. v. 20.4.2015 – 2 Sa 998/14, ZVertriebsR 2015, 306 (309); LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242; LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 41, ZVertriebsR 2017, 392; LG München I, Urt. v. 23.12.2016 – 10 O 16326/14; Hopt § 84 Rn 38; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 6. 312 OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 18; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.5.2006 – 1 W 18/06, VersR 2007, 207 (208); Eberstein A II 1 a; Hopt § 84 Rn 38. 313 Hopt § 84 Rn 38; aA wohl LG Dortmund, Urt. v. 14.12.2006 – 16 O 92/05, NJOZ 2007, 1485. 314 BAG, Urt. v. 15.12.1999 – 5 AZR 770/98 – II 2 a der Gründe. 315 OLG München NJW-RR 2003, 401 (402). 316 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980; Hopt § 84 Rn 38; Oetker/ Busche5 § 84 Rn 32. 317 Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 6; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 40. 318 BAG NZA 1995, 649; Hopt § 84 Rn 38; Oetker/Busche5 § 84 Rn 33. 319 BAG 18, 87 (94); OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 18; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.7.2004 – 5 W 144/2004 – 49, EWiR 2005, 147 (Rouvray); LG Krefeld, Beschl. v. 5.10.2009 – 1 T 48/ 09, BeckRS 2011, 00679. 320 LG Krefeld, Beschl. v. 5.10.2009 – 1 T 48/09, BeckRS 2011, 00679. 321 LG Krefeld, Beschl. v. 5.10.2009 – 1 T 48/09, BeckRS 2011, 00679. 322 Die Revisionsentscheidung NJW 1966, 882, die die Sache zurückverwies, hat den Sachverhalt wegen einer möglicherweise dennoch gegebenen Ausnahmelage als klärungsbedürftig angesehen. Emde

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etwa zur Corporate Identity323 oder zum Corporate Design324 (typisch etwa bei FN325 und KfzMittlern, aber auch im Finanzdienstleistungsvertrieb326), solange ihre Missachtung nicht zu klaren Sanktionen führt. Sie sind meist durch die Geschäftsart bedingt und damit irrelevant.327 Hierzu zählt u. U. auch die Verpflichtung, Dienstkleidung zu tragen.328 Auch FN können dieser Pflicht unterliegen.329 Es liegt im legitimen Interesse des Unternehmers, dass die für ihn tätigen HV im Hinblick auf ihr Äußeres einen gewissen Mindeststandard einhalten. Umso mehr gilt dies, wenn lediglich die Erwartung geäußert wird, dass Dienstkleidung zu tragen ist. Ein derart mentaler Druck begründet keinen AN-Status.330 Gerade in der Versicherungswirtschaft ist wegen der Schwierigkeit und Vielgestaltigkeit dieser Branche und der sehr hohen finanziellen Risiken, die damit verbunden sind, selbst bei ausgebildeten HV ein großzügiger Maßstab hinsichtlich der Zulässigkeit von Weisungen anzulegen.331 Bei einheitlicher Corporate Identity gilt dies etwa für eine Agenturtheke mit Terminal und Einrichtungsgegenständen im einheitlichen Design sowie ein aufwendiges EDV-System, welches der Mittler mit den sich daraus ergebenden Vorgaben anzuwenden hat;332 Werbung: Verpflichtung, ausschließlich das vom Unternehmer zur Verfügung gestellte Werbematerial333 oder die Visitenkarten mit dem Logo des Unternehmers334 zu verwenden bzw. die vorherige Abstimmung von Werbemaßnahmen;335 ein vertragliches Wettbewerbsverbot.336 Dies zeigen § 92a sowie das vertragsimmanente, aus § 86 Abs. 1 hergeleitete Wettbewerbsverbot,337 selbst der Ausschluss jeglicher Konkurrenztätigkeit für sämtliche Produkte, die vom Unternehmer vertrieben werden, spricht nicht gegen die Selbständigkeit;338

323 OLG Köln, Urt. v. 21.11.2008 – 19 U 72/08, BeckRS 2009, 27270; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980. 324 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619) – der HV durfte hier zudem frei entscheiden, ob er die ihm angebotenen Arbeitshilfen und Werbemittel nutzte. Für das Franchiserecht BGH DB 2003, 198. 325 BGH DB 2003, 198. 326 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619). 327 Für zwingend durch die Geschäftsart bedingte Einschränkungen OLG Köln, Urt. v. 21.11.2008 – 19 U 72/08, BeckRS 2009, 27270. 328 LAG Köln, Urt. v. 20.4.2015 – 2 Sa 998/14, ZVertriebsR 2015, 306 (309). 329 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 64, ZVertriebsR 2017, 392. 330 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 64, ZVertriebsR 2017, 392. 331 BAG 18, 87 (94); OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 18; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.7.2004 – 5 W 144/2004 – 49, EWiR 2005, 147 (Rouvray); LG Krefeld, Beschl. v. 5.10.2009 – 1 T 48/ 09, BeckRS 2011, 00679. 332 OLG Köln, Urt. v. 21.11.2008 – 19 U 72/08, BeckRS 2009, 27270; OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245; LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028; aA wohl LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685. 333 BGH DB 2003, 198. 334 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 26; LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242. 335 OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 21. 336 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 20; OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 22; LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242; LG München I, Urt. v. 23.12.2016 – 10 O 16326/14. 337 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619); OLG Bremen, Beschl. v. 1.7.2008 – 2 W 21/08, OLGR 2008, 834; Hopt § 84 Rn 36. AA und fernliegend LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685. 338 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 8.1.2010 – 22 W 55/09, BeckRS 2010, 21939; OLG Bremen, Beschl. v. 28.1.2005 – 2 W 108/04, OLGR 2005, 432. 511

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das Verbot, Produkte zu vermitteln, die nicht in der Provisionsliste des Unternehmers (hier: AWD) enthalten sind;339 detaillierte Pflichten eines Tankstellenvertreters hinsichtlich der Warenbevorratung, der Abrechnung und der Zahlungsmodalitäten, da sie der typischen Vertragsgestaltung im Tankstellengewerbe entsprechen sollen.340 Der Bereich der Weisungsgebundenheit darf aber nicht zu eng gezogen werden;341 vertragswidrige Beschränkungen, weil dadurch niemand zum Arbeitnehmer wird342 (aber es wird auf die tatsächlichen Umstände ankommen: Die Abweichung vom Vertrag kann gerade Ausdruck eines „arbeitsrechtlichen Direktionsrechts“ des Unternehmers sein, s. o.); Rechenschaft des HV über Umsätze und Provisionen.343 Dies liegt im Wesen der erfolgsbezogenen Vergütung; die Übergabe einer Kredit-344 oder Tankkarte.345

(2) Merkmale mit mittlerem Gewicht. 41 – – – – – –



die Modalitäten der Entgeltzahlung, die Art der Vergütung und deren Bezeichnung;346 Fehlende Abrechnung über Provisionen;347 die Umstände der Dienstleistung;348 die zeitliche Beschränkung der Reisetätigkeit; vom Unternehmer vereinbarte Gesprächstermine mit Kunden;349 Vorgabe des Unternehmers, pro Woche 15–20 Kunden besuchen zu müssen, davon mindestens 3–4 in den Abendstunden. Nach Ansicht des BAG350 führen solche Pflichten nicht zu einer zeitlichen Weisungsgebundenheit. Zwar kann sich eine solche aus der Festlegung eines in einer bestimmten Zeitspanne zu erledigenden Mindestsolls ergeben. Das ist aber nicht anzunehmen, wenn die Grenzen so gesetzt sind, dass dem HV ein erheblicher Spielraum verbleibt. Im Übrigen liegt es für einen VV im Hauptberuf nahe, dass er möglichst viele Kunden besucht; eine Anwesenheitspflicht des VV von täglich vier Stunden351 bzw. eines HV an einem Wochentag (etwa Montag), sofern sie dazu dienen soll, für Fragen und Rücksprachen zur Verfügung zu stehen;352

339 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 8.1.2010 – 22 W 55/09, BeckRS 2010, 21939; OLG Bremen, Beschl. v. 28.1.2005 – 2 W 108/04, OLGR 2005, 432. 340 OLG Köln OLGR Köln 2003, 170. 341 Steinhauer BB 2009, 2386. 342 BGH DB 2003, 198 (zum Franchisevertrag). 343 LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242. 344 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 26. 345 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 26. 346 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 27. 347 OLG München, Beschl. v. 20.3.2014 – 7 W 315/14, ZVertriebsR 2014, 305 = NJW-RR 2014, 887 = WM 2014, 1772 = BeckRS 2014, 06948. 348 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/06, VersR 2007, 1222 (1223). Für eine stärkere Bedeutung BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 27. 349 OLG Hamm, Beschl. v. 7.2.2003 – 35 W 11/02, VersR 2004, 1133. 350 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455 Rn 26; v. 15.12.1999 – 5 AZR 770/98 – unter II 1 b, AP HGB § 92 Nr. 6 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 79; v. 26.5.1999 – 5 AZR 469/98 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 104 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 75. 351 BAG – 5 AZR 566/98, VersR 2000, 1143 = BB 2000, 826 = EWiR § 84 HGB 2/2000 (Graf v. Westphalen). 352 OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-16 U 70/14, ZVertriebsR 2015, 249 (252). Emde

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die Bereitstellung von Arbeitsmitteln,353 etwa eines Laptops354 oder eines Firmenwagens355 durch den Unternehmer. Weniger Gewicht hat es, wenn diese technischen Geräte, wie Laptop, Drucker und Smartphone, durch den HV angemietet werden. Das gilt jedenfalls, wenn ein Zwang zur Abnahme nicht besteht.356 Abgesehen davon sind Sicherheitsüberlegungen legitim;357 die Einrichtung eines E-Mail-Accounts auf den Namen des Unternehmers.358 Letztlich dokumentiert es aber nur das Bestreben des Unternehmers, nach außen erkannt zu werden;359 die Verpflichtung des Mittlers, ein Fahrtenbuch zu führen;360 die Pflicht zur Beachtung eines vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Gesprächsleitfadens. Der Umstand, dass für den Abschluss der Verträge genaue Weisungen des Unternehmers bestanden, steht der Annahme eines HV-Vertrages nicht entgegen. Zudem enthielt der Leitfaden lediglich einen schematischen Ablaufplan für die zu führenden Werbegespräche, die den HV nicht der Aufgabe enthoben, das auf Seiten des Kunden bestehende mögliche Interesse an einem Vertrag zu ermitteln oder zu wecken;361 mangelnde Innen- oder Außenorganisation des Vertreterunternehmens;362 die Einordnung in eine betriebliche Hierarchie; die Verpflichtung, ein bestimmtes Mindestsoll zu erreichen, welches keinen Spielraum hinsichtlich der Arbeitszeit belässt;363 vollständiger Ersatz der beruflichen Aufwendungen durch den Unternehmer;364 die Verpflichtung, an bestimmten, nicht produkt- oder vertriebsbezogenen Veranstaltungen (Schulungen etc.), regelmäßig teilzunehmen;365 die Teilnahme an einem tätigkeitsbegleitenden Ausbildungsprogramm zum Versicherungsfachmann (BWV), wenn sie nicht mehr als 35 Arbeitstage/Jahr in Anspruch nimmt;366 die Verpflichtung, dem Unternehmer regelmäßig in kurzen Abständen detaillierte, über das übliche hinausgehende Berichte zukommen zu lassen (dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch der Vertreter berichtspflichtig ist,367 die Betonung liegt also auf „unüblich“); Forderung nach Übermittlung einer Drei-Monats-Produktionsvorschau, aufgeteilt nach einzelnen Produktionssparten, mit einer seriösen Prognose der prozentualen Gewichtung

353 LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242. 354 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 26; LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 31; LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242. 355 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 26 – auch wenn mit Logo des Unternehmers versehen (dies soll nur das Bestreben des Unternehmers dokumentieren, nach außen erkannt zu werden); LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 31; LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242; Eberstein S. 39. 356 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 65, ZVertriebsR 2017, 392. 357 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 65, ZVertriebsR 2017, 392. 358 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 26. 359 BAG, Urt. v. 20.10.2015 – 9 AZR 525/14, IHR 2016, 165 Rn 26. 360 LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242. 361 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 13. 362 BAG ZIP 2000, 630 = VersR 2000, 1143 = BB 2000, 826. 363 BAG VersR 2000, 1501 = BB 2000, 1837 m. Anm. Bolle = EWiR 2000, 969 (Emde); LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 27; Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (132). 364 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 21. 365 BAG ZIP 2000, 808 = EWiR 2000, 533 (Emde) = BB 2000, 1469 m. Anm. Reiserer. 366 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455 Rn 32. Tendenziell aA wohl LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685, falls Schulungen einer „Ausbildung“ gleichen. 367 OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 19: ins Einzelne gehende Berichte, wohl etwas streng; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 76. 513

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der Abschlusse pro Kunde. Diese Weisung gehe über die Bemühungspflicht nach § 86 Abs. 1 hinaus;368 die Zahlung einer echten Mindestprovisionsgarantie, wobei letztlich die Höhe entscheidend ist;369 die Zahlung von Aufwendungsersatz über das handelsübliche Maß hinaus, insbesondere als monatliches Fixum,370 wobei es bei diesen Merkmalen auf den Umfang ankommt, also auf die Höhe der vom Unternehmer geleisteten Zahlungen.371 Dass sich ein bestimmter Zeitaufwand aus Vorgaben des Unternehmers zur Erfüllung der Voraussetzungen der Fixumsvereinbarung ergab, bedeutet nicht per se, dass der HV in seinen zeitlichen Dispositionen eingeschränkt ist.372 Wird einem Vermittler z. B. eine Konkurrenztätigkeit während der Dauer des Vertrages untersagt und die Zahlung eines Fixums von 2.500 EUR damit verknüpft, dass er sich rglm. 20 Arbeitstage im Monat für den Unternehmer einsetzt, widerspricht dies nicht der Einordnung als HV-Vertrag.373 Dem Mittler standen im Monatsdurchschnitt 26 Besuchstage zur Auswahl, die er nach eigenen Vorstellungen nutzen konnte. Damit verblieb eine ausreichende Zeithoheit;374 die Verpflichtung, etwa während des Urlaubs für Ersatz zu sorgen;375 Anordnung von Urlaubsperren, weil hierdurch die Bestimmung der Arbeitszeit eingeschränkt wird;376 Statusvergleich, d. h., wenn der Mittler Tätigkeiten wahrnimmt, die zuvor oder bei Anderen unzweifelhaft Unselbständige ausführ(t)en;377 falls der Mittler regelmäßig zur Berichterstattung persönlich zu erscheinen hat; die Erteilung eines Zeugnisses378 (auch der HV hat aber ein Zeugnisrecht, Vor § 84 Rn 135).

42 (3) Merkmale, die sehr stark für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses sprechen. Die dritte Gruppe bilden Merkmale, denen bei der Bestimmung der Unselbständigkeit großes Gewicht beigemessen wird. Sie führen zu in den Kerngehalt der Selbständigkeit eingreifenden Beschränkungen. In diese Gruppe fallen: 43 – die uneingeschränkte Verpflichtung, allen Weisungen des Unternehmers Folge zu leisten (einem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht nahekommend),379 insb. sofern die Leistungen im Rahmen einer vom Unternehmer bestimmten Arbeitsorganisation mit umfassen-

368 BAG, Urt. v. 20.8.2003 – 5 AZR 610/02, NJW 2004, 461. 369 Eberstein A II 1 a; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 21, 22; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 5. 370 LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 29: 3.500 EUR; LG Osnabrück, Urt. v. 25.7.2014 – 15 O 486/13, ZVertriebsR 2015, 312 (314). 371 Eberstein A II 1 a; Hopt § 84 Rn 36. 372 LG Osnabrück, Urt. v. 25.7.2014 – 15 O 486/13, ZVertriebsR 2015, 312 (314). 373 LAG Köln, Urt. v. 20.4.2015 – 2 Sa 998/14, ZVertriebsR 2015, 306 (308). 374 LAG Köln, Urt. v. 20.4.2015 – 2 Sa 998/14, ZVertriebsR 2015, 306 (308). 375 LAG Köln, Urt. v. 20.4.2015 – 2 Sa 998/14, ZVertriebsR 2015, 306 (308). Grenzfall, siehe Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (132). 376 BAG, Urt. v. 20.8.2003 – 5 AZR 610/02, NJW 2004, 461. 377 OLG München, Beschl. v. 20.3.2014 – 7 W 315/14, ZVertriebsR 2014, 305 = NJW-RR 2014, 887 = WM 2014, 1772 = BeckRS 2014, 06948; Hopt DB 1998, 866; Hopt § 84 Rn 36. 378 OLG München, Beschl. v. 20.3.2014 – 7 W 315/14, ZVertriebsR 2014, 305 = NJW-RR 2014, 887 = WM 2014, 1772 = BeckRS 2014, 06948. 379 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 21; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 6. Emde

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dem Weisungsrecht des Unternehmers hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Dienste erbracht werden;380 wenn der Mittler in Bezug auf seine Tätigkeit und die Art ihrer Ausübung einer umfassenden Kontrolle unterliegt;381 falls der HV in die hierarchisch gegliederte Organisationsstruktur des Unternehmers eingebunden war und seine Tätigkeit weder inhaltlich frei gestalten noch seine Arbeitszeit bestimmen kann;382 wenn Strukturvermittler in derselben Unterkunft wohnten, von wo aus sie zu ihrem jeweiligen Einsatzort gefahren werden. Sie haben dann keine andere Möglichkeit, als die vom Unternehmer gewünschten örtlichen und zeitlichen Vorgaben einzuhalten;383 Recht zur jederzeitigen Revision, Geschäfts- und Kassenkontrolle durch den Unternehmer; Versetzungsrecht in den Innendienst;384 Verpflichtung zur täglichen Berichterstattung;385 Tätigkeit mit Stechkarten;386 Verpflichtung oder tatsächliche Übung, in Räumen des Unternehmers zu arbeiten,387 ggf. mit festen Arbeitszeiten (dabei ist aber auf entsprechende Usancen in einzelnen Branchen Rücksicht zu nehmen), dessen Firmenpapier zu nutzen388 oder die sonstige Eingliederung in den Betrieb des Unternehmers;389 die Unterstellung unter die Arbeitsordnung des Unternehmers und die Maßgeblicherklärung eines Tarifvertrages für die Bezahlung;390 örtliche Weisungsgebundenheit,391 etwa in Hinblick auf den Tätigkeitsort;392 die Verpflichtung, ein bestimmtes Mindestsoll – auf hohem Niveau – zu erreichen;393 mangelnde Zeithoheit des Betroffenen;394

380 BAG BB 1990, 779 (780); Urt. v. 12.9.1996 – 5 AZR 104/95, DB 1997, 1037; ZIP 1997, 1714; ZIP 1998, 612; LAG Düsseldorf BB 1997, 891; Hanau DB 1998, 69 (73); Horn/Henssler ZIP 1998, 589 (592); Hromadka DB 1998, 195 (197); Reinecke ZIP 1998, 581 (583); kritisch Hümmerich NJW 1998, 2615 (2630). 381 RAG ARS 30, 40; 45, 34. 382 BGH, Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 45/08, BeckRS 2009, 87283 m. zust. Anm. Pohlmann EWiR 2010, 569; v. 27.10.2009 – VIII ZB 42/08, NJW 2010, 873 = WM 2010, 281, wobei die nicht durch SV-Vortrag unterstützte Behauptung des HV, dies sei so gewesen, nicht genügen dürfte. 383 FG Sachsen, Urt. v. 15.7.2009 – 5 K 695/03, – BeckRS 2011, 94073. 384 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer Rn 12, 15. 385 BGH BB 1989, 1076; Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (132). 386 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.10.2006 – 2 W 510/06 – VersR 2007, 1222 (1223). 387 BGH MDR 1998, 920; LG Osnabrück, Urt. v. 25.7.2014 – 15 O 486/13 – ZVertriebsR 2015, 312 (314); LG Kiel VersR 1999, 485; Hopt § 84 Rn 36; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 21; in diese Richtung auch EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C 452/ 17, ZVertriebsR 2019, 20 Rn 32 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard); aA LG Mannheim, Beschl. v. 19.10.2001, 7 AktE 1/01, ZIP 2001, 2149 = EWiR 2002, 23 (Emde), für geringeres Gewicht auch LG Bielefeld, Beschl. v. 13.1.2010 – 5 O 303/10, BeckRS 2013, 06820. 388 BAG AP § 92 Nr. 2; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 39. 389 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980; AG Neumünster VersR 1998, 1507; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 37; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 3a; Martinek/Wank § 14 Rn 83; Oetker/Busche5 § 84 Rn 34. 390 ArbG Wilhelmshaven DB 1963, 999 (LS); vgl. weiter OLG München NJW 1957, 1767; auch: BFH DB 1970, 862 (863). 391 Martinek/Wank § 14 Rn 83. 392 Hopt § 84 Rn 36; Oetker/Busche5 § 84 Rn 34. 393 AA OLG Düsseldorf NJW 1998, 2978; 1998, 2981 = DB 1998, 2262. 394 LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119; LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 68, ZVertriebsR 2017, 392. 515

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Mindestzeiten,395 Tages-, Dienst- oder Einsatzpläne396 und Arbeitspensen;397 wenn dem Mittler die zu besuchenden Kunden und die Besuchstour vorgeschrieben werden;398 die Genehmigung eines Urlaubes;399 feste Arbeits-400 und Urlaubszeiten;401 die Vereinbarung eines Urlaubsanspruches und der Zahlung von Urlaubsgeld;402 Versetzungsrecht;403 falls eine im Vertrag als HV bezeichnete Person in ein Call-Center eingegliedert wird. Es besteht zwar ein verständliches wirtschaftliches Interesse daran, für die Vertriebsgebiete zeitlich stets verfügbare Vertreter zu finden, welche die vereinbarten Termine zu den ihnen über das Call-Center vorgegebenen Zeiten wahrnehmen können.404 Gleichwohl ist eine dort eingegliederte Person ein AN, wenn sie grds. jeden Tag ab 9:00 Uhr zur Verfügung stehen muss, 7 Tage die Woche, und lediglich mit einer Vorlauffrist von 3 Wochen sog. „Belegt-Meldungen“ für Zeiten, in denen sie für Termine nicht zur Verfügung steht, geben kann, die innerhalb von 48 Stunden der Bestätigung durch den Unternehmer bedürfen.405 Die im Vertrag vorgesehene „Abstimmung“ für Urlaub kann der Unternehmer dann durch eine einseitige Verweigerung der Bestätigung obsolet machen. Letztlich läuft dies auf eine Genehmigung des Urlaubs hinaus;406 zeitliche Weisungsgebundenheit;407 die Verpflichtung, Fehlzeiten nachzuweisen;408 Vertretung des Mittlers durch Personal des Unternehmers in Urlaubszeiten;409 die Verpflichtung, Adresslisten abzuarbeiten,410 insb. in Verbindung mit dem Verbot der Kundenwerbung aus eigener Initiative; die Vornahme von Abzügen für Lohnsteuer und Sozialversicherung von den Bezügen des Geschäftsmittlers, mögen diese auch nur aus Provisionen bestehen; die Zuweisung von Lehrlingen zur Ausbildung; die Einrichtung der Geschäftskonten bei Banken und Postscheckamt ausschließlich auf den Namen des Unternehmers;411 das Verbot, Untervertreter oder Mitarbeiter oder Hilfspersonen einzustellen,412 wohl auch Zustimmungsvorbehalte, falls die Zustimmung – vertraglich fixiert – nicht unter bestimmten, keine erhebliche Hürde bildenden Umständen erteilt werden muss.413 Diese Be-

395 AG Neumünster VersR 1998, 1507. 396 Hopt § 84 Rn 36; Oetker/Busche5 § 84 Rn 34. Für geringeres Gewicht solcher vom Mittler gefertigter Einsatzpläne LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13 – IHR 2014, 242. RAG ARS 45, 34; Hopt § 84 Rn 35. Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (132); aA Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 6. LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 51 – ZVertriebsR 2017, 392. BGH MDR 1998, 920. BGH MDR 1998, 920; Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (132); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 21; Oetker/Busche5 § 84 Rn 34. BFH DB 1970, 862 (863); BB 1962, 401. Hopt § 84 Rn 36. LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 68, ZVertriebsR 2017, 392. LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 42 ff., ZVertriebsR 2017, 392. LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 51, ZVertriebsR 2017, 392. Martinek/Wank § 14 Rn 84. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 39. BAG AP Nr. 1; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 43. Vgl. BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, NJW 2015, 1754 Rn 12. LAG Frankfurt/M. VersR 1966, 236. LAG Köln, Beschl. v. 13.2.2019 – 9 Ta 229/18, ZVertriebsR 2019, 119 Rn 32; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685 Nach Ansicht des OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276 spricht es hingegen gerade für die Selbstständigkeit des HV, dass der Mittler seine Dienste in Person zu erbringen hat. 413 LAG Hamm, Urt. v. 7.6.2017 – 14 Sa 936/15 Rn 41, ZVertriebsR 2017, 392; Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (133).

397 398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409 410 411 412

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schränkung setzt dem Geschäftsumfang des im Außendienst Tätigen zu enge Grenzen. Der Selbständige kann grundsätzlich nicht zu einem bestimmten maximalen oder minimalen Geschäftsumfang verpflichtet werden. Ihm muss die rechtliche Möglichkeit zu geschäftlicher Expansion offen stehen.414 Es ist jedoch zu unterscheiden: Die Regelung, wonach der Mittler Hilfspersonen ausschließlich zu Hilfstätigkeiten im Rahmen seiner eigenen persönlichen Organisation beschäftigen darf, muss nicht unbedingt gegen die Selbstständigkeit sprechen. Denn der Unternehmer mag insb. im Bereich der Versicherungs- und Finanzberatung angesichts des Haftungsrisikos ein berechtigtes Interesse besitzen, den Kreis der für ihn tätigen HV zu überschauen und zu begrenzen.415 Gleichwohl: Liegen einzelne dieser in die letztgenannte Gruppe fallende Merkmale vor, hat das 44 nicht zwingend ein Beschäftigungsverhältnis zur Folge, wenn andere Merkmale für die Selbständigkeit sprechen.

c) Bedeutung der SGB-Vorschriften über die Scheinselbständigkeit. Für einen HV muss 45 der Unternehmer keine Sozialabgaben leisten.416 Gem. §§ 2, 7 SGB IV sind Arbeitnehmer hingegen sozialversicherungspflichtig. Wird der Vertriebsvertrag mit einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) geschlossen, scheidet eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von vornherein aus.417 Zum 1.1.2003 ist die bisherige Vermutungsregelung nach § 7 Abs. 4 SGB IV weggefallen, nach der eine abhängige Beschäftigung bei Erfüllung von drei aus fünf Merkmale vermutet wurde.418 Entfallen ist damit auch die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 4 S. 2 SGB IV, derzufolge HV, die „im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können“, von dem Anwendungsbereich der Vermutungsregelung ausgenommen waren (sog. „Bereichsausnahme“, dazu 2. Aufl. § 84 Rn 37 ff.). Entscheidend ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV nun, ob eine nichtselbständige Arbeit vorliegt. Anhaltspunkte dafür geben eine Tätigkeit nach Weisung und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Letztlich entscheidend ist nun auch bei HV, ob sie ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei einteilen und über ihre Arbeitszeit bestimmen können. Somit können HV grds. auch scheinselbstständig sein. Indizien wurden oben, Rn 31 ff., dargelegt. Genannt werden z. B. Umsatzvorgaben, eng angelegte Kontrollen des Auftraggebers, Pflichtanwesenheiten, vorgegebene Termine bei Kunden, Tourenpläne, Urlaubsabstimmungen mit dem Auftraggeber sowie das Verbot Angestellte, einzustellen. Sofern der HV seine Arbeitszeit und Tätigkeit frei einteilen kann, kann er dennoch den rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern gleichgestellt sein, wenn er regelmäßig keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, deren Entgelt 450 EUR/Monat übersteigt und er im Wesentlichen für einen Auftraggeber tätig ist. § 7 Abs. 1 SGB IV lehnt sich damit letztlich an § 84 Abs. 1 S. 2 an, so dass neben dem Vorrang 46 des HGB bei der Beantwortung der Statusfrage auch dies gegen eine Bedeutung des SGB für die arbeitsrechtliche Statusfrage spricht. Eine unselbständige, an § 84 angelehnte Regelung kann kaum die Rolle einer statusbestimmenden Definition einnehmen. Die in § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI des Gesetzes v. 19.12.1998419 eingeführte und in der zum 1.1.1999 rückwirkenden Fassung des Geset-

414 Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (133); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 43; aA OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619) – sofern der HV für seine persönliche Unternehmensorganisation Hilfskräfte beschäftigen darf; LG Mannheim, Beschl. v. 19.10.2001 – 7 AktE 1/01, ZIP 2001, 2149 = EWiR 2002, 23. 415 OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2008 – 19 W 18/08, BeckRS 2009, 27276; aA wohl LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685. 416 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 94; Marburger BB 1979, 840. 417 Vgl. BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, NJW 2015, 1754 Rn 10 (GmbH). 418 Dazu zusammenfassend Bauer/Baeck/Schuster Scheinselbständigkeit, 2000, Rn 93; Emde VersR 1999, 1464 (1466). 419 BGBl. I 1998, 3843 (3846). 517

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zes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999420 geltende sozialrechtliche Definition der Selbständigkeit ist für die arbeitsrechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses nach § 84 gleichfalls ohne Bedeutung,421 ebenso wie steuerrechtliche Definitionen.422 Die Norm hat keine Sonderform des HV geschaffen, weswegen die Vorschrift ohne Auswirkungen auf die spezielleren §§ 84 ff. ist.423 Sie regelt lediglich die Voraussetzungen, unter denen Sozialversicherungspflicht eintritt, beantwortet aber nicht die Frage, ob der Mittler selbständig (HV) oder unselbständig (Reisender) ist. Nur im Einzelfall kann den Kriterien des SGB Bedeutung als Indiz für eine Unselbständigkeit zukommen.424 Gemäß § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI können Vertriebsmittler und auch HV als arbeitnehmerähnli47 che Selbständige nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI rentenversicherungspflichtig sein. Versicherungspflichtig nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI waren zunächst selbstständig tätige Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 325 Euro (seit 1.4.2003: 400 Euro) im Monat überstieg (Buchst a), und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig waren (Buchst b). In der Folgezeit hat der Gesetzgeber § 2 S. 1 Nr. 9 Buchst b SGB VI (mit Wirkung v. 1.7.2006) um den Halbsatz ergänzt, dass bei Gesellschaftern als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft gelten.425 Ferner ist die Entgeltgrenze von 400 Euro in § 2 S. 1 Nr 9 Buchst a SGB VI (mit Wirkung ab 1.5.2007) entfallen.426 48 Die Rspr. sieht in dem Einsatz von Hilfskräften zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten ein wesentliches Merkmal selbständigen Unternehmertums. Unbeantwortet bleibt, weshalb die Erfüllung des Kriteriums nur durch die Beschäftigung eines Arbeitnehmers, nicht durch die eines selbständigen Subunternehmers, widerlegt werden kann.427 Die Beschäftigung des Arbeitnehmers muss regelmäßig erfolgen, um Umgehungen durch kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse auszuschließen. 49 Selbstständig sind alle Personen, die mit Gewinnerzielungsabsicht eine Tätigkeit in persönlicher Unabhängigkeit und auf eigene Rechnung und Gefahr ausüben.428 Insb. liegt Selbstständigkeit vor, wenn der Vermittler in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeit keinen Vorgaben unterliegt.429 420 BGBl. I 2000, 2. 421 Begr. des Gesetzentwurfs ZIP 1998, 2031 (2035) sowie Beschlußempfehlung des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ZIP 1998, 2195; BAG ZIP 2000, 808 = EWiR 2000, 533 (Emde) = BB 2000, 1469 m. Anm. Reiserer; VersR 2000, 1501 = BB 2000, 1837 m. Anm. Bolle = EWiR 2000, 969 (Emde); VersR 2001, 857 = BB 2001, 48 = EWiR 2001, 277 (Emde); LG Mannheim ZIP 2001, 2149 = EWiR 2002, 23 (Emde); LAG Nürnberg ZIP 1999, 769; Emde VersR 2001, 148; Thume BB 1999, 2309 (2310); Martinek/Wank § 13 Rn 43; Rundschreiben der Spitzenverbände zur Scheinselbständigkeit mit Einführung von Hanau ZIP 1999, 252 (255) mit den ergänzenden Hinweisen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung scheinselbständiger Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnlicher Selbständiger v. 16.6.1999, NZA 1999, 746; Buchner DB 1999, 1502; Hopt § 84 Rn 36; Canaris § 17 Rn 10; aA Graf v. Westphalen ZIP 1999, 1083; zu dem Gesetz ferner Berndt MDR 1999, 210 (211); Buchner DB 1999, 533; Weimar/Goebel ZIP 1999, 217; Leuchten/ Zimmer DB 1999, 381 (382, 383); Kunz/Kunz DB 1999, 846 (848); Kerschbaumer/Tiefenbacher ArbuR 1999, 121; Reiserer BB 1999, 366 (367, 368); Buchner DB 1999, 146 (148, 150); Goretzki/Hohmeister BB 1999, 635; Postler NJW 1999, 925; Richardi DB 1999, 958; Küstner BB 1999, 541; Adomeit NJW 1999, 2086; Krebs DB 1999, 1602; Gaul/Wisskirchen DB 1999, 2466; Buchner DB 1999, 2514; Reiserer BB 2000, 94; kritisch Berndt NJW 2000, 464. 422 Martinek/Wank § 13 Rn 42. 423 Thume BB 1999, 2309 (2310); aA Graf v. Westphalen ZIP 1999, 1083. 424 Graf v. Westphalen ZIP 1999, 1083 (1088); Berndt DB 1999, 1162 (1166, 1167); kritisch dazu Reiserer BB 1999, 366 (367, 368). 425 Art 11 Nr 1 Buchst a des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 v. 29.6.2006, BGBl I 1402. 426 Art 1 Nr 2 Buchst b des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung v. 20.4.2007, BGBl I 554. 427 Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (127). 428 LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.3.2013 – L 22 R 881/10, ZVertriebsR 2013, 246 (250). 429 LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.3.2013 – L 22 R 881/10, ZVertriebsR 2013, 246 (250). Emde

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Von einer Dauerhaftigkeit ist auszugehen, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines Dauerauf- 50 tragverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Auftragsverhältnisses erfolgt, wobei neben zeitlichen auch wirtschaftliche Kriterien zu beachten sind. Dies ist dann anzunehmen, wenn der Betroffene mindestens 5/6 seiner gesamten Einkünfte aus den zu beurteilenden selbstständigen Tätigkeiten alleine aus einer dieser Tätigkeiten bezieht.430 Nur wenn die selbstständige Tätigkeit, etwa der Auftrag bezüglich eines bestimmten Projekts, im Voraus auf einen Zeitraum von weniger als einem Jahr begrenzt ist, stellt sich überhaupt die Frage nach der Dauerhaftigkeit.431 Der Mittler muss zudem auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig 51 sein (Buchst. b).432 Im Hinblick auf den politischen Zweck der Neuregelung war als Konsequenz gewollt, dass der Begriff „Auftraggeber“ weit verstanden und neben Vermittlungs- oder Agenturmodellen auch Franchise-Systeme erfasst werden sollten.433 Auftraggeber ist jede natürliche oder juristische Person oder Personengesamtheit, die im Wege eines Auftrages oder in sonstiger Weise eine andere Person mit einer Tätigkeit betraut, sie ihr vermittelt oder ihr Vermarktung oder Verkauf von Produkten nach einem bestimmten Organisations-Marketingkonzept überlässt und dadurch eine wirtschaftliche Abhängigkeit des selbstständig Tätigen gegenüber begründet.434 Nach Ansicht des LSG Berlin-Brandenburg435 knüpft der Begriff nicht an gesetzliche Definition in anderen Gesetzen, wie bspw. in § 662 BGB an.436 Von § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI sind auch FN erfasst.437 Auftraggeber ist der FG, jedoch nicht der Kunde des FN, der Produkte oder Leistungen abnimmt.438 So ist bei einem Nachhilfe-Franchisesystem nicht der Nachhilfeschüler sondern der FG Auftraggeber.439 Weil ein HV nicht selbst Partei des mit seinen Kunden zustande kommenden Vertrags wird, kommen diese als Auftraggeber ebenfalls nicht in Betracht.440 Diese Rspr. hat das LSG Bayern auch für Makler bestätigt: sie seien von einem Maklerpool abhängig, an den sie angebunden sind.441 Ob ein Selbstständiger im Wesentlichen für einen Auftraggeber tätig ist, kann aufgrund 52 der erzielten Bruttoeinkünfte beurteilt werden.442 In der Praxis wird von den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger das Erfordernis der Wesentlichkeit als erfüllt angesehen, wenn mindestens 5/6 der Gesamteinkünfte aus der Tätigkeit für einen Auftraggeber erzielt werden. In der Rechtsprechung wird demgegenüber davon ausgegangen, dass das Einkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit für einen der Auftraggeber jedenfalls deutlich mehr als 50 % ausma430 431 432 433

SG Reutlingen, Gerichtsbescheid v. 13.7.2007 – S 8 R 4013/05, BeckRS 2010, 69988. SG Reutlingen, Gerichtsbescheid v. 13.7.2007 – S 8 R 4013/05, BeckRS 2010, 69988. BSG, Urt. v. 9.11.2011 – B 12 R 1/10 R, BeckRS 2012, 68727. BSG, Urt. v. 4.11.2009 – B 12 R 3/08 R, NJW 2010, 2539 m. krit. Anm. Plagemann/Radtke-Schwenzer NJW 2010, 2481; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.3.2013 – L 22 R 881/10, ZVertriebsR 2013, 246 (251); BT-Drs 13/6549 S 7; BTDrs 13/8942, S 8 (zu § 7 Abs. 4 SGB VI); Timmermann BB 2015, 309. 434 LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.3.2013 – L 22 R 881/10, ZVertriebsR 2013, 246 (252); Sächsisches LSG, Urt. v. 23.6.2009 – L 5 R 649/07. 435 LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.3.2013 – L 22 R 881/10, ZVertriebsR 2013, 246 (250). 436 BSG, Urt. v. 4.11.2009 – B 12 R 3/08 R, NJW 2010, 2539 m. krit. Anm. Plagemann/Radtke-Schwenzer NJW 2010, 2481; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.3.2013 – L 22 R 881/10, ZVertriebsR 2013, 246 (250). 437 BSG, Urt. v. 4.11.2009 – B 12 R 3/08 R, NJW 2010, 2539 m. krit. Anm. Plagemann/Radtke-Schwenzer NJW 2010, 2481; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.3.2013 – L 22 R 881/10, ZVertriebsR 2013, 246 (251); LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 5.12.2011 – L 1 R 59/11, BeckRS 2012, 66620 m. Anm. Timmermann BB 2015, 309; aA SG Stuttgart, Urt. v. 25.3.2004 – S IX RA 23/03; zit. n. Flohr BB 2006, 389 (391). Zum österreichischen Recht (Sozialversicherungspflicht bejaht), s. VwGH v. 31.1.1995 – 92/08/0213, zit. nach Petsche/Lager/KutscheZVertriebsR 2013, 202. 438 BSG, Urt. v. 4.11.2009 – B 12 R 3/08 R, NJW 2010, 2539 m. krit. Anm. Plagemann/Radtke-Schwenzer NJW 2010, 2481 Rn 28; LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 5.12.2011 – L 1 R 59/11, BeckRS 2012, 66620 m. Anm. Timmermann BB 2015, 309; SG Düsseldorf, Urt. v. 11.9.2014 – S 27 R 1367/12, ZVertriebsR 2015, 164 (166). 439 LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 5.12.2011 – L 1 R 59/11, BeckRS 2012, 66620 m. Anm. Timmermann BB 2015, 309. 440 BSG, Urt. v. 4.11.2009 – B 12 R 7/08 R; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 1.2.2011 – L 11 R 2461/10, NZS 2011, 946. 441 LSG Bayern, Urt. v. 3.6.2016 – L 1 R 679/14, ZVertriebsR 2016, 369 m. Anm. Flohr. 442 LSG Saarland, Urt. v. 1.12.2005 – L 1 RA 11/04. 519

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chen muss, um die Annahme einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von einem Auftraggeber zu rechtfertigen.443 Dabei handelt es sich jeweils um einen Orientierungsrahmen. Für „einen Auftraggeber“ sind Selbstständige auch dann tätig, wenn sie vertragliche Beziehungen zwar zu mehreren Unternehmen – etwa einer KG als Personengesellschaft und einer AG als Kapitalgesellschaft (und einem VVaG als rechtsfähigem Verein)444 – unterhalten, diese jedoch iS des § 18 AktG als Konzernunternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind.445 Dem Merkmal der Tätigkeit nur für einen Auftraggeber wird eine Indizwirkung für die Sozi53 alversicherungspflicht herausfordernde soziale Schutzbedürftigkeit zugemessen.446 Allein die Erfüllung der – notwendigen, aber auch hinreichenden und abschließenden – Voraussetzungen des § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI bewirkt die Zugehörigkeit eines Betroffenen zum versicherten Personenkreis und dessen vom Gesetz typisierend zugrunde gelegte (soziale) Schutzbedürftigkeit, ohne dass weitere (individuelle) Gesichtspunkte zu prüfen wären.447 Der Einwand des HV, er sei als „freier HV im Finanzdienstleistungsgewerbe“ wegen des bei ihm vorhandenen, „für Selbstständigkeit typischen wirtschaftlichen Vorsorgeverhaltens“ nicht „arbeitnehmerähnlich“, ist daher irrelevant.448 Irrelevant für die Versicherungspflicht ist ferner, ob daneben noch ein Versicherungspflichtverhältnis als Beschäftigter besteht.449 Auch ein HV, der neben seiner Beschäftigung als Angestellter ohne eigene Arbeitnehmer als selbständiger HV tätig ist, ist folglich versicherungspflichtig.450 Gem. § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI sind selbstständige Berater eines Direktvertriebsunternehmens (Amway) nicht versicherungspflichtig.451 Der rentenversicherungspflichtige HV trägt im Gegensatz zu den nach SGB IV Sozialversicherungspflichtigen die Beiträge in vollem Umfang allein, § 168 Nr. 1 SGB VI.452

54 d) Arbeiternehmerähnlicher Personen. Bei arbeitnehmerähnlichen Personen i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG tritt an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit.453 Ferner muss der wirtschaftlich Abhängige auch seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein.454 Für solche arbeitnehmerähnlichen Personen ist die Zuständigkeit der ArbG nach § 5 Abs. 1 55 ArbGG begründet. An dieser sozialen Schutzbedürftigkeit soll es fehlen, wenn ein Mittler eigenständig sein Geschäft führt, das Geschäftslokal selbst anmietet und selbständig Arbeitnehmer einstellt

443 LSG Saarland, Urt. v. 1.12.2005 – L 1 RA 11/04; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 26.1.2006 – L 1 RA 105/04; zum Ganzen SG Duisburg, Urt. v. 20.10.2009 – S 37 (34) R 345/07. 444 BSG, Urt. v. 9.11.2011 – B 12 R 1/10 R, BeckRS 2012, 68727 Rn 26. 445 BSG, Urt. v. 9.11.2011 – B 12 R 1/10 R, BeckRS 2012, 68727 Rn 26. 446 LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.3.2013 – L 22 R 881/10, ZVertriebsR 2013, 246 (251). 447 BSG, Urt. v. 9.11.2011 – B 12 R 1/10 R, BeckRS 2012, 68727 Rn 18; BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, Rn 12. 448 BSG, Urt. v. 9.11.2011 – B 12 R 1/10 R, BeckRS 2012, 68727 Rn 18. 449 LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.3.2013 – L 22 R 881/10, ZVertriebsR 2013, 246 (251). 450 BSG, Urt. v. 9.11.2011 – B 12 R 1/10 R, BeckRS 2012, 68727; v. 4.11.2009 – B 12 R 7/08 R, BeckRS 2010, 66916; aA LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.9.2008 – L 5 R 4034/07, NZS 2009, 631 als Vorinstanz. Begründung des LSG: Der HV sei nicht i. S. d. § 2 S. 1 Nr. 9b SGB VI auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftrageber tätig, soweit wegen des Versicherungspflichtverhältnisses als Beschäftigter für die Begründung eines weiteren Versicherungspflichtverhältnisses als Selbständiger kein sozialer Schutzbedarf bestehe. Das BSG lehnt diese Begründung ab, da es auf die individuelle Schutzbedürftigkeit nicht ankomme. 451 LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.3.2013 – L 22 R 881/10, ZVertriebsR 2013, 246. 452 Oberthür/Lohr NZA 2001, 126 (127); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 15; Emde VersR 1999, 1464 (1466 ff.); Emde VersR 2001, 148 ff. 453 BAG, Beschl. v. 21.12.2010 – 10 AZB 14/10, NZA 2011, 309. 454 BGH, Beschl. v. 4.2.2015 – VII ZB 36/14, WM 2015, 533 = ZIP 2015, 1411 Rn 11; DB 2003, 198 (zum Franchisevertrag); BAG, Beschl. v. 21.12.2010 – 10 AZB 14/10, NZA 2011, 309. Emde

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und nicht in ein Abrechnungssystem des Unternehmers eingebunden ist.455 Der Bezug eines Gründungszuschusses gem. § 57 SGB III steht der wirtschaftlichen Unselbständigkeit nicht entgegen.456 § 5 Abs. 3 ArbGG trifft jedoch für HV eine vorrangige und in sich abgeschlossene lex 56 specialis, die die Regelung über die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für arbeitnehmerähnliche Personen des § 5 Abs 1 S. 2 ArbGG verdrängt.457 Liegen die Voraussetzungen des § ARBGG § 5 Abs. 3 ArbGG nicht vor, ist bei HV die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben.458 Nach § 5 Abs. 3 ArbGG sind die ArbG für Rechtsstreitigkeiten von HV zuständig, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a die untere Grenze der vertraglichen Leistung des Unternehmers festgesetzt werden kann und während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses vor Klagerhebung im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 EUR aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provisionen als Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben.459 Im Einzelnen siehe hierzu bei § 92a. § 5 Abs. 3 ArbGG hat damit lediglich prozessuale Bedeutung. Der Mittler bleibt HV i. S. d. §§ 84 ff. und das ArbG muss das HGB anwenden. Es handelt sich hierbei also um „formelles“ Arbeitsrecht. Die Zuständigkeit der ArbG ist wenig praxisnah, da sie mit dem HGB materiell ein Gesetz anwenden müssen, welches ihnen in der täglichen Rechtspraxis eher fern steht. Sind die TB-Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG nicht erfüllt, bleibt es bei der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Es kommt dann nicht darauf an, ob der HV in diesen Fällen noch als arbeitnehmerähnliche Person angesehen werden kann.

e) Die Beweislast. Die Beweislast für Selbständigkeit oder Unselbständigkeit trägt derjenige, 57 der daraus Rechtsfolgen herleiten will.460 Macht ein Vertriebsmittler geltend, er sei Arbeitnehmer, so ist er für den fehlenden Spielraum bei der Arbeitszeitgestaltung darlegungs- und beweisbelastet.461 Spiegelbildlich muss der Unternehmer die Arbeitnehmereigenschaft beweisen, wenn er hierdurch einen Ausgleichsanspruch vermeiden will. Wird eine vom Vertrag abweichende tatsächliche Übung vorgetragen, muss sie derjenige beweisen, der sich auf jene beruft.462 Die Vermutung des § 7 SGB IV gilt nicht.463

f) Gerichtliches Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung. Für die Zulässigkeit des 58 Rechtsweges ist der jeweilige Streitgegenstand maßgeblich; dieser wird ausschließlich durch den Kläger bestimmt.464 Liegt ein sog. sic-non-Fall vor, in dem sowohl die Zulässigkeit wie die Begründetheit davon abhängen, dass der Kläger arbeitnehmerähnlicher HV oder Arbeitnehmer ist, genügt für die Zulässigkeit einer an das ArbG gerichteten Klage die Behauptung, es lägen die TB-Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ArbGG vor bzw. es habe ein Arbeitsverhältnis be455 BGH DB 2003, 198 (zum Franchisevertrag). 456 BAG, Beschl. v. 21.12.2010 – 10 AZB 14/10, NZA 2011, 309. 457 BAG MDR 2003, 814, 815; LAG Hessen, Beschl. v. 6.11.2013 – 12 Ta 252/13, BeckRS 2014, 70900; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.5.2006 – 1 W 18/06, VersR 2007, 207 (208); OLG Saarbrücken VersR 2005, 1388; Germelmann/Matthes/ Müller-Glöge ArbGG, § 5 Rn 23 ff.; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 27. 458 BGH, Beschl. v. 4.2.2015 – VII ZB 36/14, WM 2015, 533 = ZIP 2015, 1411; LAG Hessen, Beschl. v. 6.11.2013 – 12 Ta 252/13, BeckRS 2014, 70900. 459 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 27. Die Vergütungsgrenze belief sich zunächst auf DM 500, seit dem 28.1.1968 dann auf 1000 DM, seit dem 1.2.1976 auf DM 1500 und seit dem 1.7.1979 auf DM 2000. 460 Vgl. Hopt § 84 Rn 38; Oetker/Busche5 § 84 Rn 35: es gelten die allg. Regeln. 461 BAG Urt. v. 20.8.2003- 5 AZR 610/02, NJW 2004, 461. 462 BAG DB 1966, 546; Hopt § 84 Rn 38. 463 Hopt § 84 Rn 38. 464 BGH, Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 45/08, BeckRS 2009, 87283 m. zust. Anm. Pohlmann EWiR 2010, 569; Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 42/08,NJW 2010, 873 = WM 2010, 281; BGHZ 67, 81 (84, 90 f).; 133, 240 (243); BAG NJW 1994, 604 (605); NJW 1994, 1172. 521

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standen, ohne dass im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung entschieden werden muss, ob der Kläger arbeitnehmerähnlicher HV, Arbeitnehmer oder selbstständiger HV ist.465 Die behauptete Zuständigkeit muss sich aber schlüssig aus dem Klagevorbringen ergeben; lediglich Beweise brauchen nicht erhoben zu werden.466 Damit bestimmt sich der Rechtsweg nach dem schlüssigen Tatsachenvortrag der klagenden Partei. Dass eine Beweiserhebung in derartigen Fällen entbehrlich ist, folgt aus dem bereits vom RG und nunmehr vom BGH in st. Rspr. vertretenen Grundsatz, dass die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen im Rahmen des Zuständigkeitsstreits dann keines Beweises bedürfen, wenn sie gleichzeitig notwendige Tatbestandsmerkmale des Anspruchs selbst sind, wenn also die Bejahung des Anspruchs begrifflich diejenige der Zuständigkeit in sich schließt (sog. doppelrelevante Tatsachen). Dann ist für die Zuständigkeitsfrage die Richtigkeit des Klagevortrags zu unterstellen.467 Damit wird eine Vereinfachung und beschleunigte endgültige Erledigung des Rechtsstreits bezweckt. Der Kläger erreicht die erstrebte Prüfung der Berechtigung seiner Klage vor dem angerufenen Gericht auf seine schlüssige Behauptung hin. Er riskiert damit allerdings die endgültige Aberkennung des eingeklagten Anspruchs als unbegründet, falls sich seine Behauptungen nicht als wahr feststellen lassen, während er bei einer Abweisung der Klage nur als unzulässig diese nach Behebung des Hinderungsgrundes – etwa vor dem zuständigen Gericht – wiederholen könnte.468 Maßgebend für den Rechtsweg sind die Umstände im Zeitpunkt des Entstehens des eingeklagten Anspruchs.469 Handelt es sich um keinen sic non Fall oder bei den zwischen den Parteien streitigen Umständen nicht um doppelrelevante Tatsachen (Beispiel: das Fehlen der Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten ist kein notwendiges Tatbestandsmerkmal der von der Klägerin geltend gemachten Rückzahlungsansprüche470), ist nicht allein der Sachvortrag der klagenden Partei Grundlage der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs. Vielmehr hat der Kläger die für die Begründung der Rechtswegzuständigkeit maßgeblichen Tatsachen zu beweisen, sofern der Beklagte diese bestreitet.471 Nach der Gegenansicht ist sogar dann allein auf den Klägervortrag abzustellen, wenn es sich bei den maßgeblichen Umständen nicht um doppelrelevante Tatsachen oder einen sic non Fall handelt („Schlüssigkeitstheorie“).472 Auf den Einwand eines beklagten Außendienstmitarbeiters, er sei Arbeitnehmer, ist nach dieser Ansicht beispielsweise zum Zwecke der Bestimmung des Rechtswegs kein Beweis zu erheben, sondern vom Vortrag des

465 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619); LAG Hamm, Beschl. v. 14.5.2007 – 2 Ta 646/06, BeckRS 2007, 47017; BAG v. 19.12.2000 – 5 AZB 16/00, NZA 2001, 285; v. 17.1.2001 – 5 AZB 18/00, NZA 2001, 341. 466 BGH, Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 45/08, BeckRS 2009, 87283 m. zust. Anm. Pohlmann EWiR 2010, 569; Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 42/08, NJW 2010, 873 = WM 2010, 281; BGHZ 133, 240 (243) m. w. N.; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.5.2009 – 16 W 60/09, OLGR 2009, 618 (619); OLG Hamm, Beschl. v. 27.3.2008 – 18 W 23/06, BeckRS 2009 05464; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 25. 467 BGH, Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 45/08, BeckRS 2009, 87283 m. zust. Anm. Pohlmann EWiR 2010, 569; Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 42/08, NJW 2010, 873 = WM 2010, 281; BGHZ 7, 184 (186); BGHZ 124, 237 (240 f.); Urt. v. 9.12.1963 – VII ZR 113/62, NJW 1964, 497, unter 2; OLG München, Beschl. v. 9.12.2019 – 7 W 1470/19, ZVertriebsR 2020, 56 Rn 16; vgl. auch Stein/Jonas/Roth22 § 1 Rn 24; Windel ZZP 111 (1998), 3 (20 f.); jeweils m. w. N. 468 BGH, Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 45/08, BeckRS 2009, 87283 m. zust. Anm. Pohlmann EWiR 2010, 569; Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 42/08, NJW 2010, 873 = WM 2010, 281. 469 BGH, Beschl. v. 21.10.1998 – VIII ZB 54/97, NJW 1999, 648 (650, 651). 470 BGH, Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 45/08, BeckRS 2009, 87283 m. zust. Anm. Pohlmann EWiR 2010, 569; Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 42/08, NJW 2010, 873 = WM 2010, 281. 471 BGH, Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 45/08, BeckRS 2009, 87283 m. zust. Anm. Pohlmann EWiR 2010, 569; Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 42/08, NJW 2010, 873 = WM 2010, 281; KG NJW-RR 2001, 1509 (1510); noch weitergehend – für Beweiserhebung auch bei allen doppelrelevanten Tatsachen: Lüke JuS 1997, 215 (217); Kissel/Mayer5 § 17 Rn 19; Thomas/Putzo/Hüßtege30 § 17a GVG Rn 8a. 472 OLG Celle, Beschl. v. 4.6.2007 – 11 U 293/06, OLGR 2008, 177; OLG Bremen, Beschl. v. 1.7.2008 – 2 W 21/08, OLGR 2008, 834 (zur Arbeitnehmereigenschaft); OLG Köln VersR 1996, 1564; OLGR 2005, 685 (688); OLG Dresden Emde

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Klägers auszugehen.473 Es sei allein maßgeblich, ob die vom Kläger zur Begründung seines Anspruchs behaupteten Tatsachen Rechtsbeziehungen oder Rechtsfolgen ergäben, die in die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts fielen. Zwar bestehe das Risiko, dass der Kläger durch einseitigen Vortrag die Zuständigkeit der Gerichte bestimme. Hierdurch werde der jeweilige Beklagte aber nicht unzumutbar beeinträchtigt. Denn die einseitige Berücksichtigung des Klägervortrags beschränke sich auf die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs. Eine offensichtlich nicht gegebene Anspruchsgrundlage bleibt auch nach dieser Ansicht außer Betracht, ebenso willkürlicher und rechtsmissbräuchlicher Vortrag.474

II. Geschäftsvermittlung und Abschluss für einen Unternehmer HV ist nur, wer für einen anderen Unternehmer Geschäfte vermittelt oder in dessen Namen 59 abschließt. Der HV muss also einer Absatzförderungs- oder Vertriebspflicht unterliegen. Bei ihr handelt es sich auch um das entscheidende Analogiekriterium, aus welchem im Eigenhändlerrecht die entsprechende Anwendung der §§ 84 ff. folgt.

1. Unternehmer – Bedeutung des § 84 Abs. 3 Der HV muss für einen anderen „Unternehmer“ (das HGB verwendet diese Bezeichnung, außer- 60 halb der Gesetzessprache finden auch die Bezeichnungen „Geschäftsherr“,475 „Prinzipal“, bzw. je nach Funktion „Hersteller“ oder „Importeur“ Verwendung) tätig werden, der nicht identisch mit dem HV sein darf.476 Es ist also das Bestehen eines Drei-Personen-Verhältnisses („für einen anderen“) erforderlich.477 Das klingt in der Entscheidung OLG Frankfurt/M.478 an. Dort wird die Klage des Insolvenzverwalters eines Theater-Besucherrings abgewiesen, mit dem dieser Ausgleichsansprüche für die jahrelange Vermittlung von Eintrittskarten für das Hessische Staatstheater Wiesbaden verlangt hatte. Nach dem Vereinszweck habe der Verein „kulturelle Aufgaben“ gehabt; sein Zweck sei die „Förderung des Theaterbesuchs durch Schaffung von Besucherringen“ gewesen. Der Verein habe also die Interessen der Theaterbesucher und nicht die des Landes wahrgenommen. Insbesondere dürfen Kunde und HV nicht identisch sein. Dies soll sich aus dem Begriff der 61 „Vermittlung“ ergeben.479 Vermittlung oder Abschluss von Eigengeschäften des HV begründen z. B. keinen HV-Vertrag i. S. d. § 84.480 Gedacht wird auch an Fälle, in denen der HV nach dem Eigengeschäft einen Weiterverkauf plant.481 Die Provisionspflicht kann vertraglich auch auf diese Fallgestaltungen erstreckt werden.482 Zumindest für die Statusfrage und wohl auch für die OLGR 2005, 50 (51 m. w. N.); Kluth NJW 1999, 342 (344); Musielak/Wittschier7 § 17a GVG Rn 13; wohl auch Zöller/ Lückemann27 § 13 GVG Rn 54. 473 OLG Bremen, Beschl. v. 1.7.2008 – 2 W 21/08, OLGR 2008, 834. 474 OLG Bremen, Beschl. v. 1.7.2008 – 2 W 21/08,OLGR 2008, 834, OLG Dresden, OLGR 2005, 50 = BeckRS 2004, 11164. 475 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 36. 476 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 49; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, § 84 Rn 28; § 87 Rn 11; Hopt § 84 Rn 23; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 66; § 87 Rn 23; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 16; § 87 Rn 7; Leuchten/Zimmer DB 1999, 381 (383). 477 Leuchten/Zimmer DB 1999, 381 (383); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 49; Hopt § 84 Rn 23. 478 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.9.2015 – 5 U 43/15, ZVertriebsR 2016, 113. 479 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 66. 480 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 49; aA OLG Hamburg OLGRspr. 36 (1912) 258; Schnitzler DB 1965, 463. 481 Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 16. 482 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 49; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 23. 523

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Provisionsfrage bleibt aber die formale Selbständigkeit der Parteien genügend483 (anders zum Courtageanspruch des Maklers). Wirtschaftliche oder rechtliche Verflechtung zwischen Unternehmer und HV,484 Personenidentität der Geschäftsleitung, auch Abhängigkeit oder Konzernierung, schließen also ein Drei-Personen-Verhältnis nicht aus,485 solange die wirtschaftliche Verflechtung oder Verbindung i. S. d. §§ 17 ff. AktG die rechtliche Separierung der Parteien nicht beseitigt. Eine solche Verflechtung ist etwa in der Versicherungswirtschaft bekannt, wenn z. B. ein Lebensversicherungsunternehmen einen Organisationsvertrag mit einem Sachversicherungsunternehmen abschließt und damit als VV für den Sachversicherer tätig wird. Meist ist dies ohnehin kein Problem der Statusfrage. Davon ist jedenfalls auszugehen, sofern die Vermittlung an wirtschaftlich verbundene Unternehmen nicht Vertragsgegenstand ist oder nur einzelne Kunden mit dem HV verbunden sind. Allenfalls wenn von vornherein die Beratung eines verbundenen Unternehmens des HV beabsichtigt war, mag Gegenteiliges vertretbar sein. Auch hier neige ich jedoch zu einem Vorrang der formalen Betrachtungsweise, welche die rechtliche Selbständigkeit des Kunden genügen lässt. Problematisch ist eher das Provisionsrecht (aber auch hier erhält der Unternehmer wirtschaftlich die Vorteile der Vermittlung und schuldet daher Provision486) oder die Ausgleichsfrage, da aufgrund des nachvertraglichen Wegfalls des Kunden (das verbundene Unternehmen wird meist kein Stammkunde des Unternehmers bleiben) in der Regel Vorteile des Unternehmers fehlen. Im Falle des Vertragsschlusses mit einem Unternehmen in einem Versicherungskonzern, in dem mehrere rechtlich selbstständige Unternehmen mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen zusammengefasst sind, entspricht es in der Regel dem Interesse des VV, dass der HV-Vertrag mit der Gesellschaft innerhalb des Konzerns zu Stande kommt, die Versicherer im Sinne des § 92 Abs. 2 ist. Denn allein dieser ist im Zweifel in der Lage, die Abrechnung nach § 87c vorzunehmen.487 § 84 Abs. 3 bestimmt, der Unternehmer könne auch ein HV sein. Diese Klarstellung ist 62 überflüssig. Zu Abs. 3 und Untervertretern auch unten, „Handelsvertreter und ihr Tätigkeitsfeld“, Stichwort „Untervertreter“. Nach dem weit auszulegenden488 und wirtschaftlich zu verstehenden Begriff489 kann Unternehmer jeder sein, der über einen zum Vertrieb geeigneten Gegenstand oder ein geeignetes Recht verfügt. Für den Unternehmer stellt das Gesetz keine besonderen Voraussetzungen auf.490 Wie der Gegensatz zur Beschreibung des HV zeigt, muss der Unternehmer insb. kein Gewerbe betreiben und nicht mit Gewinnerzielungsabsicht agieren.491 Unternehmereigenschaft soll jeder besitzen, der am rechtsgeschäftlichen Verkehr in den Formen des Privatrechts teilnimmt und dergestalt seine Aufgaben erfüllt.492 Kürzer ließe sich sagen, dass Unternehmer jede am Zivilrechtsverkehr teilnehmende Person ist. Diese weite Auslegung des Unternehmerbegriffs ist geboten, damit nicht die internen Verhältnisse des Auf-

483 BFH, Urt. v. 26.7.1972 – I R 138/70, BB 1972, 1489; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 49; Hopt § 84 Rn 23. 484 BFH BB 1972, 1489; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 49; Hopt § 84 Rn 23. 485 BFH, Urt. v. 26.7.1972 – I R 138/70, BB 1972, 1489; Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S 95; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 36; Hopt § 84 Rn 23; Karsten Schmidt JuS 2008, 665 (668); aA Hopt § 84 Rn 42; Oetker/Busche5 § 84 Rn 38; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 18 ff. für „firmeneigene Versicherungsvermittler“ wegen wirtschaftlichen „Selbst-anbietens“ (Durchgriffsgedanke) oder fehlender „ständiger“ Betrauung (wie hier zu VV LG Hannover, Urt. v. 30.6.2009 – 18 O 193/08, BeckRS 2009, 21555); auch Schlessmann Kündigung von Handelsvertreter-Verträgen, 1966, S. 76 f., falls der Unternehmer in der Geschäftsführung der Vermittler-GmbH vertreten ist. 486 AA OLG Celle, Urt. v. 14.11.1969, BB 1970, 51 = DB 1970, 582. 487 OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.2.2009 – 7 U 219/07, BeckRS 2010, 16911. 488 BGHZ 43, 108 (111); BGH BB 1982, 1876; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 23; Hopt § 84 Rn 27; Oetker/Busche5 § 84 Rn 37. 489 BGH, Urt. v. 22.6.1972 – VII ZR 36/71, BB 1972, 938 (939). 490 Westphal I Rn 65; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 63. 491 Unnötig daher die Bedenken des OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.9.2015 – 5 U 43/15, ZVertriebsR 2016, 113 (114) Rn 15 an der Unternehmereigenschaft des Hessischen Staatstheaters. 492 BGH BB 1965, 304; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 36; Oetker/Busche5 § 84 Rn 37. Emde

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traggebers, auf die der Mittler keinen Einfluss haben kann, darüber entscheiden, ob er in den Schutzbereich des Vertreterrechts einbezogen wird.493 Bis 1953 war HV nur derjenige, der „für das Handelsgewerbe eines anderen“, also für einen 63 Kaufmann warb.494 Diese Einschränkung des Geschäftsherrnbegriffes entsprach dem Verständnis eines „Handels“gesetzbuches, wurde jedoch mit der Novelle 1953 aufgehoben, und sie war schon zuvor kaum sinnvoll, solange man keine befriedigende Antwort auf die Frage geben konnte, welchem Recht das Vertragsverhältnis im Falle der Tätigkeit für einen Nichtkaufmann unterliegen sollte. Die nahe liegende Antwort hätte auf eine analoge Anwendung des HV-Rechts verwiesen, so dass die §§ 84 ff. auch unmittelbar hätten angewandt werden konnten. Nach seit 1953 geltendem Recht braucht der Unternehmer kein Kaufmann495 zu sein, er muss auch kein (Handels-)Gewerbe betreiben496 (siehe zur Handelsgewerblichkeit Rn 20 ff, zu Abs. 4 unten). Auch die Rechtsform ist irrelevant,497 der HV braucht noch nicht einmal eine juristische Person des Privatrechts498 zu sein. Dies korrespondiert mit Art. 1 Abs. 2 der allerdings nur für den Warenhandelsvertreter (Vor § 84 Rn 22 ff.) geltenden RL, die nicht von einem „Unternehmer“, sondern von einer „andere[n] Person“ spricht. Die RL stellt mithin klar, dass der Unternehmer nicht Kaufmann sein muss, und diese Vorgabe wäre im Bereich des Warenvertriebs maßgeblich. Das ohnehin kaum nachweisbare und bestenfalls ihm bekannte Vertriebsmotiv des Unter- 64 nehmers ist belanglos.499 Vom HV vermittelte Geschäfte dürfen daher z. B. der Abwendung eines Insolvenzfalls dienen.500 Überhaupt braucht der Unternehmer keine eigenen Erwerbszwecke zu verfolgen.501 Deshalb kann Eberstein502 und Staub/Brüggemann4503 trotz der wenig hilfreichen Terminologie des Gesetzes („Unternehmer“) nicht darin zugestimmt werden, demjenigen mangele die HV-Eigenschaft, der etwa als „Zivilagent“, z. B. als Sammler für seine Akquisitionen, der Genealoge für die Beschaffung urkundlichen Materials, der Forschungsreisende für die Ausrüstung seiner privaten Expeditionsfahrten, ständig Geschäfte ausschließlich des privaten Bereichs seines Vertragspartners vermittele, so dass nur die §§ 675 ff. BGB anwendbar wären. Auch ist es zweifelhaft, dass die Unternehmereigenschaft fehlen soll, wenn „die gesamte Infrastruktur“ und der die Werbung verarbeitende Adserver im Einflussbereich des Mittlers liegt, weil dann eine Tätigkeit des Unternehmers als „Geschäftsherr“ fehle.504 Der Unternehmer braucht daher kein „Unternehmer“ i. S. d. § 14 BGB sein.505 Denn dort wird eine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit des Unternehmers gefordert, die gem. § 84 gerade nicht erforderlich ist. Richtigerweise hätte das Gesetz also statt „Unternehmer“ die neutralere Fassung „Vertragspartner“ wählen sollen. Ist der Unternehmer kein Kaufmann oder fehlen gar HV wie Unternehmer die Kaufmannsei- 65 genschaft, sind zwar die §§ 84 ff., das übrige HGB aber allenfalls partiell anwendbar. Eine analoge Anwendung der eigentlich unmaßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften außerhalb der 493 Westphal I Rn 65. 494 Eberstein A I; Hopt § 84 Rn 27. 495 BGHZ 43, 108 (109) = NJW 1965, 1132; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 36; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 3, 22; Hopt § 84 Rn 27; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 9, 13; Westphal I Rn 66; irrig noch OLG Stuttgart BB 1959, 537. 496 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 49; aA Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 14. 497 Hopt § 84 Rn 27; Oetker/Busche5 § 84 Rn 37. 498 BGHZ 43, 108 (109); BGH DB 1981, 92; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 24; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 13. 499 Hopt § 84 Rn 26. 500 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 49; Hopt § 84 Rn 26; aA RGZ 140, 82; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 22, da nicht mehr dem Betrieb des Unternehmers dienend. Aber dessen Abwicklung dient auch dem Unternehmerinteresse. 501 BGHZ 43, 108 (111); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 49; aA Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 14. 502 S. 35. 503 Staub/Brüggemann4 § 84 Rn 18. 504 LG Düsseldorf, Urt. v. 24.4.2015 – 33 O 141/13 – MMR 2015, 804 – letztlich offen gelassen. 505 Hopt § 84 Rn 27: weitgehend, aber nicht vollkommen identisch; ebenso Oetker/Busche5 § 84 Rn 37. 525

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§§ 84 ff. ist abzulehnen. § 84 öffnet einem jeden Unternehmer, auch wenn er nicht Kaufmann ist, die Möglichkeit, HV für sich tätig werden zu lassen: nicht mehr. Damit ist die Rechtslage nur derjenigen angeglichen, wie sie für den nichtkaufmännischen Unternehmer in Ansehung der Inanspruchnahme der Dienste von Kommissionären oder Handelsmäklern schon seit jeher bestanden hatte. Wollte man darüber hinaus das Sonderrecht der zweiseitigen Handelsgeschäfte in der ganzen Breite der Rechtsbeziehungen zwischen Unternehmer und HV gelten lassen, so wäre kein Halten mehr: dann müsste das gleiche auch für die Rechtsbeziehungen zwischen dem nichtkaufmännischen Unternehmer und dem Kommissionär sowie dem Handelsmäkler rechtens sein. Das wird nicht gefordert; es wäre auch von der wohlerwogenen Begrenzung des Geltungsgrundes der Regeln über die zweiseitigen Handelsgeschäfte her nicht zu begründen. Anderenfalls müsste man dann konsequenterweise fordern, dass der nichtkaufmännische Unternehmer im Verhältnis zu seinem HV auch denjenigen Bestimmungen unterworfen sei, die dem Kaufmann als solchem einseitig gelten, nämlich den §§ 347, 350. Eine dem HV im Vertrag zugesagte Vertragsstrafe könnte nicht herabgesetzt, eine dem HV gegenüber übernommene Bürgschaft (etwa für die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs durch den in Aussicht genommenen Nachfolger im Vertreterverhältnis) könnte formlos übernommen werden und würde keine Einrede der Vorausklage begründen – alles dies, auch wenn der Unternehmer Nichtkaufmann ist. 66 Unternehmer können beispielhaft sein: – Angestellte506 – die Deutsche Post AG507 – Freiberufler, auch Schriftsteller508 – Gesellschaften jeder Rechtsform – Genossenschaften509 – Handelsvertreter (§ 84 Abs. 3)510 – Immobilienmakler511 – Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, sofern sie im Rechtsverkehr in den Formen des Privatrechts auftreten und gerade in dieser Form ihre Aufgabe erfüllen512 – Juristische Personen513 – Künstler514 – Land- und Forstwirte515 – Lottounternehmen516 – Makler517 506 Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 25. 507 BGH WM 2001, 274 (275); OLG Koblenz, Urt. v. 30.1.2006 – 10 U 127/01, WM 2006, 1452; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980; aA LG Dortmund, Urt. v. 14.12.2006 – 16 O 92/05, NJOZ 2007, 1485. 508 Hopt § 84 Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 63; Oetker/Busche5 § 84 Rn 37; aA Hirsch FS Tiburtius S. 402. 509 Westphal I Rn 66. 510 OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (379). 511 BGH DB 1982, 590; LG Hannover, Urt. v. 16.7.2019 – 32 O 44/18, ZVertriebsR 2019, 318 m. Anm. Dreyer/Haskamp. 512 BGH, Urt. v. 21.1.1965, BB 1965, 304; Eberstein S. 35; Westphal I Rn 66; Hopt § 84 Rn 27; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 13. Siehe insb. Versicherer, die in der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts tätig werden. 513 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 64. 514 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 63; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 13; Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 ff.; zu Unrecht zweifelnd OLG Hamburg, Urt. v. 28.10.2005 – 11 U 169/04, GRUR 2006, 788. 515 Hopt § 84 Rn 27; Oetker/Busche5 § 84 Rn 37. 516 BGH, Urt. v. 4.6.1975 – I ZR 130/73, WM 1975, 931 (besonders zur Ausgleichsberechnung); v. 22.6.1972 – VII ZR 36/71, NJW 1972, 1662; v. 21.1.1965 – VII ZR 22/63, NJW 1965, 1132; BGHZ 43, 108; 99, 87; OLG Schleswig, Beschl. v. 31.7.2014 – 16 U 68/16, BeckRS 2015, 11000; Salaw-Hanslmaier/Brunner ZfWG 04/12, 240 (245); Thume BB 2015, 387; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 24; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 13. 517 LG Osnabrück, Urt. v. 25.7.2014 – 15 O 486/13, ZVertriebsR 2015, 312. Emde

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Tanzlehranstalten518 Telefongesellschaften519 Theater520 Öffentliche Unternehmen,521 etwa ein öffentlicher Bauträger522 Unternehmen jedes Wirtschaftsbereichs Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit523 Verbände und Vereine524 verbundene Unternehmen Vertragshändler oder Vertriebsmittler jeder Art Wettbewerber, selbst wenn die Aufnahme der Waren nur der Sortimentsabrundung dient.525

2. Vermittlung und Abschluss von Geschäften HV ist nur, wer Geschäfte für den Unternehmer vermittelt oder in dessen Namen und auf dessen 67 Rechnung abschließt. Die Erfüllung einer der Alternativen („oder“) genügt. Diese Merkmale grenzen zum Vertragshändler, Franchisenehmer und Kommissionsagenten,526 aber auch zum bloßen Propagandisten oder sonstigen „Geschäftsbesorgern“ ab. Vertragshändler und FN527 kontrahieren, anders als der HV, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, der Kommissionär zwar im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung (§ 383). Ist der Kommissionär vertraglich ständig mit solchen Abschlüssen betraut, wird er zum Kommissionsagenten.528 Der Kommissionsagent verhält sich also zum Kommissionär wie der HV zum Handelsmakler.529 Die § 84 ff. finden auf seine Rechtsverhältnisse analoge Anwendung, soweit die §§ 383 ff. nicht entgegenstehen.530 Ebenso ist die Analogie zum HV-Recht auch im Franchise-531 und Vertragshändlerrecht (hierzu Vor § 84 Rn 562 ff.) anerkannt, was besonders beim Ausgleichsrecht, aber auch bei der Anwendung der Kündigungsvorschriften praktisch wird. Dagegen ist die Unterscheidung zwischen Vermittlungs- und Abschlussvertretern für die Frage, ob ein HV-Vertrag vorliegt, unerheblich. Sie betrifft – anders als die Natur des Vertrages mit dem Unternehmer – allein den Inhalt der Vertragspflichten und der Bevollmächtigung, nicht die Frage, ob überhaupt ein HVVertrag vorliegt.532 Der genaue Inhalt der Absatzförderungspflicht ist im Einzelfall zu bestim-

518 LG Göttingen MDR 1956, 302. 519 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2009, 119 (Emde); LG Düsseldorf, Urt. v. 8.2.2011 – 35 O 9/10, BeckRS 2012, 10293; Ströbl BB 2013, 1027. 520 Zu Unrecht zweifelnd OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.9.2015 – 5 U 43/15, ZVertriebsR 2016, 113 (114) Rn 15. 521 Hopt § 84 Rn 27. 522 Hopt § 84 Rn 27. 523 Lohmüller/Beustien/Josten § 84 Anm. 5; Bruck/Möller Vorbem. 173 vor § 43 bis 48 VVG; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 24. 524 Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 24; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 64. 525 AA Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 26, mit der Begründung, es fehle an einer Tätigkeit „für einen anderen Unternehmer; vielmehr würden nur eigene Interessen verfolgt (aber dies ist beim klassischen HV nicht anders). 526 Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 20. 527 Zu ihm: MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene Vor § 84 Rn 17 ff. 528 S. BGH, Urt. v. 1.6.1964 – VII ZR 235/62, BB 1964, 823. 529 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene Vor § 84 Rn 9 f. 530 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene Vor § 84 Rn 12; Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (27). 531 Martinek Moderne Vertragstypen II, S. 105 ff.; Mathießen ZIP 1988, 1089 (1094 ff.); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene Vor § 84 Rn 21. 532 Allerdings ist dies sehr wohl auch eine Frage des Innenverhältnisses zum Unternehmer, zweifelhaft daher Karsten Schmidt Handelsrecht5 § 27 I 2c. 527

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men;533 eine Pflicht etwa zur Lagerhaltung oder Abnahme von Vorführprodukten534 besteht ohne besondere Vereinbarung regelm. nicht. 68 Personell brauchen der Unternehmer und der Vertragspartner der Kundengeschäfte nicht notwendigerweise identisch zu sein. Die Personenverschiedenheit des Vertragspartners des HV einerseits und des Vertragspartners der mit dem Kunden abgeschlossenen Geschäfte steht der Anwendung des HV-Rechts nicht entgegen.535

69 a) Europarechtliche Präformation. Im Gegensatz zum Begriff des „Vermittelns“ sprechen die englischen und französischen Textfassungen der des Art. 1.2 RL sowie Rn 12 der LL zur GVO 330/10 von einem „Verhandeln“. So lautet der englische Text der RL: „‚commercial agent‘ shall mean a self-employed intermediary who has continuing authority to negotiate the sale or the purchase of goods on behalf of another person …”. Der französische Text sekundiert: „l’agent commercial est celui qui, en tant qu’intermédiaire indépendant, est chargé de façon permanente, … de négocier la vente ou l’achat de marchandises pour une autre personne …“.536 Sowohl der englische als auch der französische Text unterstellen daher, dass nach der RL eher ein aktives Einwirken auf den Kunden in Form eines irgendwie gearteten „Verhandelns“ erforderlich ist.537 Deshalb werden in Frankreich Mobilfunkvertreter, die die vom Unternehmer vorgegebenen Preise nicht verhandeln dürfen, nicht als HV angesehen.538 Nach Ansicht des OLG Düsseldorf539 ist aber jedenfalls für die GVO 330/10 ein weites Verständnis dieser Worte erforderlich: Auch ohne Verhandlungsspielraum soll ein „Aushandeln“ vorliegen.

70 b) Vermittlungsvertreter. Der Vermittlungsvertreter ist verpflichtet, den Abschluss von Verträgen zwischen dem von ihm vertretenen Unternehmer und Dritten als Kunden in die Wege zu leiten, d. h. vorzubereiten, zu fördern, ermöglichen oder herbeizuführen,540 ohne sie selbst mit Vollmacht für den Unternehmer zu schließen.541 Der HV unterliegt einer Bemühenspflicht, die ihn verpflichtet, neue Kunden zu werben.542 Er darf sich daher nicht darauf beschränken, einen vom Unternehmer übertragenen Kundenstamm zu nutzen,543 ohne mit ihm die Geschäfte ausbauen zu müssen. Die Vermittlung kann jedoch an Neu- oder Altkunden erfolgen; um Geschäfte mit beiden Kundengruppen hat sich der HV zu bemühen.544 Für die Vermittlungstätifgkeit kann daher auch die Verpflichtung zur Vermittlung neuer Geschäfte an einen vorhandenen Kundenstamm genügen. Der Vermittlungsvertreter bildet in der Praxis des Vertriebs von Investitionsgü-

533 Niebling WRP 2012, 1361 (1365). 534 Niebling WRP 2012, 1361 (1365) – Kfz. 535 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 Rn 44; v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, IHR 2008, 201 Rn 13; v. 20.6.1984 – I ZR 62/82, BGHZ 91, 370 (374). 536 Stade IHR 2016, 49 ff.; Bottiau ZVertriebsR 2015, 205. 537 Vgl. English Court of Appeal ZEuP 2002, 823: Das Gericht entschied in Bezug auf SB-Tankstellen in Anwendung der wortgleichen Umsetzungsnorm (Commercial Agents Regulations 1993), dass keine HV-Tätigkeit vorliege. Zur Abweichung von der Rspr. des BGH und der daraus folgenden europäischen Divergenz s. Westphal ZEuP 2002, 828; siehe auch die Entscheidung des Cour de cassation v. 15.1.2008, veröffentlicht in BICC No. 680 v. 15.4.2008, in Anwendung der französischen Umsetzungsnormen (Art. L134-1 des Code de commerce): Hiernach ist für die HVEigenschaft die Befugnis zu Verhandlungen notwendig. 538 Kutscher-Puis ZVertriebsR 2016, 68. 539 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI U (Kart) 5/17, NZKart 2018, 54 (55). 540 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 56; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 55. 541 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 19. 542 LG Bielefeld, Beschl. v. 13.1.2010 – 5 O 303/10, BeckRS 2013, 06820. 543 LG Bielefeld, Beschl. v. 13.1.2010 – 5 O 303/10, BeckRS 2013, 06820. 544 Zu Altkunden ergibt sich dies nicht nur aus § 84 sondern auch aus § 87 Abs. 1 S. Alt. 2, § 87 Abs, 2. Emde

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tern gegenüber Unternehmen die Regel.545 Man wird ihn als ermächtigt ansehen müssen, als Empfangsvertreter des Unternehmers das Angebot des Geschäftspartners entgegenzunehmen.546 In der Minderzahl der Fälle ist der HV auch Abschlussvertreter (dazu unten). Er kann dann das Angebot des Geschäftspartners zugleich namens des Unternehmers annehmen und den Abschluss damit perfekt machen. Die Art und Weise seiner Einwirkung steht dem HV regelmäßig frei,547 etwa mittels zulässi- 71 gerweise beschäftigter Hilfspersonen. Einzelheiten bestimmt der Vertrag.548 Insbesondere ist keine persönliche Einwirkung des HV auf den Kunden oder eine persönliche Tätigkeit des HV erforderlich und angesichts der heutigen Kommunikationsformen auch wenig wahrscheinlich.549 Dass ein persönlicher Kundenkontakt unnötig ist, beweist nichts besser als die Existenz des § 87 Abs. 2, demzufolge dem Bezirksvertreter eine Provision für alle in seinem Bezirk geschlossenen Geschäfte zusteht. Er erhält also eine Provision ohne jeden Kontakt zum Kunden und ohne dass er für den Geschäftsabschluss ursächlich sein muss. Das Geschäft kann sogar allein vom Unternehmer abgeschlossen worden sein. 72 Problematische Beispiele bilden: – Die Tätigkeit von Angestellten des HV genügt, um den Vermittlungserfolg dem HV zuzurechnen, sofern keine persönliche Tätigkeit des HV vereinbart ist. – Ein Call-Center550 ohne persönlichen Kundenkontakt kann HV sein.551 – Gleiches gilt für Internetplattformen.552 Seitens des Plattformbetreibers tritt zwar niemand persönlich in Erscheinung, um auf die potentiellen Vertragsparteien einzuwirken.553 Dies ist jedoch nicht erforderlich. Eine Plattform weckt allein durch den Internetauftritt und die Ausgestaltung der Angebotsseite das Interesse des Suchenden. Dieses technische und digitale Zurschaustellen des Angebots des Unternehmers bildet ein Einwirken auf den Kunden, um seine Abschlussbereitschaft herbeizuführen.554 Für den späteren Geschäftsabschluss ist dann der Internetauftritt der Plattform zumindest mitursächlich geworden.555 – Da Mitursächlichkeit für den Vermittlungserfolg genügt,556 ist es ferner ausreichend, wenn der ein Vertriebssystem aufbauende oder führende Vertriebs- oder Strukturleiter (zum Strukturvertrieb unten, „Handelsvertreter und ihr Tätigkeitsbereich“) über sog. „unechte“ Untervertreter kraft Weisungsbefugnis als „mittelbarer Täter“ vermittelt.557 Der Unterneh545 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 13; aA möglicherweise in dem nach Umsatzzahlen und forensischer Praxis (wegen der seltenen Ausgleichsstreitigkeiten) weniger bedeutendem Vertrieb von Verbrauchsgütern gegenüber Endverbrauchern, etwa Tankstellenvertrieb, Verkauf von Kosmetika etc, siehe Karsten Schmidt JuS 2008, 665 (666). 546 Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 18c. 547 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 56; Hopt § 84 Rn 22. 548 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 56. 549 OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166 Rn 42 – Händler; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-16 U 70/14, ZVertriebsR 2015, 249 (252); Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359 (362); Hopt § 84 Rn 22; Oetker/Busche5 § 84 Rn 44; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 56; Roth in: Koller/Roth/Morck § 84 Rn 4. 550 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220; OLG Köln, Urt. v. 2.7.2010 – 19 U 2/10, BeckRS 2011, 04516; hierzu auch Dieselhorst/Grages MMR 2011, 368. 551 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220; OLG Köln, Urt. v. 2.7.2010 – 19 U 2/10, BeckRS 2011, 04516; hierzu auch Dieselhorst/Grages MMR 2011, 368. 552 Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659 (663); Rohrßen ZVertriebsR 2019, 153 (159); Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359 (362); Nolte BB 2017, 1187; Emde/Valdini BB 2016, 899. 553 Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359 (362). 554 Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359 (362). 555 Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359 (362). 556 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 13. 557 BGH, Urt. v. 23.12.2011 – VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 Rn 31; BGHZ 56, 290 (293); 59, 87 (93); OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-16 U 70/14, ZVertriebsR 2015, 249 (252); OLG München HVR Nr. 987; Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359 (361); Karsten Schmidt Handelsrecht5 § 27 I 2 d; Emde MDR 1999, 1108 (1109); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 56; Hopt § 84 Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 56. 529

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mer darf dem HV die Aufgabe übertragen, gegen Provision dessen Angestellte anzuleiten, zu überwachen und/oder sich deren Vermittlung von Kundengeschäften einzuschalten.558 Es genügt auch, wenn ein Händler auf einer insg. siebenstufigen Vertriebsstufe die 6. Stufe einnimmt und in erster Linie verwaltende Aufgaben wahrnimmt, so dass die eigentlichen Vertragsschlüsse durch Mitglieder seiner Struktur erfolgen.559 Jedoch ist gerade beim Strukturvertrieb die Grenze zum leitenden Angestellten fließend. Die Aufgabenstellung kann sich schleichend von der Vermittlungstätigkeit zu der eines leitenden Angestellten verschieben.560 Problematisch ist die Wirkung auf den Ausgleichsanspruch. Die Anzahl der neu geworbenen oder erweiterten Stammkunden wird im Laufe des Wechsels stetig reduziert. Zudem ist der Ausgleich spätestens ein Jahr nach Abschluss der „Umwandlung“ des Rechtsverhältnisses, deren Zeitpunkt sich kaum je exakt nachweisen lassen wird, anzumelden. Im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist Großzügigkeit angebracht und die Vermittlungstätigkeit durch unechte Untervertreter zuzurechnen, soweit dies möglich ist. 73 Es muss jedoch zum Zwecke des Geschäftsabschlusses auf einen Dritten, potentiellen Kunden oder Geschäftsherrn, gerichtet auf die Erteilung des konkret ins Auge gefassten und den Gegenstand der Vermittlungsbemühungen bildenden Auftrags eingewirkt werden („Zielgerichtetheit“ oder „Finalität“ der Mitwirkungshandlung).561 Erforderlich ist also das Bestehen eines „DreiPersonen-Verhältnisses“.562 HV und Kunde dürfen also nicht identisch sein.563 Dafür dürfte es auf die objektive Situation und nicht auf die subjektive Sicht des Kunden ankommen, was problematisch sein kann, wenn der HV „anonym“ handelt.564 Auch bei Internetplattformen liegt dieses „Drei-Personen-Verhältnis“ (Unternehmer-Vermittler-Kunde) vor.565 Der Begriff der „Vermittlung“ ist im Rahmen des § 84 autonom auszulegen und es bleibt – solange der geschlossene Vertrag jedenfalls zur Vermittlung oder Abschluss als Hauptleistung verpflichtet – irrelevant, welchen Umfang die geschuldete Vermittlungsleistung einnimmt oder „wie viel“ der HV vermitteln oder abschließen muss, damit er in concreto seinen Vertragspflichten nachkommt oder seine Provision verdient. Letzteres ist eine Frage des § 86 sowie der §§ 87 ff. Die Statusfrage des § 84 und die Frage der Erfüllung der vertraglichen Vermittlungspflicht werden nicht immer sauber voneinander geschieden. Für die Statusfrage gilt: „Vermittlung“ ist wirtschaftlich zu verstehen,566 und zwar erneut zum Schutze des HV weit. Erforderlich ist nur, dass der HV verpflichtet ist, den Geschäftsabschluss durch Einwirkung auf die Willensentscheidung des Kunden in irgendeiner Weise zu fördern.567 Ob der HV dieser Pflicht nachkommt oder nicht, bleibt für die Einordnung des Vertragsverhältnisses als HV-Vertrag irrelevant. Er muss lediglich zu Vermittlungsbemühungen und zu keinem Vermittlungserfolg verpflichtet sein.568 Wäre man aA, könnte der Mittler durch Untätigkeit über seinen Status richten und sich dadurch auch der Vermittlungspflicht entledigen. Deshalb ist es auch irrelevant, wie beschwerlich die Tätigkeit des HV ist. Anderer Ansicht war das LG Dortmund: Die Postagenturen der Deutschen Post AG sollen keine HV sein,569 weil sich die Produkte – Postdienstleistungen – quasi „von selbst“ 558 559 560 561

OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-16 U 70/14, ZVertriebsR 2015, 249 (252). OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166 Rn 42. Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 33. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 55 ff.; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 16, 18a. 562 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 66. 563 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 6. Auch bei Abhängigkeit oder Konzernierung des Kunden kann jedoch eine Vermittlung vorliegen, ein „Durchgriff“ zu Lasten des HV ist regelmäßig abzulehnen. 564 Mglw. aA Dieselhorst/Grages MMR 2011, 368 zum anoym agierenden Online-Shop. 565 Vgl. Dreyer/Ahlenstiel NZKart 2019, 130; offen gelassen von Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359. 566 Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 29; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 56. 567 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 56; Hopt § 84 Rn 22; Westphal I Rn 56. 568 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 67. 569 LG Dortmund, Urt. v. 14.12.2006 – 16 O 92/05 – NJOZ 2007, 1485; aA LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2014 – L 11 R 2662/12, BeckRS 2014, 66980. Hinsichtlich der werbenden Bemühungen der Postagenturen dürfte auch der Emde

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verkaufen. Wegen mangelnder Vermittlungsgelegenheit ähnlich entschieden einige Gerichte570 zu Vermittlern der GEMA. Sie sollen nicht als HV einzustufen sein, da nach § 11 Abs. 1 UrhWahrnG ein Abschlusszwang für die Kunden besteht und der Unternehmer ebenfalls einem Abschlusszwang unterliege. Andererseits soll ein Vertriebsleiter, der in erster Linie Vertriebsmitarbeiter für den Unternehmer anstellen und leiten und nicht selbst unmittelbar Geschäfte vermitteln soll, wieder HV sein.571 Auch die Tatsache, dass der Mittler bei der Geschäftsvermittlung nur mitursächlich572 wer- 74 den muss, schließt seine Einordnung als HV nicht aus. Auch ohne Mitursächlichkeit für die Vermittlung kann ein HV-Vertrag vorliegen, siehe § 87 Abs. 2. Gesetzestypisch ist die Mitursächlichkeit lediglich Voraussetzung der Vermittlungsprovision des § 87 Abs. 1; es kann aber vertraglich Abweichendes geregelt werden. Für den Vertragsschluss mitursächlich wird der HV auch dann, wenn etwa der Unternehmer dem HV Adressen von Kunden mitteilt. Denn auch dann müssen die Kunden vom Geschäftsabschluss noch überzeugt werden.573 U. U. erfüllt der HV seine Vertragspflichten mangelhaft, sollte er sich darauf beschränken, nur „Mitursächlichkeit“ für den Geschäftserfolg anzustreben. Er schuldet mangels entgegenstehender Abreden vollen Einsatz. Gleichfalls ist es ist für den Vertreterstatus unerheblich, ob erst eine letzte Handlung des Unternehmers zum Vertragsschluss führen soll.574 Die Rspr. zur Annahmestelle für das Zahlenlotto,575 „schon das Offenhalten der Annahmestelle übe einen Anreiz aus, Wetten abzuschließen und fördere das Zustandekommen von Wettverträgen dadurch, dass Gelegenheit geboten werde, Lottoanträge zwecks Weiterleitung an den Lottounternehmer und Abschluss der Wettverträge einzureichen“ kennzeichnet den Pflichtenkreis stationärer HV und streift auf der Basis der wiedergegebenen Dogmatik die Untergrenze wirklicher Vermittlungstätigkeit; die Zeichnungsstellen bei der Auflegung von Anleihen und der Ausgabe von Aktien sollen deshalb nicht HV sein.576 Da eine mittelbare oder unmittelbare Einwirkung auf den Kunden, dass dieser das Ge- 75 schäft mit dem Unternehmer abschließt,577 gefordert sein soll, entspricht es überwiegender Ansicht, die Verpflichtung zum bloßen Nachweis von Geschäftsmöglichkeiten gegenüber dem Unternehmer genüge nicht, um eine HV-Tätigkeit anzunehmen.578 Obwohl man dem Terminus „vermitteln“ möglicherweise ein gewisses „Hin- und Her“ („Pendeln“ bei mehrmaligem Kontakt) zwischen den Vertragsparteien und dem Parallelbild des Abschlussvertreters ebenfalls einen direkten Kontakt zum Kunden entnehmen darf, ist die Verpflichtung zur unmittelbaren oder mittelbaren Einwirkung auf den Kunden durch den Wortlaut des Gesetzes nicht geboten und ein solches Erfordernis für die Statusfrage wäre auch nicht sachgerecht. Vermittelt ist das Geschäft auch ohne eine solche Einwirkung. Es reicht, dass z. B. durch die Nennung von Kaufinteressenten unmittelbar auf den Unternehmer eingewirkt wird, konkrete Geschäfte zu zeichnen. heute gegebene Wettbewerb eine Rolle spielen, zudem der Wettbewerb zu anderen Kommunikationsformen wie EMail, Fax etc. 570 LG Berlin, Urt. v. 28.8.2015 – 10 O 286/14; LG Wiesbaden, Urt. v. 5.8.2009 – 11 O 33/09; offen gelassen von der Folgeinstanz OLG Frankfurt/M., Urt. v. 23.2.2010 – 11 U 58/09; zweifelhaft. 571 OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-16 U 70/14, ZVertriebsR 2015, 249. 572 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, NJW 2015, 1754 Rn 13; v. 5.4.2006 – VIII ZR 384/04, BB 2006, 1301; NJW 1980, 1793; BAG BB 1971, 492; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 56; Hopt § 84 Rn 22; Oetker/Busche5 § 84 Rn 44. 573 LG Bielefeld, Urt. v. 19.4.1985, HVR Nr. 608; wohl auch BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, NJW 2015, 1754 Rn 12; aA OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.8.2007 – 15 U 56/07, BeckRS 2007, 14360. 574 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 55. 575 BGHZ 43, 108 (113) = NJW 1965, 1132 (1134); einschließlich der Bezirksstellen BGHZ 7, 59 (87). 576 Staub/Brüggemann4 § 84 Rn 22. Ebenso LG München I, Urt. v. 23.12.2016 – 10 O 16326/14 – Retail-Outlet (auch wenn der HV sonst keine Werbetätigkeit entfaltet haben sollte). 577 Westphal I Rn 56 f.; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 49; Hopt § 84 Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 55; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 18a. 578 Begr. RegE, BT-Drucks. I/3856, S 15; Westphal I Rn 57; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 49; Hopt § 84 Rn 23; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 57; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 18a. 531

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Ohne Nennung der Geschäftsadressen wäre der Vertrag nicht zustande gekommen. Der HV ist hier Einkaufsvertreter. Nicht erforderlich ist deshalb die Einwirkung gerade auf den Kunden oder zwingend auf beide Vertragspartner. Zumindest deshalb erfüllt es die Anforderungen, wenn auf einen der potentiellen Vertragspartner, Vertreter oder Kunden, zum Zwecke des Vertragsschlusses eingewirkt werden soll. So hat der BGH wiederholt die Ansprüche an die Einwirkungshandlung herabgesetzt und, wie skizziert, sowohl bei Lotto- wie bei Tankstellenvertretern angenommen, bereits das Offenhalten des Betriebes (nicht notwendigerweise einer „Verkaufsstelle“) genüge als vermittelnde Tätigkeit.579 Eine konkrete Einwirkung auf den Kunden fehlt hier im klassischen Sinne, sie beschränkt sich auf die „Sogwirkung der Verkaufsstätte“. Auch die Rechtsfolge der h. M. wäre kaum wünschenswert: Würde nämlich das vermittelnde Element fehlen, bliebe der hiervon betroffene Vertrag ein bloßer Geschäftsbesorgungsvertrag ohne die speziellen und schützenden Normen des Vertreterrechts. Die erforderliche Einwirkung auf einen der potentiellen Vertragspartner setzt auch nicht voraus, dass sie tatsächlich für den Kauf kausal wird. Auch wenn der Mittler auf bereits zum Kauf Entschlossene einwirkt, liegt eine Vermittlung vor.580 Obgleich Umfang oder Schwierigkeit der vorgesehenen Vermittlung nicht statusbegründend 76 wirkt (auch wenn die Vermittlung leicht ist, bleibt der Mittler HV),581 und dabei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist,582 begründen bloße Vorbereitungs- oder Hilfsdienste außerhalb des Leitbilds der Vermittlung oder des Abschlusses keine Pflicht zur „Vermittlung“ und folglich keinen HV-Vertrag.583 Die Verpflichtung zur reinen Werbung ist deshalb ebenso wenig ausreichend584 wie zur Kontaktpflege, Betreuung oder zur Bereitstellung einer Struktur zum Online-Vertrieb (Online-Shop).585 Hierdurch sollen keine konkreten Geschäfte vermittelt, sondern lediglich Kaufanreize geschaffen werden.586 Sonst wäre jede Werbeagentur HV. Grenzfall ist der Nachweis der Gelegenheit von Geschäften, der angeblich nicht genügen soll.587 Es fehlt an der angeblich erforderlichen konkreten Einwirkung auf einen der vorgesehenen Vertragspartner. Zwar zählt allgemeine Werbung u. U. zu den Pflichten eines HV. Sie ist aber nicht kennzeichnend oder bestimmend für diesen Vertragstyp.588 In der Sache handelt es sich um eine teleologische Reduktion des insoweit zu weiten Wortlauts unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm. Die notwendige Abgrenzung bedarf möglicherweise noch einer vertieften Fallgruppenbildung. Nicht HV ist deshalb derjenige, dessen Tätigkeit der bloßen Weckung von Kaufanreizen im Allgemeinen zu dienen hat. Keine Vermittlungstätigkeit, mithin keine HVTätigkeit, üben daher aus: – ein Ärzte- oder Pharma-Propagandist,589 der sich nicht an Apotheken oder deren Kunden, die Patienten, wendet, sondern an Ärzte, die das empfohlene – apothekenpflichtige – Medikament verschreiben und damit zu dessen Umsatz beitragen sollen. – Der Industriepropagandist,590 welcher dazu bestellt ist, Kontakte zu eröffnen und die Erzeugnisse seines Auftraggebers „im Gespräch zu halten“, etwa bei Behörden, damit der Unternehmer bei Ausschreibungen zur Abgabe von Angeboten aufgefordert wird (anders deshalb der Fall BGH NJW 1980 1193, wo echte Handelsvertretertätigkeit anerkannt wurde, 579 580 581 582 583 584 585 586 587 588 589

BGHZ 7, 59 (87); 43, 108 (113); BGH, Urt. v. 29.11.1984 – I ZR 149/82, DB 1985, 748. Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 18a. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 59. BGHZ 59, 87 (92); Westphal I Rn 11. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 58; Hopt § 84 Rn 23. Hopt § 84 Rn 23; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 16a. Dieselhorst/Grages MMR 2011, 368. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 58. Hopt § 84 Rn 23; zweifelhaft. BGH NJW 1983, 42; Westphal I Rn 58. LG Dortmund, Urt. v. 25.1.1971 – 13 O 19/70, DB 1971, 524; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 58; aA Neflin DB 1961,

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590 LG Bielefeld BB 1975, 7: „Behördenbüro“; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 58. Emde

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falls der HV in einer konkreten Ausschreibung sich für das von ihm vertretene Unternehmen durch unmittelbare Fühlungnahme mit der ausschreibenden Stelle eingesetzt hatte, damit das Unternehmen zum Zuge kam). Es fehlt in diesen Fällen an der Förderung eines konkreten Kaufentschlusses. Zudem kaufen die Beworbenen auf Grund dieser Tätigkeit keine Medikamente bei den Auftraggebern der Propagandisten. Vielmehr werden die Geschäfte in der Regel später zwischen den Besuchten und Dritten, etwa Patienten und Apotheken, geschlossen.591 – Architekten oder Dachdecker, die Baumaterial lediglich empfehlen.592 – Der Erbringer von Hilfsdiensten, zum Beispiel von Schreib-,593 Übersetzungsarbeiten,594 Regaldiensten oder Unternehmen, die EDV bereitstellen595 (hier fehlt es an der Vermittlung als zielgerichteter Einwirkung auf Dritte). – Der reine Berater oder Betreuer (zum Beispiel Kapitalanlageberater ohne Vertragsvermittlung596), der mittelbar oder unmittelbar Einfluss auf die Entscheidung des Kunden über das Geschäft ausübt,597 oder der bei der Abwicklung bereits geschlossener, wenn auch in ihrem Fortbestand möglicherweise gefährdeter Verträge Tätige.598 Grund: Auch hier mangelt es an der auf den Geschäftsabschluss zielenden Tätigkeit des Mittlers. – Der Tippgeber, da es an einer Verpflichtung zum Tätigwerden fehlt.599 Es handelt sich um eine Vorstufe der Vermittlung.600 Solche Tätigkeiten werden auf der Basis eines Vertrages als freier Mitarbeiter (Geschäftsbesor- 77 gungsvertrags gem. §§ 675, 611 BGB) erbracht.601 Die §§ 84 ff. sind nicht anzuwenden. Fraglich ist aber, ob auf Pharmareferenten oder vergleichbare Propagandisten die §§ 84 ff. entsprechend anzuwenden sind. Das OLG Düsseldorf hat die entsprechende Anwendung des § 87c Abs. 2 auf den Propagandisten bejaht.602 Der BGH hat entschieden, dass Pharmareferenten keine HV sind, eine Analogie zu § 89b aber in Erwägung gezogen.603 Es spricht aber, so Drossart,604 einiges für die analoge Anwendung der Vorschriften des HV-Rechts.

c) Abschlussvertreter. Neben der Vermittlung kann der HV mit dem Abschluss von Verträgen 78 beauftragt sein, ob zusätzlich zur oder anstelle der Vermittlung ist Auslegungsfrage. Faktisch ist der Abschluss ohne vorherige Vermittlung kaum vorstellbar, jedoch denkbar, falls die Kunden auf den HV zugehen, etwa bei starker Sogwirkung der Marke. Die Abschlussvollmacht muss deutlich zum Ausdruck gebracht werden, da andernfalls nur eine Vermittlungsvertretung ver-

591 Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 103 ff; Westphal I Rn 59; BGH NJW 1984, 2695; LG Dortmund DB 1971, 524; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 16a; Küstner ZIP 1988, 63; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 58; aA Neflin RVR 70, 323 (327). 592 Thume BB 2020, 779. 593 BGH WM 1982, 1222 (1224); OLG Düsseldorf DB 1991, 1664 = EWiR 1991, 479; OLG Köln, DB 1971, 327; OLG Stuttgart BB 1959, 537; LAG Baden-Württemberg DB 1971, 1016; LG Bielefeld BB 1975, 7; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 84 Rn 19, 20; Hopt § 84 Rn 23; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 58. 594 LAG Baden-Württemberg DB 1971, 1016; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 58; Hopt § 84 Rn 23. 595 Grenzfall Online-Shop, vgl. Dieselhorst/Grages MMR 2011, 368. 596 Melcher BB 1981, 2101; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 58; Hopt § 84 Rn 26. 597 Thume BB 2020, 779. 598 OLG Köln, Urt. v. 4.11.1970 – 2 U 35/70 – BB 1971, 104; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 58; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 84 Rn 22; Hopt § 84 Rn 23. 599 Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2019, 321 (322). 600 Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2019, 321 (322). 601 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 136. 602 OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.5.1999 – 16 U 68/98. 603 BGH, Urt. v. 1.12.1983 – I ZR 183/81 – NJW 1984, 2695. 604 Drossart IHR 2016, 7 (10). 533

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einbart ist.605 Die Betrauung mit der Tätigkeit als Abschlussvertreter ist gewollt, wenn der HV im Namen des Unternehmers Angebot und Annahme des Vertrages gegenüber dem Kunden erklären darf.606 Es besteht keine Vermutung, dass ein HV Abschlussvertreter ist,607 zumal jedenfalls im Vertrieb von höherwertigen Gütern gegenüber Unternehmen der Vermittlungshäufiger als der Abschlussvertreter anzutreffen ist608 – anders mglw. im Alltagsgeschäft mit Verbrauchern (Tankstellenvertreter u. a.). Auch aus der Sicht des Gesetzes ist der Abschlussvertreter die Ausnahme: solange keine Abschlussvollmacht vorliegt, bleibt der HV lediglich Vermittlungsvertreter. Der Abschlussvertreter hat alle Rechte und Pflichten eines Vermittlungsvertreters,609 besitzt jedoch zusätzlich die Abschlussvollmacht. Sie verleiht den erhöhten Status des Handlungsbevollmächtigten (§ 55).610 Voraussetzung für die Tätigkeit als Abschlussvertreter ist eine entsprechende Vollmacht. 79 Sie kann ausdrücklich oder konkludent erteilt werden. Die Bevollmächtigung ist meist im HVVertrag enthalten, oder sie wird nachträglich gegeben,611 was auch durch schlüssiges Verhalten612 geschehen kann. Eine schlüssige Vollmachtserteilung hat das LG Berlin613 angenommen, wenn sich für den Kunden eines Anlagevermittlers der Eindruck aufdrängen musste, dass die zur Zeichnung der vermittelten Kapitalanlage führende Beratungstätigkeit für die durch den HV vertretene Bank erfolgen sollte, z. B. weil die vom HV verwendete Visitenkarte Logo und Name der Bank nennt und sich in der Beitrittserklärung ihr Firmenstempel befindet, dem der Name des HV lediglich handschriftlich hinzugefügt worden ist. Ebenso kann durch stillschweigende einverständliche Handhabung der Vertrag von einem Vermittlungs- in einen Abschlussvertrag gewandelt werden.614 Regelmäßig liegt die Bevollmächtigung bereits in der Bestellung zum Abschlussvertreter (§ 167 Abs. 1 1. Alt. BGB).615 Die Abschlussvollmacht des HV kann auf einzelne Geschäfte oder so beschränkt werden, dass die Wirksamkeit des abzuschließenden Vertrags von der Genehmigung des Unternehmers gegenüber dem Kunden abhängig gemacht wird.616 Behält sich der Unternehmer die Vertragsannahme vor, wird der Mittler nicht zum Abschlussvertreter.617 Duldet der Unternehmer das Auftreten eines Vermittlungsvertreters als Abschlussvertreter oder setzt er zurechenbar den Anschein seiner Bestellung zum Abschlussvertreter, mag eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht vorliegen.618 Der Abschlussvertreter hat den Abschluss vorzubereiten.619 Ob er daneben zu einem Ab80 schluss verpflichtet oder nur neben der Vermittlung berechtigt ist, bleibt eine Frage der Vertragsauslegung620 und der jeweiligen Geschäftschance. Teils wird eine Pflicht angenommen, wenn nicht Art oder Risiko des Geschäftes eine Rückfrage erfordert.621 Zwar muss der Vertreter 605 Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 27, 29, bedenklich LAG Hamm DB 1959, 236 („Hereinholen von Aufträgen“ als Auftrag zur Abschlussvertretung; s. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 61). 606 Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 19. 607 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 59; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 27; § 86 Rn 12. 608 Etwas anderes gilt möglicherweise im Vertrieb von Verbrauchsgütern gegenüber Endverbrauchern, siehe Karsten Schmidt JuS 2008, 665 (666). 609 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 7. 610 Eberstein S. 48. 611 LAG Düsseldorf DB 1960, 813. 612 LG Berlin, Urt. v. 7.6.2011 – 10 O 538/10, BKR 2011, 344. 613 LG Berlin, Urt. v. 7.6.2011 – 10 O 538/10, BKR 2011, 344. 614 LAG Düsseldorf DB 1960, 813. 615 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 60. 616 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 60; Heymann/Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 21, § 86 Rn 8; Hopt § 84 Rn 24. 617 Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 25. 618 LG Berlin, Urt. v. 7.6.2011 – 10 O 538/10, BKR 2011, 344; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 25a. 619 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 27. 620 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 27; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 12. 621 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 7. Emde

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günstige Geschäftsgelegenheiten wahrnehmen, jedoch nicht zwingend vermöge eines Abschlusses im fremden Namen. Er kann sich darauf beschränken, dem Unternehmer das Geschäft zu vermitteln, muss ihn jedoch dann auf ein günstiges Geschäft hinweisen. Die bloße Berechtigung ohne Verpflichtung dürfte der zu vermutende Regelfall sein.622 Der HV ist nach pflichtgemäßem Ermessen zum Abschluss berechtigt und verpflichtet, darf jedoch Rückfrage beim Unternehmer halten. Gegen eine Abschlusspflicht ohne Rückfragemöglichkeit spricht bereits, dass der HV nicht gezwungen werden kann, ohne Rückfrage und Weisung des Unternehmers das Haftungsrisiko eines Fehlabschlusses zu tragen. Der HV darf sich also mangels ausdrücklich gegenteiliger Vereinbarung auf die Vermittlung beschränken und dem Unternehmer den Abschluss überlassen, es sei denn, es wurde vertraglich etwas Abweichendes geregelt oder es existiert eine (Einzel-)Weisung zum Abschluss. Die Berechtigung kann sowohl in die eine wie die andere Richtung im Vertrag geregelt werden und dem HV etwa pflichtgemäßes Ermessen eingeräumt623 werden. Falls der Abschlussvertreter vor Abschluss keine Rückfrage hält, ist er zur besonderen Sorgfalt verpflichtet. Bekannte Probleme des Unternehmers muss er berücksichtigen, etwa Lieferschwierigkeiten.624 Im Zweifel oder bei Geschäften mit außergewöhnlichen Risiken hat er vor deren Abschluss die Weisung des Unternehmers einzuholen.625 Unnötige, den Unternehmer behindernde Rückfragen müssen aber unterbleiben. Zu Änderungen des Kundenvertrages oder Inkasso ist der Abschlussvertreter nur bei 81 entsprechender Vollmacht berechtigt und verpflichtet.626 Mit der Vermittlung ist der Abschlussvertreter a maiore ad minus neben dem Abschluss im Zweifel ebenfalls beauftragt, sofern der Vertrag nicht ausnahmsweise deutlich die Tätigkeit auf den Abschluss begrenzt.627 Zum Begriff des Abschlussvertreters siehe auch oben sowie die Kommentierung zu § 86.

d) Geschäfte. § 84 Abs. 1 spricht von der Vermittlung oder dem Abschluss von „Geschäften“. 82 Anders als für die RL, die nur den Warenhandelsvertreter erfasst,628 ist die Art der vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte im Rahmen der §§ 84 ff. irrelevant.629 Die Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit des HV kann sich folglich auf alle Arten von Geschäften beziehen,630 sogar sittenwidrige, wobei dann jedoch meist auch der HV-Vertrag sittenwidrig sein dürfte. Auch große Einzelgeschäfte (Brückenbau, Gebäudebau) können auf diese Weise vermittelt werden,631 sofern der Vertrag auf ein ständige Tätigkeit gerichtet ist. Auch wenn ein Mittler lediglich andere Vermittler anwerben soll, ohne selbst die Produkte an Endverbraucher zu vertreiben, kann er HV sein.632 Im Vordergrund des gesetzlichen Leitbilds steht gleichwohl der Warenumsatz, der HV ist jedoch nicht auf die Vermittlung von Kaufverträgen beschränkt.633 Besonders vom HGB hervorgehoben werden der Versicherungsvertreter und der Bausparkassenvertreter (§§ 92, 89b Abs. 5, 92a Abs. 2, 92b Abs. 4). Anders als beim Handelsmäkler (§ 93) brauchen die vertriebenen Produkte nicht „Gegenstände des Handelsverkehrs“ zu betreffen. Ferner fordern die §§ 84 ff. 622 623 624 625 626 627

AA Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 19. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 13a. Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 86 Rn 12; Oetker/Busche5 § 86 Rn 14. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 7. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 60; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 21. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 60; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 8; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 27; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 7. 628 Vgl. BGH, Urt. v. 18.10.1995 – VIII ZR 149/94, BGHR HGB § 84 – Handelsvertreterverhältnis 1. 629 BGH WM 1982, 272 (273); Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 22; Hopt § 84 Rn 26; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 61–64; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 31. 630 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 61; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 31; Oetker/Busche5 § 84 Rn 47. 631 Hopt § 84 Rn 26. 632 OLG Köln, Urt. v. 22.8.2014 – 19 U 177/13, BeckRS 2015, 02080. 633 BGH, Urt. v. 21.1.1965 – VII ZR 22/63, NJW 1965, 1132 (1134). 535

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keine bestimmten Kenntnisse des HV, etwa in Hinblick auf den Vertriebsgegenstand. Deshalb steht es einem HV-Vertrag nicht entgegen, wenn sich der HV notwendige Fachkenntnisse erst mittels Schulung anzueignen hat.634 83 Die vom Vertriebsrecht erfassten Waren werden regelmäßig im Vertrag näher beschrieben.635 Die so bestimmte Palette kann konkludent erweitert werden,636 etwa durch Zusendung von Werbematerialien für neue Produkte und anschließenden Vertrieb durch den HV.637 Im Zweifel darf und muss der HV das gesamte Lieferprogramm des Unternehmens vertreiben.638 Neue Artikel werden im Regelfall ohne besondere Abrede Vertriebsgegenstand,639 selbst wenn sie sich an andere Kunden wenden, als sie der HV bisher bearbeitete640 (Näheres § 86 Rn 21 ff.). Etwas anderes gilt möglicherweise hinsichtlich für den Mittler branchenfremder Artikel oder solcher, welche er bereits in zulässiger Weise für andere Unternehmen vertreibt.641 Beispielhaft kommt die Vermittlung folgender Leistungen in Betracht642: 84 – Adressbucheinträge643 – Anlagen- und Kredite644 – Anzeigengeschäfte645 – Bauaufträge646 – Bauspar-647 oder Versicherungsverträge648 (§ 92) – Befrachtung, Abfertigung oder Ausrüstung von Schiffen und Buchung von Schiffspassagen (siehe § 92c) – Bilder eines Künstler-Repräsentanten649 – Dienste u. ä.650 – Einkauf von Geschäften für den Unternehmer; insb. von Ware, Diensten, Mietverträgen (Einkaufsvertreter)651 634 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 40; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 36; tendenziell aA LSG BadenWürttemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11 – BeckRS 2014, 72685, falls die Schulung eher einer „Ausbildung“ gleicht. 635 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 61; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 22; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 32. 636 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 61; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 9. 637 OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.5.1985 HVR Nr. 610; Oetker/Busche5 § 87 Rn 10. 638 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 61; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 9; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 24. 639 Westphal II Rn 370; Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 190 ff. (für den Vertragshändlervertrag); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 61; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 9, § 87 Rn 9; Hopt § 86 Rn 12; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 24; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 5a. 640 BGH, Urt. v. 17.2.1981 – I ZR 39/79 – DB 1981, 1772; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 24. 641 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 9; Hopt § 86 Rn 12; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 24; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 5a. 642 Siehe auch die Übersichten bei Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 35; Hopt § 84 Rn 26. 643 OLG Nürnberg NJW 1957, 1720; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 31. 644 BGH, Urt. v. 25.10.2007 – III ZR 100/06, VersR 2008, 352; v. 12.7.2007 – III ZR 83/06, VersR 2007, 1653 (1654); v. 14.11.1983 – II ZR 184/82, WM 1984, 127; Melcher BB 1981, 2101; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 35; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 59; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 31. 645 LG Berlin, Urt. v. 4.7.2018 – 11 O 52/14; Schröder DB 1970, 1625; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 11; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 31. 646 BGH, Urt. v. 20.2.1986 – I ZR 105/84, NJW-RR 1986, 709 (710). 647 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 10. 648 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 9. 649 Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 ff.; aA OLG Hamburg, Urt. v. 28.10.2005 – 11 U 169/04, NJOZ 2006, 1543. 650 Westphal I Rn 61. 651 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – IX ZR 241/14, ZVertriebsR 2016, 225 = EWiR 2016, 495 (Henssler); OLG Hamburg VW 1967, 788; 914; 1014; Westphal I Rn 61; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 35; Hopt § 84 Rn 26; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 89b Rn 7; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 31. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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§ 84

Eintrittskarten652 Ferienhäuser653 Filmverleihverträge Finanzdienstleistungen654 Fondbeteiligungen655 Gesellschaftsanteile656 Immobilien657 Kabelanschlüsse658 Kabelmietverträge659 Kapitalanlagen660 Kfz (50 % der Mercedes-Benz-„Händler“ sind HV)661 Kleidung662 Kommanditeinlagen für Geldanlagen (gehalten von einer Treuhandkommanditistin)663 Konzertkarten664 Kosmetika665 Leasingverträge666 Ladegut667 Lotto-Geschäfte668 Mietverträge669

652 BGH NJW-RR 1986, 709; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 35. 653 LAG Niedersachsen HVR Nr. 1182; Hopt § 84 Rn 26. 654 BGH, Urt. v. 25.10.2012 – VII ZR 56/11, BB 2012, 3098 Rn 42; LG Bonn, Urt. v. 19.5.2009 – 10 O 483/08, BeckRS 2009, 15914; Hopt § 84 Rn 26; teilweise die „Anlageberater“ der Banken, vgl. Artzt/Kemter BKR 2011, 476. 655 BGH, Urt. v. 25.10.2012 – VII ZR 56/11, BB 2012, 3098 Rn 42. 656 BFH, Urt. v. 20.7.2007 – VR 62/06, ZIP 2008, 503 = DB 2008, 620. 657 BGH BB 1982, 1876; BAG, Urt. v. 22.1.1971 – 3 AZR 42/70, BB 1971, 492; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 59. 658 BAG, Urt. v. 29.10.1997 – 5 AZR 624/96, BB 1997, 2376. 659 OLG Köln, Urt. v. 19.6.2015 – 19 U 109/2014, BeckRS 2015, 19345. 660 OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.9.2008 – 16 U 217/06, BeckRS 2010, 04763. 661 EuG, Urt. v. 15.9.2005 – T-325/01 – Daimler Chrysler/Kommission, WuW 2005, 1061 = EU-R 933 = DB 2005, 2127 = EWiR 2005, 861 (Weidenbach) = EuZW 2005, 766 (LS); Giesler/Giesler2 § 1 Rn 30; s. a. Kommissionsentscheidung EuZW 2001, 674; hierzu Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167 ff.; Lubitz EWS 2004, 556; Emde VersR 2003, 420; Emde BB 2005, 394. Das LG Kiel (Urt. v. 20.12.2012 – 17 O 222/11) verneint die Tätigkeit einer Konzertagentur als HV, wenn die Konzertagentur zwar die typengemischten Verträge über die Eintrittskarten schloss, jedenfalls aber ein Teil der Kunden sich zuvor auf einer Homepage des Unternehmers als Kaufinteressenten benannte, worauf die Daten dieser Kunden an den HV weitergeleitet wurden, um die Kunden anzurufen und die Verträge zu schließen. Diese Entscheidung dürfte im Spannungsverhältnis zum Urt. des BGH v. 26.10.2011 – VIII ZR 222/10, NJW 2012, 304 stehen. 662 LG Berlin, Urt. v. 14.7.2014 – 99 O 79/13, ZVertriebsR 2015, 309. 663 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293. 664 BFH, Urt. v. 3.11.2011 – V R 16/09, DB 2012, 670 = BeckRS 2012, 94561; BGH, Urt. v. 20.2.1986 – I ZR 105/84, NJW-RR 1986, 709. 665 OLG Celle, Urt. v. 16.2.2017 – 11 U 88/16, ZVertriebsR 2017, 230. 666 Graf v. Westphalen BB 2009, 2378 (2383). 667 BGH NJW-RR 1986, 709 (710); OLG Hamm BB 1968, 1017. 668 BGH, Urt. v. 4.6.1975 – I ZR 130/73, WM 1975, 931 = BB 1975, 1409 (1410) (besonders zur Ausgleichsberechnung); v. 22.6.1972 – VII ZR 36/71, NJW 1972, 1662; v. 21.1.1965 – VII ZR 22/63, NJW 1965, 1132; OLG Schleswig, Beschl. v. 31.7.2014 – 16 U 68/16, BeckRS 2015, 11000; Thume BB 2015, 387; Salaw-Hanslmaier/Brunner ZfWG 04/12, 240 (245); Küstner ZIP 1988, 63; Hopt § 84 Rn 26; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 31; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 59. 669 BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 123/98, ZIP 1999, 1307; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 35; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 61. 537

Emde

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1. Buch. Handelsstand

Mineralöl (Tankstellenpächter)670 Mobilfunkleistungen671 Ölraffinerien672 Partnerschaften/Ehen673 Patentlizenzverträge Regaldienst- oder Regalpflegetätigkeit in Kaufhäusern674 Reedereigeschäfte675 Reisen (Reisebüros)676 Sammelbestellungen für Versandhäuser677 Telefonverträge.678 Bei ihnen ist, vorbehaltlich der jeweiligen Vertragsbestimmungen, nicht das einzelne Telefongespräch sondern der langfristige Telefondienstvertrag das vermittelte Geschäft679 Tickets für Veranstaltungen durch Internetportale680 Theaterkarten681 Verkaufsgeschäfte jeder Art, insb. alle Gegenstände des Rechtsverkehrs anderer Vermittler682 (Maklerbetreuer683) Wasserversorgungsverträge684 Werbeverträge685 Zeitschriften.686

670 BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009; v. 15.10.1964 – VII ZR 150/62, BGHZ 42, 244 (245) = NJW 1965, 248; v. 9.6.1969 – VII ZR 49/67, BGHZ 52, 171 (174) = NJW 1969, 1662; v. 15.12.1967 – KZR 6/66, MDR 1968, 386; BB 1972, 938; v. 20.2.1981 – I ZR 59/79, NJW 1981, 1961; v. 29.11.1984 – I ZR 149/82, BB 1985, 353; NJW-RR 1993, 1122; v. 12.9.2007 – VIII ZR 194/06 m. Anm. Emde; OLG Hamm, Urt. v. 29.7.2013 – 18 U 169/12, IHR 2014, 231; OLG Celle BB 1959, 898; LG Hamburg NJW 1963, 1550 m. Anm. Würdinger; Steinhauer BB 2009, 2386; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 31; Ebenroth S. 26; Lange DAR 1958, 8; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 59. 671 OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.9.2012 – I-16 U 77/11, BB 2012, 2656 m. Anm. Hilgard; OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, BeckRS 2009, 15934; OLG München, Urt. v. 18.7.2007 – 7 U 2055/06, BeckRS 2007, 01692. 672 VIAC-Schiedsverfahren, Case no. SCH-5330. 673 OLG Nürnberg, Urt. v. 13.6.2018 – 12 U 1919/16, NJW-RR 2018, 1390; LG Hamm NJW-RR 1990, 567; Ebenroth/ Löwisch3 § 84 Rn 35. 674 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 35. 675 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 35; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 89b Rn 7. 676 BGH, Urt. v. 21.12.1973 – IV ZR 158/72, BGHZ 62, 71 (73) = NJW 1974, 852; v. 19.11.1981 – VII ZR 238/80, BGHZ 82, 219 (221) = NJW 1982, 377; v. 22.10.1987 – VII ZR 5/87, BGHZ 102, 80 (83) = NJW 1988, 488; v. 28.3.1974 – VII ZR 18/ 73, NJW 1974, 1242; v. 31.3.1982 – I ZR 60/80, WM 1982, 1152 (1153); LG Köln, Urt. v. 15.4.2011 – 89 O 37/10, BeckRS 2012, 03969; AG Leipzig, Schlussurt. v. 6.4.2011 – 113 C 6263/10, BeckRS 2011, 17033; AG Bonn, Urt. v. 10.6.2010 – 103 C 470/09; BeckRS 2011, 04575; LG Düsseldorf, Urt. v. 23.2.2007 – 22 S 307/06, NJOZ 2007, 5409; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 35; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 59. 677 OLG Düsseldorf OLGR 1994, 281; OLG Hamm BB 1978, 1686; Fröhler NJW 1963, 279; Müller NJW 1963, 895. 678 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2009, 119 (Emde); LG Düsseldorf, Urt. v. 8.2.2011 – 35 O 9/10, BeckRS 2012, 10293; Ströbl BB 2013, 1027; zu Mobilfunkverträgen s. o. 679 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2009, 119 (Emde) Rn 17 f. 680 BGH, Urt. v. 23.8.2018 – III ZR 192/17, BB 2018, 2049 = ZIP 2018, 1934; Sommerfeld EWIR 2018, 718. 681 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.9.2015 – 5 U 43/15, ZVertriebsR 2016, 113 (114) Rn 16. 682 OLG Köln, Urt. v. 22.8.2014 – 19 U 177/13, BeckRS 2015, 02080; LAG Köln, Urt. v. 20.4.2015 – 2 Sa 998/14, ZVertriebsR 2015, 306. 683 OLG Hamm, Urt. v. 25.10.2012 – I-18 U 193/11 m. abl. Anm. Evers VW 9/2013, 33. 684 Thume BB 2015, 387. 685 LG Frankenthal, Teilurt. v. 14.5.2013 – 1 HK O 10/12, BeckRS 2014, 00887. 686 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, NJW 2015, 1754; v. 16.12.1998 – VIII ZR 381/97, NJW-RR 1999, 539; vgl. aber BGH, Urt. v. 6.11.1967 – VIII ZR 175/65, BB 1968, 61; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 35; Hopt § 84 Rn 26. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 84

III. Ständige Betrauung Letztes Tatbestandsmerkmal des § 84 Abs. 1 ist die „ständige Betrauung“.

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1. Betrauung Was „Betrauung“ ist, erklärt das Gesetz nicht. Das Merkmal ist farblos,687 versucht aber wohl 86 klarzustellen, dass der HV verpflichtet ist („Tätigkeitspflicht“688 – wodurch ebenfalls zum Makler abgegrenzt wird689), sich für den Unternehmer um Aufträge zu bemühen.690 Andere definieren Betrauung als Beauftragung i. S. eines Dienstvertrages mit Geschäftsbesorgungscharakter, aus dem sich für den HV die Pflicht zum Tätigwerden ergibt.691 Der Gesetzgeber wählte den Terminus, um der Beurteilung der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses nicht vorzugreifen.692 Jene ist heute als gegenseitiges, durch Treupflichten begleitetes Dauerschuldverhältnis693 mit dienstvertraglichen und geschäftsbesorgenden Elementen geklärt.694 Dem Wort ist deshalb nur zu entnehmen, dass der Mittler dem Unternehmer, über eine bloße Geschäftsverbindung hinausreichend,695 im Wege eines echten „Kooperationsverhältnisses“ mit dessen Wissen und Wollen durch einen solchen Vertrag verpflichtet696 sein muss. Betraut ist nicht absolut identisch mit „beauftragt“ i. S. d. §§ 675 BGB,697 weil dies die Bedeutung des Terminus zu sehr zu einem Rechtstypus hin verengen würde. Ein auf Vermittlung gerichteter Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter dürfte aber ein Indiz für eine Betrauung bilden.698 Der HV muss im Lager des Unternehmers stehen und dessen Belange wahren, nicht diejenigen des Kunden, zu dem er – außer im Sonderfall eines meist ungewollten Auskunftsvertrages – nicht in rechtliche Beziehungen tritt.699 Eine Tätigkeit als Nebenpflicht eines anderen Vertragsverhältnisses700 genügt ebenso wenig wie das Tätigwerden aufgrund einer außervertragliche Pflicht, etwa aufgrund familienrechtlicher Bindungen der §§ 1356 Abs. 2, 1360, 1618a BGB701 oder eines Gesell687 688 689 690 691

MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 53. Hopt § 84 Rn 41. Hopt § 84 Rn 41. BGH NJW 1972, 251; OLG Bamberg BB 1965, 1167; Hopt § 86 Rn 12. BGH, Urt. v. 22.6.1972 – VII ZR 36/71, NJW 1972, 1662 (1663); LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 246 Rn 37. 692 Begr. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 15. 693 Hopt § 84 Rn 42. 694 LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 246 Rn 37; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 10b. 695 Hopt § 84 Rn 41. 696 Eberstein A II 1; vgl. auch BGH, Urt. v. 22.6.1972 – VII ZR 36/71, NJW 1972, 1662 (1663); OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann, ZVertriebsR 2012, 111. 697 In diese Richtung aber OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315; LG Dortmund, Teilurt. v. 8.8.2017 – 10 O 12/16, ZVertriebsR 2017, 240 Rn 23 – HV müsse i. S. e. Dienstvertrages mit Geschäftsbesorgungscharakter verpflichtet sein; LG München I, Urt. v. 23.12.2016 – 10 O 16326/14; Hopt § 84 Rn 41: beauftragt i. S. d. §§ 611, 675 BGB. 698 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 – HV müsse i. S. e. Dienstvertrages mit Geschäftsbesorgungscharakter verpflichtet sein; LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 264 Rn 37; LG München I, Urt. v. 23.12.2016 – 10 O 16326/14; Hopt § 84 Rn 41. 699 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 52; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 12; Hopt § 86 Rn 20; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 1, 32. 700 Etwa im Rahmen eines Geschäftsführervertrages einer juristischen Person oder in Wahrung der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht. Jedoch kann uU ein Mischvertrag vorliegen, der auch handelsvertreterrectliche Elemente in sich trägt. Im Bereich der Analogie zu den §§ 84 ff. sind solche Mischverträge besonders häufig, etwa bei Franchisingverträgen. 701 Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 67: Allerdings kann auch zwischen Angehörigen ein HV-Vertrag geschlossen werden, wenn eine über die Unterstützungspflicht hinausgehende vertragliche Bindung gewollt ist. 539

Emde

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1. Buch. Handelsstand

schaftsvertrages. Deshalb ist beispielsweise der Gesellschafter einer oHG/KG, der sich nach der internen Aufgabenverteilung um die Vermittlung von Aufträgen für das Gesellschaftsunternehmen zu bemühen hat, nicht HV. Vielleicht schwingt dem Merkmal auch, möglicherweise vom Gesetzgeber unbeabsichtigt, das Element des gegenseitigen Vertrauens mit, welches für das HV-Verhältnis wesensbestimmend ist. Zwar handelt es sich nicht um Dienste höherer Art, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen (§ 627 Abs. 1 BGB, s. Kommentierung Vor § 84), wohl aber um ein Interessenwahrnehmungsverhältnis,702 welches nicht ohne einen Vorschuss von Vertrauen in die Loyalität des HV und in die auf seine Belange rücksichtnehmende Haltung des Unternehmers denkbar ist. 87 Der HV-Vertrag ist damit ein auf enge Zusammenarbeit ausgerichtetes Dauerschuldverhältnis703 mit Geschäftsbesorgungselementen.704 Folglich unterliegen beide Parteien besonderen Treu- und Rücksichtnahmepflichten gegenüber dem Vertragspartner, die sich auf Seiten des HV im Verhältnis zum Unternehmer zu einer Interessenwahrnehmungspflicht (§ 86 Abs. 1 Hs. 2) verdichten. Ob jene Interessenwahrungspflicht über das Wort „Betrauung“ TB-Voraussetzung des HV-Vertrages ist, erscheint zweifelhaft.705 Sie ist Rechtsfolge und nicht eine in § 84 definierte TB-Voraussetzung. Aber auch der Unternehmer unterliegt Treubindungen, die umso enger sind, je weiter er den HV in sein Vertriebssystem eingebunden und andere Verdienstmöglichkeiten des HV unterbunden hat. Deshalb sind die Treubindungen des Unternehmers gegenüber dem als Einfirmenvertreter Gebundenen besonders tief, ebenso die Treubindung eines Unternehmers, der seinen HV zu außergewöhnlichen Investitionen veranlasst. Hier können sich die Treubindungen unter dem Gesichtspunkt des Investitionsschutzes nach Wahl des HV zu einem Kündigungsverbot oder Schadensersatzanspruch erhöhen, sofern die Investitionen noch nicht amortisiert sind.706 Immer hat also der Unternehmer bei seinem Handeln auch die Interessen des HV zu berücksichtigen, was über das bloße Schikaneverbot (§ 226 BGB) hinausgehend ein Rücksichtnahmegebot wie ein Verbot der Ausübung bestimmter, dem Unternehmer formal zustehender Rechte zur Folge haben kann (§ 86a Rn 30 ff.). Dagegen unterliegen die Parteien eines HV-Vertrages keinen Gleichbehandlungspflichten.707 Beide Parteien dürfen daher individuelle Verträge mit verschiedenen Vertragspartnern zeichnen, etwa der Unternehmer mit unterschiedlichen Vertriebsmittlern seines Vertriebsnetzes.708 Jedoch kann sich der Unternehmer durch jahrelange Gleichbehandlung gegenüber allen HV gebunden haben, hiervon nicht ohne sachlichen Grund abzuweichen.709 Wenn man hier keine vertragliche Einigung annimmt, ergibt sich dies zumindest aus § 242 BGB.

2. Ständig 88 „Ständig“ meint, der HV müsse verpflichtet710 sein, sich während der Vertragslaufzeit laufend um die Vermittlung oder den Abschluss zu bemühen. Der wesentliche Unterschied zwischen HV und Handelsmakler liegt in der mit seiner Pflicht zum Tätigwerden verbundenen Bemühenspflicht des HV, um die Vermittlung oder den Geschäftsabschluss, während das Kriterium der 702 703 704 705 706

Hopt § 84 Rn 41. Hopt § 84 Rn 42. LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 246 Rn 37. Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1052). Hierzu Creutzig Der Investitionsschutz des Vertragshändlers bei ordentlicher Kündigung des Herstellers, Diss. iur. Hamburg 2001, passim. 707 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 73. 708 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 73. 709 BGH BB 1971, 584; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 73. 710 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 11; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.9.2015 – 5 U 43/15, ZVertriebsR 2016, 113 (114) Rn 18; OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 16; einschränkend Oetker/Busche5 § 84 Rn 56. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 84

Beständigkeit den für das Verhältnis Vermittler/Unternehmer maßgeblichen Makler- bzw. Vertreterbegriff i. S. d. Handelsrecht von den versicherungsrechtlichen Begriffsbestimmungen der § 59 Abs. 3 und 3 VVG, die das einzelne Versicherungsverhältnis zwischen Versicherer und VN im Blick haben, unterscheidet.711 Kennzeichnend für die ständige Betrauung ist folglich eine auf längere Frist vorgesehene beidseitige Bindung mit dem Ziel einer selbständig ausgeübten Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit. Dies kann auch konkludent vereinbart werden. So mag sich die Verpflichtung aus einer tatsächlichen Handhabung zu einer Rechtspflicht entwickeln,712 z. B. indem der Unternehmer möglichst viele Abschlüsse tätigen will und der HV dieses Bestreben teilt.713 Es muss jedoch zumindest stillschweigend ein Dauerschuldverhältnis gewollt sein,714 wo- 89 bei die tatsächliche Dauer des Vertrages irrelevant bleibt,715 mithin ein solcher von kurzer oder kurz befristeter Dauer ausreichend ist, solange er auf die Vermittlung oder den Abschluss einer unbestimmten Vielzahl von Geschäften716 gerichtet bleibt. Einer Verpflichtung zur fortlaufenden Vermittlungsbemühung für eine unbestimmte Vielzahl von Vertragsabschlüssen liegt auch vor, wenn der Unternehmer Adresslisten von Kunden übergibt, die abzuarbeiten sind. Damit wird der Mittler nicht lediglich mit der Vermittlung einzelner Geschäfte beauftragt, was für einen HVVertrag i. d. R. nicht ausreicht. Der Mittler hat sich vielmehr innerhalb des ihm zugewiesenen Kundenkreises um den Abschluss möglichst vieler Verträge zu bemühen, was für eine HV-Tätigkeit genügt. „Ständig“ bedeutet also nicht „auf immer“, „auf Dauer“ 717 „auf unbestimmte Zeit“718 oder ständige, ununterbrochene Betätigung, etwa Tag und Nacht.719 Deshalb ist es auch unerheblich, dass dem Mittler unter einem Rahmenvermittlungsvertrag jeweils Einzelaufträge zu Vermittlung von Zeitschriftenabonnements erteilt wurden.720 Dem Unternehmer muss das durch den HV abzusetzende Produkt auch nicht in unbeschränkter Zahl zur Verfügung stehen.721 Ein HV-Vertrag liegt auch vor, falls der Vertrag nur für eine von vornherein bestimmte kurze Dauer, etwa eine Saison, Kampagne, Probezeit,722 Messe oder Ausstellung begründet wird. Er darf saisonbedingte Unterbrechungen der Tätigkeit mit sich bringen oder sogar unmittelbar nach Vertragsschluss innerhalb der Fristen des § 89 gekündigt werden.723 Auf eine allzu lange Vertragszeit darf angesichts der kurzen Kündigungsfristen des § 89 ohnehin keine Partei rechnen. Entscheidend ist, dass der HV in dieser u. U. kurzen Zeit verpflichtet ist, seinen Vermittlungsbemühungen laufend nachzukommen, und zwar in Hinblick auf eine unbestimmte Viel-

711 LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 246; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315. 712 BGH Urt. v. 12.11.1996 – I ZR 107/84 Rn 12; Urt. v. 1.4.1992 – IV ZR 154/91 Rn 12; OLG München, Urt. v. 21.1.2010 – 23 U 4124/09, BeckRS 2010, 07740. 713 Hopt § 84 Rn 42. 714 Hopt § 84 Rn 43. 715 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 11, 12; NJWRR 1990, 354 (355); LG Berlin, Urt. v. 24.11.2011 – 93 O 29/11. 716 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 12. 717 Missverständlich mglw. BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 11: „die beidseitige, auf Dauer berechnete Bindung ist entscheidend“. 718 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 12; Küstner/ Thume/Schürr I Kap. I Rn 16; BGH BB 1992, 2178; DB 1984, 2298; Oetker/Busche5 § 84 Rn 40. 719 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 54. 720 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 12. 721 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 54. 722 EuGH, Urt. v. 19.4.2018 – C-645/16, BB 2018, 1037 m. Anm. Otz Rn 17, Anm. Valdini ZVertriebsR 2018, 169, Anm. Gramlich ZVertriebsR 2018, 250 sowie Anm. Kutscher-Puis ZVertriebsR 2018, 173: Die Vereinbarung einer Probezeit ist in keiner Bestimmung der RL geregelt. Eine solche Vereinbarung ist damit nicht unzulässig. 723 Westphal I Rn 90; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 54; Hopt § 84 Rn 42; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 54; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 11a. 541

Emde

§ 84

1. Buch. Handelsstand

zahl von Geschäften.724 Eine HV-Tätigkeit fehlt, wenn es im Belieben des Mittlers steht, ob er tätig werden will.725 Die Betrauung mit einem einzelnen Auftrag,726 einzelnen Aufträgen,727 einer von vornherein zahlenmäßig begrenzten Anzahl728 von Geschäften, einer Kette von punktuellen Einzelaufträgen, die für sich keine ständige Betrauung bewirken, ohne die Sicherheit ihrer Fortsetzung,729 oder eine bloße Kundenschutzvereinbarung730 erfüllen das TB-Merkmal nicht, auch wenn deren Vermittlung erhebliche Zeit in Anspruch nehmen sollte731 (der Mittler ist dann Makler). Folglich ist ein sogenannter Gelegenheitsvermittler, der vertragsgemäß für einen Unternehmer nur bei Gelegenheit vermittelt oder Bedarfsfälle nennt, kein HV.732 Unerheblich bleibt, ob die ständige Vermittlung gelingt oder ein Fehlschlagen durch begrenzte Lieferungen des Unternehmers verursacht wird.733 Auch hier kann der Unternehmer durch Eingriffe in den Vertrag nicht im Nachhinein dessen Rechtsnatur determinieren (§§ 162, 242 BGB). Entscheidend ist die Intention, einen auf ständige Tätigkeit gerichteten Vertrag schließen zu wollen. Die Aufgabe dieser Intention mag als (konkludente) Vertragsänderung zu werten sein. Ebenso bleibt die Intensität der Tätigkeit für die Einordnung als HV irrelevant. Sie richtet sich nach dem Vertrag734 sowie den Umständen des Einzelfalls.735 Kettenverträge, bei denen sich der Vertrag längere Zeit entweder gem. einer bereits bei 90 Vertragsbeginn getroffenen Vereinbarung oder (jedes Mal, meist ohne weitergehende Verhandlungen) unmittelbar vor Ablauf mit gleichbleibender vertraglicher Befristung vereinbart um jeweils feste Zeiträume verlängert, so dass beide Vertragsteile sich auf diese Handhabung eingespielt haben, sind als einheitliche unbefristete Verträge anzusehen (s. Kommentierung zu § 89). Die „ständige Betrauung“ grenzt zum Handelsmakler (§ 93) ab736 (zum Abgrenzungs91 merkmal der Betrauung s. o.), der, ohne auf Grund eines Vertragsverhältnisses ständig betraut zu sein, für andere „von Fall zu Fall“737 vermittelt.738 Auch wer zwar des öfteren Geschäfte für einen anderen vermittelt, ohne hierzu verpflichtet zu sein, ist nicht HV, sondern ggf. Makler.739 Ist der Vermittler also nicht HV, so kann er entweder Makler (Handelsmakler gem. §§ 93 ff.), Zivilmakler gem. §§ 652 ff. BGB oder theoretisch (partiarischer) Geschäftsbesorger i. S. d. §§ 675, 724 OLG Nürnberg BB 1959, 318; OLG Bamberg BB 1965, 1167; LG Berlin, Urt. v. 24.11.2011 – 93 O 29/11; Westphal I Rn 90; Hopt § 84 Rn 42; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 11a; Oetker/Busche5 § 84 Rn 40. BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, NJW 2015, 1754 Rn 11; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 10a. Eberstein S. 43; Hopt § 84 Rn 42. OLG Bamberg BB 1965, 1167; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 16; Hopt § 84 Rn 42. BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, NJW 2015, 1754 Rn 12: „bestimmter Geschäfte“; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 54. Es soll aber unbeachtlich sein, wenn jeweils Einzelaufträge zur Vermittlung von Zeitschriftenabbonements erteilt werden, s. BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, NJW 2015, 1754 Rn 12. 729 Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1052); Staudinger/Reuter (2003), Vorbem. 21 zu § 652 ff. 730 OLG München, Urt. v. 21.1.2010 – 23 U 4124/09, BeckRS 2010, 07740. 731 Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 11. 732 Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 17. 733 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 54. 734 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 53; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 15a. 735 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 53; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 25. 736 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 11; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111; OLG München, Urt. v. 21.1.2010 – 23 U 4124/09, BeckRS 2010, 07740; OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245; OLG Stuttgart BB 1959, 537; LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 246 Rn 37; LG Dortmund, Teilurt. v. 8.8.2017 – 10 O 12/16, ZVertriebsR 2017, 240; v. 15.1.2014 – 20 O 7/14, BeckRS 2015, 02118; LG Berlin, Urt. v. 24.11.2011 – 93 O 29/11; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 118; Karsten Schmidt Handelsrecht5 § 27 I 2 d; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene Vor § 84 Rn 7. 737 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene Vor § 84 Rn 7. 738 Der Handelsmakler schließt dagegen keine Verträge in eigenem oder fremden Namen, vgl. MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene Vor § 84 Rn 6. 739 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 11.

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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611 BGB mit Vergütungsberechtigung aus § 354 sein.740 Aufgrund dieser Auswahl kann man nicht generell von einer Auffangfunktion des Maklerrechts sprechen.741 Sowohl HV wie Makler sind selbständig tätig.742 Der Unterschied zwischen HV und Makler 92 besteht darin, dass der HV vertraglich zu ständigem Tätigwerden hinsichtlich einer unbestimmten Vielzahl von Geschäften verpflichtet ist,743 während der Makler trotz u. U. langjähriger Tätigkeit744 ständig tätig werden „darf“, aber nicht „muss“.745 Nicht zu verkennen ist gleichwohl, dass auch Makler faktisch wie ein HV ständig tätig werden, weil sie auf eine Vergütung angewiesen sind.746 Meistens geschieht dies aber nicht für einen einzelnen Auftraggeber. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles in die Beurteilung einzubeziehen.747 Maßgeblich ist nicht allein die von den Parteien vorgenommene Benennung oder Einordnung des Vertrages,748 die gewählte Parteibezeichnung749 oder die tatsächliche Vertragsdurchführung.750 Vielmehr ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen und dabei sowohl die vertragliche Gestaltung, als auch deren tatsächliche Handhabung zu berücksichtigen.751 Die Dauer der Geschäftsverbindung ist für die Abgrenzung ebenfalls irrelevant. Auch der Makler kann lange Zeit für seinen Geschäftspartner tätig sein, etwa im Versicherungsvertrieb.752 Leitbildartig ist der Makler aber Augenblicksvermittler, während der HV in dauernder Pflichtenbeziehung zu seinem Geschäftsherrn steht.753 Typisch für eine Maklertätigkeit mag daher – geprägt vom Bild des Grundstücksmaklers – eher die Begrenzung auf ein Objekt sein, während es mehr für einen HV-Vertrag spricht, 740 BGH LM HGB § 84 Nr. 6, Urt. v. 18.11.1971 – VII ZR 102/70; OLG Hamburg HVR Nr. 793; Urt. v. 28.10.2005 – 11 U 169/04, GRUR 2006, 788; Hopt § 84 Rn 44; Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1051). 741 Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1051). 742 LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 246 Rn 42. 743 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, NJW 2015, 1754 Rn 11; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111; OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245; LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028; LG Berlin, Urt. v. 24.11.2011 – 93 O 29/11; Teichmann ZVertriebsR 2012, 111 (112); Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 10; Oetker/Busche5 § 84 Rn 41. 744 OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245; LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028. 745 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, NJW 2015, 1754 Rn 11; NJW 1972, 251 = MDR 1972, 230; LG Dortmund, Urt. v. 15.1.2014 – 20 O 7/14, BeckRS 2015, 02118; LG Berlin, Urt. v. 24.11.2011 – 93 O 29/11; Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1050). 746 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 48 zum VV. 747 BGH, Urt. v. 1.4.1992 – IV ZR 154/91, NJW 1992, 2818 (2819); OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111; LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 264 Rn 37. 748 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 23; v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111; OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245; LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 246 Rn 37; LG Dortmund, Teilurt. v. 8.8.2017 – 10 O 12/16, ZVertriebsR 2017, 240 Rn 23; LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028. 749 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 23; v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111; LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 264 Rn 37. 750 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 23; v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111; LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 246 Rn 37; LG Dortmund, Teilurt. v. 8.8.2017 – 10 O 12/16, ZVertriebsR 2017, 240 Rn 23. Für die Maßgeblichkeit der tatsächlichen Vertragsausführung LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2014 – 12 Sa 1423/13, IHR 2014, 242 (246). 751 BGH, Beschl. v. 27.10.2009 – VIII ZB 42/08, NJW 2010, 873 (874); OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/ 14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 23; v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111; Urt. v. 28.3.2003 – 16 U 139/02; LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 246 Rn 37; LG Dortmund, Teilurt. v. 8.8.2017 – 10 O 12/16, ZVertriebsR 2017, 240 Rn 23. 752 OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245; LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028. 753 Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1051) m. w. N. 543

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§ 84

1. Buch. Handelsstand

wenn ein Tätigwerden über einen langen Zeitraum intendiert ist.754 Selbst bei anfänglicher Maklertätigkeit kann sich die Verpflichtung zum Tätigwerden, ggf. konkludent, im Laufe der Zeit entwickeln.755 93 Für eine Maklertätigkeit spricht, – die Bezeichnung als Maklervertrag bzw. – der Verweis auf die Geltung der §§ 93 ff.756 – falls sich die Vermittlung auf bestimmte Waren oder Leistungen begrenzt, während der HV tendenziell eher eine komplette Angebotspalette vertritt757 – das Fehlen einer Ausschließlichkeitsvereinbarung758 – die Bezeichnung der Vergütung als „Courtage“.759 Allerdings ist die Apostrophierung oft wenig aussagekräftig, so dass auch bei Verwendung des Begriffs „Provision“ ein Maklervertrag vorliegen kann760 – die § 99 entsprechende Regelung, dass die Vergütung des Mittlers geteilt wird761 – das Fehlen einer § 90 entsprechenden Geheimhaltungsverpflichtung762 – das Fehlen eines Wettbewerbsverbots763 – das Fehlen einer Nachrichts- und Informationspflicht i. S. d. § 86 Abs. 2.764 94 Für die HV-Tätigkeit ist Indiz, – die Bezeichnung des Vertrages als HV-Vertrag765 – die Verpflichtung zur ständigen Betreuung der Kunden,766 insb., wenn sie ausdrücklich vereinbart wurde767 – dass der Mittler dem Unternehmer nicht nur Kunden zuzuführen, sondern diese auch für den Unternehmer „bestmöglich“ zu betreuen und zur Aufrechterhaltung des Geschäftsverkehrs die geschäftlichen Richtlinien und Hinweise des Unternehmers und der Versicherungsgesellschaften (Arbeitsanweisungen, Rundschreiben, Verkaufsrichtlinien, u. a.) zu beachten hat768 – die Zahlung einer Provision769 und ihre Benennung als solche770 (außer im Versicherungsvertrieb, wo auch der Makler regelmäßig durch den Versicherer aufgrund einer Courtagezu-

754 Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1053). 755 LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028. 756 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111.

757 Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1053). 758 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111; OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245. 759 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111. 760 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 35; LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 264 Rn 40. 761 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111. 762 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111. 763 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 27. 764 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 28. 765 LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 246 Rn 39; LG Dortmund, Teilurt. v. 8.8.2017 – 10 O 12/16, ZVertriebsR 2017, 240 Rn 24. 766 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111; OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245. 767 Teichmann ZVertriebsR 2012, 111 (112). 768 LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028. 769 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.5.2014 – L 5 KR 5602/11, BeckRS 2014, 72685. 770 LG Dortmund, Teilurt. v. 8.8.2017 – 10 O 12/16, ZVertriebsR 2017, 240 Rn 28. Emde

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sage honoriert wird.771 Selbst der Abschluss eines Vertriebskoordinatorenvertrages, durch den der Vermittler weitere Courtage für die ihm unterstellten Einzelagenturen erhält, ändert daran nichts, wenn diese auf der Courtagezusage des Maklervertrages beruht772) – die Existenz von Geschäftsplänen mit Bonifikationen773 – angeblich die technische (EDV) und organisatorische Einbindung774 in das Vertriebsnetz des Unternehmers775 – die Existenz einer Interessenwahrungspflicht:776 Denn sie ist für den HV-Vertrag wesensbestimmend und zwingend und beherrscht das gesamte Vertragsverhältnis777 – im Versicherungsvertrieb die Verwendung des Begriffes „Agent“ und der damit gegebene Bezug zu den seinerzeitigen § 43 ff. VVG778 – eine Verschwiegenheitspflicht779 – das Verhalten in einem Vorprozess, in dem nicht Zweifel gezogen wurde, dass ein HVVertrag vorlag780 – die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes.781 95 Ohne Aussagekraft soll sein: – der Umfang des vermittelten Geschäftes782 – die Meldung an die AVAD783 – die Bezeichnung als „Vertriebspartner“784 – die Gewährung von Vorschüssen785 – die Nutzung von Antragsformularen des Versicherers786 – wer die Vergütung zahlt.787 Denn der Makler erhält seine Vergütung typischerweise von seinem Auftraggeber, dem Partner des Maklervertrages, bei Fehlen einer Vereinbarung über

771 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111; LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 246 Rn 41.

772 LG Köln, Urt. v. 6.3.2018 – 8 O 158/15, ZVertriebsR 2019, 246 Rn 41. 773 OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245 (aber solche können auch mit Maklern vereinbart werden). 774 OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245; LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028; LG Dortmund, Teilurt. v. 8.8.2017 – 10 O 12/16, ZVertriebsR 2017, 240 Rn 27. Tatsächlich würde sie eher gegen die Selbständigkeit und damit für einen Arbeitsvertrag sprechen. 775 OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245; LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028. 776 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 27 v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111; LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028. 777 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 27. 778 OLG Hamm, Urt. v. 3.2.1994 – 18 U 113/93, r+s 1995, 399 = BeckRS 2008, 16279. 779 LG Dortmund, Teilurt. v. 8.8.2017 – 10 O 12/16, ZVertriebsR 2017, 240 Rn 27. 780 LG Dortmund, Teilurt. v. 8.8.2017 – 10 O 12/16, ZVertriebsR 2017, 240 Rn 28. 781 LG Dortmund, Teilurt. v. 8.8.2017 – 10 O 12/16, ZVertriebsR 2017, 240 Rn 27. 782 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111. 783 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111. 784 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 39; v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111. 785 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111. 786 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10, BeckRS 2012, 00828 m. Anm. Teichmann ZVertriebsR 2012, 111. 787 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 30. 545

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die Doppelvertretung grds. von den Parteien des vermittelten Vertrags je zur Hälfte.788 Beim Versicherungsmaklervertrag erhält er seine Provisionen nicht von seinem Auftraggeber, sondern vom Versicherer, dessen Prämie die an den Makler zu entrichtende Courtage enthält789 Die Übernahme der Vergütung des Maklers durch den Unternehmer bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen stellt daher kein taugliches Abgrenzungskriterium dar790 Insbes. spricht die Zahlung einer Bestandsvergütung nicht für ein HV-Verhältnis.791 Sie kann auch einem Makler gewährt werden – die Verpflichtung zur nachvertraglichen792 oder vertragsbegleitenden793 Verschwiegenheit – die Registrierung als Makler794 oder die Eintragung in das Vermittlerregister.795 Ihr kommt allenfalls Indizfunktion zu796 – eine Weisungsgebundenheit: sie deutet nicht notwendigerweise auf einen HV-Vertrag hin797 – ob der Mittler einen Wettbewerber des Unternehmers vertritt.798 96 In Ausgleichsprozessen ist es häufig der Unternehmer, der die vertragliche Pflicht des Mittlers zur Maklerleistung „kleinreden“ will, um der Ausgleichsverpflichtung zu entgehen. Bei der Verjährungsfrage war das Maklerrecht seit 2002 bis zur Streichung des § 88 wegen der um ein Jahr kürzeren Verjährungsfrist für den in Anspruch genommenen günstiger, so dass er sich auf dessen Geltung zu berufen wünschte.799 Wenngleich es Zwischenformen zwischen HV und Makler kaum geben dürfte,800 nähert 97 sich der Maklerdienstvertrag dem HV-Vertrag an, der den Makler – insoweit gleich dem Handelsvertreter – zum Tätigwerden verpflichtet. Der Maklerdienstvertrag ist nichts anderes als ein spezieller Dienstvertrag, welcher eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Im Unterschied zum Handelsvertreter ist der Makler aber auch beim Maklerdienstvertrag nicht zum ständigen Tätigwerden in einer unbegrenzten Zahl von Fällen verpflichtet.801 Es geht auch hier in der Regel nur um die Vermittlung eines Objektes. Dem Vertragspartner fehlt die ständige Beziehung zu seinem Geschäftsherrn im Sinne einer ständigen Betrauung (§ 84 Abs. 1) und er unterliegt keiner andauernden Interessenwahrungspflicht (§ 86 Abs. 1 Alt. 2). Gibt ein HV vor, Makler zu sein, so liegt gegenüber dem Kunden ein Interessenkonflikt vor. Denn der HV ist aufgrund des HV-Vertrages verpflichtet, die Unternehmerinteressen wahrzunehmen und kann deshalb nicht so, wie es ein Makler müsste, die Interessen des Kunden wahren.802

788 789 790 791 792

OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 30. OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 30. OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 30. OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 31. AA LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028, das hieraus – da § 90 entlehnt – ein Indiz für die HV-Tätigkeit herleiten will. Aber auch ein Makler unterliegt der Geheimhaltungspflicht. 793 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, ZVertriebsR 2016, 306 = NJW-RR 2016, 1315 Rn 27. 794 LG Bonn, Teilurt. v. 13.6.2012 – 16 O 4/11, BeckRS 2013, 17651. 795 LG Dortmund, Teilurt. v. 8.8.2017 – 10 O 12/16, ZVertriebsR 2017, 240 Rn 25. 796 LG Dortmund, Teilurt. v. 8.8.2017 – 10 O 12/16, ZVertriebsR 2017, 240 Rn 25. 797 So aber BGH, Urt. v. 1.4.1992 – IV ZR 154/71, NJW 1992, 2818. 798 Anders noch BGH, Urt. v. 18.11.1971 – VII ZR 102/70, LM HGB § 84 Nr. 6, das eine Konkurrenzvertretung noch als Indiz gegen das Vorliegen eines HV-Vertrages ansah; relativierend BGH, Urt. v. 1.4.1992 – IV ZR 154/91, NJW 1992, 2818. 799 BGH LM Nr. 6 zu § 84 HGB; Karsten Schmidt Handelsrecht5 § 27 I 2d. 800 AA OLG Stuttgart, Urt. v. 11.12.1958 – 2 U 124/58, BB 1959, 536. 801 Dehner NJW 1992, 2225 (2226); Möller Wesen und Arten der Vermittlungsverträge, FS für Raape, 1948, 341, 343; Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1051). 802 BGH, Urt. v. 1.3.2012 – III ZR 213/11, r+s 2012, 627; v. 1.4.1992 – IV ZR 154/91, NJW 1992, 2818. Emde

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IV. Ungeschriebene Ausschlussmerkmale? Weitere ungeschriebene Merkmale des HV-Vertrages, etwa Ausschlussmerkmale, gibt es 98 nicht.803 Insbesondere sind nicht besondere Mittlergruppen von der HV-Tätigkeit ausgeschlossen. Das Gesetz und die RL804 sind abschließend.

H. § 84 Abs. 4: Kein kaufmännischer Geschäftsbetrieb Sieht man Abs. 1 isoliert, bliebe nun nur noch derjenige HV Kaufmann, der ein Handelsgewer- 99 be betreibt (§ 1 Abs. 1). Auf den nichtkaufmännischen Mittler wären die §§ 84 ff. nicht anwendbar. Denn ein Handelsgewerbe bildet lediglich ein Unternehmen, welches einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 Abs. 2). Da nicht jedes HVUnternehmen einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb benötigt, würde es bei seinem Fehlen aus dem Anwendungsbereich des HV-Rechts fallen. Dies widerspräche dem Schutzgedanken des Vertreterrechts, da gerade die wirtschaftlich schwächsten HV von der Sicherung des weitgehend zwingenden Vertreterrechts ausgenommen wären.805 Die vor der Novellierung minderkaufmännischen HV sollten aber vom Schutzbereich des Vertreterrechts erfasst bleiben.806 Deshalb bestimmt § 84 Abs. 4 die Anwendung der §§ 84 ff., sofern das Unternehmen des HV nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.807 § 84 Abs. 4 gilt auch für HV-ähnliche Vertriebsmittler, namentlich Vertragshändler und Franchisenehmer. Auf Mittler ohne kaufmännischen Geschäftsbetrieb sind gem. Abs. 4 zwar die §§ 84 ff. anwendbar, nicht jedoch das übrige HGB.808 Jene Disparität hat Folgen, wenn sich der HV auf Rechte beruft, die nur ein Kaufmann haben kann. Im materiellen Recht ist hieran etwa bei Anwendung der §§ 343 ff., 354 (bei fehlender Kaufmannseigenschaft gilt dann aber § 612 Abs. 1 BGB), 366809 zu denken, im Prozessrecht bei Prüfung der Wirksamkeit einer nur bei Vereinbarung durch Kaufleute wirksamen Gerichtsstandsabrede (§ 38 ZPO) bzw. der Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen, die gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG nur zur Entscheidung berufen sind, wenn das dem Streite zugrundeliegende Geschäft für beide Teile ein Handelsgeschäft ist.810 Hier entzog die Neuregelung den Kammern für Handelssachen ihr „Beinahemonopol“ für HV-Angelegenheiten, was wegen ihrer begrüßenswerten Spezialisierung811 sinnwidrig ist. Jene ist gerade in komplizierten Ausgleichsangelegenheiten wünschenswert, auch wegen der durch die Konzentration eher gewährleisteten Einheitlichkeit der lokalen Rechtsprechung. In Vertriebsmittlerstreitigkeiten muss nun häufig über die Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen gestritten werden, gelegentlich auf Anstoß der Kammern selbst. Ein vergleichbares Problem ist aus der Zeit der Novelle 1953 bekannt: Während vor der 100 Novellierung des Jahres 1953 gemäß § 84 Abs. 1 a. F. nur ein Kaufmann Unternehmer sein konnte, öffnete die Reform 1953 die Position als Prinzipal auch Nichtkaufleuten. Dies führte zum Streit, ob auf solche Repräsentanten das Recht der zweiseitigen Handelsgeschäfte (analog) an-

803 Siehe aus europarechtlicher Perspektive EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard). 804 Siehe aus europarechtlicher Perspektive EuGH, Urt. v. 21.11.2018 – C-452/17, ZVertriebsR 2019, 20 = EWiR 2019, 557 (Ehrhard). 805 BR-Drucks. 340/97, S. 62; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 43. 806 BR-Drucks. 340/97, S. 62; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 5, 15; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 43. 807 Siehe BAG BB 2000, 826. 808 Emde VersR 1999, 1464; Hopt § 84 Rn 28; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 84 Rn 15 unter Hinweis auf BGHZ 43, 18 – aber diese Entscheidung betrifft nur Abs. 1. 809 v. Olshausen JZ 1998, 717 (720). 810 Emde VersR 1999, 1464; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 43 ff. 811 Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 47. 547

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zuwenden war,812 was anzunehmen sein konnte, wenn sich in den beteiligten Verkehrskreisen ein entsprechender Handelsbrauch gebildet hatte (§ 157 BGB). So sollte die Anwendung des Rechts zweiseitiger Handelsgeschäfte Handelsbrauch entsprechen, wenn sich die Vertragspartner über Jahre wie Kaufleute behandelt hatten. Mit Ausnahme der Erweiterung durch Handelsbrauch wurde eine Ausdehnung des Kaufmannsbegriffes oder die analoge Anwendung handelsrechtlicher Normen813 abgelehnt. Nicht anders ist im Rahmen des § 84 Abs. 4 zu entscheiden: die analoge Anwendung des übrigen Handelsrechts kommt nur in Betracht, wo sich ein entsprechender Handelsbrauch (§ 157 BGB) bildete. Davon kann nur im Ausnahmefall ausgegangen werden.

I. Vertragschluss, Vertragsbeginn und Vertragsinhalt 101 Der HV muss aufgrund eines wirksamen Vertrages tätig werden, der die eben dargestellten Tatbestandsmerkmale erfüllt. Wer aus anderem Rechtsgrund tätig wird, etwa aufgrund familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher oder arbeitsrechtlicher Verpflichtungen, ist nicht HV.814

I. Abschluss des Handelsvertretervertrages 102 Der HV-Vertrag ist ein gegenseitiger Vertrag i. S. d. §§ 320 ff. BGB. Sein Abschluss setzt gem. §§ 311, 145 ff. BGB815 übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragspartner, das Zustandekommen durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben816 oder nach § 362 BGB817 voraus. Wie § 85 dokumentiert, unterliegt der Vertrag keiner bestimmten Form818 (näher § 85 103 Rn 5 f.). Er kann daher sowohl mündlich,819 sogar durch konkludentes Verhalten,820 sowie in jeder anderen Form geschlossen werden.821 Jedoch dürfen die Parteien ein Formgebot vereinbaren. Typisch ist der stillschweigende Vertragsschluss durch tatsächliche Tätigkeitsaufnahme in beidseitigem Einverständnis,822 etwa mittels wiederholter Geschäftsvermittlung und wiederholtem Abschluss der vermittelten Verträge durch den Unternehmer823 oder sogar erstmalige Annahme der Dienste des HV, mit der Maßgabe, dies auch künftig in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu tun.824 In der Praxis ist der mündliche Vertragsschluss nicht selten, zumal angesichts des in den §§ 84 ff. vorgegebenen „Vertragskorsetts“ auch im Falle eines mündlichen Vertragschlusses ein durch dispositives Recht vorgeformter Standardvertrag gilt. Typisch ist etwa folgender Sachverhalt: Vertreter und Unternehmer lernen sich auf einer Messe oder anläss812 813 814 815 816 817 818

Hopt § 84 Rn 28; AcP 183 (83) 108. So aber Hopt § 84 Rn 28; AcP 183 (83) 108. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 40. Drossart IHR 2016, 7 (8). BGH DB 1955, 1085 (i. E. ablehn.); OLG Nürnberg BB 1957, 560; Hopt § 85 Rn 2. Hopt § 85 Rn 2. BGH NJW 1983, 1727 (1728); Karsten Schmidt HandelsR § 27 III 1; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 102; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 7; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 85 Rn 1, 7; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 2; Oetker/Busche5 § 84 Rn 59. 819 OLG Frankfurt/M. VW 1971, 117; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 69. 820 BGH VersR 1961, 270; OLG Nürnberg VersR 1959, 801; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 102 f.; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 85 Rn 1; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 69; Oetker/Busche5 § 84 Rn 58. 821 BGH NJW 1974, 852; VersR 1961, 270 (271); Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 62; Westphal I Rn 173. 822 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 103; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 69; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 85 Rn 1; Oetker/Busche5 § 84 Rn 58. 823 Hopt § 85 Rn 2. 824 BGHZ 62, 74; Hopt § 85 Rn 2; Oetker/Busche5 § 84 Rn 58. Emde

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lich eines kurzen Kontaktes kennen, nennenswerte Umsätze des Unternehmers im künftigen Vertriebsgebiet fehlen meist. Da zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses lediglich die Hoffnung auf künftige Geschäfte existiert, verzichten die Parteien angesichts der bis dato mangelnden wirtschaftlichen Bedeutung auf schriftliche Fixierung. Entwickelt sich das Geschäft, ändert sich an diesem Umstand nichts. Ein wirksamer Abschluss fordert in solchen Situationen, dass die Vertragspartner konkludent einen Vertrag schließen, der die oben genannten Tatbestandsmerkmale erfüllt. Insbesondere muss in Abgrenzung zum Maklervertrag eine „ständige“ Betrauung, d. h. ein auf die Vermittlung oder den Abschluss einer unbestimmten Vielzahl von Geschäften gerichteter Vertrag, gewollt sein.825 Dies braucht im schriftlichen Vertrag nicht ausdrücklich niedergelegt zu werden,826 muss jedoch erkennbar Wille beider Vertragspartner sein.827 Anhaltspunkt hierfür ist der übereinstimmende, wenn auch stillschweigende Wunsch nach „vertretertypischem“ Verhalten, etwa: Zuweisung eines Verkaufsgebiets oder -bezirks, Einladung zu Vertreterversammlungen, regelmäßige Entgegennahme von Aufträgen, regelmäßige Zahlung von Provision und Übermittlung von Angeboten und Aufträgen.828 Nicht erforderlich ist, dass sich die Parteien (arg. § 154 Abs. 1 BGB: „im Zweifel“)829 über Rechtsfolgen, etwa Provisionspflicht, Provisionshöhe und Ausgleich830 oder einen Kaufpreis für die Vertretung831 einigen. Auch die fehlende Einigung über eine Einbeziehung von Kundenschutzlisten832 oder die fehlende Unterzeichnung eines schriftlichen Vertrages833 begründet keinen Dissens, sofern der Vertrag durchgeführt wird. Derartige Lücken schließt das dispositive Recht. Zwar wird die Höhe der Vergütung durch die §§ 84 ff. nicht vorgegeben. Jedoch gilt im Zweifel gem. § 87b Abs. 1 der übliche Satz als vereinbart. Zudem helfen die §§ 315 ff. BGB. Allerdings besteht über die Provisionshöhe ohnehin meist kein Streit, falls langjährig auf der Basis eines bestimmten Provisionssatzes abgerechnet wird. Dann ist dieser Provisionssatz vereinbart und eine einseitige Änderung im Nachhinein unzulässig. Häufig dokumentiert die Gewährung der Provision und ihre Bezeichnung als solche den Vertragsschluss, insb., falls Folge- oder Bezirksprovision geleistet wird. Arbeitsrechtliche Zustimmungspflichten zum Vertragsschluss, insbesondere eine Zu- 104 stimmung des Betriebsrates, fehlen.834 Der HV ist kein Arbeitnehmer.

II. Vertragsinhalt Der Vertragsinhalt ist und nur gem. §§ 145 ff. BGB geändert werden darf, ist nach allgemeinen 105 Grundsätzen zu bestimmen. Häufig enthalten Vertriebsverträge umfangreiche Anlagen. Sie regeln etwa das Vertriebsgebiet, die Produkte und weitere Abreden, etwa hinsichtlich der vom HV zu verwendenden AGB des Unternehmers. Solche Anlagen sind Vertragsbestandteil.835 Sie können grds. nur konsensual geändert werden, es sei denn, es besteht ein individualvertraglicher Änderungsvorbehalt, der den Maßstäben der §§ 242, 138 BGB genügt. Zu einseitigen Änderungsvorbehalten in AGB vgl. oben, Vor § 84 zu AGB-Klauseln. Es gelten die allg. Auslegungsgrundsätze. Durch die Bezugnahme im HV-Vertrag werden in Bezug genommene Teile, etwa die Satzung einer Vertreter-Hilfskasse, Teil des HV-Vertrags.836 825 826 827 828 829 830 831 832 833 834 835 836 549

MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 69; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 2. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 51; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 33. BGH, Urt. v. 6.10.1989 – I ZR 20/88, BB 1990, 303. Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 103; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 69. Hopt § 85 Rn 2. Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 103. BGH NJW 1983, 1727; Hopt § 85 Rn 2. OLG Hamm, Urt. v. 17.12.2009 – 18 U 126/09, BeckRS 2010, 02542. LG Ellwangen, Teilurt. v. 13.5.2013 – 1 O 15/10, best. durch OLG Stuttgart, Urt. v. 30.1.2014 – 13 U 99/13. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 74. Vgl. Billing in: Flohr/Wauschkuhn2 § 85 Rn 7. BGH, Urt. v. 15.12.2016 – VII ZR 221/15, WM 2017, 728 Rn 34. Emde

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III. Vertragsbeginn 106 Die §§ 84 ff. weisen von Vertragsinhalt (§ 84) über die Vertragspflichten zum Vertragsende (§§ 89, 89a). Der Vertragsschluss selbst ist nicht geregelt. Insoweit gilt das BGB: Der Vertrag wird in dem Moment wirksam, für den die Parteien durch übereinstimmende Willenserklärungen (§§ 145 ff. BGB) den Beginn der Handelsvertretertätigkeit vereinbart haben. Im Zweifel ist dies der Zeitpunkt der Unterzeichnung durch den letzten Vertragspartner. Haben die Parteien einen Vertragsbeginn bezeichnet, nehmen aber tatsächlich zuvor die Vertragsausführung auf, liegt eine konkludente Vertragsänderung vor. Der Vertrag beginnt dann mit der Aufnahme der Tätigkeit.837 Denn eine einverständliche Handhabung entgegen dem zunächst Vereinbarten wird regelmäßig selbst bei schriftlich geschlossenen Verträgen eine rechtsverbindliche Vertragsänderung bewirken.838 Ein einseitiges Tätigwerden vor Vertragsunterzeichnung durch den Handelsvertreter ohne korrespondierende Absprache begründet dagegen keinen Vertretervertrag. Deshalb stehen dem Vertreter grundsätzlich für sein verfrühtes und eigenmächtiges Handeln auch keine Provisions- oder andere Vergütungsansprüche, etwa aus §§ 354, 812 BGB, oder Informationsrechte aus § 242 BGB zu.839 Falls der HV Kaufmann ist, kann der Vertrag ferner durch widerspruchslose Hinnahme eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens sowie über die Annahmefiktion des § 362 zustande kommen.

IV. Vertragsänderung und Vertragsübergang 1. Vertragsänderung 107 Die Parteien können jederzeit einverständlich, formlos840 und ggf stillschweigend841 eine Abänderung des Vertrages vereinbaren.842 Wie oben skizziert, liegt in der einverständlichen, vom Vertragstext abweichenden stillschweigenden tatsächlichen Übung jedenfalls dann eine konkludente Vertragsänderung,843 wenn sich die Parteien der Abweichung bewusst sind. Eine Schriftformklausel hindert eine solche Vertragsänderung nicht, weil auch eine Schriftformklausel stillschweigend abbedungen werden kann.844 Steht die Vertragsänderung fest, ist die nächste Frage, ob lediglich eine vorübergehende oder eine dauernde Abweichung gewollt ist, wobei weder für das eine wie das andere eine Vermutung streitet. Einseitige Vertragsänderungen845 sind nur nach wirksamer vertraglicher Vereinbarung zulässig. Entsprechende Vorbehalte in Formularverträgen sind unwirksam, falls dem Vertragspartner kein angemessener Ausgleich für dieses Recht gewährt wird846 (zu AGB Vor § 84 Stichwort „Änderungsvorbehalte“). In Individualverträgen ist der Berechtigte an das billige Ermessen des §§ 242, 315 BGB gebunden.847 Vertragsänderungen können auch durch widerspruchslose Hinnahme eines kaufmännischen Bestä-

Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 43. Siehe Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 48. AA Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 44. Billing in: Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht § 84 Rn 57. BGH BB 1961, 497; Flohr/Wauschkuhn/Billing Vertriebsrecht § 84 Rn 57; Hopt § 85 Rn 2. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 48; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 4a. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 48; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 4; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 87 Rn 8. 844 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 48; Oetker/Busche5 § 84 Rn 60. 845 Hierzu Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 4a. 846 BGHZ 89, 206 (216) = BB 1984, 233; BGH BB 2000, 60 (62) m. Anm. Emde; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 48. 847 Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 4a.

837 838 839 840 841 842 843

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tigungsschreibens sowie über die Annahmefiktion des § 362 zustande kommen, nicht jedoch durch Schweigen auf ein Vertragsangebot,848 sofern nicht der Fall des § 151 BGB vorliegt. Außerdem ist jederzeit eine Änderungskündigung zulässig.849

2. Vertragsübergang Da die Dienste des HV in Person (wenngleich nicht unter Ausschluss von Hilfspersonen) zu 108 leisten sind, ist das Vertragsverhältnis grds. an seine Person gebunden. Der HV kann seine „Vertretung“ weder durch Vertragsübertragung noch durch Veräußerung seiner Agenturfirma einseitig auf einen Nachfolger übertragen.850 Dazu bedürfte es nicht nur der Zustimmung sondern der Mitwirkung des Unternehmers. Denn dieser hätte mit dem Nachfolger einen eigenen HVVertrag abzuschließen. Das mag zwar in der Form des „Eintritts“ des Nachfolgers in den HVVertrag als „Übernehmer“ der Vertretung des Vorgängers geschehen (s. § 89b Abs. 3 Nr. 3 – die Vorschrift zeigt, dass das Gesetz die Möglichkeit der Übertragung des Vertreterunternehmens sieht). Aber eine solche Übertragung bildet keine Rechtsnachfolge im eigentlichen Sinne, auch wenn – firmenrechtlich – eine Firmennachfolge i. S. d. § 25 für die Agentur als Ganzes vorliegt. Was erreichbar ist und erreicht werden soll, ist lediglich eine zeitliche und organisatorische Kontinuität in der Betreuung des Bezirks oder des Kundenkreises und der inhaltliche Gleichlauf des neuen mit dem bisherigen Vertrage. Nicht etwa läuft der bisherige Vertrag ohne Einbuße seiner Identität durch bloße Auswechslung seiner Personen weiter.851 Handelte es sich um einen schlichten Eintritt des Nachfolgers in den bestehenden Vertrag, so müssten die bestehenden Provisionsansprüche dem Vorgänger vorbehalten werden – es ist weder erforderlich noch, wo es geschieht, mehr als eine bloße Klarstellung –; auch erübrigte sich die ausdrückliche Abgrenzung für laufende, aber noch nicht abgeschlossene Vermittlungsbemühungen nach § 87 Abs. 3. Das Vertragsverhältnis mit dem Übernehmer schließt sich an das mit dem bisherigen HV an. Der Vertrag mit dem bisherigen HV ist einvernehmlich beendet. Er ist abzuwickeln; der Ausgleichsanspruch entsteht vorbehaltlich des § 89b Abs. 3 Nr. 3 auf Grund der einverständlichen Lösung des Vertrages, aus dem der bisherige HV damit entlassen wird. Wie jeder andere Vertrag kann damit auch der HV-Vertrag nur durch vertragliche Vereinbarung auf einen Dritten übertragen werden,852 und zwar auch dann, wenn eine Handelsgesellschaft Vertreterin ist. Das gilt auch für die Übertragung auf einen Angestellten oder Untervertreter.853 Im Zweifel ist der Unternehmer nicht zur Zustimmung verpflichtet, ohne Zustimmung bleibt der bisherige HV sein Vertragspartner. Die Übertragung kann ausdrücklich oder im Wege der konkludenten Vertragsänderung, auch durch schrittweise Übernahme,854 erfolgen und ist i. d. R. gem. § 89b Abs. 3 Nr. 3 ausgleichsschädlich (§ 89b Rn 237 ff.). Für einen Parteiwechsel ist erforderlich, dass die beteiligten Personen eine befreiende Schuldübernahme gem. § 414 BGB vereinbaren, wobei beide Parteien den Willen, den bisherigen Schuldner aus der Verpflichtung zu entlassen, deutlich erklären müssen.855 Das Einverständnis mit dem Vertragsübergang kann bereits bei Vertragsschluss im HV-Vertrag erklärt werden, wie es im Kfz-Vertriebsrecht durch die GVO 1400/ 02 vorgeschrieben war.856 So darf vereinbart werden, dass ein Vertragspartner ohne weitere

848 849 850 851 852 853 854 855 856 551

BGH, Urt. v. 24.10.1955 – II ZR 216/54, DB 1955, 1085. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 48. BGH, Beschl. v. 4.12.2013 – XII ZB 534/12, NZFam 2014, 213. AA Sieg VersR 1964, 791. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14a. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 33. OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.2.2009 – 7 U 219/07, BeckRS 2010, 16911. OLG Hamm, Urt. v. 18.9.1998 – 35 U 43/97, BeckRS 2007 18621. In der neuen Kfz-GVO 461/10 ist diese Freistellungsvoraussetzung entfallen. Emde

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Zustimmung des Anderen zur Übertragung auf einen Dritten berechtigt ist,857 sofern in der Person dieses Dritten keine Gründe entgegenstehen. Zweifelhaft ist, ob dies formularvertraglich nur für eine Seite, etwa den Unternehmer, erklärt werden darf. Mögliche Missbräuche liegen nahe, etwa die Übertragung des Vertrages auf eine vermögenslose Gesellschaft, bei der kein Ausgleichsanspruch vollstreckt werden kann (§§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.v.m. § 263 StGB!; Durchgriff). Häufig geschieht ein stillschweigender Übergang im allseitigen Einvernehmen nach Gründung einer Gesellschaft,858 wobei der HV grundsätzlich keinen Anspruch auf Übertragung des Vertretervertrages auf eine von ihm neu gegründete Gesellschaft hat.859 Er kann sein Unternehmen jedoch ohne Zustimmung des Unternehmers nach dem UmwG in eine Gesellschaft umwandeln oder die Anteile an einer HV-Gesellschaft veräußern,860 solange sich die wirtschaftlich-faktische Identität nicht ändert und der Unternehmer kein erkennbares Interesse am Vertragsschluss nur mit einer natürlichen Person hat. Ein Eintritt der neu gegründeten Gesellschaft in den Vertretervertrag kann konkludent erfolgen, wenn die andere Partei in Kenntnis des Wechsels die Vertragsbeziehungen fortsetzt.861 Allerdings ist diese Kenntnis erforderlich, sie kann – sofern die Verhältnisse nicht offenbar sind – nur durch hinreichend deutlichen Hinweis der Partei, die den Eintritt eines Dritten wünscht, herbeigeführt werden. Langjährige Adressierung von Korrespondenz, Abrechnungen, Zahlungen etc. an den neuen Vertragspartner genügt meist, um eine konkludente Zustimmung erkennbar werden zu lassen.862 Ist ein Vertragsübergang gewollt, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Vertrag mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Vertragspartner übergeht und der ursprüngliche Vertragspartner aus dem Vertrag entlassen wird, was eine Frage der Vertragsauslegung sein kann.863 Das gilt auch für tatsächliche Anwartschaften wie die Zurechnung der Neukundenwerbung oder der Erweiterung von Altkunden im Sinne des Ausgleichsrechts. Der neue Vertragspartner kann also den Ausgleich auch für solche Kunden fordern, die im Rahmen des einheitlichen und übergegangenen Vertragsverhältnisses von dem bisherigen Vertragspartner geworben wurden. Dies ist besonders deutlich bei wirtschaftlich-faktischer Identität zwischen altem und neuem Vertragspartner, etwa bei Einbringung des bisher einzelkaufmännischen Vertreterunternehmens in eine Gesellschaft, gilt aber auch sonst. Um ein Problem des gesellschaftsrechtlichen Durchgriffs handelt es sich nicht, vielmehr um einen Vertragsübergang mit allen Rechten und Pflichten. Die Frage stellt sich nur, sollte es an einer Identität zwischen Alt- und Neugesellschaft nach UmwG oder einer Gesamtrechtsnachfolge fehlen. Denn bei Identität oder Gesamtrechtsnachfolge ist die Zurechnung zweifelsfrei. Ein Fall der konkludenten Vertragsänderung ist möglicherweise auch der „Rechtsschein der Unternehmerschaft“: Hat eine in die Abwicklung des Vertrages eingeschaltete Person, etwa innerhalb eines Versicherungskonzerns, durch ihr Verhalten vor und im Prozess den Rechtsschein begründet, sie werde den HV-Vertrag als eigene Angelegenheit durchführen (etwa durch Abrechnung und Vergleichsverhandlungen), kann sie sich der Stellung als Vertragspartner nicht ohne Verstoß gegen Treu und Glauben entziehen, weil sie sich damit treuwidrig in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten setzen würde.864 Veräußert der Unternehmer sein Unternehmen, so verneint die herrschende Ansicht ei109 nen Anspruch des HV gegen den Erwerber auf Vertragsfortführung.865 Ein Vertragsübergang

857 858 859 860 861 862 863 864 865

Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 48. Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 37; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14e. BGH, Beschl. v. 4.12.2013 – XII ZB 534/12, NZFam 2014, 213. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 48. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 48. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14a. OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.2.2009 – 7 U 219/07, BeckRS 2010, 16911. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14b.

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nach § 613a BGB wird abgelehnt (siehe auch § 613a Abs. 2 BGB).866 Die Norm finde keine entsprechende Anwendung, weil sie eine Lücke im Kündigungsschutzsystem für Arbeitnehmer schließen solle, der HV jedoch kein Arbeitnehmer sei.867 Gegenüber dem veräußernden Unternehmer besteht auch dann kein Anspruch auf Übertragung des Vertretervertrages an den Übernehmer, wenn sich der Unternehmer im Vertretervertrag das Recht der Übertragung auf einen Dritten vorbehalten hat.868 Ein Anspruch gegen den Erwerber wird ohne seine Zustimmung nicht begründet, weil dies ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter wäre.869 Damit ist noch nichts darüber ausgesagt, ob es zu einem Vertragsübergang auf den Erwer- 110 ber nach § 25 Abs. 1 kommen kann. Die herrschende Meinung verneint dies, wenngleich sie den Anwendungsbereich der Norm in den letzten Jahren Stück für Stück erweitert hat. Der Übergang des HV-Vertrages sei ausgeschlossen.870 Diesem tradierten Verständnis des § 25 Abs. 1 setzt eine neuere Ansicht das Prinzip der Haftungskontinuität entgegen. Die Verbindlichkeiten und Rechtsverhältnisse, welche zum Unternehmen gehören, sollen auch im Fall des Unternehmerwechsels dem jeweiligen Unternehmensträger, also dem Erwerber, zugewiesen bleiben. Deshalb könnten auch ganze Dauerschuldverhältnisse auf den Übernehmer übergehen.871 § 613 BGB hindere den Übergang nicht.872 Firmenfortführung oder Firmenidentität seien nicht Voraussetzung des Vertragsüberganges, solange Unternehmensfortführung oder Unternehmensidentität vorlägen.873 Ist der HV-Vertrag unternehmensbezogen, so sollen vertragliche Rechte und Pflichten ohnehin mit „dem Unternehmen“ übergehen. Oft wird der bisherige Schuldner ohne die übertragenen Unternehmensmittel auch überhaupt nicht mehr fähig sein, den jeweiligen Vertrag zu erfüllen.874 Richtig wäre wohl ein Wahlrecht des Mittlers auf Vertragsfortsetzung mit dem Veräußerndem oder dem Erwerber. Der vorgenannten neueren Auffassung dürfte zuzustimmen sein.875 Die Gründe sind von 111 Karsten Schmidt876 und Lieb877 dargestellt worden. Neben der Praktikabilität spricht für sie, dass die Unternehmensfortführung bei Veräußerung oder Neugründung einer Gesellschaft durch die Überleitung der auf das Unternehmen bezogenen Verträge deutlich erleichtert wird.878 Auch die Interessen des Vertragspartners werden hierdurch nicht berührt. Ein Vertragsübergang nach § 25 kann auch dem HV zugute kommen, der sein Unternehmen 112 an einen Erwerber veräußern oder in eine neugegründete Gesellschaft einbringen will, ohne dass aufgrund des UmwG Identität des Rechtsträgers vorliegt (dann wäre ein Vertragsübergang nicht erforderlich, weil der Vertretervertrag ohnehin beim „umgewandelten“ Rechtsträger verbliebe). Selbst bei Veräußerung des Vertreterunternehmens kann es zu einem Vertragsübergang nach § 25 kommen, falls der Übernehmer wirtschaftlich-faktisch mit dem ursprünglichen Vertragspartner identisch ist. Davon darf etwa ausgegangen werden, wenn ein Einzelkaufmann

866 BGH NJW 1963, 1000 (1001); Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14 b; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 10. MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 10. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14b. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14b. Vgl. Beuthien NJW 1993, 1737 ff.; Heymann/Emmerich § 25 Rn 42. AA (ohne Nennung des § 25) offensichtlich BGH HVR Nr. 419; Schlessmann S. 32. Vgl. auch Lieb Die Haftung für Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen bei Unternehmensübergang, 1991, der auf S. 16 ausdrücklich das Beispiel der Handelsvertreterverträge erwähnt. 872 Karsten Schmidt HandelsR, S. 206. 873 Karsten Schmidt HandelsR, S. 215 ff. 874 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 151. 875 Siehe bereits Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 151. 876 HandelsR, S. 204 ff. 877 A. a. O., passim, insbes. S. 16. Lieb stellt allerdings strengere Anforderungen an die Unternehmenskontinuität, vgl. S. 12. 878 Lieb a. a. O., S. 16.

867 868 869 870 871

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eine personenidentische GmbH gründet.879 Das bedeutet nicht, dass der Vertreter nach Einbringung seines bislang einzelkaufmännischen Unternehmens in eine Gesellschaft dem Unternehmer durch anschließende Abtretung der Gesellschaftsanteile880 wirtschaftlich-faktisch betrachtet einen nicht genehmen „Vertragspartner“ aufzwingen könnte. Hiervor ist der Unternehmer gemäß §§ 613, 664 BGB geschützt (siehe Vor § 84 Rn 50 ff). Die Anteilsübertragung bliebe zwar wirksam, wäre jedoch eine Vertragsverletzung. Kommt es bei der Einbringung des HV-Unternehmens in eine Gesellschaft zu einer Veränderung des Erscheinungsbildes des Unternehmens, die etwa in dem Eintritt einer Vielzahl neuer in der Gesellschaft tätiger Gesellschafter liegen kann, mangelt es also an einer gemäß § 25 erforderlichen Unternehmenskontinuität.881 Liegt in der Anteilsübertragung eine Vertragsverletzung, darf der Unternehmer nach Abmahnung gemäß § 89a kündigen (Vor § 84 Rn 58).

3. Das Vertreterunternehmen als Gegenstand des Rechtsverkehrs – Wertbestimmung 113 Wie § 89b Abs. 3 Nr. 3 zeigt, geht das HGB von der Übertragungsfähigkeit der HV-Agentur aus. Nähere Regelungen finden sich dazu nicht. Siehe zur Übertragungsfähigkeit die Ausführungen oben unter 2., zu §§ 667, 613 BGB s. Vor § 84 zu diesen §§ sowie zu § 89b Abs. 3 Nr. 3. Der Unternehmenswert einer Handelsvertretung bemisst sich wegen des auf die Person des HV bezogenen Charakters seiner Tätigkeit grds. nach dem Substanzwert, also dem Wert des Sachvermögens auf der Grundlage des Wiederbeschaffungswertes, mithin dem Wert der Arbeitsgeräte, der Einrichtungsgegenstände und eventuell der vorhandenen Fahrzeuge. Ein Goodwill ist für eine derartige Agentur am Markt nicht zu realisieren, da die persönliche Leistung des HV Vordergrund steht.882 Einen Markt für Anteile an HV-Gesellschaften gibt es kaum.883 Dieser subjektbezogene Wert wird allein von dem HV genutzt, kann aber von ihm kaum als Vermögenswert realisiert werden, da er i. d. R. nicht mit übergeht. Der Ausgleichsanspruch hat als bloße Chance vor seiner Fälligkeit ebenfalls kaum einen bewertbaren Wert: Ob der Anspruch in späterer Zeit einmal zum Tragen kommen wird, ist ungewiss.884 Geht ein langfristiger HV-Vertrag über, dürfte der Ertragswert maßgeblich sein.

I. Anfechtbarkeit und Nichtigkeit 114 Für den HV-Vertrag gelten die allgemeinen Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe des bürgerlichen Rechts.885 Obwohl die zur Anfechtung berechtigenden §§ 119, 123 BGB regelmäßig – aber nicht immer – einen wichtigen Grund im Sinne des § 89a bilden und das bereits in Vollzug gesetzte Vertragsverhältnis nicht mit Rückwirkung beseitigt werden kann (deshalb Anwendung der Grundsätze zum faktischen Vertrag), ist eine Anfechtung möglich. § 89a bildet auch bei einem in Vollzug gesetzten HV-Vertrag keine abschließende Sonderregelung.886 Daran ändert 879 880 881 882

Vgl. Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 152. Was möglich wäre, jedoch wenig praktisch, s. BGH, Beschl. v. 4.12.2013 – XII ZB 534/12, NZFam 2014, 213. Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 154. BGH, Beschl. v. 4.12.2013 – XII ZB 534/12, NZFam 2014, 213; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.8.2012 – 16 UF 170/ 12, BeckRS 2014, 00977; OLG Hamm, Urt. v. 9.3.2011 – II-8 UF 207/10, NJW-RR 2011, 1443. 883 BGH, Beschl. v. 4.12.2013 – XII ZB 534/12, NZFam 2014, 213. 884 S. BGH, Urt. v. 9.3.1977 – IV ZR 166/75, BGHZ 68, 163 (168) = NJW 1977, 949; OLG Hamm, Urt. v. 9.3.2011 – II-8 UF 207/10, NJW-RR 2011, 1443. 885 Drossart IHR 2016, 7 (10); Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht § 89 Rn 28; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 106; Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 15; Oetker/Busche5 § 84 Rn 62. 886 Schlegelberger/Schröder § 89a Rn 1; aA Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 5. Emde

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auch der Umstand nichts, dass der wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung „verbrauchte“ Kündigungsgrund nach § 89a über § 142 Abs. 1 BGB zum sofortigen Vertragsende führen kann.887 Denn es besteht Anspruchskonkurrenz. 115 Nichtigkeitsgründe sind insbesondere: – Anfechtung wegen Irrtums,888 etwa wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche persönliche Eigenschaft des Vertragspartners (Vertrauenswürdigkeit des Unternehmers,889 Vorstrafe des HV auf vermögensrechtlichem Gebiet,890 zur dauernden Berufsunfähigkeit führende Erkrankung) oder über verkehrswesentliche Eigenschaften des vertriebenen Produkts891 – Anfechtung wegen arglistiger Täuschung892 oder Drohung.893 Hier ist der HV im Verhältnis zum Unternehmer nicht Dritter894 – Formmangel bei rechtsgeschäftlich vereinbarter Form (§§ 126, 127 BGB)895 – Nichtigkeit gemäß § 134 BGB.896 Beispiele: § 51 ArzneimittelG; § 8 HeilmittelwerbungsG; Gesetzesumgehung (HV-Vertrag zur Umgehung kartellrechtlicher Bindungsverbote), jedoch nicht der Betrieb des HV-Unternehmens ohne Gewerbeerlaubnis.897 Ob der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zur Nichtigkeit des Vertrags führt, ist, wenn eine ausdrückliche Regelung fehlt, nach Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsvorschrift zu beantworten898 – Nichtigkeit gemäß § 138 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten,899 etwa in folgenden Fällen: • auf Grund einer Gesamtwürdigung des Vertrages;900 etwa durch eine Kombination einer Vielzahl einseitig belastender Klauseln, die einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB nicht standhalten901 • wenn der Mittler nahezu vollkommen dem Willen des Unternehmers unterworfen und faktisch zum Angestellten im eigenen Betrieb wird902 • im Falle der Verpflichtung des HV, selbst Ware in übermäßigem, durch ein fristloses Kündigungsrecht besichertem Mindestumfang zu beziehen903 • bei dem auf Täuschung von Kunden ausgerichteten Vertriebsvertrag904 • bei einseitiger Risikoverteilung905

AA Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 5. Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 106; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 30. RG WarnRspr. 1920, Nr. 185. RAG 15, 49. Vgl. RG LZ 1932, 753 (HV-ähnliches Verhältnis, Irrtum über Eigenschaften des Fabrikats); Röhricht/Graf v. Westphalen/Küstner § 85 Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 70. 892 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 106; Hopt § 84 Rn 54; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 4, § 86 Rn 9, 48c. 893 Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 138; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 42. 894 OLG Hamburg BB 1959, 612; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 107; Hopt § 84 Rn 54; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 24, § 86 Rn 9, 19b, 48c; MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 91. 895 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 108; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 71. 896 BGHZ 127, 368 (Devisenrecht); OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.9.2006 – 1 U 34/06, VersR 2007, 1514; Martinek/Flohr/ Feldmann § 18 Rn 107; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 42; Hopt § 85 Rn 1; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 4. 897 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 107. 898 OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.9.2006 – 1 U 34/06, VersR 2007, 1514. 899 BGH DB 1981, 2274; Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 140; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 110; Hopt § 85 Rn 2; § 86 Rn 9; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 71. 900 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 110. 901 OLG Oldenburg, Urt. v. 26.4.2006 – 8 U 206/06, BeckRS 2007, 16857; LG Mainz, Urt. v. 20.6.2006 – 12 HKO 82/ 05, BeckRS 2007, 08487. 902 OLG Oldenburg, Urt. v. 26.4.2006 – 8 U 206/06, BeckRS 2007, 16857. 903 OLG Stuttgart NJW 1957, 1281; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 111; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 71. 904 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 69; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 34, § 86 Rn 7. 905 OLG Oldenburg, Urt. v. 26.4.2006 – 8 U 206/06, BeckRS 2007, 16857.

887 888 889 890 891

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falls der Unternehmer dem HV ohne besondere Kompensation wesentliche Teile des Unternehmerrisikos, z. B. des Absatzrisikos, auferlegt906 wenn der maßgebliche Inhalt der Vermittlung darauf gerichtet ist, eine Schmiergeldvereinbarung mit den zuständigen staatlichen Entscheidungsträgern herbeizuführen und Schmiergeld an sie weiterzuleiten. Die Nichtigkeit folgt auch aus § 134 StGB i. V. m. § 299 Abs. 2, 3 StGB907 im Falle einer Nichtigkeit wegen Wuchers (§ 138 Abs. 2 BGB). Von ihr soll z. B. bei einer unverhältnismäßig niedrigen, sog. Hungerprovision908 oder in der Situation der „Risikoschraube“909 ausgegangen werden, insbesondere bei krassem Missverhältnis zwischen den Vertragspflichten des HV und der ihm gewährten Vergütung,910 wobei immer die Risikoverteilung im Einzelfall zu berücksichtigen ist. Unangemessen niedrige Provision („Hungerprovision“) oder Zuweisung eines ertragsschwachen Bezirks begründen den Sittenwidrigkeitseinwand allein noch nicht; der HV trägt als selbständiger Gewerbetreibender regelmäßig selbst das Risiko, ob seine Tätigkeit verdienstbringend sein kann oder nicht. Möglicherweise gelten für den „arbeitnehmerähnlichen HV“ des § 92a strengere Maßstäbe. Hier ist der Vertrag dann sittenwidrig, falls der Bezirk „hoffnungslos“ ist und dem Unternehmer die wirtschaftliche Sinnlosigkeit des Unterfangens, ihn erneut zu vergeben, aus den Erfahrungen der Vergangenheit bekannt war,911 er darüber jedoch nicht aufklärte. Keine Nichtigkeit tritt ein, wenn der Vertrag das Existenzminimum zwar nicht sichert, aber weitere HV-Tätigkeit gestattet ist.912 Der Kauf von Datensätzen mit Adressen von Kunden für einen Kaufpreis von 2500 EUR/Monat soll nicht zur Sittenwidrigkeit des HV-Vertrages führen.913 Ansonsten gilt: Der HV ist kein Arbeitnehmer, ihm ist – sofern keine besondere Schutzbedürftigkeit vorliegt, gegenüber dem in § 92a angesprochenen HV ein größeres Risiko zuzumuten. So kann es ihm obliegen, aus dem Bezirk „etwas zu machen“ oder andere Vertretungen anzunehmen, so dass Nichtigkeit eher in Frage kommt, wenn der HV einem Wettbewerbsverbot unterliegt, da dann die Verluste des einen Vertrages nicht durch Gewinne anderer Vertretungen ausgeglichen werden können.914 Im Zweifel ist in den Fällen der Hungerprovision zum Schutze des Vertreters lediglich die Provisionsabrede nichtig (Ersetzung durch die Provision des § 87b).915 Der übrige Vertrag bleibt wirksam, da anderenfalls der Schutz des HV verfehlt würde. Verdienstmöglichkeiten aus dem Werkstattgeschäft oder dem Gebrauchtwagenhandel bleiben bei der Berücksichtigung des Leistungs-/Gegenleistungsverhältnisses unberücksichtigt, da derartige Erträge nicht als Gegenleistung für die Vertriebspflicht erzielt werden.916

906 BGH, Urt. v. 20.3.1981 – I ZR 12/79, MDR 1982, 200. 907 OLG Stuttgart, Urt. v. 10.2.2010 – 3 U 179/09, BeckRS 2010, 10537 zum Maklervertrag. 908 RAG 19, 113; BAG MDR 1960, 613 = BB 1960, 1222 (Versicherung); DB 1981, 2274 (wegen des Unternehmerrisikos im Ergebnis ablehnend); OLG Düsseldorf NJW 1998, 2980; Evers BB 1992, 1365; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 111; Hopt § 86 Rn 9; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 4; Oetker/Busche5 § 84 Rn 63; kritisch Küstner/Thume/Schröder I, Kap. II Rn 139. 909 OLG Stuttgart NJW 1957, 1281. 910 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 69; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 34. 911 BAG MDR 1960, 613; s. auch BGH DB 1981, 2274. 912 OLG Nürnberg BB 1960, 1261; Hopt § 86 Rn 9. 913 OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.8.2013 – I-16 U 183/12, BeckRS 2014, 06492. 914 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 111. 915 BAG BB 1960, 556; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 4. 916 Genzow kfz-betrieb 8/2001, S. 24. Emde

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116 Keine Nichtigkeitsgründe bilden: – ein Verstoß gegen § 32 Abs. 1 S. 1 KWG i. V. m. § 134 BGB917 – bei einem deutschen Recht unterliegenden Vertrag die Verletzung des Art. 47 des Schweizer Bankengesetzes (Bankgeheimnis)918 – übermäßige Einzelanweisungen des Unternehmers,919 da jene wegen Verstoßes gegen die Selbständigkeit des HV unbeachtlich bleiben. – Bei einem Vertrag, der einen Rechtsanwalt verpflichtet, unterschriftsreife Verträge über den Einkauf von Hackschnitzeln und Landschaftspflegeholz zu möglichst kostengünstigen Bedingungen zu vermitteln, die Verpflichtung zur Erstellung, Prüfung und Verhandlung der vermittelten Verträge. Ein Verstoß gegen § 43a Abs. 2 BRAO wegen Vertretung widerstreitender Interessen, der zur Nichtigkeit nach § 134 BGB führt, liegt nicht vor.920 Auch wenn der Anwalt bei Vollzug dieses HV-Vertrages die Möglichkeit gehabt hätte, die erfolgsabhängige Vergütung zu erhöhen, indem er bei den Verhandlungen über die Verträge niedrige Preise des Lieferanten mittels günstiger, dem Unternehmer aber nachteiliger Vertragsbedingungen zu erkaufen, läge kein Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO vor. In einem solchen Handeln läge eine Verletzung der Interessenwahrungspflicht. Nicht die Vereinbarung hätte also den Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO begründet, sondern das Verhalten des HV im Einzelfall. Nahezu jeder Anwaltsvertrag berge das Missbrauchsrisiko in sich.921 Sind von dem Nichtigkeitsgrund wegen Gesetzesverstoßes nur einzelne Bestimmungen des HV-Ver- 117 trages betroffen, so ist entgegen dem bei Individualverträgen anwendbaren § 139 BGB, weil sonst der Schutzgedanke des HV-Rechts zugunsten des Mittlers verfehlt würde, nicht das ganze Vertragswerk nichtig; vielmehr erhält der Vertrag insoweit einen dem dispositiven Recht, insb. den §§ 84 ff., entsprechenden Inhalt.922 Gesamtnichtigkeit gem. §§ 139, 306 Abs. 3 BGB kann nur in Fällen der Unwirksamkeit einer „Kernabrede“ angenommen werden, der Vertrag wäre dann ohne die nichtige Bestimmung nicht geschlossen worden.923 Bei AGB ist § 306 Abs. 3 BGB maßgeblich.924 Sollte ausnahmsweise Gesamtnichtigkeit eintreten, so gilt: Trotz der Nichtigkeit ist bis zum Zeitpunkt der „Entdeckung der Nichtigkeit“ HV-Recht maßgeblich.925 Denn das vollzogene Austauschverhältnis kann nicht mit Rückwirkung vernichtet werden. Deshalb findet wie im Arbeitsrecht die Lehre des „faktischen Vertragsverhältnisses„ Anwendung und treten an die Stelle der unwirksamen vertraglichen Abreden die §§ 84–92c, sofern die übrigen TB-Voraussetzungen eines HV-Vertrages vorlie-

917 918 919 920

OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.9.2006 – 1 U 34/06, VersR 2007, 1514. OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.9.2006 – 1 U 34/06, VersR 2007, 1514. Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 111. BGH, Urt. v. 12.5.2016 – IX ZR 241/14, ZVertriebsR 2016, 225 = EWiR 2016, 495 (Henssler). Die 1. Instanz LG München I (Urt. v. 16.10.2013 – 10 HKO 8071/13) hatte noch einen Verstoß gegen § 4 RDG angenommen. Es leitete aus § 4 RDG, der Rechtsdienstleistungen verbietet, die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leistungspflicht haben könnte, her, dass die erfolgsabhängige Vergütung dem Anwalt dazu bringen könne, um der eigenen Vergütungsinteressen Willen die Verträge zum Nachteil des Unternehmers zu gestalten. Nach Ansicht des OLG München (Urt. v. 29.10.2014 – 7 U 4279/13, IHR 2015, 75) als Folgeinstanz war der HV-Vertrag nach § 43a Abs. 4 BRAO i. V. m. § 134 BGB nichtig. Beide Entscheidungen der Vorinstanzen waren abzulehnen. 921 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – IX ZR 241/14, ZVertriebsR 2016, 225 = EWiR 2016, 495 (Henssler). 922 BGH, Urt. v. 25.11.1963 – VII ZR 29/62, BGHZ 40, 235 (238 f.) = DB 1964, 28 = NJW 1964, 350; v. 12.1.1970 – VII ZR 48/68, BGHZ 53, 152 (159); v. 3.5.1995 – VIII ZR 95/94, BGHZ 129, 290 (293) – die in den beiden erstgenannten Entscheidungen enthaltene Voraussetzung wirtschaftlicher Schutzbedürftigkeit sollte heute entfallen; Martinek/ Flohr/Feldmann § 18 Rn 106; Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 50; Hopt § 85 Rn 1; § 86 Rn 11; 89 Rn 5; Schlegelberger/ Schröder § 89 Rn 42a; Evers BB 1992, 1370; Oetker/Busche5 § 84 Rn 63; aA Canaris § 17 Rn 27 ff. – er will über das Bereicherungsrecht und den Einwand des Rechtsmißbrauches helfen. 923 Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 85 Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 71. 924 Siehe Emde MDR 2006, 301; Hopt § 86 Rn 11. 925 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 42. 557

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gen.926 Anwendbar sind auch die §§ 89, 89a. Der Vertrag wird, soweit nicht Sonderbestimmungen (zu prüfen etwa: Kartellrecht) oder die öffentliche Ordnung die rückwirkende oder unverzügliche Beendigung zum Zeitpunkt der Entdeckung der Nichtigkeit fordert oder ein sonstiger wichtiger Grund zur sofortigen Beendigung i. S. d. § 89a vorliegt, mit den Auslauffristen des § 89 beendet927 (s. Komm. zu § 89). Gerade der Schutz des HV gebietet ein solches Verständnis. Das dürfte wegen des Schutzes der Parteien wohl auch im Vertragshändler-928 und Franchiserecht929 sowie im Falle der Anfechtung vor Vertragsbeginn gelten930 (zur Anwendung der Kündigungsfristen vor Vertragsbeginn s. Kommentierung zu § 89). Auch im Fall der Anfechtung wegen Arglist gilt dieser Grundsatz.931 Die h. M. beendet den Vertrag mit „Entdeckung“ der Gesamtnichtigkeit mit sofortiger Wirkung; im Ergebnis wird die Anfechtung damit wie eine fristlose Kündigung behandelt.932 Eine Rückabwicklung der beiderseits erbrachten Leistungen nach dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) ist weder erforderlich noch sachgerecht noch würde sie den durch die §§ 84 ff. begünstigten HV hinreichend schützen.933 Da die Parteien einen HV-Vertrag „gelebt“ haben, fragt sich auch, welches andere Regelungswerk sachgerecht ihre Rechtsbeziehungen regieren sollte. Geschäftsbesorgungsrecht i. V. m. § 812 BGB wäre kaum geeignet, interessengerechte Ergebnisse herbeizuführen,934 insb. nicht zu Gunsten der Partei, die an der Nichtigkeit keine Schuld trägt. Auch muss der Unternehmer jedenfalls einem HV trotz der Nichtigkeit einen Ausgleichsanspruch gem. § 89b zahlen,935 es sei denn, der Schutzzweckgedanke oder die entsprechende Anwendung des § 89b Abs. 3 hindert den HV an der Geltendmachung des Ausgleichs. Daran ist zu denken, wenn der HV selbst – etwa durch arglistige Täuschung – die Nichtigkeit herbeigeführt hat. Ist der HV der „Bewucherte“ muss ihm schon wegen des Schutzgedankens des § 89b ein Ausgleich zugebilligt werden. Das Schadensersatzrecht hilft nur bei Verschulden. Anderenfalls könnte der Unternehmer kein besseres Geschäft machen, als einen gem. § 138 BGB wegen Hungerprovision nichtigen Vertrages zu schließen. Unter Anwendung der §§ 87b Abs. 1 HGB, 249 BGB kann die Ausgleichsbemessungsgrundlage angemessen erhöht werden. Im Recht der HV-ähnlichen Mittler, etwa im Vertragshändlerrecht, soll hingegen bei nichtigem Vertrag kein Ausgleich geschuldet sein, weil es wegen der Unwirksamkeit der vertraglichen Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstammes an einem Analogiekriterium fehlen soll (§ 89b Rn 80). Dies ist nicht ganz konsequent, wenn man die Grundsätze des faktischen Vertrages oder des § 249 BGB anwendet. Ebenso wie Provisionen für die Vergangenheit ist auch der Ausgleich gem. § 89b eine vertragliche Gegenleistung für den in der Vergangenheit aufgebauten Kundenstamm. Deshalb ist es folgerichtig, ihn nach Nichtigkeit zuzubilligen.

926 OLG Hamburg, Urt. v. 15.8.2015 – 18 U 182/14, IHR 2016, 85 (86/87) – aufschiebende Bedingung; OLG Hamm, Urt. v. 17.8.2015 – 18 U 182/14, IHR 2016, 85 (86/87); OLG Düsseldorf HVR Nr. 607; Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 140; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 106; Hopt § 85 Rn 1; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 42; Hopt § 85 Rn 1. 927 Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht § 89 Rn 31. 928 Westphal II Rn 649; Martinek/Semler/van der Moolen § 27 Rn 65; aA Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht § 89 Rn 132. 929 AA Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht § 89 Rn 150. 930 AA Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht § 89 Rn 30; Oetker/Busche5 § 89 Rn 29; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 89 Rn 16: Nichtigkeit dann ex tunc. 931 AA wohl Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 69; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89 Rn 17. 932 Ebenroth/Löwisch3 § 89 Rn 11; Oetker/Busche5 § 84 Rn 62. 933 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 42; wohl auch v. 12.1.1970 – VII ZR 48/68, BGHZ 53, 152 (159); aA Canaris § 17 Rn 27 ff.; Oetker/Busche5 § 84 Rn 62; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89 Rn 17. 934 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 42; aA Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 89b Rn 20; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89b Rn 33. 935 BGH, Urt. v. 3.5.1995 – VIII ZR 95/94, BGHZ 129, 290 (293) = NJW 1995, 1958; v. 11.12.1996 – VIII ZR 22/96, ZIP 1997, 238 (239); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 42; aA für den Fall der rückwirkenden Nichtigkeit: Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 89b Rn 20. Emde

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Der HV ist infolge der Nichtigkeit auch nicht gehindert, für die Vergangenheit Provisi- 118 ons-,936 insbesondere Bezirksprovisions-937 oder Auskunftsansprüche, geltend zu machen, es sei denn, die Nichtigkeit wurde gerade durch diesen Anspruch herbeigeführt.938 Eines Rückgriffs auf Vergütungsansprüche nach § 354939 bedarf es nicht. Im Ergebnis wird der HV daher hinsichtlich der in der Vergangenheit begründeten Ansprüche so gestellt, als wäre der Vertrag wirksam und mit zulässigem Inhalt zustande gekommen. Die Lehre des faktischen Vertrages gilt auch beim Franchisevertrag,940 und zwar nicht 119 nur im Hinblick auf die ohnehin separat geschlossenen Einzelkaufverträge.941 Teilweise wird angenommen, die Lehre vom faktischen Vertrag nach einer Anfechtung finde im Vertragshändlerrecht keine Anwendung: Die Rückabwicklung eines HV-Vertrages mit Provisionszahlung sei unmöglich, weshalb der Vertrag für die Vergangenheit aufrechterhalten werden müsse. Dies gelte jedoch nicht für einen Vertragshändlervertrag, bei dem der Händler seine Marge lediglich aus den Einzelkaufvertragen erziele.942 Die in der Vergangenheit ausgetauschten Leistungen, insb. die Vertriebspflicht und die zahlreichen Nebenpflichten, weichen jedoch beim Vertragshändlervertrag nach Bedeutung und „Rückabwicklungsfähigkeit“ nicht wesentlich von denen eines HV-Vertrages ab. Zudem sind die Einzelgeschäfte in Ausführung des Rahmenvertrages geschlossen worden, und sie wären zu anderen Konditionen gezeichnet worden, wenn es diesen Rahmenvertrag nicht gäbe. Eine Rückabwicklung ist daher auch beim Vertragshändlervertrag kaum möglich; die Lehre des faktischen Vertrages gilt auch hier.943 Der Vertragsteil, der die Nichtigkeit nicht verschuldet hat, darf Schadenersatz verlangen. 120 Insbesondere bleiben Schadensersatzansprüche unberührt, falls die Nichtigkeit des Vertrages durch das dolose Verhalten eines Vertragsteils oder auch nur auf Verschulden bei Vertragsschluss (vgl. § 122 BGB, der selbst beim faktischen Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer entgegengehalten werden kann944) zurückzuführen ist.

J. Auslegung von HV-Verträgen und Vertriebsverträgen Vertriebsverträge sind nach den bekannten Auslegungsmethoden auszulegen. Behauptet der HV 121 eine mündliche Abrede, die von dem schriftlichen, umfangreichen HV-Vertrag abweicht, so trifft ihn eine gesteigerte Darlegungslast. Denn die schriftliche Vereinbarung trägt die tatsächliche Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit in sich.945

K. Beweislast Sämtliche TB-Merkmale des § 84 hat die Partei zu beweisen, welche sich auf die Vorteile des 122 HV-Vertrages beruft.946 Steht eine analoge Anwendung des § 84 in Frage, etwa auf einen Vertragshändler- oder Franchisevertrag, so sind die Voraussetzungen dieser Analogie ebenfalls von demjenigen zu beweisen, für den sie günstig ist. Ein HV-Vertrag soll nicht bewiesen sein, wenn

936 937 938 939 940 941 942 943 944 945 946 559

BAG MDR 1960, 613 für HV nach § 92a; Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 140; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 42. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 42; aA Staub/Brüggemann 4. Aufl. § 85 Rn 3. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 42. So Staub/Brüggemann 4. Aufl. § 85 Rn 3. AA Giesler/Giesler/Güntzel2 § 4 Rn 656; Giesler WM 2001, 658. So aber Giesler/Giesler/Güntzel2 § 4 Rn 657; Giesler WM 2001, 658. Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 600. Küstner/Thume III Rn 1384; Westphal II Rn 649; Giesler/Köhnen2 § 3 Rn 378. BAG BB 1958, 232. OLG Hamm, Urt. v. 29.7.2013 – 18 U 169/12, IHR 2014, 231 (235). Vgl. OLG Köln, Urt. v. 15.1.2010 – 19 U 112/09. Emde

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der HV die Vertragschließenden nicht benennen kann, ebenso wenig einen klar vereinbarten Provisionssatz.947

L. Arten von Handelsvertretern 123 In der Praxis gibt es kein einheitliches Bild des HV.948 Vielmehr sind HV in allen Bereichen der Wirtschaft vermittelnd tätig und nutzen hierbei die verschiedensten Organisationsformen. Diese faktische Uneinheitlichkeit wird auf das Gesetz übertragen und von einem Leitbild-Pluralismus gesprochen. Jedoch hat dieser Leitbild-Pluralismus, sollte es ihn zum Zeitpunkt des Entwurfs des HGB bzw. seiner Novellierungen bei den Verantwortlichen tatsächlich gegeben haben, keine Folgen bei der Gesetzesanwendung. Denn das Gesetz beschränkt seinen Wirkungsbereich gerade wegen dieser Leitbild-Vielfalt nicht auf bestimmte Vertretertypen, sondern erfasst die Lebenssachverhalte aller rechtstatsächlichen Ausprägungen. Grds. kann damit jede natürliche oder juristische Person HV oder HV-ähnlicher Vermittler sein,949 auch ein Rechtsanwalt950. Das Erscheinungsbild der HV ist mithin außergewöhnlich vielgestaltig. Im Folgenden werden sie nach der Art ihrer Tätigkeit (hierzu unter I) und nach ihren rechtlichen Besonderheiten (hierzu unter II) dargestellt.

I. Handelsvertreter und ihr Tätigkeitsfeld 124 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind Mittler in folgenden Bereichen Handelsvertreter:

1. Anzeigenvertreter951 125 Ihre Tätigkeit ist darauf gerichtet, Interessenten für einen Werbeträger zu finden.952

2. Anlagevermittler953 126 Zur Registrierungspflicht und Vermittlungsvoraussetzungen (etwa Sachkunde) oben, Rn 7, zu typischen Interessenkonflikten s. Reiter/Methner WM 2013, 2053 ff. 947 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 15.1.2010 – 19 U 112/09 – zweifelhaft, es wird auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. 948 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 6. Stolterfoth Die Selbständigkeit des Handelsvertreters (1973) bescheinigt der Novelle 1953 (S. 32 ff.) einen Leitbild-Pluralismus. Das gesetzliche Leitbild des HV, insb. über die verschiedenen Novellen, zu bestimmen wurde als „hoffnungslos“ (Behm Der Handelsagent, 1913, S. 1 f.) oder „gefährlich“ (Stolterfoht Die Selbständigkeit des Handelsvertreters 1973, S. 54; hierzu auch Emde Die HandelsvertreterGmbH, 1994, S. 52 ff.) bezeichnet. 949 Hopt § 84 Rn 7. 950 BGH, Urt. v. 31.10.1991 – IX ZR 303/90, NJW 1992, 681 (zum Makler); v. 16.9.1971 – VII ZR 312/69, NJW 1971, 2227 (Makler). 951 BGH, Urt. v. 19.5.1999 – VIII ZR 354/97, ZIP 1999, 1094 = EWiR 1999, 653 (Emde); LG Berlin, Urt. v. 4.7.2018 – 11 O 52/14; Löffler ZVertriebsR 2015, 71; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 159; Schröder DB 1970, 1625, MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 11; Klosterfelde Anzeigen-Praxis 1968, 134 ff., sowie Lambsdorff/Skora Handbuch des Werbeagenturrechts, Frankfurt 1975, S. 78 ff., 203 (222). 952 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 11. 953 BGH, Urt. v. 25.10.2007 – III ZR 100/06, VersR 2008, 352; v. 13.5.1993 – III ZR 25/92, VersR 1993, 1104 = NJW– RR 1993, 1114; v. 13.1.2000 – III ZR 62/99, VersR 2001, 240; v. 11.9.2003 – III ZR 381/02, NJW–RR 2003, 1690; v. 19.10.2006 – III ZR 122/05, VersR 2007, 63 (64) = NJW–RR 2007, 348 (349), v. 22.3.2007 – III ZR 218/06, VersR 2007, 944 (945) = NJW–RR 2007, 925; v. 12.7.2007 – III ZR 83/06, VersR 2007, 1653 (1654) = WM 2007, 1606 (1607); v. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 84

a) Rechtslage bis zum 31.12.2012. Zu unterscheiden sind Anlageberater954 und Anlagevermittler.955 Der Anlageberater hat umfassendere Pflichten als der Anlagevermittler. Der Unterschied zwischen Anlagevermittlern und Anlageberatern besteht nicht in der Art der Vergütung – beide werden ganz überwiegend auf Provisionsbasis für die Anleger tätig –, sondern in ihren Aufgaben: Während die Anlageberater bei dem Vertrieb von Finanzinstrumenten grds. dieselben Beratungsaufgaben wie die Banken bei der Beratung ihrer Kunden haben, bleiben die Pflichten der Anlagevermittler deutlich hinter diesem Standard zurück: Anlagenvermittler stehen „im Lager“ der Anlagegesellschaft, die Kapital am grauen Kapitalmarkt nachfragt. Sie werden zu diesem Zweck zu aller Regel aufgrund eines sogenannten Auskunftsvertrages (§ 675 Abs. 2 BGB) tätig, wenn ein Anleger deutlich macht, dass er auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Vermittler die gewünschte Tätigkeit aufnimmt.956 Anlagevermittlung ist jede final auf den Abschluss von Geschäften über die Anschaffung oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten gerichtete Tätigkeit. Der TB ist weit auszulegen und bereits erfüllt, wenn der Vermittler den Abschluss eines konkreten Geschäfts so umfassend vorbereitet und abgewickelt hat, dass der Kunde den Auftrag nur noch zu unterzeichnen und abzusenden hat, oder wenn der Vermittler nach einer Anlageberatung die vom Kunden unterschriebenen Orderbelege weiterleitet.957 Ein Anlagevermittler schuldet lediglich eine richtige und vollständige Information über die tatsächlichen Umstände, welche für den Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind.958 Er muss das Anlagekonzept, bezüglich dessen er Auskunft erteilt wenigstens auf Plausibilität, insb. wirtschaftliche Tragfähigkeit, hin überprüfen.959 Dazu kann unter Umständen die Übergabe eines Prospektes genügen, sofern dieser nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und dem Interessenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen wird.960 Der Vermittler muss dann aber im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt daraufhin überprüfen, ob er ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und die darin enthaltenen Informationen, soweit er das mit zumutbaren Aufwand feststellen kann, sachlich richtig und vollständig sind.961 Ansonsten kann er keine sachgerechten Auskünfte erteilen.962 Unterlässt der

1.12.2011 – III ZR 56/11, ZIP 2012, 135 = VersR 2012, 1302; LG Berlin, Urt. v. 7.6.2011 – 10 O 538/10, BKR 2011, 344; Melcher BB 1981, 2101; zu den Aufklärungspflichten zusammenf. Mann WM 2013, 727. 954 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 U 19/14, BeckRS 2014, 22902. Generell zu beiden Vertragsarten Heße MDR 2012, 1142; zum Anlageberatungsvertrag Buck-Heeb WM 2012, 625 ff. 955 Zur Abgrenzung BGH, Urt. v. 1.12.2011 – III ZR 56/11, ZIP 2012, 135 = VersR 2012, 1302; LG Berlin, Urt. v. 7.6.2011 – 10 O 538/10, BKR 2011, 344. 956 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 O 19/14, BeckRS 2014, 22902. 957 BGH, Urt. v. 30.10.2014 – III ZR 493/13, DB 2014, 2825 = WM 2014, 2310 Rn 36; v. 5.12.2013, WM 2014, 121 Rn 14 = NJW-RR 2014, 307. 958 BGH, Urt. v. 30.10.2014 – III ZR 493/13, DB 2014, 2825 = WM 2014, 2310 Rn 23; Urt. v. 1.12.2011 – III ZR 56/11, ZIP 2012, 135; v. 5.3.2009 – III ZR 17/08, WM 2009, 739 (740) Rn 11; v. 12.7.2007, WM 2007, 1608 = NJW-RR 2007, 1692 Rn 8; BGHZ 158, 110 (116) = WM 2004, 631; v. 16.6.2001 – III ZR 200/09, BeckRS 2011, 17987 Rn 14; zusammenf. Mann WM 2013, 727. 959 BGH, Urt. v. 1.12.2011 – III ZR 56/11, ZIP 2012, 135; v. 16.6.2001 – III ZR 200/09, BeckRS 2011, 17987 Rn 14; v. 5.3.2009 – III ZR 17/08, NZG 2009, 471 (472) Rn 11. 960 BGH, Urt. v. 30.10.2014 – III ZR 493/13, DB 2014, 2825 = WM 2014, 2310 Rn 23; OLG München, Beschl. v. 13.7.2020 – 8 U 2610/20, WM 2020, 1822 Rn 21; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 U 19/14, BeckRS 2014, 22902. 961 BGH, Urt. v. 30.10.2014 – III ZR 493/13, DB 2014, 2825 = WM 2014, 2310 Rn 23; v. 1.12.2011 – III ZR 56/11, ZIP 2012, 135/136 Rn 9; v. 16.6.2011 – III ZR 200/09, BeckRS 2011, 17987 Rn 14; v. 5.3.2009 – III ZR 17/08, WM 2009, 739 (740); v. 22.3.2007, WM 2007, 873 = NJW-RR 2007, 925, Rn 5; Beschl. v. 21.5.2008 – III ZR 230/07, Rn 5; BGHZ 158, 110 (116) = WM 2004, 631. 962 BGH, Urt. v. 5.3.2009 – III ZR 17/08, WM 2009, 739 (740); v. 12.5.2005, WM 2005, 1219 (1220); v. 13.1.2000, WM 2000, 426 (427); Beschl. v. 21.5.2008 – III ZR 230/07 Rn 5. 561

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1. Buch. Handelsstand

Anlagevermittler die vorgeschriebene Prüfung, hat er den Interessenten hierauf hinzuweisen.963 Der Vermittler muss über die wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verpflichtungen zwischen der Anlagegesellschaft, ihren Organen und beherrschenden Gesellschaftern einerseits sowie andererseits das Unternehmen, deren Organe und beherrschenden Gesellschafter, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die durchzuführenden Vorhaben ganz oder teilweise gelegt hat, informieren.964 Die für diesen Personenkreis vorgesehenen und gewährten Sonderzuwendungen und Vorteile müssen ebenfalls offengelegt werden.965 Der Prospekt muss dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben werden, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann.966 Der Anleger trägt die Beweislast für die nicht rechtzeitige Übergabe.967 Die damit verbundenen Schwierigkeiten werden ausgeglichen, indem die behauptete fehlende Übergabe substantiiert bestritten werden muss.968 Zum Gerichtsstand bei Prozessen um Anlagevermittler Hustedt NZG 2011, 972. 127 Die Pflichten des Anlageberaters gehen weiter. Ein Anlageberatungsvertrag kann auch konkludent geschlossen werden,969 wenn eine Partei zwecks möglicher Anlagen an die andere Partei herantritt und eine Beratung stattfindet,970 etwa durch Empfehlung einer Anlage.971 Ist ein Vermittler tätig, kann sich dessen stillschweigende Bevollmächtigung zum Abschluss eines Beratungsvertrages zwischen Unternehmer und Kunden aus den Umständen ergeben (§ 167 BGB). Dabei sind keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass die auftretende Person sich – ggf. zu Unrecht – als Anlageberater bezeichnet, auch wenn sie bei den Verhandlungen im Auftrag des anderen Teils tätig geworden ist972 oder der Unternehmer den Vermittler mit dem Vertrieb beauftragt hat und dabei wusste oder jedenfalls nicht ausschließen konnte, dass dieser gegenüber Interessenten beratend tätig werden würde.973 Von wem die Initiative zu dem Gespräch ausgeht, ist für den Abschluss des Beratungsvertrages irrelevant,974 ebenso wenig ist relevant, ob die Beratungsleistung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt975 und ob das Beratungsgespräch von einer gewissen Dauer war.976 Auch die Übergabe schriftlicher Informationen977 oder auch nur die Aushändigung eines Prospektes978 oder die Vorlage eines Berechnungsbeispiels979 kann für den Vertragsschluss genügen. Im Gegensatz zum Anlageberatungsvertrag tritt der bloße Auskunftsvertrag mit geringeren Pflichten.980 Die Abgrenzung erfolgt anhand einer umfassenden Würdigung aller objektiven Umstände, etwa des Vertriebsge-

963 BGH, Urt. v. 5.3.2009 – III ZR 17/08, WM 2009, 739 (740); v. 12.5.2005, WM 2005, 1219 (1220); v. 13.1.2000, WM 2000, 426 (427). 964 BGH, Urt. v. 30.10.2014 – III ZR 493/13, DB 2014, 2825 = WM 2014, 2310 Rn 23. 965 BGH, Urt. v. 30.10.2014 – III ZR 493/13, DB 2014, 2825 = WM 2014, 2310 Rn 23. 966 OLG München, Beschl. v. 13.7.2020 – 8 U 2610/20, WM 2020, 1822 Rn 21. 967 OLG München, Beschl. v. 13.7.2020 – 8 U 2610/20, WM 2020, 1822 Rn 22. 968 OLG München, Beschl. v. 13.7.2020 – 8 U 2610/20, WM 2020, 1822 Rn 22. 969 BGH, Urt. v. 6.12.2012- III ZR 307/11, NJW-RR 2013, 293 = ZIP 2013, 114 = DB 2013, 117 (118); OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 U 19/14, BeckRS 2014, 22902. 970 BGH, Urt. v. 6.7.2013 – XI ZR 12/93, BGHZ 123,126 = ZIP 1993, 1148; Buck-Heeb ZIP 2013, 1401 (1402). 971 BGH, Urt. v. 6.12.2012- III ZR 307/11, NJW-RR 2013, 293 = ZIP 2013, 114 = DB 2013, 117 (118). 972 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 O 19/14, BeckRS 2014, 22902 – konkludentes Vertragsangebot auf Abschluss eines solchen Vertrages. 973 BGH, Urt. v. 1.3.2013 – IV ZR 279/11, WM 2013, 839 Rn 10, 12. 974 BGH, Urt. v. 6.7.2013 – XI ZR 12/93, BGHZ 123,126 = ZIP 1993, 1148; Buck-Heeb ZIP 2013, 1401 (1402). 975 BGH, Urt. v. 4.3.1987 – IV a ZR 122/85, BGHZ 100, 117 (118 f.) = ZIP 1987, 500; OLG Celle, Urt. v. 19.3.2008 – 3 O 218/07, WM 2008, 1270; Buck-Heeb ZIP 2013, 1401 (1402). 976 BGH, Urt. v. 08.10. 2004 – V ZR 18/04, ZIP 2005, 259 Rn 10; Buck-Heeb ZIP 2013, 1401 (1402). 977 OLG München, Urt. v. 21.11.2012 – 5 U 1543/12, ZIP 2013, 354 Rn 25; Buck-Heeb ZIP 2013, 1401 (1402). 978 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.7.2012 – 9 U 136/11; Buck-Heeb ZIP 2013, 1401 (1402). 979 BGH, Urt. v. 31.10.2003 – V ZR 423/02, BGHZ 156, 371 = ZIP 2003, 2367 Rn 7; OLG Köln, Urt. v. 22.3.2012 – 18 U 104/11 Rn 127 ff.; Buck-Heeb ZIP 2013, 1401 (1402). 980 Buck-Heeb ZIP 2013, 1401 (1403). Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 84

sprächs981 und meist anhand von Indizien, etwa ob der Kunde einen individuellen Rat wünscht (dann Anlageberatungsvertrag) oder nur Auskünfte über das von der Bank oder einem sonstigen Vermittler angebotene Anlageobjekt (dann Anlagevermittlung).982 Von der tatsächlichen Beratung wird häufig auf einen Beratungsvertrag rückgeschlossen werden können.983 Angeblich sollen Banken regelmäßig beraten, freie und gebundene Anlagevermittler meist nur zur Auskunft verpflichtet sein.984 Die in den AGB enthaltene Klausel, es komme im Rahmen des Kontakts zwischen dem Kunden und dem Berater kein Anlageberatungsvertrag zustande, ist zwar wirksam.985 Sie wird jedoch meistens durch Individualvereinbarungen obsolet.986 Beweispflichtig für einen Anlageberatungsvertrag ist derjenige, für den er günstig ist,987 auch für die Kausalität zwischen Falschberatung und Anlageentscheidung.988 Inhalt und Umfang der Beratungspflicht des Anlageberaters hängen von den Umständen des Einzelfalls ab.989 Er ist zu einer vollständigen und richtigen,990 individuellen,991 anlegergerechten Beratung992 und auf das persönliche und wirtschaftliche Ziel des Anlegers gerichteten993 Beratung und zu mehr als nur einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich seine Beratung verständlich994 auf alle Eigenschaften, Nachteile und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Entscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können.995 Der Wissensstand996 und die Risikobereitschaft997 des Anlegers ist aktiv zu hinterfragen und Wissenslücken sind zu schließen.998 Auch zur aktuellen Kapitalmarktsituation sind dem Anleger allgemeine Auskünfte zu erteilen. Sowohl über „allgemeine“ wie über „spezielle“ Risiken ist aufzuklären.999 Zu allgemeinen Risiken zählen sich abzeichnende Wirtschaftskrisen, die Auswirkungen politischer Krisen oder das allgemeine Börsenniveau.1000 Der Anlageberater muss eine Anlage, die er empfehlen will, mit üblichem kritischem Sachverstand prüfen und den Anlageinteressenten auf ein diesbezügliches Unterlassen hinweisen,1001 etwa wenn er weitere Informationen nicht erteilen kann oder darf.1002 Voraussetzung ist die Erkennbarkeit von Risiken für den Berater.1003 Bei Immobilienfonds soll der Anlageberater oder Vermittler angeblich nicht über das Totalverlustri-

981 OLG München, Beschl. v. 13.7.2020 – 8 U 2610/20, WM 2020 1822. 982 OLG Saarbrücken, Urt. v. 30.10.2012 – 4 U 517/10; Buck-Heeb ZIP 2013, 1401 (1403). 983 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 U 19/14, BeckRS 2014, 22902; LG Wuppertal, Urt. v. 13.3.2013 – 3 O 308/ 12, BeckRS 2014, 05123. 984 BGH, Urt. v. 9.3.2011 – XI ZR 191/10, ZIP 2011, 855 Rn 19; krit. Buck-Heeb ZIP 2013, 1401 (1403). 985 Buck-Heeb ZIP 2013, 1401 (1405). 986 Buck-Heeb ZIP 2013, 1401 (1405). 987 Buck-Heeb ZIP 2013, 1401 (1406). 988 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 U 19/14, BeckRS 2014, 22902. 989 BGH, Urt. v. 24.9.2013 – XI ZR 204/12, ZIP 2013, 2099 Rn 20. 990 BGH, Urt. v. 6.12.2012 – III ZR 307/11, NJW-RR 2013, 293 = ZIP 2013, 114 = DB 2013, 117 (119). 991 BGH, Urt. v. 6.12.2012 – III ZR 307/11, NJW-RR 2013, 293 = ZIP 2013, 114 = DB 2013, 117 (118). 992 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 O 19/14, BeckRS 2014, 22902. 993 BGH, Urt. v. 6.12.2012 – III ZR 66/12, WM 2013, 68 Rn 20. 994 „Ohne Fachchinesisch“ Günther WM 2012, 2267 (2270). 995 BGH, Urt. v. 6.12.2012- III ZR 307/11, NJW-RR 2013, 293 = ZIP 2013, 114 = DB 2013, 117 (119); v. 10.11.2011 – III ZR 81/11, VersR 2012, 1518; Günther WM 2012, 2267 (2269). 996 Günther WM 2012, 2267 (2269). 997 BGH, Urt. v. 6.12.2012 – III ZR 66/12, WM 2013, 68 Rn 20. 998 Günther WM 2012, 2267 (2269). 999 Günther WM 2012, 2267 (2269, 2270). 1000 Günther WM 2012, 2267 (2270). 1001 BGH, Urt. v. 6.12.2012- III ZR 307/11, NJW-RR 2013, 293 = ZIP 2013, 114 = DB 2013, 117 (119); v. 15.11.2012 – III ZR 55/12, ZIP 2013, 465 = DB 2012, 2862 (2863). 1002 BGH, Urt. v. 6.12.2012- III ZR 307/11, NJW-RR 2013, 293 = ZIP 2013, 114 = DB 2013, 117 (119). 1003 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – III ZR 55/12, ZIP 2013, 465 = DB 2012, 2862 (2863). 563

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1. Buch. Handelsstand

siko aufklären müssen.1004 Allein der Umstand, dass eine Anlage der ergänzenden Altersversorgung dienen soll, rechtfertige nicht den Schluss, die Empfehlung der Beteiligten für eine Form mit Totalverlustrisiko stelle keine anlegergerechte Beratung dar.1005 Ein Berater, der sich in Bezug auf eine Anlageentscheidung als kompetent geriert, hat sich aktuelle Informationen über das Objekt, welches er empfehlen will, zu verschaffen.1006 Dazu zählt die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen oder der Wirtschaftspresse.1007 Der Anlageberater muss jedoch nicht, sämtliche Publikationsorgane vorhalten.1008 Auch über die Seriosität und Zuverlässigkeit von Fondverantwortlichen ist ggf. zu informieren,1009 etwa über deren strafbares Verhalten.1010 Schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen, die infolge einer Gesetzesänderung eintreten, muss der Anlageberater aber nicht ohne Anhaltspunkte nachgehen, wenn diese regelm. nur durch ein Rechtsgutachten geklärt werden können.1011 Die genaue Formulierung des Anlagegesprächs braucht der Anleger im Prozess nicht darzustellen.1012 Schuldhafte Verstöße führen zur Schadenersatzpflicht.1013 Eine eventuell entstehende Haftung trifft der regelmäßig nur den Unternehmer, nicht den Mittler. Dem Kunden eines Anlageberaters, der sich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm erklärten Aufklärung und Beratung verlässt, ist rglm. kein Mitverschulden anzulasten.1014 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Geschädigte über eigene Sachkunde oder über zusätzliche Informationen von dritter Seite verfügt.1015 Nach § 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG hat die Anlageberatung in eine Empfehlung und einen eindeutigen Ratschlag zu münden, gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen diesen mit Sachkenntnissen gewissenhaft zu erarbeiten. Für Finanzinstrumente muss gem. § 31 Abs. 3a S. 1 WpHG ein Produktinformationsblatt1016 und gem. § 13 Abs. 1 VermAnlG für Vermögensanlagen (etwa Anteile an geschl. Fonds, Unternehmensbeteiligungen) ein Vermögensanlage-Informationsblatt1017 erstellt werden. Handelt es sich bei dem Finanzprodukt um ein Wertpapier, so muss der Vermittler ein Verkaufsprospekt gem. dem WpPG erstellen, sofern das Wertpapier öffentlich angeboten werden soll. § 3 Abs. 2 WpPG regelt Ausnahmen von der Prospektpflicht. Das Gleiche gilt für Vermögensanlagen i. S. d. § 1 Abs. 2 VermAnlG. Das InVG sieht ausführliche Anforderungen an die Dokumentation von Fondsprodukten für deren Vertrieb vor, insb. gem. § 1 InvG ein Verkaufsprospekt mit wesentlichen Anlageinformationen gem. § 42 InvVG.1018 Die Finanzanlagevermittler müssen ferner Informations-, Beratungs- und Dokumen-

1004 BGH, Urt. v. 11.9.2012 – XI ZR 363/10, NJW-RR 2013, 98; v. 27.10.2009 – XI ZR 337/08, NJW-RR 2010, 115 (117); OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 O 19/14, BeckRS 2014, 22902.

1005 BGH, Urt. v. 24.4.2014 – III ZR 389/12, Rn 28, OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 O 19/14, BeckRS 2014, 22902.

1006 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 U 19/14, BeckRS 2014, 22902. 1007 , Urt. v. 6.12.2012- III ZR 307/11, NJW-RR 2013, 293 = ZIP 2013, 114 = DB 2013, 117 (119); v. 1.12.2011 – III ZR 56/ 11, ZIP 2012, 135 (136) = NJW-RR 2012, 380 Rn 10; Urt. v. 16.9.2010 – III ZR 14/10, ZIP 2010, 2206; Urt. v. 5.11.2009 – VIII ZR 302/08, ZIP 2010, 526 Rn 16, 18; Urt. v. 5.3.2009 – III ZR 302/07, ZIP 2009, 1332 = WM 2009, 688 (690) Rn 13 ff.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 U 19/14, BeckRS 2014, 22902. 1008 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 O 19/14, BeckRS 2014, 22902. 1009 BGH, Urt. v. 10.11.2011 – III ZR 81/11, VersR 2012, 1518. 1010 BGH, Urt. v. 10.11.2011 – III ZR 81/11, VersR 2012, 1518. 1011 BGH, Urt. v. 1.12.2011 – III ZR 56/11, ZIP 2012, 135 = NJW-RR 2012, 380 = VersR 2012, 1302. 1012 BGH, Urt. v. 6.12.2012 – III ZR 66/12, NJW-RR 2013, 296 = WM 2013, 68 Rn 15. 1013 Günther WM 2012, 2267 (2269). 1014 BGH, Urt. v. 19.2.2015 – III ZR 90/14, WM 2015, 569. 1015 BGH, Urt. v. 19.2.2015 – III ZR 90/14, WM 2015, 569. 1016 Müchler WM 2012, 974 ff. 1017 Müchler WM 2012, 974 ff. 1018 Kurz DB 2013, 501 (506); Müchler WM 2012, 974 ff. Emde

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tationspflichten beachten. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger1019 Bis zum 1.1.2013 mussten nur die Bank und ihre Mitarbeiter,1020 nicht jedoch ein ausschließlich mit einer Bank verbundener HV oder ein nur in ihrem Namen tätiger HV, soweit nicht § 31d WpHG eingriff, über Rückvergütungen und übliche Provision aufklären, sofern dem Kunden die Tätigkeit als HV bekannt ist. Denn ein freier HV erhalte, so die Begründung, typischerweise Provision; der Kunde wisse dies und rechne damit.1021 Insbesondere muss ein VV nicht über die Höhe seiner Provision und sein dahin gehendes Eigeninteresse aufklären.1022 Auch hier soll das Bestehen eines Provisionsanspruchs gegen den Versicherer offensichtlich sein.1023 Die Zahlung einer Provision entspreche einem überkommenen, allg. bekannten Handelsbrauch, der nach überwiegend vertretener Auffassung aufgrund einer vom Willen aller Beteiligten getragenen gleichförmigen Übung sogar als Gewohnheitsrecht anzusehen sei.1024 Das gilt nicht nur für den Provisionsanspruch des VV, der im Lager des Versicherers steht und vorrangig dessen Interesse im Auge zu halten hat, sondern auch für den Anspruch eines Versicherungsmaklers.1025 Berechnet aber ein Vermittler (im entschiedenen Fall eine Bank) dem Kunden ein Entgelt für die Beratung, geht der Anleger davon aus, der Vermittler werde durch dieses Entgelt befriedigt. Bezieht er jedoch von Dritten ebenfalls eine Vertriebsvergütung, lässt sich also von beiden Seiten bezahlen, so befindet er sich in einem Interessenkonflikt. In einem solchen Fall hat der Mittler über eine vom Dritten gewährte Vertriebsvergütung zu informieren.1026 Eine beratende Bank hat Kunden unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Interessenkonflikts aufgrund von Anlageberatungsverträgen ab dem 1.8.2014 über den Empfang versteckter Innenprovisionen von Seiten Dritter unabhängig von deren Höhe aufzuklären. Denn es besteht ein nahezu flächendeckendes aufsichtsrechtliches Transparenzgebot, welches auch im Zivilrecht zu berücksichtigen ist.1027 Insb. Vertriebskosten und Agio bilden eine aufklärungspflichtige Rückvergütung.1028 Die Bank hat die Pflicht, den Anleger ungefragt nicht nur über das Ob sondern auch über die Höhe einer von ihr erhaltenen Rückvergütung aufzuklären. Es ist nicht treuwidrig, wenn der Anleger, der diesbezüglich nicht nachgefragt hat, sich später auf die Aufklärungspflichtverletzung beruft.1029 Die Offenbarungspflicht für Innenprovisionen wird aber nur für umsatzabhängige Provisionen befürwortet, die aus offen ausgewiesene Provisionen, wie z. B. Ausgabeaufschläge und Verwaltungsvergütungen, gezahlt werden und deren

1019 BGH, Urt. v. 24.9.2013 – XI ZR 204/12, ZIP 2013, 2099 Rn 20; v. 27.11.2012 – XI ZR 384/11, ZVertriebsR 2013, 242 (245) Rn 24.

1020 BGH, Urt. v. 19.7.2012 – III ZR 308/11, NJW 2012, 2952 = BB 2012, 2272 m. Anm. Voigt = EWiR 2012, 615 (Lang); v. 20.1.2009 – XI ZR 510/07, NJW 2009, 1416 (1417) Rn 12; BGHZ 170, 226 (234 f) Rn 23 = NJW 2007, 1876.

1021 BVerfG, Urt. v. 8.12.2011 – 1 BvR 2514/11, NJW 2012, 443; BVerfG, Urt. v. 8.12.2011- 1 BvR 2514/11, NJW 2012, 443; BGH, Urt. v. 19.1.2012 – III ZR 48/11, BKR 2012, 165 = EWiR 2012, 613 (Frisch); v. 10.11.2011 – III ZR 245/10, NJWRR 2012, 372; v. 3.3.2011 – III ZR 170/10, DB 2011, 761; v. 15.4.2010 – III ZR 196/09, DB 2010, 1056 = ZIP 2010, 919; OLG Stuttgart, Urt. v. 12.5.2010 – 3 U 200/09, NZG 2010, 995 = ZIP 2010, 1386 (1388 f.); OLG Celle, Urt. v. 11.6.2009 – 11 U 140/08, NZG 2010, 73; Schlick WM 2011, 154 (158); aA OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.7.2010 – I-6 U 136/09, EWiR 2010, 697 (Bendermacher); Heße MDR 2012, 1142 (1144). Zum englischen Recht Voigt BB 2011, 451. 1022 BGH, Urt. v. 1.7.2014 – XI ZR 247/12, NJW 2014, 3360 = WM 2014, 1621 = ZIP 2014, 1620 = DB 2014, 1980; Witte/ Weber VersR 2011, 1103 (1105). 1023 BGH, Urt. v. 1.7.2014 – XI ZR 247/12, NJW 2014, 3360 = WM 2014, 1621 = ZIP 2014, 1620 = DB 2014, 1980. 1024 Vgl. BGH, Urt. v. 22.5.1985 – IXa ZR 190/83, BGHZ 94, 356 (359 f.); LG Hamburg VersR 1951, 261. 1025 BGH, Urt. v. 1.7.2014 – XI ZR 247/12, NJW 2014, 3360 = WM 2014, 1621 = ZIP 2014, 1620 = DB 2014, 1980 Rn 30; tendenziell aA Witte/Weber VersR 2011, 1103 (1105), nach denen bei Maklern eine Aufklärungspflicht diskutiert werden könnte. 1026 BGH, Urt. v. 24.9.2013 – XI ZR 204/12, ZIP 2013, 2099 Rn 25. 1027 BGH, Urt. v. 3.6.2014 – XI ZR 147/12, ZIP 2014, 1418 = DB 2014, 1610 = WM 2014, 1382 = EWiR 2014, 505 (Dörfler). 1028 BGH, Urt. v. 15.3.2016 – XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187. 1029 BGH, Urt. v. 15.3.2016 – XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187 Rn 38. 565

Emde

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Rückfluss an die beratende Bank nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Denn der Anleger kann dann das besondere Interesse an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen.1030 Keiner Aufklärungspflicht sollte bis zu diesem Datum nach den Umständen des Falles eine selbständige Vertriebstochter der Bank unterliegen1031 (aber mglw. Durchgriff?). Die gesamten Provisionsvereinbarungen mit allen Details seien auch schwer kommunizierbar.1032 Das galt jedenfalls, falls offen Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen wurden, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden,1033 die Provision nicht unüblich hoch lag, so dass bei einer Provision von mehr als 15 % der Beteiligungssumme aufzuklären war1034 und die Provision nicht vom Kunden geleistet wurde (dann brauchte er nicht mit weiteren, von dritter Seite geleisteten Provisionen zu rechnen).1035 Bezugsgröße für die Höhe aufklärungspflichtiger Provisionen von mehr als 15 % ist das von den Anlegern einzubringende Eigenkapital.1036 Die Pflicht eines Anlagevermittlers oder Anlageberaters zur Aufklärung über Innenprovisionen von mehr als 15 % besteht auch bei der Vermittlung einer Kapitalanlage in Form einer Eigentumswohnung.1037 In die Berechnung der Betriebsprovision ist ein auf das Beteiligungskapital zu zahlendes Agio einzuziehen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass Vertriebsprovisionen solchen Umfangs Rückschlüsse auf eine geringere Werthaltigkeit und Rentabilität der Kapitalanlage erlauben und dies wiederum einen für die Investitionsentscheidung bedeutsamen Umstand darstellt, so dass der Anlageinteressent hierüber informiert werden muss. Auf Nachfragen muss der Anlagevermitler wahrheitsgemäß antworten.1038 Im Bereich der fondsgebundenen Lebensversicherung soll angeblich auf Kickbacks nicht hingewiesen werden müssen; dem Versicherer stehe es frei, in welche Fonds er investiere.1039 Richtigerweise ist auch ein Lebensversicherer bei Anlagegeschäften verpflichtet, einen potentiellen VN bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen über alle Umstände verständlich und vollständig zu informieren, die für seinen Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind, wenn sich der Vertragsschluss bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft darstellt.1040 Zur richtigen und vollständigen Information gehört auch die Beschreibung der damit verbundenen Chancen und Risiken.1041 Lebensversicherungsverträge mit kreditfinanzierten Beiträgen werden aufgrund des dahinterstehenden Hebelmodells typischerweise zum Zwecke der Kapitalanlage abgeschlossen. Dabei kann auch ein hochspekulativer Charakter des Fonds, mit dem die Lebensversicherung unterlegt war, nicht unberücksichtigt bleiben.1042 Nach

1030 BGH, Urt. v. 15.7.2014 – XI ZR 418/13, DB 2014 1977 Rn 25; v. 1.7.2014 – XI ZR 247/12, NJW 2014, 3360 = WM 2014, 1621 = ZIP 2014, 1620 = DB 2014, 1980 Rn 25; v. 15.4.2014 – XI ZR 513/11, ZIP 2014, 1165.

1031 BGH, Urt. v. 6.12.2012- III ZR 307/11, NJW-RR 2013, 293 = ZIP 2013, 114 = DB 2013, 117 =WM 2013, 119= EWR 2013, 339 (Dieckmann) v. 19.7.2012- III ZR 308/11NJW 2012, 2952 = BB 2012, 2272 m. Anm. Voigt= EWiR 2012, 615 (Lang); Kotte BB 2014, 1353 ff. Abgrenzend hierzu das OLG München (Urt. v. 27.11.2012 – 5 U 1345/12, WM 2013, 122 = ZIP 2013, 354 = EWiR 2013, 97 [Bendermacher]): Die Rspr. des III. ZS des BGH zu Aufklärungspflichten freier Anlageberater soll auf eine 100 %ige Tochtergesellschaft einer Bank, die ihre anlageberatende Tätigkeit unter dem Briefkopf der Bank und unter ihrer Haftung im aufsichtsrechtlichen Status des § 2 Abs. 10 KWG nicht anwendbar sein. 1032 Schlick WM 2011, 154 (158). 1033 BGH, Urt. v. 15.4.2010 – III ZR 196/09, DB 2010, 1056 = ZIP 2010, 919. 1034 BGH, Urt. v. 10.11.2011 – III ZR 245/10, NJW-RR 2012, 372; v. 3.3.2011 – III ZR 170/01, DB 2011, 761; BGHZ 158, 110 (118 f.) = ZIP 2004, 1055; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2014 – I-16 U 19/14, BeckRS 2014, 22902; OLG Stuttgart, Urt. v. 12.5.2010 – 3 U 200/09, NZG 2010, 995 = ZIP 2010, 1386 (1389 f.). 1035 Heße MDR 2012, 1142 (1144). 1036 BGH, Urt. v. 19.10.2017 – III ZR 565/16, ZIP 2017, 2304. 1037 BGH, Urt. v. 23.6.2016 – III ZR 308/15, ZIP 2016, 1683. 1038 BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 170/10, NJW-RR 2011, 913 (915); Heße MDR 2012, 1142 (1144). 1039 OLG Köln, Beschl. v. 29.10.2010 – 20 U 100/10, VersR 2011, 248 (249); aA wohl Witte/Weber VersR 2011, 1103 (1106) für Zuwendungen der Fondsgesellschaft an den Versicherer. 1040 OLG Nürnberg, Urt. v. 27.6.2016 – 8 U 2633/14, VersR 2016, 1238 (1241). 1041 OLG Nürnberg, Urt. v. 27.6.2016 – 8 U 2633/14, VersR 2016, 1238 (1241). 1042 OLG Nürnberg, Urt. v. 27.6.2016 – 8 U 2633/14, VersR 2016, 1238 (1241). Emde

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Kotte1043 entsteht bei fehlender Information einer Anlageprodukte vertreibenden Bank über Vertriebs- und Vertriebsfolgeprovisionen kein Herausgabeanspruch gegen die Bank nach §§ 666, 667 Alt. 2 BGB bzw. § 384 Abs. 2 HGB. Kotte problematisiert nicht, ob Schadenersatzansprüche und zu deren Höhe auf erster Stufe Auskunftsansprüche bestehen können. Solche Ansprüche könnten mglw. wegen der fehlenden Aufklärung existieren, sofern eine Aufklärungspflicht bestand. Die Bank oder ein Versicherer1044 muss sich das Verhalten des Beraters nach § 278 BGB zurechnen lassen.

b) FinVermV. Die aufgrund der §§ 11a Abs. 5, 34c Abs. 3, 34g GewO erlassene FinVermV regelt ab 1.1.2013 einen Großteil der vorstehend wiedergegebenen, vormals richterrechtlichen Pflichten: § 11 FinVermV enthält als Generalklausel die Verpflichtung zur gewissenhaften und sorgfältigen Berufsausübung des Vermittlers im Interesse des Anlegers. § 12 FinVermV regelt die Statusinformation des Vermittlers. Sie ist mit der aus der Versicherungsvermittlung bekannten Regelung vergleichbar. §§ 13–15 FinVermV regeln Inhalt, Art, Aufbau und Darstellung aller Werbematerialien. In den §§ 12–18 FinVermV sind sechs zu beachtende Informationspflichten genannt. Die jedenfalls unter Haftungsgesichtspunkten mutmaßlich wichtigste Vorschrift dürfte § 16 FinVermV sein. Gem. § 16 FinVermV ist der Vermittler zur Informationseinhaltung und zur Empfehlung verpflichtet: Der Vermittler muss den Kenntnisstand und die Erfahrung des Kunden erfragen. § 16 FinVermV unterscheidet zwischen Fällen, in denen der Finanzanlagenvermittler eine Beratung durchführt (näher § 16 Abs. 1 FinVermV) und solchen, in denen (nur) Anlagevermittlung betrieben wird (§ 16 Abs. 2 FinVermV). Im Fall einer Beratung ist eine sehr umfangreiche und komplexe Geeignetheitsprüfung durchzuführen. Im Rahmen der reinen Vermittlung dürften deutlich niedrigere Anforderungen an eine Angemessenheitsprüfung gestellt werden.1045 § 16 Abs. 2 FinVermV übernimmt die Regelung des § 31 Abs. 5 WpHG. Der Finanzanlagenvermittler hat im Falle der Anlagevermittlung eine Angemessenheitsprüfung durchzuführen. Hierbei muss er von dem Anleger Informationen über seine Kenntnisse und Erfahrungen mit Finanzanlagen einholen. Diese Informationen sollen den Vermittler in die Lage versetzen, zu prüfen, ob das konkrete Produkt für den Anleger angemessen ist. Soweit der Vermittler die für die Angemessenheitsprüfung erforderlichen Informationen von dem Anleger nicht erhält, muss er ihn darauf hinweisen, dass eine Angemessenheitsprüfung nicht möglich ist. Im Rahmen der Anlageberatung nach § 16 Abs. 1 FinVermV muss der Finanzdienstleister ferner eine Geeignetheitsprüfung vornehmen. Hierbei geht es um die Pflicht zur anleger- und anlagegerechten Beratung. Ein Beratungsverzicht dürfte unzulässig sein.1046 § 17 Abs. 3 FinVermV schreibt ab dem 1.1.2013 die Offenlegung aller Zuwendungen im Zusammenhang mit der Vermittlung von und Beratung über Finanzanlagen nach § 34f Abs. 1 S. 1 GewO vor. Der Begriff der Zuwendungen ist weit zu verstehen. Gem. § 17 Abs. 2 FinVermV werden sie definiert als Provision, Gebühren, sonstige Geldleistungen oder geldwerte Vorteile des Vermittlers. Der Kunde braucht nach diesen Provisionen nicht zu fragen; die Aufklärung muss unaufgefordert erfolgen.1047 Dabei ist auch über Provisionen selbständiger Berater aufzuklären.1048 Nach § 18 Abs. 1 FinVermV hat der Finanzanlagenvermittler über jede Anlageberatung unverzüglich nach deren Abschluss – und vor dem Abschluss des Geschäfts – ein Protokoll in Schriftform anzufertigen. Dieses ist vom Vermittler zu unterzeichnen und dem Anlageinteressenten unverzüglich nach Abschluss der Beratung und vor dem Abschluss des Geschäfts in Kopie oder Abschrift auszuhändigen. Die Dokumentation sollte eine zusammenfassende Darstellung i. S. e. Gesamtberatungsdokumenta1043 1044 1045 1046 1047 1048 567

BB 2015, 1283. OLG Nürnberg, Urt. v. 27.6.2016 – 8 U 2633/14, VersR 2016, 1238 (1242). Glotz VersVerm 1/2013, 14. Glotz VersVerm 1/2013, 14. BGH, Urt. v. 20.11.2012 – XI ZR 444/11, EWiR 2013, 167 (Deblitz). Frisch EWiR 2012, 614. Emde

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tion bilden. Dabei handelt es sich um eine rein gewerberechtliche Verpflichtung mit der Folge, dass ein Emittent oder Prinzipal keinen direkten Anspruch auf Herausgabe des Protokolls gegen den Vermittler besitzt.1049 Die Nebenpflichten des Finanzanlagevermittlers werden in §§ 20- 25 FinVermV geregelt. Sie entsprechen von Konstruktion und Inhalt her in wesentlichen Teilen den bisherigen Vorgaben der §§ 34c GewO. Wenn der Mittler diese Wohlverhaltenspflichten verletzt, verhält er sich ordnungswidrig i. S. d. § 144 GewO.

3. Autovermieter 128 Gemeint sind etwa Europcar und Hertz-Vermieter.1050

129 4. Auswanderungsagenten1051

5. Bausparkassenvertreter1052 130 Der Gesetzgeber stellt die Bausparkassenvertreter durch die Verweisungsvorschrift des § 92 Abs. 5 den weiter verbreiteten Versicherungsvertretern gleich.

131 6. Fotorepräsentanten1053

132 7. Mercedes-„Händler“1054

8. Darlehensvermittler 133 Der Darlehensvermittler nach § 655a BGB kann sowohl ein HV wie auch ein Makler sein.1055 Dem Darlehensvermittler obliegen Beratungs-, Informations-, Vorbereitungs- und Prüfpflichten.1056 Ein HV darf aber aufgrund seiner Interessenwahrungspflicht keine anderen als die Darlehen seines Auftraggebers i. S. d. § 655a Abs. 3 S. 2 BGB in die Beratung einbeziehen.1057 Ein Immobiliendarlehensvermittler, der gewerbsmäßig Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge oder entsprechende entgeltliche Finanzierungshilfen vermitteln will, bedarf der Erlaubnis der

1049 1050 1051 1052

Glotz VersVerm 1/2013, 14. LG Frankfurt/M. EWiR 2003, 573 (Emde). Staub/Brüggemann4 Vor § 84 Rn 40; heute nicht mehr praktisch. Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 158; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 10; Küstner BB 1966,

269 ff.

1053 Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 ff.; aA zu Unrecht OLG Hamburg, Urt. v. 28.10.2005 – 11 U 169/04, GRUR 2006, 788.

1054 EuG, Urt. v. 15.9.2005 – T-325/01 Daimler Chrysler/Kommission, WuW 2005, 1061 = EU-R 933 = DB 2005, 2127 = EWiR 2005, 861 (Weidenbach) = EuZW 2005, 766 (LS); Giesler/Giesler2 § 1 Rn 30; s. a. Kommissionsentscheidung EuZW 2001, 674; hierzu Ensthaler/Gesmann-Nuissl EuZW 2006, 167 ff; Lubitz EWS 2004, 556; Emde VersR 2003, 420; Emde BB 2005, 394. 1055 Str., für die Tätigkeit auch durch HV Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2018, 225; MünchKomm BGB/ Schürnbrand, § 655a Rn 12; dagegen Palandt/Sprau, § 655a Rn 5. 1056 Im Einzelnen Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2018, 225. 1057 Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2018, 225 (226). Emde

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zuständigen Behörde.1058 Als HV unterliegt der Darlehensvermittler der Interessenwahrungspflicht.1059

9. Einkaufsvertreter1060 Das sind solche Vertreter, die für den Unternehmer Einkaufsgeschäfte, d. h. Bezugsverträge, 134 vermitteln.

10. Vermittler von Energielieferverträgen1061

135

11. Grundstücksvermittler1062

136

12. Internetplattformen1063 Diese bilden eine moderne Vertriebsform. Ihre rechtliche Einordnung ist jedoch nur wenig Ge- 137 genstand von Gerichtsentscheidungen oder juristischer Diskussion. Beispiele bilden Amazon, Ebay, aber auch Vergleichsplattformen wie Online-Hotelportale,1064 etwa booking.com,1065 HRS1066 oder Expedia.1067 Plattformen geben die Möglichkeit zur Interaktion zwischen mindestens zwei Personen oder Unternehmen.1068 Sie können als Makler oder HV tätig werden.1069 Sollen die Plattformen über einen längeren Zeitraum, also „ständig“ i. S. d. § 84 Abs. 1 für den Auftraggeber tätig werden, liegt ein HV-Vertrag vor. Je nach Ausgestaltung der Vertriebsform ist auch an einen Vertragshändler-, Franchise-1070 oder Kommissionsagentenvertrag1071 zu denken. Diese Einordnung in das klassische Vertriebsrecht widerlegt die Auffassung, HV- und klassische Vertriebsmittlerverträge seien durch das Internet überflüssig geworden. Auch die modernen Vertriebsformen fügen sich in die bestehenden rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ein. Han1058 Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2018, 225 (227). 1059 Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2018, 225 (225, 228). 1060 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – IX ZR 241/14, ZVertriebsR 2016, 225 = EWiR 2016, 495 (Henssler); Martinek/Flohr/ Feldmann § 18 Rn 18.

1061 LG Bonn, Urt. v. 15.12.2009 – 11 O 52/09, BeckRS 2010, 04041; Thume BB 2015, 387. 1062 Begr. RegE, BT-Drucks. I/3856, S 15; BGH BB 1982, 1876 = DB 1982, 590 = HVR Nr. 556 = MDR 1982, 545 = VersR 1982, 343 = WM 1982, 272; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 166.

1063 BGH, Urt. v. 23.8.2018 – III ZR 192/17, BB 2018, 2049 = ZIP 2018, 1934; OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI (U) Kart 5/17 – Expedia, NZKart 2018, 54 Rn 35; Rohrßen ZVertriebsR 2019, 153 (159); Mörsdorf/Schäfer NZKart 2019, 659 (663); Sommerfeld EWiR 2018, 718; Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359 (361); Nolte BB 2017, 1987; Emde/ Valdini BB 2016, 899; vgl. hierzu auch Dreyer/Ahlenstiel NZKart 2019, 130. 1064 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI U (Kart) 5/17, NZKart 2018, 54 (55); Emde/Valdini BB 2016, 899; Kumkar NZKart 2017, 47 (53). 1065 Emde/Valdini BB 2016, 899. 1066 Nolte BB 2014, 1155 (1162). 1067 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI U (Kart) 5/17, NZKart 2018, 54 (55). 1068 Dreyer/Ahlenstiel NZKart 2019, 130. 1069 BGH, Urt. v. 23.8.2018 – III ZR 192/17, BB 2018, 2049 = ZIP 2018, 1934; Sommerfeld EWIR 2018, 718; Hauck/ Blaut NJW 2018, 1425 (1426); Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359 (361); Nolte BB 2017, 1187; Emde/Valdini BB 2016, 899. 1070 Zweifelnd Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359: Die Plattformen könnten nicht als Vertragshändler oder FN tätig werden, da Plattformen nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handeln würden. 1071 AA Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359: eine „Vermittlung an sich selbst“ sei nicht möglich, so dass Plattformen nicht als Kommissionsagenten tätig werden können. 569

Emde

§ 84

1. Buch. Handelsstand

deln die Plattformen als HV, können sie – je nach vertraglicher Regelung – für einen erfolgreichen Vertragsabschluss eine Vermittlungsprovision erhalten.1072 Selbst wenn die Plattform als HV handelt, kann zwischen Nutzer und Plattform zumindest konkludent ein eigenständiger Vertrag geschlossen wird.1073 Dann käme auch eine Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB gegenüber dem Nutzer in Betracht1074 (s. zu § 86). Problematisch sind insb. die Themen Interessenwahrungspflicht,1075 Vermittlungstätigkeit, persönliche Einwirkung auf die potentiellen Vertragsparteien1076 (dazu bei den entsprechenden §§). Insb. Vergleichsplattformen,1077 aber auch andere Plattformen,1078 besitzen eine erhebliche Marktmacht. Laut den AGB der Hotelportale, die ständig für eine Vielzahl von Hotels tätig werden,1079 soll zwar auch ein Vermittlungsverhältnis mit den Kunden begründet werden. Dies dürfte aber rechtlich unzutreffend sein.1080 Ein persönliches Einwirken der Portale auf die Kunden ist nicht erforderlich.1081 Die erforderliche Mitursächlichkeit des Vermittlungsergebnisses liegt gleichwohl vor.1082 Als Mehrfirmenvertreter müssen die Portale alle Unternehmer (etwa: Hotels) gleich behandeln. Dafür genügt die Listenbildung. Die Plattformen schulden eine ordnungsgemäße, insb. unverfälschte und vollständige Beratung und Aufklärung über die den Nutzerwünschen entsprechenden Angebote sowie ein konkretes Angebot.1083 Die Listung der Ergebnisse wird eine nicht unerhebliche Rolle bei der Entscheidung des Nutzers spielen.1084 Die Möglichkeit, Angebote in der Suchergebnisliste gegen zusätzliches Entgelt herauszustellen, muss nicht nur transparent1085 sein und allen vertretenen Unternehmen offen stehen.1086 Es muss zugleich sichergestellt sein, dass Unternehmer, die nicht von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, faktisch nicht dauerhaft von der Vermittlung ausgeschlossen oder wesentlich behindert werden.1087 Dazu muss ein sachgerechtes Auswahlverfahren implementiert werden, welches die Chancengleichheit wahrt.1088 Der Nutzer darf darauf vertrauen, dass der Produktvergleich der Plattform die Marktsituation umfassend widerspiegelt und insoweit vollständig ist. Eine Aufklärungspflichtverletzung (und ein wettbewerbswidriges Verhalten, vgl. Vor § 84 zum UWG) kann deshalb darin liegen, dass der Plattformbetreiber bestimmte, für den Nutzer günstigere Anbieter gänzlich aus dem Vergleich ausschließt oder herabsetzt, ohne dies kenntlich zu machen,1089 etwa weil er hierfür eine Vergütung erhält.1090 Gleiches gilt für die Verfälschung der Rangfolge der verglichenen Produkte.1091 Maßgeblich ist jeweils, ob dies für den Nutzer erkennbar ist. Zu AGB s. bei Vor § 84.

1072 1073 1074 1075 1076 1077 1078 1079 1080 1081 1082 1083

Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1426). Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1426). Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1426). Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359. Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359 (362). Kumkar NZKart 2017, 47 (53). Pautke/Schultze WuW 2019, 2 (7). Emde/Valdini BB 2016, 899. Emde/Valdini BB 2016, 899 (900). Emde/Valdini BB 2016, 899 (900). Emde/Valdini BB 2016, 899 (901). KG, Urt. v. 21.6.2019 – 5 U 121/18, WRP 2019, 1202; LG Hamburg, Urt. v. 16.4.2019 – 406 HKO 13/19, WRP 2019, 1082; Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1427). 1084 LG Hamburg, Urt. v. 16.4.2019 – 406 HKO 13/19, WRP 2019, 1082; Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1427). 1085 Vgl. KG, Urt. v. 21.6.2019 – 5 U 121/18, WRP 2019, 1202; LG Hamburg, Urt. v. 16.4.2019 – 406 HKO 13/19, WRP 2019, 1082. 1086 Emde/Valdini BB 2016, 899 (901). 1087 Emde/Valdini BB 2016, 899 (901). 1088 Emde/Valdini BB 2016, 899 (901). 1089 Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1427). 1090 Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1427). 1091 Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1427). Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 84

13. Kapitalanlagevertreter1092

138

14. Kreditvermittler1093 Die Beratungspflicht eines Kreditvermittlers geht über die Wiedergabe von Fakten hinaus. Sie 139 muss individualisiert anhand der Bedürfnisse des Kreditnehmers erfolgen. Der Kreditnehmer muss in die Lage versetzt werden, zu beurteilen, ob der Vertrag seinen Bedürfnissen und seiner finanziellen Situation gerecht wird. Die Beratung erfordert die Berücksichtigung und, im Falle von Unklarheiten, die Ermittlung der Bedürfnisse des Kreditnehmers und die Auswahl des gewählten Kredits.1094

15. Lotto-Vertreter1095 Die Vermittlungstätigkeit liegt darin, dass ein Lottostellen-Handelsvertreter das Wettgeschäft 140 fördert, indem er die Annahmestelle offen hält, auch wenn er sonst keinerlei Werbetätigkeit entfaltet.1096

16. Mobilfunkvermittler1097

141

17. Maklerbetreuer, die andere Vermittler zum Vertragsschluss mit dem Unternehmer animieren.1098

142

18. Online-Hotelportale,1099 etwa HRS1100 oder Expedia.1101 Siehe oben zu Internetplattformen.

143

19. Postagenturen1102

143

1092 1093 1094 1095

OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.9.2008 – 16 U 217/06, BeckRS 2010, 04763. BGH BB 1985, 823 = WM 1984, 1633. OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.4.2012 – 17 U 157/10, NJW-RR 2012, 1439 (1440). BGHZ 59, 87 = BGH BB 1972, 938 = DB 1972, 1624 = HVR Nr. 459 = NJW 1972, 1662; OLG Hamburg, Urt. v. 12.8.2004 – 5 U 58/03, WRP 2005, 378 = OLGR 2005, 113; Thume BB 2015, 387. 1096 Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 164. 1097 OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 1401. 1098 OLG Hamm, Urt. v. 25.10.2012 – I-18 U 193/11 m. abl. Anm. Evers VW 9/2013, 33. 1099 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI U (Kart) 5/17, NZKart 2018, 54 (55); Emde/Valdini BB 2016, 899; Kumkar NZKart 2017, 47 (53). 1100 Nolte BB 2014, 1155 (1162). 1101 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2017 – VI U (Kart) 5/17, NZKart 2018, 54 (55). 1102 BGH WM 2001, 274 (275); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 7.7.2010 – 4 U 25/06, BeckRS 2010, 19018; OLG Koblenz, Urt. v. 30.1.2006 – 10 U 127/01, WM 2006, 1452; OLG Köln, Urt. v. 21.11.2008 – 19 U 72/08, BeckRS 2009, 27270; aA LG Dortmund, Urt. v. 14.12.2006 – 16 O 92/05, NJOZ 2007, 1485. 571

Emde

§ 84

1. Buch. Handelsstand

144 20. Post-Wettannahmestellen1103

145 21. Quelle-Shops1104

22. Reisebüros 146 Reisebüros sind HV, die als Buchungsstelle für einen Reiseveranstalter tätig werden und ständig damit betraut sind, für den Veranstalter Reiseverträge zu vermitteln bzw. abzuschließen.1105

23. Stationäre Handelsvertreter 147 Stationäre Handelsvertreter (früher „Platzagenten“ genannt), sind Handelsvertreter ohne Reisetätigkeit (etwa Tankstellenhalter, Exportvertreter, Reisebüros, Lotto-Annahmestellen, Kfz-Vermietagenturen, HV mit Auslieferungslager, wie die Getränkeniederlagen der Brauereien oder die nebenberuflich betriebenen Ladenagenturen der Versandhäuser).

24. Strukturvertreter 148 Das Vertriebssystem des Unternehmers kann vertikal gestaffelt sein („Strukturvertrieb“1106 oder „mehrstufige“ Außenorganisation). Für einen Unternehmer werden weitere HV als meist unechte Untervertreter (s. u.) tätig. Jene schließen entweder einen HV-Vertrag mit dem „Haupt- oder Generalvertreter“. Dann spricht man von „echten Untervertretern“.1107 Häufiger ist jedoch folgende Gestaltungsform: Die Untervertreter – ebenso wie der ihnen organisatorisch „übergeordnete“ HV – schließen den HV-Vertrag allein mit dem vertretenen Unternehmer („unechte Untervertreter“).1108 Kennzeichnend für den im Versicherungsvertrieb nicht seltenen Strukturvertrieb ist seine – oft sogar durch militärische Bezeichnungen der verschiedenen Hierarchiestufen betonte – hierarchische Gliederung, bei der in der untersten Stufe oft durch nebenberufliche Vermittler vermittelt wird und in den übergeordneten Stufen die Verwaltungstätigkeit in den Vorder- und die Vermittlungstätigkeit in den Hintergrund tritt,1109 und zwar umso stärker, je mehr der bisherige Vermittler auf Grund seiner Erfolge in eine höhere Stufe aufsteigt.1110 Der überge-

1103 BGH, Urt. v. 4.3.2008 – KZR 36/05, WRP 2008, 1376 (1379) Rn 39. 1104 Pluta ZIP 2009, 1826 (1832). 1105 BGH, Urt. v. 25.4.2006 – X ZR 198/04, NJW 2006, 2321; v. 12.5.2004 – VIII ZR 159/03, MDR 2004, 1009; v. 10.12.2002 – X ZR 193/99, NJW 2003, 743 = ZIP 2003, 216; DB 1990, 2585; DB 1974, 1156 = EBE 1974, 179 = NJW 1974, 1242; EBE 1974, 180; BGHZ 62, 71 (73); BGH BB 1975, 198; OLG München, Beschl. v. 27.1.2005 – 29 W 1400/04, GRURRR 2005, 205; LG Köln, Urt. v. 15.4.2011 – 89 O 37/10, BeckRS 2012, 03969; AG Leipzig, Schlussurt. v. 6.4.2011 – 113 C 6263/10, BeckRS 2011, 17033; AG Bonn, Urt. v. 10.6.2010 – 103 C 470/09; BeckRS 2011, 04575; LG Düsseldorf, Urt. v. 23.2.2007 – 22 S 307/06, NJOZ 2007, 5409. 1106 Hierzu Preuß Produktvertrieb durch Strukturvertriebe, 2011. 1107 Besonders problematisch ist bei echten Untervertretern die provisionsrechtliche Frage, ob dem Unternehmer Ansprüche auf Untervertreterprovisionen zustehen, wenn es nach § 87a Abs. 2 darauf ankommt, wer „Dritter“ im Sinne dieser Vorschrift ist. 1108 BGH, Urt. v. 23.12.2011 – VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 = WM 2012, 469 = IHR 2012, 63 m. Anm. Thume = EWiR 2012, 207 (Emde); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.3.2009 – 4 U 168/08, GRUR-RR 2010, 51. 1109 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 120. 1110 Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 190. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 84

ordnete HV, der nunmehr stärker verwaltend tätig wird, ist am Vermittlungserfolg der niedrigeren Stufe durch Superprovisionen beteiligt.1111 Vom Grundsatz her ist HV-Recht im Strukturvertrieb anwendbar.1112 Obwohl sich nämlich die Tätigkeit der Vermittler höherer Stufe auf Koordinierungs- und Leitungsaufgaben konzentriert, genauer: Führung, Rekrutierung, Ausbildung und Administration, bleiben diese Handelsvertreter,1113 wenn sie durch ihre unechten Untervertreter dauernd Geschäfte vermitteln. Eine Geschäftsvermittlung setzt voraus, dass es dem Mittler gelingt, zwei sich als mögliche Partner einer Transaktion gegenüberstehende Interessenten zusammenzuführen, d. h. – zumindest mitursächlich – eine solche bis zur Abschlussreife vorzubereiten und hierdurch den Vertragsschluss herbeizuführen. Unmittelbar, d. h. durch eigene Werbung, vermitteln die Strukturoberen meist keine derartigen Geschäfte, da sie vom eigentlichen Vermittlungsgeschäft zu weit entfernt sind, als dass sie selbst Kunden werben würden.1114 Allerdings wird in mehrstufigen Vertriebsstrukturen der auf niedriger Stufe eintretende Vermittlungserfolg dem Strukturhöheren als mittelbar („mitursächlich“) herbeigeführter Abschluss zugerechnet.1115 Der BGH hat aus diesem Grunde in seiner Entscheidung BGHZ 56, 2901116 keine Zweifel daran gelassen, einem „Verkaufsleiter“ seien die Umsätze seiner unechten Untervertreter zuzurechnen. Der Generalvertreter könne mithin als Handelsvertreter einen Ausgleich nach § 89b verlangen. BGH, Urt. v. 23.12.2011 – VIII ZR 203/10 Rn 31 bestätigt dies und betont, auch dem Strukturoberen gewährte Superprovisionen seien ausgleichspflichtig, soweit die Tätigkeit des Generalvertreters, Bezirksstellenleiters oder Generaldirektionsleiters Voraussetzung für das Arbeiten der ihm unterstellten Vertreter und daher mitursächlich für die von diesen vermittelten Abschlüsse sei. In der Literatur sind an diesem Ergebnis wenig Zweifel angeklungen. Von einem schleichenden Wandel der Aufgabenstellung eines Strukturleiters von der eines HV zu einem „freien Mitarbeiter“, der zu einem Entfallen der HV-Eigenschaft führen könnte, ist daher auch an der Strukturspitze nicht auszugehen.1117 Eine differenzierte Ansicht nahm – soweit ersichtlich – nur Staub/Brüggemann 4. Aufl.1118 ein. Werde dem Generalvertreter eine als Superprovision bezeichnete Verwaltungsprovision als alleinige Vergütung für das Führen der Struktur gezahlt und vertraglich als Honorierung seiner ausschließlich in der laufenden Organisation des Vertretereinsatzes und der Koordinierung der Vertreteraktivitäten bestehenden, also nur noch verwaltenden Tätigkeit, ausgewiesen,1119 fehle die HV-Eigenschaft. Der BFH hat den Aufbau, die Führung und die Leitung einer Vermittlungsorganisation nicht als Vermittlungstätigkeit angesehen, da sich die Leistungen des Strukturoberen nicht auf die wesentlichen und spezifischen Funktionen einer Mittlertätigkeit in Form des Nachweises der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages, Kontaktaufnahme mit der anderen Partei oder auf das Verhandeln über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen bezogen.1120 Nach wohl zutreffender Auffassung des OLG Düsseldorf hingegen kann auch der nur ein

1111 Zum Auskunftsrecht des Strukturmitglieds gem. § 87c Abs. 3 vgl. Emde MDR 1999, 1108. 1112 BGH, Urt. v. 23.12.2011 – VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 = WM 2012, 469 = IHR 2012, 63 m. Anm. Thume = EWiR 2012, 207 (Emde); BGHZ 56, 290; v. 22.6.1972 – VII ZR 36/71, BGHZ 59, 87; v. 24.6.1971 – VII ZR 223/69; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-16 U 70/14, ZVertriebsR 2015, 249 (252); OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.2.2009 – 7 U 219/ 07, BeckRS 2010, 16911; Beschl. v. 10.3.2009 – 4 U 168/08, GRUR-RR 2010, 51 (52); LG Münster, Urt. v. 26.10.2011 – 26 O 56/11, BeckRS 2014, 08697; Emde MDR 1999, 1108 (1109). 1113 OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-16 U 70/14, ZVertriebsR 2015, 249 (252). 1114 Charakteristisch BFH, Urt. v. 20.12.2007 – V R 62/06, ZIP 2008, 503 = DB 2008, 620; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-16 U 70/14, ZVertriebsR 2015, 249 (252). 1115 Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359 (361); MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene § 84 Rn 56. 1116 Zustimmend OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.2.2009 – 7 U 219/07, BeckRS 2010, 16911. 1117 OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-16 U 70/14, ZVertriebsR 2015, 249 (252). Die steuerrechtliche Entscheidung BFH, Urt. v. 20.12.2007 – V R 62/06, ZIP 2008, 503 = DB 2008, 620 lässt sich nicht in das Vertriebsrecht übertragen. 1118 § 84 Rn 30. 1119 Zu diesem Charakter der Superprovision siehe auch Westphal I Rn 691. 1120 BFH, Urt. v. 20.12.2007 – V R 62/06, ZIP 2008, 505 = DB 2008, 620. 573

Emde

§ 84

1. Buch. Handelsstand

Vertriebssystem aufbauende oder führende Vertriebs- und Strukturleiter HV sein.1121 Ebenso kann ein Unternehmer dem HV die Aufgabe übertragen, gegen das Versprechen einer Provision dessen Angestellte anzuleiten, zu überwachen und/oder sich deren Vermittlung von Kundengeschäften einzuschalten.1122 Aus der Warte des Vertriebsrechts besehen steht die u. a. vom BFH eingenommene Ansicht im Widerspruch zur Zurechnung des Vermittlungserfolges an die Strukturspitze und wohl auch zu den zitierten Urteilen des BGH. „Berufstypische“ Tätigkeiten eines HV sind damit auch die Anwerbung, Kontrolle, Schulung wie Verwaltung der Untervertreter, soweit sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Umsatzsteigerung des Unternehmers dienen und auf den Abschluss von Verträgen gerichtet sind.1123

25. Tankstellenvertreter1124 149 Tankstellenvertreter sind Handelsvertreter, insofern sie Treibstoff und Schmiermittel im Namen und für Rechnung ihrer Mineralölgesellschaft verkaufen. In den Tankstellenverträgen werden die vertriebsrechtlichen Abreden mit Elementen der Pacht am Tankstellengrundstück und der Verpflichtung der Mineralölgesellschaft zur Vornahme oder zur Finanzierung der zum Betrieb der Tankstelle notwendigen Einbauten und beweglichen Einrichtungen, gelegentlich auch unter Einräumung einer Grunddienstbarkeit, verbunden.1125 Der reine Tankstellen-HV-Vertrag wird häufig als sog. „Stationärsvertrag“ geschlossen. In diesem wird das Tankstellengrundstück durch die Betreiber zur Verfügung gestellt und entweder in einem oder zwei gesonderten Verträgen, i. d. R. Pachtvertrag und Belieferungsvertrag, die Nutzung des Tankstellengrundstücks durch die Mineralölgesellschaft und der Vertrieb des Kraftstoffs durch den Eigentümer geregelt.1126 Kern des Vertragsgeflechts ist immer der Vertriebsvertrag, bei dem es sich regelmäßig um einen HV-Vertrag handelt.1127 In ihrem Erscheinungsbild sind diese Vertriebsverträge franchiseähnlich,1128 nur ohne Verpflichtung zur Leistung von Franchisegebühren. Teilweise sind die Pächter für den Kraftstoffvertrieb HV, für den Schmierölvertrieb Vertragshändler und den ShopBereich Eigenhändler.1129 Die Mineralölunternehmen gewähren den Tankstellen-HV sog. Agenturkredite für erforderliche Investitionen. Die Darlehensgewährung ist problematisch. Es kann

1121 1122 1123 1124

OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-16 U 70/14, ZVertriebsR 2015, 249 (252). OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-16 U 70/14, ZVertriebsR 2015, 249 (252). OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-16 U 70/14, ZVertriebsR 2015, 249 (252). BGH, Urt. v. 15.10.1964 – VII ZR 150/62, BGHZ 42, 244, 245 = NJW 1965, 248; v. 9.6.1969 – VII ZR 49/67, BGHZ 52, 171 (174) = NJW 1969, 1662; v. 15.12.1967 – KZR 6/66, MDR 1968, 386; BB 1972, 938; v. 20.2.1981 – I ZR 59/79, NJW 1981, 1961; v. 29.11.1984 – I ZR 149/82, BB 1985, 353; NJW-RR 1993, 1122; NJW 1998, 66; 1998, 71; NJW-RR 2002, 1548; NJW-RR 2003, 821; v. 8.11.2005 – KZR 18/04, BB 2006, 180; v. 12.9.2007 – VIII ZR 194/06 m. Anm. Emde; v. 11.11.2009 – VIII ZR 249/08, BeckRS 2009, 88043 Rn 16; v. 21.4.2010 – VIII ZR 108/09, BB 2010, 1685 = DB 2010, 1343 Rn 14; v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009; OLG Celle BB 1959, 898; OLG Köln OLGR Köln 2003, 170; VersR 2001, 1234; LG Hamburg NJW 1963, 1550 m. Anm. Würdinger; OGH Wien, Beschl. v. 24.2.2010 – 3 Ob 212/09m; Steinhauer BB 2009, 2386; Westphal OLGR-Kommentar 12/2002, K 35; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 161; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 31; Ebenroth S. 26; Lange DAR 1958, 8; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 59; Semmler Die Rechtsstellung des Tankstellenhalters zwischen Handelsvertreter und Vertragshändler, Baden-Baden 1995; Heyer Rechtsfragen an Tankstelle und Garage, Würzburg 1964; Rehbinder Der Tankstellenvertrag im Blickfeld der Rechtstatsachenforschung, Berlin 1971; aA English Court of Appeal; Entsch. v. 23.7.1999, ZEuP 2002, 823 m. Anm. Westphal. 1125 S. darüber Rehbinder Der Tankstellenvertrag im Blickfeld der Rechtstatsachenforschung 1971, auch Stolterfoth S. 48. 1126 Hübsch ZVertriebsR 2018, 88. 1127 Hübsch ZVertriebsR 2018, 88. 1128 Giesler/Giesler2 § 1 Rn 29. In Polen werden deshalb Franchiseverträge geschlossen, vgl. Pilich ZVertriebsR 2013, 366 (374). 1129 Steinhauer BB 2009, 2386; auch Franchisenehmer: Giesler/Giesler2 § 1 Rn 29. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 84

ein Widerrufsrecht gem. §§ 512, 495, 355 BGB bestehen.1130 Da es sich um ein Existenzgründerkredit i. S. d. § 512 BGB handelt und die Darlehenssumme 75.000 EUR nicht übersteigt, besteht gem. §§ 512, 495, 355 BGB die Verpflichtung zur Belehrung über das Widerrufsrecht. Ein während der Laufzeit des Vertrages gewährtes Darlehen, das etwa für den Ausbau oder zur Erweiterung des betriebenen Geschäfts verwendet wird, bedarf keiner Widerrufsbelehrung. Zu dem Paralellproblem beim Franchising Vor § 84 Rn 652 ff. Möglicherweise stellt die Darlehensgewährung ein Bankgeschäft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 KWG dar.1131 Der BGH hat vielfach zu den Besonderheiten der Ausgleichsberechnung Stellung bezogen. Einzelheiten hierzu s. Kommentierung zu § 89b

26. Verlagsvertreter1132

150

27. Versicherungsvertreter Die Rechtsverhältnisse der Versicherungsvertreter sind in § 92 gesondert geregelt. Deshalb wird 151 auf sie dort näher eingegangen. Zur Ausgleichsberechnung s. Kommentierung zu § 89b.

28. Vertriebsleiter HV ist auch ein Vertriebsleiter, der in erster Linie Vertriebsmitarbeiter für den Unternehmer 152 anstellen und leiten und nicht selbst unmittelbar Geschäfte vermitteln soll.1133

29. Warenvertreter Warenvertreter sind Vertreter, die Waren im Gegensatz etwa zu Diensten, Versicherungs- oder 153 Bausparverträgen vermitteln.1134 Der Warenvertreter, der für den Ein- oder Verkauf von Waren wirbt, formt das gesetzliche HV-Leitbild,1135 was sich pointiert darin äußert, dass allein er Normadressat der RL ist. Also sind die §§ 84 ff. zuvörderst auf ihn zugeschnitten, ohne dass andere Vertretertypen dem Regelungsappell des Gesetzes entzogen wären. Zum Begriff der „Ware“ Vor § 84 Rn 22 ff.

II. Abgrenzung nach rechtlicher Erscheinungsform Nach der rechtlichen Erscheinungsform unterscheiden sich etwa

154

1. Alleinvertrieb und -vertreter Häufig enthält der Mittlervertrag ein Alleinvertriebs- oder Alleinvertreterrecht.

1130 1131 1132 1133 1134 1135 575

155

Steinhauer BB 2011, 515 (517). Steinhauer BB 2011, 515 (518). Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 160. OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-16 U 70/14, ZVertriebsR 2015, 249. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 8. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 8. Emde

§ 84

1. Buch. Handelsstand

156 a) Alleinvertrieb. Ein Mittler ist alleinvertriebsberechtigt, falls es ihm „allein“ oder „exklusiv“ erlaubt ist, in dem ihm zugewiesenen Gebiet oder Bezirk Geschäfte für das vertretene Unternehmen zu werben.1136 Die Existenz des Alleinvertriebsrechts hat der Begünstigte zu beweisen. Der genaue Inhalt der Exklusivität ist im Einzelfall zu bestimmen. Die dem Unternehmer gefälligste Ausgestaltung ist das Verbot, andere Absatzmittler im Vertragsgebiet zu beschäftigen oder zu beliefern.1137 Eine strengere Variante ist das zusätzlich an den Unternehmer gerichtete Verbot, im Vertragsgebiet tätig zu werden, womit der Unternehmer weder selbst noch durch andere Absatzmittler aktiv werden darf, also Eigengeschäfte des Unternehmers ausgeschlossen werden.1138 Wegen der weitreichenden Folgen für den Unternehmer sowie des Ausnahmecharakters eines Wettbewerbsverbots bedarf es einer hinreichend deutlichen Abrede1139 (Warnfunktion). An den Beweis der Existenz einer solchen Abrede sind strenge Voraussetzungen zu stellen.1140 Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Wettbewerbsverbot des Unternehmers ihn in besonderer Weise von seinen HV abhängig macht, insbesondere falls Streitigkeiten entstehen.1141 Die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots zu Lasten des Unternehmers ist damit rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber, gerade wenn gleichzeitig ein Bezirksschutz gem. § 87 Abs. 2 gewährt wird, äußerst ungewöhnlich.1142 Das Vorliegen eines solchen Wettbewerbsverbots wird mittels anerkannter Auslegungsmethoden ermittelt,1143 insb. durch Bewertung des Vertrages1144 sowie der Vertragsdurchführung. Auch ein konkludentes Versprechen ist möglich.1145 Allein daraus, dass der Unternehmer einen Wettbewerb unterlässt, kann jedoch nicht zwingend auf die Vereinbarung einer Exklusivität zugunsten des HV geschlossen werden.1146 Dies gilt insb., wenn Bezirksvertreterprovision nach § 87 Abs. 2 geschuldet war. Denn dann wird der Unternehmer aus wirtschaftlichen Gründen nicht ohne weiteres an einem Parallelvertrieb interessiert sein.1147 Andererseits soll der Umstand, dass innerhalb des Vertriebssystems in Deutschland, Österreich und der Schweiz grds. keine Ware des Unternehmens ohne Unterrichtung des Vertriebsmittlers abgesetzt wurde, die (konkludente) Vereinbarung eines Alleinvertriebsrechts nahe legen.1148 Ein Wettbewerbsverbot in erster Linie anzunehmen, wenn die TB-Merkmale des Ausschlusses anderer Mittler oder des Unternehmers von werbender Tätigkeit im Gebiet/Bezirk des Mittlers vertraglich umschrieben wurden. Im Zweifel fehlt ein Wettbewerbsverbot.1149 Die Bezeichnung als „Generalvertreter“ reicht 1136 Emde VersR 2012, 536 (539); vgl. auch Thume BB 2018, 770 (773). 1137 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 67. 1138 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 67. Zu solchen Gestaltungen BGH NJW-RR 1993, 678 (682); Urt. v. 9.1.1961 – VII ZR 219/ 59, HVR Nr. 261 = DB 1961, 601; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 50. 1139 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 – 9 U 58/14, NJW-RR 2015, 290 = ZVertriebsR 2015, 40 = BeckRS 2014, 22685 Rn 20; Emde VersR 2012, 536 (539); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 30; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 81 (zum Alleinvertreter); Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 31a; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 50. 1140 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 – 9 U 58/14, NJW-RR 2015, 290 = ZVertriebsR 2015, 40 = BeckRS 2014, 22685; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 81. 1141 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 – 9 U 58/14, NJW-RR 2015, 290 = ZVertriebsR 2015, 40 = BeckRS 2014, 22685 Rn 27. 1142 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 – 9 U 58/14, NJW-RR 2015, 290 = ZVertriebsR 2015, 40 = BeckRS 2014, 22685 Rn 27. 1143 Vgl. Hopt § 87 Rn 24. 1144 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 81; Beispiel: BGH, Urt. v. 25.5.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077 = ZIP 1988, 1182 (Kfz-Vertragshändler, Alleinvertriebsrecht dort bejaht). 1145 Vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225). 1146 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 – 9 U 58/14, NJW-RR 2015, 290 = ZVertriebsR 2015, 40 = BeckRS 2014, 22685 Rn 24. 1147 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 – 9 U 58/14, NJW-RR 2015, 290 = ZVertriebsR 2015, 40 = BeckRS 2014, 22685 Rn 24. 1148 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I – 16 O 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225). 1149 Eberstein Der Handelsvertreter-Vertrag9 S. 52; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 66; aA wohl Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 177; Hopt § 87 Rn 24; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 21; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 87 Rn 80. Emde

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nicht,1150 da neben dem „General“ untergebene HV tätig sein müssen und damit schon das weniger schutzintensivere Verbot der Tätigkeit anderer Mittler fehlt. Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich auch zwischen der Zubilligung eines Alleinvertriebsrechts und eines Bezirksschutzes nach § 87 Abs. 2.1151 Das Alleinvertriebsrecht schränkt die Handlungsmöglichkeiten des Unternehmers stärker als die Einsetzung eines Bezirksvertreters ein, weil letztere lediglich das Recht auf Bezirksprovision zur Folge hat, nicht jedoch ein Ausschließlichkeitsrecht zum Vertrieb.1152 Die Einräumung einer Bezirksvertretung bedeutet noch nicht die Einräumung eines Alleinvertretungsrechts für den Bezirk1153 (das eine schließt das andere nicht zwingend aus1154) sondern muss zumindest stillschweigend und hinreichend deutlich vereinbart werden.1155 Durch die Regelung „exklusiv und somit in jedem Fall verprovisionierungspflichtig“ wird eine Bezirksvertreterabrede und kein Alleinvertrieb zugesichert.1156 Im Zweifel ist der HV nur Bezirksvertreter. Wurde dem HV Alleinvertrieb zugesichert, darf er gleichwohl andere, nicht im Wettbewerb zum Prinzipal stehende Unternehmer vertreten.1157 Ergibt die Auslegung, dass dem Mittler keine Ausschließlichkeit zugesichert wurde, sind Direktgeschäfte des Unternehmers im Grundsatz zulässig.1158 In der Entscheidung BGH, Urt. v. 25.5.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077 = ZIP 1988, 1182 war innerhalb eines Kfz-Vertragshändlervertrages fraglich, ob die Zuweisung eines Vertragsgebietes zugleich das Verbot der Bestellung anderer Händler im Vertragsgebiet enthielt. Der BGH hat dies im Wege der Vertragsauslegung bejaht, und zwar u. a. weil der Vertrag das Verbot der Lieferung außerhalb des Vertragsgebietes enthielt und jeder Händler damit auf eine Freiheit vom Wettbewerb anderer Händler vertrauen durfte.

b) Alleinvertreter. Zur Klarheit der Vereinbarung gilt das Vorgesagte (Rn 156) entsprechend. 157 Ob – wie z. T. angenommen1159 – schon die Einsetzung als „Alleinvertreter“ dem Deutlichkeitsgebot und der Warnfunktion der Abrede genügt und nicht nur die Tätigkeit anderer Mittler, sondern sogar die eigene Tätigkeit des Unternehmers im übertragenen Gebiet/Bezirk untersagt, ist fraglich. Der Terminus der Alleinvertretung ist europarechtlich präformiert. Art. 7 Abs. 2 Spiegelstrich 2 RL gibt dem nationalen Gesetzgeber die (vom HGB nicht gewählte) Alternative, eine Bezirksvertreterprovision nur im Falle der Alleinvertretung zu gewähren. Dieser Begriff der „Alleinvertretung“ dürfte, ungeachtet dessen, dass das deutsche Recht jene Gestaltungsalternative nicht übernommen hat, auch für das HGB maßgeblich sein. Von der Kommission wurde der Begriff 1150 BGH, Urt. v. 18.3.1970 – VIII ZR 57/68, NJW 1970, 1040 = MDR 1970, 584 = DB 1970, 872; OLG Celle BB 1956, 95; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 30; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 81; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 30a, 31d. 1151 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 16 (zum Alleinvertreter). 1152 OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.6.1972 – 8 U 99/70, HVR Nr. 468; Emde VersR 2012, 536 (539); Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 177; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 16 (zum Alleinvertreter). 1153 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 -9 U 58/14, BeckRS 2014, 22685; Schröder BB 1962, 738 (739); Peterek BB 1966, 351; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 56; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 31d; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 80. 1154 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 81. 1155 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 56. 1156 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 – 9 U 58/14, BeckRS 2014, 22685 Rn 19. 1157 BGH DB 1961, 601; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 22; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 21; Hopt § 87 Rn 24; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 80; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 31d, 58b; Hopt ZIP 1996, 1533 (1534); Peterek BB 1966, 351; Schröder BB 1962, 738 (739). 1158 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225); Eberstein Der HandelsvertreterVertrag9 S. 52: Eigene Tätigkeit des Unternehmers gestattet. 1159 BGH, Urt. v. 9.1.1961 – VII ZR 219/59, HVR Nr. 261 = DB 1961, 601; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.6.1972 – 8 U 99/ 70, HVR Nr. 468; RG Recht 1920, Nr. 715; P. Ulmer S. 428, Westphal EWS 1996, 43 (46); Peterek BB 1966, 353; Oetker/ Busche5 § 86a Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 80; wohl auch Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 50, 276; aA Eberstein Der Handelsvertreter-Vertrag9 S. 52: Eigene Tätigkeit des Unternehmers gestattet. 577

Emde

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„Alleinvertretung“ im Jahre 1962 in ihrer „Bekanntmachung über Alleinvertriebsverträge mit Handelsvertretern“1160 als ausschließliche Verpflichtung des Unternehmers definiert, den HV allein für ein bestimmtes Gebiet zu bestellen. Der BGH hat ausgeführt, sei dem Händler ein Alleinvertriebsrecht oder eine nahe kommende Position eingeräumt, bleibe ein Eingriff in das geschützte Absatzgebiet – wie etwa die Einsetzung weiterer Vertragshändler oder die Verkleinerung des Vertragsgebietes – nur aus schwerwiegenden Gründen und bei angemessener Berücksichtigung der nachteiligen Folgen zulässig.1161 Während der Bezirksvertreter nicht ohne Weiteres ein Ausschließlichkeitsrecht besitzt, in dem ihm zugewiesenen Bezirk tätig zu werden – was von geringerer Bedeutung ist, da er auch für Eigengeschäfte oder für von anderen Mittlern in seinem Bezirk geworbene Geschäfte Provision erhält –, soll dem Alleinvertreter oder dem HV, dem eine nahekommende Position eingeräumt wurde,1162 also ein solches Recht zustehen. Es soll die eigene Tätigkeit des Unternehmers,1163 eine solche durch andere Mittler,1164 durch Beauftragte,1165 (nahestehende) Dritte1166 oder beherrschte Unternehmen ausschließen.1167 Dann hätte der Unternehmer Interessenten an den Alleinvertreter zu verweisen. Das ist nicht zweifelsfrei, da mit der Zusage eines Alleinvertreterrechts möglicherweise nur die Freiheit vom Wettbewerb durch andere „Vertreter“ oder (was bereits ein Auslegungsergebnis wäre) andere Absatzmittler – ohne HV-Status – gemeint sein könnte.1168 Für ein Wettbewerbsverbot des Unternehmers spricht allerdings, dass kaum ein „Alleinvertreter“ erwarten wird, er sei vor Konkurrenz nur „halb“ geschützt, nämlich nur vor dem Wettbewerb anderer Mittler und nicht vor der unter Umständen viel gefährlicheren Konkurrenz des Unternehmers.1169 Letztlich ist der Einzelfall entscheidend.1170 In englischsprachigen Verträgen soll „exclusive agent“ den Ausschließlichkeitsvertreter bezeichnen, d. h. einen HV, dem der Unternehmer Freiheit von Eigengeschäften des Unternehmers oder der Einsetzung anderer HV garantiert haben soll. „Sole agent“ apostrophiere den HV, welchem der Unternehmer zusichere, er werde im Vertretungsgebiet keine weiteren HV einsetzen. Eigengeschäfte des Unternehmers seien durch die letztgenannte Benennung nicht ausgeschlossen, müssten jedoch verprovisioniert werden. Der „non-exclusive agent“ bleibe am wenigsten geschützt. Hier behalte sich der Unternehmer das Recht vor, mit weiteren HV und/oder direkt tätig zu werden und habe für solche Geschäfte keine Provision zu leisten.1171 Deutlich dürfte der Begriff des „Alleinvertriebs“ sein, der – je nach TB – meist nicht nur die Tätigkeit anderer Mittler im zugewiesenen Gebiet sondern auch Eigengeschäfte des Unternehmers ausschließt.1172 Im Unterschied zum Begriff des „Alleinvertreters“ wird generell anderweitiger „Vertrieb“, also auch solcher des Unternehmers, ausgeschlossen, und nicht nur Freiheit von der Tätigkeit anderer „Vertreter“ versprochen.1173 1160 1161 1162 1163

ABl. Nr. 199 v. 24.12.1962, S. 2921. BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225). OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225) – Vertragshändler, dort i. E. abgelehnt; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 79; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 177; Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 44; Oetker/Busche5 § 87 Rn 23; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 80. 1164 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225). 1165 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 44; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 80. 1166 BGH, Urt. v. 9.1.1961 – VII ZR 219/59, HVR Nr. 261 = DB 1961, 601; Küstner/Thume/Thume I Kap. IV Rn 78. 1167 BGH BB 1993, 2399; BB 1970, 99; Urt. v. 9.1.1961 – VII ZR 219/59, HVR Nr. 261 = DB 1961, 601; Westphal II Rn 375 für den Vertragshändlervertrag. 1168 Emde VersR 2012, 536 (540); ebenso die Definition von Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 177 f. 1169 Emde VersR 2012, 536 (540). 1170 Siehe BGH BB 1970, 99; Emde VersR 2012, 536 (540); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 276; Westphal II Rn 375. 1171 Berchem H&V Journal 9/2008, 18 (19). 1172 Vgl. Emde VersR 2012, 536 (540); Reithmann/Martiny/Häuslschmid7 Rn 2255. 1173 Emde VersR 2012, 536 (540). Emde

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Hat sich der Unternehmer verpflichtet, Anfragen von Kunden an den HV weiterzuleiten, betrifft dies nur bei ihm eingegangene Anfragen und die Weiterleitung muss binnen gehöriger Frist und in hinreichender Form geschehen.1174 Wurde dem HV Alleinvertrieb zugesichert, darf er im Zweifel gleichwohl andere, nicht im Wettbewerb zum Unternehmer stehende Unternehmer vertreten.1175 Auch ohne Vereinbarung eines Alleinvertriebsrechts kann der Hersteller aufgrund seiner Treupflicht gehindert sein, Direktgeschäfte im Vertragsgebiet vorzunehmen1176 (§ 86a Rn 30). Insbesondere darf der Unternehmer nicht existenzgefährdend werbend im Gebiet oder Kundenkreis des Mittlers tätig werden. Je weitgehender der Absatzmittler dem Vertriebsinteresse des Unternehmers untergeordnet wird, um so eher sind dem Unternehmer eigene Vertriebsinteressen auf der Handelsstufe des Absatzmittlers verboten1177 (siehe Kommentierung zu § 86a). Das OLG München1178 entschied, dass der Hersteller trotz eines Alleinvertriebsrechts bereits während des Laufs der Kündigungsfrist berechtigt sein kann, einen weiteren Händler neben einem Kfz-Vertragshändler in dessen Gebiet einzusetzen. Zu einem wirtschaftlich sinnvollen Übergang von einem zum anderen Vertragshändler bedürfe es einer Übergangszeit, in der sich der neue neben dem alten Vertragshändler am Markt etablieren könne. Eine angemessene Übergangszeit unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten sei mit einem Jahr anzusetzen. Diese Auffassung dürfte eher abzulehnen sein,1179 da die Kündigungsfrist eine Umstellungsfrist sein soll und dem Vertragshändler ungekürzt zur Verfügung steht. Wenn er durch den Einsatz eines anderen Händlers, der u. U. vom Hersteller besser unterstützt wird, praktisch vorzeitig zumindest „teilgekündigt“ wird, widerspricht dies dem Grundsatz pacta sunt servanda. Zudem wird der Ausgleichsanspruch, der regelmäßig auf der Basis des letzten Vertragsjahres berechnet wird, unzulässig verkürzt.1180 Der Unternehmer umgeht vertragswidrig ein Alleinvertriebsrecht des HV, wenn er Vertragsware, etwa Kleincomputer, lediglich mit anderem Gehäuse und anderer Beschriftung vertreibt.1181 Er kann seine Unterlassungspflichten aber einschränken, indem er sich bestimmte Kunden oder Geschäfte vorbehält. Er muss dem Mittler hierfür jedoch eine angemessene Entschädigung gewähren,1182 da er im Grundsatz eine Vertragsverletzung begeht (wogegen eingewandt werden könnte, dass ein vertragliches Recht auch unter Einschränkungen erteilt werden darf). Je weiter der Vertriebsmittler in die Absatzorganisation des Unternehmers eingebunden ist, insbesondere finanzielle Verpflichtungen oder Verpflichtungen übernommen hat, umso mehr werden die Eingriffsrechte des Unternehmers eingeschränkt. Im Falle einer Verletzung seines Alleinvertriebsrechts durch den Unternehmer steht dem Mittler Schadenersatz zu,1183 jedoch kein Anspruch auf Vergütung in analoger Anwendung des § 87 Abs. 2 oder aus § 687 1174 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 22a. 1175 BGH DB 1961, 601; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 22; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 21; Hopt § 87 Rn 24; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 16; § 87 Rn 80; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 31d, 58b; Hopt ZIP 1996, 1533 (1534); Peterek BB 1966, 351; Schröder BB 1962, 738 (739). 1176 BGH NJW-RR 1987, 628; BB 1984, 1313; NJW-RR 1993, 678; NJW 1994, 1060 (1061); OLG Zweibrücken BB 1983, 1301; Ulmer S. 428; Semler DB 1985, 2493; Genzow S. 52 f.; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 279. 1177 BGH, Urt. v. 10.2.1993, BB 1993, 2399; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225); Westphal II Rn 376. 1178 Urt. v. 14.10.1993 U (K) 5333/92, WuW/E OLG 5206 (5210); krit. zum Urteil Küstner/Thume/Thume III Kap. VII Rn 23. Nach Gräfe ZVertriebsR 2013, 362 (363) muss bei nachhaltiger Schmälerung des Verdienstes des Mittlers eine Kompensation geleistet werden. 1179 Westphal II Rn 571. 1180 Westphal II Rn 571. 1181 BGH BB 1972, 1204; Karsten Schmidt Handelsrecht, § 28 II 2c. 1182 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 276. 1183 BGH, Urt. v. 25.5.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077 = ZIP 1988, 1182 (Kfz-Vertragshändler); NJW 1984, 2411; BB 1975, 1409; v. 9.1.1961 – VII ZR 219/59, HVR Nr. 261 = DB 1961, 601 zum Alleinvertreter; Westphal I Rn 105; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 56; Hopt § 87 Rn 24; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 80 f. 579

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Abs. 2 BGB.1184 Ein Anspruch auf Bezirksvertreterprovision besteht nur, falls der Mittler zugleich als Bezirksvertreter eingesetzt wurde. Zur Vorbereitung seiner Schadenersatzansprüche besitzt der Mittler einen Auskunftsanspruch,1185 den er etwa im Wege der Stufenklage – erste Stufe Auskunft, zweite Stufe Schadenersatz – geltend machen kann. Einen Anhaltspunkt für den erlittenen Schaden stellen regelm. die im fraglichen Gebiet/Bezirk geschlossenen Geschäfte dar. Notfalls ist der Schaden zu schätzen.1186 Zudem darf der Mittler Unterlassungsansprüche geltend machen.1187 Er kann auf Unterlassung der Direktgeschäfte klagen und seine Rechte im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen. Schließlich besitzt er – nach Abmahnung – ein außerordentliches Kündigungsrecht.1188

2. Arbeiternehmerähnliche Handelsvertreter 162 § 92a i. V. m. § 5 Abs. 3 ArbGG nennt die sogenannten „arbeitnehmerähnlichen Handelsvertreter“. Die Norm verdrängt § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG.1189 Zu den arbeitnehmerähnlichen HV zählen Einfirmenvertreter, die während der letzten 6 Monate des Vertragsverhältnisses und bei kürzerer Vertragsdauer während jener im Durchschnitt monatlich nicht mehr als A 1.000 aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen erzielen.1190 Für gerichtliche Auseinandersetzungen solcher HV ist nur die Zuständigkeit des ArbG gem. §§ 2 Abs. 1, 5 Abs. 3 ArbGG begründet.1191 Die Norm setzt die Tätigkeit eines selbstständigen HV voraus. Es kann daher nicht dahinstehen, ob der Außendienstmitarbeiter selbstständig oder unselbstständig ist.1192 163 Zur Bestimmung der Verdienstgrenze siehe die Kommentierung zu § 92a. Bedeutung hat § 5 Abs. 3 ArbGG lediglich für die gerichtliche Zuständigkeit.1193 Arbeitnehmerähnliche HV bleiben HV1194 nach dem HGB, solange die TB-Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 erfüllt sind.1195 Es gibt auch bei Einfirmenvertretern keine dritte Kategorie zwischen JV und Arbeitnehmer.1196 Insbesondere sind „arbeitnehmerähnliche „ HV ausgleichsberechtigt, sofern sie nicht bloß nebenberufliche HV i. S. d. § 92b sind.1197 Das folgt sowohl aus der Entstehungsgeschichte der Norm wie ihrem Sinn und Zweck, nach der solche HV den Rechtstreit unabhängig vom Streitwert ohne anwaltliche Unterstützung führen dürfen und im Vergleich zur ordentlichen Gerichtsbarkeit im Falle des Unterliegens im Rechtsstreit die Belastung mit Gebühren und Kos1184 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 280. 1185 BGH, Urt. v. 22.11.2000 – VIII ZR 40/00, BB 2001, 115; v. 25.5.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077 = ZIP 1988, 1182 – (Kfz-Vertragshändler; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 56. 1186 BGH, Urt. v. 22.11.2000 – VIII ZR 40/00, BB 2001, 115; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 56. 1187 Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 177; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 16; Westphal I Rn 105. 1188 BGH WM 1974, 350; Urt. v. 21.3.1975 – I ZR 141/74, WM 1975, 856 (857); v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.6.1972 – 8 U 99/70, HVR Nr. 468; Küstner/Thume/Riemer I Kap. VII Rn 265; Westphal I Rn 105; Hopt § 87 Rn 24; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 80; § 89a Rn 54. 1189 BAG v. 15.7.1961, AP HGB § 92a Nr. 1; BGH v. 25.10.2000 – VIII ZB 30/00; LAG Niedersachen v. 5.5.2003, NZA– RR 2004, 324; Müller-Glöge in Germelmann/Matthes, ArbGG, § 5 Rn 28; Hopt § 84 Rn 46. 1190 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.5.2005 – 5 W 92/05 – 23, VersR 2005, 1216; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 27. Die Vergütungsgrenze belief sich zunächst auf DM 500,-, seit dem 28.1.1968 dann auf 1000,- DM, seit dem 1.2.1976 auf DM 1500,- und seit dem 1.7.1979 auf DM 2000,-. 1191 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.5.2005 – 5 W 92/05 – 23, VersR 2005, 1216; LAG Stuttgart, Beschl. v. 23.2.2005 – 6 Ta 1/05, VersR 2005, 832; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.7.2004 – 5 W 144/2004 – 49, EWiR 2005, 147 (Rouvray). 1192 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.7.2004 – 5 W 144/2004 – 49, EWiR 2005, 147 (Rouvray). 1193 BAG MDR 2003, 814 (815). 1194 BAG MDR 2003, 814 (815); Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 27. 1195 Germelmann/Matthes/Müller-Glöge ArbGG, § 5 Rn 23 ff. 1196 Vgl. Mankowski IHR 2016, 167 (169). 1197 Küstner/Thume/Küstner II8 Kap. II Rn 59. Emde

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ten geringer ausfällt (§§ 12, 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG).1198 Arbeitnehmer, die materiellem Arbeitsrecht unterliegen, werden solche Mittler nur bei Fehlen der Selbstständigkeit (siehe Rn 17 ff.). Ferner soll wirtschaftliche Abhängigkeit erforderlich sein und der Abhängige müsse auch seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein.1199

3. Bezirksvertreter Wurde einem HV ein Vertretungsbezirk oder ein bestimmter Kundenkreis zur Bearbeitung zuge- 164 wiesen, ist er Bezirksvertreter i. S. d. § 87 Abs. 2.1200 Bedeutung hat dies für die Provisionspflicht, da der Bezirksvertreter gemäß § 87 Abs. 2 einen Provisionsanspruch für alle Geschäfte geltend machen darf, welche der Unternehmer mit Kunden seines Bezirks bzw. Kundenkreises schließt, auch wenn er das Geschäft nicht selbst vermittelt hat.1201 Im Einzelnen siehe die Kommentierung zu § 87 Abs. 2.

4. Ein- und Mehrfirmenvertreter Ein- und Mehrfirmenvertreter unterschieden sich danach, ob sie gleichzeitig für verschiedene 165 Unternehmen tätig sind. Soll der HV als Einfirmenvertreter nur für einen Unternehmer tätig werden, muss der Vertretervertrag dies eindeutig bestimmen. Im Zweifel darf jeder HV mehrere Unternehmer vertreten,1202 soweit sie nicht konkurrierende Produkte vertreiben. Der Einfirmenvertreter soll nach Hopt zum Ausschließlichkeitsvertreter werden, wenn er nur für einen Unternehmer tätig sein darf und stärker in dessen Geschäftsbetrieb eingegliedert wird, als es bei einem gewöhnlichen Einfirmenvertreter üblich ist.1203 Für den Einfirmenvertreter kann der Bundesminister für Justiz Mindestarbeitsbedingungen festlegen (§ 92a). Näheres dazu und zum Einfirmenvertreter bei § 92a.

5. Handelsvertreter im Nebenberuf (§ 92b) Für den HV im Nebenberuf, der ein echter HV i. S. d. §§ 84 ff. ist,1204 gilt § 92b. Zu den Besonder- 166 heiten dieses Phänotyps wird bei § 92b ausgeführt.

6. Vertreter mit Kundenschutz Wird dem HV vertraglich Kundenschutz zugesichert, bedeutet dies im Zweifel, dass der Unter- 167 nehmer nicht selbst unter Umgehung oder Ausschaltung des HV mit den geschützten Kunden in Verbindung treten darf und die Kontaktaufnahme durch andere, von ihm abhängige Ver-

1198 BAG MDR 2003, 814 (815) = NJW 2003, 2627; OLG Brandenburg, Beschl. v. 14.4.2007 – 3 W 8/07, DB 2007, 1249 = VersR 2008, 1066; Hopt § 84 Rn 46.

1199 BGH DB 2003, 198 = MDR 2003, 285. 1200 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 24; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 15. 1201 Vgl. Westphal I Rn 93 f.; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 176 ff.; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 24; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 15.

1202 Begr. RegE, BT-Drucks. I/3856, S 17; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 13; Hopt § 84 Rn 30; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 14; ausführlich Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 4. 1203 Hopt ZIP 1996, 1533 (1534). 1204 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 26. 581

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triebsmittler zu unterbinden hat.1205 Wird eine Provision für alle Geschäfte mit geschützten Kunden versprochen, ist dieser HV Bezirksvertreter i. S. d. § 87 Abs. 2. Handelt der Unternehmer dieser Verpflichtung zuwider, schuldet er Schadenersatz.

7. Minderjährige 168 Auch Minderjährige, die das 7. Lebensjahr vollendet haben (§ 106 BGB), dürfen als HV tätig sein.1206 Erforderlich ist die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (§ 107 BGB) und des Vormundschaftsgerichts.1207 Zudem kann mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts eine Ermächtigung nach § 112 BGB verteilt werden.1208 Nach Erteilung ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche der Geschäftsbetrieb mit sich bringt (§ 112 BGB).1209 Beim HV sind das alle Rechte und Pflichten, die sich aus dem Handelsvertretergeschäft ergeben können, z. B. die Unterwerfung unter Vertragsstrafen, Provisionsrückforderungsansprüche des Unternehmers1210 oder Wettbewerbsabreden1211 (dann ist aber gem. § 242 BGB eine verschärfte Ausübungskontrolle richtig). Die Ermächtigung ist eine einseitige, formfreie, an den Minderjährigen zu richtende Willenserklärung, die erst mit einer nach pflichtgemäßem Ermessen zu erteilenden Genehmigung des Vormundschaftsgerichts wirksam wird.1212 Die Wirksamkeit eines von einem minderjährigen Handelsvertreter eingegangenen Wettbewerbsverbot beurteilt sich nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§ 106 ff. BGB).1213 Ein Geschäftsunfähiger kann dagegen nicht Handelsvertreter sein, weil ein entsprechender Vertrag nicht geschlossen werden darf.1214

8. Absatz 3: Untervertreter 169 Abs. 3 ist eigentlich überflüssig. Denn auch das Hauptvertreter-/ Untervertreterverhältnis wird von Abs. 1 erfasst. Dies wird in der Begr. z. RegE1215 zu Unrecht bezweifelt. Unterschieden werden „echte“ und „unechte“ Untervertreterverträge.1216 170

171 a) Echte Untervertreter. Nach Abs. 3 kann Unternehmer auch ein HV sein. Die Gruppe der HV mit Untervertretern wird vom Gesetz also besonders hervorgehoben. Der Hauptvertreter bedient sich dann eines oder mehrerer echter Untervertreter zur Erfüllung seiner Aufgaben.1217 Wird der Vertretervertrag im eigenen Namen zwischen einem Ober-, Haupt- oder Generalvertreter und einem Untervertreter geschlossen, liegt ein echter Untervertretervertrag vor,1218 der 1205 AA wohl Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 30. 1206 BAG 15, 335; Behrend NJW 2003, 1563 (1564); Hopt § 84 Rn 7; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 19.

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Hopt § 84 Rn 7; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 4. Behrend NJW 2003, 1563 (1564); MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 19. Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 4. Behrend NJW 2003, 1563 (1564). Behrend empfiehlt jedoch, von den Erziehungsberechtigten eine Sicherheit einzufordern. 1211 Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 4. 1212 Palandt/Heinrichs § 112 Rn 2. 1213 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 20. 1214 AA wohl MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 20. 1215 BT-Drucks. I/3856, S. 17. 1216 Siehe Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 120 ff; Küstner/Thume/Küstner II8 Kap. II Rn 47 ff. 1217 Beispiel OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (379) – Versicherungsvertrieb. 1218 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 120. Emde

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rechtstechnisch nichts anderes als ein HV-Vertrag i. S. d. §§ 84 ff. ist,1219 sofern die TB-Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 erfüllt sind.1220 § 84 Abs. 3 spricht nur diesen echten Untervertreter an.1221 Der Einsatz von Untervertretern widerspricht – wie § 84 Abs. 3 zeigt – regelmäßig nicht der Verpflichtung zur persönlichen Dienstleistung i. S. d. §§ 613, 664 BGB,1222 sofern der Hauptvertreter die persönliche Dienstpflicht nicht vollumfänglich überträgt, sondern lediglich unter seiner Überwachung Hilfskräfte tätig werden lässt, die einzelne, bestimmte Tätigkeiten ausführen, ohne dass eine Substitution vorliegt.1223 Ob und inwieweit der Hauptvertreter Untervertreter oder sonstige Hilfspersonen zur Ausführung des ihm übertragenen Auftrags beiziehen darf, bestimmt sich nach dem Vertrag zwischen Hauptvertreter und Unternehmer. Da das deutsche Recht insoweit, anders als das Recht Spaniens,1224 keine Zustimmungspflicht des Unternehmers begründet, darf der HV als selbständiger Kaufmann grundsätzlich selbst die Wahl über den Einsatz von Hilfspersonal treffen. Regelmäßig besitzt der „Hauptunternehmer“ kein Mitspracherecht,1225 es sei denn, die Person oder Tätigkeit des Untervertreters ist dem Unternehmer unzumutbar. Jedoch kann im Ausnahmefall die vertragliche Pflicht zur persönlichen Vertragserfüllung bestehen. Im Zweifel wird der Hauptvertreter bei seiner Tätigkeit nicht ausschließlich unmittelbar persönlich tätig werden und mitwirken müssen, sondern Untervertreter einsetzen dürfen,1226 wobei auch Untervertretergesellschaften nicht selten sind.1227 Der Untervertreter ist Erfüllungsgehilfe des Hauptvertreters.1228 Der Obervertreter ist im Verhältnis zum Untervertreter Unternehmer i. S. d. § 84 Abs. 3. Ein Untervertreter verdient seine Provision, sobald der Auftraggeber des Hauptvertreters das vermittelte oder abgeschlossene Geschäft ausführt.1229 Der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts des Untervertreters wird dem Hauptvertreter also zugerechnet.1230 Sein Provisionsanspruch entfällt, wenn feststeht, dass entweder der Endabnehmer nicht an den Unternehmer zahlt oder der Unternehmer den Provisionsanspruch des Hauptvertreters nicht erfüllt (§ 87a Abs. 2).1231 Die Vergütung des echten Untervertreters aufzubringen ist Sache des Hauptvertreters, der 172 sie aus seiner eigenen Provision zu zahlen hat. Einen Ausgleichsanspruch besitzt der echte Untervertreter nur gegenüber dem Hauptvertreter,1232 wenn diesem Vorteile – etwa in Form eines eigenen Ausgleichsanspruchs gegenüber dessen Unternehmer – verbleiben. Das setzt die Durchsetzbarkeit des Ausgleichs des Hauptvertreters im Verhältnis zu seinem Unternehmer voraus, wobei es keine Rolle spielt, ob der Hauptvertreter den Anspruch tatsächlich durchsetzt (der Vorteil liegt bereits im potentiell durchsetzbaren Anspruch). Käme es auf die tatsächliche Durchsetzung an, wäre der Hauptvertreter unter dem Gesichtspunkt der Treupflicht gegenüber dem Untervertreter zur tatsächlichen Durchsetzung verpflichtet. 1219 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 121. 1220 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 120; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 40; Schlegelberger/Schröder, § 84 Rn 36. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 120. BGHZ 56, 290; BGH ZIP 1998, 420 (421); Hopt § 84 Rn 22; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 119. Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 20. Westphal EWS 1996, 43 (44). Westphal EWS 1996, 43 (44); aA Eberstein S. 53. BGHZ 56, 290; 59, 87 (92, 93); OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.2.2009 – 7 U 219/07, BeckRS 2010, 16911; Ebenroth/ Löwisch3 § 84 Rn 119; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 3; Hopt § 86 Rn 18, 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 39, § 86 Rn 14; Westphal I Rn 68; Oetker/Busche5 § 84 Rn 48. 1227 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 58; Westphal BB 1999, 2517 (2520); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 120; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, § 84 Rn 17. 1228 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 72; Oetker/Busche5 § 84 Rn 50. 1229 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 20. 1230 BGHZ 59, 87 (92); OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.2.2009 – 7 U 219/07, BeckRS 2010, 16911. 1231 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 20. 1232 Küstner/Thume/Küstner II8 Kap. II Rn 49; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 106.

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Spiegelbildlich richten sich die Vertragspflichten des echten Untervertreters einschließlich der Interessenwahrungspflicht1233 und des Wettbewerbsverbots1234 des Untervertreters ausschließlich auf den Hauptvertreter. Vertragsbeziehungen zwischen dem Untervertreter und dem vom Obervertreter vertretenen Unternehmer existieren also nicht,1235 allenfalls schwächere als vertragliche Treupflichten sowie ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis, wenn der „Hauptunternehmer“ im Rahmen der Vertragsverhandlungen zwischen Haupt- und Untervertreter besonders hervortrat und besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nahm. Jedoch kann der Untervertreter im Untervertretervertrag auf die Beachtung der Bestimmungen des Hauptvertretervertrages verpflichtet werden, wobei dem Hauptunternehmer daraus im Zweifel kein eigenes Recht gegen den Untervertreter auf Vertragserfüllung zusteht. Auch darf der Hauptvertreter – soweit nach dem Inhalt der Rechte und dem Vertrag zwischen Hauptvertreter und Unternehmer zulässig – ihm gegenüber dem Unternehmer zustehende Rechte an seinen Untervertreter abtreten.1236 Fehlt es an einer solchen Regelung, sind die Bestimmungen des Hauptvertrages bei der Auslegung des Untervertrages nur zu berücksichtigen,1237 wenn sie dem Untervertreter bekannt waren. 174 Jedoch gehört die Wahrung der Interessen des Hauptvertreters zu den mittelbaren Vertragspflichten des echten Untervertreters, weil der Untervertreter gehalten ist, die Interessen des Hauptvertreters wahrzunehmen und es im Interesse des Hauptunternehmers liegt, die Interessen seines Unternehmers wahrzunehmen. Dadurch wird der Untervertreter mittelbar zur Interessenwahrung gegenüber dem Unternehmer seines Hauptvertreters verpflichtet1238 („Durchleitung“ oder „Durchgriff“), sofern ihm jene Interessen bekannt sind. Bei Interessenkollisionen zwischen den Interessen des Hauptvertreters und denen seines Unternehmers gehen für den Untervertreter aber die Interessen seines Vertragspartners, des Hauptvertreters, vor.1239 Auch die Auskunftsrechte gem. § 87c stehen dem Untervertreter allein gegenüber dem 175 Hauptvertreter zu,1240 der aber – je nach Zumutbarkeit1241 – einklagbar und gemäß § 888 ZPO vollstreckbar1242 verpflichtet sein kann, zu deren Erfüllung eigene Auskunftsrechte gegenüber seinem Unternehmer geltend zu machen.1243 Ausnahmsweise kann gem. § 242 BGB ein eigenes Auskunftsrecht des Untervertreters gegenüber dem Unternehmer des Hauptvertreters bestehen,1244 insbesondere wenn jenem die Tätigkeit des Untervertreter auch in seinem Interesse bekannt ist. Der Hauptvertreter haftet seinem Unternehmer für Fehler des Untervertreters als seines Er176 füllungsgehilfen1245 nach § 280 BGB i. V. m. § 278 BGB.1246 Die Überwachungspflichten des Hauptvertreters verdichten sich, falls er von Nachlässigkeiten des Untervertreters Kenntnis erlangt. Für mangelnde Auswahlsorgfalt bei Bestellung des Untervertreters haftet der Hauptvertreter unmittelbar nach § 276 BGB, und damit bei unsachgemäßer Auswahl auch dann, wenn 173

MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 46; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 66. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 66. BGHZ 91, 373; Hopt § 84 Rn 31. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 121. Großzügiger: Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 121: Die Bestimmungen sind immer zu berücksichtigen. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 46; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 66; § 84 Rn 121. AA Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 121: Interessen des Unternehmers sind gegenüber denen des Hauptvertreters vorrangig. 1240 Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 56. 1241 Die Grenzen dieser Zumutbarkeit sind schwer zu bestimmen. Denn macht der Hauptvertreter Auskunftsrechte gegenüber seinem Unternehmer geltend, droht u. U. eine erhebliche Belastung der Beziehungen. 1242 Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 56. 1243 Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 56. 1244 Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 56. 1245 BGHZ 59, 92; OLG Köln VersR 2006, 71; Hopt § 84 Rn 31. 1246 BGHZ 59, 87 (92); OLG Hamm MDR 1959, 1016; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 122; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 3; Hopt § 84 Rn 31; § 86 Rn 18 f.; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 8; Oetker/Busche5 § 84 Rn 50.

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ein Erfüllungsgehilfen-Verschulden aus der Person des Untervertreters im konkreten Falle nicht gegeben wäre – es sei denn, der Hauptvertreter könnte dartun, dass das gleiche (objektive) Versagen auch einem sorgfältig ausgewählten Untervertreter unterlaufen wäre. Ob der Abschlussvertreter seinem Untervertreter Abschlussvollmacht für den Unterneh- 177 mer erteilen darf, bestimmt sich nach dem Vertretervertrag zwischen Hauptvertreter und dessen Unternehmer, ist aber im Regelfall anzunehmen.1247 Sollte der Abschlussvertreter keine Untervollmacht erteilen dürfen, darf er eine solche dem Untervertreter nicht zum Handeln im Namen des Hauptvertreters geben,1248 weil dann mittelbar auch Vollmacht zur Verpflichtung des Hauptunternehmers erteilt wäre. Die Laufzeit des Haupt- und Untervertretervertrages sind getrennt zu bestimmen, der Unter- 178 vertretervertrag endet nicht „automatisch“ mit Vertragsende des Hauptvertretervertrages. Auch gibt es keine Vermutung, dass das Untervertreterverhältnis nicht länger als das Hauptvertretungsverhältnis dauern soll.1249 Dem widerspricht schon, dass anderenfalls die zwingenden Kündigungsfristen des § 89 im Untervertretervertrag nicht gelten würden, nämlich dann, wenn gegenüber dem Hauptvertreter am letzten Tag der Frist gekündigt wird, die korrespondierende Kündigung gegenüber dem Untervertreter jedoch wegen Fristversäumung fehlschlägt. Im Untervertretervertrag sollten daher kürzere Kündigungsfristen als im Hauptvertrag vorgesehen werden, damit der Hauptvertreter den Untervertretervertrag noch rechtzeitig kündigen kann, sollte ihm gegenüber gekündigt werden. Jedoch wird er dann gegenüber dem Untervertreter ausgleichspflichtig, die verbleibenden Vorteile des Hauptvertreters i. S. d. § 89 b Abs. 1 Nr. 1 valutieren zumindest in Höhe der eigenen Ausgleichsberechtigung gegenüber dem Hauptunternehmer. Wird der Hauptvertretervertrag mit unzulässig kurzer Frist gegenüber dem Hauptvertreter gekündigt und schließt sich daran eine Kündigung des Haupt- gegenüber dem Untervertreter an, wird der Hauptvertreter regelmäßig unter dem Gesichtspunkt seiner ihm gegenüber dem Untervertreter obliegenden Förderpflicht (§ 86a Rn 23) gehalten sein, seine Rechte gegenüber seinem Unternehmer geltend zu machen, soweit nach pflichtgemäßem Ermessen Erfolgsaussichten bestehen. Dies kann je nach den Umständen des Einzelfalls soweit gehen, dass der Hauptvertreter sich mittels einstweiliger Verfügung auf vertragsgemäße Fortführung des Vertrages (§ 86a Rn 35) in den Stand setzen muss, vom Untervertreter vermittelte Geschäfte weiter entgegenzunehmen oder – beim Vertragshändler – den Unterhändler (B-Händler) zu beliefern.

b) Unechte Untervertreter. Möglich und nicht selten ist aber auch eine andere Art des Einsat- 179 zes von Untervertretern. Kommt der Untervertretervertrag – ggf. durch Zeichnung des in Vollmacht für den Unternehmer handelnden Generalvertreters1250 – unmittelbar zwischen dem (vom Hauptvertreter) vertretenen Unternehmen und dem Untervertreter zustande, handelt es sich um einen unechten Untervertretervertrag.1251 Der Untervertreter ist dann allein dem vertretenen Unternehmer gegenüber berechtigt und verpflichtet, der Hauptvertreter beschränkt sich häufig auf die Überwachung der unechten Untervertreter. Unechte Untervertreterverträge werden meist dann geschlossen, wenn es für den vertretenen Unternehmer wegen der Größe der AußendienstOrganisation oder wegen der räumlichen Ausdehnung der Vertreterbezirke zweckmäßig ist, einen Teil seiner Befugnisse auf einen Hauptvertreter zu delegieren.1252 Das Direktionsrecht des vertretenen Unternehmers wird häufig durch den dem Untervertreter organisatorisch übergeord-

1247 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 96; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 36 ff.; aA Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 121. 1248 Vgl. hierzu Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 20. 1249 So aber Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 121. 1250 Zu diesem Begriff: MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 18; Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 188. 1251 Siehe Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 123; Oetker/Busche5 § 84 Rn 51. 1252 Küstner/Thume/Schürr I Kap. I Rn 187. 585

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neten „Generalvertreter“ des Unternehmers ausgeübt,1253 der Hauptvertreter, Verkaufsleiter, Subdirektor (im Versicherungswesen), Generalvertreter, Generalagent oder – missverständlich – Bezirksvertreter u. ä. genannt wird.1254 Die Tätigkeit des Hauptvertreters beschränkt sich im Extremfall darauf, Untervertreter einzustellen, zu führen und zu überwachen.1255 Häufig findet sich diese Gestaltung im Strukturvertrieb (s. o.),1256 der besonders von Versicherern gewählt wird. Der Generalvertreter erhält einen Anteil der insgesamt für den Abschluss ausgeworfenen Provision oder einen Anteil an der Provision des Untervertreters (Superprovision oder Provisionsspitze).1257 Auch in diesen Verhältnissen wird ihm der Vermittlungserfolg des Untervertreters als eigener (mit) zugerechnet, da die Führungs- und Beaufsichtigungstätigkeit des Generalvertreters über die ihm unterstellten Untervertreter als hierfür mitursächlich angesehen wird,1258 dem Generalvertreter obliegt auch insoweit die echte Verpflichtung zur umsatzfördernden Tätigkeit.1259 Ob der Hauptvertreter mit einer hohen Zahl unechter Untervertreter noch werbende Tätig180 keiten ausführt, also Handelsvertreter mit eigenem Ausgleichsanspruch gegenüber dem Unternehmer bleibt, ist gerade im Strukturvertrieb Gegenstand der Diskussion1260 (oben). Denn die leitende Tätigkeit nimmt – je weiter man sich der Spitze der Organisation nähert – einen immer breiteren Raum ein; die werbende Tätigkeit tritt zurück.1261 Deshalb wird die Superprovision hier, meist mit dem Ziel sie der Ausgleichsberechnung zu entziehen, als Verwaltungsprovision bezeichnet.1262 Regelmäßig wird auch hier der Vermittlungserfolg der unechten Untervertreter dem Generalvertreter zugerechnet, so dass der Generalvertreter – mittelbar – werbend tätig ist, zumal der Hauptvertreter durch seine Leistungsaufgaben für die Vermittlung mitursächlich wird.

9. Vertretergesellschaften 181 Handelsgesellschaften dürfen HV-Geschäfte betreiben.1263 Die Gesellschaft ist dann persönlich i. S. d. § 613 BGB verpflichtet.1264 Bei einer stillen HV-Gesellschaft wird der stille Teilhaber nicht HV, ebenso wenig mangels Rechtsfähigkeit die Erbengemeinschaft oder der nicht rechtsfähige Verein.1265 Da der HV – mit Ausnahme des Versicherungsvertreters, der allerdings ebenfalls als Gesellschaft werben darf – anders als etwa in Italien (Art. 5 Disciplina dell’ attivitá di agente e rappresentente die commercio) – keinerlei persönliche Qualifikationen zur Ausübung seines Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 123. Küstner/Thume/Küstner II8 Kap. II Rn 51; Hopt § 84 Rn 32. BFH, Urt. v. 10.6.1999 – V R 10/98, DB 1999, 1988 (1989). Siehe Emde, MDR 1999, 1108 ff. OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.2.2009 – 7 U 219/07, BeckRS 2010, 16911; Westphal I Rn 691; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 123. 1258 BGHZ 56, 290, 293; Emde MDR 1999, 1108 ff. 1259 BGHZ 59, 87 (93). 1260 Ablehnend Staub/Brügggemann 4. Aufl., § 84 Rn 30. 1261 Vgl. BFH, Urt. v. 20.12.2007 – VR 62/06, ZIP 2008, 503 = DB 2008, 620; Küstner/Thume/Küstner II8 Kap. II Rn 52. 1262 Westphal I Rn 691. 1263 BGH, Urt. v. 5.11.2020 – VII ZR 188/19, WM 2020, 2386; v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 10 (GmbH); OLG Stuttgart, Urt. v. 30.5.2011 – 5 U 189/10, BeckRS 2011, 16755 m. Anm. Henne GWR 2011, 319814 (für eine GmbH); Emde Die Handelsvertreter GmbH S. 16; Canaris § 17 Rn 7; Port/ Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17; Kindler/Menges DB 2010, 1109 (1110); Emde GmbHR 1999, 1005 (1006 ff.); Martin VersR 1967, 824; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 101; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 6; Hopt § 84 Rn 8 f.; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 5 f.; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86 Rn 6. 1264 Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume § 86 Rn 6. 1265 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 16; Hopt § 84 Rn 9.

1253 1254 1255 1256 1257

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Berufes aufweisen muss,1266 kann deren Fehlen auch nicht die Tätigkeit durch eine Kapitalgesellschaft ausschließen, etwa weil die Kapitalgesellschaft eine derartige persönliche Qualifikation nicht besitzen kann,1267 wie sie teilweise bei freien Berufen vorgeschrieben wird (vgl. etwa § 3 Abs. 1 BÄO, § 4 Abs. 1 BAO). Früher wurde vertreten, es sei nach der Eigenart des Handelsvertretervertrages ausgeschlos- 182 sen, etwa GmbHs mit der Ausführung von Handelsvertretergeschäften zu beauftragen. So schrieb Hans Möller1268 noch 1944, zu einem Zeitpunkt, als sich die Vertreter-GmbH ansatzweise bereits etabliert hatte,1269 dass „eine nähere Prüfung … ergeben (dürfte), dass Kapitalgesellschaften für die Versicherungsvermittlung nicht zugelassen werden sollten, und zwar schon deshalb nicht, weil die Versicherungsvermittlung in hohem Maße persönlichen Einsatz und die persönliche Verantwortung erheischt.“ Deshalb dürfte auch eine „Gesellschaft mit beschränkter Haftung … sich kaum jemals rechtfertigen lassen.“ Es darf gefragt werden, ob sich diese Äußerung lediglich auf die Versicherungsvermittlung bezog; auch hier ist jedoch die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft zulässig.1270 Jedoch lässt sich die Zulässigkeit einer Vermittler-Kapitalgesellschaft im erlaubnisfreien Vermittlungsgeschäft nicht nach der Art des vermittelten Produktes befürworten oder ablehnen. Da im gesamten Vertreter-Gewerbe immer wieder das Erfordernis persönlichen Einsatzes und persönlicher Verantwortung1271 betont wird, lassen sich die Bedenken Möllers nicht auf den Sonderfall der Versicherungsvermittlung und die hier in den Vordergrund tretende, mit der Auslegung der § 81 Abs. 3 VAG verbundene Problematik beschränken.1272 Trotz der geschickt auf Zeitgeist1273 und Gedanken der Begründung zum GmbH-Gesetz zugeschnitten Worte Möllers sind die von ihm geäußerten Bedenken nicht zu teilen. So ist es schwierig zu erklären, warum gerade im Vertretergewerbe, in welchem die Wirkungen eines vom HV vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfts allein den Unternehmer treffen, nur letzterer mithin Vertrags- oder Schadensersatzforderungen von Kunden ausgesetzt sein könnte, den Vertreter gegenüber den Kunden eine besondere persönliche Verantwortung treffen soll, die, etwa wie bei Ärzten,1274 einen Ausschluss der Haftungsbegrenzung auf ein Gesellschaftsvermögen rechtfertigen könnte. Das Schadensrisiko des Unternehmers im Verhältnis zum HV kann wegen des Fehlens finanzieller Vorleistungen und der geringen Insolvenzquote unter HV sogar niedriger als bei anderen längerfristigen Verträgen eingestuft werden, so dass es auch unter fairer Beachtung der Unternehmerinteressen keine Beschränkung der Rechtsformwahl rechtfertigt. Gleiches gilt angesichts des „persönlichen Elements“ des Handelsvertretervertrages. Auch zu einer juristischen Person kann ein enges Vertrauensverhältnis bestehen. Es bezieht sich dann auf die Person oder besser das Unternehmen dieser Gesellschaft.1275 So wird bei Vertragsschluss 1266 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 6. 1267 Kritisch hierzu Ahlers AnwBl 1991, 226 ff.; Henssler JZ 1992, 697 (707 ff.); Kremer S. 184 ff.; ablehnend OLG Düsseldorf, AnwBl 1992, 133. 1268 Recht und Wirklichkeit der Versicherungsvermittlung, Hamburg, 1944, S. 74; vgl. aber derselbe in: ZfV 1955, 2 ff. 1269 Vgl. die statistischen Angaben bei Hans Möller a. a. O., S. 73 f. 1270 Siehe etwa LG Hannover, Urt. v. 30.6.2009 – 18 O 193/08, BeckRS 2009, 21555. 1271 Vgl. nur CDH (Hrsg.), Sie wollen Handelsvertreter werden, S. 2. 1272 Möllers Ausführungen zielen erkennbar nicht auf den spezifisch-versicherungsrechtlichen Problemkreis der firmeneigenen Vermittlungsgesellschaften und das aus § 81 Abs. 3 VAG hergeleitete Verbot der Provisionsabgabe an Versicherungsnehmer ab, das durch ein „Verstecken“ der Versicherungsnehmer als Gesellschafter „anonymer“ Kapitalgesellschaften umgangen werden könnte, eine – außer bei firmeneigenen Vermittlungsgesellschaften – tatsächlich angesichts der regelmäßig geringen Kapitalbeteiligung möglicher Versicherungsnehmer wohl kaum praktische Befürchtung. Gegen die Anwendung des § 81 Abs. 2 S. 3 VAG auf Vermittlungsgesellschaften, Selke ZfV 1966, 142, zusammenfassend: Gärtner VersR 1967, 1118; Hopt § 84 Rn 8, verneint zu Unrecht die Vertretereigenschaft der selbstständig Vermittlungsaufgaben wahrnehmenden firmeneigenen Vermittlungsgesellschaften. 1273 Die Nationalsozialisten betrachteten „anonyme“ Kapitalgesellschaften mit Skepsis. 1274 Vgl. etwa Taupitz NJW 1992, 2317. 1275 Im Einzelnen: Emde Die Handelsvertreter-GmbH 1994, S. 30 ff. 587

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mit einer GmbH das Vertrauen regelmäßig an die für sie handelnden natürlichen Personen anknüpfen,1276 so dass jedenfalls zu ihnen ein „persönliches“ Vertrauensverhältnis bestehen könnte. Ohnehin dürften die Gedanken zur Unzulässigkeit angesichts der grundgesetzlich garantierten Vereinigungsfreiheit sowie Handlungsfreiheit ohne ausdrückliches und gerechtfertigtes Verbot kaum Bedeutung haben und auf einem Missverständnis beruhen: Der Handelsvertretervertrag ist schuldrechtliches Band und nicht Ausdruck der Eigenschaft einer Person, nämlich des HV. 183 Als Hauptgrund für die Nutzung der Rechtsform einer juristischen Person werden heute die Haftungsreduzierung1277 (insb. bei Fremdgeschäft neben der HV-Tätigkeit1278), die Vermeidung der Sozialversicherungspflicht, die unkomplizierte Übertragung der Gesellschaftsanteile und der ebenso unkomplizierte Eintritt neuer Mitarbeiter (wegen der weniger persönlichen Vertragsausführung) sowie steuerliche Vorteile1279 genannt. Wolllen ausländische Unternehmen in Deutschland eine Vertriebsgesellschaft gründen, ist die Kapitalgesellschaft häufig die natürliche Wahl.1280 Auch besteht kein Spannungsverhältnis zwischen gesetzlichem Leitbild und Vertragsaus184 führung durch eine Kapitalgesellschaft.1281 Zwar ist das gesetzliche Bild des HV auf den Einzelkaufmann zugeschnitten, schon wegen des hierzu gehörenden Betrautseins mit persönlicher Dienstleistung. Handelsvertretergesellschaften sind gleichwohl häufig,1282 und zwar sowohl als Personen- wie als Kapitalgesellschaften. Bei den Kapitalgesellschaften steht die Handelsvertreter-GmbH im Vordergrund.1283 Handelsvertreter-AGs sind eher selten.1284 Sowohl Personen(etwa OHG,1285 KG1286) wie Kapitalgesellschaften1287 können HV1288 sein, selbst GbRs1289 im Anwendungsbereich des § 84 Abs. 4 (sonst wäre die Gesellschaft gem. §§ 1 Abs. 2, 105 Abs. 1 eine OHG1290). 185 Die §§ 84 ff. gelten für die Vertragsausführung durch Vertretergesellschaften ebenso wie für jeden anderen Vertretervertrag,1291 da die Normen nicht die persönliche Stellung des HV sondern das rechtsformunabhängige Vertragsverhältnis regeln. HV ist eine Gesellschaft auch dann, wenn sie als Tochterunternehmen im Vertriebssystem ihres Mutterunternehmens eingeschaltet, also im gesellschaftsrechtlichen Sinne ein abhängiges Unternehmen i. S. d. § 17 AktG ist.1292 Eine 1276 1277 1278 1279

BGH NJW 1990, 388 (390). Emde Die Handelsvertreter GmbH S. 35; Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 (18). Emde Die Handelsvertreter GmbH S. 38. Emde Die Handelsvertreter GmbH S. 42; Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 – umfassend zu den steuerlichen Fragen. 1280 Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 ff. 1281 Emde Die Handelsvertreter GmbH S. 62; Emde GmbHR 1999, 1004 (1006 f.). 1282 Rechtstatsächliches Material bei Emde Die Handelsvertreter-GmbH S. 52 ff.; Stolterfoth S. 45, 53 ff.; Tiefenbacher BB 1981 85 (86/87). 1283 Emde Die Handelsvertreter GmbH 1994; Emde GmbHR 1999, 1005; Beispiele auch bei Stolterfoth S. 53; Henschel/Beine/Buchwald, S. 272. 1284 Brüggemann ZHR 131 [1968], 6, und für die frühere Zeit Schmidt-Rimpler S. 58 Fn. 4. 1285 OLG Hamm, Urt. v. 26.10.2009 – 18 U 212/08, BeckRS 2009, 87054; Hopt § 84 Rn 8. 1286 LG Essen MDR 1982, 852; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 22. 1287 Emde Die Handelsvertreter-GmbH passim; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 101; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene, § 84 Rn 21. 1288 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 36; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 21, § 86 Rn 5 ff. 1289 Nachdem der BGH die Rechtsfähigkeit der GbR anerkannte (NJW 2001, 1056), kann auch eine solche Handelsvertreter sein (Boin GmbHR 2001, 513; Hopt § 84 Rn 9). 1290 OLG Hamm, Urt. v. 26.10.2009 – 18 U 212/08, BeckRS 2009, 87054; Emde VersR 2002, 152; Hopt § 84 Rn 9; siehe auch MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 22. 1291 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 101. Siehe etwa BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220. 1292 Karsten Schmidt Handelsrecht § 27 I I 2a; Beispiel: LG Hannover, Urt. v. 30.6.2009 – 18 O 193/08, BeckRS 2009, 21555. Emde

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Vertreter-Kapitalgesellschaft ist kraft Rechtsform „selbständig“ i. S. d. § 84 Abs. 1.1293 Die §§ 92a,1294 § 92 b1295 sowie § 630 BGB1296 finden auf sie Anwendung, auch der Provisions-1297 und Ausgleichsanspruch des § 89b steht ihr wie einer natürlichen Person zu,1298 da er als vertragliche Gegenleistung unabhängig von der Rechtsform des Vertragspartners geschuldet wird. Die auf der 102. Sitzung des wirtschaftspolitischen Ausschusses des Bundestags vorgeschlagene Fassung des § 89b, derzufolge eine HV-Gesellschaft keinen Anspruch auf einen Ausgleich haben sollte,1299 wurde nicht Gesetzesrecht.1300 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die HVGesellschaft für das Vertreterrecht nur eine geringe Herausforderung bildet. Tiefenbacher weist darauf hin, dass Neugründungen von Gesellschaften seltener sind als 186 die spätere Ausweitung von einzelkaufmännischen Agenturen zu Vertretergesellschaften.1301 So insbesondere, wenn ein alt gewordener HV einen Juniorpartner aufnimmt, um sich demnächst zur Ruhe setzen zu können und die Kontinuität der Agenturgeschäfte zu wahren, oder durch Hereinnahme der Ehefrau als Kommanditistin. Bei den Personen- wie bei den Kapitalgesellschaften ist die Gesellschaft selbst Vertragspart- 187 ner.1302 Die Gesellschafter oder Organe sind regelmäßig nicht zur Leistung oder zum Unterlassen verpflichtet,1303 und zwar hinsichtlich der persönlichen Haupt- und Nebenpflichten wegen §§ 613, 664 BGB entgegen § 128 auch nicht bei den Personengesellschaften,1304 da dies der persönlichen Dienstpflicht durch die Gesellschaft widerspräche. Für Verschulden ihrer Organe haftet die Gesellschaft gem. § 31 BGB.1305 Der BGH1306 hat zwar ausgesprochen, dass sich der HV verpflichten könne, seine Vertragspflichten ausschließlich durch einen Dritten erbringen zu lassen. Dies betraf jedoch nicht den Fall einer HV-Gesellschaft. Insoweit ist der Grundsatz der Verbandssouveränität zu berücksichtigen,1307 der einer Einflussnahme entgegenstehen dürfte. Rechte zur Bestimmung von Geschäftsführern und Gesellschaftern dürften vor diesem Hintergrund unwirksam sein.1308 Bei Zustimmungsrechten könnte man hierüber diskutieren.1309 Auch insoweit ist jedoch zu bedenken, dass die Gesellschafterversammlung unzulässig gebunden sein könnte, gerade wenn es um die Abberufung eines Geschäftsführers oder das Ausscheiden eines Gesellschafters geht. Angesichts des persönlichen Charakters der HV-Tätigkeit (§§ 613, 664 BGB) könnte man jedoch auch die gegenteilige Ansicht vertreten und dem Unternehmer ein Recht zur Regelung der personellen Kontinuität geben. Der Unternehmer ist allerdings durch sein Recht zur außerordentlichen Kündigung ohnehin geschützt, sofern ihm eine Veränderung

1293 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 10 (GmbH); Emde/Valdini BB 2016, 899; Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 87; Emde GmbHR 1999, 1004 (1007).

1294 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 66; Emde GmbHR 1999, 1004 (1008); aA Heymann/Sonnenschein, § 92a Rn 9; Schlegelberger/Schröder § 92a Rn 1; Brüggemann ZHR 131 (1968) 1 (9). 1295 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 69; Emde GmbHR 1999, 1004 (1008); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 101; a. A. Brüggemann ZHR 131 (1968), 1 (9 ff.). 1296 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 75; Emde GmbHR 1999, 1004 (1009); aA Schlessmann Kündigung von Handelsvertreterverträgen, 1966, S. 236. 1297 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 (GmbH). 1298 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 101. 1299 Kurzprotokoll der 202. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik des Deutschen Bundestages v. 7.5.1953. 1300 Vgl. Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 77 ff.; Emde GmbHR 1999, 1004 (1009 f.). 1301 Zu den steuerlichen Auswirkungen der Übertragung der Vertretung auf eine neu gegründete GmbH BFH, Urt. v. 15.10.1998 – III R 75/97, BB 1999, 249 = GmbHR 1999, 190. 1302 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 5 f. 1303 MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 6; Oetker/Busche5 § 86 Rn 8. 1304 AA MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 5; Oetker/Busche5 § 86 Rn 8. 1305 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 7. 1306 BGH, Urt. v. 10.12.1997 – VIII ZR 329/96, BB 1998, 390 = NJW 1998, 1070 = ZIP 1998, 420. 1307 Emde GmbHR 1999, 1005 (1012). 1308 Emde GmbHR 1999, 1005 (1012). 1309 Emde GmbHR 1999, 1005 (1012) hielt diese für zulässig. 589

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unzumutbar ist. Nach aA darf das Ausscheiden oder Tätigkeit bestimmter Personen als Bedingung der Vertragsfortführung formuliert werden,1310 wenn der Unternehmer hieran ein schützenswertes Interesse hat. 188 Ob der HV Gesellschafteränderungen bei der Gesellschaft zu dulden hat, bestimmt sich nach den oben Vor § 84 Rn 105 ff. dargestellten Maßstäben. Eine HV-GmbH kann sich nicht auf die Art. 20–23 EuGVVO berufen und genießt nicht den Schutz des internationalen Arbeitsprozessrechts.1311

1310 Westphal BB 1999, 2517 (2518). 1311 Mankowski IHR 2014, 248. Emde

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§ 85 [Vertragsurkunde] 1

Jeder Teil kann verlangen, daß der Inhalt des Vertrages sowie spätere Vereinbarungen zu dem Vertrag in eine vom anderen Teil unterzeichnete Urkunde aufgenommen werden. 2 Dieser Anspruch kann nicht ausgeschlossen werden.

Übersicht 1

A.

Inhalt und Tragweite des § 85

B.

Bedeutung der Vorschrift

C.

Die Form der Vertriebsverträge

D.

Einführung der Schriftform und einer Regis10 terpflicht

E.

Die Tatbestandsvoraussetzungen 11 des § 85

4 5

I.

Jeder Teil

11

II.

Verlangen

12

III.

Aufnahme des Inhalt des Vertrages sowie späterer Vereinbarungen zu dem Vertrag in eine vom 13 anderen Teil unterzeichnete Urkunde

F.

Wirkung der Beurkundung

G.

Erfüllung

17

H.

Fortbestehen des Anspruchs

I.

Erfüllungsort

J.

Verjährung und Verwirkung

K.

Kosten

L.

Nicht- und Schlechterfüllung

M.

Abtretung und Zurückbehaltungs22 recht

N.

Prozessuale Durchsetzung

O.

Zwangsvollstreckung

P.

Zwingende Natur

Q.

Analoge Anwendung

18 19

20 21

23 24

25 26

15

16

A. Inhalt und Tragweite des § 85 Die 1953 in das Gesetz eingebettete und weitgehend Art. 13 RL entsprechende Vorschrift (Folge: 1 im Anwendungsbereich Vorlageverfahren nach Art. 267 AEUV) dient der Klarstellung der vertraglichen Abmachungen,1 da sich bei einem mündlich geschlossenen und langjährig durchgeführten Vertrag leicht Unklarheiten und Streitigkeiten ergeben können2: Den Parteien soll es ermöglicht werden, sich Beweisunterlagen zu beschaffen.3 Das Recht auf Dokumentation ist zwingend (S. 2). Man unterscheide: § 85 setzt einen gültigen Vertragsschluß voraus. Er bezieht sich auf ein 2 Verlangen nachfolgend nach Zustandekommen des Vertrages. Wird das Verlangen nach schriftlicher Festlegung von einem der Vertragsteile schon während der Vertragsverhandlungen geäußert, so schließt das im Zweifel seinen Bindungswillen ohne diese Form aus. Erst recht gilt im Zweifel der Vertrag als nicht geschlossen, falls eine Beurkundung zuvor verabredet worden ist, § 154 Abs. 2 BGB. Ob der Anspruch auf Vertragsbeurkundung auch dann besteht, wenn ein inländischer Han- 3 delsvertreter für einen ausländischen Unternehmer tätig wird oder ein inländischer Unterneh1 Hopt § 85 Rn 5. 2 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 1; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 1. 3 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 101; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 1. 591 https://doi.org/10.1515/9783110558401-003

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§ 85

1. Buch. Handelsstand

mer einen im Ausland tätigen Handelsvertreter beauftragt hat, hängt davon ab, ob für dieses Rechtsverhältnis deutsches Recht maßgebend ist (dazu Kommentierung zu § 92c). Beurteilt sich das Verhältnis nach ausländischem Recht, welches einen Anspruch auf Beurkundung des Vertrages nicht kennt, so verstößt dieses Recht nicht gegen den deutschen ordre public, obgleich § 85 zwingendes Recht darstellt.

B. Bedeutung der Vorschrift 4 In der Praxis ist der Beurkundungsanspruch weitgehend bedeutungslos, wie die recht geringe Durchdringung der Materie mittels gerichtlicher Entscheidungen zeigt. Solange Einvernehmen besteht, wird keine Partei die Zusammenarbeit durch die Forderung nach einer mit keinen unmittelbaren Vorteilen verbundenen Beurkundung belasten. Meist wird der Beurkundungsanspruch erst interessant, wenn über den Vertragsinhalt Streit besteht.4 Zu diesem Zeitpunkt aber ist der Anspruch kaum durchsetzbar und die Erfüllung der auf Zahlung gerichteten Leistungspflichten (Provision, Ausgleich) wichtiger. Denn derjenige, der Beurkundung fordert, trägt die Beweislast für den von ihm behaupteten Vertragsinhalt.5 Dieser Beweis wird sich selten führen lassen, allenfalls durch Dokumente. Existieren solche, bedarf es aber keiner Beurkundung. Hinzu treten die verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten der Rechtsdurchsetzung: Da die h. M. einen Einheitserfüllungsort am Sitz des Vertriebsmittlers ablehnt (Vor § 84 Rn 697 ff.), müsste der mit einem ausländischen Unternehmer verbundene HV seinen Beurkundungsanspruch am Sitz des ausländischen Unternehmers einklagen, sofern man nicht – wie zu § 89b vertreten6 – aus der bereits von Art. 13 Abs. 1 S. 2 RL vorgegebenen zwingenden Natur des § 85 einen gleichfalls zwingenden Gerichtsstand am Vertriebsort herleitet (Vor § 84 Rn 733). Schließt die anwendbare ausländische Verfahrensordnung den Zeugenbeweis aus, ist der Anspruch kaum durchsetzbar.

C. Die Form der Vertriebsverträge 5 § 85 ist keine Formvorschrift,7 auch nicht für künftige Vertragsänderungen, nachdem zuvor der Beurkundungsanspruch durchgesetzt wurde.8 Die Norm dient allein Beweiszwecken.9 Der HVVertrag bedarf nach deutschem Recht, um gültig zu sein, keiner Form,10 ebensowenig andere HV-ähnliche Vertriebsverträge.11 Er kann mündlich abgeschlossen12 oder geändert13 werden, sogar durch schlüssiges Verhalten,14 durch wiederholte Geschäftsvermittlung und Abschluss der vermittelten Verträge durch den Unternehmer15 (s. a. § 84). So kann sich die HV-Tätigkeit aus 4 Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 124; Westphal I, Rn 181. 5 Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 125. 6 OLG München, Urt. v. 17.5.2006 – 7 U 1781/06, WM 2006, 1556 = EWiR 2006, 621 (Emde). 7 Würdinger JR 1953, 437; Röhricht/Graf von Westphalen/Thume4 § 85 Rn 7; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 2 a. 8 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 1. 9 OLG München VersR 1954, 97; Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 133. 10 BGH NJW 1983, 1727 (1728); Kindler/Menges DB 2010, 1109 (1111); Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 47; Hopt § 85 Rn 2. 11 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.7.2016 – C-196/15, BB 2016, 1934 = NJW 2016, 3087 = ZVertriebsR 2017, 60 m. Anm. KutscherPuis.

12 BGH, Urt. v. 1.4.1992, NJW 1992, 2818 (2819); OLG Frankfurt/M. VW 1971, 117; Flohr/Wauschkuhn/Billing Vertriebsrecht § 84 Rn 57; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 47; Hopt § 85 Rn 2. 13 BGH BB 1961, 497; Hopt § 85 Rn 2. 14 BGH NJW 1958, 180; VersR 1961, 270; BB 1987, 220; 1990, 303; WM 1991, 1474; NJW 1992, 2818; OLG München, Urt. v. 21.1.2010 – 23 U 4124/09, BeckRS 2010, 07740; OLG Nürnberg VersR 1959, 801; LG Ellwangen, Teilurt. v. 13.5.2013 – 1 O 15/10, best. durch OLG Stuttgart, Urt. v. 30.1.2014 – 13 U 99/13; Kindler/Menges DB 2010, 1109 (1111); Hopt § 85 Rn 2. 15 Hopt § 85 Rn 2. Emde

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einer tatsächlichen Handhabung zu einer Rechtspflicht entwickeln.16 Sofern sich die Parteien noch nicht über alle Punkte des Vertrages geeinigt haben, etwa über die Höhe einer Einstandszahlung, jedoch gleichwohl Geschäfte vermittelt und vom Unternehmer angenommen werden, hat die Möglichkeit des konkludenten Vertragsschlusses besondere Bedeutung. Zwar gilt im Zweifel ein Vertrag nicht geschlossen, solange sich nicht die Parteien über alle Fragen geeinigt haben. Dies gilt aber nicht, falls bereits ein Vertrag in Vollzug gesetzt wird.17 Gerade bei Abschluss eines Vertriebsvertrages zwischen international agierenden Konzern- 6 gesellschaft ist aus der Sicht des deutschen Steuerrechts der Abschluss eines schriftlichen Vertrages sinnvoll, weil Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen grds. nur insoweit anerkannt werden, als sie auf einer zivilrechtlich wirksamen, im Voraus getroffenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung beruhen. Das lässt sich am ehesten durch eine schriftliche Fassung gewährleisten.18 Von der grundsätzlichen Formfreiheit gibt es drei Ausnahmen. Erstens können die Parteien 7 für Vertragschluss oder –änderung eine Form vereinbaren,19 ggf. auch nur für einzelne Klauseln.20 Solange die Parteien sich dann nicht – u. U. auch konkludent – auf die Derogation der dergestalt vereinbarten Form geeinigt haben, hängt die Wirksamkeit des Vertrages oder der Vertragsänderung gem. §§ 125 S. 2, 126, 127,21 154 Abs. 222 BGB von der Einhaltung der gewillkürten Form ab.23 Das Schriftformerfordernis darf auch für nachträgliche Änderungen und Ergänzungen des Vertrags vereinbart oder ausgeschlossen werden.24 Vertragsänderungen können gleichwohl mündlich vorgenommen werden, weil das Schriftformgebot mündlich, u. U. sogar konkludent,25 abbedungen werden kann.26 Zum zweiten bedarf gemäß § 86b Abs. 1 S. 3 die Verpflichtung des HV, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten aus einem Geschäft einzustehen (Delkredere), der Schriftform. Ebenso formbedürftig ist zum dritten nach § 90a Abs. 1 S. 1 eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede, dergemäß der HV nach Vertragsende nicht für einen Wettbewerber des Unternehmers tätig sein darf. Das Schriftformerfordernis des § 34 GWB a. F. wurde durch die Novelle zur Änderung des 8 Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26.8.1998 – BGBl. I 1998, 2521 mit Wirkung zum 31.12.1998 aufgehoben.27 Enthielt ein Vertretervertrag wettbewerbsbeschränkende Abreden i. S. d. §§ 18, 20 und 21 GWB a. F., so unterlag er gem. § 34 GWB a. F. einem Schriftformerfordernis,28 mit der Folge der Nichtigkeit der betreffenden Klausel gem. § 125 BGB29 (Folge: u. U. Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB). § 34 GWB a. F. galt auch in Fällen, in denen ein konzernver-

16 BGH, Urt. v. 1.4.1992 – IV ZR 154/91, Rn 12; v. 12.11.1996 – I ZR 107/84, Rn 12; OLG München, Urt. v. 21.1.2010 – 23 U 4124/09, BeckRS 2010, 07740.

17 BGH NJW 1983, 1727; siehe auch BGH BB 1987, 220 = NJW-RR 1987, 546; BB 1990, 303 = NJW-RR 1990, 354; Hopt § 85 Rn 2. 18 Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 (22). 19 Flohr/Wauschkuhn/Billing Vertriebsrecht § 84 Rn 58. 20 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 47; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 3. 21 Hopt § 85 Rn 5. 22 BGH NJW 1983, 1727 (1728); WM 1992, 1193 (1195); WM 1991, 1472. 23 OLG Frankfurt/M. MDR 1997, 1139; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 47; Hopt § 85 Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 71; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 3. 24 OLG Frankfurt/M. MDR 1997, 1139. 25 LAG Düsseldorf BB 1960, 1075. 26 Röhricht/Graf von Westphalen/Thume4 § 85 Rn 4. 27 Zu seiner Anwendung auf Handelsvertreterverträge noch Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 104, vgl. auch Bunte BB 1998, 1600; ders. DB 1998, 1748; Kahlenberg BB 1998, 1593 (1596). 28 OLG Koblenz, Urt. v. 21.12.2006 – U 819/06 Kart, WuW/E DE-R 2157 = WuW/E 2008, 81; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 104; § 18 Rn 31. 29 OLG Koblenz, Urt. v. 21.12.2006 – U 819/06 Kart, WuW/E DE-R 2157 = WuW/E 2008, 81; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 106. 593

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bundenes Unternehmen in den Vertriebsvertrag eines anderen Konzernunternehmen eintrat.30 Für vor 1998 geschlossene Altverträge gilt § 34 GWB a. F. weiterhin,31 es sei denn, sie wurden neuem Recht unterstellt oder nach diesem Recht gem. § 141 BGB bestätigt.32 Das ist mglw. der Fall, wenn der Vertriebsvertrag von 1999 an 10 Jahre lang durch die Parteien täglich praktiziert und dadurch konkludent als gültig anerkannt wird,33 sofern den Parteien die Formnichtigkeit bekannt war.34 Deshalb kann auch ein unter der Altregelung vor dem 1.1.1990 gezeichneter Franchisevertrag zum jetzigen Zeitpunkt noch gem. § 34 GWB a. F. nichtig sein, falls er eine zur Schriftform nach § 34 GWB a. F. führende Ausschließlichkeitsabrede enthält und die zu gewährenden Rabattsätze auf einem gesonderten, mit dem Vertrag nicht fest verbundenen Blatt aufgeführt sind, welches nicht unterschrieben ist und auf das in dem unterschriebenen Teil des Vertrages nicht Bezug genommen wird. Nur ausnahmsweise kann sich eine Partei gegen den Formverstoß auf Treuwidrigkeit berufen,35 etwa bei Existenzgefährdung36 oder schwerer Treupflichtwidrigkeit.37 So mag das Verhalten eines Vertragspartners, sich 10 Jahre nach Wegfall der Formvorschrift auf Formnichtigkeit zu berufen, gegen Treu und Glauben verstoßen.38 Selbst wenn es dem Franchisegeber nach Treu und Glauben verwehrt sein sollte, sich gegenüber dem Franchisenehmer auf die Formnichtigkeit zu berufen, ist der Franchisegeber möglicherweise mit Schadensersatzforderungen wegen des nicht ausreichenden Bezugs an Waren aus diesem Vertrag ausgeschlossen.39 Grds. stellt es aber keinen Rechtsmissbrauch dar, wenn sich eine Partei auf die Nichtigkeit des Vertrages nach mehreren Jahren beruft. Die sich auf die Formnichtigkeit berufende Partei hat zwar eine gewisse Zeit Vorteile aus dem Vertrag gezogen. Dem steht jedoch der Gewinn gegenüber, den die andere Partei in derselben Zeit erzielt hat.40 Als mögliche Kandidaten für die Annahme eines verdeckten Beherrschungsvertrages, 9 der die Eintragung in das Handelsregister erfordert (§§ 54 GmbHG, 294 AktG), werden Franchiseverträge diskutiert.41 Die dagegen sprechende Argumentation, ein FG habe in keinem Fall ein Recht zur nachteiligen Einflussnahme auf den FN42 ist wenig überzeugend.43 Dazu bedarf es nicht immer Weisungsrechten. Ausreichend kann sein, dass der Unternehmer in der Lage ist, seine Zielkonzeption mittels seiner vertraglichen Befugnisse durchzusetzen. Dazu können unter Umständen bloße Zustimmungsbefugnisse ausreichen. Damit wird nicht jeder Franchisevertrag zu einem verdeckten Beherrschungsvertrag. Es handelt sich immer um eine Frage des Einzelfalls. Problematisch sind in diesem Zusammenhang insb. Rechte, die Einfluss auf die Geschäfts-

30 BGH BB 2003, 1463 (1464). 31 BGH, Urt. v. 2.2.1999 – KZR 51/97, BB 1999, 865 m. Bespr. Bunte BB 1999, 866; v. 9.3.1999 – KZR 23/97, ZIP 1999, 857; OLG Celle, Urt. v. 11.2.2010 – 13 U 92/09 (Kart), DE-R 2853 (2855); OLG Koblenz, Urt. v. 21.12.2006 – U 819/06 Kart, WuW/E DE-R 2157 = WuW/E 2008, 81 = BeckRS 2007, 01074. 32 BGH, Urt. v. 2.2.1999 – KZR 51/07, WuW/E DE-R 261; LG Hannover, Urt. v. 13.5.2009 – 21 O 6/09 = DE-R 2736, WuW 2009, 1293 (1294); Bunte BB 1999, 866 (867). 33 LG Hannover, Urt. v. 13.5.2009 – 21 O 6/09 = DE-R 2736, WuW 2009, 1293 (1294) – aufgehoben durch OLG Celle, Urt. v. 11.2.2010 – 13 U 92/09 (Kart), DE-R 2853. 34 OLG Celle, Urt. v. 11.2.2010 – 13 U 92/09 (Kart), DE-R 2853; LG Hannover, Urt. v. 13.5.2009 – 21 O 6/09 = DE-R 2736, WuW 2009, 1293 (1294). 35 OLG Celle, Urt. v. 11.2.2010 – 13 U 92/09 (Kart), DE-R 2853 (2856). 36 OLG Celle, Urt. v. 11.2.2010 – 13 U 92/09 (Kart), DE-R 2853 (2856). 37 OLG Celle, Urt. v. 11.2.2010 – 13 U 92/09 (Kart), DE-R 2853 (2856). 38 LG Hannover, Urt. v. 13.5.2009 – 21 O 6/09 = DE-R 2736, WuW 2009, 1293 (1294); aufgehoben von OLG Celle, Urt. v. 11.2.2010 – 13 U 92/09 (Kart), DE-R 2853 (2856). 39 OLG Koblenz, Urt. v. 21.12.2006 – U 819/06 Kart, WuW/E DE-R 2157 = WuW/E 2008, 81 = BeckRS 2007, 01074. 40 OLG Koblenz, Urt. v. 21.12.2006 – U 819/06 Kart, WuW/E DE-R 2157 = WuW/E 2008, 81 = BeckRS 2007, 01074. 41 Siehe etwa Kienzle Verdeckte Beherrschungsverträge im Aktienrecht, S. 117 ff. m. w. N. 42 Siehe Oechsler ZGR 1997, 464 (475 ff.). 43 Siehe Kienzle Verdeckte Beherrschungsverträge im Aktienrecht, S. 121 ff. m. w. N.; MünchKommGmbHG/Liebscher § 13 Anh. Rn 663; Martinek Moderne Vertragstypen, Bd. II, 1992, S. 47 f. Emde

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führerbestellung, die Zusammensetzung der Gesellschafter, die Übertragung der Beteiligung an einer Vertriebsmittler-Gesellschaft etc. gewähren, insbesondere in ihrer Kumulation.

D. Einführung der Schriftform und einer Registerpflicht Die Einführung der gesetzlichen Schriftform wäre europarechtskonform, da Art. 13 Abs. 2 RL 10 diese Option eröffnet.44 Sie wurde vom deutschen Gesetzgeber jedoch nicht genutzt. In den Verfahren Bellone/Yokohama45 sowie in dem Verfahren Centrosteel Srl/Adipol GmbH46 führte der EuGH aus, nationales Recht dürfe keine weitergehenden Voraussetzungen an die Wirksamkeit des HV-Vertrages stellen als die so gestattete Schriftform.47 In diesen Verfahren stritten die Parteien um die Wirksamkeit eines HV-Vertrages nach italienischem Recht. Italienisches Recht sah neben dem schriftlichen Abschluss des Vertrages die Eintragung in ein Register vor, die fehlte.48 Der EuGH erkannte die HV-Verträge gleichwohl als wirksam an. Art. 13 Abs. 2 RL sehe nur die Möglichkeit vor, die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung eines HV-Vertrages zu normieren. Da der Gemeinschaftsgesetzgeber die Frage in Art. 13 RL abschließend geregelt habe, dürften die Mitgliedstaaten außer der schriftlichen Abfassung des Vertrages keine weiteren Bedingungen – hier die Eintragung – postulieren. Diese Rechtsprechung führte in Italien zur Änderung der entsprechenden Vorschriften,49 in Deutschland zur Einführung des § 84 Abs. 4. Was unter Schriftform i. S. d. Art. 13 RL zu verstehen ist, bestimmt die RL nicht.50 Der Rspr. lässt sich entnehmen, dass die Erklärungen in einem Schriftstück verkörpert,51 lesbar52 und eigenhändig unterschrieben sein müssen.53 Nach der Judikatur des EuGH ist ein HV-Vertrag zwingend schriftlich abzuschließen, wenn von der Ermächtigung in Art. 13 Abs. 2 RL Gebrauch gemacht worden ist.54 Nach Ansicht von Fock55 folgt aus Art. 13 Abs. 2 RL nicht, dass dort die zulässigen Wirksamkeitserfordernisse abschließend geregelt seien. Seine Auffassung stützt Fock darauf, dass es Einschränkungen der Gültigkeit eines Vertrages gebe, die nicht aus der Formgültigkeit des Vertragsabschlusses herrühren. Für jene sei Art. 13 Abs. 2 RL nicht einschlägig. Fock trennt also – im Gegensatz zu Laumann56 – die Registereintragung und den Abschluss des Vertretervertrages. Die RL steht jedoch einer nationalen Regelung nicht entgegen, die die Eintragung eines HV in ein Register fordert, sofern diese Eintragung keinen Einfluss auf die Gültigkeit des HVVertrag hat und aufgrund der Nichteintragung nicht in anderer Weise der Schutz verkürzt wird, den die RL dem HV in ihren Rechtsbeziehungen zum Unternehmer gewährt.57 44 Eberstein S. 67. 45 EuGH, Urt. v. 30.4.1998 – C-215/97, „Barbara Bellone/Yokohama SpA., Slg. 1998, I-2191, EWS 1998, 215, Rn 20 = EuZW 1998, 409 mit Anm. Fock ZEuP 2000, 106; bestätigt in EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-184/12, EWS 2013, 422 = RIW 2013, 874 = EWiR 2014, 11 (Mankowski) Rn 38 – Unamar. 46 EuGH, Urt. v. 13.7.2000- C-456/98, Centrosteel Srl/Adipol GmbH, Slg. 2000, I-6007, EWS 2000, 358 Rn 8. 47 S. a. Thume IHR 2018, 231 (235). 48 In Griechenland gibt es vergleichbare Registerpflichten, s. Heinicke ZVertriebsR 2013, 275 (280). 49 Laumann EWS 2005, 554 (558). 50 Laumann EWS 2005, 554 (557). 51 EuGH, Urt. v. 11.10.2001 – C-77/99, Kommision/Oder–Plan Architektur, NCC und espensen consulting, Slg. 2001, I – 7355. 52 Mankowski Formvorschriften und Europäisches Privatrecht, in: Schulze/Schulte – Nölke (Herausgeber), Europäisches Vertragsrecht in Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 202. 53 Laumann EWS 2005, 554 (557). 54 EuGH, Urt. v. 13.7.2000 – C-456/98, Centrosteel Srl/Adipol GmbH, Rd. 8; EuGH, Urt. v. 30.4.1998 – C-215/97, Barbara Bellone/Yokohama SpA, Rn 14. 55 EG-Handelsvertreterrichtlinie und gewerberechtliche Registrierungspflicht, Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes v. 30.4.1998, ZEuP 8 (2000), 106 (114). 56 EWS 2005, 554 (557). 57 EuGH, Urt. v. 6.3.2003 – C-485/01; Thume IHR 2018, 231 (235); Caprini RIW 2003, 540. 595

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E. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 85 I. Jeder Teil 11 Jede58 Partei des HV-Vertrages, HV wie Unternehmer oder ihre Rechtsnachfolger,59 etwa Erben,60 können die Fixierung des Vertragsinhaltes in einer vom anderen Teil unterzeichneten Urkunde fordern. Anspruchsvoraussetzung ist die Existenz eines wirksamen Vertrages i. S. d. §§ 84 ff.61 (dies ist vorrangig zu prüfen). Die Person des Anspruchstellers ist irrelevant, solange ein HV-Vertrag vorliegt. Insbesondere sind die Rechtspersönlichkeit oder das rechtstatsächliche Auftreten für Art und Umfang des Anspruchs irrelevant.62 Gem. § 84 Abs. 4 darf auch ein nicht kaufmännischer HV die Beurkundung verlangen, ohne die Eintragung in das Handelsregister betreiben müssen.63

II. Verlangen 12 Der Anspruch wird als verhaltener, ebenso wie etwa der nach § 87c Abs. 2, mit Zugang des empfangsbedürftigen Verlangens als Willenserklärung der einen Vertragspartei bei der anderen fällig und ist binnen einer angemessenen Frist nach Zugang, regelmäßig wie beim Buchauszug wohl innerhalb von 4 Wochen (abhängig von den Umständen des Einzelfalls, etwa ob Rückfragen und Hilfe der anderen Partei erforderlich sind), zu erfüllen (§ 362 BGB). Die verpflichtete Partei befindet sich nicht im Verzug, falls sie auf die erforderliche Mithilfe der anderen Partei angewiesen ist. Der Anspruch auf Beurkundung besteht unbefristet und auch nach Vertragsende, sofern ein Rechtsschutzbedürfnis an der Perpetuierung besteht (dazu Rn 17). Er darf jederzeit geltend gemacht werden. Das Verlangen kann bei Vertragsschluss und nach jeder noch nicht beurkundeten Vertragsänderung64 gestellt werden; eine zum Zeitpunkt der Änderung unterbliebene schriftliche Fixierung des Ursprungsvertrages kann verlangt werden, ist aber nicht Voraussetzung der Forderung nach Dokumentation des Nachtrages.

III. Aufnahme des Inhalt des Vertrages sowie späterer Vereinbarungen zu dem Vertrag in eine vom anderen Teil unterzeichnete Urkunde 13 Gerichtet ist der Anspruch auf Ausfertigung, Unterzeichnung und schließlich Aushändigung (sonst Verfehlung des Beweiszwecks)65 eines Vertragsstückes, welches alle zwischen den Parteien getroffenen Abreden vollständig, verständlich und zutreffend wiedergibt,66 auch unwesentliche Nebenbestimmungen67 und Anlagen, die Vertragsbestandteil wurden.68 Einseitige Wei-

58 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 2; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 2; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 5. Hopt § 85 Rn 6. Hopt § 85 Rn 6. Röhricht/Graf von Westphalen/Thume4 § 85 Rn 7. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 13; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 5. Laumann EWS 2005, 554 (558). Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 3; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 10. Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 1; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 6. BGH, Beschl. v. 21.2.2006 – VIII ZR 61/04, BB 2006, 905 = NJW-RR 2006, 755 = WM 2006, 1115 = VersR 2006, 835 = MDR 2006, 1056; Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 3; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 16. 67 Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 6a. 68 BGH, Beschl. v. 21.2.2006 – VIII ZR 61/04, BB 2006, 905 = NJW-RR 2006, 755 = WM 2006, 1115 = VersR 2006, 835 = MDR 2006, 1056; Flohr/Wauschkuhn/Billing2 § 85 Rn 7.

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sungen des Unternehmers69 sind in dem Dokument nicht zu nennen. Der Schuldner hat ein Wahlrecht, ob er eine eigene oder vom Fordernden vorgegebene Urkunde unterzeichnet,70 solange jene die Abreden zutreffend wiedergibt. Gab es eine Vertragsänderung, ist der Vertrag in seiner geänderten Fassung zu dokumentieren.71 Liegt eine schriftliche „Altfassung“ vor, ist der Anspruch insoweit teilerfüllt, so dass nur die geänderten Regelungen dokumentiert werden müssen,72 es sei denn, es besteht ein besonderes Interesse am Erhalt einer konsolidierten Fassung73 (etwa: fehlende Klarheit). Die Vertragsurkunde bedarf der Schriftform des § 126 BGB,74 wobei eine Unterzeichnung durch den Anspruchsgegner genügt.75 Der Anspruchsteller kann die vom Verpflichteten unterzeichnete Urkunde selbst unterzeichnen, ohne ihre Gültigkeit oder Beweiskraft zu gefährden; er muss es, wenn der Anspruchsgegner dies verlangt.76 Er darf ihren Inhalt auch gemäß § 151 BGB annehmen, wovon im Zweifel auszugehen ist. Dass § 85 lediglich die Unterzeichnung durch den Anspruchsgegner fordert, liegt daran, dass der in § 85 gemeinte Anspruch nur gegen den Vertragspartner gerichtet ist, d. h. ein Anspruch auf Unterzeichnung durch den Berechtigten sinnlos wäre. Insbesondere besteht ein Anspruch auf Dokumentation der nachfolgenden Abreden77: – Aufgaben des HV – Bezirk des HV – Provisionsanspruch – Vertragsdauer – Kündigungsmöglichkeiten – Wettbewerbsabreden – Datum und Ort des Wirksamwerdens des Originalvertrages sowie eventueller Nachträge. Was sich aus dispositivem Recht ergibt, braucht nicht noch einmal dokumentiert zu werden,78 14 weil sonst das gesamte dispositive Recht und wohl auch die dazu ergangene Rechtsprechung (samt Literatur und unterschiedlicher Ansichten?) zu dokumentieren wäre. Jedoch kann gefordert werden zu beurkunden, dass „im Übrigen“ dispositives Recht gilt.79

F. Wirkung der Beurkundung Die gemäß § 85 erstellte Urkunde hat keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Wirkung.80 15 Bei vorbehaltsloser Annahme begründet die Privaturkunde i. S. d. § 416 ZPO81 eine widerlegbare82 Vermutung, dass der Vertragsinhalt so, wie er in der Urkunde niedergelegt wurde, richtig, vollständig83 und dem beiderseitigen Parteiwillen entsprechend ist.84 Der Gegenbeweis ist zulässig, wenn nicht dem Verhalten der Parteien der unzweideutige Wille zu entnehmen ist, den Vertragsinhalt Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 91; Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 1. Hopt § 85 Rn 6. Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 101; Hopt § 85 Rn 6. Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 10. Hopt § 85 Rn 6. Hopt § 85 Rn 6. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 5. Hopt § 85 Rn 6. I. E. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 2; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 6a. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 3; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 5; aA wohl Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 8. 79 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 3. 80 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 8. 81 Hopt § 85 Rn 10. 82 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 7; Hopt § 85 Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 8. 83 OLG München VersR 1957, 97; LAG Bremen DB 1960, 1212; Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 7; Hopt § 85 Rn 10. 84 Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 126; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 8.

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verbindlich und gegebenenfalls in Abänderung oder Ergänzung früher getroffener Absprachen abschließend festzulegen,85 wobei hierfür ebenfalls der Begünstigte beweispflichtig ist. Anders gewendet: Abreden, die nicht in die Urkunde aufgenommen wurden, bleiben wirksam,86 wobei die widerlegliche Vermutung ihre Beweisbarkeit erschwert. Aus Gründen der Rechtssicherheit nimmt die h. M. eine konstitutive Wirkung an, falls der Vertragsinhalt in der Urkunde zwar falsch wiedergegeben, aber von dem anderen Vertragspartner akzeptiert wurde. Der bisherige Vertragsinhalt soll durch die „falsa demonstratio“ abgeändert werden, die neu gefertigte Urkunde den bisherigen Vertragsinhalt ändern bzw. ergänzen.87 Eine solche Vertragsänderung darf jedoch nur durch eine konsensuale, ggf. konkludente Vertragsänderung zustande kommen,88 die nicht allein in dem Schweigen einer Partei auf die unzutreffende Dokumentation liegt. Richtig wäre die h. A. nur, wenn die Neuausstellung den Willen zur Vertragsänderung beinhaltet.89 Davon ist jedoch allein auszugehen, sofern den Parteien die Abänderung bewusst ist und sie jene wollen, was i. d. R. ein eindeutiges Angebot und eine ebenso unzweideutige Annahme der Vertragsänderung voraussetzt.90 Auch mag durch längere Akzeptanz und Durchführung des „neuen“ Vertragstextes eine Vertragsänderung eintreten. Auf Grund der Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien steht der Vertragstext zwischen den Parteien auch nach einem rechtskräftigen Urteil auf eine Klage nach § 85 fest. Denn inter partes erwächst der neue Vertragsinhalt dann in Rechtskraft. Der nicht unterzeichnete Entwurf hat diese Wirkungen nicht.91 Er kann aber ein Indiz für das Gewollte bilden. Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben über den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen gewinnt, falls es die getroffenen Abreden nicht zutreffend wiedergibt, wenn von einer Partei mit Kaufmannseigenschaft herrührend, bei unterbliebenem Widerspruch des anderen Teils und über § 85 hinausgehend konstitutive Kraft, insofern der Vertrag nunmehr als mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens abgeschlossen gilt (§ 346).

G. Erfüllung 16 Der Anspruch auf Beurkundung erlischt durch Erfüllung (§ 362 BGB),92 falls sämtliche getroffenen Abmachungen in einem Schriftstück, auch einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben,93 niedergelegt sind, dieses zumindest von dem Verpflichteten unterzeichnet und dem Anspruchsteller ausgehändigt wurde,94 ebenso, wenn bereits bei Vertragsschluss ein ausgefertigter schriftlicher Vertrag existiert95 (Vorauserfüllung vor Verlangen).

H. Fortbestehen des Anspruchs 17 Eine Meinungsgruppe vertritt, der Anspruch bestehe nur, solange ein wirksamer HV-Vertrag existiert.96 Nur bis zum letzten Tag des Vertrages, also auch während laufender Kündigungs85 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 7. 86 Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 7. 87 Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 126; Westphal I, Rn 182; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 8; Röhricht/Graf von Westphalen/Thume4 § 85 Rn 7. 88 Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 7, 9. 89 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 7. 90 Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 9. 91 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 7. 92 Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 8. 93 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 4; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 6. 94 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 4; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 17. 95 Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 11. 96 Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 127; Westphal I, Rn 183; Röhricht/Graf von Westphalen/Thume4 § 85 Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 10. Emde

598

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 85

frist, dürfe der Anspruch geltend gemacht werden, und zwar ohne Rücksicht auf die bereits zurückgelegte Vertragsdauer.97 Eine andere Meinungsgruppe ist der Ansicht, der Beurkundungsanspruch bestehe nach Vertragsbeendigung bis zur vollständigen Abwicklung des Vertrages fort, weil auch in diesem Fall ein Interesse an der Fixierung des Vertragsinhaltes bestehen kann;98 er wird dann auch durch eine Kündigung nach § 89a nicht berührt.99 Gedacht wird insbesondere an nachvertragliche Wettbewerbsabreden, Provisions- oder Ausgleichsansprüche,100 bei Vertragshändlern etwa auch Rückkaufansprüche betreffend die Vertragsware. Dieser zweiten Meinungsgruppe ist zuzustimmen. Sie steht am ehesten mit dem Rechtsgedanken des § 195 BGB im Einklang. Wäre man a. A. könnte etwa der durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gebundene HV den Umfang seiner Verpflichtung nicht bestimmen, weil sie sich nur auf die nach dem Vertrag vertriebenen Produkte erstrecken darf (§ 90a). Das nachvertragliche Beurkundungsrecht besteht gerade, wenn aus einer nachvertraglichen Unsicherheit das Interesse an einer Beurkundung folgt. Die Beurkundung kann regelmäßig auch dann gefordert werden, sofern nur noch einzelne Ansprüche aus dem HV-Vertrag im Streite stehen, weil Beweissicherheit auch für zukünftige Streitigkeiten bezweckt ist oder der Vertreter, etwa als Vorlage für andere Verträge, eine schriftliche Dokumentation wünscht. Der Beurkundungsanspruch darf geltend gemacht werden, solange ein Rechtsschutzbedürfnis an der Dokumentation besteht,101 nicht länger. Das Rechtsschutzbedürfnis kann fehlen, falls die Beurkundung aus sachfremden Motiven gefordert wird: Wie beim Informationsanspruch aus § 87c sind derartige Motive denkbar, wenn mit dem Anspruch Druck auf den Anspruchsgegner ausgeübt werden soll, z. B. zur Durchsetzung anderer Forderungen. Zur Verwirkung Rn 19.

I. Erfüllungsort Da die h. M. einen Einheitserfüllungsort am Sitz des HV ablehnt (Vor § 84 Rn 430 ff.), liegt der 18 Erfüllungsort des Dokumentationsanspruchs nach h. M. am Sitz des Unternehmers. Dort befindet sich nach dieser Ansicht auch der Gerichtsstand des § 29 ZPO. Im Anwendungsbereich der EuGVVO darf sich der Vertreter auf dessen Art. 5 lit. a berufen (Wahlgerichtsstand am Vertriebsort). Wenn Korrespondenz in der Vergangenheit an den Empfänger versandt wurde (also wohl immer), wird man der Treupflicht eine Pflicht zur Übermittlung an den HV entnehmen dürfen.

J. Verjährung und Verwirkung Der Beurkundungsanspruch verjährt gemäß § 195 BGB innerhalb von 3 Jahren nach dem Jahr 19 des Vertragsendes (Kenntnis vorausgesetzt),102 nicht dagegen seit Anspruchstellung,103 weil sich der Anspruch während der Vertragslaufzeit ständig erneuert.104 Nicht hingegen verjährt der Anspruch erst drei Jahre nach Vollbeendigung aller vertraglichen Ansprüche (z. B. eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots)105 (Problem: mangelnde Klarheit des Datums). Der Anspruch

97 Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 127; Westphal I, Rn 183. 98 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 4; Hopt § 85 Rn 6, 9; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 10; MünchKommHGB /v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 18. 99 Hopt § 85 Rn 9. 100 Hopt § 85 Rn 6; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 18. 101 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 4. 102 Hopt § 85 Rn 7. 103 So aber MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 21. 104 Röhricht/Graf von Westphalen/Thume4 § 85 Rn 8. 105 So aber Hopt § 85 Rn 7. 599

Emde

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1. Buch. Handelsstand

ist zwar unabdingbar, aber im Einzelfall verwirkbar.106 Während der Vertragslaufzeit ist eine Verwirkung des letztlich selbst aus § 242 BGB hergeleiteten Beurkundungsanspruchs kaum vorstellbar.107

K. Kosten 20 Die Kosten der Beurkundung sind in Ermangelung einer gegenteiligen, zuvor getroffenen Regelung (Beweislast bei dem, der sie behauptet) von den Vertragspartnern nach Köpfen zu tragen.108 Eine Gegenansicht, nach welcher die Kosten von dem Unternehmer als Verpflichtetem zu tragen sind, wäre vertretbar.

L. Nicht- und Schlechterfüllung 21 Weigert sich ein Vertragspartner, den Anspruch zu erfüllen, macht er sich aus § 280 BGB schadenersatzpflichtig.109 Zudem wird die Weigerung – nach Abmahnung – regelmäßig einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gem. § 89a darstellen.110 Der Unternehmer gibt dem HV spätestens begründeten Anlass zur ausgleichserhaltenden Kündigung, wenn er dem Anspruch aus § 85 trotz mehrfacher Aufforderung nicht nachkommt.111 Einem solchen Kündigungsrecht kann allerdings entgegenstehen, dass der HV bereits mehrere Jahre für den Unternehmer tätig war, ohne in dem Fehlen einer Vertragsurkunde einen Anlass zur Kündigung gesehen zu haben.112

M. Abtretung und Zurückbehaltungsrecht 22 Der Anspruch ist als bloßes Hilfsrecht nicht eigenständig abtretbar und pfändbar.113 An der Urkunde darf der Verpflichtete kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen.114

N. Prozessuale Durchsetzung 23 Der Anspruch auf Dokumentation ist einklagbar,115 bei Dringlichkeit und schweren Nachteilen wohl ausnahmsweise auch nach §§ 935, 940 ZPO durchsetzbar. Geklagt wird auf Abgabe

106 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 1; aA (keine Verwirkung während der Vertragslaufzeit) MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 20: die vertragsbegleitende Verwirkung ist aber nur in Ausnahmefällen vorstellbar. 107 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 1; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 20 lehnt vertragsbegleitende Verwirkung wegen der zwingenden Natur gänzlich ab. 108 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 3. 109 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 25; Hopt § 85 Rn 10; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 13. 110 BGH, Beschl. v. 21.2.2006 – VIII ZR 61/04, BB 2006, 905 = NJW-RR 2006, 755 = WM 2006, 1115 = VersR 2006, 835 = MDR 2006, 1056; OLG München VersR 1957, 97; Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 4; Hopt § 85 Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 25; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 13. 111 BGH, Beschl. v. 21.2.2006 – VIII ZR 61/04, BB 2006, 905 = NJW-RR 2006, 755 = WM 2006, 1115 = VersR 2006, 835 = MDR 2006, 1056. 112 BGH, Beschl. v. 21.2.2006 – VIII ZR 61/04, BB 2006, 905 = NJW-RR 2006, 755 = WM 2006, 1115 = VersR 2006, 835 = MDR 2006, 1056. 113 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 6. 114 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 6. 115 Kindler/Menges DB 2010, 1109 (1111). Emde

600

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 85

einer Willenserklärung, nicht pauschal auf „Ausstellung, Unterzeichnung und Aushändigung einer den Vertragsinhalt richtig wiedergebenden Urkunde“.116 Die Klage ist auch nach Vertragsende zulässig (s. o.); der Anspruch wird insb. durch eine Kündigung nach § 89a nicht berührt.117 Der Klagantrag muss den vollständigen Inhalt des Vertrages, präziser: die vom Anspruchsgegner abzugebende Willenserklärung, bezeichnen,118 ggf. mit den vereinbarten Verweisungen auf dispositives Recht.119 Zulässig ist auch Klage auf Feststellung, dass der Vertrag den im Klageantrag genannten Inhalt hat; das Feststellungsinteresse folgt aus § 85.120 Die Leistungsklage ist schon deshalb nicht vorrangig, weil sie nach einer bedeutenden Meinungsgruppe (s. u., Rn 24) umständlicher, nämlich nach § 888 ZPO, zu vollstrecken ist, während die Feststellungswirkung ohne Vollstreckung eintritt. Der Feststellungsantrag erwächst zudem unzweifelhaft in Rechtskraft, während die nach § 85 erteilte Urkunde lediglich eine widerlegliche Vermutung ihrer Richtigkeit begründet.121 Notfalls mag ein Hauptantrag auf Feststellung und ein Hilfsantrag auf Leistung gestellt werden. Jeder Vertragspartner, der den Anspruch nicht im Vorwege anerkannt hat, muss verklagt werden, mehrere Streitgenossen sind notwendige i. S. d. § 62 ZPO. Die Beweislast für Bestehen und Inhalt des Vertrages trifft den Kläger.122 Soweit Abreden nicht nachgewiesen wurden, ist die Klage abzuweisen123 und es tritt an ihre Stelle dispositives Recht, notfalls ergänzende Vertragsauslegung124 (sie wird durch die Dokumentation nach § 85 ebenso wenig ausgeschlossen wie bei Unterzeichnung eines Vertrages durch beide Parteien).

O. Zwangsvollstreckung Die Zwangsvollstreckung erfolgt gem. § 894 ZPO, das rechtskräftige Urteil ersetzt die Beurkun- 24 dung.125 Eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO ist überflüssig.126 Sie wäre nicht nur umständlich, sondern ginge auch am Rechtsschutzziel vorbei. Es geht dem Klagenden nicht darum, eine Urkunde zu erhalten, die notwendigerweise von dem Beklagten stammt, sondern vielmehr um Rechtssicherheit, die er auch durch ein Urteil erhält. Es ist dem Kläger nicht zuzumuten, bei dem möglicherweise vollstreckungsunempfindlichen Beklagten so lange durch Zwangsgeld oder Zwangshaft die Durchsetzung des Beurkundungsanspruches zu versuchen, bis sich dieser bequemt, die Erklärung abzugeben. Geht es nur um Herausgabe der Urkunde, soll auch gem. 883 ZPO vollstreckt werden können.127

AA Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 130; Röhricht/Graf von Westphalen/Thume4 § 85 Rn 9. Hopt § 85 Rn 9. Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 8. Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 8. BGH, Urt. v. 4.11.1998, ZIP 1998, 2152 = BB 1999, 71 m. Anm. Escher; Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 7; ablehnend Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 13. 121 Vgl. Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 13. 122 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 23; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 12. 123 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 23. 124 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 8. 125 MünchKommHGB /v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 24; Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 131; Röhricht/Graf von Westphalen/Thume4 § 85 Rn 9; aA (Vollstreckung nach § 888 ZPO) Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 8; Hopt § 85 Rn 9; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 12. 126 Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 12; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 85 Rn 8; aA Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 8; Hopt § 85 Rn 9. 127 Hopt § 85 Rn 9.

116 117 118 119 120

601

Emde

§ 85

1. Buch. Handelsstand

P. Zwingende Natur 25 Die Durchsetzung des Anspruchs darf nicht erschwert werden; der Anspruch ist unverzichtbar (§ 85 S. 2).128 Dies beruht auf europarechtlicher Präformation. Der Beurkundungsanspruch darf nach § 92c ausgeschlossen werden. Siehe auch Rn 19.

Q. Analoge Anwendung 26 § 85 ist im Recht handelsvertreterähnlicher Vertriebsmittler analog anwendbar, etwa auf Vertragshändler,129 Kommissionsagenten oder Franchisenehmer.130

128 Ebenroth/Löwisch3 § 85 Rn 1; Hopt § 85 Rn 8; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 19; Röhricht/Graf von Westphalen/Thume4 § 85 Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 85 Rn 11. 129 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 85 Rn 1. 130 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 1. Emde

602

§ 86 [Pflichten des Handelsvertreters] (1) Der Handelsvertreter hat sich um die Vermittlung oder den Abschluß von Geschäften zu bemühen; er hat hierbei das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen. (2) Er hat dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluß unverzüglich Mitteilung zu machen. (3) Er hat seine Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen. (4) Von den Absätzen 1 und 2 abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.

Schrifttum Birkhahn Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter auch ohne vertragliche Grundlage, BB 1961, 1351 und BB 1962, 1106; v. Brunn Unzulässige Verhandlungen über die Nachfolge eines Handelsvertreters vor Kündigung seines Vertrags, DB 1964, 1841; ders. Das Wettbewerbsverbot im Handelsvertreterrecht beim Fehlen einer Vereinbarung, AcP 163 (1964), 487; Hohn Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer und Handelsvertreter, DB 1963, 1500 und 1538, 1967, 1852 und 1895; ders. Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern, DB 1971, 94; Hopt Wettbewerbsfreiheit und Treuepflicht des Unternehmers bei parallelen Vertriebsformen, ZIP 1996, 1533; Keller Konsignationslager – Probleme aufgrund von Vereinfachungsregelungen in einzelnen EU-Mitgliedstaaten, UR 2000, 61; Kieninger Informations-, Aufklärungs- und Beratungspflichten beim Abschluss von Versicherungsverträgen, AcP 199 (1999), 190; Kreis Ausschließlichkeitsbindung in Tankstellenverträgen, BB 1967, 942; Leo Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter auch ohne vertragliche Vereinbarung, BB 1962, 1106; ders. Das Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters im Lichte des § 18 GWB, WRP 1969, 85; Maier Das gesetzliche Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter, BB 1979, 500; Möschel Absatzmittler und vertikale Preisbindung, BB 1985, 1477; Oehler „Umgekehrte“ Preisbindung zwischen Unternehmer und Handelsvertreter in Agenturvertriebssystemen, BB 1987, 765; Ordemann Die Berichtspflicht im Handelsvertreters, DB 1963, 1565; Rasch Ausschließlichkeitsbindung im Handelsvertreterrecht, WuW 1958, 208; Riesenkampff Die Ausschließlichkeitsbindung des Tankstellenhalters für Treib- und Schmierstoffe, BB 1968, 732; ders. Die „derivativen“ Wettbewerbsverbote und Wettbewerbsbeschränkungen unter besonderer Berücksichtigung des Kommissions- und Agenturvertrags, BB 1984, 2026; Rittner Die Wettbewerbsverbote des Handelsvertreters und § 18 GWB, ZHR 135 (1972), 289; ders. Das Wettbewerbsverbot im Handelsvertreterverhältnis, FS Reinhardt, 1972, S. 301; ders. Handelsvertreterverhältnis und Preisbindungsverbot, DB 1985, 2543; Rumpf Wirtschaftsrechtliche Vertrauensgeschäfte, AcP 119 (1921), 1; Schmidt/Thiele Die Ausschließlichkeitsbindung des Tankstellenhalters für Treib- und Schmierstoffe, BB 1968, 886; Schriefers Lagerrücknahme bei Vertragsbeendigung des Händlervertrags, BB 1992, 2158; Seifert Vermittlung von Versicherungen durch angestellte und selbständige Vertreter, NZA Sonderheft 1999, 6; Thume Die Musterkollektion des Handelsvertreters, BB 1995, 1913.

Übersicht 1

I.

A.

Übersicht

B.

Entstehungsgeschichte und Europa8 recht

C.

Unterteilung der Vertreterpflichten

D.

Verpflichteter

E.

Berechtigter

F.

Dauer der Pflichten

G.

Die einzelnen in § 86 geregelten Pflich14 ten

11 12 13

603 https://doi.org/10.1515/9783110558401-004

9

1. 2. 3. 4.

Absatz 1: Hauptpflicht: Vermittlungs- oder Ab14 schlusspflicht 19 Räumliche Begrenzung der HV-Tätigkeit 20 Bezirksvertreter 21 Gegenständliche Begrenzung 27 Inhalt der Hauptpflichten 28 a) Vermittlungspflicht 31 b) Abschlusspflicht 32 c) Vertragliche Vereinbarungen 34 d) Gesetzliche Regelung 34 aa) Umfang der Vollmacht bb) Vollmacht des Versicherungsvertre41 ters 42 cc) Vollmachtsmissbrauch 43 dd) Beweislast 44 e) Gerichtliche Durchsetzung

Emde

§ 86

II. 1. 2.

1. Buch. Handelsstand

Nebenpflichten 45 45 Herausgabepflicht 51 Interessenwahrnehmungspflicht 52 a) Persönlicher Anwendungsbereich 53 aa) Ein- und Mehrfirmenvertreter bb) Interessenwahrungspflicht zwischen 54 Haupt- und Untervertreter b) Zeitlicher Anwendungsbereich und vorver55 tragliche Treupflichten 57 aa) Vorvertragliche Treupflichten bb) Nachvertragliche Treupflich58 ten c) Inhalt der Interessenwahrungs60 pflicht d) Untergruppen der Interessenwahrungs63 pflicht 64 aa) Aufbewahrungspflicht 67 bb) Bonitätsprüfungspflicht 72 cc) Förder- und Loyalitätspflicht 74 dd) Informationspflicht 75 ee) Marktbeobachtungspflicht 76 ff) Organisationspflicht 77 gg) Prüfungspflicht 79 hh) Verbot der Nachteilszufügung ii) Verbot der Nutzung von Geschäfts81 chancen des Unternehmers jj) Wettbewerbs- oder Konkurrenzver82 bot (1) Wettbewerb im Allgemei82 nen (2) Europarechtliche Präforma85 tion (3) Genese des Wettbewerbsver86 bots 90 (4) Anspruchsinhaber 91 (5) Verpflichteter (a) Wettbewerbsverbot des 91 HV (b) HV-ähnliche Vertriebsmitt92 ler (aa) Wettbewerbsverbot des Vertragshänd93 lers (bb) Wettbewerbsverbot des Franchiseneh94 mers (6) Umfang des Wettbewerbsver95 bots 101 (a) Wettbewerbslage (b) Sachlicher Geltungsbe104 reich (c) Räumlicher Geltungsbe110 reich (d) Zeitlicher Geltungsbereich des Wettbewerbsver114 bots

Emde

(7)

Rechtsnatur der Wettbewerbs117 handlung (8) Nachträgliches Entstehen einer 118 Wettbewerbssituation (a) Allgemeines. Konkurrenzsi118 tuationen (b) Konzernfälle, Spaltung, Entflechtung und Ver124 schmelzung (9) Vertragliche Regelung des Wett126 bewerbsverbots (a) Gestattung der Wettbe127 werbstätigkeit (b) Vertragliches Wettbewerbs131 verbot (10) Grenzen des Wettbewerbsverbots nach deutschem oder EU134 Kartellrecht 135 (11) Umgehungstatbestände 140 (12) Beweislast (13) Folgen unberechtigter Konkur141 renz/Rechtsschutz kk) Treu- und Förderungspflichten innerhalb eines Vertriebssystems (Netz147 werkrecht) III. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

Nachrichtspflicht des Handelsvertreters (§ 86 148 Abs. 2) 148 Allgemeines Abgrenzung von der allgemeinen Informations149 pflicht 150 Abgrenzung von der Berichtspflicht Abgrenzung von der Auskunftspflicht nach 151 § 242 BGB 152 Inhalt der Nachrichten 157 Verpflichteter 158 Dauer der Nachrichtspflicht 159 Zeitpunkt der Nachrichten 160 Form der Nachrichten 161 Weisungen zu den Nachrichten Vertragliche Vereinbarungen zur Nachrichts162 pflicht 163 Untergruppen der Nachrichtspflicht a) Verpflichtung zur Mitteilung über Vermitt164 lung und Abschluss b) Allgemeine Informations- oder Offenba165 rungspflicht 166 aa) Geltungszeitraum 167 bb) Zeitpunkt der Information 168 cc) Umfang 171 c) Berichtspflicht 173 aa) Zweck 174 bb) Verpflichteter 175 cc) Berichtsturnus 177 dd) Inhalt 180 ee) Form der Berichte

604

§ 86

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

ff)

Vertragliche Vereinbarungen zu den 181 Berichten (1) Zur Häufigkeit der Be181 richte 182 (2) Zum Inhalt der Berichte 183 (3) AGB 184 (4) Details 186 gg) Weisungen zu den Berichten hh) Folgen fehlerhafter Berichterstat190 tung IV.

Sorgfaltspflicht des Handelsvertreters (§ 86 191 Abs. 3)

H.

Persönliche Dienstleistung

I.

Rechenschaftspflicht (§ 666 BGB)

J.

Weisungsfolgepflicht

I.

Umfang der Weisungsgebundenheit

II.

Billiges Ermessen und Rücksichtnahmege200 bot

III.

Zwingende Natur des Weisungsrechts

IV.

Folgen zulässiger Weisungen

V.

Folgen unzulässiger Weisungen

VI.

Vertraglich vereinbartes Weisungsrecht

Beweislast

M.

Zwingende Natur des § 86

I.

Allgemeines

II.

Vertragliche Erweiterung der Pflichten

N.

Folge der Verletzung der Pflichten des Mitt222 lers

I.

Haftung des Mittlers

II.

Haftung des Mittlers gegenüber dem Kun226 den

III.

Haftung des HV nach dem Produkthaftungsge229 setz

IV.

Haftung des Vertragshändlers nach dem Pro230 dukthaftungsgesetz

V.

Haftung des Mittlers gegenüber Dritten

VI.

Haftung des Mittlers gegenüber dem Unterneh233 mer Haftung des Mittlers gem. §§ 280 Abs. 1, 282, 241 Abs. 2, 242, 311 Abs. 2 BGB (culpa in contra234 hendo) Haftung des Mittlers gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB wegen Schlechterfüllung vertragsbegleiten235 der Pflichten Haftung des Mittlers gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen Schlechterfüllung nachvertraglicher Pflich237 ten

194 195

197

203

204 205

2. 206 3.

207

VIII. Rechtsfolgen bei Nichtbefolgung von Weisun208 gen K.

212

212 217

225

197

1.

VII. Fehlende Weisungen

210

L.

VII. Haftung von Dritten

232

238

Verschwiegenheitspflicht während der Ver209 tragsdauer und nach Vertragsende

A. Übersicht Der HV-Vertrag und die ihm nahen Vermittlerverträge bilden ein klassisches Dauerschuldver- 1 hältnis mit Geschäftsbesorgungscharakter,1 bei dem sich als Hauptpflichten auf Seiten des HV die Vermittlungs- oder Abschlusspflicht, auf Seiten des Unternehmers einerseits die Zahlung der Vergütung (Provision, Festvergütung) und andererseits die Ausgleichsvergütung nach § 89b gegenüberstehen. Die Hauptpflichten sind eingebettet in gegenseitige Treu- und Interessenwahrungspflichten,2 die sich verstärken, wenn eine Partei der anderen Ausschließlichkeit verspricht. Meist ist es der HV, welcher Ausschließlichkeit verspricht.

1 Hopt § 86 Rn 1; für partiarischen Einschlag Canaris § 17 Rn 54. 2 Küstner/Thume/Schröder I Kap. II Rn 1. 605

Emde

§ 86

2

3

4

5

6

1. Buch. Handelsstand

Der HV schuldet Haupt- und Nebenpflichten. § 86 handelt von den Pflichten des HV, § 86a von denen des Unternehmers. § 86 ist wenig gelungen. Die Bestimmung macht nicht einmal den Versuch einer erschöpfenden Behandlung ihres Gegenstandes3 (so wenig das im Letzten vielleicht möglich wäre). Die Pflicht, den Weisungen des Unternehmers Folge zu leisten, lässt sie unerwähnt; man muss sie aus § 665 BGB, der noch dazu auch sie nur mittelbar ausspricht, interpolieren. Die Pflicht zur Tätigkeit, zum Bemühen um die Vermittlung und den Abschluss von Geschäften, würde sich bereits aus § 84 ergeben, wird dort aber nur für die Statusfrage geregelt. Dass der HV „hierbei“ das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen hat, ist wiederum unvollständig formuliert. Denn die Interessenwahrungspflicht geht über die konkreten Bemühungen um das Hereinholen von Aufträgen hinaus. Sie erweitert sich zu der Pflicht, sich beruflich dem Unternehmer gegenüber in allem loyal zu verhalten. Auch die Berichtspflicht des Abs. 2 wiederholt bis in den Wortlaut hinein diejenige des § 666 BGB über die zu gebenden „erforderlichen“ Nachrichten; allenfalls eine Teilkonkretisierung ergibt sich aus Abs. 2 Hs 2. Die in § 86 beschriebenen Pflichten ziehen einen Kreis von den im HGB gegebenen Pflichten zum Tätigwerden mit dem Ziel des Hereinholens von Abschlüssen, zur Beobachtung des Marktes, zur Berichterstattung über diejenigen ergänzenden bürgerlichen Rechts – Befolgung von Weisungen, Rechenschaft, Herausgabe – bis zu der allgemeinen Loyalitätspflicht, die wieder auf die besondere, dem HV durch § 84 zugewiesene Stellung zurückführt und welche in einzelnen Ausformungen – Verschwiegenheit, Unterlassen von Wettbewerb – sichtbar wird. § 86 regelt beides und bestimmt die Pflichten des HV, die „gesetzestypisch“, also ohne weitergehendes vertragliches Versprechen, des HV bestehen. Die Norm bildet damit ein „gesetzliches Vertragskorsett“, geht also über eine „Klarstellung“4 hinaus. Jedoch ist sie ausfüllungsbedürftig und nicht abschließend,5 insbesondere bei der Benennung der recht selektiv erwähnten Nebenpflichten.6 Die Parteien dürfen also über das in § 86 Geregelte hinaus weitere Haupt- und Nebenpflichten vereinbaren, um ihren Vertrag an die individuellen Verhältnisse anzupassen.7 Der bedeutendste Abschnitt des § 86 ist sein Abs. 1, der wie Abs. 3 mit der HV-Novelle 1953 Teil der Norm wurde.8 § 86 Abs. 1 Hs. 1 regelt die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Hauptpflicht, die Bemühenspflicht um Vermittlung oder Abschluss von Geschäften, § 86 Abs. 1 Hs. 2 die wichtigste Nebenpflicht, die über die allgemeine Treupflicht hinausgehende Interessenwahrungspflicht des HV, welche als schwächere, einfache Treupflicht auch in umgekehrter Richtung fließt. Gerade in Krisenzeiten müssen beide Parteien wechselseitig Rücksicht nehmen.9 Das in § 86 Abs. 2 Geregelte ist hingegen untergeordneter Natur und Ausfluss bzw. Konkretisierung des in Abs. 1 Bestimmten. Gemäß § 86 Abs. 2 hat der HV dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihn von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen. Hierbei handelt es sich um eine gesetzlich vorgegebene Nebenpflicht. Sie folgt schon aus den §§ 665 S. 2 und 666 BGB, wurde jedoch wegen ihrer Bedeutung noch einmal in § 86 hervorgehoben.10 § 86 Abs. 3 determiniert den allgemein geltenden Pflichtenmaßstab: Der HV hat während der gesamten Vertragsausführung, jedoch nur bei dieser, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu handeln. Die Norm hat nun, nachdem HV nicht notwendigerweise Kaufleute sein müssen (vgl. §§ 1 ff., 84 Abs. 4), gegenüber § 347 eigenständige Bedeutung und gibt nicht ledig3 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 1; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 3; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 1. 4 So aber Röhricht/Graf v. Westphalen/Küstner2 § 86 Rn 2. 5 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 1; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 3; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 1. 6 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 1. 7 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 1; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 4a. 8 Siehe Begr. zum RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 18; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 1. 9 Emde ZVertriebsR 2020, 138 (140) zur Corona-Pandemie. 10 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 1. Emde

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lich eine unter Kaufleuten ohnehin geltende Selbstverständlichkeit wieder.11 Denn der Sorgfaltsmaßstab des § 86 Abs. 3 gilt auch, sollte der HV kein Kaufmann ist (siehe § 84 Abs. 4). 7 Gem. § 86 Abs. 4 sind die Abs. 1 und 2 zwingend.

B. Entstehungsgeschichte und Europarecht In der bis 1953 geltenden Fassung des HGB war das heute in § 86 Geregelte im Wesentlichen in 8 § 84 enthalten. Die Abs. 1–3 wurden erst durch die Novelle 1953 eingefügt. Hierdurch sollte das Bemühen um Geschäftsvermittlung und -abschluss als wesentliche Hauptpflicht des HV normiert werden.12 Sie war zuvor aus dem dienstvertraglichen Charakter der Tätigkeit abgeleitet worden. Zudem war bezweckt klarzustellen, dass der HV der Interessenswahrer des Unternehmers und nicht neutraler Makler zwischen jenem und der Kundschaft ist.13 § 86 wurde durch das Durchführungsgesetz zur RL 1986 vom 23.10.1989 ergänzt. Von der ursprünglich geplanten Umsetzung der Art. 3 und 5 RL in Form der Streichung des Abs. 3 und Ergänzung des Abs. 1 um die zwingende Verpflichtung, angemessenen Weisungen des Unternehmers Folge zu leisten (Art. 3 Abs. 2 lit. c RL),14 wurde abgesehen, wohl weil der Gesetzgeber bemüht war, den alten Text des § 86 Abs. 1–3 so weit als möglich beizubehalten.15 Richtigerweise liegt zumindest in dem fehlenden Hinweis auf den zwingenden Charakter des Weisungsrechts eine mangelnde Umsetzung der RL.16 Das Verbot abweichender Parteivereinbarungen in § 86 Abs. 4, der Art. 5 RL umsetzen soll, erstreckt sich nur auf § 86 Abs. 1 und 2, nicht hingegen auf die von der RL vorgeschriebene Weisungsfolgepflicht. Das wird ebenfalls als Umsetzungsmangel empfunden. Eine RL-konforme Auslegung ist angezeigt.17 Die Umsetzung hätte auch die Selbstständigkeit des HV nicht berührt.18 Die Rspr., nach der das Weisungsrecht aus der Interessenwahrungspflicht und § 665 BGB folgt, kann die Normierung schon wegen des Fehlens ihres zwingenden Charakters nicht ersetzen.19 Weitgehend ähnlich der RL wurde im HGB die Interessenwahrnehmungspflicht formuliert. Der Begriff findet sowohl in der RL wie in § 86 Verwendung, § 86 Abs. 1 Hs. 2; Art. 3 Abs. 1 Hs. 1 RL. Die RL verpflichtet den HV auf Treu und Glauben (Art. 3 Abs. 1 Hs. 2), ebenso wie gem. Art. 4 Abs. 1 den Unternehmer. Eine ausdrückliche Umsetzung unterblieb wegen § 242 BGB.20 Dies soll europarechtskonform sein,21 weil es keine Rolle spiele, ob der Inhalt der RL im HGB oder BGB geregelt sei, solange § 242 BGB existiere. Problematisch ist jedoch auch hier, dass § 242 BGB entgegen Art. 5 RL nicht ausdrücklich als zwingende Norm bezeichnet wurde. Gem. Art. 3 Abs. 1 RL hat der HV „bei der Ausübung seiner Tätigkeit“ die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen. Nach § 86 Abs. 1 ist die Interessenwahrungspflicht lediglich bei der Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit zu beachten. Es erhebt sich die Frage, ob ein Umsetzungsfehler vorliegt. Denn gem. Art. 1 Abs. 2 RL ist HV i. S. d. RL, wer damit betraut ist, Verkäufe oder Ankäufe zu vermitteln oder Geschäfte im Namen und für Rechnung des Unternehmers AA wohl Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 1. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 1. Begründung zum RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 18 f.; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 1. Noch vorgesehen vom RegE, BT-Drucks. 11/3077. Ebenroth/Hakenberg2 § 86 Rn 56. Westphal FS Meyer-Marsilius, 1993, S. 12; Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 92; Ankele DB 1987, 569 (570); Ebenroth/Hakenberg2 § 86 Rn 59, 60; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 4; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 2; aA Canaris § 17 Rn 21; Ankele DB 1989, 2211. 17 Ebenroth/Hakenberg2 § 86 Rn 56; aA Canaris § 17 Rn 21. 18 AA Kindler RIW 1990, 358 (359). 19 EuGH, Urt. v. 19.9.1996 – C-236/95, „Kommission/Griechenland“, EuGHE 1996 I, 4459; Ebenroth/Hakenberg2 § 86 Rn 59. 20 BT-Drucks. 11/3077, S. 7; vgl. auch Canaris § 17 Rn 21. 21 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 94; Ebenroth/Hakenberg2 § 86 Rn 57.

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abzuschließen. Es könnte vertreten werden, dass Art. 3 Abs. 1 RL auf diese Definition Bezug nimmt, so dass § 86 Abs. 1 nicht abweicht. Allerdings definiert Art. 1 Abs. 2 RL nicht den Begriff der „Tätigkeit“. Die in Art. 3 Abs. 1 RL angesprochene Tätigkeit geht mglw. über das in Art. 1 Abs. 2 RL Geregelte hinaus. Es könnte mithin vertreten werden, nach deutschem Recht sei die Interessenwahrungspflicht nur auf die Vermittlung und den Abschluss und nicht auf die gesamte Tätigkeit des HV bezogen.22 Im Ergebnis spricht einiges für einen Umsetzungsfehler. Auch wenn der HV während seiner ganzen Tätigkeit der Interessenwahrungspflicht verhaftet bleibt, ist jedoch nicht das gesamte HV-Recht als Umsetzung der RL und der Interessenwahrungspflicht anzusehen.23 Die in § 86 Abs. 3 vorgesehene Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wird in der RL nicht genannt. Dem stehen keine Bedenken entgegen,24 weil sich aus der Verpflichtung zur Interessenwahrnehmung und zu Treu und Glauben die Verpflichtung zu diesem Sorgfaltsmaßstab ergeben dürfte. Nach Art. 3 Abs. 2 lit. a RL hat sich der HV in „angemessener“ Weise für die Vermittlung und/oder den Abschluss einzusetzen. Die Beschränkung auf „angemessene“ Tätigkeiten enthalten die §§ 84, 86 nicht. Dies ist wohl noch hinzunehmen, weil auch nach deutschem Recht anerkannt ist, dass der HV nur im Rahmen des Verkehrsüblichen und nicht überobligationsmäßig tätig werden muss. Mglw. bildet die in § 86 Abs. 1 geregelte Pflicht des HV, sich um den Abschluss und die Vermittlung zu „bemühen“ ein Synonym. Andererseits verlangt die RL, soweit es die Informationen an den Unternehmer betrifft, nicht die unverzügliche Mitteilung von jeder Geschäftsvermittlung und jedem Geschäftsabschluss, wie § 86 Abs. 2 dies tut. Auch dem stehen Bedenken nicht entgegen, weil die unverzügliche Mitteilung der Interessenwahrnehmung wie auch Treu und Glauben entspricht. Gem. Art. 3 Abs. 2 lit. b RL hat der HV dem Unternehmer die erforderlichen und „ihm zur Verfügung stehenden“ Informationen zu übermitteln. Nach § 86 Abs. 2 besteht die Pflicht zur Mitteilung der „erforderlichen Nachrichten“, jedoch ohne die Beschränkung auf die „dem HV zur Verfügung stehenden“ Informationen. Hier liegt möglicherweise ein Umsetzungsfehler vor, da § 86 Abs. 2 so verstanden werden könnte, als habe der HV eine Nachforschungspflicht und beschränke sich seine Übermittlungspflicht nicht auf die ihm „zur Verfügung stehenden“ Informationen. U. U. lässt sich Art. 3 Abs. 2 lit. b RL aber auch so verstehen, dass dort die Frage der Untersuchungs- und Prüfungspflichten des HV nicht geregelt wurde, insb. nicht die Frage, ob den HV zusätzlich zu Art. 3 Abs. 2 RL weitere Untersuchungspflichten treffen. Zu bemängeln ist diesbetreffend erneut, dass die Informationspflicht des HV nicht ausdrücklich im HGB als zwingend ausgestaltet ist, anders als es Art. 5 RL fordert. Zu diesen Fragen muss ein Vorlageverfahren nach Art. 267 AEUV zulässig sein.25

C. Unterteilung der Vertreterpflichten 9 Die Pflichten des HV werden unterschieden in – Gesetzlich vorgegebene, im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Hauptpflichten i. S. d. §§ 320 ff. BGB, d. h. Vermittlungs- und Abschlusspflicht – Gesetzlich vorgegebene Nebenpflichten – Durch separates vertragliches Versprechen übernommene Haupt- und Nebenpflichten. 10 Hiervon regeln § 86 Abs. 1 und 2 nur die gesetzlich vorgegebenen Haupt- und Nebenpflichten, während § 86 Abs. 3 zugleich den Sorgfaltsmaßstab für vertraglich übernommene Pflichten bestimmt.

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So Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 91. Hopt § 86 Rn 22. AA Ebenroth/Hakenberg2 § 86 Rn 57. Hopt § 86 Rn 22; aA Canaris § 17 Rn 21.

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D. Verpflichteter Verpflichtet ist der HV, auch als Untervertreter,26 egal in welcher Rechtsform er tätig ist.27 So- 11 wohl eine Gesamthandsgesellschaft wie natürliche oder juristische Personen dürfen HV sein (s. Kommentierung zu § 84 zu „Arten von Handelsvertretern“) und sind Normadressaten des § 86.28 Es darf – außer in AGB des HV – vereinbart werden, dass der HV ohne weitere Zustimmung des Unternehmers zur Übertragung des Vertrags auf einen Dritten berechtigt ist,29 sofern in der Person dieses Dritten keine Gründe entgegenstehen. In der Regel dürfte dann der ursprüngliche Vertragspartner aus dem Vertrag entlassen sein, was jedoch eine Frage der Vertragsauslegung bleibt. § 86 ist auf HV-ähnliche Vertriebsmittler, etwa Vertragshändler,30 Kommissionsagenten31 sowie Franchisenehmer32 entsprechend anwendbar. Beim Franchisenehmer ist die Anwendung des § 86 allerdings umstritten.33 Richtigerweise wird in dieser Frage differenziert, d. h. die analoge Anwendung von § 86 Abs. 1 wird angenommen,34 während § 86 Abs. 2 von der Analogie ausgenommen wird.35

E. Berechtigter Gläubiger der dem HV obliegenden Pflichten ist der Unternehmer, mit welchem der HV-Vertrag ge- 12 schlossen wurde.36 Der Unternehmer darf seinen Anspruch gegen den HV nicht ohne Zustimmung des HV auf Dritte übertragen (§ 613 S. 2 BGB).37 Der Anspruch gegen den HV geht auch im Fall einer Betriebsveräußerung nicht automatisch auf den Erwerber über.38 § 613a BGB findet keine entsprechende Anwendung (Vor § 84 Rn 117). Auch hier kann vereinbart werden, dass der Unternehmer ohne Zustimmung des HV zur Übertragung auf einen Dritten berechtigt ist,39 sofern in der Person dieses Dritten keine Gründe entgegenstehen, jedoch nicht in vom Unternehmer gestellten AGB.

F. Dauer der Pflichten Grundsätzlich bestehen die Pflichten des HV nur vertragsbegleitend (Grundregel).40 Er kann 13 jedoch vor- und nachvertraglichen Pflichten, insbesondere vor- und nachwirkenden Treu26 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 72; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 3; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 3. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 5. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 6. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14. BGH, Urt. v. 7.7.1983 – I ZR 115/81, NJW 1984, 2101 (2102); Schulz NJW 1959, 649 (652); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 72; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 3; Hopt § 84 Rn 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 3. 31 Ulmer/Habersack ZHR 159 (1995), 109 (126, 129 ff.) für Wettbewerbsbeschränkungen; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 72; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 3. 32 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 3. 33 Martinek Franchising, S. 319; aA Herrfeld S. 288. 34 Giesler/Güntzel2 § 4 Rn 205. 35 Höpfner in: Giesler/Nauschütt § 7 Rn 17 ff; aA Giesler/Güntzel2 § 4 Rn 217. 36 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 9. 37 MünchKommHGB/von Hoyningen/Huene § 86 Rn 9. 38 BGH NJW 1963, 100 (101); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 10. 39 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14 fordert eine weitere Zustimmung des Vertreters zum Zeitpunkt der Übertragung. 40 OLG Düsseldorf DB 1969, 2077; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 4; MünchKommHGB/v. Hoyningen/ Huene § 86 Rn 11.

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pflichten, unterliegen (s. u.). Zudem kann eine Auslegung oder der Wortlaut einer Bestimmung, etwa § 90 (Geheimnisschutz) oder § 90a (nachvertragliches Wettbewerbsverbot), ergeben, dass sie über den Vertrag hinaus Nachwirkung zeitigt.

G. Die einzelnen in § 86 geregelten Pflichten I. Absatz 1: Hauptpflicht: Vermittlungs- oder Abschlusspflicht 14 Als im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende41 vertragliche Hauptpflicht, die im Zentrum der vom HV geschuldeten Aktivitäten steht,42 schuldet der HV gemäß § 86 Abs. 1, 1. Hs Vermittlung oder bei entsprechender Vollmacht das ständige – nicht nur gelegentliche43 oder gar fehlendes44 – Bemühen (Art. 3 Nr. 2 lit. a RL: „einsetzen“ [deutsch] bzw. „proper efforts“45 [englisch]) um den Abschluss von Geschäften.46 Das ergibt sich nicht erst aus der Stellung als Beauftragter47 sondern aus Abs. 1. Auch § 84 spricht die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften an, jedoch mit anderer Rechtsfolge. In § 84 sind die TB-Voraussetzungen des HV-Vertrages geregelt (Statusfrage), in § 86 Abs. 1 die Hauptpflichten des HV.48 Maßgeblich für den Umfang der geschuldeten Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit ist zu15 vörderst der Vertrag.49 Die Parteien dürfen den Umfang der geschuldeten Leistung bis zur Grenze des Kernbereichs der Selbständigkeit des HV (§ 84 Abs. 1) sowie zu den allgemeinen Grenzen (§§ 134, 138, 307 ff. BGB)50 beschreiben. Regelmäßig exakt umschrieben wird der Umfang der Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit nach vertretenem Produktprogramm wie dem räumlichen Ausdehnungsbereich der Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit. Gesetzestypisch schuldet der HV so viel Tätigkeit, wie es für die ordnungsgemäße Erfüllung 16 seiner Aufgaben erforderlich ist,51 inbes. das Auffinden52 und die Werbung von Neukunden, das Entdecken und Nutzen von Marktlücken,53 die Beratung von Kunden54 aber auch die Pflege des Altkundenstammes.55 Er hat sich mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (Abs. 3) um das Hereinholen von Abschlüssen zu bemühen und darf seine Tätigkeit selbst dann nicht einstellen oder auf ein Minimum herabsetzen, falls der Unternehmer sich nicht vertragsgerecht verhält.56 Besitzt der HV Kenntnis von potentiellen Neukunden, etwa aufgrund von Hinweisen des Unternehmers,57 muss er mit ihnen Kontakt aufnehmen, sie für den Abschluss interessieren

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MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 23. BGHZ 30, 98 (102). Hopt § 86 Rn 12; Röhricht/Graf v. Westphalen/Küstner2 § 86 Rn 5. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 15a. Weshalb sich keine Verbindung zum „best endeavours“ nach englischer Rechtsprache ergibt, s. Triebel Englisches Rechtsverständnis bei Auslegung deutscher Unternehmenskaufverträge, in: FS Bengel/Reimann, S. 367. 46 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 58; Hopt § 86 Rn 12. 47 Diese Stellung betont Hopt § 86 Rn 12. 48 AA Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 1. 49 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 15a. 50 Hopt § 86 Rn 8 f. 51 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 15a. 52 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 6. 53 OLG Celle BB 1970, 228; Hopt § 86 Rn 13; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 25. 54 OLG Hamm HVR (70) 432; Hopt § 86 Rn 12; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 6. 55 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 23. 56 OLG München BB 1955, 714. 57 Hopt § 86 Rn 12; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 28. Emde

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und endgültig geneigt machen.58 Der HV hat sich im Rahmen seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten um angemessene Umsätze zu bemühen,59 schuldet vollen Einsatz, darf nicht untätig bleiben60 und kein Geschäft ohne guten Grund zurückweisen61 (sofern ihm diese Entscheidung überhaupt obliegt, denn regelmäßig trifft sie der Unternehmer). Der HV ist also zum Tätigwerden verpflichtet, nicht nur berechtigt.62 Geringer Umsatz bei Vertragsbeginn allein ist kein Indiz für mangelhaften Einsatz.63 Hingegen ist der HV nicht verpflichtet, so viele Abschlüsse hereinzuholen, wie es ihm bei größter Anstrengung möglich wäre;64 er ist lediglich gehalten, nach den jeweiligen Gegebenheiten sich um angemessene Umsätze zu bemühen.65 Alle Kunden, die überhaupt in Betracht kommen, braucht er nicht zu besuchen. Er kann sich vielmehr auf jene beschränken, bei denen die Vermittlungstätigkeit Aussicht auf Erfolg hat.66 Ein Einfirmenvertreter (§ 92a) hat im typischen Fall sich voll der Vertretung zu widmen. Ob an ihn generell höhere Anforderungen gestellt werden dürfen67 erscheint aber zweifelhaft, wenn dies nicht im Vertrag zum Ausdruck gekommen ist. Ist der HV nicht als Einfirmenvertreter eingestellt worden, muss der Unternehmer es hinnehmen, dass er noch andere Vertretungen übernimmt oder sonstige Erwerbstätigkeiten ausübt. Auch der Mehrfirmenvertreter ist jedoch nicht berechtigt, die Tätigkeit für einen Unternehmer zu Lasten eines anderen zu vernachlässigen. Nie dürfen die Mindestanforderungen an die objektiv nach kaufmännischer Sorgfalt zu verlangende Betreuung der Unternehmerinteressen vernachlässigt werden; es ist Sache des HV, zu beurteilen, welchen Umfang an Aktivitäten er sich aufbürden kann, um allem gerecht zu werden. So müssen etwa Online-Hotelportale als Mehrfirmenvertreter die Portale aller Unternehmer (Hotels) gleich behandeln.68 Dafür genügt die Listenbildung. Die Möglichkeit, Angebote in der Suchergebnisliste gegen zusätzliches Entgelt herauszustellen, muss nicht nur transparent sein und allen vertretenen Unternehmen offen stehen. Es muss zugleich sichergestellt sein, dass Unternehmer, die nicht von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, faktisch nicht dauerhaft von der Vermittlung ausgeschlossen oder wesentlich behindert werden. Dazu muss ein sachgerechtes Ausfallverfahren implementiert werden, welches die Chancengleichheit wahrt69 Eine allgemeine Pflicht des HV, den Unternehmer um Erlaubnis anzugehen, eine weitere Vertretung oder eine sonstige Tätigkeit zu übernehmen, ist jedoch nicht herzuleiten. Der Unternehmer, dem es hierauf ankäme, mag sich Entsprechendes im Vertretervertrag ausbedingen. Im Übrigen richtet sich die Intensität der einzusetzenden Bemühungen nach den Umständen. 17 Der HV hat: – da er allein dem Unternehmer und nicht dem Kunden verpflichtet ist, den Abschluss zu günstigsten Bedingungen zu erreichen,70 selbst wenn sich das auf seine Provision auswirkt – Hinweisen des Unternehmers auf die Möglichkeit zu Geschäftsabschlüssen nachzugehen71

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MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 23. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 53; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 10. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 3. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 3. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 3. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 10. OLG Celle NdsRPfl. 1959, 109 (110); Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 10; Hopt § 86 Rn 12; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 25. 65 OLG Celle NdsRpfl. 1959, 109. 66 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 4. 67 So LG Bielefeld, Beschl. v. 13.1.2010 – 5 O 303/10, BeckRS 2013, 06820; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 18; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7. 68 Emde/Valdini BB 2016, 899 (901). 69 Emde/Valdini BB 2016, 899 (901). 70 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 9; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17. 71 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 28. 611

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den Kunden über das gewünschte Geschäft so aufzuklären und zu beraten, wie es dem Geschäftsherrn obliegt,72 dabei aber die Geschäftsförderungspflicht nicht zu vergessen – eine von seinem Vorgänger mglw. sogar überwiegend eingeleitete Vermittlung zu Ende zu führen, selbst wenn er hierfür keine Provision zu beanspruchen hat, weil sie noch dem Vorgänger zufällt (§ 87 Abs. 1 S. 2, Abs. 3) – insbesondere in der Versicherungsvermittlung den Schwerpunkt nicht auf das Hereinholen von Verträgen mit ungünstigen Risiken zu legen, weil diese erfahrungsgemäß leichter zu vermitteln sind – den Kunden umfassend über das Produkt aufzuklären73 – sich der Vermittlung oder des Abschlusses zu enthalten, wenn anderenfalls, etwa durch persönliche Animositäten des Kunden gegen den HV, das Zustandekommen des Geschäfts gefährdet würde74 – bestehende Kundenbeziehungen zu pflegen;75 jedoch sich nicht ausschließlich auf die Pflege solcher bestehenden Beziehungen zu beschränken, sondern in angemessenem Verhältnis zu den Bemühungen, Folgeaufträge von bisherigen Kunden zu erhalten (sie erfordern erfahrungsgemäß einen geringeren Einsatz), zu versuchen auch neue Kunden zu gewinnen. Ein Anreiz hierfür bietet die Anwartschaft auf den entsprechend höheren Ausgleich nach § 89b – branchenübliche Fach- und Verkaufsmessen zu besuchen – Kundenwünsche und Anregungen entgegenzunehmen sowie Hinweisen des Unternehmers auf mögliche Geschäftsabschlüsse nachzugehen – es zu unterlassen, dem Kunden die Auflösung des Vertrages und Schadenersatzansprüche gegen den Unternehmer zu empfehlen76 – bei der Gestaltung seiner Preise Rücksicht zu nehmen, falls sich durch ständige preisüberhöhte Angebote eine Gefährdung des Absatzes der Vertragswaren ergibt.77 18 Dagegen verpflichtet die Vermittlungs- und Abschlusspflicht den HV nicht – die Abwicklung des vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfts durchzuführen oder zu begleiten. Deshalb darf der HV ohne wirksame vertragliche Vereinbarung weder mit dem Inkasso,78 der Warenauslieferung, der Gewährleistung oder der Führung von Prozessen aufgrund der ausgeführten Geschäfte belastet werden;79 er muss jedoch ggf. Gewährleistungsforderungen des Kunden aufnehmen und an den Unternehmer weiterleiten – tatsächlich feststehendes strafbares Verhalten des Unternehmers oder eines Kunden zu verschweigen80 – Angebote des Unternehmers mit eigenen Angeboten zu bündeln, etwa eigene DSL-Anschlüsse mit vermittelten Mobilfunkverträgen81 – Lagerhaltung vorzunehmen82 – zu prüfen, ob öffentlich-rechtliche Erlaubnisse des Vertragspartners vorhanden sind,83 z. B. der Kraftverkehrsunternehmer die Erlaubnis nach GüKG besitzt84 Kieninger AcP 199 (1999), 190; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 9. Kieninger AcP 199 (1999), 190; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 9. Schröder DB 1958, 44. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 9; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 45. 76 OLG Koblenz BB 1973, 866; Hopt § 86 Rn 21. 77 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 172. 78 OLG Stuttgart DB 1962, 405; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7. 79 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7. 80 OLG Köln VersR 2002, 482. 81 OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, BeckRS 2009, 15934. 82 Hopt § 86 Rn 13. 83 Hopt § 86 Rn 13. 84 OLG Hamm BB 1968, 1017; Hopt § 86 Rn 13.

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umfangreiche Vergleichsverhandlungen und Prozessinformationen vorzunehmen85 Werbung i. S. allgemeiner Öffentlichkeitsarbeit oder die allg. Produktwerbung und -pflege sowie Kunden- und Marktpflege zu betreiben.86 Dies ist Aufgabe des Unternehmers.87 Der HV hat sich lediglich um den Abschluss des einzelnen Kundengeschäfts zu bemühen; er schuldet ohne gesonderte vertragliche Vereinbarung keine Bemühungen, die sich auf die über den einzelnen Abschluss hinausreichende Marktpflege beziehen,88 also etwa keine Marktanalyse.89

1. Räumliche Begrenzung der HV-Tätigkeit Ist der räumliche Ausdehnungsbereich der geschuldeten Vertretertätigkeit bestimmt,wird meist 19 Deutschland das Vertriebsgebiet sein. Bei internationaler Tätigkeit ist an ein weltweites Vertriebsgebiet zu denken. Zudem stellt sich die Frage, ob der HV nur Gebiets- oder – ihm stärkere Rechte gebend – Bezirksvertreter ist bzw. ihm sogar Exklusivität zugesichert wurde. Zum Bezirksvertreter siehe Kommentierung zu § 87. Bei Vertragshändlern kommt es für die Frage, ob das Geschäft innerhalb des dem Vertragshändler zugewiesenen Gebietes geschlossen wurde, auf den Ort des Vertragsschlusses und nicht den Sitz des Kunden an, ansonsten auf den Sitz des Kunden. Denn die Abschlüsse eines Vertragshändlers werden meist in seinen Räumlichkeiten getätigt.90 Teilweise wird vertreten, der Unternehmer dürfte das dem Mittler zugewiesene Gebiet eigenmächtig ändern, jedenfalls wenn dies individualvertraglich vorgesehen war.91 Dies ist zweifelhaft, weil hierdurch das Leistungs-Gegenleistungsverhältnis geändert und dem Mittler ein Vertrag aufgedrängt wird, den er so nicht geschlossen hat oder möglicherweise auch nicht geschlossen hätte. Eine derartige Regelung steht einer unzulässigen Teilkündigung gleich und ist daher nur zulässig, wenn das Änderungsrecht zuvor genau beschrieben wurde, nicht zu einer Verschlechterung der Vertragsbedingungen führt, weil das neue Gebiet gleichwertig ist und anderenfalls eine angemessene finanzielle Kompensation gewährt wird. Ansonsten ist der Unternehmer auf die Änderungskündigung zu verweisen. Zu AGB siehe Kommentierung zu Vor § 84 „Änderungsvorbehalte“.

2. Bezirksvertreter Von dem Bezirksvertreter gemäß § 87 Abs. 2 (siehe Kommentierung zu § 87) darf wegen seiner 20 von einer Kausalität für den Abschluss unabhängigen Vergütung kein geringerer Einsatz erwartet werden.92 Er hat den zugewiesenen Bezirk laufend und in besonderer Weise zu pflegen.93 Er darf94 einen ihm zugewiesenen Bezirk nicht liegen lassen oder auch nur gegenüber anderen

85 OLG Hamburg JW 1936, 2939; Hopt § 86 Rn 13. 86 BGH, Urt. v. 23.7.1997 – VIII ZR 130/96, EBE 1997, 290 (292); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 65; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 47; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 9, 26; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 4b, 44d; Hopt § 86 Rn 51; Koller/Roth/Morck § 86 Rn 3, 11; Bruck/Möller VVG Vor §§ 43–46 Anm. 224; Herschel/Beine Handbuch zum Recht des Handelsvertreters 1954 S. 44; Rittner DB 1999, 2097 (2099). 87 Hopt § 86 Rn 13. 88 Hopt § 86 Rn 13. 89 Hopt § 86 Rn 13. 90 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 80. 91 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 82. 92 Hopt § 86 Rn 12. 93 OLG München NJW-RR 2003, 401 (402). 94 OLG Düsseldorf DB 1969, 435. 613

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Tätigkeiten nachhaltig hintansetzen. Anderenfalls macht er sich aus § 280 BGB dem Unternehmer gegenüber schadensersatzpflichtig; dieser kann bis zur Höhe des Schadens geschuldete Provision zurückhalten.95 Lehnt der HV sogar ab, für die Hereinholung eines in seinem Bezirk zu vergebenden Auftrags tätig zu werden, so verwirkt er den Anspruch auf die Bezirksprovision (§ 87 Abs. 2), wenn der Unternehmer daraufhin unmittelbar abschließt.96

3. Gegenständliche Begrenzung 21 Den Gegenstand der hereinzuholenden Aufträge bestimmt in erster Linie der HV-Vertrag.97 Meist werden die zu vertretenden Produkte in einer Anlage zum HV-Vertrag definiert. Die Festlegung der Vertragsprodukte ist deshalb wichtig, da ihr Lebenszyklus kürzer als die Laufzeit des Vertragsvertrages sein kann. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten: Die am häufigsten gewählte ist die, dass das gesamte Produktprogramm des Unternehmers zum Gegenstand der werbenden Tätigkeit bestimmt wird. Fehlt eine Beschreibung der zu vertreibenden Produkte, so gilt folgendes: Mangels ander22 weitiger vertraglicher Bestimmung ist der HV berechtigt und verpflichtet, das gesamte Sortiment des Unternehmers zu vertreiben.98 Dann fragt sich, ob hiermit das gegenwärtige oder auch das zukünftige zu verstehen ist, wobei im Zweifel99 letzteres anzunehmen ist, jedenfalls bei Vertragspflicht „zur Betreuung des gesamten Warensortiments“.100 Erweitert oder ändert der Unternehmer sein Programm, so werden damit – wurde nicht klar das Gegenteil vereinbart – neu eingeführte Produkte von der Vermittlungs- bzw. Abschlusspflicht erfasst, vorausgesetzt, die neuen Produkte sind mit dem ursprünglichen Sortiment verwandt.101 Etwas anderes gilt hinsichtlich der für den Mittler branchenfremder Artikel oder solcher, welche er bereits in zulässiger Weise für andere Unternehmen vertreibt.102 Nicht verwandte Produkte, insb. solche einer anderen Branche, braucht und darf der Mittler also nicht zu vertreiben. 23 In das Vertriebsrecht einbezogen sind insbesondere Weiterentwicklungen des ursprünglichen Vertragsproduktes103 und dies angeblich auch, wenn der HV solche Produkte schon für einen anderen Unternehmer vertreibt.104 Das OLG Naumburg hat dies als Frage der ergänzenden Vertragsauslegung gesehen: Hat ein Unternehmen durch einen Rahmenvertrag ein zeitlich befristetes Vertriebsrecht für ausdrücklich benannte Typen erlangt und einer nachvertraglichen Wettbewerbsbeschränkung zugestimmt, so setzt eine ergänzende Vertragsauslegung hinsichtlich der möglichen Einbeziehung weiterer Typen in technischer Fortentwicklung eine Regelungslücke voraus.105 Mittler oder Unternehmer dürfen die Einbeziehung eines neuen Produktes in den Vertriebsvertrag ablehnen, wenn sie unzumutbar ist. Diese zumindest im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu findende Einschränkung greift aber nicht ein, wenn der Vertrag die Pflicht zum Vertrieb des fraglichen Produktes ausdrücklich vorsieht. Unzumutbarkeit kann etwa vorliegen, falls die Übernahme den Mittler oder den Unternehmer zu einer Vertrags-

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OLG München BB 1975, 714. OLG Hamm NJW 1959, 677. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 9. Hopt § 86 Rn 12; Westphal I Rn 210; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 9; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 24. 99 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 5a. 100 BGH DB 1981, 1772. 101 Westphal I Rn 210; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 24; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 5a. 102 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 9; Hopt § 86 Rn 12; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 24; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 5a. 103 Westphal II Rn 369. 104 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 5a. 105 OLG Naumburg, Urt. v. 18.7.2013 – 2 U 76/13 (Kart), WRP 2013, 1402. Emde

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verletzung gegenüber einem Vertragspartner zwingt,106 zudem bei unrealistischen Absatzverpflichtungen und erheblichen Reduzierungen der für den Vertrieb gewährten Gegenleistung.107 In jedem Fall muss der Mittler eine eingetretene Wettbewerbssituation auflösen (zum Wettbewerbsverbot s. u.). Der HV muss sich nach Ausweitung der Produktpalette ggf. um einen neuen Abnehmerkreis bemühen,108 wobei fehlende Identität der Produkte Indiz für mangelnde Verwandtschaft ist. Zur Übernahme der Vertretung für Artikel anderer Branchen, die der Unternehmer aufnimmt, ist der HV nicht berechtigt oder verpflichtet.109 Er kann hierzu auch durch Weisungen des Unternehmers nicht angehalten werden; der Unternehmer müsste sich schon im HV-Vertrag ausbedungen haben, dass der HV das jeweilige Sortiment zu vertreten habe. Jedoch hat er unter dem Gesichtspunkt der Interessenwahrungspflicht im Rahmen des Angemessenen auch solche Anfragen an den Unternehmer weiterzuleiten, die nicht die von ihm vertretenen Produkte betreffen.110 Die Freistellung durch die GVO 330/10 wird nicht dadurch gehindert, dass neue Produkte 24 automatisch vom Vertriebsrecht erfasst werden. Zwar sieht die GVO 330/10 vor, dass die Freistellung nur für den Vertrieb „bestimmter“ Waren oder Dienstleistungen erteilt wird. Dieses Bestimmtheitskriterium ist auch gewahrt, wenn sämtliche neue Produkte durch den Vertriebsvertrag erfasst werden.111 Im Falle eines ersetzenden Produkts, welches mit einem Ursprungsprodukt voll austauschbar ist, wird die Einbeziehung des Ersatzprodukts ohnehin als hinreichend bestimmt und damit von der GVO 330/10 freigestellt angesehen.112 Die Vertriebspflicht darf gegenüber dem so beschriebenen dispositiven Recht beschränkt 25 werden, und zwar nach Sortiment und Kundenkreis.113 Das bietet sich an. Denn hinsichtlich der Aufnahme neuer Produkte hat der Hersteller oft ein Interesse daran, erst später zu entscheiden, ob sie in den Vertriebsvertrag einbezogen werden sollen.114 Im Einzelfall kann eine Auslegung ergeben, dass nur branchenspezifische Produkte Vertragsgegenstand sind. Ist ausdrücklich lediglich das gegenwärtige Produktionsprogramm Vertragsgegenstand, so werden neue Produkte nicht ohne separate Vereinbarung Vertragsgegenstand. Den Vertrieb von Altprodukten darf der Unternehmer einstellen, sofern er hierbei nicht will- 26 kürlich oder treuwidrig über die Interessen des HV hinweggeht. Für die Fortentwicklung des Programms gilt das Gleiche (Zum Dispositionsrecht des Unternehmers s. Kommentierung zu § 86a).

4. Inhalt der Hauptpflichten Die Hauptpflicht des HV ist die Vermittlung und der Abschluss von Geschäften für den Unter- 27 nehmer (Abs. 1). Übertragen auf andere Vertriebsmittler (Vertragshändler, FN) bedeutet sie eine ständige Verpflichtung zum Vertrieb.

a) Vermittlungspflicht. Die Betrauung des HV kann zum Inhalt haben, dass Aufträge (nur) 28 vermittelt werden sollen. Dann hat der HV, falls ein neuer Kunde zu gewinnen ist, mit jenem Kontakt aufzunehmen, ihn für den Abschluss zu interessieren und endgültig geneigt zu ma106 107 108 109 110 111 112 113 114 615

Giesler/Vogels2 § 3 Rn 101. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 101. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 24. Westphal I Rn 210. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 5. AA Westphal II Rn 370. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 99. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 9. Westphal II Rn 369. Emde

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chen, was normalerweise in der Abgabe eines formellen Vertragsangebots an den Unternehmer seinen Ausdruck findet. Der HV ist verpflichtet, den Abschluss von Geschäften für den Unternehmer zu fördern, d. h. Geschäftsabschlüsse mit Dritten115 vorzubereiten, zu ermöglichen oder herbeizuführen.116 Er muss zum Zwecke des Geschäftsabschlusses auf die potentiellen Kunden einwirken („Zielgerichtetheit“ oder „Finalität“ der Einwirkungshandlung).117 29 Die Kunden eines zugewiesenen Gebiets oder Bezirks hat der HV, soweit nicht eine andere Art der Kontaktaufnahme tunlich ist oder genügt (auch angesichts moderner Kommunikationsmittel ist meist ein persönlicher Besuch angezeigt), regelmäßig zu besuchen und bei ihnen für den Absatz der Erzeugnisse des Unternehmers zu werben.118 Ein Mehrfirmenvertreter hat im Zweifel, falls die Interessen oder der Wunsch des Kunden nicht etwas anderes gebieten, Folgeaufträge grds. dem Unternehmer zuzuführen, zu welchem der Kunde bereits in vertraglichen Beziehungen gestanden hat.119 Auch den bereits auf andere Weise, z. B. durch öffentliche Ausschreibung,120 über die Möglichkeit des Vertragsschlusses informierten oder infolge Produktwerbung oder Listung daran interessierten Kunden kann der HV auf diese Weise vermitteln.121 Der Vermittlungsvertreter ist berechtigt und verpflichtet, Angebote potentieller Kunden entgegenzunehmen und an den Unternehmer weiterzuleiten.122 Gem. § 91 Abs. 2 ist er – nicht anders als der Abschlussvertreter nach § 55 Abs. 4 – zur Entgegennahme der Anzeige von Mängeln an einer Ware, die Erklärung, dass eine Ware zur Verfügung gestellt werde sowie ähnlichen Erklärungen, durch die ein Dritter seine Rechte aus mangelhafter Leistung geltend macht oder sich vorbehält, berechtigt und unter dem Gesichtspunkt der Interessenwahrnehmungspflicht auch verpflichtet. Er darf die Rechte auf Sicherung des Beweises geltend machen. 30 Im Übrigen gilt: Zu unterscheiden sind die statusbegründende Vermittlungspflicht des § 84 und die dem HV gegenüber dem Unternehmer obliegenden Vertragspflichten des § 86 (mit der Folge einer möglichen Schlechterfüllung). Da eine Trennung schwierig ist, wird beides zur Vermeidung von Wiederholungen einheitlich bei § 84 besprochen.

31 b) Abschlusspflicht. Über die Vermittlung hinaus kann der HV zum Abschluss von Verträgen bevollmächtigt und verpflichtet sein. Zum Abschlussvertreter sowie zur Abschlusspflicht siehe bei § 84.

32 c) Vertragliche Vereinbarungen. Der Umfang der Abschlussvollmacht ist gesetzlich geregelt. Vertragliche Abreden gehen jedoch vor, da der gesetzlich bestimmte Umfang parteidispositiv ist. So können dem HV über den gesetzlichen Umfang hinausgehende Rechte, aber auch interne Beschränkungen, auferlegt werden. Gerade im stationären Vertrieb wird zudem oft eine Betriebspflicht vereinbart.123 Dem HV darf etwa auferlegt werden – nur nach Rückfrage mit dem Unternehmer abzuschließen – nur Geschäfte ab einer oder bis zu einer bestimmten Größenordnung abzuschließen124

115 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 6. 116 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 55. 117 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 55 ff.; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 16, 18a. 118 OLG München NJW-RR 2003, 401 (402). 119 LG Lübeck VersR 1950, 182 m. Anm. Bronisch; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 15; Hopt § 86 Rn 24. 120 BGH NJW 1980, 1793. 121 BGHZ 43, 108 (113); BGH NJW-RR 1986, 709 (710); Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 20; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 18a. 122 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 6a. 123 Siehe etwa LG Bochum, Beschl. v. 5.7.2017 – I – 3 O 165/17, ZVertriebsR 2017, 308. 124 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 13a, b. Emde

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– nur Geschäfte einer bestimmten Art abzuschließen125 – mit bestimmten Kunden nicht abzuschließen126 – Weisungen des Unternehmers zu den Abschlüssen zu beachten. Solche Beschränkungen regeln mangels entgegenstehender Abreden sowohl die interne Berech- 33 tigung zum Handeln wie den Umfang der Vollmacht im Außenverhältnis, wobei der Schutz Dritter gem. §§ 54, 55 unberührt bleibt. Selbstverständlich können die Parteien zwischen beiden Rechten differenzieren.

d) Gesetzliche Regelung aa) Umfang der Vollmacht. Haben die Parteien nur allgemein das Recht des HV zum Ab- 34 schluss im Namen des Unternehmers bestimmt, ergibt sich der Umfang der Abschlussvollmacht aus §§ 54 und 55. Der Unternehmer wird durch den Abschluss des HV berechtigt und verpflichtet, als hätte er selbst das Geschäft geschlossen.127 Dass der Unternehmer und nicht der HV im Wege eines Eigengeschäftes verpflichtet werden soll, ergibt sich meist schon aus der HV-Tätigkeit des HV (typischerweise Drittgerichtetheit seiner Tätigkeit).128 § 91 Abs. 1 stellt klar, dass § 55 auch eingreift, wenn der Unternehmer kein Kaufmann ist. § 91 Abs. 2 regelt den Fall des Vollmachtsmissbrauchs durch den HV. Gemäß § 54 erstreckt sich die Abschlussvollmacht auf alle Geschäfte und Rechtshandlun- 35 gen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Hierzu gehören beim HV die zum Geschäftsabschluss führenden Verhandlungen, die Abgabe der nötigen Willenserklärungen und die Entgegennahme und Abgabe vertragsbegleitender Willenserklärungen, auch Mahnungen, Fristsetzungen und Entgegennahme von Mängelrügen.129 Nach § 54 Abs. 2 ist der Abschlussvertreter zur Veräußerung oder Belastung von Grundstü- 36 cken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung grundsätzlich nicht ermächtigt. Gemäß § 55 Abs. 1 u. 2 ist der HV insbesondere nicht bevollmächtigt, abgeschlossene Verträge zu ändern und Zahlungsfristen zu gewähren. Zahlungen darf der Vertreter gem. § 55 Abs. 3 nur annehmen, wenn er hierzu ausdrücklich bevollmächtigt wurde. § 55 Abs. 4 spezifiziert, welche der in § 54 Abs. 1 genannten Geschäfte und Rechtshandlungen von der Vollmacht eines Vertreters umfasst sind. Danach gilt der HV als ermächtigt, die Anzeige von Mängeln einer Ware, die Erklärung, dass eine Ware zur Verfügung gestellt werde sowie ähnliche Erklärungen, durch die ein Dritter seine Rechte aus mangelhafter Leistung geltend macht oder sie vorbehält, entgegen zu nehmen. Zudem darf der HV die dem Unternehmer zustehenden Rechte auf Sicherung des Beweises geltend machen. Diese Beweissicherungsrechte umfassen sowohl gerichtliche als auch außergerichtliche Rechtshandlungen, insb. fällt hierunter das selbständige Beweisverfahren der §§ 485 ff. ZPO und die Einholung von Sachverständigengutachten.130 Der Unternehmer ist berechtigt, die Abschlussvollmacht über diese im Gesetz genannten 37 Fälle hinaus zu beschränken.131 Die Beschränkungen verpflichten den HV bei Überschreitung

125 126 127 128 129 130 131 617

Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 13b. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 13a. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 8, 8a. LG Flensburg, Urt. v. 15.2.2011 – 1 S 8/11, BeckRS 2011, 13526. Westphal I Rn 69. Ebenroth/Weber, 2. Aufl., § 55 Rn 16. Westphal I Rn 74. Emde

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nur zum Schadensersatz gegenüber dem Unternehmer. Das gilt namentlich für den Abschluss unter Vorbehalt der Aufgabe des Dritten:132 der im Namen des Unternehmers getätigte Abschluss bindet diesen; zu einer solchen Handhabung ist der HV im Innenverhältnis aber nur befugt, falls ihm das besonders gestattet ist. Ein Dritter muss die Beschränkungen nur gegen sich gelten lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste (§ 91 Abs. 2 S. 2). Das Kennen oder Kennenmüssen bestimmter Umstände durch den HV wird dem Unternehmer gem. § 166 BGB zugerechnet.133 Die Abschlussvollmacht kann jederzeit widerrufen134 oder durch Weisungen beschränkt135 38 werden, sofern sich aus dem Vertretervertrag nichts anderes ergibt (§ 168 S. 2 BGB). Wann sich aus der Mittlervertrag „etwas anderes“ i. S. d. § 168 S. 2 BGB ergibt, ist ungeklärt. Ein Ausschluss der Widerruflichkeit soll anzunehmen sein, falls die Bevollmächtigung auch den Interessen des Mittlers dient.136 Die Bestellung als Abschlussvertreter dient oft auch den Interessen des Mittlers. Denn ihm soll das Werben für den Unternehmer und damit der Provisionsverdienst erleichtert werden. Das Merkmal ist also kaum ergiebig. Richtigerweise ist das Ganze eine Frage der Vertragsauslegung: Wurde dem HV – ggf. konkludent – in dem Vertrag zugesagt, er dürfe als Abschlussvertreter tätig werden, hat er grundsätzlich ein Recht auf Beibehalt der Vollmacht und auf eine solche Tätigkeit. Das gleiche gilt dann, wenn eine solche Vollmacht üblich ist (Beispiel: Tankstellenvertreter). Ein isolierter Widerruf der Vollmacht wäre unzulässig und unwirksam (pacta sunt servanda). Der Vertreter braucht also nicht erst den Unternehmer auf Wiedererteilung der Vollmacht in Anspruch zu nehmen und gem. § 894 ZPO zu vollstrecken, wobei ihm jedoch jederzeit das Recht einer Feststellungsklage offen steht. Will der Unternehmer in solchen Fällen die Vollmacht des HV beseitigen, muss er den Vertretervertrag kündigen, bei Bestehen eines wichtigen Grundes i. S. d. § 89a ggf. außerordentlich. Deshalb ist äußerste Vorsicht bei der Erteilung von Abschlussvollmachten angebracht. Der Unternehmer sollte sich darauf beschränken, die Vollmachtserteilung außerhalb des Vertrages vorzunehmen. 39 Nur aus wichtigem Grund kann die vertraglich versprochene Vollmacht widerrufen werden.137 Obwohl Teilkündigungen problematisch sind138 (hierzu unten), können es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die Treupflicht gebieten, dass der Unternehmer allein die Vollmacht widerruft (= „Teilkündigung“) und nicht den gesamten Vertrag kündigt.139 Dazu hat er bei Bestehen eines wichtigen Grundes ein Recht. A maiore ad minus darf der Unternehmer sich auf die Kündigung der Vollmacht beschränken, falls der wichtige Grund so erheblich wäre, dass der gesamte Vertrag außerordentlich gekündigt werden könnte. Besitzt der HV Inkassovollmacht und soll er berechtigt sein, sich wegen seiner Provisionen durch Einbehaltung aus den eingezogenen Geldern zu befriedigen, darf ohne zwingenden Grund diese Vollmacht nicht einseitig widerrufen werden.140 40 Etwas schwieriger zu beantworten ist die Frage des Weisungsrechts. Vertragskonkretisierende Weisungen sind bereits nach allgemeinen Grundsätzen zulässig. Aber sofern der Unternehmer bei eigener Willenserklärung über Annahme oder Nichtannahme eines Geschäftes ent-

132 133 134 135 136 137 138 139 140

Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 11. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 8. Westphal I Rn 75. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 13a ff. Palandt/Heinrichs § 168 Rn 6. BGH WM 1969, 1009; 1985, 646; Palandt/Heinrichs § 168 Rn 6. Siehe etwa OLG Köln NJW-RR 2002, 602 (603); großzügig Kießling/Becker WM 2002, 578 ff. Angedeutet auch von Kießling/Becker WM 2002, 578 ff. OLG Celle DB 1961, 369.

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scheiden kann, darf nichts anders gelten, wenn er einen Abschlussvertreter bestellt hat. Er darf den HV anweisen, ein bestimmtes oder eine Gruppe von Geschäften zu unterlassen. Die Vollmacht bleibt bestehen, der Umfang der Ausübung wird jedoch mittels Weisung konkretisiert. Dieses Weisungsrecht geht soweit, wie der Unternehmer über Annahme und Ablehnung des durch einen Vermittlungsvertreter vermittelten Geschäfts entscheiden darf. Werden die Geschäfte des Abschlussvertreters hierdurch unbillig behindert, darf er ausgleichserhaltend gem. § 89b Abs. 3 kündigen.

bb) Vollmacht des Versicherungsvertreters. Die Vollmacht des Versicherungsvertreters re- 41 geln die §§ 69 bis 73 VVG. Versicherungsvertreter ist, wer mit Wissen und Willen des Versicherers einen Versicherungsvertrag vermittelt oder abschließt.141 Einzelheiten bei § 92. cc) Vollmachtsmissbrauch. Schließt der HV ohne Abschlussvollmacht Geschäfte oder über- 42 schreitet er den Umfang der Vollmacht, liegt ein Vollmachtsmissbrauch vor. Hierfür gelten die allgemeinen, aus den §§ 138, 242, 177 ff. BGB hergeleiteten Regeln.142 Näheres bei § 91a. § 91a trifft eine Sonderregelung der Missbrauchsfolgen im HV-Recht.143 Siehe hierzu die Kommentierung zu § 91a. dd) Beweislast. Zur Beweislast für die Vertretungsmacht des HV siehe Kommentierung zu 43 § 91a.

e) Gerichtliche Durchsetzung. Wie alle Pflichten des Mittlers, lässt sich auch seine Haupt- 44 pflicht auf Vermittlung und Vertrieb gerichtlich sichern, etwa im Wege der Erfüllungsklage. Hilfsweise kann Schadenersatz gefordert werden (Rn 222 ff.). Da eine Sicherung im Hauptsacheverfahren häufig zu spät kommt und sich auf Sekundäransprüche beschränken muss, kann der Unternehmer seine Ansprüche auch im Wege des Eilverfahrens sichern. Es gelten insoweit zu Gunsten bzw. zu Lasten des Unternehmers die für die einstweilige Verfügung eines Mittlers auf Fortsetzung des Vertrages in § 89a genannten Maßstäbe. Insbesondere ist für den Anordnungsgrund keine Notlage oder existentielle Betroffenheit des Unternehmers erforderlich. Es genügt eine klare Vertragsverletzung bei ebenso klar sichtbaren Erfolgsaussichten. Dies wird teilweise anders gesehen: Für eine Leistungsverfügung gegen einen FN auf Fortsetzung seines Geschäftsbetriebes (Betriebspflicht) fehlt nach dem LG Bochum wegen der Vorwegnahme der Hauptsache die erforderliche Dringlichkeit. Das soll jedenfalls gelten, sofern die Interessen des FG nicht überwiegen, z. B. weil er die Möglichkeit hat, eine Vertragsstrafe durchzusetzen.144 Der dem FG drohenden Imageverlust hat zurückzustehen.145 Ein Anordnungsgrund soll zumindest fehlen, wenn dem FN eine Existenzgefährdung146 oder Notlage droht.147

141 142 143 144 145 146 147 619

Prölss/Martin/Kollhosser § 43 Anm. 1; Westphal I Rn 83. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 6d. Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 19, § 19 Rn 64. LG Bochum, Beschl. v. 5.7.2017 – I – 3 O 165/17, ZVertriebsR 2017, 308 (309). LG Bochum, Beschl. v. 5.7.2017 – I – 3 O 165/17, ZVertriebsR 2017, 308 (309). LG Bochum, Beschl. v. 5.7.2017 – I – 3 O 165/17, ZVertriebsR 2017, 308 (309). Flohr ZVertriebsR 2017, 309 (310). Emde

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II. Nebenpflichten 1. Herausgabepflicht 45 Gemäß §§ 675, 667,148 812 BGB muss der HV alles, was er im Rahmen des Vertrages, auch von dritter Seite,149 erhalten hat unverzüglich nach Erledigung der Geschäftsbesorgung an den Unternehmer herausgeben150 und ggf. hierüber abrechnen (s. u., Rn 195). Nicht im Rahmen des HV-Vertrages Gewährtes braucht der HV nicht herauszugeben.151 Stellt der Geschäftsherr dem HV Mittel zur Ausführung des Vertrages zur Verfügung, kann er diese nach dessen Beendigung zurückverlangen. So fällt grds. alles, was dem HV zur Erledigung seiner Geschäftsbesorgung zur Verfügung gestellt worden ist, unter die Pflicht zur Herausgabe.152 Auch Gegenstände, die zur Verwendung bestimmt worden sind, sind – soweit sie noch vorhanden sind – herauszugeben.153 Soweit das Eigentum an den Gegenständen bei dem Unternehmer verbleibt, wie im Zweifel bei Mustern, konkurriert der Anspruch mit dem aus § 985 BGB. Während der vertraglichen Nutzungszeit – im Zweifel die Vertragslaufzeit154 – besteht ein Recht zum Besitz nach § 986 BGB. Zur Ausführung des Auftrags empfangen hat der HV zum einen das, was ihm der Unternehmer nach § 86a ausgehändigt hat, zum anderen aber auch von Dritten, etwa Kunden, Erhaltenes.155 Herauszugeben sind sowohl Gegenstände wie Rechtspositionen. Hinsichtlich der vom HV herauszugebenden Unterlagen besteht eine Rücknahmepflicht des Geschäftsherrn.156 Soweit an den Unternehmer herauszugebende Geschäftsunterlagen nicht nach § 90 geschützt sind, darf der HV vor der Herausgabe Kopien fertigen, jene jedoch nicht an Dritte weitergeben,157 wohl auch nicht an seinen Rechtsnachfolger.158 § 90 betrifft das Verwertungsrecht, die Herausgabepflicht die Verpflichtung zur Übergabe an den Unternehmer.159 Im Insolvenzverfahren sind vor Eröffnung des Verfahrens begründete Herausgabeansprüche einfache Insolvenzforderungen.160 Die Herausgabepflicht trifft auch den VV:161 Dem Versicherer steht mit Vertragsende gem. § 667 BGB ein Herausgabeanspruch zu allem zu, was der VV zur Ausführung des Auftrages erhalten und aus der Geschäftsbesorgung 148 LG Münster, Urt. v. 16.9.2010 – 24 O 94/09, BeckRS 2010, 23928 m. abl. Anm. Evers VW 2010, 1560; Ebenroth/ Löwisch3 § 86 Rn 46; Flohr/Wauschkuhn/Flohr2 § 675 BGB Rn 25; Ensthaler/Genzow § 86 Rn 10; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 55; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 35. 149 BGH NJW 2003, 743; OLG Stuttgart DB 1962, 405; Hopt § 86 Rn 17. 150 OLG Celle OLGZ 1970, 6 (8); LG Hamburg, Urt. v. 9.4.2013 – 346/08 (dort Anspruch wg. fehlendem inneren Zusammenhangs mit der Führung der Geschäfte verneint); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 46; Hopt § 86 Rn 17; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 55; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 35. 151 Nach Ansicht des LG Hamburg (Urt. v. 9.4.2013 – 310 U 346/08 (rechtskr.); das OLG Hamburg – 13 U 51/13 – gab den Hinweis, dass es die Entscheidung des LG teilt; die Parteien haben sich daraufhin verglichen) besitzen Zahlungen eines konkurrierenden Unternehmers, bei dem der HV eine nach Auslaufen des bisherigen HV-Vertrages beginnende HV-Tätigkeit aufnehmen will und die den HV motivieren sollen, beim bisherigen Unternehmer seine werbenden Bemühungen einzustellen oder zu reduzieren, nicht den von § 667 BGB geforderten inneren Zusammenhang mit der Führung der Geschäfte des geschädigten Prinzipals. Der aus § 667 BGB entstehende Herausgabeanspruch des geschädigten Unternehmers beschränke sich auf die Herausgabe dessen, was der HV aus der Geschäftsbesorgung erlangt habe. Dazu zählten Zahlungen zum Zwecke der Nichtdurchführung von Geschäften nicht. Es komme nur ein Schadenersatzanspruch in Betracht. 152 Flohr/Wauschkuhn/Flohr2 § 675 BGB Rn 26. 153 Flohr/Wauschkuhn/Flohr2 § 675 BGB Rn 26. 154 Vgl. Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 87. 155 Hopt § 86 Rn 17. 156 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 52. 157 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 52. 158 AA Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 52. 159 Hopt § 86 Rn 17. 160 Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 86. 161 Höld NJW 2016, 2774 (2777). Emde

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erlangt hat.162 Beispiele: EDV, insb. die vom Versicherer dem Agenten zur Verfügung gestellte EDV, Listen, Übersichten zu VN und Versicherungen.163 46 Herauszugeben sind: – Bestellschreiben164 – Bestechungsgelder, deren Entgegennahme dem HV ungeachtet der Herausgabepflicht auf Grund seiner Loyalitätspflicht nicht gestattet ist.165 Ist das aber geschehen, so hat er sie dem Unternehmer abzuliefern und ist über den Tatbestand rechenschaftspflichtig. Das Gleiche gilt für andere von Dritte zugewandte Leistungen.166 – Vom Unternehmer übergebene Bücher,167 EDV (Hard- und Software),168 insb. die dem Agenten zur Verfügung gestellte EDV.169 Der Herausgabepflicht unterliegen neben der körperlichen Hardware auch jedwede elektronische Daten170 – Elektronische Dateien,171 etwa mit herausgabepflichtigen Informationen. Die Speicherung geschieht im Interesse des Unternehmers. Selbst wenn sie im (auch) Interesse des HV erfolgt, muss er sie herausgeben172 – Geschäftsunterlagen173 – Geschäftswagen174 – Kassierte Gelder oder Prämien175 – Kopien des Schriftwechsels mit Kunden, insbesondere über angebahnte Geschäfte – Kundenanschriften und -listen,176 wohl auch vom HV selbst festgehaltene (vgl. Kommentierung zu § 90), soweit deren Inhalt dem Unternehmer nicht aufgrund der Mitteilungspflicht des HV bereits bekannt ist177 (sonst Erfüllungseinwand) – Kreditkartengebühren, die der HV weisungswidrig erhoben hat178 – Kundendateien,179 insb. die vom Unternehmer übergebene Kundenkartei.180 Eine bestimmte Aufbereitung oder geordnete Darstellung ist nicht erforrderlich. Denn herauszugeben sind, sofern nicht ausnahmsweise ein Recht zum Besitz besteht, gem. § 667 BGB alle zur Ausführung des Auftrages vom Unternehmer erhaltenen Kundendaten einerseits und aus der Geschäftsbesorgung erlangte andererseits. Die Herausgabepflicht reduziert sich mithin nicht auf die klas162 163 164 165

BGH GRUR 2012, 1048; Höld NJW 2016, 2774 (2777). BGH GRUR 2012, 1048; Höld NJW 2016, 2774 (2777). Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 46. RGZ 146, 205; 164, 98; LG Münster, Urt. v. 16.9.2010 – 24 O 94/09, BeckRS 2010, 23928 m. abl. Anm. Evers VW 2010, 1560; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 46; Hopt § 86 Rn 17; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 56; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 37. 166 LG Münster, Urt. v. 16.9.2010 – 24 O 94/09, BeckRS 2010, 23928 m. abl. Anm. Evers VW 2010, 1560. 167 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 35. 168 BGH GRUR 2012, 1048; Höld NJW 2016, 2774 (2777). 169 BGH GRUR 2012, 1048; Höld NJW 2016, 2774 (2777). 170 BGH GRUR 2012, 1048; Höld NJW 2016, 2774 (2777); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89 Rn 74. 171 BGH GRUR 2012, 1048; Höld NJW 2016, 2774 (2777); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89 Rn 74; Giesler/ Vogels2 § 2 Rn 515; Palandt/Sprau § 667 Rn 3. 172 Giesler/Vogels2 § 2 Rn 515. 173 Höld NJW 2016, 2774 (2777). 174 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 175 OLG Stuttgart DB 1962, 405; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 46; Hopt § 86 Rn 17; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 56; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 35. 176 BGH, Urt. v. 26.2.2009 – I ZR 28/06, BeckRS 2009, 09800 = DB 2009, 839 = WRP 2009, 613; vgl. BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 144/94, ZIP 1995, 1260; v. 28.1.1993 – I ZR 294/90, ZIP 1993, 703 mit krit. Anm. Oellers EWiR 1993, 421; aA Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; Hopt § 86 Rn 17 (Kundenlisten müssen nur zugänglich gemacht, aber nicht herausgegeben werden). 177 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 178 OLG Düsseldorf WM 1992, 913 (915); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 55. 179 Höld NJW 2016, 2774 (2777) – VV. 180 BGH EBE 1999, 204 (206); Ebenroth/Löwisch2 § 86 Rn 50. 621

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sisch verkörperte Kundendatei bzw. auf das elektronische Pendant. Sie erfasst vom Grundsatz her auch jedes einzelne Kundendatum.181 Bezüglich des einzelnen Kunden betrifft dies Informationen zur Person (Name, Anschrift, sonstiger Kontakt, Familienstand, dokumentierte Verbindungen zu anderen natürlichen oder juristischen Personen), bei VV zu Versicherungen (Portfolio, Policen, Nachträge, Anträge, Angebote, Analysen etc.) sowie zu Schäden (Regulierungsunterlagen, Stellungnahme, Asservate etc.).182 Muster,183 Zeichnungen,184 Preislisten und Geschäftsbedingungen.185 Die Rechtsverhältnisse an Musterkollektionen und Musterlagern, wie sie insbesondere Exportvertreter unterhalten, werden in der Regel vertraglich geregelt. Im Zweifel gelten folgende Grundsätze: Das Eigentum an den Mustergegenständen bleibt beim Unternehmer; zur Verfügung über sie oder zum Selbstverbrauch186 ist der HV nicht befugt. Den HV trifft jedoch eine mit kaufmännischer Sorgfalt zu erfüllende Verwahrungspflicht; sie umfasst auch die Pflicht des HV, das Kopieren der Muster durch Dritte tunlichst zu verhindern. Nach Handelsbrauch beurteilt es sich, ob und gegen welche Gefahren der HV zur Versicherung der Muster verpflichtet ist; im Übrigen finden die Grundsätze der §§ 388, 390 analoge Anwendung. Die Unterhaltung der Musterlager dient sowohl den Interessen des HV wie jenen des Unternehmers. Die Unterhaltungskosten sind daher nicht ohne weiteres als Aufwendungen im Interesse des Unternehmers anzusehen. Ob sie im Hinblick auf § 87d dem HV zu erstatten sind, beurteilt sich nach Handelsbrauch; grds. nicht anwendbar ist § 354. Es besteht auch keine aus Handelsübung entspringende Verpflichtung des HV, die Musterkollektionen bei Beendigung der Saison käuflich zu übernehmen. Für Auslieferungslager gelten diese Grundsätze entsprechend. Mit Wert und Gefahr steigen die Anforderungen an die erforderliche Sorgfalt187 Proben mangelhafter Lieferungen, die der HV bei Entgegennahme einer Mängelrüge nach §§ 55 Abs. 4, 91 Abs. 2 vom Kunden mit ausgehändigt erhalten hat Protokolle über ein von ihm beantragtes Beweissicherungsverfahren, die dem HV vom Gericht zugestellt worden sind Reklameschilder, insb. Leuchtreklame; Schriftsätze aus Gerichtsverfahren, auch Beweissicherungsverfahren,188 die für den Unternehmer bestimmt sind189 (Schriftsätze, bei denen der Vertreter selbst Partei ist, brauchen nicht herausgegeben zu werden, ggf. besteht ein Informationsrecht des Unternehmers aus § 242 BGB) Ursprungszeugnisse von Waren verbotswidrig angefertigte Kopien von Geschäftsunterlagen des Unternehmers190 Vertragsformulare191 Vorführgeräte192 Waren193 Warenproben,194 insbes. beim Einkaufsvertreter

181 182 183 184 185

Höld NJW 2016, 2774 (2777); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89 Rn 74 f. Höld NJW 2016, 2774 (2777). MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 56; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 35. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 35. Thume BB 1995, 1913 (1916); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 56; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 35. 186 LAG Düsseldorf DB 1960, 813. 187 BGH WM 1993, 1596; Hopt § 86 Rn 44. 188 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 56. 189 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 56. 190 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 191 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 192 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 64. 193 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 35. 194 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 64. Emde

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Wechsel und Schecks, die erfüllungshalber übergeben wurden195 generell Werbe- und Vermittlungsmittel, etwa Broschüren, Erläuterungen, Werbedrucksachen, Aufsteller und Produktinformationen.196 47 Ohne besondere Umstände nicht herauszugeben sind: – Die eigene kaufmännische Buchführung des HV.197 Es ist also immer objektiv zu prüfen, ob der HV die Dokumente für die eigene Buchführung benötigt.198 Ist das der Fall, besteht ggf. ein Informationsanspruch des Unternehmers aus § 242 BGB über deren Inhalt und ggf. Ablichtungen199 – Ein Auftragskontrollbuch, solange der HV dies noch zur Kontrolle der Abrechnungen benötigt200 – Schriftwechsel des HV mit dem Unternehmer. Dieser muss dem Unternehmer bekannt sein201 (nur ausnahmsweise Herausgabeanspruch aus § 242 BGB). Der Unternehmer muss von ihm empfangene Schreiben selbst dokumentieren und bedarf keiner Information durch den HV. – Originale des Schriftwechsels mit den Kunden oder zwischen HV.202 Sofern diese dem Unternehmer bekannt sind, versteht sich das von selbst (mangelndes Informationsinteresse).203 Der HV schuldet insoweit gem. § 242 BGB nur Information, wenn der Unternehmer entschuldbar über den Inhalt eines Rechts im Unklaren ist und der HV die Auskunft unschwer geben kann, etwa durch Übersendung von Kopien oder auf andere Weise geben kann.204 Die Herausgabepflicht fehlt insb. bei Dokumenten, welche der HV als selbständiger Unternehmer als Teil der eigenen Geschäftskorrespondenz aufbewahren muss (gg. Übermittlung von Kopien). – Kleinere Gelegenheitsgeschenke der Kunden, welche bestimmungsgemäß für den HV gedacht waren205 und die objektiv die Willensentschließung des HV nicht beeinflussen können, deren Annahme gegenüber dem Unternehmer also nicht treuwidrig erfolgt206 – Provisionen, die der HV infolge einer verbotswidrigen Tätigkeit von einem Wettbewerber des Unternehmers eingenommen hat (Rn 136). Sie wurden nicht im Rahmen des HV-Vertrages gewährt – Miles & More-Gutschriften oder Vorteile aus Bonusprogrammen, soweit der HV die den Vorteilen zugrunde liegenden Kosten selbst getragen hat.207 Um herauszugeben, muss der HV das Herauszugebende tatsächlich erlangt haben.208 Was der 48 HV pflichtwidrig nicht erlangt hat, kann nicht herausverlangt werden.209 Möglicherweise ist aber Schadenersatz geschuldet.210 – –

195 196 197 198 199 200 201 202 203

MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 56. BGH GRUR 2012, 1048; Höld NJW 2016, 2774 (2777); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89 Rn 74. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 37b. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 37b. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 37b. Giesler/Vogels2 § 2 Rn 512. RGZ 103, 393; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 35. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 35. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; aA (immer Herausgabepflicht) Hopt § 86 Rn 17; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 56; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 35. 204 OLG Hamm VersR 2001, 1154; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 37b. 205 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 37. 206 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 37. 207 Die zu Arbeitnehmern ergangene Entscheidung BAG, Urt. v. 11.4.2006 – 9 AZR 500/05, MDR 2007, 161 ist nicht übertragbar, weil der HV die Kosten der Reisen regelmäßig selbst trägt – siehe § 87d. 208 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 46; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 37a. 209 RGZ 55, 330; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 46; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 37a. 210 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 46; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 37a. 623

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Zu welchem Zeitpunkt die Herausgabepflicht zu erfüllen ist, bestimmt sich nach der Art des Erhaltenen. War es für die gesamte Vertragslaufzeit bestimmt (wovon im Zweifel auszugehen ist,211 insbesondere, wenn die Sachen für eine Vielzahl von Geschäften vorgesehen waren212), etwa überlassene Muster213 oder Preislisten,214 ist es erst nach Vertragsende herauszugeben.215 War es nur für den einzelnen Abschluss oder eine einzelne Vermittlung bzw. eine begrenzte Zeit bestimmt, ist es nach deren Ende herauszugeben,216 Preislisten ggf. auch nach Ablauf ihrer Geltungsdauer. Ist etwas von Dritten zur Weiterleitung an den Unternehmer erlangt worden, hat der HV es im Regelfall unverzüglich weiterzugeben.217 Das gleiche gilt, wenn der HV etwas überhaupt nicht hätte erhalten dürfen,218 etwa Schmiergelder.219 Das Recht zur Überlassung steht nicht unter der auflösenden Bedingung der Kenntnis des Unternehmers von der Eröffnung des InsV.220 Eingenommene Gelder sind, wenn der HV nicht regelmäßig derartige Gelder einnimmt, unverzüglich nach der Einnahme,221 ansonsten in regelmäßigen, zeitnahen Abständen222 abzuführen, sofern (ggf. konkludent) nichts Abweichendes vereinbart war. Der HV braucht aber Inkassobeträge nicht vorzufinanzieren, entsprechende Abreden wären nach § 307 BGB unwirksam.223 So brauchen mit dem Inkasso beauftragte HV, die ständig kleinere Summen entgegennehmen, jene wegen der anfallenden Kosten und des Arbeitsaufwands im Zweifel nicht kurzfristig, gar täglich, sondern nur in periodischen Abständen an den Unternehmer abzuführen, es sei denn, der Unternehmer erstattet die anfallenden Mehrkosten224 und es gibt gute Gründe für den entstehenden Arbeitsaufwand. Bis zur Herausgabe sind die eingenommenen Gelder getrennt von anderen Geldern aufzubewahren.225 Sofern vertraglich nicht ausgeschlossen, darf der HV mit eigenen Forderungen aufrechnen oder wegen solcher zurückhalten,226 falls nicht ausnahmsweise nach § 242 BGB der Unternehmer mit der sofortigen vollständigen Abführung rechnen durfte.227 Bei Existenz einer Inkassobefugnis wird der HV regelmäßig berechtigt sein, von den eingezogenen Geldern seine hierauf entfallenden Provisionsanteile einzubehalten und mit seinen fälligen Ansprüchen aus dem HV-Vertrag aufzurechnen, wenn nicht diese Rechte des HV im Einzelfall abbedungen sind.228 Dabei kommt es aber auf die Vertragsauslegung im Einzelfall an. 50 Da der HV alle vorgenannten Unterlagen nach Beendigung des HV-Vertrags herauszugeben hat, beinhaltet das eine Herausgabe in einem Zustand, der einer sorgfältigen Behandlung in der Zwischenzeit entspricht. Maßgebend ist wieder die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns. Werden die herauszugebenden Sachen beschädigt oder die Rückgabe unmöglich, so besteht eine Haftung des HV gem. § 280 BGB. Da der Verlust oder die Beschädigung aus der Sphäre des HV resultiert, muss er darlegen, welchen Grund es für den Verlust gab. Kann er keinen Grund

49

211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227

Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 87. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 55; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 36. Hopt § 86 Rn 17. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 36. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 55; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 36. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 55; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 36, 37. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 56. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 46. Hopt § 86 Rn 17, 23. AA Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 88. Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 54a. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 46; Hopt § 86 Rn 17; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 56. Hopt § 86 Rn 17. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 47. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 46. AA Hopt § 86 Rn 17. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 46; aA OLG Hamm NJW-RR 1994, 158. Grund: treuhänderische Verwahrung. Aber Geld gegen Geld darf immer aufgerechnet werden (Gleichwertigkeit). 228 So Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 46. Emde

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darlegen, der fehlende Fahrlässigkeit plausibel erscheinen lässt, ist diese zu Lasten des HV indiziert.229 Sofern die Gegenstände nicht zum Verkauf vorgesehen waren, valutiert der Schaden nicht in Höhe ihres Verkaufswertes sondern in Höhe des Anschaffungs- oder Herstellungspreises.230 Wird Herausgabe vereinnahmter Gelder gefordert, soll dem Unternehmer bei Kassenfehlbeständen kein Mitverschulden (§ 254 BGB) entgegengehalten werden können.231 Die Herausgabe erfolgt am Geschäftssitz des HV (Erfüllungsort).232 Die Kosten der reinen Herausgabe bis zur Tür seines Geschäftssitzes dürfte regelmäßig der HV zu tragen haben, die Kosten der Abholung und des Transports hingegen der Unternehmer.

2. Interessenwahrnehmungspflicht Bei der Vermittlungs- und der Abschlusstätigkeit macht sich die Pflicht des HV, die Interessen 51 des Unternehmers gebührend zu wahren, in herausgehobenem Maße geltend. Sie wird deshalb in diesem Zusammenhang auch eigens von HGB (Abs. 1 Hs 2) und RL (Art. 3 Abs. 1 Alt. 1, s. o.) genannt, ist für den HV-Vertrag wesensbestimmend und in ihrem Kernbereich zwingend.233 Aus ihr hat die Rspr. durch Fallgruppenbildung Unterpflichten abgeleitet, u. a. das Konkurrenzvertretungsverbot, die Bonitätsprüfungspflicht und die Verschwiegenheitspflicht. Schon der Wortlaut des § 86 Abs. 1 ergibt, dass es sich bei der Interessenwahrungspflicht um eine Nebenpflicht handelt. Gleichwohl ist sie eine der bedeutendsten Pflichten des HV überhaupt und zugleich seine wichtigste Nebenpflicht.

a) Persönlicher Anwendungsbereich. Die Interessenwahrungspflicht trifft ausschließlich 52 den Mittler (s. o.). Dem Unternehmer obliegt eine (regelmäßig schwächere) Treupflicht (Art. 4 Abs. 1 RL), nicht jedoch die Interessenwahrungspflicht des § 86 Abs. 1 HGB, Art. 3 Abs. 1 RL. Grund ist, dass der zur Geschäftsbesorgung Verpflichtete stärkere Treupflichten innehat als derjenige, der nur Geld (Provision) schuldet. Die Interessenwahrungspflicht obliegt auch dem wie ein HV in das Vertriebssystem des Unternehmers eingebundenen Vertriebsmittler, etwa dem Franchisenehmer und Vertragshändler. Hat sie in vertraglichen Bestimmungen solcher Verträge Niederschlag und Konkretisierung gefunden, ist sie – obwohl grundsätzlich Rechtsfolge und nicht TB-Voraussetzung – neben der vertraglich vorgeschriebenen Vertriebspflicht geradezu Indikator der Analogie. aa) Ein- und Mehrfirmenvertreter. Auch als Mehrfirmenvertreter schuldet der HV jedem 53 seiner Unternehmer Interessenwahrung und damit dieselbe Loyalität wie der Einfirmenvertreter.234 Das gilt auch für eine Internet-Plattform mit vielen Vertragspartnern.235 Allerdings darf der Unternehmer von einem Mehrfirmen-HV naturgemäß nicht den gleichen zeitlichen Einsatz wie von einem Einfirmenvertreter erwarten, ggf. ist jedoch eine dahingehende (konkludente) Abrede denkbar. Interessenkollisionen sind möglich,236 aber nach dem Veranlasserprinzip aufzulösen. In jedem Fall muss auch der Mehrfirmen-HV den übernommenen Pflichten gerecht 229 230 231 232 233

Ähnlich LG Darmstadt HVR Nr. 8; Küstner/Thume I, 5. Aufl., Kap. IV Rn 19. LG Darmstadt HVR Nr. 8, Küstner/Thume I, 5. Aufl., Kap. IV Rn 19. OLG Koblenz, Urt. v. 30.1.2006 – 12 U 127/01, WM 2006, 1452 (1455). Küstner/Thume I, 5. Aufl., Kap. IV Rn 25. BGHZ 97, 326; 112, 222; OLG Thüringen, Urt. v. 17.4.2019 – 2 U 437/18; OLG Naumburg, Urt. v. 24.5.2012 – 9 U 218/11, VersR 2012, 1035 (1037); Hopt § 86 Rn 20. 234 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 12; Hopt § 86 Rn 24. 235 Von Dreyer/Haskamp ZVertriebsR 2017, 359 als „problematisch“ bezeichnet. 236 Hopt § 86 Rn 24. 625

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werden.237 Vor- und Nachteile der möglw. konkurrierenden Ware muss er gegenüber dem Kunden jedoch wahrheitsgemäß darstellen.238

54 bb) Interessenwahrungspflicht zwischen Haupt- und Untervertreter. Der echte Untervertreter ist in erster Linie zur Wahrung der Interessen des Hauptvertreters verpflichtet.239 Deswegen soll er während des bestehenden Vertragsverhältnisses zu dem Hauptvertreter nicht hinter dessen Rücken Absprachen mit dem Unternehmer zur Übernahme der Handelsvertretung des Hauptvertreters treffen dürfen, jedenfalls solange jener noch ungekündigt ist und der Vertrag auch nicht infolge Befristung ausläuft.240 Das kann zweifelhaft sein, weil auch das HV-Recht Verträgen keine Statusgarantie gibt und der Untervertreter die Möglichkeit haben muss, rechtssichere Anschlussverträge zu zeichnen. Unmittelbare Pflichten gegenüber dem Unternehmer, mit welchem er nicht in vertraglichen Beziehungen steht, treffen den echten Untervertreter nicht.241 Im Zweifel liegt es jedoch im Interesse des Hauptvertreters, dass der Untervertreter auch die Interessen des Unternehmers, für welchen der Hauptvertreter tätig ist, wahrnimmt.242 Eine Verletzung der Pflichten oder der Interessenwahrungspflicht des HV gegenüber seinem Untervertreter und vice versa kann zugleich pflichtwidrig gegenüber dem Unternehmer sein, wenn hierfür ein sachlicher Grund fehlt und der Unternehmer geschädigt wird.243

55 b) Zeitlicher Anwendungsbereich und vorvertragliche Treupflichten. Gem. § 86 Abs. 1 Hs 2 hat der HV „bei“ der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen. Jedoch ist die Interessenwahrnehmungspflicht nicht nur bei oder bis zur Ausführung der Hauptpflichten sondern in jeder Situation wahrzunehmen244 (s. Art. 3 Abs. 1 RL), etwa auch während der Geschäftsabwicklung.245 Es handelt sich um eine beispielhafte Hervorhebung. Die Interessenwahrungspflicht besteht vertragsbegleitend. Sie beginnt mit Vertragsbeginn 56 (nicht Vertragsabschluss) und endet mit Vertragsende.246 Vor Vertragsbeginn und nach Vertragsende247 treffen die Parteien (meist schwächere) Treupflichten aus der Aufnahme von Vertragsverhandlungen (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB) sowie ebenfalls schwächere nachvertragliche Treupflichten,248 möglicherweise auch gesondert im Vertrag niedergelegte Pflichten, die Verschwiegenheitspflicht des § 90 bzw. ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, nicht jedoch die vertragsbegleitende Interessenwahrungspflicht.

57 aa) Vorvertragliche Treupflichten. Die von der Interessenwahrungspflicht zu separierende vorvertragliche Treupflicht verpflichtet den HV bereits vor Vertragsschluss zur Loyalität gegenüber dem Unternehmer, sofern durch die Verhandlungen Schutzpflichten erwartet werden dür237 238 239 240 241 242 243 244

BGH, Urt. v. 27.2.1981 – I ZR 39/79, DB 1981, 1772. BGH, Urt. v. 27.2.1976, NJW 1979, 2491; Hopt § 86 Rn 24. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 72; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 46. BGHZ 42, 59 mit abl. Bespr. v. Brunn DB 1964, 1841; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 72. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 72; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 46. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 46. BGH WM 1992, 2026; Hopt § 86 Rn 25. OLG Koblenz BB 1973, 866; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 72; Hopt § 86 Rn 20; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/ Thume4 § 86 Rn 9; Hopt § 86 Rn 20; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 31. 245 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 31. 246 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 13; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 4; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 11. 247 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 13. 248 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 4; Hopt § 86 Rn 20, 45. Emde

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fen. Sie beginnt spätestens mit Aufnahme ernsthafter Vertragsverhandlungen.249 Bei Scheitern der Verhandlungen besteht eine Verschwiegenheitspflicht analog § 90 in Bezug auf die dem HV anlässlich der Vertragsverhandlungen bekannt gewordenen und anvertrauten Geheimnisse.250 Insbesondere muss der HV – alles unterlassen, was den vorgesehenen Vertragszweck vereiteln oder erschweren könnte – über vorvertraglich mitgeteilte Vertragsgeheimnisse Vertraulichkeit bewahren251 – Den Unternehmer vor Vertragsschluss vollständig über alle wesentlichen, auch persönlichen Umstände unterrichten, die bei objektiver Würdigung aus der Sicht des Unternehmers für dessen Entscheidung zum Abschluss des HV-Vertrags von Bedeutung sein können,252 z. B. über solche, die der Vertragsdurchführung entgegenstehen könnten.253 Vorvertragliche Aufklärungspflichten können daher, je nach der Natur des HV-Vertrages bestehen über • Verschuldung254 • Stellung im Kundenkreis255 • Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung256 • Mangelnde oder bestehende Kenntnisse und Fähigkeiten257 • Konkurrenzvertretungen258 • die Absicht, die HV-Tätigkeit alsbald aufzugeben • Vorstrafen wohl aber nicht über: • Vertragsverhandlungen mit Wettbewerbern,259 es sei denn, der Unternehmer äußert Vertrauliches und würde dies in Kenntnis möglicher Wettbewerbstätigkeit nicht tun.

bb) Nachvertragliche Treupflichten. Die nachvertragliche Treupflicht fordert etwa – –

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eingehende Zahlungen weiterzuleiten (s.a, §§ 675, 667 BGB) nichts zu unternehmen was den Vertragszweck, insbesondere den vertraglich vorausgesetzten Erfolg oder den Bestand der vermittelten Geschäfte vereiteln oder erschweren könnte,260 selbst wenn der Unternehmer dem HV die Provision vorenthält261 anfragende Kunden auf das Ende des HV-Vertrages hinzuweisen.262 Sie fordert nicht nach Vertragsende das Abwerben von Kunden oder die nachvertragliche Tätigkeit für einen Wettbewerber zu unterlassen,263 soweit diese Tätigkeit nicht wettbewerbswidrig erfolgt. Denn dem HV obliegt ohne gesonderte Vereinbarung kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot (arg. e § 90a).

249 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 4. 250 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 4; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 11; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 12. Hopt § 86 Rn 45; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 12. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 4; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 30. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 4. OLG Nürnberg BB 1960, 956; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 4. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 30. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 4. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 4. Hohn DB 1971, 94 (96); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 4; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 30. AA Schlegelberger/Schröder §?86 Rn?40a. OLG Köln MDR 1967, 1026; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 13; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 11. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 13. LG Düsseldorf WRP 1969, 462 (463); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 13; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 11. 263 BGH, Urt. v. 19.11.1970 – VII ZR 47/69, BGHZ 55, 45 (57, 58) = NJW 1971, 462; v. 28.1.1993 – I ZR 294/90, ZIP 1993, 703 (704); BGH, Urt. v. 14.1.1999 – I ZR 2/97, EBE 1999, 204 (206); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 13.

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59 Notfalls muss sich der HV imstande halten, diese nachvertraglichen Pflichten zu erfüllen, bei einer Gesellschaft etwa durch ihren Geschäftsführer. Hat der HV vertragsbegleitend zu erfüllende Pflichten während der Vertragsdauer nicht erfüllt, bestehen diese nach Vertragsende fort. Je geringer die Mühe für den HV und je wichtiger die Erfüllung für den Unternehmer, umso eher ist von einer nachvertraglichen Erfüllungspflicht auszugehen.

60 c) Inhalt der Interessenwahrungspflicht. Die Interessenwahrungspflicht ist weitergehend als die bloße Treupflicht, die bei einem HV-Vertrag – über das in § 241 Abs. 2 BGB Geregelte hinaus – beide Parteien zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Vertragspartners verpflichtet. Gleichzeitig begründet sie eine Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 StGB,264 nicht aber bei bloßen Vertragswidrigkeiten,265 vor allem beim Abschlussvertreter. Auch obliegt einem IATA-HV gegenüber der Fluggesellschaft, deren Leistungen er vertreibt, hinsichtlich der von ihr eingezogenen Gegenleistung (Entgelte) eine Vermögensbetreuungspflicht.266 Denn die Verpflichtung zur Einziehung der Entgelte und ihre Abführung begründet eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Fluggesellschaft.267 Die Treupflichten obliegen beiden Vertragspartnern, die Interessenwahrungspflicht dagegen nur dem HV. Dies ist auch sachgerecht. Die vertragstypische Leistung erbringt der HV, nämlich die Vermittlungs- und Abschlusspflicht. Hierbei sind die Schädigungsmöglichkeiten gegenüber dem Unternehmer größer als reziprok, weil der HV den Unternehmer nach außen repräsentiert, während sich die Verpflichtung des Unternehmers zuvörderst auf die Zahlung von Geld beschränkt. Dass es gleichwohl einen großen Anwendungsbereich für die Treupflicht des Unternehmers gegenüber dem HV gibt, ist allerdings unbestritten. Der HV ist infolge der Interessenwahrungspflicht zur umfassenden Wahrnehmung der Be61 lange des Unternehmers verpflichtet, wobei er auch außervertraglich den Unternehmer nicht schädigen darf.268 Er muss alles Zumutbare tun, was im Interesse des Prinzipals erforderlich ist und alles unterlassen, was dessen Interessen widerspricht oder widersprechen kann269 und sich jederzeit ihm gegenüber loyal verhalten.270 Unerheblich ist dabei, ob er einen oder mehrere Unternehmer vertritt. Der HV steht nicht als „ehrlicher Makler“ unparteiisch zwischen Unternehmer und Kunden oder gar im Lager des Kunden.271 Er ist vielmehr einseitig nur Interessenswahrer des vertretenen Unternehmens.272

264 RGSt 71, 366; BGH, Urt. v. 29.10.1991 – 1 StR 513/91, wistra 1992, 60; v. 29.9.1982 – 2 StR 360/82, NStZ 1983, 74 (bei Verletzung der Pflichten aus der Verwaltung eines Konsignationslagers, wobei der BGH offen lässt, ob der normale Vermittlungsvertreter ohne Hinzutreten weiterer Umstände § 266 StGB untersteht); OLG Hamm JMBlNW 1956, 58; 1964, 1399; OLG Koblenz, Urt. v. 13.2.1968 – 2 Ss 17/68, MDR 1968, 779 (Nichtweiterleitung kassierter Gelder selbst ohne Inkassobefugnis); OLG Köln, Urt. v. 20.6.1967 – Ss 127/67, MDR 1967, 1026 (Nutzung einer konkretisierten Geschäftschance des Unternehmers durch den HV für einen anderen Unternehmer); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 2; Fischer StGB, § 266 Rn 21; Perron in: Schönke/Schröder/Lenckner § 266 Rn 25. 265 OLG Koblenz, Urt. v. 13.2.1968 – 2 Ss 17/68, MDR 1968, 779 (780); OLG Köln, Urt. v. 20.6.1967 – Ss 127/67, MDR 1967, 1026 (1027); zweifelnd wohl auch BGH, Urt. v. 29.9.1982 – 2 StR 360/82, NStZ 1983, 74. 266 BGH, Urt. v. 24.4.2018 – VI ZR 250/17, VersR 2018, 943 Rn 16. 267 BGH, Urt. v. 24.4.2018 – VI ZR 250/17, VersR 2018, 943 Rn 19. 268 Missverständlich Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 16: Interessenwahrungspflicht nur im Rahmen der Dienstleistungspflicht. 269 BGHZ 42, 59 (61); BGH DB 1988, 751; EBE 1999, 13 (15); OLG Koblenz BB 1973, 866; LG Kiel, Urt. v. 17.10.2014 – 14 U 6/14 (VV); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 5; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 1; Hopt § 86 Rn 21; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 29; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 16. 270 LG Kiel, Urt. v. 17.10.2014 – 14 U 6/14 (VV); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 29; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 16, 29. 271 BGH BB 1979, 242; Hopt § 86 Rn 20; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 19. 272 OLG Koblenz BB 1973, 866; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 34; Westphal I Rn 215. Emde

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Dass der HV gegenüber eigenen Interessen, insb. dem Provisionsinteresse, grundsätzlich 62 den Interessen des Unternehmers Vorrang zu geben hat,273 mag als Grundregel oder besser „Vermutung“ richtig sein. Gleichwohl kann der Vorrang nur für gleichgewichtige Interessen gelten. Es ist also in jedem Einzelfall abzuwägen, welches Gewicht die Interessen des Unternehmers und des HV einnehmen.274 Überwiegen die Interessen des HV auch im Lichte der ihm gegenüber dem Unternehmer obliegenden Pflichten erheblich, kommt ihnen Vorrang zu. Will der HV in diesem Fall seinen eigenen Interessen Vorrang einräumen, muss er kündigen.275 Ein Vorrang des Unternehmerinteresses scheidet nicht erst dort aus, wo sich der Unternehmer willkürlich und ohne Grund über die schutzwürdigen Belange seines HV hinwegsetzt.276 Ein Vertragspartner, der sich selbst treuwidrig verhält, kann sich auf eine Pflichtverletzung des anderen Vertragspartners, die aufgrund dieses treuwidrigen Verhaltens erfolgt, nicht berufen.277

d) Untergruppen der Interessenwahrungspflicht. Die Interessenwahrnehmungspflicht 63 muss durch konkrete Pflichten ausgefüllt werden.278 Es gibt eine weitverzweigte Kasuistik. Folgende Neben- oder Unterpflichten des Vertreters werden aus der Interessenwahrnehmungspflicht abgeleitet: aa) Aufbewahrungspflicht. Als Ausprägung der Interessenwahrungspflicht279 hat der HV die 64 vom Unternehmer für die Vertragstätigkeit überlassenen Gegenstände, insbesondere eingenommene Gelder, Muster, Preislisten, Geschäftsunterlagen, Werbematerial und Vorführgeräte, sorgfältig aufzubewahren280 und vor unbefugtem Zugriff zu sichern.281 §§ 388, 390 gelten entsprechend.282 Eine Versicherungspflicht besteht ohne gesonderte Vereinbarung nicht,283 wobei umstritten ist, ob § 86a Abs. 3 der Vereinbarung einer Versicherungspflicht entgegensteht – wofür einiges spricht.284 Die Anforderungen an die zu beachtende Sorgfalt steigern sich mit dem Wert der Gegenstände.285 Vertragswidrig wäre insbesondere: 65 – die unsichere Verwahrung, welche es ermöglicht, dass Dritte Kenntnis von Geschäftsgeheimnissen erlangen286 oder Eigentum des Unternehmers stehlen können287

273 OLG Koblenz BB 1973, 866; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 35; Westphal I Rn 215; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 14; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 29; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 16, 18. 274 Vgl. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 35. 275 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 9. 276 Zu dieser Grenze BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219. 277 OLG München, Urt. v. 10.6.2009 – 7 U 4522/08, VersR 2010, 344. 278 Westphal I Rn 216. 279 BGH WM 1993, 1596; Hopt § 86 Rn 17; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 54: Rechtsgrundlage ist „Treu und Glauben“. 280 BGH, Urt. v. 7.4.1993 – VIII ZR 133/92, NJW-RR 1993, 926; OLG Celle BB 1958, 894; Hopt § 86 Rn 17; Thume BB 1995, 1913 (1916) für Musterkollektion; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 54; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 6. 281 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 10. 282 Hopt § 86 Rn 17. 283 Thume BB 1995, 1913 (1914 f.); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 10; Hopt § 86 Rn 17; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 54; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 6; aA LG Hannover MDR 1984, 1028. 284 AA Hopt § 86 Rn 17. 285 BGH NJW-RR 1993, 926; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 54. 286 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 54. 287 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 64. 629

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wenn der HV eine ihm überlassene Schmuckkollektion im Wert von rund 35.000 EUR über die Mittagszeit in einem Fahrzeug ohne besondere Sicherungsvorkehrung belässt, welches auf einem unbewachten Parkplatz in der Nähe einer Fußgängerzone abgestellt ist, und sich für etwa 40 Minuten entfernt288 – die Nutzung oder Duldung des Kopierens überlassener Unterlagen durch Dritte289 – der Selbstverbrauch290 – die Veräußerung der verwahrten Gegenstände.291 66 Wird die Aufbewahrungspflicht verletzt oder die Rückgabe (s. u. zur Herausgabepflicht) unmöglich, so kann der HV gemäß § 280 BGB haften.

67 bb) Bonitätsprüfungspflicht. Einen Unterfall der Interessenwahrungspflicht bildet auch die Bonitätsprüfungspflicht.292 Allerdings ist sie im Lichte des dem HV Zumutbaren und Möglichen auszulegen.293 Der Grundsatz ist, dass der HV im Rahmen des Zumutbaren die Bonität, Kreditwürdigkeit und kaufmännische Zuverlässigkeit jedes Kunden zu prüfen294 und das Ergebnis dem Unternehmer unverzüglich, spätestens bei Meldung des Geschäfts,295 mitzuteilen hat. Je nach Sachlage muss der HV eine Auslieferung der Ware ohne Prüfung verhindern.296 Das gilt in erster Linie für neu geworbene Kunden.297 In der Praxis ist diese Pflicht schwach entwickelt. Nachträglich erhaltene Informationen und Bedenken sind unverzüglich weiterzuleiten. Insbesondere hat der HV solche Informationen einzuholen, die ohne Kosten und Schwierigkeiten zugänglich sind.298 Das allerdings sagt noch nichts über den Umfang der Prüfungspflicht im Detail. Der HV hat sich nur in seinem geschäftlichen Umfeld über die Bonität des Kunden zu erkundigen. Ein HV ist kein Detektiv, sondern (regelmäßig) Kaufmann. Er ist deshalb grundsätzlich nicht verpflichtet, detektivische Ermittlungen einzuleiten, um die Bonität des Kunden zu sondieren, zumal solche Ermittlungen den Kunden verärgern könnten. Insb. ist er nicht verpflichtet, kostenpflichtige Auskünfte, etwa Creditreform oder Schimmelpfeng-Auskünfte einzuholen, sofern entsprechendes nicht ausdrücklich vereinbart wurde.299 Ob er bis zum Beweis des Gegenteils der allgemeinen Meinung folgen darf,300 ist angesichts seiner Untersuchungspflicht fraglich. Da er andererseits Zweifeln über die Bonität des Kunden nachzugehen hat (auch wenn er sie nicht selbst teilt),301 mögen solche Auskünfte gefordert sein, falls es konkrete Zweifel gibt.

288 BGH BB 1993, 1105; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 64. 289 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 54. 290 LAG Düsseldorf DB 1960, 813; Thume in: Küstner/Thume I, 5. Aufl., Kap. IV Rn 18; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 64. 291 IHK Berlin, Handelsbrauch- u. HV-Recht, 1952, Gutachten Nr. 183; Thume in: Küstner/Thume I, 5. Aufl., Kap. IV Rn 18; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 64; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 6. 292 RGZ 18, 112; OLG Karlsruhe DB 1969, 741; Rumpf AcP 119 (1921), 1 (92); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 39; Hopt § 86 Rn 21. 293 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 39. 294 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 20; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 39; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 14; Hopt § 86b Rn 1; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17; Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 11. Aufl. 2011, § 86b Rn 1. 295 RGZ 18, 112; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 39; Hopt § 86 Rn 21; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17. 296 OLG Karlsruhe DB 1969, 741; Hopt § 86 Rn 21. 297 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 15. 298 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 60. 299 AG Coburg HVR Nr. 95; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 29; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 40; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 60. 300 So OLG Düsseldorf HVR (54) Nr. 59; Hopt § 86 Rn 21. 301 BGH BB 1969, 1196; OLG 11, 23; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 29; Hopt § 86 Rn 21; Schlegelberger/ Schröder § 86 Rn 17. Emde

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Insbes. muss der HV deutlich auf den Verdacht hinweisen, der Kunde werde Zahlungsziele nicht einhalten oder säumig werden,302 auch auf Einschätzungen oder Zweifel Dritter, sogar Gerüchte, selbst wenn sie der HV nicht teilt.303 Was der HV ohne Kosten und Schwierigkeiten über die Kreditwürdigkeit des neuen Kunden in Erfahrung bringen kann, darum hat er sich zu bemühen. Möglicherweise kommen ihm Informationen insoweit auch ungefragt zu. Ungünstige Informationen hat er in jedem Falle weiterzugeben, aber auch Hinweise auf Quellen, die ihm einstweilen nicht zuverlässig erscheinen: das Urteil über die Stichhaltigkeit hat er dem Unternehmer zu überlassen.304 Der Mittler hat insbes. auf Zweifel hinweisen, damit der Unternehmer von sich aus das Erforderliche veranlassen kann.305 Er ist auch gehalten, aus seiner besseren Kenntnis heraus eine beim Unternehmer erkennbar vorhandene Fehlvorstellung über die Kreditwürdigkeit des Kunden richtigzustellen. Höchstkredite für einen Kunden darf er nur aufgeben, wenn sichere Anhaltspunkte für deren Vertretbarkeit bestehen.306 Einer Prüfung der Bonität bedarf es nur dann nicht, sofern sich der HV aufgrund seiner 68 Erfahrung auf den äußeren Anschein der Solvenz verlassen kann307 oder wenn eine ständige Geschäftsbeziehung ohne Beanstandungen dafür spricht, der betreffende Kunde werde seinen laufenden Zahlungsverpflichtungen wie bisher ordnungsgemäß nachkommen.308 Gleiches gilt bei Kenntnis des HV, ein neugeworbener Kunde habe bei anderen vom HV vertretenen Unternehmen pünktlich gezahlt.309 Eine Prüfungspflicht besteht aber im vorgenannten Umfang bei Geschäftsaufnahme mit neuen Kunden, besonders, wenn der HV sie warb.310 Einer ständigen Überprüfung muss der HV bekannte Kunden nicht unterziehen.311 Die Bonitätsprüfungspflicht lebt jedoch wieder auf, falls der HV eine entsprechende Weisung des Unternehmers oder Hinweise auf eine Verschlechterung der Bonität erhalten hat.312 Solchen Hinweisen hat der HV nachzugehen und den Unternehmer selbst dann unverzüglich vom Ergebnis zu unterrichten, wenn das vermittelte Geschäft bereits abgeschlossen ist.313 Insbesondere nachträglich aufgetretene Bedenken hat der HV dem Unternehmer zu unterbreiten:314 möglicherweise hat dieser den vermittelten Abschluss noch nicht bestätigt, möglicherweise steht er unmittelbar vor weiteren Abschlüssen mit dem Kunden. Sogar Informationen, welche der HV erst nach Geschäftsabschluss erhält, hat er an den Unternehmer weiterzuleiten.315 Rechtstechnisch zählt dies zur Nachrichtspflicht.316 Nach der Abwicklung des Geschäfts kann die Prüfung und Unterrichtung unterbleiben, sofern Folgegeschäfte mit dem Kunden nicht anstehen.317 Ist der HV zur Prüfung 302 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 29. 303 BGH, Urt. v. 19.6.1969 – VII ZR 39/67, DB 1969, 1787 = BB 1969, 1196; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 39; Hopt § 86 Rn 21.

304 Vgl. hierüber RG LZ 1927 Spalte 1269 (dort war der Verpflichtung genügt worden) und BGH BB 1969, 1196 (der HV kann sich nicht damit entlasten, dass er, falls das Geschäft wegen der ausbleibenden Zahlung des Kunden „platzt“, ja auch keine Provision erhalte, er also wegen des einschlagenden eigenen Interesses nur für Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten einzustehen brauche). 305 BGH BB 1969, 1196; OLG 11, 23; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 29; Hopt § 86 Rn 21; Schlegelberger/ Schröder § 86 Rn 17. 306 LG Heidelberg BB 1955, 942; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17. 307 AG Coburg HVR Nr. 95; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 27. 308 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 27; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 15. 309 LG Bonn HVR Nr. 60; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 28; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 60; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17. 310 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 9. 311 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 41; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 14; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17. 312 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 41. 313 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 41; Hopt § 86 Rn 21; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 59. 314 Hopt § 86 Rn 21. 315 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 60. 316 Hopt § 86 Rn 21. 317 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 41. 631

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der Bonität unfähig, hat er diese nicht vorgenommen oder ergibt jene kein klares Bild, ist dies dem Unternehmer spätestens mit dem Bericht über das vermittelte Geschäft (§ 86 Abs. 1 Alt.2) mitzuteilen. Der Unternehmer mag dann entscheiden, ob er das Geschäft schließt oder selbst forscht. 69 Die Bonitätsprüfungspflicht obliegt dem HV auch bei kleineren Aufträgen.318 Sie vergrößert sich proportional zur Höhe der finanziellen Gefährdung des Unternehmers.319 Besonders hohe Auftragssummen erfordern eine außergewöhnlich sorgsame Prüfung. Da der Unternehmer die Bonität des Kunden nicht untersuchen kann, wenn der HV als Abschlussvertreter vor Abschluss keine Rückfrage beim Unternehmer hält, muss der HV in einer solchen Situation gerade bei Neukunden besonders sorgsam sondieren.320 Im Falle von Zweifeln hat der Abschlussvertreter beim Unternehmer rückzufragen und Weisungen einzuholen321 oder sich auf die Tätigkeit als Vermittlungsvertreter zu beschränken. Bei Verletzung seiner Bonitätsprüfungspflicht haftet der HV,322 auch für Fahrlässig70 keit.323 Jedoch haftet der HV nicht für die unbedingte Richtigkeit einer Bonitätsauskunft,324 sondern nur für pflichtwidriges, der verkehrsüblichen Sorgfalt widersprechendes325 Verhalten. Haftungsfälle stehen kaum im Mittelpunkt gerichtlicher Entscheidungen. Leitet ein HV eine ungünstige Kreditauskunft nicht weiter, weil er sie für bedeutungslos hält, besteht eine zum Schadenersatz326 sowie zur außerordentlichen Kündigung327 berechtigende Pflichtwidrigkeit. Die Grenze zur Pflichtwidrigkeit ist eher höher anzusetzen,328 und zwar weil der HV – wie ausgeführt – kein Detektiv ist. Zudem bleibt dem HV der Beweis alternativer Kausalität wie der Einwand des Mitverschuldens (§ 254 BGB).329 Hätte er selbst bei pflichtgemäßem Verhalten kein zutreffendes Bild über die Vermögenslage des betreffenden Kunden gewinnen können, so fehlt es an einem vorwerfbaren Schaden.330 Das Gleiche gilt, sofern der HV nachweisen kann, der Unternehmer hätte auch nach Warnung oder Information über die nicht vorgenommene Prüfung das Geschäft mit dem Kunden geschlossen. Wenn der Unternehmer in vergleichbaren Fällen geliefert hat, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, er hätte gleiches auch im streitigen Fall getan. Der Umfang der Prüfungspflicht darf vertraglich erweitert werden, mittels AGB jedoch in 71 mehr als unerheblichem Umfang nur bei angemessener Vergütung.331 Kommt die vertragliche Erweiterung einer Delkrederehaftung nahe, gilt § 86b. Die zu weitgehende Einstandspflicht kann den HV zum „unechten HV“ i. S. d. LL zur GVO 330/10 machen (Vor § 84 Rn 242 ff.).

72 cc) Förder- und Loyalitätspflicht. Die Förder- und Loyalitätspflicht ist der Kern der Interessenwahrungspflicht. Der HV steht zum Unternehmer im Verhältnis gegenseitiger Loyalität, die

AG Coburg HVR Nr. 95; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 29. Vgl. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 39. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 39. RG JW 1919, 450; OLG Düsseldorf HVR Nr. 59; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 16; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 61; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17; Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 11. Aufl. 2011, § 86b Rn 1. 323 AA Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 39; Hopt § 86 Rn 21; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 61. 324 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 61; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17. 325 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17. 326 BGH, Urt. v. 19.6.1969 – VII ZR 39/67, DB 1969, 1787; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 16. 327 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 16. 328 Wohl auch Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 16. 329 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 61. 330 OLG Düsseldorf HVR Nr. 59; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 15. 331 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 39.

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vom BGH332 und auch sonst oft mit dem auch aus dem Gesellschaftsrecht bekannten Ausdruck der Treupflicht bezeichnet wird. Jene wird allerdings durch die stärkere und speziellere Interessenwahrungspflicht, deren Ausprägung die Loyalitätspflicht ist, überlagert. Ein HV ist kein unparteiischer Makler zwischen den Parteien333 sondern parteiischer Interessenwahrer des Unternehmers. Daraus erwachsen für den HV einige allgemeine Pflichten, Handlungspflichten und – praktisch fast noch wichtiger – Unterlassungspflichten. Der HV hat die Interessen und Geschäfte des Auftraggebers mit voller Kraft zu fördern, günstige Geschäfte für ihn herbeizuführen334 und ihm loyal zur Seite zu stehen, und zwar vertragsbegleitend während der gesamten Laufzeit des Vertrages.335 Ziel seiner Tätigkeit muss es sein, sich um das Optimum des geschäftlichen Erfolges für den Unternehmer zu bemühen. Einen „Dienst nach Vorschrift“ verbietet nicht nur die Verpflichtung zur Vermittlung und zum Abschluss, sondern auch die Interessenwahrnehmungspflicht. Gleichwohl darf der HV den Kunden nicht bewusst schädigen (zur Haftung des HV gegenüber dem Kunden Rn 226 ff.). Der allgemeinen Förderungs- und Loyalitätspflicht sind folgende Pflichten des HV zuzuordnen. Der HV darf nicht (siehe auch oben zur Vermittlungs- und Abschlusspflicht sowie unten zum Verbot der Nachteilszufügung): – einen anderen HV des Unternehmers abwerben,336 auch nicht für einen Dritten, der kein Wettbewerber ist. Einem HV soll es aber nicht verwehrt sein, sich mit seinen Kollegen über seine beruflichen Pläne zu unterhalten, dabei auf bessere Verdienstmöglichkeiten hinzuweisen und mit ihnen ggf. darüber zu sprechen, ob sie gemeinsam in einen anderen Betrieb überwechseln337 – Bestechungsgelder fordern oder annehmen.338 Der HV kann sich bei deren Annahme gem. §§ 299 StGB strafbar machen.339 Der Einwand, der Abschluss wäre ohnehin nicht zu besseren Konditionen zustande gekommen, leugnet nur den Schaden, rechtfertigt jedoch nicht den Vertrauensverlust340 – zugleich als Makler für einen Kunden tätig sein, weil der Unternehmer dann nicht mehr der uneingeschränkten Loyalität des HV sicher sein kann341 – seinen Einsatz in Kleinaufträgen verzetteln, wenn darüber die Möglichkeit eines lohnenden Großauftrages vernachlässigt wird – als Bezirksvertreter mit Abschlussvollmacht, aber auch sonst, falls sein Vertragsverhältnis sich dem Ende nähert – etwa in der Zeit nach ausgesprochener Kündigung –, vermehrt sog. Jahresverträge mit den bezirksansässigen Kunden vermitteln und abschließen, d. h. solche Verträge, deren Abwicklung sich noch längere Zeit nach Ende seines HV-Verhältnisses hinziehen und ihm hierfür weitere Provisionen sichern wird, weil er dadurch die kontinuierliche Betreuung des Bezirks zu seinem eigenen Nutzen blockiert und dem Unternehmer die Gewinnung eines Nachfolgers erheblich erschwert – spiegelbildlich als Versicherungsvertreter Verträge mit untypisch kurzer Laufzeit vermitteln, um nach Ende der Laufzeit und des HV-Vertrages die Verträge auf einen neuen Versicherer umzudecken. Hat der Unternehmer solche Verträge angenommen wird es an einem Schaden fehlen

332 BB 1966, 999. 333 BGH BB 1979, 242; Hopt § 86 Rn 20. 334 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 11; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 30. 335 LG Kiel, Urt. v. 17.10.2014 – 14 U 6/14 (VV) – „umfassende Loyalitätspflicht“; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7. 336 BGH MDR 1977, 644; OLG Stuttgart, Urt. v. 6.11.1992 – 2 U 169/92, BeckRS 1992, 05088; Hopt § 86 Rn 21. 337 OLG Stuttgart, Urt. v. 6.11.1992 – 2 U 169/92, BeckRS 1992, 05088. 338 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 9; Hopt § 86 Rn 23; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 38. 339 Hopt § 86 Rn 23. 340 Hopt § 86 Rn 23. 341 BGH NJW 1974, 137; Hopt § 86 Rn 20; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 32. 633

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bei nahendem Vertragsende die Umwerbung/Umdeckung von Bestandsverträgen zu einem neuen Unternehmer vorbereiten. Insbesondere darf er Kunden nicht bei der Kündigung von Verträgen mit dem Unternehmer unterstützen, etwa durch die Fertigung vorformulierter Kündigungsschreiben342 – als Vermittlungsvertreter, dem gegenüber Mängelrügen, Zurverfügungstellungen und ähnliche rechtswahrende Akte des Kunden mit Wirkung gegen den Unternehmer erklärt werden können (§ 91 Abs. 2; das gleiche gilt für den Abschlussvertreter nach § 55 Abs. 4), die Entgegennahme solcher Erklärungen verweigern (selbst wenn er das mit rechtlicher Wirkung vermöchte) und den Kunden an den Unternehmer verweisen. Er muss sich hierfür bereithalten, schon um den Kunden nicht noch mehr zu verärgern. Ob er, weil er es darf, auch verpflichtet ist, von sich aus die Rechte des Unternehmers auf Sicherung des Beweises geltend zu machen, wird von dem Grade der bei ihm vorauszusetzenden rechtlichen Gewandtheit abhängen. Bei HV im Nebenberuf wird das im Allgemeinen nicht der Fall sein, eher schon beim Inhaber einer kaufmännischen Agenturfirma. Wo nicht, setzt dann aber jedenfalls die sofortige Berichtspflicht über die Bemängelung des Kunden ein; der HV wird daraufhin zum Unternehmer zu den zu ergreifenden Schritten angewiesen werden können, mindestens zur Beauftragung eines vom HV an Ort und Stelle auszuwählenden Anwalts – sich widersprüchlich verhalten. So handelt ein VV, der das Recht zum Widerspruch bei Abschluss eines Versicherungsvertrages kennt, rechtsmissbräuchlich, wenn er sich nach Jahren auf sein Recht zum Widerspruch beruft.343 73 Dagegen fordert die Förder- und Loyalitätspflicht vom HV etwa: – Handelsbücher zu führen344 – den Unternehmer vor Schäden zu bewahren.345

74 dd) Informationspflicht. Die allgemeine Informationspflicht wird überwiegend aus der Interessenwahrungspflicht hergeleitet. Nach der hier eingenommenen Ansicht handelt es sich um einen Unterfall der Nachrichtspflicht des Abs. 2. Als solcher Unterfall wird die allgemeine Informationspflicht hier systematisch eingeordnet und daher unten, Rn 138 ff. behandelt. Sie trifft analog § 86 auch den Vertragshändler346 und FN.347

75 ee) Marktbeobachtungspflicht. Der HV ist nicht nur dazu berufen und bestellt, sich um Geschäftsabschlüsse zu bemühen. Er ist zugleich der Außenposten des Unternehmers am Markt, dessen Puls er fühlt und dessen Strömungen ihm vor allem einsehbar werden. Seine nicht geringste Aufgabe ist es, ständig den Markt zu beobachten und zu prüfen, Marktlücken ausfindig zu machen;348 Aufnahmefähigkeit, Wünsche oder Geschmacksrichtung des Interessentenkreises aufzuspüren, gesetzliche Schranken, die sich dem Vertrieb entgegenstellen, zu verfolgen, das Auftauchen von Konkurrenzfabrikaten im Auge zu behalten, Verletzungen gewerblicher Schutzrechte des Unternehmers zu registrieren und über alles dem Unternehmer zu berichten. Gerade hier wird seine Stellung als die eines Wahrers der Interessen des Unternehmers am reinsten sichtbar.349 Wieweit er

342 OLG Thüringen, Urt. v. 17.4.2019 – 2 U 437/18; LG Münster, Urt. v. 31.7.2015 – 8 O 192/15, VW 10/2015, 88 m. Anm. Evers/Oberst. Dies rechtfertigt eine einstweilige Verfügung, so das LG. 343 OLG Stuttgart, Urt. v. 6.11.2014 – 7 U 147/10, BeckRS 2014, 20815. 344 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 62. 345 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 9. 346 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 290; Westphal II Rn 159; Stumpf/Jaletzke/Schultze, Rn 287; Ulmer S. 433. 347 Höpfner in: Giesler, Franchiserecht, § 7 Rn 20; aA Giesler/Giesler/Güntzel2 § 4 Rn 469. 348 OLG Celle BB 1970, 228; Rumpf AcP 119 (1921), 1 (89); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 86 Rn 19; Hopt § 86 Rn 13; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 45. 349 Rumpf AcP 119, 89/90. Emde

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die Möglichkeiten der Verwertung technischer Neuerungen in seine Beobachtungen einzubeziehen hat, ist Tatfrage und wohl nur dann zu bejahen, wenn die Verhältnisse gerade in seinem Vertreterbezirk das nahe legen und seinem Urteil das entsprechende technische Verständnis unterstellt werden darf; sonst aber wird derartiges nicht zu seinen Aufgaben gehören.

ff) Organisationspflicht. Der HV muss seinen Geschäftsbetrieb so organisieren, einrichten 76 und ausstatten (insbes auch technisch), dass er die vertraglich übernommenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann.350 Erforderliches Personal hat er einzustellen.351 Ggf. hat er das Unternehmen an den Wettbewerb anzupassen.

gg) Prüfungspflicht. Teil der aus der Interessenwahrungspflicht hergeleiteten Nebenpflichten 77 ist auch die Pflicht zur Prüfung352 der Umstände des Geschäfts, die terminologisch unzureichend von der Nachrichtspflicht abgrenzend auch als Informationspflicht bezeichnet wird. Gemeint ist nicht die Erteilung von Informationen an den Unternehmer, sondern die Einholung von Informationen durch den Vertreter. Die hier angesprochene Prüfungspflicht ist Vorstufe der Nachrichtspflicht. Denn ohne vorherige Prüfung kann es keine substantiellen Nachrichten an den Unternehmer geben. Der HV muss sich über alles informieren, was für den Vertrag und den Unternehmer relevant sein könnte, wobei – nicht anders als bei der Bonitätsprüfungspflicht – keine detektivischen Ermittlungen geschuldet sind. Ausprägung dessen ist etwa die Bonitätsprüfungspflicht, die ihrer Bedeutung wegen oben gesondert beschrieben wurde. Eine Nachforschungspflicht besteht insbesondere bei sich aufdrängenden oder konkreten Verdachtsmomenten. Nicht zu den Prüfungspflichten des Vertreters gehört es ohne entsprechende Regelung im 78 HV-Vertrag regelmäßig, sich nach öffentlich-rechtlichen Erlaubnissen des Geschäftspartners zu erkundigen353 (der HV ist kein Rechtsanwalt). Grenze wird bei den rein kaufmännisch-wirtschaftlichen Verhältnissen des Kunden zu ziehen sein. Eine rechtsfrageobliegende Prüfungsobliegenheit kann stillschweigend vereinbart sein, wenn der Unternehmer einen HV mit ausgewiesenen Rechtskenntnissen und Erfahrung auf diesem Gebiet beauftragt.354 Weiß der HV um öffentlich-rechtliche Hindernisse, wird er solche Kenntnis dem Unternehmer gegenüber nicht unterdrücken dürfen. Der HV muss auch diesbezüglich konkreten Verdachtsmomenten nachgehen.355 hh) Verbot der Nachteilszufügung. Aufgrund seiner Loyalitätspflicht muss der HV Nachteile 79 vom Unternehmer abwenden,356 Rücksicht nehmen und schädigendes Verhalten unterlassen.357 Denn wenn von ihm Interessenwahrnehmung gefordert ist, darf er dem Unternehmer keine Nachteile oder Schäden zufügen, sondern hat solche abzuwenden.358 Der Übergang zur mehr das aktive Verhalten betonenden Förderungs- und Loyalitätspflicht ist fließend. Häufig ist eine Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 6; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 3. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 6; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 3. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 62. OLG Hamm BB 1968, 1017; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7; Hopt § 86 Rn 13; aA MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 62. 354 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7. 355 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 62. 356 BGH, Urt. v. 18.6.1964 – VII ZR 254/62, BGHZ 42, 59 (61) = NJW 1964, 1621; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8; Hopt § 86 Rn 21. 357 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 19. 358 BGH, Urt. v. 18.6.1964 – VII ZR 254/62, BGHZ 42, 59 (61) = NJW 1964, 1621; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8.

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verbotene Nachteilszufügung aber nichts anderes als unterlassenes Fördern bzw. unterlassene Loyalität. Will der HV die gebotene Rücksichtnahme nicht nehmen, muss er den Vertrag (außerordentlich) kündigen.359 Eine verbotene Nachteilszufügung bildet insbesondere – der Abschluss nachteiliger, risikobelasteter oder solcher Geschäfte, an denen der Unternehmer kein Interesse haben kann (etwa wegen bekannter Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit des Kunden)360 – Geschäfte anzubahnen, bei denen Bedenken hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit oder Zahlungswilligkeit der Kunden bestehen. Von solchen Geschäften ist im Zweifel Abstand zu halten361 – das leichtfertige Äußern strafrechtlicher Vorwürfe gegenüber einem wichtigen Kunden des Unternehmers362 – die Herabsetzung des Ansehens des Unternehmers oder des zu vertreibenden Produkts,363 jedoch darf der HV das Produkt wahrheitsgemäß mit seinen Vor- und Nachteilen darstellen364 – die Konkurrenz des HV zum Unternehmer (Rn 82 ff.).365 Insbesondere darf der HV Geschäfte mit Kunden, auf die sich seine Vertriebspflicht bezieht, nicht auf eigene Rechnung abschließen366 oder Dritten vermitteln367 – Kunden dazu zu bewegen (oder damit zu drohen), geschlossene Verträge zu stornieren und Schadenersatz vom Unternehmer zu fordern368 – die Abwerbung von Personal des Unternehmers, gleich ob Angestellte oder HV369 – Personal oder Mitarbeitern des Unternehmers Hilfestellung bei einer Kündigung zu leisten370 – eigenes Provisionsinteresse ggf. gegenüber den Interessen des Unternehmers voranzustellen – die erfolgsabhängige Vergütung zu erhöhen, indem bei Verhandlungen über die Verträge niedrige Preise des Lieferanten mittels günstiger, dem Unternehmer aber nachteiliger Vertragsbedingungen erkauft werden371 – gegenüber Dritten oder Kunden geäußerte Kritik an den Waren des Unternehmers372 – eine Absprache des Untervertreters mit dem Unternehmer betreffend die Kündigung des Hauptvertreters und die Übernahme seiner Vertretung373 – das Verhindern von Geschäftsabschlüssen: Der HV darf potentielle Kunden nicht vom Vertragsschluss mit dem Unternehmer abhalten, wenn hierfür keine zwingenden Gründe existieren374 359 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 9. 360 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 9; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 30; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 9; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17. OLG Köln VersR 2002, 482. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8. Hopt § 86 Rn 24; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8. OLG München NJW-RR 1995, 1186 (1187); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8. OLG Koblenz BB 1973, 866; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8; Hopt § 86 Rn 21. BGH MDR 1977, 644; BGH, Urt. v. 1.6.1983 – I ZR 78/81, BB 1983, 2136; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8; Heymann/ Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 11; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8; Hopt § 86 Rn 21; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 34. 370 OLG München BB 1994, 1104; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8. 371 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – IX ZR 241/14. Vorinstanz OLG München, Urt. v. 29.10.2014 – 7 U 4279/13, IHR 2015, 75. 372 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8. 373 BGHZ 42, 61; Hopt § 86 Rn 25. 374 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17.

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Wettbewerbswidriges Verhalten, so dass Verstöße gegen das UWG regelmäßig auch eine Verletzung der Interessenwahrnehmungspflicht darstellen. Überholt dürfte es nach heutigem Verständnis von der Selbständigkeit des Vertriebsmittlers 80 sein, die ohne Zustimmung erfolgte Umwandlung eines Mittlers, etwa eines Vertragshändlers, vom Einzelkaufmann in eine haftungsbeschränkte Gesellschaft als Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zu werten, weil durch die Umwandlung die Gefahr bestehen konnte, dass die Forderungen des Unternehmers ohne die vormals bestehende unbeschränkte, nun aber beschränkte Haftung des Vertragshändlers gefährdet wären.375 Hier kann sich der Unternehmer genügend durch Vorkasse, ggf. durch die gerade im investitionsintensiven Bereichen häufige Einforderung einer Bürgschaft des vormaligen Einzelkaufmanns und nunmehrigen Gesellschafters sichern, wobei es von Seiten des Unternehmers nicht unangemessen ist, angesichts der vormaligen persönlichen Haftung des Einzelkaufmanns derartige Sicherungsrechte einzufordern.

ii) Verbot der Nutzung von Geschäftschancen des Unternehmers. Der HV darf keine Ge- 81 schäftschancen des Unternehmers wahrnehmen, d. h. Geschäfte mit Kunden, die er dem Unternehmer zuzuführen hat, nicht auf eigene Rechnung abschließen oder Dritten vermitteln.376 Es handelt sich um eine Gruppe, die auch als Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot begriffen werden könnte. Jedoch wird unter dem Gesichtspunkt „Wettbewerbsverbot“ heute überwiegend die unzulässige Übernahme von Konkurrenzvertretungen diskutiert (hierzu im Folgenden). jj) Wettbewerbs- oder Konkurrenzverbot (1) Wettbewerb im Allgemeinen. Das vertragsbegleitende Konkurrenzverbot ist die in der 82 Praxis bedeutendste aus der Interessenwahrungspflicht abgeleitete Unterlassungspflicht. Das Wettbewerbsverbot vertraglich vorzuschreiben ist nicht erforderlich, da es sich bereits aus der Interessenwahrnehmungspflicht ergibt.377 Es gilt also auch ohne Vereinbarung. Jedoch darf es konkretisiert378 und grds. auch erweitert379 werden. Dabei ist auf die Interessen des HV Rücksicht zu nehmen; bei der Auslegung und Wirksamkeitsprüfung eines vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbots ist die Wertung des Art. 12 GG zu berücksichtigen.380 Jedenfalls wenn ein Verbot der Vertretung von Konkurrenten vereinbart wird, ist ein vertragliches Wettbewerbsverbot unbedenklich.381 Das vertragsbegleitende Wettbewerbsverbot ist von dem nachvertraglichen Wettbewerbs- 83 verbot des § 90a zu separieren, welches einer besonderen Vereinbarung bedarf. Anders als dem Handlungsgehilfen (§ 60) ist es dem HV gesetzlich nicht untersagt, im Ge- 84 schäftszweig seines Unternehmers, d. h. in dessen ganzer Ausdehnung, für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte zu machen.382 Im Gegensatz zum Makler383 muss der HV als Ausfluss der 375 BGH BB 1978, 982. 376 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 8; OLG München NJW-RR 1995, 1186 (1187). 377 BGH, Urt. v. 18.6.1964, BGHZ 42, 59 (62); 52, 177; NJW 1984, 2101; OLG München, Urt. v. 18.11.2015 – 7 U 4851/ 14, BeckRS 2015, 19108 Rn 20; OGH Österreich, Beschl. v. 23.1.2013 – 3 Ob 237/12t, ZVertriebsR 2013, 339 – hergeleitet aus § 5 HVertrG; OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245; Höld NJW 2016, 2774 – VV; Thume WRP 2000, 1033 ff.; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 40; Canaris § 17 Rn 41 ff; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 254; Hopt § 86 Rn 26; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 29. 378 OLG München, Urt. v. 18.11.2015 – 7 U 4851/14, BeckRS 2015, 19108 Rn 20. 379 OLG München, Urt. v. 18.11.2015 – 7 U 4851/14, BeckRS 2015, 19108 Rn 20. 380 OLG München, Urt. v. 18.11.2015 – 7 U 4851/14, BeckRS 2015, 19108 Rn 20. 381 OLG München, Urt. v. 18.11.2015 – 7 U 4851/14, BeckRS 2015, 19108 Rn 20. 382 BGH BB 1954, 647. 383 Er ist allenfalls verpflichtet, nicht während einer laufenden Vermittlungsbemühung abzuwerben, s. OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245. 637

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Interessenwahrungspflicht des § 86 Abs. 1 Hs 2384 jedoch selbst ohne vertragliche Vereinbarung alles unterlassen, was ihn in einen Interessenwiderstreit oder eine Wettbewerbssituation zum Unternehmer bringen und dessen Interessen dadurch beeinträchtigen kann.385 Die Interessenwahrungspflicht386 gebietet es dem HV aber nur, sich vertragsbegleitend desjenigen Wettbewerbs zu enthalten, der auf dem Gebiet der von ihm zu betreuenden Interessen des Unternehmers liegt.387 Außerhalb dieses engen Bereichs darf der HV jede weitere Tätigkeit ausüben, solange ihm genügend Zeit und Ressourcen für die Erfüllung seiner Pflichten gegenüber dem Unternehmer bleibt.388 Zweifelsfälle muss der HV mit dem Unternehmer klären.389

85 (2) Europarechtliche Präformation. Die RL enthält keine ausdrückliche Regelung über das vertragsbegleitende Wettbewerbsverbot. Jedoch beruht das Wettbewerbsverbot auch auf der Treue390- und Interessenwahrungspflicht des HV, die in Art. 3 Abs. 1 RL festgeschrieben ist.391 Ob den HV ein Wettbewerbsverbot treffen kann, kann daher nach Art. 267 AEUV Gegenstand einer Vorlage beim EuGH werden.392 Nach Ansicht von Canaris393 ist die Zulässigkeit eines Wettbewerbsverbots offensichtlich, so dass nach der acte-claire-Theorie394 von einer Vorlage abgesehen werden könne. Aber auch Inhalt und Gegenstand des vertragsbegleitenden Wettbewerbsverbots unterfallen der Vorlagepflicht.395 Italien und Frankreich haben das Wettbewerbsverbot ausdrücklich normiert.396 Auch andere europäische Rechtsordnungen kennen es.397

86 (3) Genese des Wettbewerbsverbots. Dass der HV, der die Interessen seines Unternehmens wahrzunehmen hat, diesem keine Konkurrenz machen darf, wurde von Staub/Brüggemann 4. Aufl.398 als „schlichte Selbstverständlichkeit“399 empfunden und auf die Rechtsprechung des ROHG400 zurückgeführt. Tatsächlich war dieser Befund nicht uneingeschränkt gerechtfertigt. 87 Vor Inkrafttreten des HGB war ein grundsätzliches Verbot der Konkurrenzvertretung unbekannt. Trotz der dauernden Beziehung zu seinem Geschäftsherrn vertrat der HV meist mehrere Unternehmer.401 Es war für jeden Einzelfall zu untersuchen, ob sich die Konkurrenztätigkeit mit der 384 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 20. 385 BGH, Urt. v. 30.1.1963 – VIII ZR 256/61, BB 1963, 448; v. 15.12.1967 – KZR 6/66, DB 1968, 211; v. 9.6.1969 – VII ZR 49/67, BGHZ 52, 171 (172) = NJW 1969, 1662; v. 25.11.1998 – VIII ZR 221/97, EBE 1999, 13 (15); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 20; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 16; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 33, 34; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 40a; ähnlich in Österreich, s. OLG Wien, Beschl. v. 16.4.2013 – 16 R 67/13k, ZVertriebsR 2013, 339; aA früher OLG Hamburg MDR 1955, 422; enger Birkhahn BB 1961, 1351. 386 Martinek/Wank § 14 Rn 13; Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 64; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 20; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 29; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17. 387 Brunn AcP 163 (1964), 487; Birkhahn BB 1961, 1351; BB 1962, 1108; Leo BB 1962, 1106; Hohn DB 1971, 94; Maier BB 1979, 500; Rittner FS Reinhardt, S. 301; DB 1999, 2097; Hopt § 86 Rn 26. 388 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 19; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 40a. 389 Eberstein S. 71; Hopt § 86 Rn 27. 390 Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677 Rn 44. 391 Westphal EWS 1996, 43 (44). 392 Canaris § 17 Rn 46. 393 § 17 Rn 46. 394 EuGH Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257. 395 Hopt § 86 Rn 22; aA Canaris § 17 Rn 47. 396 Westphal EWS 1996, 43 (44). 397 Etwa das englische Recht, s. Rossetti Marketing Ltd. v Diamond Sofa Company Ltd., High Cout (2011) EWHC 2482, Court of Appeal (2012) EWCA Civ 1021, zit. n. Saintier ZVertriebsR 2014, 166 (169). 398 Staub/Brüggemann4 § 86 Rn 33. 399 Rittner S. 304. 400 Nachweis bei Rittner S. 305. 401 Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1054). Emde

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Interessenwahrnehmungspflicht des HV vereinbaren ließ.402 Im Rahmen des Entstehungsprozesses des HGB wurde das Verbot der Konkurrenzvertretung bzw. ein allgemeines Konkurrenzverbot für den HV eingehend diskutiert. Abweichend von der Handhabung der Praxis sah der erste Entwurf eines HGB von 1895 (RJA-E I) ein strenges Wettbewerbsverbot des HV vor. Ihm sollte grundsätzlich verboten sein, im selben Geschäftszweige wie der Geschäftsherr – etwa durch Übernahme weiterer Agenturen – tätig zu werden (§ 64 RJA-E I).403 Jenes strenge Wettbewerbsverbot stieß auf heftigen Widerspruch. Schon in den Beratungen der Kommission zur Begutachtung des Entwurfes eines HGB (sog. „Kommission Handel“) wurde diese Regel als zu weitgehend und für eine große Anzahl von Fällen evident unpassend kritisiert.404 In vielen Fällen müsse der Agent, schon um den Kunden überhaupt eine hinreichende Auswahl anbieten zu können, gleichzeitig mehrere Produzenten vertreten dürfen. Zudem könne es sein, dass verschiedene Unternehmer auf ein und denselben HV angewiesen seien. Auch wurde darauf hingewiesen, dass zahlreiche HV, insbesondere Berufsanfänger, in der Tätigkeit nur für einen Unternehmer keinen ausreichenden Verdienst fänden. Zur kompletten Streichung der Vorschrift über die Konkurrenzvertretung konnte man sich zunächst im Interesse der Rechtssicherheit nicht durchringen.405 Mehrere Kommissionsmitglieder sprachen sich – quasi als Kompromiss – dafür aus, am Grundsatz des § 64 RJA-E I, d. h. an der grundsätzlichen Unzulässigkeit der Konkurrenzvertretung, festzuhalten, aber einen ausdrücklichen Vorbehalt zu Gunsten abweichender Handelsbräuche oder abweichender Parteivereinbarungen aufzunehmen. Einige Mitglieder schlugen sogar vor, den Grundsatz umzukehren und den Konkurrenzbetrieb nur dann als unzulässig zu erachten, wenn dies ortsüblich oder vereinbart sei. Die Regelung in § 76 des Entwurfs eines HGB von 1896 (RJA-E II) nahm diese Anregung auf. § 76 Abs. 2 RJA-E II enthielt die Klarstellung, dass die Einwilligung zur Konkurrenztätigkeit als 88 erteilt gelten solle, falls dem Geschäftsherrn beim Abschluss des Vertrages mit dem Handlungsagenten bekannt war, dass dieser in dem betreffenden Handelszweige für eigene und fremde Rechnung Geschäfte mache und der Geschäftsherr die Aufgabe dieses Geschäftsbetriebs nicht ausdrücklich vereinbarte. Aber selbst das entschärfte Verbot der Konkurrenzvertretung des § 76 RJA-E I, da es den damalig vorherrschenden Verkehrsgeflogenheiten widersprach, traf weiter auf entschiedenen Widerstand. Während der Verhandlungen der 23. Plenarsitzung des Deutschen Handelstages vom Oktober 1896406 wurde mit großer Mehrheit die Streichung der Konkurrenzklausel gefordert. Sie entspreche nicht der bestehenden Übung. Es gäbe eine Reihe von Branchen, in denen der Agent neben dem eigentlichen Geschäftsherrn auch für andere auf eigene oder fremde Rechnung Geschäfte mache.407 Aus dem gleichen Grunde standen auch zahlreiche Landesregierungen dem grundsätzlichen Konkurrenzverbot des § 76 RJA-E II ablehnend gegenüber.408 Bayern sprach sich dafür aus, das Regel-Ausnahme-Verhältnis umzukehren und eine Tätigkeit für andere Firmen nur dann zu untersagen, wenn in dieser Richtung ein Handelsbrauch bestehe oder eine entsprechende Vereinbarung getroffen sei. Lübeck, Bremen und Hamburg beantragten, die Vorschrift ganz zu streichen. Die letztgenannte Forderung setzte sich durch. § 76 RJA-E II wurde in der Bundesratsvor-

402 Crome Partiarischen Rechtsverhältnisse, 1897, S. 403 f. 403 Siehe Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895 (RJA-E I), S. 58. 404 Protokolle über die Beratungen der „Kommission“ Handel bei: Schubert/Schmiedel/Krampe (Herausgeber), Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2 Halbband 1, 1987, S. 259 ff. (366 f.). 405 Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1055). 406 Protokolle bei: Schubert/Schmiedel/Krampe (Herausgeber), Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2 Halbband 1, 1987, S. 567 ff. (599 f). 407 Protokolle bei: Schubert/Schmiedel/Krampe (Herausgeber), Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2 Halbband 1, 1987, S. 567 ff. (599 f). 408 Äußerungen der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuches von 1896 (RJA-E II), abgedruckt bei: Schubert/Schmiedel/Krampe (Herausgeber), Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2 Halbband 2, 1988, S. 745 ff. (776 f.). 639

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lage und der Reichstagsvorlage gestrichen. In der Begründung heißt es,409 aus der Pflicht des Agenten, das Interesse des Geschäftsherren zu wahren, ergäbe sich von selbst, dass er diesem nicht durch anderweitige Geschäfte, die er in demselben Handelszweige mache oder vermittle, eine unmittelbare schädigende Konkurrenz bereiten dürfe. Eine so weitgehende Beschränkung, wie sie nach § 59 die Handlungsgehilfen träfe, ließe sich dem Agenten nicht auferlegen. Da der Gehilfe der Regel nach seine ganze Arbeitskraft in den Dienst des Prinzipals zu stellen habe, könne ihm überhaupt nicht gestattet sein, eigenen Handel zu treiben und in den Handelszweigen des Prinzipals irgendwelche Geschäfte zu machen. Der Agent hingegen finde in der Vertretung eines einzigen Hauses nur selten eine ausreichende Beschäftigung und sei deshalb von vornherein auf die Übernahme weiterer Agenturen oder auf einen sonstigen Handelsbetrieb angewiesen. In manchen Fällen werde er sogar, um dem Kunden die erforderliche Auswahl zu bieten, genötigt sein, gleichzeitig mehrere Produzenten oder Großhändler zu vertreten, deren Waren, wenn sie auch bestimmte Unterschiede aufwiesen, doch derselben Gattung angehörten. Das Gesetz müsse auf dieses Verhältnis Rücksicht nehmen und der Entwurf sehe deshalb von einer besonderen Bestimmung über die Unzulässigkeit eines Konkurrenzbetriebes durch den Agenten ab. Die allgemeine Vorschrift über die Pflicht des Agenten, das Interesse des Geschäftsherrn zu wahren, werde ausreichen, um im einzelnen Falle unter Berücksichtigung der Art und des Zweckes der Geschäftsverbindung und der im betreffenden Geschäftszweig bestehenden Übung die Grenzen festzustellen, welche von dem Agenten hinsichtlich der Vertretung anderer Handlungshäuser sowie hinsichtlich des eigenen Handelsbetriebes eingehalten werden müssten. 89 Rückwirkend mag sich diese Enthaltsamkeit des Gesetzgebers als falsch darstellen. Denn es ist eine Entwicklung zu beobachten, die sich – nach anfänglich weitherziger Zulassung ungenehmigter Konkurrenztätigkeit – durch eine immer restriktivere Haltung zunehmend von der Vorstellung des Gesetzgebers entfernt hat.410 Das Verbot der Konkurrenzvertretung ist daher kein unumstößliches Dogma.411 Ausschlaggebend sind stets die Umstände des Einzelfalls.

90 (4) Anspruchsinhaber. Anspruchsinhaber ist allein der Unternehmer.412 Dritte können keine Ansprüche gegenüber dem Vertriebsmittler geltend machen.413 Auch Konkurrenten des HV besitzen keinen Anspruch auf Beachtung des gesetzlichen oder vertraglichen Wettbewerbsverbots,414 es sei denn, der HV handelt wettbewerbswidrig i. S. d. UWG.415

(5) Verpflichteter 91 (a) Wettbewerbsverbot des HV. Das Wettbewerbsverbot trifft den HV, unabhängig davon, ob es sich um einen Einfirmen- oder Mehrfirmenvertreter handelt.416 Denn auch den Einfirmenvertreter trifft die Interessenwahrungspflicht und das aus ihr hergeleitete Wettbewerbsverbot. Zudem verstößt er gegen die übernommene Verpflichtung, keinen anderen Unternehmer zu vertreten (Anspruchskonkurrenz). Konkurrenztätigkeiten seines Hilfspersonals, etwa eines Angestellten oder Untervertreters, hat sich der Mittler zurechnen zu lassen.417 Außerdem muss er solches Verhalten verhindern.

409 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuches und eines Einführungsgesetzes (RTVorl.), S. 69. 410 Vgl. dazu v. Brunn Das Wettbewerbsverbot im Handelsvertreterrecht beim Fehlen einer Vereinbarung, AcP 163 (1963) 487 (504 ff.); Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1055). 411 Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1056). 412 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 71. 413 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 71. 414 BGH, Urt. v. 27.6.1975 – I ZR 97/74, WM 1975, 1214; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 71. 415 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 71. 416 AA Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 29. 417 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36. Emde

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(b) HV-ähnliche Vertriebsmittler. Verpflichtet sind auch HV-ähnliche Vertriebsmittler, 92 etwa Vertragshändler, Franchisenehmer und Kommissionsagenten. (aa) Wettbewerbsverbot des Vertragshändlers. In Analogie zu § 86 Abs. 1418 gilt auch ohne 93 vertragliche Vereinbarung eines Konkurrenzschutzes jedenfalls für den einem HV vergleichbar in das Vertriebssystem des Unternehmers eingebundenen Vertragshändler419 – das weitere Analogiekriterium „Übertragung des Kundenstammes“ ist hier nicht erforderlich420 – mit Alleinvertriebsrecht ein vertragsbegleitendes Wettbewerbsverbot.421 Der BGH422 leitet daraus ab, die Übernahme einer Konkurrenzvertretung durch den Vertragshändler stelle regelmäßig einen schweren Verstoß gegen die ihm obliegenden Treuepflichten dar, der die außerordentliche Kündigung des Vertrages rechtfertige. Wahrscheinlich gilt dies auch für den Vertragshändler ohne Alleinvertriebsrecht.423 Dafür spricht zum einen, dass auch beim HV die Konkurrenzschutzpflicht unabhängig von einer zugewiesenen Exklusivität besteht. Zum anderen darf der Unternehmer nur unter Geltung eines Wettbewerbsverbots auf die unvoreingenommene Anpreisung seines Produktes durch den Händler vertrauen. Dieses Interesse besteht gleichfalls gegenüber dem Mittler ohne Alleinvertriebsrecht.424 Hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung des Vertragsgebietes kann nichts Abweichendes als beim HV gelten. Auch beim Vertragshändler erstreckt sich daher das Konkurrenzverbot auf das gesamte Vertriebsgebiet des Unternehmers. Nach Art. 5 Abs. 1 der bis 2013 gültigen Kfz-GVO 1400/02 waren Wettbewerbsverbote grundsätzlich unzulässig. Nach Art. 5 Abs. 1 lit. a GVO 330/10 sind die Wettbewerbsverbote auf 5 Jahre zu begrenzen (Kommentierung dazu Vor § 84).

(bb) Wettbewerbsverbot des Franchisenehmers. Auch im Franchising gilt ein aus § 86 94 Abs. 1 abgeleitetes Verbot, demzufolge der Franchisenehmer während der Vertragsdauer zu dem Franchisegeber nicht gegenständlich und räumlich in Konkurrenz treten darf, und zwar weder selbst noch über Dritte.425 Meist wird ein solches Wettbewerbsverbot vertraglich unterstützt oder verstärkt. Beim Franchising steht insbesondere der Schutz des Know-hows des Franchisegebers im Vordergrund.426 Gerade um des Schutzes des Know-hows Willen gilt dieses Wettbewerbsverbot im gesamten Vertriebsgebiet des Franchisegebers und nicht nur in dem dem Franchisenehmer gegebenenfalls vertraglich zugewiesenen Gebiet.427 Rauser428 weist darauf hin, es bedürfe nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass ein gut geschulter, mit systemspezifischen Know-how ausgestatteter Franchisenehmer leichter dazu in der Lage sei, das erworbene Wissen selbst oder durch Dritte zum Schaden des Franchisegebers und des gesamten Franchisesystems ohne örtliche Bindung gewinnbringend einzusetzen.

Giesler/Vogels2 § 3 Rn 201. Zu den Analogievoraussetzungen Emde WRP 2003, 468 ff. BGH, Urt. v. 7.7.1983 – I ZR 115/81, NJW 1984, 2101 (2102); Giesler/Vogels2 § 3 Rn 201. BGH, Urt. v. 7.7.1983 – I ZR 115/81, NJW 1984, 2101 (2102); BGH LM Nr. 57 zu § 1 UWG, Emde WRP 2005, 1492 (1496); Giesler/Vogels2 § 3 Rn 201; Stumpf/Jaletzke/Schultze Der Vertragshändlervertrag, 3. Aufl., Rn 483; Martinek/ Manderla § 25 Rn 64, 68; Hopt § 86 Rn 26; Hampe ZVertriebsR 2013, 21 (26); aA Küstner/Thume/Thume III2 Rn 1339. 422 BGH NJW 1984, 2102; WM 1993, 1464. 423 Zum Meinungsstand Martinek/Manderla § 25 Rn 69. 424 Emde WRP 2005, 1492 (1496). 425 OLG München, Urt. v. 15.5.1999 – 29 U 4446/98, EWiR 1999, 595 (Martinek), Canaris § 18 Rn 42; Metzlaff/Rauser Praxishandbuch Franchising, 2003, § 16 Rn 45; Giesler/Giesler/Güntzel2 § 4 Rn 206; Küstner/Thume/Teutsch III Rn 1794; Skaupy Franchising, 2. Aufl. S. 180. 426 Metzlaff/Rauser Praxishandbuch Franchising, 2003, § 16 Rn 48. 427 Metzlaff/Rauser Praxishandbuch Franchising, 2003, § 16 Rn 50. 428 Metzlaff/Rauser Praxishandbuch Franchising, 2003, § 16 Rn 50.

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95 (6) Umfang des Wettbewerbsverbots. Der Umfang des Wettbewerbsverbots ist einzelfallbezogen im Lichte der Treu- und Interessenwahrungspflicht429 und des mit der Tätigkeit einhergehenden Vertrauensverstoßes430 zu bestimmen. Mangels Anhaltspunkten, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen, darf der HV ohne Zustimmung des Unternehmers keinen weiteren Unternehmer vertreten, der mit dem bereits vertretenen Unternehmer im Wettbewerb steht.431 Ist eine solche Wettbewerbslage nicht gegeben, darf der HV andere Unternehmer auch ohne Einverständnis des Unternehmers vertreten. Grundsätzlich ist dem HV anderweitige wirtschaftliche Tätigkeit gestattet,432 auch als Vertragshändler, Franchisenehmer, sonstiger Vertriebsmittler oder Angestellter.433 Das Innenverhältnis des Wettbewerb leistenden zum Wettbewerber interessiert nicht. Ein gesetzliches Tätigkeitsverbot für andere Unternehmen gibt es jedoch nicht.434 Der HV muss ausdrücklich als Einfirmenvertreter mit einem Tätigkeitsverbot verpflichtet werden, falls der Unternehmer sich die vollständige Arbeitskraft des HV sichern will.435 Ein Wettbewerbsverbot greift nur ein, soweit die Tätigkeit geeignet ist, die Interessen des Unternehmers zu verletzen.436 Auf eine nachhaltige Beeinträchtigung der Unternehmerinteressen dürfte es nicht ankommen.437 Von einer Geeignetheit zur Verletzung ist zum einen auszugehen, wenn der HV selbst als Unternehmer im selben Bereich tätig wird,438 weil ihn dies in einen Interessenwiderstreit bringen könnte, zum anderen, wenn er einen Wettbewerber unterstützt und schließlich durch jedes Handeln, welches mittelbar oder unmittelbar die Interessen eines Konkurrenten stärkt.439 Konkurrenztätigkeit liegt mithin nicht nur im Vertrieb des Konkurrenzprodukts, sei es mit oder ohne förmliche Übernahme einer Konkurrenzvertretung, sondern in jeder sonstigen Hilfeleistung oder Unterstützung des Wettbewerbers und seines Produkts.440 Das Konkurrenzverbot beschränkt sich also nicht auf die Kerntätigkeit des HV – die Vermittlungstätigkeit.441 Die Geringfügigkeit einer Wettbewerbstätigkeit oder etwa der Umstand, dass der Unternehmer an den an ein Konkurrenzunternehmen vermittelten Kunden kein eigenes wirtschaftliches Interesse hat, kann in Einzelfällen zwar zur einschränkenden Auslegung eines vertraglichen Konkurrenzverbots oder auch zu einem Anspruch auf Zustimmung zur Aufnahme der Konkurrenztätigkeit führen.442 Dass auch wirtschaftlich untergeordnete Vermittlungstätigkeiten für Konkurrenzunternehmen gegen § 86 bzw. vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbote verstoßen, entspricht gleichwohl einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur.443 Weil das Wettbewerbsverbot das vertragliche

429 Canaris § 17 Rn 42; wobei es nach Ansicht von Canaris eine Rolle spielen kann, ob der HV Abschluss- oder Vermittlungsvertreter ist. 430 Döpfer EWiR 2010, 328. 431 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 29; Hopt § 86 Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 33; Martinek/ Flohr/Feldmann § 18 Rn 64; Westphal I Rn 217 ff; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 42; v. Brunn AcP 1964, 487; Birkhahn BB 1961, 1351 und 1962, 1108; Leo BB 1962, 1106; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 39 ff. 432 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 3a, 40. 433 OLG München, Urt. v. 18.2.2015 – 7 U 4696/14, IHR 2015, 87 (88). 434 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 40. 435 Giesler/ Klapperich2 § 2 Rn 254. 436 BGHZ 42, 49 (61) unter Anführung der vorausgegangenen Entscheidungen; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 34; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 3a, 40a. 437 AA OLG München, Urt. v. 18.2.2015 – 7 U 4696/14, IHR 2015, 87 (88). 438 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 29, 36; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 34. 439 OLG Oldenburg, Urt. v. 24.7.2012 – 13 U 118/11, NJOZ 2012, 2213 (2215); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36. 440 LG Berlin, Urt. v. 20.1.2014 – 90 O 18/13; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn Hopt § 86 Rn 2836; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 34. 441 OLG München, Urt. v. 18.2.2015 – 7 U 4696/14, IHR 2015, 87 (88). 442 BGH VersR 1974, 570; OLG Stuttgart, Urt. v. 30.11.2009 – 5 U 52/09, BeckRS 2010, 01765 = EWiR 2010, 327 (Döpfer). 443 OLG Stuttgart, Urt. v. 30.11.2009 – 5 U 52/09, BeckRS 2010, 01765 = EWiR 2010, 327 (Döpfer); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36 m. w. N. Emde

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Vertrauensverhältnis sichern soll, reicht schon die Möglichkeit oder der Anschein,444 dass die Interessen des Unternehmers durch Aufnahme der Konkurrenzvertretung berührt werden könnten aus, um eine Erlaubnis des Unternehmers erforderlich zu machen. Dann liegt zudem der einen Wettbewerbsverstoß begründende Versuch einer Konkurrenztätigkeit vor. Darauf, ob die Dinge bis zu einer Schädigung, d. h. zu einem Absatzrückgang beim Unternehmer, gediehen sind, kommt es nicht an.445 Ein wettbewerbsförderndes Verhalten erfasst Versuch wie Vollendung. Dem Unternehmer, der aus seiner Sicht sich ein Urteil über die etwaigen Konkurrenzsituationen bei Erteilung der Erlaubnis zu bilden hätte, kann billigerweise nicht zugemutet werden, abzuwarten, ob und in welchem Umfange die Konkurrenzvertretung des HV zu einem Absatzrückgang führen wird; und dies um so weniger, als er nicht in der Lage zu sein pflegt, die Werbetätigkeit des HV bei dem Absatz der konkurrierenden Artikel zu kontrollieren.446 Allenfalls kann bei einem „Rücktritt vom Versuch“ ein zur Kündigung berechtigender Vertrauenswegfall fehlen. Bereits das Angebot auf Übernahme einer Wettbewerbsvertretung parallel zur Tätig- 96 keit für den anderen Unternehmer bildet deshalb eine Vertragsverletzung und nicht erst die tatsächliche Aufnahme der Tätigkeit.447 Etwas anderes gilt nur, wenn sich das Angebot auf die Zeit nach Beendigung des Vertriebsvertrages mit dem ersten Unternehmer beschränkt. Die Übergänge zum allgemeinen Schädigungsverbot sind fließend. Das Wettbewerbsverbot regelt zudem nur das Wettbewerbsverhältnis zum Unternehmer, nicht zu dessen Kunden.448 Aus der Interessenwahrungspflicht kann sich – je nach der Situation – jedoch die Pflicht ergeben, Kunden des Unternehmers nicht zu schädigen.449 Zu weit geht die Auffassung von Schröder,450 der HV müsse zu einer jeden Erwerbstätig- 97 keit – also auch einer solchen ohne wettbewerblichen Einschlag –, die er neben seiner Vertretung übernehmen wolle, den Unternehmer um Erlaubnis fragen, wenn die Ausübung jener Tätigkeit den vollen Einsatz des HV beeinträchtigen könne. Diesen Inhalt hat die Loyalitätspflicht nicht. In der Entscheidung BGH MDR 1954, 606, auf die Schröder sich bezieht, ist das nicht gesagt. Der HV ist selbständiger Kaufmann und in seiner wirtschaftlichen Betätigung grundsätzlich unbeschränkt. Der HV-Vertrag als solcher verpflichtet ihn nicht dazu, so viel an Aufträgen hereinzuholen, wie ihm dies bei größter Anspannung möglich wäre: er hat sich um die Erzielung angemessener Ergebnisse zu bemühen. Solange er dies gewährleistet, ist der HV nicht gehindert, durch Aufnahme einer weiteren Erwerbstätigkeit sich sogar ein „Übersoll“ an Arbeit zuzumuten,451 es sei denn, die ordnungsgemäße Tätigkeit für die bisherigen Unternehmer wird offensichtlich beeinträchtigt.452 Das hat er selbst zu beurteilen und zu vertreten; Zwang zur vorsorglichen Einholung einer Erlaubnis beim Unternehmer, woraufhin er eine fristlose Kündigung nach § 89a zu gewärtigen hätte, falls sie nicht eingeholt worden ist, wäre mit seiner Selbständigkeit unvereinbar. Ob der HV dem Unternehmer jede andere Tätigkeit mitzuteilen hat,453 ist ebenso fraglich. Dafür spricht, dass der Unternehmer eventuelle – dem HV möglw. nicht erkennbare – Loyalitätskonflikte einschätzen möchte. Dagegen, dass der HV mangels entgegenstehender Abrede nicht als Einfirmen-HV beschäftigt wurde. Im Zweifel – aber nur dann – spricht mehr für eine Mitteilungspflicht, zumal der HV bei vertragsgemäßem Verhalten nichts zu befürchten hat. Ganz sicher hat die Information bei erkennbarer Berührung der Unter-

444 BGH, Urt. v. 20.1.1969 – VII ZR 60/66, VersR 1969, 372 (373); OLG Stuttgart, Urt. v. 30.11.2009 – 5 U 52/09, BeckRS 2010, 01765 = EWiR 2010, 327 (Döpfer); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36; Hopt § 86 Rn 29. 445 BGH DB 1968, 211. 446 Leo S. 1107. 447 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 259; Hopt § 86 Rn 28. 448 Hopt § 86 Rn 26. 449 Strenger zu Lasten des Unternehmers wohl OLG Köln HVR (02), 978; Hopt § 86 Rn 26. 450 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 40a, 41. 451 OLG Frankfurt/M. MDR 1979, 761. 452 Eberstein S. 70. 453 Dafür BGH WM 1977, 319; Hopt § 86 Rn 28. 643

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nehmerinteressen zu erfolgen. Die unterlassene Nachricht bildet zwar eine Pflichtverletzung. Naheliegend ist aber fehlendes Verschulden, insb. Rechtsirrtum. Deshalb ist nur in krassen Fällen Schadenersatz und Kündigung nach § 89a gerechtfertigt. 98 Zu großzügig ist andererseits die Ansicht von Birkhan,454 das Wettbewerbsverbot beginne erst dort, wo der HV die Waren des einen Unternehmers herabsetze. Nach Meinung von Birkhan kann es im Sinne des Geschäftsherrn liegen, wenn der HV ein möglichst breites Sortiment – auch von anderen Unternehmern – vertritt und dem Kunden vorzulegen in der Lage ist, weil die dadurch gegebene Verbreiterung der Kontaktbasis letzten Endes allen beteiligten Unternehmern zugute komme. Gegen seine Ansicht sprechen zum einen Nachweisschwierigkeiten. Zum anderen muss der Unternehmer seinem HV uneingeschränkt vertrauen und jeden Informationsfluss zum Wettbewerber ausschließen können. Die Entscheidung des OLG Hamburg, auf die Birkhan sich berief, war problematisch und auch vereinzelt geblieben; ihre Bestätigung durch den BGH455 ist denn auch nur im Hinblick auf die Besonderheit des Einzelfalles erfolgt, nicht dagegen wegen ihrer übrigen allgemein gehaltenen Thesen, die der BGH, wie die Fassung der Entscheidungsgründe des Revisionsurteils ergibt, eher ablehnen zu wollen scheint. Auch die grundsätzliche Kritik von Steindorff456 am Wettbewerbsverbot, es könne nicht richtig sein, dass der Unternehmer ein Geschäft des HV zurückweisen dürfe, ohne dass der HV nun einen Wettbewerber vertreten könne, ist zwar auf den ersten Blick charmant, geht jedoch zu sehr vom Einzelfall aus,457 zumal der Unternehmer eben nicht schlechthin frei ist in der Ablehnung des vermittelten Geschäfts, sondern nur aus unternehmerisch vertretbaren Gründen ablehnen darf (zum Dispositionsrecht des Unternehmers s. Kommentierung zu § 86a), was wiederum der HV als sein Provisionsrisiko tragen muss. Will der HV eine gegen das Wettbewerbsverbot verstoßende Tätigkeit aufnehmen und verweigert der Unternehmer seine Zustimmung, darf der HV nicht aus wichtigem Grunde gem. § 89a kündigen.458 Gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen etwa folgende Handlungen: 99 – Abwerben anderer HV oder von Personal des Geschäftsherrn zugunsten eines Wettbewerbers459 – U. U. Abschiedsschreiben des HV: Dazu hat der BGH 2004 entschieden, dass die Versendung eines solchen Schreibens zum Ende eines laufenden Agenturverhältnisses jedenfalls dann wettbewerbswidrig ist, wenn der VV für die Versendung des Schreibens auf Kundendaten seines Prinzipals zurückgreift und wenn er direkt oder indirekt auf seine zukünftige Tätigkeit als Wettbewerber oder für einen Wettbewerber hinweist.460 Schon die Angabe eines zukünftigen Kontaktes bzw. der bloße Hinweis auf „bisheriges Vertrauen“ kann als Verstoß ausreichen. Denn eine solche Formulierung wird gewählt, um dem Adressaten nahezulegen, nach dem Ausscheiden weiter mit dem Agenten vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.461 Obwohl der BGH diese Frage nicht zu entscheiden hatte, klingt in den Entscheidungsgründen zudem an, dass er ein entsprechendes Verhalten auch nach Vertragsbeendigung als wettbewerbswidrig qualifizieren würde462 – Tätigkeit als Angestellter eines Wettbewerbers, etwa als Reisender – Anwerbung von HV für einen Wettbewerber463

454 455 456 457 458 459 460 461 462 463

S. 1353, 1354 (unter Hinweis auf OLG Hamburg MDR 1955, 422). LM Art. 7 f EGBGB [Deutsches Internationales Privatrecht] Nr. 1. S. 84 ff. Kritisch auch Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 34. Differenzierend Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 40a. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 34. BGH NJW 2004, 2385 = GRUR 2004, 704. BGH NJW 2004, 2385 = GRUR 2004, 704. Höld NJW 2016, 2774 (2775)- VV. OLG München, Urt. v. 18.2.2015 – 7 U 4696/14, IHR 2015, 87 (88).

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das Angebot, während der Vertragsdauer mit dem ersten Unternehmer für die Produkte eines Konkurrenten zu werben464 oder zu zu dieser Zeit die Handelsvertretung zu übernehmen465 Nutzung der von einem Unternehmer zur Verfügung gestellten Adressen für die Werbung von Kunden zu Gunsten eines Wettbewerbers466 Handeln als Aufkäufer auf eigene Rechnung, etwa wenn der HV Einkaufsvertreter ist (deshalb auch nicht durch „Selbsteintritt“ in das vermittelte Geschäft – keine analoge Anwendung des § 400) Belieferung von Kunden eines Wettbewerbers467 Beratung eines Wettbewerbers468 Beteiligung an Wettbewerbern,469 auch als stiller Gesellschafter,470 wohl aber nicht bei rein kapitalmäßiger Beteiligung, z. B. mit unbedeutender Aktienbeteiligung Bürogemeinschaft mit Wettbewerber oder dessen Vertriebsmittler471 das Belassen eines zinslosen Darlehens, welches der HV einem Konkurrenzunternehmen während des bestehenden Vertrages zum Zwecke seiner Gründung ausgereicht hat,472 falls sich ein Wettbewerbsverbot auf jede denkbare Form der Unterstützung eines Konkurrenzunternehmens bezieht Tätigkeit im Franchisebereich, wenn trotz anderen Namens der Betrieb nach seinem äußeren Erscheinungsbild und der gesamten Geschäftsorganisation als dem Franchisesystem zugehörig angesehen werden muss, insb. bei Übernahme der Ladeneinrichtung und der markanten Farbgestaltung473 Gründung eines Wettbewerbsunternehmens Handeln als Großhändler oder Händler gleicher Vertriebsstufe Hilfsdienste für einen Wettbewerber,474 etwa Nachrichten, Beratung475 Information der Kunden durch den HV über die nachvertragliche Tätigkeit für einen Wettbewerber.476 Dem Vertragshändler477 und dem Unternehmer478 soll ein solches Recht angeblich zustehen Kritik an der Ware des Geschäftsherrn, verbunden mit gleichzeitigem Lob der Ware des Konkurrenten479 Schulung von HV für einen Wettbewerber480 Tätigkeit als Organ einer Wettbewerbsartikel vertreibenden oder produzierenden Gesellschaft

464 BGH WM 1977, 318, OLG Nürnberg BB 1961, 64; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 35; Hopt § 86 Rn 28, MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 44. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 35; Hopt § 86 Rn 28. BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 332/07, VersR 2009, 1360 = WM 2009, 1811. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 34. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36. BGH VersR 1969, 372 (373); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 261; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36; Hopt § 86 Rn 28. BAG, Urt. v. 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, ZIP 2015, 2090 = DB 2015, 2516 zu § 75 Abs. 3 HGB – vertragliches nachvertragliches Wettbewerbsverbot. 473 BGH, Urt. v. 1.8.2013 – VII ZR 268/11, NJW 2014, 155 = BB 2014, 719 m. Anm. Ayad – Wettbewerb des FG. 474 OLG Oldenburg, Urt. v. 24.7.2012 – 13 U 118/11, NJOZ 2012, 2213 (2215); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 34. 475 Hopt § 86 Rn 28. 476 Gräfe ZVertriebsR 2013, 362 (364). 477 Gräfe ZVertriebsR 2013, 362 (364). 478 Gräfe ZVertriebsR 2013, 362 (364). 479 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36. 480 OLG München, Urt. v. 18.2.2015 – 7 U 4696/14, IHR 2015, 87 (88).

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Tätigkeit als Produzent481 Tätigkeit als HV-ähnlicher Mittler (Vertragshändler, FN), sofern es um einen HV-Vertrag geht und vice versa, sofern dieselben Produkte betroffen sind – ein Tippgebervertrag, wenn er sich auf dieselben Produkte bezieht482 – Überlassen von Kundenlisten oder sonstigen der Geheimhaltung unterliegenden Informationen an einen Wettbewerber483 – Überlassung von Geschäfts- oder Lagerräumen an einen Wettbewerber oder dessen Vertriebsmittler484 – Umdecken von Kunden des vertretenen Versicherers zu Lasten eines Wettbewerbers485 oder Unterstützung dabei486 – Vertretung eines Wettbewerbers487 – Vorschieben anderer Personen zu Wettbewerbshandlungen, etwa der Ehefrau oder eines sog. Strohmannes488 – Handeln als Werbeunternehmer oder in sonstigen Hilfsfunktionen489 für Konkurrenzunternehmen – sonstige (mittelbare) Förderung des Wettbewerbers490 – Zuführung von HV an den Wettbewerber491 (bei bloßen Freundschaftsdiensten fraglich). 100 Nicht gegen das Wettbewerbsverbot verstößt: – die Beteiligung an einem ruhenden Unternehmen ohne Vermittlungstätigkeit.492 – –

101 (a) Wettbewerbslage. Das Konkurrenzverbot besteht, sofern sachlich, räumlich und zeitlich in nicht unerheblichem Maße493 eine Wettbewerbslage existiert.494 Jene ist nicht subjektiv aus der Sicht des Unternehmers, sondern objektiv zu bestimmen. Denn sonst regelten übertriebene Befindlichkeiten des Unternehmers den Umfang des Wettbewerbsverbots und nicht die tatsächliche Sachlage. Der Eintritt einer Schädigung beim Unternehmer ist nicht erforderlich, da dem Unternehmer ein Abwarten bis zu deren Eintritt unzumutbar wäre.495 Die h. A. ist strenger zu Lasten des HV: Da der HV eigene Interessen gegenüber denen des 102 Unternehmers zurückzustellen habe, sei in Zweifelsfällen eine eher großzügige Wertung zugunsten des Unternehmers angebracht. Deshalb legt die Rechtsprechung bei der Beurteilung, ob eine Konkurrenzsituation existiert, einen strengen Maßstab an.496 Unter Umständen genügt der Anschein einer Konkurrenztätigkeit497 und die Möglichkeit einer Interessenberührung; in Zweifelsfällen entscheidet der Unternehmer,498 dem der Sachverhalt vollständig mitzuteilen 481 482 483 484 485 486 487 488 489 490 491 492 493 494 495 496 497 498

BGH DB 1958, 512. OLG München, Urt. v. 23.1.2014 – 23 U 1955/13, VersR 2004, 1080. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 34. OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245; Blankenburg VersR 2010, 581. Blankenburg VersR 2010, 581. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 42. OLG Hamm NJW-RR 1987, 1114; Hopt § 86 Rn 29; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 34. Maier S. 500. Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 260; Hopt § 86 Rn 28. Hopt § 86 Rn 28. LG Hamburg, Urt. v. 8.8.2008 – 332 O 351/07, n. v. Giesler/Klapperich 2§ 2 Rn 255. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 27. BGH DB 1968, 211. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 46; Westphal I Rn 218. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36. Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 258; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 32; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 42. Emde

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und dessen Zustimmung einzuholen ist.499 Bei der Beurteilung solcher Zweifelsfälle ist zu berücksichtigen, dass weniger die Möglichkeit einer tatsächlichen Schädigung entscheidend ist als vielmehr die Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Unternehmer und HV.500 Jedoch muss auch aus der Warte der h. A. die Wertung des Unternehmers objektiv nachzuvollziehen sein (Korrektiv),501 nicht anders als etwa der Befangenheitsantrag gegenüber einem Richter, der aus subjektiver Wertung der Parteien objektiv durch einen Dritten nachvollzogen werden muss. Besteht keine Wettbewerbslage oder vertritt der HV mehrere Unternehmer mit in Wettbe- 103 werb stehenden Produkten, hat der HV die Produkte jedes Unternehmers in gleicher Weise zu fördern und zu präsentieren.502 Er braucht aber nicht sein Urteil über Vor- und Nachteile zu unterdrücken.503 Der HV ist in der Zuweisung des Geschäfts zu einem oder dem anderen Produkt nicht frei,504 sondern muss alle Unternehmer grundsätzlich gleich behandeln.

(b) Sachlicher Geltungsbereich. Eine Konkurrenzlage besteht bei Austauschbarkeit – Subs- 104 tituierbarkeit – der Produkte aus der Sicht des Verbrauchers (Kunden)505 auf dem sachlich relevanten Markt,506 oder umständlicher: Die Wettbewerbslage besteht in sachlicher Hinsicht zwischen den vom HV vertragsgemäß zu vertreibenden Produkten (Waren oder Dienstleistungen) des Unternehmers und denjenigen seiner Konkurrenten, welche aus Sicht potentieller Abnehmer die Aufgaben und Zwecke der Produkte des Unternehmers ebenfalls erfüllen können507 (gattungsmäßige Gleichheit). Absolute Identität, Gleichartigkeit oder Vergleichbarkeit der Waren nach Preis, Aussehen oder Qualität bzw. Überschneidung der Angebotspalette sind nicht erforderlich.508 Entscheidend bleibt, ob aus Sicht der Kunden Wettbewerb besteht, weil diese bereit sein können, anstelle der Produkte des Unternehmers auf diejenigen des Konkurrenten zuzugreifen.509 Damit scheidet eine Konkurrenzlage in sachlicher Hinsicht nur hinsichtlich solcher Waren aus, bei denen die Gefahr einer Verdrängung des Unternehmers vom Markt nicht in Betracht kommt,510 etwa weil sie von der Funktion her ganz unterschiedlichen Anforderungen genügen müssen oder sich an verschiedenartige, nicht austauschbare Kundenkreise wenden.511 Ferner greift die auch aus § 90a bekannte Beschränkung auf die Geschäfte ein, welche der HV nach dem Vertrag zu vermitteln oder abzuschließen hat.512 Das Verbot bezieht sich daher nicht auf sämtliche Artikel und Leistungen des Unternehmers.513 Nach der kartellrechtlichen Definition des Art. 1 Abs. 1 lit. b GVO 330/10 sind Wettbewerbsverbote alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen, die den Vertriebsmittler veranlassen, keine Waren oder Dienstleistungen herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen, die mit den Vertragswaren oder -dienstleistungen im Wettbewerb stehen sowie alle unmittelbaren oder mittelbaren Ver499 BGH DB 1958, 512; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 32. 500 BGH BB 1968, 60; Westphal I Rn 218. 501 Siehe Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 32, „der subjektive Standpunkt des Unternehmers müsse eine beachtliche objektive Grundlage haben“. Hopt § 86 Rn 24. BGH, Urt. v. 27.2.1976; zit. nach v. Gamm NJW 1979, 2491; Hopt § 86 Rn 24. Hopt § 86 Rn 24. Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 255; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 31. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 31. OLG München BB 1955, 714; OLG Celle BB 1970, 228; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 31; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 35. 508 BGH DB 1958, 512; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 31; Hopt § 86 Rn 27. 509 OLG Düsseldorf HVR Nr. 1044; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 31; Hopt § 86 Rn 27. 510 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 31; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 42. 511 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 31; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 17; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 35. 512 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 35. 513 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 35.

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pflichtungen des Mittlers, mehr als 80 % seiner auf der Grundlage des Einkaufswertes der vorherigen Kalenderjahre berechneten gesamten Einkäufe von Vertragswaren oder -dienstleistungen sowie ihrer Substitute auf dem relevanten Markt vom Unternehmer oder einem anderen vom Unternehmer bezeichneten Unternehmen zu beziehen. Diese kartellrechtliche Regelung ist im HV-Recht nicht unmittelbar maßgeblich, kann aber in Zweifelsfällen bei der Auslegung berücksichtigt werden. Durch den Absatz nicht miteinander konkurrierender Produkte in einem gleichartigen Vertriebssystem entsteht keine Konkurrenzlage.514 Nach einer Ansicht genügt die Überschneidung oder besser: Substituierbarkeit hinsicht105 lich einzelner Teile des Sortiments515 aus der Sicht des Verbrauchers, und zwar sogar dann, wenn das konkret vertriebene Sortiment vom Unternehmer nicht produziert wird.516 Richtig ist, dass gegenständlich und wirtschaftlich unbedeutende Überschneidungen nach Abnehmerkreis, Qualität, Preis und Verwendungszweck517 außer Betracht bleiben. Positiv gewendet: Genügend ist die Substituierbarkeit hinsichtlich einzelner, jedoch nicht ganz unbedeutender Teile des Sortiments.518 Identität, Gleichartigkeit, Vergleichbarkeit der Waren nach Abnehmerkreis, Preis, Ausstattung, Güte oder Qualität sind dabei Indikatoren für die Substituierbarkeit, absolute Gleichheit ist nicht erforderlich.519 Werden die Produkte an völlig separate Kundenkreise vertrieben und besteht keine Chance der Umwerbung, existiert keine Wettbewerbslage.520 Ist der HV mit der Vertretung nur eines Sektors aus dem Lieferprogramm seines Unternehmers betraut, bleibt er an der Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit für die übrigen Bereiche nicht gehindert.521 Bei überschneidenden Produktionsprogrammen des Unternehmers fehlt mithin eine Wettbewerbstätigkeit, falls der HV für einen Unternehmer, der die Artikel A, B und C herstellt, nur den Artikel A und für den Konkurrenten, der die Artikel B, C und D herstellt, nur den Artikel D verkauft.522 Will der Unternehmer auch derartiges unterbinden, muss er sich das im Vertrag ausbedingen. Allerdings sind auch hier besondere Fallgestaltungen denkbar, in denen die erwerbswirtschaftliche Betätigung des HV auf anderen Feldern die Belange des Unternehmers so empfindlich schädigt, dass dies auf die Bereiche „durchschlägt“, mit deren Vertretung im engeren der HV betraut ist: dann hat er auch einen so sich auswirkenden Wettbewerb zu unterlassen.523 Die zur Neukundenwerbung nach § 89b ergangene Entscheidung des BGH, derzufolge es an der Substituierbarkeit bei unterschiedlichen Branchenverzeichnissen desselben Verlags fehlt,524 wird sich nicht übertragen lassen. Entscheidend ist nicht, welche Waren der Wettbewerber „sonst noch“ vertreibt, sondern ob – wenn auch nur in einem nicht unwesentlichen Teilbereich – eine Wettbewerbslage existiert. Anderenfalls wären Wettbewerber mit breiter Produktpalette bevorzugt. Immer ist aber auf die Produkte des jeweils vertretenen Unternehmens abzustellen, nicht auf die Produktpalette eines mit ihm verbundenen Unternehmens. Denn sofern der HV keine Vorteile aus der Vertretung der verbundenen Unternehmen ziehen kann, darf ihm auch nicht der Nachteil des Wettbewerbsverbots obliegen. Bleiben die vom HV vertriebenen anderen Artikel wettbewerbsneutral, so wird der Vertrieb noch nicht ohne weiteres

514 OLG München NJW-RR 1995, 292 (293); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 31. 515 OLG Düsseldorf HVR Nr. 1044; OLGR 1999, 53; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 31; Hopt § 86 Rn 27; aA MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 38. Hopt § 86 Rn 27; aA MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 38 (wohl zu weitgehend). Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 255; Hopt § 86 Rn 27. BGH HVR Nr. 164; OLG Düsseldorf OLGR 1999, 53; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 31. OLG Celle BB 1970, 228; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas4 § 86 Rn 31; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 35; aA wohl Staub/Brüggemann4 § 86 Rn 37. 520 Maier BB 1979, 500 (501); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 35. 521 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 38. 522 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 38; aA OLG Düsseldorf OLGR 1999, 53; Hopt § 86 Rn 27; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 31. 523 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 42, 42a. 524 BGH, Urt. v. 28.4.1999 – VIII ZR 354/97, NJW 1999, 2668 (2670) = ZIP 1999, 1094.

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dadurch unzulässig, dass er den fremden Auftraggeber wirtschaftlich gegenüber dem eigenen Unternehmer des HV zu stärken vermag.525 Bei sachlicher Überschneidung ist die räumliche Nähe der Wettbewerbshandlung zu 106 dem Geschäftslokal des Mittlers irrelevant: Zum Wettbewerbsverstoß genügt etwa der Vertrieb eines Wettbewerbsprodukts in einer 70 km entfernten Werkstatt an einem nicht mehr im Einzugsbereich der für den Unternehmer betriebenen Tankstelle belegenen Ort. Entscheidend bleibt die Störung des Vertrauensverhältnisses zum Unternehmer.526 Ob zukünftige Produkte des Unternehmers durch das Wettbewerbsverbot geschützt sind, hängt davon ab, ob sie zu den vom HV zu vertreibenden gehören. Das ist, wie oben, Rn 22 ausgeführt, regelmäßig der Fall.527 Nach diesen Maßstäben soll in folgenden Fällen eine Überschneidung vorliegen: 107 – Bei einer Blusenkollektion, die sich im Hinblick auf mehrere Artikel mit den vom vertretenen Unternehmen vertriebenen Blusen in Genre und Preisklasse überschnitt528 – Bei Doppelvertrieb der Zubehörteile des Unternehmers A und B, selbst wenn die Teile weder mengen- noch preismäßig ins Gewicht fallen529 (zwh., da wohl nur eine unbedeutende Überschneidung der Produktpalette vorlag). Zumindest kann es nach den Umständen des Einzelfalles Treu und Glauben widersprechen, falls der Unternehmer den HV-Vertrag im Falle einer lediglich geringen Überschneidung außerordentlich kündigt530 – bei der Vermittlung von Rostschutzfarben, selbst wenn beide Rostschutzfarben auf unterschiedlicher Rohstoffgrundlage hergestellt wurden531 – Beim Vertrieb von Konkurrenzware, bei der es sich um eine „Marktlücke“ handelt, weil der entsprechende Abnehmerkreis vom bisher vertretenen Unternehmen nicht bearbeitet wird. Denn es sei die Pflicht des HV, derartige „Marktlücken“ in werbender Tätigkeit für die Erzeugnisse des vertretenen Unternehmens nutzbar zu machen.532 Jedoch dürfte anders zu entscheiden sein, falls der Unternehmer nach Hinweis des HV auf die Nutzung der Marktchance verzichtet. Denn dann liegt ein bewusster Verzicht auf die Vertriebschance vor – Im Falle des Vertriebs von Weinen der unteren und mittleren Mosel.533 Eine Konkurrenztätigkeit wurde dagegen verneint: 108 – Beim Vertrieb einerseits von Kühlschränken für Privathaushalte und andererseits von Kühlschränken für die Gastronomie534 – Wenn der HV einerseits von dem Wettbewerber A lediglich das Produkt 1 vertritt, von dem Wettbewerber B jedoch nur das Produkt 2.535 Begründung: Auch hier interessiert nicht, welche Produkte der Wettbewerber „ansonsten“ außerhalb des vertraglich zum Vertrieb vorgesehenen Programms herstellt. Eine unzulässige Konkurrenz liegt jedoch vor, sofern der HV auch Waren übernimmt, die beide Unternehmer herstellen – Bei Vertrieb einerseits eleganter Damenschuhe mit hohen Absätzen und andererseits Damenschuhen sportlicher Machart mit flachen Absätzen (unterschiedlicher Verwendungszweck)536

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Maier S. 501. BGH MDR 1977, 289. Siehe Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 32. BGH HVR Nr. 164. BGH, Urt. v. 21.10.1963 – VII ZR 103/62; ähnlich OLG Celle BB 1970, 228. BGH BB 1968, 60 = DB 1968, 211. BGH, Urt. v. 21.3.1966 – VII ZR 116/64; zit. nach Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 63. OLG Celle BB 1970, 228. OLG München HVR Nr. 107; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 42. OLG München BB 1983, 1835; Thume BB 1994, 2358. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 60. BGH, Urt. v. 25.4.1966 – VII ZR 89/64; zitiert nach Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 63; aA Staub/Brüggemann4 § 86 Rn 37; Begründung: Es bestehe immer die Gefahr, dass der Käufer der Damensportschuhe wegen ihrer guten Qualität sich später auch für die von B hergestellten oder demnächst herzustellenden hochhackigen Damenschuhe interessiere. 649

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Bei nicht austauschbaren Kundenkreisen, etwa Handfertigung für exklusive Käufer im Vergleich zu maschineller Produktion.537 109 Wie auch sonst gilt: Im Zweifel gebieten Interessenwahrnehmungspflicht sowie wechselseitige Treupflichten es dem HV, den Unternehmer zu fragen, ob gegen die beabsichtigte Übernahme der Vertretung etwas einzuwenden ist538 und bis zu einer unverzüglichen Antwort die Vertretung des anderen Unternehmers zu unterlassen. Handelt es sich objektiv um eine Verletzung des Wettbewerbsverbots, begeht der HV ohne eine ggf. konkludent erklärte Zustimmung des Unternehmers (Rn 127 ff.) eine Vertragsverletzung. Jedoch kommt es auf die tatsächliche Rechtsund Sachlage und nicht das subjektive Befinden des Unternehmers an, ob die Wettbewerbstätigkeit zulässig oder unzulässig ist. Da jedoch bereits der Anschein einer Verletzung der Interessenwahrnehmungspflicht schädlich ist, und ein Verstoß schon in Zweifelsfällen vorliegen kann, muss der HV vorsichtig sein. Dass jedoch in allen Zweifelsfällen, in denen der Unternehmer die Tätigkeit des HV nicht gestattet, jene (auf Dauer) zu unterlassen ist,539 verkürzt die Rechtsposition des HV zu sehr. Zeigt der Unternehmer sich nach gehöriger Aufklärung darüber, dass der beanstandete Vertrieb in Wahrheit wettbewerbsneutral ist, unnachgiebig und beharrt er auf seiner ablehnenden Haltung, so hat der HV Grund, nach ergebnisloser Abmahnung fristlos zu kündigen. Er darf aber statt dessen auch die Weigerung des Unternehmers als unverbindlich behandeln und sie unbeachtet lassen, tut das allerdings, wenn der Unternehmer daraufhin Konsequenzen zieht und es darüber zum Prozess kommt, auf sein Risiko.

110 (c) Räumlicher Geltungsbereich. Nach h. A. soll sich das Wettbewerbsverbot räumlich auf das gesamte Gebiet, in welchem der Unternehmer seine Produkte vertreibt und über das eigene Einzugsgebiet oder den Bezirk540 des HV hinaus erstrecken.541 Erkennbar bevorstehende542 und naheliegende543 Produkt-, Gebiets- oder Kundenerweiterungen des Unternehmers werden mitumfasst; jedoch nicht unbestimmte „potentielle“ Produkterweiterungen.544 Auch Vertriebsgebiete, in denen der Unternehmer zwar bislang nicht tätig ist, aber eine solche Tätigkeit plant, können damit für den HV gesperrt sein, nämlich dann, wenn dem HV die baldige Aufnahme des Vertriebs in diesem Bereich erkennbar ist.545 Diese weite räumliche Erstreckung erscheint prima vista ungerecht, weil der Unternehmer über 111 den örtlichen Geltungsbereich des Vertriebsvertrages (mit)bestimmt und es daher auch ihm zuzurechnen ist, falls ein einzelner HV lediglich einen Teilbereich des gesamten Vertriebsbereiches betreut. Die Ansicht bildet zudem eine nicht erklärte Abweichung zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot des § 90a. Vertretbar wäre auch Folgendes anzunehmen: Sofern der HV nur einen kleinen Bezirk bearbeitet und lediglich aus ihm Vorteile ziehen kann, soll er nicht daran gehindert sein, an anderer Stelle für einen Wettbewerber des Unternehmers akquisitorisch tätig zu werden.546

537 Hopt § 86 Rn 27. 538 BGH v. 25.3.1985, BB 1985, 425, DB 1958 512, ähnlich schon MDR 1954, 606; OLG München, Urt. v. 18.2.2015 – 7 U 4696/14, IHR 2015, 87 (88); BB 1956, 20; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 35. 539 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 35. 540 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 43a. 541 BGH, Urt. v. 19.11.1976 – I ZR 84/75, MDR 1977, 289 (290) – zwar vertragliches Wettbewerbsverbot, aber in der Formulierung an gesetzliches Wettbewerbsverbot angelehnt; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 255; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 33; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 17; Hopt § 86 Rn 27; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 43a; Westphal I Rn 227; aA (nur auf den Vertreterbezirk) Maier BB 1979, 500 (501); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 37. 542 Hopt § 86 Rn 27. 543 AA Hopt § 86 Rn 27. 544 AA Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 33. 545 Ähnlich Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 33. 546 So auch MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 37. Emde

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Jedoch ist auch zu berücksichtigen, dass Vertrauen unteilbar ist. Bei realistischer Betrach- 112 tung könnte nämlich ein objektiver Dritter nicht ausschließen, der HV werde die in einem Vertriebsgebiet erhaltenen internen Informationen zu den Produkten eines Wettbewerbes in dem anderen Vertriebsgebiet nutzen oder ein Geschäft dorthin verlagern, wo es für ihn am vorteilhaftesten ist. Das gilt insbesondere, wenn das Vertriebssystem des Unternehmers auf spezifischem Know-Hows aufbaut, etwa in franchiseähnlichen Vertriebssystemen. Folglich hat ein objektiver Unternehmer durchaus ein Interesse daran, dass „sein“ HV Waren eines Wettbewerbers überhaupt nicht, also auch nicht in anderen Vertriebsgebieten, vertreibt.547 Es ist allerdings nicht sicher festzustellen, ob die einen Verstoß gegen das Konkurrenzverbot befürwortende h. M. in erster Linie an ein Wettbewerb in eng aneinander liegenden Vertriebsgebieten denkt, etwa innerhalb Deutschlands, oder ob auch der Fall erheblicher räumlicher Distanz erfasst werden soll. Die h. M. macht keine Unterscheidung, so dass davon ausgegangen werden muss, dass sie auch den Fall erheblicher räumlicher Distanz erfasst. Dafür spricht, dass der weite räumliche Geltungsbereich aus dem Vertrauensgrundsatz hergeleitet wird. Der durch einen Wettbewerbsverstoß herbeigeführte Vertrauensverlust ist aber nicht größer oder kleiner, nur weil die Vertriebsgebiete weiter auseinander liegen. Ausnahmen von dem Verständnis der h. M. sind vorstellbar, jedoch wenig praktisch. Zu denken wäre an eine Ausnahme etwa dann, wenn die betroffenen Märkte vollkommen verschieden und die Informationen eines Vertriebsgebietes deshalb in dem anderen Vertriebsgebiet wertlos sind. Im Ergebnis kommt es auf den Einzelfall an, weil die Interessenwahrungspflicht trotz zulässiger, geringer Generalisierungen immer auf den Einzelfall abstellt. Außerhalb des Vertriebsgebiets seines Unternehmers darf der HV – als Grundregel – für 113 einen anderen Unternehmer tätig werden. Jedoch könnte man auch hier je nach den maßgeblichen Tatsachen eine gegenteilige Ansicht vertreten. Denn der HV erhält aus seiner Tätigkeit für den einen Unternehmer Informationen, mit denen er die Geschäfte des anderen Unternehmers außerhalb des Vertriebsgebietes des ersten Unternehmers fördert. Dass er dessen wirtschaftliche Stärke („economy by scale“) unterstützt, was die Wettbewerbsfähigkeit auch außerhalb des dem HV zugewiesenen Bezirks stärkt, ist dagegen grundsätzlich zulässig. Es liegt zwar eine generelle Förderung der Geschäfte des zweiten Unternehmers vor, die mittelbar die Wettbewerbsposition auch auf dem von beiden Unternehmern beworbenen Markt unterstützt, sie ist jedoch grundsätzlich nicht zu beanstanden. Auch hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, wobei angesichts der bewussten Beschränkung des ersten Unternehmers auf einen kleineren Markt eine Vermutung dafür sprechen sollte, dem HV die Werbung für die Produkte des zweiten Unternehmers mit größerem Vertriebsgebiet zu gestatten.

(d) Zeitlicher Geltungsbereich des Wettbewerbsverbots. Das gesetzliche Konkurrenzver- 114 bot greift wie die gesamte Interessenwahrnehmungspflicht nur vertragsbegleitend ein. Es endet dahererst mit der rechtlichen Vertragsbeendigung.548 Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot dagegen muss von den Parteien vereinbart werden.549 Wurde der HV-Vertrag unwirksam gekündigt, hat der HV gleichwohl das Wettbewerbsverbot zu beachten, weil er weiterhin allen Vertragspflichten unterliegt.550 Das gilt auch (aber § 242 BGB), falls der Unternehmer eindeutig

Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 33. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 37. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 40; Westphal I Rn 217. BGH, Urt. v. 30.6.1954 – II ZR 26/53, BB 1954, 647 (648); BGH NJW-RR 1992, 481 (482); BGH, Urt. v. 12.3.2003 – VIII ZR 197/02, VersR 2003, 856 = BB 2003, 1253 = NJW-RR 2003, 981 = NJW 2003, 2677 (LS) = WM 2003, 2103 = EWiR 2003, 973 (Albicker); NJW 1964, 817; Gräfe ZVertriebsR 2013, 362; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn2 § 89 Rn 100; Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 108, § 86 Rn 37; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89a Rn 78; Schlegelberger/ Schröder § 89a Rn 6a, 20a, § 86 Rn 42a; Hoss DB 1997, 1818 ff.

547 548 549 550

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unberechtigt kündigt und die Dienste des HV ablehnt.551 Will der HV diese Folge vermeiden, muss er die unwirksame Kündigung (ggf. nach Abmahnung) selbst zum Anlass einer – ausgleichserhaltenden – Kündigung aus wichtigem Grund nehmen. Ebenso trägt der HV das Risiko und die Folgen einer verbotenen Wettbewerbstätigkeit, sofern er eine Konkurrenztätigkeit aufnimmt, obwohl der Unternehmer die vom HV ausgesprochene außerordentliche Kündigung für unwirksam hält.552 Bleibt der HV nach der Kündigung eines Vertriebsgebietes noch in einem anderen Vertriebsgebiet für den Unternehmer tätig, unterliegt er auch im ehemaligen Vertriebsgebiet selbst ohne nachvertragliches Wettbewerbsverbot einem aus der Interessenwahrungspflicht hergeleiteten Wettbewerbsverbot. Denn wie ausgeführt erstreckt sich das aus der Interessenwahrungspflicht hergeleitete Wettbewerbsverbot auf das gesamte Verkaufsgebiet des Unternehmers. Auch im Falle einer Freistellung des HV von weiterer Tätigkeit gilt das Wettbewerbsverbot bis zum Vertragsende.553 Keine Wettbewerbshandlung stellt die vertragsbegleitende Suche nach einer Nachfolge115 tätigkeit sowie der Abschluss eines sie betreffenden Vertrages dar. Sie ist zulässig (Siehe Kommentierung zu § 89). In Vertragshändlerverträgen, Franchiseverträgen oder unechten HV-Verträgen (dazu 116 Kommentierung zu Vor § 84) verstößt ein unbefristetes Wettbewerbsverbot gegen Art. 101 AEUV. Art. 5 Abs. 1 lit. a GVO 330/10 stellt lediglich Wettbewerbsverbote bis zu einer Höchstdauer von fünf Jahren von dem Verbot des Art. 101 AEUV frei. Dass in Deutschland § 86 ein unlimitiertes, vertragsbegleitendes Wettbewerbsverbot entnommen wird, schließt die Nichtigkeit nach Art. 101 AEUV nicht aus. Art. 101 AEUV i. V. m. Art. 5 Abs. 1 lit. a GVO 330/10 verdrängt das zeitlich unbegrenzte Wettbewerbsverbot des § 86 im Wege der kartellrechtlichen Spezialität.554 Nach Ablauf der Fünfjahresfrist setzt sich deshalb ein vertragliches Wettbewerbsverbot auch nicht als solches dispositiven Rechts fort.555 Die Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots wird nur abgewendet, falls gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV die positiven Effizienzgewinne die aus dem Wettbewerbsverbot entstehenden Nachteile überwiegen. Mögliche Fallgruppen hat die Kommission in Tz. 106 ff., 122 ff. der Leitlinien zur GVO 330/10 beschrieben. In echten HV-Verträgen (Vor § 84 Rn 252 ff.) ist hingegen auch ein fünf Jahre übersteigendes Wettbewerbsverbot unbedenklich.

117 (7) Rechtsnatur der Wettbewerbshandlung. Die Rechtsnatur, in der der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot begangen wird, ist irrelevnt. Der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot eines HV kann etwa mittels Vertragshändler- oder Franchisetätigkeiten begangen werden und vice versa. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Konkurrenztätigkeit als HV oder Angestellter erfolgt.556

(8) Nachträgliches Entstehen einer Wettbewerbssituation 118 (a) Allgemeines. Konkurrenzsituationen. können sich auch nachträglich und ohne Zutun des HV entwickeln. Der HV hat, als Beispiel, zwei Unternehmen zu vertreten, deren Erzeugnisse (noch) nicht im Wettbewerb stehen; nachträglich nimmt einer von beiden Artikel in sein Produktionsprogramm auf, die nunmehr mit denen des anderen Unternehmers konkurrieren.557 Das Risiko des nachträglichen Entstehens der Wettbewerbssituation ist im Verhältnis zwischen dem seine 551 552 553 554 555 556

AA OLG Köln HVR (02) Nr. 978; Hopt § 86 Rn 28. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 37. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 97. Emde WRP 2005, 1492 ff. Emde BB 2006, 1061 (1066). OLG München, Urt. v. 18.2.2015 – 7 U 4696/14, IHR 2015, 87 (88) – Konkurrenztätigkeit innerhalb eines HVVertrages. 557 Siehe BGH DB 1960, 1305 und LG Frankfurt/M. DB 1966, 499; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 32; Hopt § 86 Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 36. Emde

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Produktpalette erweiternden Unternehmer und dem HV zu klären, wobei das Veranlasserprinzip zu beachten ist: Das Risiko der Produkterweiterung trägt in erster Linie der erweiternde Unternehmer, erst in zweiter Linie der mit ihm in Vertragsbeziehungen stehende HV. Der nicht erweiternde Unternehmer ist hingegen in keiner Beziehung „Risikoveranlasser“. Diese Wertung ist bei der Untersuchung der Rechtsfolgen einer solchen Erweiterung zu berücksichtigen. Grundsätzlich ist der HV – je nach den Verhältnissen des einzelnen HV-Vertrags – berechtigt 119 und verpflichtet, bei Ausweitung der Produktpalette eines Unternehmers auch die neu eingeführten Produkte zu vertreiben, wenn sie mit den bisher vertriebenen Produkten verwandt sind. Nur im Falle einer solchen Verwandtschaft und der Verpflichtung zur Übernahme der Vertretung dieser Produkte kann es zu Konfliktsituationen kommen. Nicht verwandte Produkte braucht der HV nicht zu vertreiben. Hier muss dem HV insbesondere von dem Unternehmer, dessen Artikel die zeitliche Priorität in der Vertretung genießen, Gelegenheit gegeben werden, das Vertragsverhältnis zu dem sein Sortiment erweiternden Unternehmer, etwa durch Aufhebungsvertrag,558 zu ordnen, notfalls durch (außerordentliche559) Kündigung (aus begründetem Anlass infolge eines Verhaltens des Unternehmers: § 89b Abs. 3 – ausgleichspflichtig! –560) zu lösen, ehe er seinerseits Maßnahmen wegen nicht gestatteten Wettbewerbs ergreift.561 Der HV muss zunächst versuchen, dass Einverständnis beider betroffener Unternehmer zur Vertretung einzuholen.562 Sind die Unternehmer nach Rückfrage nicht bereit, die neu eingetretene Wettbewerbssituation zu dulden, muss der HV entscheiden, welche Vertretung er kündigt, um die Wettbewerbssituation aufzulösen.563 Die Entscheidungs- und Abstimmungsfrist ist gerade bei nachträglichem Entstehen der Wettbewerbssituation nicht zu gering zu bemessen. Denn der HV muss ggf. die Entscheidung der konkurrierenden Unternehmer abwarten, etwa bei Kollision kraft Erbteilung.564 Dabei ist der HV nicht nach dem Prioritätsprinzip gehalten, immer die später übernommene 120 Vertretung oder die des erweiternden Unternehmens zu kündigen.565 Der so verstandene Gesichtspunkt der Priorität ist kein sachgerechter, um den Konflikt aufzulösen. Der HV darf vielmehr jedem Unternehmer ordentlich kündigen, sofern das ordentliche Kündigungsrecht nicht wegen einer Festlaufzeit ausgeschlossen ist. U.U kann, abhängig von der Situation, ein außerordentliches Kündigungsrecht bestehen (s. o.). Je nachdem, wem der HV kündigt, kann er jedoch seinen Ausgleichsanspruch verlieren: Kündigt er die Vertretung mit dem nicht erweiternden Unternehmer, so verliert er seinen Ausgleichsanspruch (§ 89b Abs. 3 Nr. 1).566 Kündigt der HV gegenüber dem seine Produktpalette erweiternden Unternehmer, stellt die Produkterweiterung für eine solche Kündigung dagegen einen begründeten Anlass im Sinne des § 89b Abs. 3 Nr. 1 dar, so dass der HV seinen Ausgleich nicht verliert.567 Nur für die Ausgleichsfrage entscheidend ist also, welcher Unternehmer den Konflikt herbeigeführt hat. Ihm gegenüber darf als Risikoveranlasser ausgleichserhaltend gekündigt werden.568 Wusste der HV von einer bevorstehenden Produkterweiterung eines Unternehmers, darf er keine Zweitvertretung für solche Produkte aufnehmen, in die der Unternehmer erweitern will. Insbesondere steht ihm dann kein ausgleichserhaltendes Kündigungsrecht gegenüber dem erweiternden Unternehmer zu. 558 559 560 561

Hopt § 86 Rn 28. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 32; Hopt § 86 Rn 27. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 32. BGH, Urt. v. 27.2.1976 – I ZR 16/75, zitiert bei v. Gamm NJW 1979, 2491 zu Fn 21; Flohr/Wauschkuhn/Franke2 § 86 Rn 47; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, 4. Aufl., § 86 Rn 36. 562 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 42. 563 Vgl. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 32. 564 OLG Zweibrücken HVR Nr. 327; Hopt § 86 Rn 28. 565 So aber Flohr/Wauschkuhn/Franke2 § 86 Rn 47; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 257; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 32; Hopt § 86 Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, 4. Aufl., § 86 Rn 36. 566 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 42. 567 BGH, Urt. v. 6.11.1986 – I ZR 51/85, NJW 1987, 778 = BB 1987, 221 = DB 1987, 531; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 32; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 5a, 42. 568 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 36. 653

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Ein ausgleichserhaltender begründeter Anlass zur Kündigung durch den HV besteht nach Ansicht des BGH569 selbst dann, wenn der erweiternde Unternehmer dem HV anbietet, das im Wettbewerb stehende Produkt durch einen anderen HV vertreiben zu lassen. Eine konfliktfreie Doppelvertretung sei in diesem Fall ausgeschlossen. Zudem muss der HV befürchten, dass durch die Tätigkeit des anderen HV der Vertrieb auf diesen übergeleitet wird. Bei der Ausgleichsberechnung ist unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit (§ 89b Abs. 1 Nr. 3) die Vertretung des Konkurrenten gegebenenfalls zu berücksichtigen.570 Gegenüber dem erweiternden Unternehmer ist meist eine außerordentliche Kündigung 122 nach § 89a zulässig.571 Der nicht erweiternde Unternehmer muss dem HV Gelegenheit zu einer solchen Kündigung gegenüber dem Risikoveranlasser geben, ehe er dem HV wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot kündigt. Erst nach Ablauf dieser Zeitspanne läuft die Monatsfrist, binnen derer die Kündigung nach § 89a regelmäßig zu erklären ist. Wartet der HV zu lange und ist dieses Zuwarten dem nicht erweiternden Unternehmer unzumutbar, riskiert der HV die ausgleichsschädliche außerordentliche Kündigung durch den nicht erweiternden Unternehmer. Regelmäßig ist der HV also zur außerordentlichen Kündigung gehalten, es sei denn, dem Unternehmer ist ein Zuwarten bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar. Der erweiternde Unternehmer, der den Konflikt herbeigeführt hat, darf ohnehin nicht kündigen (Rechtsgedanke der §§ 242, 161 BGB). Natürlich können auch andere Gesichtspunkte erheblich sein, etwa die wirtschaftliche Bedeutung der Vertretung für den Mittler. Eine feste Regel gibt es nicht. Letztlich entscheidet der HV, wem er kündigt. Er muss aber die Folgen (ggf. Ausgleichsverlust) tragen. Da es für einen wichtigen Grund nicht auf ein schuldhaftes Verhalten ankommt, kann ein solcher sogar gegenüber beiden Unternehmer bestehen.572 Schadenersatzansprüche gegenüber dem kündigenden HV darf der sein Produktionspro123 gramm erweiternde, außerordentlich gekündigte Unternehmer nicht erheben. Dies gilt wohl auch in Fällen, in welchen der Mittler die den Konflikt auslösende Vertretung in Kenntnis des entstehenden Konfliktes übernahm. Zumindest darf ihm die (keine Schadenersatzansprüche auslösende) ordentliche Kündigung nicht verwehrt sein. 121

124 (b) Konzernfälle, Spaltung, Entflechtung und Verschmelzung. Eine Wettbewerbssituation kann nachträglich durch Konzernierung, Spaltung eines Unternehmens oder dessen wirtschaftliche Entflechtung entstehen. Vertritt beispielsweise ein HV im allseitigen Einvernehmen zwei Unternehmen, die durch einen gemeinsamen Gesellschafter und einen gemeinsamen Geschäftsführer verbunden sind und entwickeln sich diese Unternehmen auseinander, so dass nicht nur formell sondern auch wirtschaftlich eine Wettbewerbssituation entsteht,573 obliegt es den jeweiligen Unternehmen die Wettbewerbssituation aufzulösen, notfalls durch Kündigung des HV-Vertrages.574 Der HV braucht nicht zu handeln und verstößt auch nicht gegen das Wettbewerbsverbot. Denn ursprünglich akzeptiertes und damit vertragsgemäßes Handeln wird durch eine allein im Einflussbereich des Unternehmers liegende Strukturmaßnahme nicht unrechtmäßig. Kündigt der Unterneh-

569 BGH BB 1987, 221 = MDR 1987, 376 = NJW 1987, 778. 570 BGH VersR 1961, 52 (54). 571 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 32; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 17; Hopt § 86 Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 36; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 5a; aA LG Frankfurt/M. DB 1966, 499 = HVR Nr. 371: Unzulässigkeit der Kündigung. Der erweiternde Unternehmer hat gleichwohl keinen Anspruch auf Schadenersatz, weil sich der Vertreter unter dem Gesichtspunkt der Druckkündigung in einer notstandsähnlichen Situation befunden hat, so dass es zumindest am Verschulden des Vertreters fehlt. Denn das Risiko der Erweiterung des Produktprogramms trägt allein der erweiternde Unternehmer (s. o.). 572 AA Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 32: Nur gegenüber dem das Sortiment Erweiternden. 573 Siehe Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 37. 574 OLG Zweibrücken HVR Nr. 327; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 93 f. Emde

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mer, fehlt es an einem die außerordentliche Kündigung rechtfertigenden schuldhaften Verhalten des HV i. S. d. § 89b Abs. 3 Nr. 2, so dass der HV den Ausgleich fordern kann. Verschmelzen zwei HV-Unternehmen, so haben sie im Falle einer ergebnislosen Abstim- 125 mung mit den Unternehmern einen aus der Verschmelzung resultierenden Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot durch – ausgleichsvernichtende – Kündigung einer der im Wettbewerb stehenden Vertretungen zu beenden. Ob im Falle einer Konzernierung und Steuerung beider Handelsvertretungen lediglich durch eine gemeinsame Holding gleich zu entscheiden ist, hängt von den tatsächlichen Umständen ab. Im Zweifel spricht einiges dafür, dass auch bei einer solchen Struktur das Vertrauen des Unternehmers beeinträchtigt ist, mithin ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot eintritt. Dem kann durch personell-wirtschaftliche Separierung beider Vertretungen entgegengewirkt werden. Treten sich beide HV-Gesellschaften auf dem Markt wie unabhängige Wettbewerber gegenüber, mag eine Verletzung des Konkurrenzverbotes ausscheiden.

(9) Vertragliche Regelung des Wettbewerbsverbots. Vertragliche Regelungen des Wettbe- 126 werbsverbots sind zulässig, da sie nicht den Kernbereich der Interessenwahrungspflicht und damit den Unabdingbarkeitsgrundsatz berühren. Solche Vereinbarungen unterteilen sich in die vertragliche Gestattung des Wettbewerbsverbots (Rn 127 ff.) und die spiegelbildliche vertragliche Begründung des Wettbewerbsverbots (Rn 131 ff.).

(a) Gestattung der Wettbewerbstätigkeit. Der Unternehmer darf dem HV die Tätigkeit für 127 Wettbewerber gestatten,575 und zwar sowohl ausdrücklich wie konkludent.576 Sofern nicht anders erklärt, handelt es sich bei einer Gestattung nach Vertragsschluss im Zweifel rechtstechnisch um eine Vertragsänderung, die nicht einseitig zurückgenommen werden kann.577 Ein Anspruch des HV auf Erlaubnis existiert nicht,578 auch nicht, wenn erhebliche Schäden des HV drohen.579 Der Unternehmer darf seine Zustimmung aber nicht willkürlich versagen und muss die schutzwürdigen Interessen des HV bei seiner Entscheidung berücksichtigen.580 Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Gestattung der Wettbewerbstätigkeit nur unter den Voraussetzungen des § 19 GWB, 242 BGB. Es existiert kein grundsätzlicher Anspruch auf Gleichbehandlung gegenüber einem anderen HV, dem die Konkurrenztätigkeit erlaubt wurde.581 Das Gleichbehandlungsgebot des Arbeitsrechts ist nicht entsprechend anwendbar.582 Dem HV steht daher ohne besondere Umstände des Einzelfalls kein Anspruch auf eine Genehmigung der Zweitvertretung zu, nur weil einem anderen HV diese bereits gestattet wurde.583 Im Vertragshändler- und Franchiserecht mag wegen des dort z. T. vertretenen (s. Kommentierung zu § 86a) Gleichbehandlungsgebots Gegenteiliges anzunehmen sein. Verweigert der Unternehmer einem HV jedoch ohne sachlichen Grund eine Wettbewerbstätigkeit, die er einem anderen HV bewilligt hat, kann hierin je nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine Treupflicht- und damit eine Vertragsverletzung, ferner eine Selbstwiderlegung der Beeinträchtigung des Unternehmers584 oder der Wettbewerbslage585 liegen, was insbesondere 575 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 22; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 18; Hopt § 86 Rn 28, 30; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 40, 65.

576 Die Zustimmung muss also nicht immer ausdrücklich erfolgen; eine stillschweigende Zustimmung genügt, Hopt § 86 Rn 30; aA mglw. OLG Hamm NJW-RR 1992, 364. 577 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 22. 578 Hopt § 86 Rn 30. 579 Hopt § 86 Rn 30; offen BGHZ 52, 181. 580 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 258. 581 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 22; Hopt § 86 Rn 30; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 40. 582 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 40. 583 Hopt § 86 Rn 28; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 40. 584 BGH NJW 1984, 2101; Hopt § 86 Rn 30. 585 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 40. 655

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bei einem Streit um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung zu prüfen sein wird. Verbietet der Unternehmer zu Unrecht den Vertrieb eines Zweitfabrikats, kann dies dem HV nach Abmahnung einen begründeten Anlass zur ausgleichserhaltenden Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 89b Abs. 3 Nr. 1 geben. Vertritt ein HV mit Genehmigung des vertretenen Unternehmers einen Wettbewerber, ist er bei Verlust dieser Vertretung nicht automatisch berechtigt, die Vertretung eines anderen Wettbewerbers ohne erneute Erlaubnis des Unternehmers zu übernehmen.586 Eine konkludente Gestattung der Wettbewerbstätigkeit liegt etwa vor, falls der Unternehmer 128 dem HV die Vertretung in Kenntnis seiner Tätigkeit für einen Wettbewerber überträgt oder er im Vertrag ein Wettbewerbsverbot nur auf das Vertragsgebiet beschränkt587 (Umkehrschluss, dass Wettbewerb außerhalb des Gebiets gestattet wurde). Auch gibt es Branchen, in denen das Wettbewerbsverbot stillschweigend derogiert ist, etwa wegen der Üblichkeit oder Notwendigkeit des Vertriebs von Konkurrenzprodukten.588 Man könnte hier auch annehmen, dass die Interessenwahrungs- und Treupflicht zurücktritt und kein Wettbewerbsverbot fordert.589 So kann es im Interesse des Unternehmers liegen,590 branchentypisch oder sogar erforderlich591 sein, dass der HV Produkte von Wettbewerbern anbietet; in diesem Fall ist spiegelbildlich eine Gestattung des Unternehmers anzunehmen. Dies mag etwa zu vermuten sein, wenn ein Tankstellen-HV aufgrund der Empfehlung der Automobilhersteller für die Motoren ihrer Erzeugnisse zur Verwendung bestimmter Öle gezwungen ist,592 wobei dieser Fall auch unter dem Gesichtspunkt der Pflichtenkollision geführt wird. Der HV darf dann nur nicht für diese Erzeugnisse werben.593 Anders, wenn der Stationär in gleicher Lage die Wahl hat zwischen dem Motorenöl der Konkurrenz und demjenigen seines Unternehmers, der Kfz-Hersteller nicht die Marke des Wettbewerbers, sondern nur eine Ölsorte mit bestimmten Eigenschaften empfohlen hat (die die beiden konkurrierenden Ölsorten gleichermaßen aufweisen) und der Tankstellenstationär in seiner Werkstatt daraufhin das Konkurrenzöl nur deshalb verwendet, weil es preisgünstiger ist: keine Pflichtenkollision, daher Wettbewerbsverstoß.594 Weiter kann eine konkludente Gestattung bei Künstler-Repräsentanten595 angenommen werden, die traditionell ebenso mehrere Unternehmer repräsentieren wie Reisebüros.596 So vertreten etwa mittlere und größere Reisebüros üblicherweise zwischen fünfzig und hundert Reiseveranstalter.597 Eine vergleichbare Gestattung ist gegenüber Multimedia-, Radio- und Fernsehhändlern anzunehmen,598 wobei es immer auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Der Vertrieb von Wettbewerbsprodukten ist dann vertragsimmanent. In diesen Fällen müsste das Wettbewerbsverbot, damit es gilt, ausdrücklich vereinbart sein (Problem: § 307 BGB in AGB). Widrigenfalls steht zu vermuten, es entspreche den Interessen des Unternehmers, dass sein HV – um für Kunden attraktiv zu bleiben – eine möglichst breite Palette an Produkten vertreibt. 129 Auch sonst mag der HV einen Vorteil z. B. für seine Absatztätigkeit darin finden, dass er seinen Kunden eine Auswahl unter Fabrikaten verschiedener Herkunft bieten kann, und auf der

586 Küstner/Thume/Riemer I5 Kap. VIII Rn 477. 587 Das dürfte jedenfalls bei einem vom Unternehmer formulierten Vertrag den Umkehrschluss zulassen, dass Wettbewerb außerhalb dieses Gebietes zulässig ist. 588 BGH DB 1968, 211; BGHZ 52, 171 (178); BGH, Urt. v. 25.9.1990 – KVR 2/89, BGHZ 112, 218 (222) = NJW 1991, 490; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 35. 589 Canaris § 17 Rn 42. 590 Kapp WuW 2007, 1218 (1225). 591 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 35. 592 BGH BB 1968, 60 = DB 1968, 211. Gibt es keine derartige Empfehlung des Herstellers, fehlt es an einer konkludenten Gestattung oder an einer Pflichtenkollision. 593 BGH – Kartellsenat – DB 1968, 211. 594 BGHZ 52, 171 (179). 595 Siehe Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 ff. 596 Kapp WuW 2007, 1218 (1225). 597 BGH, Beschl. v. 25.9.1990 – KZR 2/89, BGHZ 112, 218 (223). 598 Vgl. Westphal I Rn 231. Emde

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anderen Seite ist es nicht ausgeschlossen, dass der Geschäftsherr seinerseits mittelbare Vorteile daraus zieht, wenn das Wirkungsfeld des HV durch größere Breite des Angebots sich verbreitert. Aber das Urteil hierüber darf außer in offensichtlichen Fällen (wie den vorgenannten) nicht der HV sich selbst beilegen, falls er den Vorwurf vermeiden will, ohne die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu Werke gegangen zu sein. Vielmehr ist die Frage objektiv zu beantworten. Die Interessenwahrungspflicht fordert zudem die Neutralität zwischen den Produkten der verschiedenen Unternehmer,599 also insbesondere die neutrale Beratung des Kunden. Liegt eine Erlaubnis zur Wettbewerbstätigkeit vor, handelt es sich um eine Ausnahme von 130 der Regel. Sie ist daher eng auszulegen600 und der HV ist für sie beweispflichtig, wobei auch hier im Einzelfall eine abweichende Betrachtung geboten sein kann.

(b) Vertragliches Wettbewerbsverbot. Der Unternehmer darf dem HV – soweit kartellrecht- 131 lich zulässig (Art. 101 AEUV, Art. 5 Abs. 1 lit. a GVO 330/10, dazu Kommentierung zu Vor § 84) – durch Vertrag ein Wettbewerbsverbot auferlegen, welches über das aus der Interessenwahrungspflicht hergeleitete hinausgeht.601 Häufig geschieht dies für den Zeitraum nach Vertragsende (dazu § 90a). Möglich ist dies jedoch auch für den Zeitraum während des laufenden Vertrages. Praktisch wird ein solches Verbot meist nicht, da bereits das aus der Interessenwahrungspflicht entnommene Verbot recht weitgehend ist. Jedenfalls kann der Unternehmer das gesetzliche Konkurrenzverbot konkretisieren.602 Wird das Wettbewerbsverbot vertraglich begründet, handelt es sich um einen eigenständigen vertraglichen Anspruch i. S. d. § 241 BGB, nicht um eine Ausprägung der Interessenwahrungspflicht. Der Unternehmer darf aber auf das in Anspruchskonkurrenz stehende gesetzliche Wettbewerbsverbot rekurrieren, etwa nach Unwirksamkeit des vertraglichen Wettbewerbsverbots. Jedes Wettbewerbsverbot und seine Ausübung muss auf die schutzwürdigen Belange des HV Rücksicht nehmen.603 Ziel des Verbots muss ein legitimes Interesse des Unternehmers, z. B. die Ausschaltung von Konkurrenz604 oder der Schutz von Know-how des Unternehmers605 sein. Wird lediglich die Behinderung der Tätigkeit des HV oder dessen Kontrolle gewünscht, kann die Durchsetzung eine unzulässige Rechtsausübung bilden.606 Dem HV darf etwa – individualvertraglich jede andere Tätigkeit untersagt607 (Problem: § 307 BGB, siehe Rn 133608) und das Verbot durch Vertragsstrafe abgesichert werden,609 wobei die Vertragsstrafe bereits mit dem Abschluss des Wettbewerbsvertrags verwirkt sein kann610 – verboten werden, weitere Vertretungen zu übernehmen, selbst wenn diese zu den vertriebenen Produkten nicht in Wettbewerb stehen. Dann ist der HV Einfirmenvertreter i. S. d. § 92a;611

599 Martinek/Bergmann WRP 2006, 1047 (1050). 600 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 22. 601 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 24; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 7; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 41; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 41; generell zu solchen Vereinbarungen Bernhard NJW 2013, 2785. 602 BGH, Urt. v. 17.1.2001 – VIII ZR 186/99; OLG München, Urt. v. 18.11.2015 – 7 U 4851/14, BeckRS 2015, 19108 Rn 20; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 41. 603 BGH BB 1968, 60; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 26; Hopt § 86 Rn 26. 604 OLG Düsseldorf DB 1990, 1960; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 26. 605 Bernhard NJW 2013, 2785. 606 BGHZ 52, 171 (180, 181); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 26; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 19. 607 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 40, 41. 608 Hopt § 86 Rn 33. 609 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 41. 610 OLG Nürnberg BB 1961, 64; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 41. 611 Siehe Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 40. 657

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lediglich nebenberufliche Tätigkeiten erlaubt werden;612 auferlegt werden, weitere Vertretungen oder eine andere Tätigkeit nur mit Zustimmung des Unternehmers aufzunehmen. Es ist eine Frage der Auslegung, ob dem HV dann jede andere Betätigung untersagt werden soll oder nur eine solche, die zu einer Beeinträchtigung der Interessen des Unternehmers führen kann.613 Die Zustimmung hat der Unternehmer nach billigem, gerichtlich nachprüfbarem Ermessen zu erteilen (§ 315 BGB).614 Er hat dabei seine eigenen gegen die Interessen des HV abzuwägen und die Gründe darzulegen und zu beweisen, welche zu einer ablehnenden Entscheidung berechtigen.615 Wurde ausdrücklich eine Verweigerung der Zustimmung nur bei Interessengefährdung vereinbart, so darf auch nur in jener Situation die Zustimmung verweigert werden. Der Unternehmer ist darlegungs- wie beweispflichtig für die Existenz einer Interessengefährdung,616 wobei ein gewisser Beurteilungsspielraum besteht – eine weitere Tätigkeit oder Wettbewerbstätigkeit nur bis zum Widerruf gestattet werden.617 Der HV muss dann nach Widerruf (Grenze: Schikane618) die Tätigkeit für den Wettbewerber einstellen.619 Jedoch muss ihm der Unternehmer zur Kündigung eine angemessene Zeit, leitbildartig die gesetzliche Kündigungsfrist, geben. War der Unternehmer mit einer längeren Widerrufsfrist einverstanden, muss er auch jene gewähren. Ob der Widerruf dem HV das Recht gibt, den „Erstvertrag“ ausgleichserhaltend aus begründetem Anlass zu kündigen,620 erscheint zweifelhaft. 132 Ist der HV aufgrund seiner Arbeitsbelastung rein faktisch an einer Tätigkeit für einen anderen Unternehmer gehindert, handelt es sich um kein vertragliches Konkurrenzverbot.621 Ein über die gesetzliche Bindung aus der Interessenwahrnehmungspflicht hinausgehen133 des vertragliches Wettbewerbsverbot soll von wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes abweichen (§ 307 Abs. 2 S. 1 BGB) und damit in AGB vereinbart nur bei Vorliegen besonderer Umstände wirksam sein.622 Das erscheint zweifelhaft,623 weil sich der Existenz des § 92a ein anderweitiges gesetzliches Leitbild entnehmen lässt. Zudem handelt es sich bei der Erweiterung des Wettbewerbsverbots lediglich um eine Konkretisierung der gesetzlichen Interessenwahrnehmungspflicht, die innerhalb eines Vertriebsnetzes durch AGB erfolgen darf. Gleichwohl können auch hier Treupflichten und § 242 BGB die Rechte des Unternehmers im Einzelfall einschränken.624 Jedoch ist auf die Interessen des HV Rücksicht zu nehmen; bei der Auslegung und Wirksamkeitsprüfung eines vertrag– –

612 BGH, Beschl. v. 16.10.2014 – VII ZB 16/14, NJW-RR 2015, 289 = ZIP 2014, 2297 = BB 2014, 2817 = DB 2014, 2708 = WM 2014, 2217 = EWiR 2015, 181 (Emde); OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.7.2014 – 13 W 9/14, NJW-RR 2015, 31; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.10.2012 – 19 W 77/12, IHR 2013, 179 = ZVertriebsR 2013, 255 (256). 613 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 40. 614 OLG München BB 1993, 1835; Ebenroth/Obermann DB 1981, 829; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 24; Schlegelberger/ Schröder § 86 Rn 40; Ebenroth/Obermann DB 1981, 829; zum Arbeitsrecht: BAG DB 2002, 1507: Arbeitgeber darf Zustimmung nicht willkürlich verweigern. 615 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 40. 616 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 40. 617 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 41a. 618 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 41a. 619 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 41a. 620 Dafür: Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 41a. 621 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 24; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 7; aA Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 41. 622 OLG München NJW-RR 1995, 292; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 25; aA für den Versicherungsvertreter OLG München BB 1993, 1835; s. a. BGH BB 2003, 1463 = ZIP 2003, 1707. 623 I. E. OLG München, Urt. v. 18.11.2015 – 7 U 4851/14, BeckRS 2015, 19108 Rn 20. So wurde etwa in den Entscheidungen BGH, Beschl. v. 16.10.2014 – VII ZB 16/14, NJW-RR 2015, 289 = ZIP 2014, 2297 = BB 2014, 2817 = DB 2014, 2708 = WM 2014, 2217 = EWiR 2015, 181 (Emde); OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.7.2014 – 13 W 9/14, NJW-RR 2015, 31; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.10.2012 – 19 W 77/12, IHR 2013, 179 = ZVertriebsR 2013, 255 kein Zweifel an der Wirksamkeit des Verbotes nach § 307 BGB geäußert. 624 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 26. Emde

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lich vereinbarten Wettbewerbsverbots ist zudem die Wertung des Art. 12 GG zu berücksichtigen.625 Die Überschreitung der räumlichen Grenzen eines vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbots626 spielt im Vertriebsrecht eine eher untergeordnete Rolle, da nach h. M. bereits das aus der Interessenwahrungspflicht entnommene Wettbewerbsverbot weltweit gilt. Nach Ansicht von Bernhard627 soll die Vereinbarung eines weltweiten Wettbewerbsverbots zum Schutz des Know-how des Unternehmers immer zulässig sein, nicht jedoch wenn es nur um den Schutz vor illoyaler Ausbeutung offen gelegter Kundenbeziehungen geht. Sachlich darf das vereinbarte Wettbewerbsverbot sich auf alle vertriebenen Produkte beziehen, und zwar nicht nur dann, wenn hierbei Fabrikations-, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse verwendet werden.628

(10) Grenzen des Wettbewerbsverbots nach deutschem oder EU-Kartellrecht. Vertragli- 134 che und sogar aus dem Gesetz (Interessenwahrungspflicht) hergeleitete gesetzliche629 Wettbewerbsverbote sind stets auf ihre Konformität mit dem Kartellrecht zu überprüfen.630 Dabei darf die Rechtsprechung zu § 86 das europäische Kartellrecht nicht binden, zumal sie nur eine Interpretation des § 86 und keine ausdrückliche Regelung bildet. Hinsichtlich der kartellrechtlichen Wirkungen sind Art. 101 AEUV und die GVO 330/10 zudem spezieller. Vertragsbegleitende Wettbewerbsverbote können, sofern sie spürbar sind, Art. 101 AEUV widersprechen. Das kann insb. für Vertragshändler-, Franchise- und aus kartellrechtlicher Sicht „unechte HVVerträge“631 gelten (s. bereits Rn 93, 116). (Nur) gegenüber ihnen darf das aus § 86 entnommene oder ein vertraglich begründetes Wettbewerbsverbot grds. nicht für länger als 5 Jahre vereinbart werden632 (s. o. Rn 93, 116). Etwas anderes gilt nur, wenn bereits nach der „PronuptiaRechtsprechung“633 kein Verstoß gegen Art. 101 AEUV vorliegt, was etwa der Fall sein soll, falls das Wettbewerbsverbot allein zum Schutz des Know-how des Herstellers vorgesehen wurde.634 Ob die so zum Ausdruck gekommene Entscheidung der EU-Kommission Leitbildwirkung auch für die zivilrechtliche Lage hat, ist noch nicht ausdiskutiert, aber wohl abzulehnen. Hinsichtlich der für Kfz-Händler geltenden Kündigungsfristen der mittlerweile aufgehobenen „Alt-GVO“ 1475/95 von zwei Jahren wurde eine vergleichbare Leitbildwirkung des EU-Rechts in der Literatur befürwortet.635 Der BGH636 hat es offen gelassen, ob eine derartige Leitbildwirkung bei Bierbezugsverträgen besteht.

(11) Umgehungstatbestände. Die Praxis zeigt, dass sowohl das gesetzliche wie das vertrag- 135 lich vereinbarte Wettbewerbsverbot für Umgehungsversuche anfällig sind.637 Einigkeit herrscht

625 626 627 628 629 630 631

OLG München, Urt. v. 18.11.2015 – 7 U 4851/14, BeckRS 2015, 19108 Rn 20. Hierzu Bernhard NJW 2013, 2787 (2788). NJW 2013, 2787 (2788). Bernhard NJW 2013, 2787 (2788), linke Spalte. BGH, Urt. v. 7.7.1983 – I ZR 115/81, NJW 1984, 2101 (2102). Hopt § 86 Rn 34; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 256. Siehe Semler ZVertriebsR 2012, 156 (159), der darauf hinweist, dass das Wettbewerbsverbot in „echten“ HVVerträgen unbedenklich ist. 632 Hierzu Polley/Seeliger WRP 2000, 1203 (1214). 633 EuGH GRUR-Int. 1986, 55 (56) – Nutricia; NJW 1986, 1415 (1416) – Pronuptia. 634 Bernhard NJW 2013, 2785 (2787, rechte Spalte). 635 Siehe Emde BB 2000, 63 (65) m. w. N. 636 ZIP 2001, 1245 (1247). 637 Vgl. BGH MDR 1977, 644; Urt. v. 6.7.1970 – II ZR 18/69, BB 1970, 1374;v. 20.1.1969 – VII ZR 60/66, VersR 1969, 372; OLG Hamm NJW-RR 1987, 1114; Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 162; Emde GmbHR 1999, 1005 (1012); Ebenroth/ Löwisch3 § 86 Rn 30; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 18; Hopt § 86 Rn 29; Röhricht/Graf v. Westphalen/ Haas/Thume4 § 86 Rn 36; Schlegelberger/Schröder § 90a Rn 10. 659

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in der Zielsetzung, sie umgehungsfest zu machen.638 Der Verstoß gegen die Loyalitätspflicht ist auch hier aus der Sicht eines verständig denkenden Unternehmers zu beurteilen. Loyalität und Vertrauen lassen sich nicht manipulieren. Ob die Maßstäbe von den früher anzuwendenden abweichen, erscheint zweifelhaft.639 Nicht jede Tätigkeit nahestehender Personen bildet einen Umgehungsfall.640 Grundsätzlich gilt, dass der HV keine Tätigkeiten ausüben darf, die dem vereinbarten oder gesetzlichen Wettbewerbsverbots widersprechen oder eine Umgehung des Verbots darstellen.641 Das Konkurrenzverbot darf z. B. nicht umgangen werden durch – Vorschieben von Angehörigen oder Dritten als Mittelspersonen642 – Vorschieben anderer „Strohmänner“643 – Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen644 (die Beteiligung an einem ruhenden Unternehmen ohne Vermittlungstätigkeit soll aber wegen der fehlenden Gefahr für den Unternehmer keinen Verstoß bilden; der in das HR eingetragene Satzungszweck soll irrelevant sein645) – Beteiligung als stiller Gesellschafter an einem Konkurrenzunternehmen646 – Gründung eines Konkurrenzunternehmens, an dem Familienangehörige, nahe Verwandte oder Angestellte des Vertreterunternehmens wesentlich beteiligt sind647 – Gründung einer formal selbständigen HV-Gesellschaft648 – Untervertretungen649 – eine Geschäftsraumpartnerschaft oder Bürogemeinschaft650 ohne ausreichende, die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen ausschließende Trennung der Büros.651 136 Schwierig ist zu beantworten, wann eine unzulässige Umgehung vorliegt. Die Diskussion weist Parallelen zur „Durchgriffsprüfung“ im Gesellschaftsrecht auf. Kein Umgehungsfall sondern eine unzulässige Förderung des Wettbewerbes liegt vor, falls der HV die Tätigkeit des Umgehenden unterstützt, etwa durch Überlassung von Räumen, Hilfe, Urlaubsvertretung, gemeinsame Telefon- und Faxnummer bzw. E-Mail-Adresse, Homepage und Ähnlichem oder von ihr profitiert.652 Unzureichende Trennung der Sphären kann, nicht anders als eine Vermögensvermischung im Gesellschaftsrecht, für Umgehung sprechen, zumal sie zumindest die Befürchtung der Illoyalität begründet,653 ist aber eigentlich eher der Fallgruppe unzulässiger Förderung zuzuschlagen. Dem HV obliegt dann der Beweis fehlender Umgehung, was auch wegen der Sachnähe richtig ist. Bei Trennung der Vertriebsbereiche ohne Umgehungstatbestand, etwa von dem Vater unabhängige

638 OLG Hamm NJW-RR 1987, 1114; Gallus Wettbewerbsbeschränkung im Recht der Handelsvertreter, 1971, S. 126; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 261; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36; Hopt § 86 Rn 29; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 18; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 36; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 42a. 639 AA wohl Hopt § 86 Rn 29. 640 Hopt § 86 Rn 29. 641 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 73. 642 BGH, Urt. v. 20.1.1969 – VII ZR 60/66, VersR 1969, 372; OLG Düsseldorf DB 1959, 435; Höld NJW 2016, 2774 (2775) – VV; Gallus a. a. O., S. 126; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 73; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 261; Ebenroth/ Löwisch3 § 86 Rn 30; Hopt § 86 Rn 29; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 36; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 34. 643 Höld NJW 2016, 2774 (2775) – VV; Röhricht/Graf v. Westphalen Haas/Thume4 § 86 Rn 36. 644 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89a Rn 33; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 74. 645 LG Hamburg, Urt. v. 8.8.2008 – 332 O 351/07, n. v. – zu § 90a. 646 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 260; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 74; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 36; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 42a. 647 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 74. 648 BGH, Urt. v. 20.1.1969 – VII ZR 60/66, VersR 1969, 372 (373); v. 6.7.1970 – II ZR 18/69, BB 1970, 1374; OLG Hamm NJW-RR 1987, 1114; Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 162 ff; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 30. 649 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 30. 650 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 261. 651 BGH VersR 1969, 372; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 77; Hopt § 86 Rn 28. 652 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 36. 653 Hopt § 86 Rn 29. Emde

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Vertretung eines Wettbewerbers durch den Sohn, liegt kein Verstoß vor.654 Auch wäre der Vater nicht verpflichtet, auf den Sohn mit dem Ziel einzuwirken, den Wettbewerb einzustellen.655 Das widerspräche schon dem Recht des Sohnes auf freie Berufswahl (Art. 12 GG). Insbesondere der Wettbewerb durch Gesellschafter einer HV-Gesellschaft ist Gegenstand der 137 Diskussion.656 Paradigma ist der Wettbewerb des Alleingesellschafters oder geschäftsführenden Gesellschafters657 einer HV-Gesellschaft oder durch einzelne Mitglieder von HV-Ketten, die häufig in GmbH-Form organisiert sind.658 § 86 Abs. 1 2. Hs. verpflichtet die HV-Gesellschaft, umfassend die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen. Hierzu zählt das Unterlassen eigenen, aber auch das Bekämpfen fremden Wettbewerbs. Das nach § 86 Abs. 1 2. s.HS zu schützende Unternehmerinteresse wird durch einen Wettbewerb aus dem Umfeld des HV nicht geringer beeinträchtigt als durch einen solchen Dritter oder der Vertretergesellschaft selbst. Hat die HV-Gesellschaft eigenen Wettbewerb zu unterlassen und muss sie fremden bekämpfen, so darf der Unternehmer darauf vertrauen, dass Wettbewerb aus den Reihen der Gesellschafter mit gleicher Konsequenz wie fremdem Wettbewerb entgegengetreten wird.659 Vertriebsrechtliche Treu- und Interessenwahrungspflichten dürfen nicht mit Hilfe Dritter umgangen werden.660 Der Unternehmer will vor jedem Wettbewerb geschützt sein. Die HV-Gesellschaft ist daher zu jedem rechtlich zulässigen und möglichen Einwirken auf den konkurrierenden Gesellschafter verpflichtet. So ist sie verpflichtet, gegenüber ihrem Gesellschafter jeden Anspruch geltend zu machen, der ein Recht auf Unterlassen des Wettbewerbs gibt, insb. Unterlassungsansprüche aus Treupflicht, §§ 3 UWG, 826 BGB, u. U. i. V. m. § 1004 BGB.661 Ggf. muss die HV-Gesellschaft ein sie schützendes Wettbewerbsverbot im Verhältnis zu ihrem Gesellschafter oder Geschäftsführer durchsetzen oder an ihn weitergeben.662 Denn jene sind zumindest unter Treupflichtgesichtspunkten, der Geschäftsführer auch aus seinem Anstellungsvertrag – zudem auf Weisung – gegenüber der GmbH verpflichtet, Wettbewerb zu unterlassen.663 Sollte sich der Gesellschafter, was oft geschieht, im Verhältnis zu dem Unternehmer zur Unterlassung von Wettbewerb verpflichtet haben,664 so besitzt der Unternehmer einen Direktanspruch gegenüber dem Gesellschafter. Bei Wettbewerb durch die Gesellschaftergesamtheit oder den Alleingesellschafter spricht ein Anschein für eine Umgehung.665 Regelmäßig besteht allerdings kein Direktanspruch gegen den vertraglich nicht mit dem 138 Unternehmer verbundenen, Wettbewerb ausübenden Dritten, etwa einen Angehörigen des HV.666 Klapperich fordert „individuelle“ Lösungen.667 Die Gesellschaftergesamtheit kann im 654 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 36. 655 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 36. 656 BGH, Urt. v. 19.1.2011 – VIII ZR 149/09, BeckRS 2011, 03878 Rn 33 (Tankstellen-HV); Emde Die HandelsvertreterGmbH, S. 162 ff; Emde GmbHR 1999, 1005 (1012). 657 BGH, Urt. v. 19.1.2011 – VIII ZR 149/09, BeckRS 2011, 03878 Rn 33 (Tankstellen-HV). 658 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 163. 659 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 186 f.; Emde GmbHR 1999, 1005, 1012; wohl auch BGH, Beschl. v. 29.9.2016 – I ZB 34/15, MDR 2017, 351 für den Anspruch auf Beseitigung einer wettbewerbsrechtl. Störung; aA wohl Brüggemann ZHR 131 (1968), 1, 19. 660 OLG Köln, BB 2000, 2595 = NJW-RR 2001, 1178 = EWiR 2001, 23 (Emde). 661 BGH, Beschl. v. 29.9.2016 – I ZB 34/15, MDR 2017, 351; OLG Köln, Beschl. v. 23.1.2015 – 6 W 154/14, BeckRS 2015, 05657 – wettbewerbsrechtliche Entscheidungen: Der Schuldner eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsgebots muss nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verletzungen zu verhindern. Dazu gehört auch die Einwirkung auf Dritte, soweit deren Handeln in seinem Einflussbereich liegt und ihm wirtschaftlich zugute kommt. 662 BGH, Urt. v. 19.1.2011 – VIII ZR 149/09, BeckRS 2011, 03878 Rn 33 (Tankstellen-HV). 663 Im Einzelnen: Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 167; zu einem Durchgriff zu Lasten des Unternehmers OLG Düsseldorf OLGR 2000, 425 = GmbHR 2000, 1205; OLG Köln BB 2000, 2595 = NJW-RR 2001, 1178 = EWiR 2001, 23 (Emde). 664 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 169. 665 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 170. 666 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 261. 667 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 261. 661

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Wege des Durchgriffs das Wettbewerbsverbot der HV-Gesellschaft treffen.668 Da für die HV-Gesellschaft die hinter ihr stehenden Personen handeln (gerade im Vertriebsbereich ist die Einpersonengesellschaft typisch), kommt es dem Unternehmer auch darauf an, dass die für die Gesellschaft tätigen Personen das Wettbewerbsverbot achten. Ein nur die Gesellschaft, nicht aber die für sie agierenden Gesellschafter („Schlüsselpersonen“), treffendes Konkurrenzverbot wäre faktisch wertlos.669 Bei einer personalistischen Gesellschaft, deren Gesellschafter in die Vertragserfüllung eingebunden sind, trifft die Gesellschafter ohne weiteres persönlich eine Unterlassungspflicht. Der BGH hat dies zu einem Subunternehmervertrag angenommen, bei dem der Gesellschafter nicht nur Alleingesellschafter war sondern als Geschäftsführer das gewerbliche Handeln seiner GmbH bestimmte.670 §§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG stehen nicht entgegen. Es geht nicht um die Erstreckung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft auf die Gesellschafter, sondern darum, dass der Vertragspartner einer solchen Gesellschaft erwarten darf, deren Gesellschafter würden nicht bewusst seinen Interessen zuwiderhandeln (§ 242 BGB, aus dem der Durchgriffsgedanke entwickelt wurde). Neu eintretenden Gesellschaftern darf diese Verpflichtung ebenfalls entgegengehalten werden, sofern sie selbst in Ausführung der Verpflichtungen der HV-Gesellschaft tätig sind und ihre personalistische Struktur bei Eintritt erkannten. Denn dann wissen sie um die besonderen Treu- und Interessenwahrungspflichten, die es ihnen verbieten, ihre Loyalität gegenüber dem Unternehmer in eine solche der Tätigkeit für die HVGesellschaft und in eine außergesellschaftliche aufzuspalten. 139 Auch wenn den Gesellschafter die Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb nicht persönlich treffen sollte, darf der Unternehmer den Vertrag mit der HV-Gesellschaft bei Schädigungsgefahr und Schädigungswahrscheinlichkeit außerordentlich kündigen.671 Außerdem ist der Wettbewerb eines Gesellschafters beim Ausgleichsanspruch unter Billigkeitsgesichtspunkten zu berücksichtigen.672 Eine Schädigungsgefahr ist regelmäßig durch die Gesellschafterstellung indiziert.673 Eine Schädigungswahrscheinlichkeit besteht vor allem, falls der Gesellschafter die Konkurrenztätigkeit in den Vordergrund seiner wirtschaftlichen oder persönlichen Interessen stellt, etwa wenn er an dem finanziellen Erfolg des Wettbewerbers in gleichem Maße oder stärker interessiert ist, als er das am Erfolg oder Misserfolg der HV-Gesellschaft ist.674 Zweifelsfälle sind im Lichte der Interessenwahrungspflicht zugunsten des Unternehmers zu entscheiden. Denn da für die Zubilligung eines fristlosen Kündigungsrechts gem. § 89a der Eintritt eines Schadens nicht Voraussetzung ist, vielmehr bei objektiver Grundlage bereits eine nachhaltige Erschütterung des Vertrauens in die Loyalität des Vertragspartners ausreicht,675 wird man dem Unternehmer im Zweifel keine Geschäftsbeziehung zumuten können, in der objektive Anhaltspunkte für eine unvermittelt drohende Schädigung gegeben sind. Weil der befürchtete Interessenkonflikt jederzeit, also auch im Laufe der in § 89 vorgesehenen Kündigungsfrist, eintreten kann, ist dem Unternehmer ein Abwarten bis zu deren Ende oft nicht zumutbar.676 Kündigt der Unternehmer den HV-Vertrag aufgrund der Konkurrenz durch den Gesellschafter außerordentlich, so verliert die HV-Gesellschaft den Ausgleichsanspruch wegen Fehlens eigenen schuldhaften Verhaltens nur dann (§ 89b Abs. 3 Nr. 2), wenn sie es entgegen ihren Vertragspflichten unterließ, auf den Gesellschafter mit dem Ziel einzuwirken, dass dieser die Konkurrenz einstellt.

668 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 171, insb. S. 177 f.; BGH, Urt. v. 30.11.2004 – X ZR 109/02, ZIP 2005, 296 (298) für einen Subunternehmervertrag. 669 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 178. 670 BGH, Urt. v. 30.11.2004 – X ZR 109/02, ZIP 2005, 296 (298) = WRP 2005, 349 m. krit. Anm. Quiring WRP 2005, 813 ff. zu einem Reinigungsvertrag. 671 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 212 ff. 672 BGH, Urt. v. 19.1.2011 – VIII ZR 149/09, BeckRS 2011, 03878 Rn 31 f. (Tankstellen-HV) – dort mit 10 %. 673 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 213. 674 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 214. 675 BGH DB 1956, 136; Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 215. 676 Emde Die Handelsvertreter-GmbH, S. 215. Emde

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Denn der Ausgleichsanspruch (Kontrollfall!) wird auch nicht bei einer fristlosen Kündigung wegen Konkurrenz durch einen Ehegatten ausgeschlossen.677

(12) Beweislast. Derjenige, der sich auf ein Wettbewerbsverbot beruft, ist für den Wettbe- 140 werbsverstoß beweispflichtig.678 Indizien können ein einheitliches, ungewöhnliches Layout der beim Unternehmer eingegangenen Kündigungen sowie in ihnen enthaltene ungewöhnliche Formulierungen sein, z. B. der geäußerte Wunsch, jegliche Vertreterbesuche zu unterlassen.679 Solche Sätze werden nur von Versicherungsvermittlern aus naheliegenden Gründen in die Kündigungsschreiben eingefügt. Auch ein Vergleich der Bestandszahlen vor, während und nach der Konkurrenztätigkeit kann hilfreich sein, wobei – um Einflüsse der allgemeinen Marktentwicklung auszuschließen – Vergleichszahlen aus den Gebieten anderer Mittler in einer gerichtlichen Auseinandersetzung vorgelegt werden sollten.680

(13) Folgen unberechtigter Konkurrenz/Rechtsschutz. Zu den Folgen der Verletzung eines 141 vertraglich übernommenen Wettbewerbsverbots s. § 90a Rn 77 ff. Anders als das gesetzliche Wettbewerbsverbot dürfte es sich bei dem vertraglich übernommenen Wettbewerbsverbot um eine Hauptleistungspflicht nach §§ 320 ff. BGB handeln, so dass die bei § 90a Rn 77 ff. genannten Rechte bestehen dürften. Verstößt der HV gegen das ihm obliegende Wettbewerbsverbot, ist dies eine Vertragsverletzung. Verletzt der HV die in § 86 niedergelegten oder die vertraglich vereinbarten Pflichten, darf der Unternehmer vertragsgemäßes Verhalten, also Erfüllung oder Unterlassung fordern.681 Der Anspruch darf im Hauptverfahren gerichtlich eingeklagt682 und im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden.683 Dazu kann folgende Feststellung begehrt werden: „Dem Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken bis zur Beendigung des HV-Vertrages vom … im Verhältnis zur Klägerin einer konkurrierenden Tätigkeit nachzugehen, insb. für in Wettbewerb zur Klägerin stehende Unternehmen tätig werden oder sie sonst in irgendeiner Weise wie durch die Vermittlung von Versicherungen oder Kapitalanlagen zu unterstützen.“684 Zugleich darf hierfür ein Ordnungsgeld angedroht werden, etwa in Höhe von 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 2 Jahren.685 Nach Ansicht des LG Bielefeld686 ist ein Antrag hinreichend bestimmend, zulässig und begründet, der es dem Vertragspartner untersagen soll, an Bestandskunden des Antragstellers heranzutreten. Die Klärung, wer ein solcher Kunde ist, habe erforderlichenfalls bei der Prüfung eines Verstoßes im Vollstreckungsverfahren zu erfolgen. Der Vortrag des Unternehmers, der HV habe einen Kunden abgeworben, ist substantiiert vorgetragen, wenn der Unternehmer darlegt, dass der HV Vororder nicht mehr für den Prinzipal beschafft, sondern diese auf eigene Rechnung gesammelt habe, bzw. er habe einen „Orderdruck“ bewirkt, den er durch wirtschaftlich wie formell eigene Order abgelöst habe.687 Bei erheblicher, sofort eintretender Gefährdung688 ist der Anspruch im

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OLG Braunschweig VW 1968, 860. Zu den Beweismitteln, insb. im einstweiligen Verfügungsverfahren, Blankenburg VersR 2010, 581 ff. Blankenburg VersR 2010, 581 (582). Blankenburg VersR 2010, 581 (582). LG Osnabrück, Urt. v. 7.10.2011 – 13 O 127/11, BeckRS 2013, 18199; Blankenburg VersR 2010, 581 (zum Versicherungsvertreter); Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 43. 682 LG Osnabrück, Urt. v. 7.10.2011 – 13 O 127/11, BeckRS 2013, 18199. 683 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 67. 684 OLG Oldenburg, Urt. v. 24.7.2012 – 13 U 118/11, NJOZ 2012, 2213 (2214). 685 OLG Oldenburg, Urt. v. 24.7.2012 – 13 U 118/11, NJOZ 2012, 2213 (2214). 686 Urt. v. 29.4.2016 – 15 O 26/16. 687 BGH, Beschl. v. 3.4.2019 – VII ZR 121/18, ZVertriebsR 2019, 259 Rn 11. 688 Die nach Ansicht von Blankenburg VersR 2010, 581 rglm. vorliegen soll. 663

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Eilverfahren sicherbar.689 Beides gilt auch für den Anspruch auf Geschäftsvermittlung und -abschluss.690 Insbesondere im Versicherungsvertrieb besteht ein erhebliches Interesse an einer vorläufigen Regelung, da jedes Wagnis bzw. jedes Risiko nur einmal versichert werden kann (siehe § 78 VVG). Mit jedem neu geworbenen Kunden verliert der durch das Konkurrenzverbot Geschützte daher einen potentiellen Kunden. Außerdem reißen die Kundenbeziehungen ab und ein Kunde wird geneigt sein, sich für Folgegeschäfte oder Folgeverträge an den letzten Vertragspartner zu wenden. Hat ein Mittler bestimmte Vertriebshandlungen zu unterlassen, verpflichtet ihn dies auch dazu, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, die den Weitervertrieb verhindern.691 Diese Pflicht beschränkt sich darauf, im Rahmen des Möglichen, Erforderlichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken.692 Eine im Verfügungsverfahren grds. unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache fehlt regelmäßig, wenn der Schuldner die von ihm vertriebenen Waren aufgrund der einstweiligen Verfügung nicht bei seinem Abnehmer zurückzurufen, sondern jene lediglich aufzufordern hat, die Ware wegen der einstweiligen Verfügung vorläufig nicht weiter zu vertreiben.693 Ergänzend ist der Unternehmer – je nach den Umständen des Einzelfalls – zur außeror142 dentlichen Kündigung gemäß § 89a berechtigt.694 Grundsätzlich ist vor der Kündigung eine Abmahnung erforderlich, und zwar sowohl in Fällen der Verletzung des Vertrauens- wie des Leistungsbereiches.695 Entbehrlich wird sie nur, falls – bei objektiver Betrachtung – die Vertrauensgrundlage auch durch Abmahnung und anschließendes Wohlverhalten nicht wieder hergestellt werden kann.696 Hiervon soll in Fällen unerlaubter und – auch – heimlicher Konkurrenz als „Erfahrungssatz“ auszugehen sein.697 Tatsächlich wird man solches als Regel nicht feststellen können, da es sehr auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Art der Wettbewerbstätigkeit – etwa: Verschulden des HV, Rechtsirrtum u. ä. – ankommt.698 Auch nach Verletzung des Wettbewerbsverbots kann eine Abmahnung erforderlich sein (Grundsatz),699 vor allem wenn Unklarheit über die Sach- und Rechtslage besteht,700 d. h. ein Rechtsirrtum des HV nahe liegt. 143 Eine Konkurrenztätigkeit, welche der Unternehmer trotz Kenntnis längere Zeit (etwa: zwei Monate) geduldet hat, kann nicht zum Anlass einer außerordentlichen Kündigung genommen werden. Das Kündigungsrecht ist dann verwirkt701 (erste Grenze des Kündigungsrechts). Eine über die Verwirkung hinausgehende konkludente Vertragsänderung (zweite Grenze) liegt in der Duldung jedoch nur, sofern dem HV sowohl die Kenntnis des Unternehmers von der Wettbe-

689 AG Hamm, Urt. v. 19.2.2008 – 14 S AGA 5/08; Blankenburg VersR 2010, 581 (zum Versicherungsvertreter). 690 OLG München, Urt. v. 18.2.2015 – 7 U 4696/14, IHR 2015, 84; aA MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 67. BGH, Beschl. v. 11.10.2017 – I ZB 96/16, WM 2018, 323. BGH, Beschl. v. 11.10.2017 – I ZB 96/16, WM 2018, 323. BGH, Beschl. v. 11.10.2017 – I ZB 96/16, WM 2018, 323. Hopt § 86 Rn 32; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 39; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 42; Canaris § 17 Rn 43. 695 BGH VersR 2001, 370 = NJW-RR 2001, 677 = MDR 2001, 637. 696 BGH NJW-RR 2001, 677 = BB 2001, 645 = EWiR 2001, 483 (Emde); NJW 1992, 496; VersR 1981, 190 = DB 1981, 987; Küstner/Thume I5 VIII Rn 176; Westphal I Rn 797. 697 BGH NJW-RR 2001, 334; Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 123/98, NJW-RR 1999, 1481 = ZIP 1999, 1307; WM 1974, 350; OLG Stuttgart, Urt. v. 30.11.2009 – 5 U 52/09, BeckRS 2010, 01765 m. teilw. krit. Anm. Ayad BB 2010, 920; OLG München, Beschl. v. 24.3.2009 – 7 U 5575/08, BBL 2009 – 2002-1 = BB 2009, 2002 m. Anm. Salomon; Martinek/ Semler § 20 Rn 28; Hübsch/Hübsch WM Sonderbeilage Nr. 1/2005, S. 9; Westphal Vertriebsrecht 1, Rn 797; Ayad BB 2010, 920. 698 Siehe zum gutgläubig konkurrierenden HV BGH NJW-RR 2001, 677 = BB 2001, 645 = EWiR 2001, 483 (Emde). 699 Tendenziell bereits Emde EWiR 2001, 484. 700 BGH NJW-RR 2001, 677 = BB 2001, 645 = EWiR 2001, 483 (Emde). 701 BGH NJW-RR 1992, 1059; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 104; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 42.

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werbstätigkeit wie die Duldung bekannt sind. Dann kann der Mittler durch Fortsetzung der HVTätigkeit in Kenntnis der Duldung des Unternehmers dessen Angebot auf konkludente Vertragsänderung annehmen. Im Zweifel muss der HV das Einverständnis des Unternehmers mit der Konkurrenztätigkeit beweisen,702 ebenso wie die Voraussetzungen einer Verwirkung. Größerer Umsatzrückgang eines HV zu einer Zeit, in der dieser eine unzulässige Tätigkeit für einen anderen Unternehmer ausgeübt hat, kann den Anscheinsbeweis rechtfertigen, dass die Vertragsverletzung für den Umsatzrückgang ursächlich gewesen ist.703 Das gilt im Rahmen eines Kündigungs- wie eines Schadenersatzprozesses. Die pflichtverletzende Wettbewerbstätigkeit des HV begründet im Falle der Kündigung eine 144 Schadensersatzverpflichtung nach § 89a Abs. 2, bei fehlender Kündigung gemäß § 280 Abs. 1 BGB,704 im Falle der Kündigung jedoch nur für Schäden bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin.705 Nach dem Schutzzweck der Norm kann der HV den Schaden nicht mit dem ohnehin kaum beweisbaren Einwand negieren, bei vertragskonformem Verhalten hätte ein anderer HV die verbotene Tätigkeit ausgeführt. Durch bloße Duldung des Unternehmers und daran anknüpfende Verwirkung des Kündigungsrechts ist – soweit keine konkludente Gestattung oder Vertragsänderung (s. o.) vorliegt – der Schadenersatzanspruch nicht gesperrt, da in der bloßen Verwirkung keine Billigung des Verhaltens des HV liegt. Doch werden §§ 60 Abs. 2, 112 Abs. 2 analog anzuwenden sein; der Unternehmer hat keine Schadensersatzansprüche und keine Kündigungsmöglichkeit, wenn ihm bei Abschluss des Vertrages mit dem HV bekannt war, dass jener die jetzt beanstandete Tätigkeit bereits wahrnahm.706 Die Verjährungsregelung des § 61 Abs. 2 gilt im Vertriebsrecht jedoch nicht. Bei fortlaufendem Vertrag ist der Schaden nicht leicht zu beweisen. Der zu beanspruchen- 145 de Schadensersatz geht auf den Gewinn, welchen der Unternehmer hätte erzielen können, falls der HV nicht die Artikel der Konkurrenz beworben hätte. Er liegt zumindest in der Differenz zwischen den Gewinnen aus den konkreten Geschäften mit und ohne Wettbewerbstätigkeit.707 Der Unternehmer hat gegenüber dem HV zwar ein Auskunftsrecht über den für den Schadenersatzanspruch relevanten Umfang der vertragswidrig für den Wettbewerber getätigten Aktivitäten, Geschäfte und Umsätze708 (§§ 242, 259, 260 BGB), wegen fehlender Pflicht zur Auskehrung

702 OLG Hamburg DB 1973, 1214; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 109. 703 LAG Stuttgart BB 1970, 127; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 73. 704 BGH, Urt. v. 26.9.2013 – VII ZR 227/12, WM 2013, 2163 = ZIP 2013, 2260 = ZVertriebsR 2013, 380 = EWiR 2014, 181 (Korte); v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, NJW Jahr 2013 Seite 2111; v. 24.6.2009 – VIII ZR 332/07, VersR 2009, 1360 = WM 2009, 1811; v. 3.4.1996 – VIII ZR 3/95, NJW 1996, 2097 unter A I 2 b; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, WuW 2018, 49 Rn 15; OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245; OLG Rostock, Urt. v. 4.4.2009 – 1 U 57/08, NJW-RR 2009, 1631 = EWiR 2009, 385 (Emde); Röhricht/Graf v. Westphalen/ Haas/Thume4 § 86 Rn 40; Hopt § 86 Rn 32; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 43; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 43. 705 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 40. 706 Maier S. 502. 707 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 43. 708 BGH, Urt. v. 26.9.2013 – VII ZR 227/12, WM 2013, 2163 = ZIP 2013, 2260 = ZVertriebsR 2013, 380 = EWiR 2014, 181 (Korte); v. 1.8.2013 – VII ZR 268/11, NJW 2014, 155 = ZVertriebsR 2013, 310 (312) = BB 2014, 719 m. Anm. Ayad (spiegelbildl. Fall, Auskunftsanspruch eines FN gegen FG); v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, 2111 Rn 6; v. 3.4.1996 – VIII ZR 3/95, NJW 1996, 2097; v. 23.1.1964 – VII ZR 133/62, NJW 1964, 817; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, WuW 2018, 49 Rn 15; OLG Oldenburg, Urt. v. 24.7.2012 – 13 U 118/11, NJOZ 2012, 2213; OLG Hamm, Urt. v. 14.5.1987 – 18 U 195/86, NJW-RR 1987, 1114; OLG Rostock, Urt. v. 4.4.2009 – 1 U 57/08, NJW-RR 2009, 1631 = EWiR 2009, 385 (Emde); LG Osnabrück, Urt. v. 7.10.2011 – 13 O 127/11, BeckRS 2013, 18199; LG Münster, Urt. v. 16.9.2010 – 24 O 94/09, BeckRS 2010, 23928 m. abl. Anm. Evers VW 2010, 1560; Eberstein S. 72; Ebenroth/ Löwisch3 § 86 Rn 75; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 40; Hopt § 86 Rn 32, 51; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 43; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 43. 665

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angeblich jedoch nicht über die Provisionshöhe709 bzw. über das dabei von ihm Verdiente.710 Der Grund hierfür liegt darin, dass sich der Schadensersatzanspruch des Unternehmers nach seinen Verlusten infolge der unzulässigen Wettbewerbstätigkeit des HV bestimmt, nicht nach dessen Einkünften, kein Eintrittsrecht des Unternehmers besteht und er auch nicht die Herausgabe des Verdienten fordern darf. Die Auskunft setzt den dem Unternehmer obliegenden Nachweis eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot voraus.711 Zur Abwägung mit dem Interesse des Informationsgläubigers an Geheimnisschutz § 87c Rn 117. Ein Klagantrag, mit dem ein VV zur Information über die Vermittlung für Wettbewerber aufgefordert wird, kann etwa folgenden Wortlaut haben: „Der Beklagte wird im Wege der Stufenklage verurteilt, auf der ersten Stufe der Klägerin Auskunft über die von ihm in der Zeit vom … bis … für Wettbewerber vermittelten Versicherungsverträge aus den Sparten … zu erteilen, und zwar unter Angabe des konkreten Vertrags, der Sparte, des Tarifs, des Datums der Antragstellung und des Vertragsschlusses, des Netto- und Brutto-Betrages, der Zahlungsweise sowie der Bewertungssumme“.712 Die Umsätze mit den Produkten des Wettbewerbers geben allerdings – außer im Fall der weitgehenden Vergleichbarkeit der Produkte – keinen sicheren Nachweis der Schadenshöhe, möglicherweise jedoch ein Indiz für die gem. §§ 252 BGB, 287 ZPO zulässige Schätzung der dem Unternehmer durch die vertragswidrige Konkurrenztätigkeit entgangenen Gewinne. Notfalls ist, sofern der Schadenersatzanspruch dem Grunde nach feststeht, gem. § 287 ZPO unter Abzug ersparter Kosten ein Mindestschaden zu schätzen, es sei denn, die Schadensschätzung hinge mangels konkreter Anhaltspunkte ausnahmsweise völlig in der Luft.713 Bei unerlaubter Konkurrenz des Untervertreters zum Hauptvertreter valutiert dieser Mindestschaden in Höhe der dem Hauptvertreter entgangenen Provision.714 Außerdem kann der Schaden in Höhe der Differenz der Umsätze aus einem repräsentativen Tätigkeitszeitraum ohne Wettbewerbsbemühungen des Mittlers zu den Umsätzen eines vergleichbar repräsentativen Zeitraums mit Konkurrenztätigkeit bemessen werden. Nach Kündigung ist die Schadensermittlung einfacher: Gehen in Folge der Kündigung die Umsätze in dem Vertretergebiet zurück, darf der Unternehmer den Durchschnittsgewinn der vergangenen Jahre mit dem nach „Ausfall“ des HV erzielten tatsächlichem Gewinn (bei Totalausfall möglicherweise Null) vergleichen und als Schaden fordern (§§ 252 BGB, 287 ZPO).715 Die fehlende Betreuung des Gebiets hat der HV durch die Provokation der Kündigung hervorgerufen. Ein Mitverschulden (§ 254 BGB) ist dem Unternehmer nicht vorzuwerfen. Denn die Kündigung war eine adäquat-kausale Folge des vertragswidrigen Verhaltens des HV, der Unternehmer ist nicht gehalten, zur Schadensminderung den Vertrag mit einem Mittler fortzusetzen, zu dem er das Vertrauen verloren hat. Die Ausübung des Kündigungsrechts ist daher legitim und dem Unternehmer nicht als Mitverschulden vorwerfbar. Der Auskunftsanspruch, welcher den Gläubiger in die Lage versetzen soll, die für eine Schadensschätzung erforderlichen Anhaltspunkte für einen entgangenen Gewinn darzulegen, darf grds. nicht mit der Begründung

709 OLG Rostock, Urt. v. 4.4.2009 – 1 U 57/08, NJW-RR 2009, 1631 = EWiR 2009, 385 (Emde); OLG Hamm, Urt. v. 14.5.1987 – 18 U 195/86, NJW-RR 1987, 1114; LG Stralsund, Urt. v. 18.12.2007 – 4 O 220/07, n. v.; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 75; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 40; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 43; vgl. auch BGH, Urt. v. 23.1.1964 – VII ZR 133/62, NJW 1964, 817; v. 23.1.1964 – VII ZR 133/62, 1996, 2097; Hopt § 86 Rn 32. 710 BGH NJW 1964, 817; 1996, 2097; OLG Hamm, Urt. v. 14.5.1987 – 18 U 195/86, NJW-RR 1987, 1114; Hopt § 86 Rn 32. 711 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 70. 712 OLG Oldenburg, Urt. V. 24.7.2012 – 13 U 118/11, NJOZ 2012, 2213 (2214.). 713 BGH, Urt. V. 24.6.2009 – VIII ZR 332/07, VersR 2009, 1360 = WM 2009, 1811; s. bereits BGH, Urt. V. 30.5.2001 – VIII ZR 70/00, ZIP 2001, 1461 = DB 2001, 2189 = WM 2001, 2010. 714 BGH, Urt. V. 24.6.2009 – VIII ZR 332/07, VersR 2009, 1360 = WM 2009, 1811. 715 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 43. Emde

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verneint werden, es sei unwahrscheinlich, dass der Gläubiger mit Hilfe der erhaltenen Angaben entgangene Geschäfte konkret darlegen könne.716 Der Unternehmer ist nicht berechtigt, neben Schadenersatz in entsprechender Anwen- 146 dung der §§ 61, 113 HGB, 667 BGB vom HV Herausgabe der durch die vertragswidrige Konkurrenztätigkeit erzielten Vergütung zu verlangen;717 ebenso wenig besitzt er ein Eintrittsrecht.718 Die Aufnahme einer einen solchen Anspruch gewährenden Regelung in das Recht des HV sei, so der BGH,719 im Rahmen der Novellierung 1953 bewusst unterblieben. Das Gesetz enthalte deshalb keine Lücke. Das mag sachgerecht sein. Denn der Gewinn des HV kann den Schaden des Unternehmers übersteigen und auf einen solchen Vorteil hat der Unternehmer keinen Anspruch. Neben Schadenersatz kann eine Vertragsstrafe verfallen sein,720 hierfür genügt – je nach Fassung des Vertragsstrafeversprechens – regelmäßig schon das Anerbieten unzulässigen Wettbewerbs.721 Die Aufnahme der Konkurrenztätigkeit ist also nicht erforderlich.722

kk) Treu- und Förderungspflichten innerhalb eines Vertriebssystems (Netzwerkrecht). 147 Das Recht der Querbeziehungen der Mitglieder des Vertriebnetzes untereinander, also das Netzwerkrecht, vernachlässigen die §§ 84 ff.723 Sie beschränken sich auf die Regelung des Rechts der HV.724 Nicht nur gegenüber dem Unternehmer obliegen dem HV oder anderen Vertriebsmittler Treupflichten. Richtigerweise bestehen sie auch – im Verhältnis zu der gesetzlichen Interessenwahrnehmungspflicht in abgeschwächter Form – zwischen den verschiedenen vertraglich nicht direkt verbundenen Mitgliedern eines Vertriebssystems,725 nicht anders als unter Gesellschaftern. So können solche Treupflichten etwa zwischen einem Haupthändler und dem mit ihm vertraglich nicht verbundenen B-Händler bestehen.726 Am weitesten fortgeschritten ist diese Diskussion im Franchiserecht, wo sie unter dem Stichwort „Franchisenetzwerkhaftung“ diskutiert wird727 (s. Kommentierung zu Vor § 84). Die Mitglieder eines Vertriebssystems sind zwar einerseits Wettbewerber, jedoch auch Systemnachbarn. Daraus resultieren im Einzelfall zu bestimmende Förder, jedenfalls aber Rücksichtnahmepflichten. Zu ihnen zählt etwa die Pflicht, bei wechselseitig gewährter Exklusivität die einem Systemnachbarn zugebilligte Ausschließlichkeit zu respektieren. Der Umfang dieser Treu- und Rücksicht-

716 BGH, Urt. v. 26.9.2013 – VII ZR 227/12, WM 2013, 2163 = ZIP 2013, 2260 = ZVertriebsR 2013, 380 = EWiR 2014, 181 (Korte); v. 6.2.2007 – X ZR 117/04, NJW 2007, 1806 Rn 15. 717 BGH, Urt. v. 23.1.1964 – VII ZR 133/62, NJW 1964, 817; v. 3.4.1996 – VIII ZR 3/95, ZIP 1996, 1006 (1008) = NJW 1996, 2097; OLG Hamm, Urt. v. 14.5.1987 – 18 U 195/86, NJW-RR 1987, 1114 (1115); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 75; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 18; Hopt § 86 Rn 32 (missverständlich aber Rn 23); MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 43; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 43; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 40; aA Canaris § 17 Rn 44: Analoge Anwendung der Normen; Präventionsgedanke, dass sich Verstoß nicht lohnen soll, deshalb Pflicht zur Herausgabe des Gewinns. 718 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 43. 719 BGH HVR Nr. 311. 720 Hopt § 86 Rn 32. 721 OLG Nürnberg BB 1961, 64; Hopt § 86 Rn 32; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 44. 722 OLG Nürnberg BB 1961, 64. 723 Martinek ZVertriebsR 2015, 350; Karsten Schmidt JuS 2008, 665 ff., insbes. 671 ff. 724 Martinek ZVertriebsR 2015, 350. 725 S. OLG Stuttgart, Urt. v. 15.9.1989, 2 U 63/88, NJW-RR 1990, 491 (492) – Treupflichten zwischen B-Händlern und vertraglich nicht verbundenen anderen Mitgliedern des Vertriebssystems im Kfz-Vertragshändlerbereich; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.12.2006 – VI-U (Kart) 36/05, BB 2007, 738 m. Anm. Flohr S. 741 zur Franchisenetzwerkhaftung. 726 OLG Stuttgart, Urt. v. 15.9.1989 – 2 U 63/88, NJW-RR 1990, 491 (492) – Kfz-Vertragshändler. 727 Lubitzsch Franchisenetzwerk im deutsch-englischen Rechtsverkehr; Flohr ZVertriebsR 2019, 401; Flohr BB 2007, 741; ders., BB 2006, 1074; Böhner BB 2004, 119; Teubner ZHR 198 (2004), 1 ff. 667

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nahmepflicht ist im Einzelfall festzulegen. Ihre Verletzung kann zur Schadenersatzpflicht nach §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, 280 BGB führen: FN können untereinander haften;728 FN, die durch Handlungen eines anderen FN Schaden erleiden, Schadenersatz nach § 826 BGB geltend machen.729 Ein Anspruch unter dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter730 dürfte eher ausscheiden. Ein Wettbewerbsschutz ergibt sich aus ihnen ohne gesonderte Vereinbarung wegen der Konkurrenz unter den Mitgliedern des Vertriebsnetzes nicht, wie auch das Kartellrecht zeigt. Die Einheitlichkeit des Vertriebssystems und die Querbeziehungen der Mitglieder des Vertriebssystems untereinander führen auch nicht zur gemeinsamen Außenhaftung gegenüber Dritten;731 das Vertriebsystem wird aufgrund der Selbständigkeit seiner Teilnehmer als keine Einheit angesehen.

III. Nachrichtspflicht des Handelsvertreters (§ 86 Abs. 2) 1. Allgemeines 148 Nach § 86 Abs. 2 hat der HV dem Unternehmer unverzüglich jede Geschäftsvermittlung oder jeden Geschäftsabschluss mitzuteilen. Die so normierte Nachrichtspflicht des HV, die auch als „Informationspflicht“732 oder Mitteilungspflicht733 beschrieben werden könnte, ist nach der Interessenwahrungspflicht die bedeutendste Nebenpflicht. Sie existiert kraft Gesetzes, also ohne dass sie einer vertraglichen Regelung bedarf.734 § 87c berechtigt ausschließlich den HV und ist auch nicht analog zugunsten des Unternehmers anwendbar. Ihren Grund hat die Nachrichtspflicht in dem Informationsgefälle zwischen dem HV, der als „Außenposten des Unternehmers“ den lokalen Markt am besten kennt735 sowie dem Unternehmer. Wegen ihrer Bedeutung im Dauerschuldverhältnis wurde die Nachrichtspflicht in § 86 Abs. 2 hervorgehoben. Zwar folgt die Nachrichtspflicht des Abs. 2 bereits aus den §§ 675, 666 BGB.736 Dort wird jedoch eher das einzelne Geschäft geregelt, im Dauerschuldverhältnis „Vertriebsvertrag“ kann das Informationsbedürfnis stärker sein. Für die Praxis ist die Herleitung irrelevant. Der Wert des § 86 Abs. 2 liegt in erster Linie in seiner Funktion als „Merkposten“ besonders naheliegender Auskunftsfälle. Zudem konkretisiert § 86 Abs. 2 die §§ 675, 666 BGB, indem der HV verpflichtet wird, namentlich von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich (zeitliche Komponente) Mitteilung zu machen.

2. Abgrenzung von der allgemeinen Informationspflicht 149 Von der Nachrichtspflicht des Abs. 2 wird teils terminologisch, teils inhaltlich, die unter Rn 70, 153 ff. behandelte allgemeine Informationspflicht abgegrenzt,737 wobei eine solche begriffliche Separierung überflüssig ist, weil sich die in Abs. 2 niedergelegte Nachrichtspflicht auf alle Informationen (Abs. 2 Hs. 1) bezieht und damit wohl mit der allgemeinen Auskunftspflicht iden-

728 Lubitzsch, Franchise-Netzwerk im deutsch-englischen Rechtsverkehr, zit. Nach Flohr ZvertriebsR 2019, 401; kritisch Flohr ZvertriebsR 2019, 401. Flohr ZVertriebsR 2019, 401. Flohr ZVertriebsR 2019, 403. BGH, Urt. v. 18.12.2007 – X ZR 137/04, DB 2008, 812 (813); zweifelnd wohl Karsten Schmidt JuS 2008, 665 (672). Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 14. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 20a. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 18. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 1, 34; Hopt § 86 Rn 46. Hopt § 86 Rn 40.

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tisch ist. Zumindest aber handelt es sich bei der als allgemeine Informationspflicht behandelten Fallgruppe um einen Unterfall der Nachrichtspflicht des Abs. 2.

3. Abgrenzung von der Berichtspflicht Die Abgrenzung erfolgt in erster Linie nach dem Inhalt der Nachrichten. Die Nachrichtspflicht 150 des Abs. 2 betrifft tendenziell eher punktuelle Informationen. Berichte werden hingegen meist als zusammenhängende Informationen über ein umfassenderes Thema verfasst, etwa über die Gesamtsituation eines Kunden oder eine bestimmte Kundenreise. Die Übergänge sind fließend, die Dogmatik für die Praxis irrelevant.

4. Abgrenzung von der Auskunftspflicht nach § 242 BGB Neben das allgemeine Informationsrecht des Unternehmers kann als in jedem schuldrechtli- 151 chen Vertrag geltendes allgemeines Rechtsinstitut ein aus §§ 242, 259, 260, 810 BGB hergeleiteter Auskunftsanspruch treten, falls der Unternehmer im Einzelfall auf eine Auskunft angewiesen ist, welche der HV unschwer erteilen kann. Diese Auskunftspflicht kann nach Vertragsende fortbestehen. Während des laufenden Vertrags sind kaum Fälle vorstellbar, in denen ein Anspruch aus §§ 666 BGB, 86 Abs. 2 nicht eingreift und allein ein solcher aus §§ 242, 259, 260 BGB gegeben sein könnte. Ein Verzicht auf die allgemeine Berichtspflicht lässt den Anspruch aus §§ 242, 259, 260 BGB im Zweifel unberührt. Ein ausdrücklicher Verzicht auf den Auskunftsanspruch ist aber nach Entstehen des Anspruchs zulässig,738 etwa im Rahmen eines Vergleichs.

5. Inhalt der Nachrichten Die Nachrichtspflicht besteht hinsichtlich aller erforderlichen und bekannten Informatio- 152 nen, auch der außervertraglich oder außerhalb des Vertriebsgebiets739 erlangten bzw. für das Verhalten des Unternehmers außerhalb des Vertriebsgebiets relevanten Informationen740 (denn die Interessenwahrungspflicht ist unteilbar). Erforderlich sind alle Informationen, die bei objektiver, die Interessen des Unternehmers berücksichtigender Würdigung für ihn, seine Willensbildung und sein geschäftliches Verhalten von Bedeutung sein können.741 Die Nachrichtspflicht ist zwingend. Auf „erforderliche“ Nachrichten i. S. d. § 86 Abs. 2 kann der Unternehmer nicht verzichten (§ 86 Abs. 4 i. V. m. § 86 Abs. 2).742 Jedoch darf auch hier konkretisiert werden, was der Unternehmer als „erforderlich“ ansieht743 und insbesondere die Berichtspflicht (s. u.) ist abdingbar, soweit nach der Natur des Vertrages Berichte nicht „erforderlich“ sind. Eine Erforderlichkeit ständiger Berichterstattung wird nicht bestehen, falls der HV den Unternehmer mittels Übersendung ständiger Einzelinformationen informiert hält. Der HV hat die Nachrichten wahrheitsgemäß, also „ungeschminkt“ zu übermitteln. Spie- 153 gelbildlich muss sie der Unternehmer vertraulich behandeln, darf sie also nicht an Kunden

Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 19; aA Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 33. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 14. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 21a. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 14; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 48; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 20a, 21. 742 AA (ohne Begründung) Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 18. 743 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 65.

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weiterleiten.744 Ein Zurückbehaltungsrecht des HV scheidet angesichts der Bedeutung der Nachrichten aus, wenn jene „erforderlich“ sind.745 154 Der HV ist insbesondere verpflichtet, dem Unternehmer Nachrichten zu geben über: – alle für den Unternehmer bedeutsamen Einzelheiten aus der Vermittlungstätigkeit746 – die während der Vertragslaufzeit angewandten Werbemethoden747 und deren Erfolg748 – alle wesentlichen Vorgänge im Vertriebsgebiet – Aktivitäten von Wettbewerbern, die Einfluss auf die Vermittlungstätigkeit hatten oder besonders erfolgreich waren749 – Ideen und Anregungen, die die Vermittlungstätigkeit verbessern oder die vertriebenen Produkte für die Kunden attraktiver machen können750 – die Annahme von Schmiergeldern751 – ob der HV gegenüber Kunden oder Wettbewerbern geschäftsbezogene Gefälligkeiten erbracht hat, die zu zukünftigen Abschlüssen führen könnten752 – persönliche Umstände, die während der Vertragslaufzeit Auswirkungen auf die Tätigkeit des HV hatten753 – die Kundenstruktur754 – den Inhalt der von dem HV selbst gefertigten Kundenlisten755 – den Eingang von Provisionen – die Kundenbesuche während der Vertragslaufzeit, die Einschätzung der besuchten Kunden in Hinblick auf künftige Abschlüsse, da sich hieraus Erkenntnisse in Bezug auf die weitere Geschäftstätigkeit ergeben können756 – die Einzelheiten von Kundenwünschen757 – welche Meinungen und Wünsche Kunden dem HV gegenüber in Bezug auf die Tätigkeit des HV oder des Unternehmers geäußert haben758 – die Aussichten auf Abschlüsse,759 den Stand der Bemühungen und Geschäfte (§ 666 BGB).760 Je nach Bedarf ist unverlangt ein Zwischenbericht zu geben761 – die vermittelten Verträge762

744 LG Freiburg BB 1966, 999; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 28a; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 20. 745 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 28. 746 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 53. 747 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 60; Hopt § 86 Rn 41. 748 OLG München, Urt. V. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZvertriebsR 2017, 196 Rn 60. 749 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 63. 750 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 64. 751 Hopt § 86 Rn 41. 752 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 59. 753 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 62. 754 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 54. 755 Hopt § 86 Rn 17. 756 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 56. 757 OLG Köln BB 1971, 543; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. 758 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 62. 759 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 53; OLG Köln BB 1971, 543; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 49. 760 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 53; Hopt § 86 Rn 40. 761 Hopt § 86 Rn 40. 762 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 55. Emde

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ob Gründe für Kündigungen, Stornierungen bzw. anderweitige Vertragsbeendigung bzgl. der von der Beklagten vermittelten Verträge bekannt waren, welche Gründe dies waren und was der HV unternommen hat763 – welche Informationen der HV besitzt, ob die Kunden zu Wettbewerbern wechseln wollen,764 inwieweit der HV an den Kündigungen, Stornierungen oder anderweitigen Vertragsbeendigungen mitgewirkt, diese verursacht oder hierauf hingewirkt hat765 – die bei Vermittlung oder Abschluss getroffenen bzw. künftige Abschlüsse vorbereitenden Abreden766 – offizielle oder inoffizielle Abreden hinsichtlich künftiger Abschlüsse767 – Vertragsverletzungen durch Kunden,768 selbst wenn das für den HV nachteilig ist769 – Zweifel an der Bonität vermittelter Kunden770 – die Kreditwürdigkeit von Kunden771 – die aus der Marktbeobachtung gewonnenen Erkenntnisse, etwa Berichte über Konkurrenzangebote, Anregungen für die Produktion, Beobachtungen aus den Kundenbesuchen772 – die allgemeine Absatzlage und die Geschmacksrichtung des Publikums773 – die Aufnahme von Konkurrenztätigkeiten durch den HV,774 falls erforderlich sogar die Absicht dazu775 – für die Vermittlung wichtige persönliche Umstände, z. B. Erkrankungen776 oder sonstige Verhinderungen des HV.777 Der Abschlussvertreter hat zusätzlich über das getätigte Geschäft durch eine geordnete Zu- 155 sammenstellung, welcher die dazugehörigen Belege beizufügen sind, Rechenschaft abzulegen.778 Der Auskunftsanspruch umfasst nur Auskünfte und Nachrichten, die für den Unterneh- 156 mer im Hinblick auf die dem jeweiligen HV übertragenen Geschäfte von Bedeutung sind. Ob andere Mitarbeiter des Unternehmers Abreden mit Wettbewerbern getroffen haben und beabsichtigen, eine Konkurrenztätigkeit aufzunehmen, betrifft nicht die Durchführung des HV-Vertrages; ein Auskunftsrecht fehlt deshalb.779 Gleiches gilt für die Auskunft, ob der HV Abreden mit Wettbewerbern getroffen hat und er beabsichtigt, eine Konkurrenztätigkeit aufzunehmen bzw. vorbereitet. Insoweit kann die allg. Auskunftspflicht nach § 242 BGB bestehen.780

763 764 765 766 767 768 769 770 771 772 773 774 775 776 777 778

OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 65. OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 65. OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 66. Hopt § 86 Rn 41. OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 58. BGH BB 1979, 242; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. BGH BB 1979, 242; Hopt § 86 Rn 42. OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 57. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. BGH LM § 89a Nr. 11; BGH ZIP 1996, 1006; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. Hopt § 86 Rn 41. Hopt § 86 Rn 41. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 45; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 53; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 34. 779 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 67. 780 OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 69. 671

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6. Verpflichteter 157 Die Informationen muss der HV übermitteln, jedoch nicht persönlich. Es genügt, wenn er sie durch einen Mitarbeiter fertigen und an den Unternehmer senden lässt, sofern es hierdurch nicht zu einem Qualitätsverlust kommt. Die Nachrichtspflicht trifft auch den HV-ähnlichen Mittler, z. B. Franchisenehmer und Vertragshändler, wobei der Unternehmer hier – außer im Falle einer vertraglichen Verpflichtung (sie ist Indiz für die HV-gleiche Einbindung in das Vertriebssystem) – nicht über jeden Abschluss unterrichtet werden muss, weil er nicht Verpflichteter des Geschäfts ist. Die im zweiten Hs. des Abs. 2 apostrophierte Information über die Geschäftsvermittlung (Vermittlungsvertreter) und den Geschäftsabschluss (Abschlussvertreter) bezieht sich mithin nur auf die vom HV für den Unternehmer vermittelten Geschäfte. Ohne vertragliche Vereinbarung ist der Vertragshändler folglich nicht verpflichtet, dem Unternehmer über jeden Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu geben, auch nicht zur Erfüllung der Analogievoraussetzung „Einbindung in das Vertriebssystem“. Die Informationspflicht bezieht sich in dieser Situation auf die allgemeinen Marktgegebenheiten und ähnliches.

7. Dauer der Nachrichtspflicht 158 Zeitlich besteht sie von Vertragsbeginn zumindest bis zum Vertragsende.781 Fordert der Unternehmer nach Vertragsende Auskünfte bezogen auf die Zeit des Vertragsverhältnisses und hat der HV seine Unterrichtungspflicht nicht schon während des Vertragsverhältnisses erfüllt, steht dem Unternehmer der Anspruch jedoch weiterhin zu. Sonst könnte sich ein in Anspruch genommener HV seiner Pflicht entziehen, indem er die Auskunftserteilung bis zum Vertragsende hinauszögert.782 Davor und danach kann eine Informationspflicht aus § 242 BGB,783 zudem aus vor- oder nachwirkenden Treupflichten eingreifen. Zu unterscheiden ist die Nachrichtspflicht damit von der vorvertraglichen Informationspflicht. Jene leitet sich nicht aus der Interessenwahrungspflicht ab, die nur vertragsbegleitend bestehen kann, sondern aus dem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis, s. o. und §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB (früher: cic). Hat der HV während der Vertragslaufzeit nicht informiert, muss er nach Vertragsende erfüllen und ferner gem. § 280 i. V. m. § 249 BGB als Schadenersatz in Form der Naturalrestitution nachleisten.784 Die Nachrichtspflicht ist einklagbar, der Unternehmer ist also nicht (nach Abmahnung) auf eine außerordentliche Kündigung beschränkt.

8. Zeitpunkt der Nachrichten 159 § 86 Abs. 2 verpflichtet, unverzüglich von jeder Geschäftsvermittlung bzw. jedem Geschäftsabschluss Mitteilung zu machen. Das bedeutet ohne schuldhaftes Zögern i. S. d. § 121 Abs. 1 BGB.785 Diese zeitliche Festlegung ist eine generelle Regel.786 „Unverzüglich“ sind alle erforderlichen Informationen abzugeben, ungeachtet der Rechtsgrundlage der Informationspflicht. Letztlich entscheiden die Bedürfnisse des Unternehmers über den Zeitpunkt, zu dem die Nachrichten übermittelt werden müssen. Erforderlich sein kann die Benachrichtigung in jedem Ver-

781 782 783 784 785 786

Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 18. OLG München, Urt. v. 30.6.2016 – 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017, 196 Rn 51. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 19. AA wohl Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 18. Westphal I Rn 278; Hopt § 86 Rn 40. Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 61; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 26.

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tragsstadium, etwa bei Einleitung der Geschäftsvermittlung,787 vor Beendigung,788 nach Abschluss der Vermittlung789 und in Ergänzung vorhandener Nachrichten.790 Erscheint bei objektiver Würdigung eine sofortige Information des Unternehmers erforderlich, muss der HV unverzüglich informieren.791 Gerade bei Großobjekten kann unter Umständen eine Information über den Stand laufender Vermittlungsbemühungen erforderlich werden.792 Dies besonders dann, wenn dem Unternehmer Gelegenheit gegeben werden muss, sich einzuschalten, unterrichtete Personen für technische Aufschlüsse zu entsenden, evtl. auch schon vorbereitende Maßnahmen für eine demnächstige Ausführung des Auftrags anlaufen zu lassen. Die Nachrichten über die Kreditwürdigkeit des Kunden werden in aller Regel mit der Berichterstattung über den Auftrag zu verbinden sein. Auch kann die mangelnde Information über länger laufende, erfolgversprechende Geschäftsanbahnungen Schadensersatzansprüche hervorrufen, falls der Unternehmer ohne Kenntnis der Initiative des HV demnächst mit dem Kunden direkt abschließt und bei seiner Preiskalkulation die Provision, sofern er sie nicht als eine Bezirksprovision in Rechnung zu stellen hätte, außer Betracht lässt.793 Ansonsten wird der HV entgegen Staub/Brüggemann 4. Aufl. das Ende einer Besuchstour abwarten dürfen, um die Berichte gesammelt zu erstatten. Obwohl er verpflichtet ist, so rasch wie möglich zu informieren, darf er Informationen von nicht herausragender Bedeutung in den regelmäßig zu übermittelnden Berichten zusammenfassen794 (zur Berichtspflicht s. u.). Spätestens bei Vertragsende hat der HV über noch nicht Mitgeteiltes zu informieren.795

9. Form der Nachrichten Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben. Die Form muss jedoch so gewählt sein, dass 160 der Unternehmer Kenntnis von allen maßgeblichen Tatsachen erhält.796 Meist wird Textform geschuldet sein, zumal der Unternehmer ein Interesse an einer Perpetuierung der Informationen und der für die Erfüllung seiner Informationspflicht beweispflichtige HV an leichter Beweisbarkeit haben kann. Wenn die Schnelle der Information bedeutsam ist, ist eine (fern)mündliche Mitteilung vorzuziehen, wobei die Schnelligkeit auch per Fax oder E-Mail gesichert sein kann. Durch Individualvertrag oder AGB darf eine bestimmte Form vereinbart werden,797 soweit der HV durch sie nicht treuwidrig bzw. unbillig benachteiligt wird. Der Abschlussvertreter hat durch eine geordnete Darstellung unter Beifügung von Belegen Rechenschaft über das geschlossene Geschäft abzulegen.798

10. Weisungen zu den Nachrichten Weisungen zur Nachrichtspflicht können erteilt werden, sofern hierdurch die Erforderlichkeit 161 konkretisiert und die Selbständigkeit des HV nicht ausgeschlossen799 wird. Sondersituationen 787 788 789 790 791 792 793 794 795 796 797 798 799 673

Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 22. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 23. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 24. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 25. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15. Ordemann S. 1566. Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 14. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 52. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 45. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 45. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 45. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 22. Emde

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erlauben einengendere Weisungen, etwa nach starkem Umsatzrückgang800 oder bei hohen Risiken und bedeutenden Einzelgeschäften.801 Was vertraglich nicht vereinbart werden kann, darf auch nicht durch Weisungen vorgeschrieben werden.

11. Vertragliche Vereinbarungen zur Nachrichtspflicht 162 Die Konkretisierung der Nachrichtspflicht durch Vertrag ist zulässig.802 Sie verletzt den Kernbereich der durch § 86 Abs. 4 geschützten Rechte und Pflichten nicht. Beim HV ist eine solche Erweiterung auch kartellrechtlich unproblematisch; beim unechten HV und HV-ähnlichen Mittler können zu weitgehende, nicht produktbezogene sondern auf das HV-Unternehmen bezogene Informationsrechte des Unternehmers, insb. Einsichtsrechte in die Buchführung, Art. 101 AEUV widersprechen.803 Sie sind auch nicht von Art. 2 Abs. 1 GVO 330/10 freigestellt.804 Ein völliger Verzicht auf erforderliche Nachrichten ist hingegen nicht möglich. Die vertragliche Erweiterung findet ihre Grenze dort, wo sie entweder den Kreis der erforderlichen Übermittlung von Nachrichten völlig verlässt oder den Kernbereich der Selbständigkeit des HV beeinträchtigt.805

12. Untergruppen der Nachrichtspflicht 163 Untergruppen der Nachrichtspflicht sind die Allgemeine Informationspflicht, die in § 86 Abs. 2 beispielhaft genannte Verpflichtung zur Mitteilung von Vermittlung und Abschluss und die Berichtspflicht. Für diese Untergruppen, deren Anwendungsbereiche verschwimmen, gilt das Vorstehende entsprechend, soweit nichts Abweichendes ausgeführt wird.

164 a) Verpflichtung zur Mitteilung über Vermittlung und Abschluss. Ausdrücklich regelt § 86 Abs. 2, der HV müsse unverzüglich von jeder Geschäftsvermittlung bzw. jedem Geschäftsabschluss Mitteilung geben. Insoweit wird der Mindeststandard der Nachrichtspflicht festgelegt. Mitzuteilen hat der Mittler den Namen des Kunden sowie den Umfang und die Konditionen des Angebots bzw. des Geschäftsabschlusses einschließlich schriftlicher und mündlicher Nebenabreden, Zusicherungen und Erklärungen, egal ob wirksam oder unwirksam.806 Er muss unverzüglich benachrichtigen, also – wie dargestellt – ohne schuldhaftes Zögern.807

165 b) Allgemeine Informations- oder Offenbarungspflicht. Die allgemeine Informationspflicht, auch Offenbarungs- oder Auskunftspflicht808 benannt, ist als vertragsbegleitende Pflicht wie die Berichtspflicht Unterfall der Nachrichtspflicht des Abs. 2. Zur Abgrenzung von der Nachrichtspflicht s. o., Rn 149. Ergänzend leitet die allgemeine Informationspflicht sich aus § 242 BGB sowie der Interessenwahrungspflicht her: Der HV ist gehalten, dem Unternehmer eintretendenfalls Umstände offenzulegen, die das Vertragsverhältnis in seiner Vertrauensbasis berühren. 800 801 802 803 804 805 806 807 808

Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (73); Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 20a. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 22. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 49. Wiemer WuW 2009, 750 ff. Wiemer WuW 2009, 750 (756 ff.). BGH BB 1966, 265 = DB 1966, 375 = NJW 1966, 882; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 130. Westphal I Rn 277; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 45. Westphal I Rn 278. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 33.

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aa) Geltungszeitraum. Auch die allgemeine Informationspflicht besteht nur während des 166 laufenden Vertrages und erlischt mit seinem Ende. Danach hat der HV den Unternehmer nur dann ungefragt über seine Erfahrungen oder Erkenntnisse zu informieren, wenn er vor Vertragsende seiner Informationspflicht vertragswidrig nicht hinreichend nachgekommen ist.809 Auf Verlangen des Unternehmers muss er aber nachträglich erfüllen. Bei außergewöhnlichen Gefährdungen des Unternehmers kann der HV auch nach Vertragsende unter dem Gesichtspunkt der nachvertraglichen Treupflicht (s. o.) zu einer Warnung an den Unternehmer verpflichtet sein, sofern nicht bei Abwägung mit einer Verschwiegenheitspflicht aus einem neuen Vertrag das Schweigen geboten ist. bb) Zeitpunkt der Information. Allgemein hat der HV den Unternehmer unverzüglich zu 167 unterrichten. Grundsätzlich bestimmt die Dringlichkeit der Kenntnisnahme den Zeitpunkt der geschuldeten Unterrichtung.810 Fehlt ein Bedürfnis nach unverzüglicher Information, genügt eine periodische Auskunft in festen Abständen,811 z. B. hinsichtlich laufender Beobachtungen und Erfahrungen. Bei dieser periodischen Informationspflicht dürfte es sich regelmäßig um die unter Rn 171 behandelte Berichtspflicht handeln. Der HV hat den Unternehmer auf Nachfrage zu informieren,812 es sei denn, es fehlt das erforderliche Informationsinteresse813 oder die Nachfragen beruhen auf Schikane, wofür allerdings der HV beweispflichtig wäre. Zudem hat der HV den Unternehmer ungefragt über alles bekannt gewordene zu informieren, was bei objektiver, die Interessen beider Seiten berücksichtigender Würdigung814 für den Unternehmer und sein geschäftliches Verhalten von Bedeutung sein kann.815 Ob der HV Einzelnes unter dem Gesichtspunkt der Vertraulichkeit oder Diskretion816 gegenüber dem Kunden verschweigen darf, hat er zu prüfen; es kann auch im Interesse des Unternehmers liegen, dass ein Kunde Vertrauen zum HV hat. Im Zweifel hat das Informationsinteresse des Unternehmers Vorrang. cc) Umfang. Der HV hat über alle Umstände zu informieren, die für die Vertragsausfüh- 168 rung und die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Vertragspartner erheblich sind.817 Aufgrund seiner allgemeinen Informationspflicht muss der HV z. B. folgende Tatsachen mitteilen: – Anregungen und Empfehlungen, etwa für die Produktion818 – Arbeitsunfähigkeit819 – seine Arbeits- und Werbemethoden,820 insbesondere wenn er von verbindlichen Vorgaben oder dem in der Branche allgemein Üblichen abweicht821 – Außergewöhnliche Risiken eines Geschäftes,822 insbesondere wenn der HV als Abschlussvertreter das Geschäft für den Unternehmer abschließen will 809 AA Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 18. 810 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 21; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 48; Hopt § 86 Rn 42. 811 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15. 812 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 50. 813 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 50. 814 BGH, Urt. v. 13.1.1966 – VII ZR 9/64, NJW 1966, 882 (883). 815 LAG Bremen DB 1955, 123; Ordemann DB 1963, 1565; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 86 Rn 21; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 48; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 20a. 816 Hopt § 86 Rn 41. 817 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 135. 818 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. 819 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 17. 820 OLG Köln DB 1971, 865; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 49. 821 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15. 822 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 22. 675

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Bedarf von Kunden innerhalb und außerhalb des Bezirks823 Erklärungen von Kunden, z. B. Reklamationen824 Erfahrungen, die der HV innerhalb und außerhalb des Vertriebsgebiets mit Produkten des Unternehmers und dessen Konkurrenten gemacht hat einschließlich der Reaktionen von Interessenten und Kunden825 dass der HV die zusätzlich zur Provision gezahlte Mehrwertsteuer ordnungsgemäß an das Finanzamt abgeführt hat, um den Unternehmer in den Stand zu setzen, seinerseits den Vorsteuerabzug geltend machen zu können.826 Diese Mitteilung wird sammelweise und jeweils abgestimmt auf die Termine für die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen erfolgen dürfen (diese Information ist wohl nur auf Nachfrage geschuldet) Gründe für den Absatz von Konkurrenzprodukten827 Daten der durch den HV verbotswidrig für einen Wettbewerber des Unternehmers vermittelten Geschäfte828 die Absicht, weitere Vertretungen zu übernehmen, falls die zusätzliche Vertretung eine Konkurrenzvertretung ist829 oder die Übernahme weiterer Vertretungen der Zustimmung des Unternehmers bedarf830 Konditionen eines geschlossenen oder vorgesehenen Vertrages unter Übermittlung eines ggf. existierenden Vertragsentwurfs831 Informationen zu Konkurrenzprodukten832 und Wettbewerbstätigkeit833 Informationen zur Kreditwürdigkeit eines Kunden, insbesondere: bei Zweifeln an ihr834 Kundenwünsche835 Krankheit, Verhinderung oder Abwesenheit: Bei länger dauernder Krankheit oder Verhinderung wird der HV seinem Unternehmer Mitteilung zu machen haben, wer ihn als Mitarbeiter oder Handlungsbevollmächtigter in der Agenturfirma vertritt, oder ob eine Vertretung nicht möglich ist, damit der Unternehmer für eine anderweitige Betreuung der Kundschaft oder des Bezirks Sorge tragen kann836 Markt- und Kundenbeobachtungen837 Mitarbeiter: ihre Tätigkeit und ihren Aufgabenbereich (aber wohl nur auf Nachfrage) Namen und Adressen von Kunden838 Mängelrügen Pflichtverletzungen von Kunden, auch wenn dies für den HV nachteilig sein sollte839 Reaktionen von Interessenten und Kunden840 Reklamationen

823 Martinek/Flohr/Feldmann § 17 Rn 61. 824 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 9; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86 Rn 45, 50. 825 LAG Bremen DB 1955, 123; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15. 826 OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.5.1975 – 6 W 31/75, zitiert nach Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 136. 827 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15. 828 BGH DB 1996, 1279 = NJW 1996, 2097; NJW 1964, 817 = HVR Nr. 311; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 141. 829 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 138. 830 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 139. 831 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 23, 24. 832 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. 833 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. 834 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. 835 AA OLG Köln DB 1971, 865; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. 836 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 17; Hopt § 86 Rn 41; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. 837 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 22. 838 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 23, 24. 839 BGH BB 1979, 242; Hopt § 86 Rn 42. 840 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15. Emde

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längere Verhinderung841 Vermögensverhältnisse des Kunden: Informationen, die für den Unternehmer von Interesse sind, etwa zum Vermögensverfall842 (siehe auch zur Bonitätsprüfungspflicht) – Vermittlungsbemühungen: Die unterlassene Unterrichtung des Unternehmers über Vermittlungsbemühungen des HV kann je nach den Umständen des Einzelfalls zum Verlust des Provisionsanspruchs führen, wenn der Unternehmer in Unkenntnis der Bemühungen des HV mit dem Kunden ein Direktgeschäft abschließt und bei der Preisvereinbarung einen Provisionsanspruch nicht berücksichtigt.843 Zu prüfen ist aber immer, ob der HV mit einem Direktgeschäft des Unternehmens rechnen musste – Vertragsverletzungen von Kunden844 – Vertretungsregelung bei längerer Krankheit – Werbemethoden845 – Wünsche des Kunden846 oder Dritter.847 169 Keine Informationspflicht besteht regelmäßig über – den Wunsch des HV, vertragsbegleitend Vertretungen zu übernehmen, die keine Konkurrenzvertretungen sind, es sei denn, es wurde eine Zustimmungspflicht des Unternehmers vereinbart848 oder dessen Belange werden in besonderer Weise erkennbar berührt. Dies gilt erst recht nach Vertragsende.849 Denn der HV unterliegt außerhalb des o. g. Wettbewerbsverbots keinem Tätigkeitsverbot und braucht über ihm gestattete Tätigkeiten keine Informationen zu erteilen. Es empfiehlt sich gleichwohl, die Abstimmung mit dem Unternehmer zu suchen. Grundlage für Schadensersatzansprüche oder Kündigungsmaßnahmen des Unternehmers wäre ohnehin in erster Linie die nicht genehmigte Tätigkeit, und nur in zweiter Reihe das Ausbleiben der Mitteilung über deren Vorhaben – den Wunsch des HV, nachvertraglich einen Wettbewerber850 oder ein anderes Unternehmen851 zu vertreten. Eine Offenbarungspflicht ist in diesem Zusammenhang von Staub/ Brüggemann, 4. Aufl., diskutiert worden, wenn der HV bei einem gekündigten oder wegen Befristung auslaufenden Vertragsverhältnis die Absicht hat, demnächst als HV oder auch im Angestelltenverhältnis in die Dienste der Konkurrenz zu treten. Der Unternehmer müsse die Möglichkeit haben, den Einsatz des HV in dieser Zeit so zu gestalten, dass er nicht mehr als unvermeidbar Nutzen hieraus für die demnächstige Tätigkeit bei der Konkurrenz ziehen – –

Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 17. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 25. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 14. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. Hopt § 86 Rn 41. Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 61; Hopt § 86 Rn 41. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 14. BGH, Urt. v. 3.5.1995 – VIII ZR 95/94, ZIP 1995, 1001 (1003); v. 25.3.1958 – VIII ZR 90/57, DB 1958, 512; auch im Fall BGH, Urt. v. 19.11.1976 – I ZR 84/75, MDR 1977, 289 (290) = WM 1977, 319 lag eine Konkurrenzlage vor; Küstner/ Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 139, 140; aA wohl OLG Düsseldorf BB 1969, 330 = DB 1969, 435; OLG Nürnberg BB 1965, 809; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 17; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 22; Hopt § 86 Rn 28; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. Begründung: Die Mitteilungspflicht diene nicht der Genehmigung oder dem Verbot einer solchen Tätigkeit, sondern solle dem Unternehmer einen Überblick über die Aktivitäten seines HV mit ihren möglichen Auswirkungen auf den Vertrag sowie die ordnungsgemäße Erfüllung der Pflichten des HV geben. Vgl. auch Hohn DB 1967, 1897; DB 1971, 94 (96). 849 Hopt § 86 Rn 42; aA Gräfe ZVertriebsR 2013, 362 (363 f.) – bei entspr. Eingliederungstiefe auch für Vertragshändler; Küstner/Thume I, 5. Aufl., Kap. VIII Rn 110; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. 850 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 17; aA OLG Saarbrücken RVR 1973, 100 m. Anm. Schröder RVR 1973, 161 (164); Küstner/Thume I, 5. Aufl., Kap. VIII Rn 110; Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn2 § 89 Rn 103; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. 851 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 17.

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kann.852 Auch der Ausschluss des HV von Betriebsgeheimnissen werde dann aktuell.853 Schon Staub/Brüggemann, 4. Aufl., zweifelte allerdings, ob der HV diese Absicht (ab wann?) wirklich in jedem Falle und von sich aus dem Unternehmer mitzuteilen habe. Grundsätzlich muss der Unternehmer damit rechnen, dass der HV in der Branche tätig bleibt. Wenngleich der den zukünftigen Unternehmer schützende § 90 der Information über die nachvertragliche Tätigkeit nicht entgegenstehen dürfte, sprechen im Regelfall mehr Argumente gegen als für eine Offenbarungspflicht. Es wird Sache des Unternehmers sein, den HV über seine Absichten zu befragen, falls er Klarheit zu haben wünscht. Dann freilich hat der HV seine Pläne wahrheitsgemäß offenzulegen. Soweit eine Offenbarungspflicht befürwortet wird, soll sie bestehen, sobald die Gefahr eines Interessenwiderstreits eintritt,854 was wohl spätestens ab Unterzeichnung des Vertrages für den Wettbewerber anzunehmen ist855 – eine fristlose Kündigung in einem früheren Beschäftigungsverhältnis,856 es sei denn, hieran besteht (z. B. wegen des Grundes – Vertrauensposition) ausnahmsweise ein erhebliches Interesse. 170 Der HV muss auf eine zulässige Nachfrage des Unternehmers wahrheitsgemäß antworten,857 es sei denn, es besteht in Abwägung mit dem Informationsinteresse des Unternehmers ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse oder der HV kann sich auf Notstand berufen (§ 228 BGB). Auch unzulässige Nachfragen wird der HV regelmäßig wahrheitsgemäß beantworten müsse. An einen Notstand und ein Recht zur Lüge ist zu denken, wenn der HV weiß, dass sein rechtmäßiges Verhalten den Unternehmer zu einer unzulässigen Schikanekündigung oder anderen Nachteilen motivieren könnte.

171 c) Berichtspflicht. Die Berichtspflicht ist ein Unterfall der Nachrichtspflicht und europarechtlich anerkannt.858 Überwiegend wird sie aus der Interessenwahrungspflicht hergeleitet. Wie die Nachrichtspflicht ist auch die Berichtspflicht Neben-, nicht Hauptpflicht.859 Das zur allgemeinen Informationspflicht Gesagte (s. o.) gilt entsprechend. Der Übergang zwischen Information, Nachricht und Bericht ist fließend. Allgemein wird man sagen können, die Nachricht sei eine kurze, punktuelle Information während der Bericht umfassender ausführt und zudem meist – nicht notwendigerweise – in einer gewissen Regelmäßigkeit erteilt wird. Ob überhaupt eine Abgrenzung zwischen Informations- und Berichtspflicht sinnvoll ist, bleibt eine berechtigte Frage. 172 § 86 erwähnt in Abs. 2 lediglich die Verpflichtung zur Übergabe der „erforderlichen Nachrichten“, nicht aber der Abgabe von Berichten. Aus diesem Grunde kann die Verpflichtung zur Abgabe regelmäßiger Berichte auch abbedungen werden, § 86 Abs. 4 steht wegen fehlender Normierung der Berichtspflicht nicht entgegen.860 Gleichwohl besteht auch bei Derogation der Berichtspflicht eine zwingende Verpflichtung zur Information, wenn die Übermittlung der Information „erforderlich“ (§ 86 Abs. 2) sein sollte. Dann handelt es sich um eine Erfüllung der allgemeinen Nachrichtspflicht (s. o.). Die Berichtspflicht hat besonders in der Vergangenheit zu viel Streit Anlass gegeben. Denn seinerzeit waren Berichte noch schwieriger zu erstellen als heute (Schreibmaschine, Versenden per Brief etc.). Heute können Berichte häufig mit Spracher-

852 853 854 855 856 857 858 859 860

So auch Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn2 § 89 Rn 103. Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn2 § 89 Rn 103. Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn2 § 89 Rn 103. Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn2 § 89 Rn 103. AA Küstner/Thume/Riemer I5 Kap. VIII Rn 289. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 145. Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677 Rn 40, 45. AA Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 17. AA Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume3 § 86 Rn 2.

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kennungssystemen, stichwortartig per E-Mail oder durch Einstellen in das CRM-System des Unternehmers gefertigt werden. Das erfolgt schneller und einfacher als früher.

aa) Zweck. Die Berichtspflicht dient dem Unternehmer dazu, einen Überblick über die Marktsi- 173 tuation, den Wettbewerb, die Absatzlage, die Wünsche und Erwartungen der Kunden sowie eine mögliche Produktverbesserung zu erhalten.861 Der Unternehmer soll sich über die Marktverhältnisse ein eigenes Bild schaffen können. Zudem soll der Unternehmer ein Bild über die Tätigkeit des HV gewinnen können.862 Auch der HV hat Interesse an der regelmäßigen Information des Unternehmers. Mangels einer solchen bleibt der Unternehmer ohne Kontakt zum Markt und produziert an dessen Bedürfnissen vorbei. bb) Verpflichteter. In erster Linie ist der HV, nicht der Unternehmer, zu Berichten verpflichtet. 174 Das bedeutet nicht, dass der Unternehmer nicht gehalten sein kann, ebenfalls zu berichten und zu informieren, falls dies objektiv erforderlich sein sollte. Dann resultiert diese „Berichtspflicht“ jedoch nicht aus der stärkeren, nur dem HV obliegenden Interessenwahrungspflicht oder der allgemeinen Nachrichtspflicht sondern aus der allgemeinen Treu- und Informationspflicht (§ 242 BGB). Die Verpflichtung zur Erteilung erforderlicher Informationen durch den Mittler besteht auch im Recht HV-ähnlicher Vertriebsmittler, wohl aber nicht die typische Berichtspflicht des HV-Rechts. Deshalb sind Berichte im Franchise- und Vertragshändlerrecht eher untypisch, außer zur generellen Wettbewerbssituation. Sie können jedoch auch dort gefordert sein, sofern der Unternehmer Informationen in Berichtsform über den Markt erwarten darf und eine solche Pflicht kann – innerhalb der unten genannten Grenzen – auch hier vertraglich vereinbart werden.

cc) Berichtsturnus. Er bietet häufig Anlass zum Streit, weil sich der HV gegängelt und kontrol- 175 liert fühlt. Dabei ist zwischen den Mühen der Berichtspflicht und den Folgen (mögliche Kontrolle) zu unterscheiden. Dass ein Bericht gefordert werden darf, bedeutet nicht automatisch, dass der Unternehmer den selbständigen HV auch einer kleinlichen Kontrolle unterziehen und ihm einen Turnus der Kundenbesuche vorschreiben darf. Über die Häufigkeit der Berichte enthält § 86 keine ausdrückliche Regelung. Wie jede Information müssen auch Berichte unverzüglich vorgelegt werden, falls sie erforderlich sind, also ohne schuldhaftes Zögern i. S. d. § 121 Abs. 1 BGB.863 Das gilt insb. im Falle der Eilbedürftigkeit.864 Der Berichtsturnus ist in erster Linie aus dem Vertrag865 und in zweiter Linie aus der gesetzlichen Regelung unter Würdigung der Interessen des Unternehmers abzuleiten. Die Bedürfnisse des Unternehmers sowie des Marktes bestimmen über die Häufigkeit der Berichte.866 So können Berichte, die in einem Fall zeitlich (und inhaltlich) erforderlich und für den Unternehmer von größter Bedeutung sind, in anderen Fällen entbehrlich sein.867 Eine starre Regelung zum Berichtsturnus gibt es nicht, insbesondere keine Verpflichtung zu regelmäßigen Berichten oder Tages- oder Wochenberichten.868 Auch braucht

861 862 863 864 865 866 867 868 679

Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 18. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 18. Westphal I Rn 278. Hopt § 86 Rn 42. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 52; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 20b. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 21. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 122; ebenso Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 21. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 52. Emde

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der HV nicht über jeden Kundenbesuch schriftlich Mitteilung zu geben869 oder über „jeden seiner Schritte und Besuche“ Bericht zu erstatten,870 weil dies nicht erforderlich wäre. Eine Berichtspflicht hinsichtlich jeder einzelnen vom HV beabsichtigten oder vorgenommenen Vertriebsmaßnahme oder jedes Geschäfts sieht das Gesetz nicht vor.871 Sie kann nur bestehen, wenn der HV ein unübliches Geschäft tätigen will und dem Unternehmer Gelegenheit gegeben werden muss, Weisungen zu äußern.872 Entscheidend ist: Berichte müssen abgegeben werden, sobald sie objektiv erforderlich sind, dann aber auch unverzüglich, und zwar so zeitig, dass sie der Unternehmer zum benötigten Zeitpunkt verwerten kann.873 Wann dies ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls874 und dem Handelsbrauch. Ein Bericht ist erforderlich, wenn ihn der Unternehmer objektiv betrachtet erwarten und ihn der HV als ordentlicher Kaufmann (§ 86 Abs. 3) erstatten müsste. Unter Umständen können periodische Berichte erforderlich sein, jedoch nicht immer und ohne Grund. Nimmt der Unternehmer die Berichte des HV nicht zur Kenntnis, indiziert dies ihre fehlende Notwendigkeit.875 Besteht eine Berichtspflicht, muss der HV so rechtzeitig berichten, dass der Unternehmer ggf. durch Weisungen das Geschehen steuern kann.876 Besonders Bedeutsames, etwa ein Risiko, muss sehr rasch mitgeteilt werden.877 Ein bedeutendes Geschäft kann einen Zwischenbericht erfordern,878 insbesondere, falls sich der Unternehmer einschalten oder Vorbereitungen treffen, etwa die Produktionsplanung an den in Aussicht stehenden Geschäftsabschlüssen ausrichten muss879 und oft dann über den Stand des Geschäfts, wenn der HV Provisionsvorschüsse erhalten hat.880 Weniger Bedeutsames kann in Sammelberichten mitgeteilt werden.881 Tägliche Berichte ohne besonderen Anlass werden kaum erforderlich sein; diesbezüglich werden sogar Zweifel an der Vereinbarkeit mit der Selbständigkeit des HV geäußert.882 Hat der Unternehmer begründeten Anlass, am Einsatz des HV zu zweifeln oder liegen besondere Umstände, z. B. starke Umsatzrückgänge883 oder Krisenzeiten884 vor, darf er einen engeren Berichtsturnus und eingehendere Berichte erwarten. Ein solcher Berichtsturnus darf jedoch nur bis zu dem Zeitpunkt erwartet werden, zu dem bei vernünftiger Betrachtung die berechtigten Zweifel ausgeräumt sind, angeblich jedoch nicht zu dem Zweck, den HV und seinen Arbeitseinsatz zu kontrollieren (letzteres zwh.).885 Der Unternehmer kann in den vorgenannten Sondersituationen Berichte in dichterer und auch regelmäßigerer Folge verlangen, um beurteilen zu können, ob die Ursache in einer nachlassenden Tätigkeit des HV oder in einer sich kontinuierlich verschlechternden Marktlage zu suchen ist. Die Selbstän-

869 OLG Köln BB 1971, 543 = DB 1971, 865; AG München HVR Nr. 147; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 125; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 49.

870 OLG Köln BB 1971, 543 = DB 1971, 865; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 125; Röhricht/Graf v. Westphalen/ Haas/Thume4 § 86 Rn 23; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 20a. 871 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 48; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 23. 872 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 48; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 23. 873 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 52. 874 BGH BB 1966, 265 = DB 1966, 375 = NJW 1966, 882; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 122; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 21. 875 Vgl. Küstner/Thume II Rn 1403. 876 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 48; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 22. 877 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 20b. 878 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 48; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 49. 879 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 48. 880 AA Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 50. 881 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 20b. 882 Hopt § 86 Rn 42. 883 BGH NJW 1966, 882; WM 1988, 33; Hopt § 86 Rn 42; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 23; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 19; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 21. 884 Emde ZVertriebsR 2020, 138 (144 f.) zur Corona-Pandemie 885 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15. Emde

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digkeit des HV steht nicht entgegen. Der BGH hat in diesem Zusammenhang sogar die Forderung nach wöchentlichen Kundenbesuchsberichten gebilligt.886 Besonders häufig entstehen Diskussionen über die Berichtspflicht nach Kundenbesu- 176 chen. Grundsätzlich wird der HV nicht über jeden Kundenbesuch berichten müssen, sondern nur zusammenfassend über Besonderheiten, die ihm während seiner Besuche mitgeteilt wurden und über welche der Unternehmer erwarten darf, informiert zu werden. Deshalb gibt es auch keinen Handelsbrauch, demzufolge periodische Besuchsberichte zu erstatten sind,887 da es auf die Erforderlichkeit im einzelnen Vertrag und den konkret existierenden Bedarf ankommt. Der Unternehmer muss jedoch einen Marktüberblick erhalten.

dd) Inhalt. Der HV hat dem Unternehmer die „erforderlichen“ Berichte zu geben, um ihm ein 177 möglichst präzises und zuverlässiges Bild über die Marktsituation888 und die Tätigkeit des HV889 zu geben, wobei letztgenannter Zweck in die zweite Linie zurücktritt.890 Die Erforderlichkeit bestimmt also nicht nur über die Häufigkeit der Berichte (Rn 175), sondern auch über ihren Inhalt. Was nötig ist, ordnet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls. Der Bericht muss so informativ sein, dass er alle Umstände, die für die Disposition des Unternehmers erforderlich sind, richtig und vollständig in zutreffender Gewichtung mitteilt. In jedem Fall muss der HV alles ihm Bekannte zu den Marktgegebenheiten und dem Kundenverhalten weitergeben, ebenso die Informationen, die er von Kunden erhält. Umgekehrt sind die Berichte von Überflüssigem und Wiederholungen freizuhalten, weil das Gebot der Klarheit gilt. Der HV braucht deshalb auch nicht in Details zu jedem Kundenbesuch zu schwelgen. Vermutungen sind als solche zu kennzeichnen. Der HV darf eine Marktsituation nicht deshalb „geschminkt“ darstellen, weil eine wahrheitsgemäße Berichterstattung den Unternehmer dazu veranlassen könnte, die Produktion derjenigen Artikel, die der HV vertreibt, einzustellen – nur weil der HV sich eine letzte Chance nicht entgehen lassen zu können glaubt, dass die Lage sich vielleicht noch wieder bessern möchte. Die Parteien können durch ihre tatsächliche Übung deutlich machen, was sie für erforderlich halten. Moniert der Unternehmer nicht, dass der HV über Jahre lediglich über außergewöhnliche Vorkommnisse berichtet oder begnügt er sich über lange Zeit mit fernmündlichen Berichten, darf er bei gleich bleibenden Verhältnissen nicht plötzlich regelmäßige oder ausführliche schriftliche Berichte fordern. Denn die Parteien haben sich dann meistens konkludent auf diese Berichtsform geeinigt, so dass eine hiervon abweichende Regelung nur mittels Vertragsänderung erfolgen kann. Auch die mangelnde Forderung gegenüber anderen HV nach vergleichbaren Berichten indiziert fehlende Erforderlichkeit. Anders ist es, wenn sich der Markt verändert hat. Denn dann darf sich der HV nicht damit 178 begnügen, auf das Vergangene hinzuweisen, sondern muss auf die Marktveränderung reagieren. Hierzu kann auch eine extensivere Berichtspflicht gehören. Da das Gesetz namentlich die Berichtspflicht hinsichtlich der Geschäftsvermittlung oder Geschäftsanbahnung hervorhebt, sind an die Berichtspflicht zudem größere Anforderungen zu stellen, falls es sich um die Anbahnung und Vermittlung eines umfangreichen Geschäfts handelt, welches auf Unternehmerseite besondere Investitionen erforderlich macht. Andererseits können inhaltlich (und zeitlich) geringere Anforderungen gestellt werden, wenn es sich um den Vertrieb von gut eingeführten Artikeln des täglichen Bedarfs handelt.891 Zur Beweislast beim Streit um die Erforderlichkeit der Berichtspflicht: Ordemann DB 1963, 1566.

886 887 888 889 890 891 681

BGH NJW 1966, 882; WM 1988, 33; zust. Hopt § 86 Rn 42. Ordemann S. 1566. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 18. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 19. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 20. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 21. Emde

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Berichte müssen insbesondere erteilt werden wenn: außergewöhnliche Umstände, etwa Großobjekte und Risiken,892 dies erfordern Zweifel an der Kreditwürdigkeit eines Kunden mitgeteilt werden müssen893 Mängelrügen von Kunden vorliegen Eine Ergänzung der Berichte erforderlich ist.894

180 ee) Form der Berichte. Weil das Gesetz die Berichte selbst nicht erwähnt, wird auch ihre Form nicht vorgeschrieben.895 Zunächst einmal gilt das oben zur Nachrichtspflicht Gesagte. Auch die Form sowie der Inhalt der Berichte wird in erster Linie durch das zulässigerweise Vereinbarte bestimmt,896 hilfsweise durch die „Erforderlichkeit“ und die Üblichkeiten der Vergangenheit. Es kommt also darauf an, was das Interesse des Unternehmers objektiv im Lichte der Besonderheit und Dringlichkeit des Falles sowie der schutzwürdigen Interessen des HV erfordert.897 Ist die Angelegenheit eilbedürftig, kann ein telefonischer Bericht erforderlich und genügend sein, z. B. dann, wenn die Berichterstattung so schnell und umfangreich erfolgen muss, dass eine solche per Fernkopie oder E-Mail ausscheidet. In der Praxis gibt es alle Formen, nämlich telefonisch, persönlich, per Fernkopie, E-Mail, CRM-System, Brief und sogar Diktat, welches im Hause des Unternehmers geschrieben wird.898 Berichte in Textform sind daher nicht zwingend vorgeschrieben, wenngleich dies vertreten wird.899 Meist wird jedoch in Textform berichtet und ein solcher Bericht wegen der notwendigen Perpetuierung oft auch erforderlich sein. Denn die Entwicklung des Marktes lässt sich nach Jahren oft nur noch aus den Akten nachvollziehen. Die Erforderlichkeit mag durch eine bestimmte Übung mglw. sogar konkludent vereinbart worden sein. Besteht etwa eine Übung zur Teilnahme an regelmäßig stattfindenden Besprechungen mit dem Unternehmer, kann die Berichtspflicht in deren Rahmen mündlich erfüllt werden.900 Jedenfalls ist, sofern dies erforderlich ist und dem keine besonderen Gründe entgegenstehen, der Bericht auf Verlangen des Unternehmers in Textform vorzulegen.901 Dies gilt insbesondere bei einer Vielzahl von Kunden oder berichtspflichtigen Vorgängen,902 es sei denn, die Forderung erfolgt rechtsmissbräuchlich oder sie behindert den HV auch im Lichte des berechtigten Informationsinteresses des Unternehmers ungebührlich. Bei berechtigtem Interesse des Unternehmers – und dieses wird bei den modernen Kommunikationsund Speichermedien immer mehr bestehen – mag er Mitteilung unter Verwendung von ihm entworfener Formulare, Vordrucke oder Formulare oder in der EDV des Unternehmers verlangen dürfen,903 zumal wenn der Unternehmer die dafür erforderliche EDV stellt und der eigentliche Bericht im Vergleich zu historischen Übermittlungsarten (Brief mit seinen umständlichen Prozessschritten) eher einfach zu fertigen ist.

ff) Vertragliche Vereinbarungen zu den Berichten 181 (1) Zur Häufigkeit der Berichte. Die zeitliche Abfolge der Berichte darf vereinbart werden. § 86 Abs. 4 steht nicht entgegen, weil die Berichte im Gesetz nicht erwähnt und eine bloße Konkretisierung den Kernbereich der durch § 86 Abs. 4 geschützten Rechte und Pflichten nicht 892 893 894 895 896 897 898 899 900 901 902 903

Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 20b. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 22. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 25. Hopt § 86 Rn 43. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 51. Hopt § 86 Rn 42. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 126. Für Schriftform: Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 16. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 16. OLG Braunschweig NJW-RR 1996, 1316; Hopt § 86 Rn 43. Hopt § 86 Rn 43. BGH VersR 1964, 331; WM 1988, 33; BAG DB 1966, 546; Hopt § 86 Rn 43.

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berührt. Ein völliger Verzicht auf erforderliche Informationen ist nicht möglich, allerdings auf turnusmäßige Berichte.904 Deshalb ist ein Verzicht auf solche Berichte nicht als Derogation des allgemeinen Informationsrechts auszulegen.905 Eine periodische Berichterstattung darf vereinbart werden. Der Klarstellung halber ist eine solche Vereinbarung angeraten. Ihre Grenzen findet sie an der Selbständigkeit des HV, weiter an den §§ 138, 242, 307 BGB, wobei bei der Bestimmung der Grenzen einer individualvertraglich vereinbarten Berichtspflicht Großzügigkeit angebracht sein sollte. Die Regelung überschreitet die Schwelle zur Unzulässigkeit, wenn die Anforderungen an die vereinbarte Berichterstattung den HV daran hindert, seine Tätigkeit im Wesentlichen frei zu gestalten und seine Arbeitszeit selbst zu bestimmen.906 Zudem findet die vertraglich vereinbarte Berichtspflicht ihre Grenze in dem Verbot der Schikane (§ 226 BGB). Ob feste Berichtstermine (zum Wochenende, vierzehntägig, zum Monatsende) und Berichtspflichten über jeden Kundenbesuch die Selbständigkeit des HV bei der Erfüllung seiner Obliegenheiten im Kern beeinträchtigen würden, erscheint entgegen Staub/Brüggemann 4. Aufl. sehr zweifelhaft. Kürzere als übliche Berichtspflichten können bei begründetem besonderen Bedarf mittels Individualvereinbarung im Einzelfall festgelegt werden.907 Eine vertraglich vorgeschriebene tägliche oder für jeden einzelnen Kundenbesuch vorgeschriebene Berichtspflicht ist mit der Stellung des HV als selbständiger Kaufmann kaum vereinbar.908

(2) Zum Inhalt der Berichte. Auch die Konkretisierung des Inhalts und der Berichtsform 182 im Vertrag ist grundsätzlich zulässig.909 Eine vertragliche Erweiterung der gesetzlichen Berichtspflicht findet stets ihre Grenze dort, wo sie entweder den Kreis der „erforderlichen“ Übermittlung von Nachrichten völlig verlässt oder den Kernbereich der Selbständigkeit des HV beeinträchtigt910 (Rn 181). Der Unternehmer darf neue „Berichtsrichtlinien“ erlassen, sofern sie die gesetzliche Regelung nicht überdehnen und nicht überzogen sind. Solchen Richtlinien wird eigen sein, dass sie von allen HV zu beachten sind. Weisungen an einzelne HV sind aber zulässig. Zur kartellrechtlichen Problematik erweiterter Informationsrechte des Unternehmers außerhalb des Bereichs „echter HV“ siehe Rn 162.

(3) AGB. Auch mittels AGB dürfen die Berichtspflichten ausgestaltet werden, und zwar nicht 183 nur gegenüber HV hochwertiger Produkte sondern auch gegenüber solchen von Massenware.911 Erfolgt die Regelung durch AGB (s. Kommentierung zu Vor § 84) muss die Regelung aber in allen denkbaren und üblichen Fällen bei abstrakt-genereller Betrachtung noch angemessen sein. (4) Details. Folgende Berichtspflichten dürfen regelmäßig nicht vereinbart werden und sind 184 für den HV unverbindlich: – Berichtspflicht über jeden Besuch des HV 904 905 906 907

Vgl. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 27. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 33. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 130. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 52; einschränkend für wöchentliche Berichtsfristen: Hopt § 86 Rn 42; OLG Oldenburg DB 1964, 105. 908 BGH, Urt. v. 16.2.1989 – I ZR 185/87, NJW-RR 1989, 862 (863) = BB 1989, 1076 = WM 1989, 1060; Ebenroth/ Löwisch3 § 86 Rn 15; Hopt § 86 Rn 16; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 52; aA OLG München BB 1957, 560. 909 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 49. 910 BGH, Urt. v. 13.1.1966 – VII ZR 9/64, NJW 1966, 882, BB 1966, 265 = DB 1966, 375 = NJW 1966, 882; Küstner/ Thume/Schürr Kap. III Rn 130. 911 AA Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 49. 683

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Tägliche Berichterstattung912 Wöchentliche Berichterstattung913 (bei Besonderheiten der Branche oder starkem Umsatzrückgang914 ist eine Gegenansicht vertretbar) – Kontrollberichte, die der Unternehmers allein deshalb fordert, um die Tätigkeit des HV zu kontrollieren, nicht dagegen, um über den Markt informiert zu sein915 (mangelndes Informationsinteresse) – Vertraglich vereinbarte Berichte solchen Umfanges, dass sie der Unternehmer nicht mehr auswerten kann oder will.916 Diese Eingrenzung ergibt sich zwar nicht daraus, dass der Unternehmer eine Auswertungspflicht hat917 (eine solche Pflicht besteht nicht, vielmehr handelt es sich um eine Obliegenheit des Unternehmers), sondern deshalb, weil nicht ausgewertete Berichte nicht „erforderlich“ sein können. 185 Folgende vertragliche Vereinbarungen über die Berichtspflicht sind hingegen regelmäßig gestattet: – eine zweiwöchige Berichtspflicht, bei besonderem Anlass auch eine kürzere918 – Bericht auf Formularen oder im CRM-System des Unternehmers (Rn 180),919 sofern der HV hierdurch nicht unbillig belastet wird (s. o.) – Regelmäßige Kurzberichte über Kundenbesuche, in denen die besuchten Kunden benannt sind und über mitteilungswerte Informationen, welche die Besuche ergaben, berichtet wird. – –

186 gg) Weisungen zu den Berichten. Hinsichtlich des Inhalts und der zeitlichen Abfolge der Berichte besteht Raum für ein Weisungsrecht des Unternehmers,920 allerdings nur sofern hierdurch die Erforderlichkeit konkretisiert oder eine vertragliche Regelung nicht überdehnt wird. Darüber hinausgehend existiert ein Weisungsrecht nur, soweit dies vertraglich vereinbart ist. Entgegen der gesetzlichen („Erforderlichkeit“) oder der vertraglichen Regelung dürfen zu den Berichten keine Weisungen gegeben werden, weil dies dem Vertrag oder der Interessenwahrungspflicht widerspricht. Bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, etwa erheblicher Umsatzrückgänge im Vertriebsgebiet des HV, werden umfangreichere Berichte in kürzeren Intervallen erforderlich und erweitert sich das Weisungsrecht entsprechend.921 Eine Verpflichtung des Unternehmers zu Weisungen besteht nicht.922 187 In Abwesenheit von Weisungen muss der HV den Interessen und dem mutmaßlichem Willen des Unternehmers gemäß handeln.923 Dagegen kann dem HV mittels Weisungen nicht vorgeschrieben werden, „Übermaßberichte“ zu übermitteln, weil solche nicht erforderlich und da912 BGH, Urt. v. 16.2.1989 – I ZR 185/87, NJW-RR 1989, 862 (863) = BB 1989, 1076 = WM 1989, 1060; Ebenroth/ Löwisch3 § 86 Rn 15; Hopt Rn 16; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 24; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 52; aA OLG München BB 1957, 560. 913 OLG Oldenburg DB 1964, 105; Graf v. Westphalen DB 1984, 2335 (2336); Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/ Thume4 § 86 Rn 24. 914 WM 1988, 33; Urt. v. 13.1.1966 – VII ZR 9/64, BGH NJW 1966, 882; Hopt § 86 Rn 42; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 19; generell Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (73). 915 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 132; OLG Oldenburg DB 1964, 105. 916 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 134. 917 So Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 134. 918 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15; aA Staub/Brüggemann 4. Aufl., § 86 Rn 18. 919 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 16. 920 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 19, 51; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 20a, 32 (aA aber Rn 21: nur bei vertraglicher Vereinbarung eines Weisungsrechts welches dann aber konsequenterweise in Konflikt mit der zwingenden Natur des § 86 geraten dürfte). 921 BGH, Urt. v. 24.9.1987 – I ZR 243/85, NJW-RR 1988, 287; v. 13.1.1966 – VII ZR 9/64, NJW 1966, 882; Ebenroth/ Löwisch3 § 86 Rn 15; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 20a. 922 AA Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32. 923 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32a. Emde

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mit vertragswidrig sind. Was vertraglich nicht vereinbart werden darf, kann auch nicht durch Weisungen vorgeschrieben werden. Hinsichtlich des Zulässigen gelten daher die Ausführungen zu vertraglichen Vereinbarungen (s. o.). Allgemeine Kundenbesuchsberichte soll der Unternehmer angeblich durch Weisung dem HV auferlegen dürfen, wenn er ihm einen Spesenzuschuss zahlt.924 Ob der HV verpflichtet ist, auf Weisung oder vertragliche Vereinbarung, Formulare des 188 Unternehmers für seine Berichte zu nutzen oder jene computergerecht aufzuarbeiten,925 ist ungeklärt. Nach einer Ansicht soll der Unternehmer durch Weisung die Einhaltung bestimmter Formalien (genannt werden die Verwendung von Vordrucken, Formularen) verbindlich vorschreiben dürfen.926 Macht dies keine besonderen Umstände und/oder erleichtert dem Unternehmer die Arbeit, ohne sie für den HV ungebührlich zu erhöhen, entspricht es der Interessenwahrungspflicht des HV, die gewünschte Form zu verwenden. Sind für den HV dagegen besondere Schwierigkeiten mit der Nutzung dieser Formulare verbunden, kommt es darauf an, ob das Formularwesen „erforderlich“ im Sinne des § 86 Abs. 2 ist. An diesen Maßstäben orientiert sich auch die nachträgliche Einführung von Formularen. Grundsätzlich kann – wie oben ausgeführt – eine bestimmte Form der Berichte stillschweigend vereinbarte Vertragspflicht sein, insbesondere nach jahrelanger Übung. Wie ausgeführt, ist der HV aber unter dem Gesichtspunkt der Interessenwahrungspflicht gehalten, den Unternehmer zu unterstützen. Es sind also – trotz vorher abweichender Übung – Formulare des Unternehmers zu verwenden, sofern dies entweder dem Vertreter keine Mühe macht oder erforderlich sein sollte. Immer ist das Schutzbedürfnis des HV zu berücksichtigen. In diese Richtung geht ein 189 Urteil des BGH vom 24.9.1987.927 Der Unternehmer hatte den HV angewiesen, Wochenberichte zu übersenden, die in einer bestimmten Form abgefasst werden sollten. Der HV kam dieser Aufforderung nicht nach und verwendete nach einer Mahnung des Unternehmers für die Wochenberichte nicht die gewünschten Formulare, sondern gab weiterhin Nachrichten in der bisher von ihm geübten Form ab. Der Unternehmer kündigte außerordentlich aus wichtigem Grunde. Der BGH verneinte einen wichtigen Grund zur Kündigung, weil die Weigerung des HV, seiner Berichtspflicht in der geforderten Form nachzukommen, das Vertragsverhältnis nicht in so erheblichem Maße erschüttert habe, dass dem Unternehmer ein Festhalten am Vertrag unzumutbar geworden sei. Denn der HV hatte – wenn auch nicht in der verlangten Form – berichtet, und durch die Berichte des HV erhielt der Unternehmer in ausreichender Weise Kenntnis von den Marktvorgängen.

hh) Folgen fehlerhafter Berichterstattung. Die fehlerhafte oder mangelhafte Berichter- 190 stattung ist eine Vertragsverletzung, die zum Schadenersatz berechtigt. Dies gilt sowohl auf Seiten des Unternehmers, wenn dieser „Übermaßberichte“ fordert, wie auf Seiten des HV, falls er unzureichend berichtet. Entsteht dem Unternehmer durch unzureichende Berichte ein Schaden, so ist er nach § 280 BGB schadenersatzberechtigt.928 Der Unternehmer darf im Falle unzureichender Berichterstattung aus wichtigem Grund kündigen,929 jedoch nur nach ergebnisloser Abmahnung. Der HV verliert dann seinen Ausgleichsanspruch. Umgekehrt kann die Forderung des Unternehmers nach Übermaßberichten den HV – je nach Schwere des Vertragsverstoßes des Unternehmers – einen Grund zur außerordentlichen Kündigung geben, zudem

924 SG München VersR 1963, 921. 925 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 51. 926 BGH NJW-RR 1988, 287; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 16; Hopt § 86 Rn 43; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 51. 927 DB 1988, 41 = MDR 1988, 286 = NJW-RR 1988, 287. 928 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 22. 929 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 22. 685

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einen begründeten Anlass zur Kündigung im Sinne des § 89b, in beiden Fällen jedoch jeweils nur nach vorheriger Abmahnung.

IV. Sorgfaltspflicht des Handelsvertreters (§ 86 Abs. 3) 191 Wenngleich der HV bei der Ausführung seiner Tätigkeit i. d. R. über einen bedeutenden Freiraum verfügt,930 hat er bei der Erfüllung aller ihm obliegenden Haupt- und Nebenpflichten die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu wahren.931 Dies ist seit dem HGB-Reformgesetz 1998 nicht mehr bloße Wiedergabe des ohnehin nach § 347 Abs. 1 Geltenden,932 da der HV nun nicht mehr notwendigerweise Kaufmann ist (s. Kommentierung zu § 84). Für den Unternehmer ist die Kaufmannseigenschaft ohnehin nicht zwingend, weshalb das Fehlen einer Abs. 3 entsprechenden Regel in § 86a unverständlich bleibt. Der Sorgfaltsmaßstab des Abs. 3 gilt dort aber entsprechend, da beide Parteien an denselben Maßstab gebunden sind. § 347 Abs. 2 hat keine Entsprechung in § 86 Abs. 3 gefunden und gilt daher im HV-Recht nicht.933 § 86 Abs. 3 bildet eine lex specialis. 192 In § 86 Abs. 3 wird ebenso wie in § 347 Abs. 1 nur der Sorgfaltsmaßstab, nicht der Inhalt der Pflichten bestimmt.934 Der HV schuldet die Sorgfalt, welche ein ordentlicher HV bei objektiver Würdigung im konkreten Einzelfall aufzuwenden hat.935 Je größer Risiko, Wert oder Gefahr, umso höher die Sorgfaltsanforderungen.936 Wirkt der HV an einem besonders bedeutenden Geschäft mit oder verwahrt er wertvolle Ware, Musterkollektionen oder ein Auslieferungslager des Unternehmers,937 so steigen die ihn treffenden Sorgfaltsanforderungen.938 Zur Sorgfaltspflicht des HV gehört es: 193 – vor dem Geschäftsabschluss oder einer Geschäftsvermittlung die Kreditwürdigkeit des Geschäftspartners zu überprüfen939 – Zusicherungen über die Kreditwürdigkeit nur zu geben, wenn sichere Beweise hierfür vorliegen.940 Die Ermittlungspflicht des HV ist aber auf Umstände begrenzt, die er ohne Kosten und Schwierigkeiten über die Kreditwürdigkeit des Kunden in Erfahrung bringen kann941 – Handelsbücher nach §§ 238 ff. zu führen.942 Deshalb darf der HV eine Abrechnung gegenüber dem Unternehmer nicht mit der Begründung verweigern, dieser enthalte ihm Belege

930 Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677 Rn 42. 931 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 65; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 58; Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677 Rn 41, 43. 932 So aber Hopt § 86 Rn 44; aA MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 58 unter Berufung auf RegE, BTDrucks. 11/3077, S. 7. 933 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 65. 934 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 20; Hopt § 86 Rn 44; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 58. 935 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 45; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 65. 936 BGH, Urt. v. 7.4.1993 – VIII ZR 133/92, NJW-RR 1993, 926 = WM 1993, 1596; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 65; Hopt § 86 Rn 44; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 58; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 2. 937 BGH, Urt. v. 7.4.1993 – VIII ZR 133/92, NJW-RR 1993, 926 = WM 1993, 1596; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 65; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 5. 938 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 65. 939 RGZ 18, 112; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 59; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 15. 940 LG Heidelberg BB 1959, 942; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 59. 941 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 60. 942 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 63. Emde

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vor, sofern er bei ordnungsgemäßer Buchführung die zur Abrechnung notwendige Kenntnis gehabt hätte.943

H. Persönliche Dienstleistung Der HV ist gem. §§ 613, 664 BGB im Zweifel verpflichtet, die Dienstleistung persönlich zu erbrin- 194 gen.944 Substitution ist unzulässig.945 Denn Dienstleistungsverträge mit Geschäftsbesorgungscharakter, zu denen HV-Verträge zählen, werden aufgrund des Vertrauens in die Fähigkeiten der zur Geschäftsbesorgung verpflichteten Person geschlossen. Näheres oben, Vor § 84 zu § 613 BGB.

I. Rechenschaftspflicht (§ 666 BGB) Das Interesse des Unternehmers an erschöpfender Unterrichtung wird zunächst und hauptsäch- 195 lich durch die aus § 86 Abs. 2 hergeleitete Auskunfts- und Berichtspflicht des HV abgedeckt. Doch kann das Informationsbedürfnis unter Umständen auch weiter gehen. Gemeint sind zwar nicht unvollständige Berichte: hier verlangt der Unternehmer bis zur Erfüllung (§ 362 BGB) Vervollständigung. Gemäß § 675, 666 BGB ist der HV verpflichtet, Rechenschaft abzulegen,946 jedoch nur, falls hierzu ein Anlass besteht. Das bezieht sich hier vor allem auf Angelegenheiten im Anschluss an die Vermittlung oder den Abschluss und erfasst in eigentlich unnötiger Abgrenzung zu § 86 Abs. 2 (der dort geregelte Anspruch umfasst – falls nötig auch die Rechenschaft) die neben die Hauptpflicht tretenden Nebentätigkeiten des HV und weniger die Marktgegebenheiten, welche von der Nachrichtspflicht getroffen werden. Gedacht wird z. B. an die Abrechnung der Gesamtheit von Einnahmen, etwa kassierte Gelder, oder die Rechenschaft über die Verwendung umfangreicher Musterkollektionen zum Zeitpunkt ihrer Rückgabe; ferner an das Ergebnis eines vom HV beantragten Beweissicherungsverfahrens oder die Rechenschaft darüber, dass und warum von einem Antrag hierauf abgesehen worden ist, die Verwaltung eines Musterlagers oder eines Auslieferungslagers, bei Versicherungsvertretern die Bestandspflegetätigkeit oder die Rechenschaft über das dem HV übertragene Inkasso; Schmiergelder;947 überhaupt über alles das, was der HV in Ausführung seiner Obliegenheiten von dritter Seite erhalten hat. Eine Auskunft über Werbemethoden dürfte der Nachrichtspflicht des § 86 Abs. 2 unterfallen.948 Bei einer Umsatzbeteiligung mag dem HV gegenüber dem Unternehmer ein Rechnungslegungsanspruch entsprechend § 666, 675, 259 BGB zustehen.949 Dann gelten die §§ 259, 260 BGB. Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete und nachprüfbare950 Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, dem Unternehmer951 Belege vorzulegen (§ 259 Abs. 1 BGB). Wer verpflichtet ist, einen Inbegriff von Gegenständen herauszugeben oder über den Bestand 943 OLG Köln BB 1971, 760; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 63. 944 Hopt § 86 Rn 18; MünchKommHGB/v. Hoyningen/Huene § 86 Rn 8. 945 Emde Die Handelsvertreter-GmbH S. 99; aA Albrecht/Tentler Das Recht der Agenten nach deutschem Handelsrecht, 1908, S. 35; Stolterfoht S. 77; Trinkhaus Handbuch der Versicherungsvermittlung I, 1955, S. 356; Staudinger/ Wittmann § 664 Rn 13. 946 Hopt § 86 Rn 41; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 53; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 33. 947 LAG Köln, Urt. v. 31.10.2018 – 6 Sa 652/18, BeckRS 2018, 33318 = EWiR 2019, 251 (Engelhoeven/Herrmann); Hopt § 86 Rn 41. 948 AA Hopt § 86 Rn 41. 949 OLG Karlsruhe BB 1966, 1169; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87c Rn 10. 950 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 53. 951 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 33. 687

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eines solchen Inbegriffs Auskunft zu erteilen, hat dem Berechtigten ein Verzeichnis des Bestandes vorzulegen (§ 260 Abs. 1 BGB). Notfalls muss der HV gem. §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB die Richtigkeit eidesstattlich zu versichern952 (s. zum Recht auf eidesstattliche Versicherung d. Kommentierung zu § 87c). 196 Wann die Rechenschaft abzulegen ist, bestimmt sich in erster Linie nach den vertraglichen Vereinbarungen,953 hilfsweise nach dem konkreten Gegenstand der Rechenschaftslegung. Da zwischen Unternehmer und HV ein Dauerschuldverhältnis besteht, ist der HV nicht nach jedem einzelnen Geschäftsabschluss zur Rechenschaft verpflichtet, sondern jeweils – falls erforderlich – periodisch.954 Der Monatszeitraum des § 87c Abs. 1 S. 1 Hs 1 dürfte nicht analog anzuwenden sein.955 Über eingenommene Gelder wird periodisch abgerechnet,956 meist monatlich957 oder vierteljährlich. Sind Gegenstände herauszugeben, etwa umfangreiche Musterkollektionen, ist das Verzeichnis des Bestandes am Ende der Saison, also am Ende der Überlassungsdauer, vorzulegen. Im Zweifel gilt die „Unverzüglichkeit“ des § 86 Abs. 2 analog, wobei die Analogie nicht erforderlich ist, falls man die Rechenschaft als von Abs. 2 erfasst ansieht.

J. Weisungsfolgepflicht I. Umfang der Weisungsgebundenheit 197 HV sowie HV-ähnliche Mittler, etwa FN und Vertragshändler,958 unterliegen trotz ihres erheblichen Freiraums im Rahmen ihrer Tätigkeit959 der Pflicht, zulässigen Weisungen ihres Unternehmers zu folgen.960 Das Thema „Weisungen“ hat zwei Seiten, nämlich auf der Seite des Unternehmers das Weisungsrecht und auf Seiten des HV die Weisungsfolgepflicht. Die Weisungsfolgepflicht des HV wird üblicherweise in Zusammenhang mit der Interessenwahrungspflicht gebracht.961 Sie ist beim eingegliederten, „echten“ HV sowohl nach Art. 101 AEUV wie nach § 1 GWB kartellrechtlich unbedenklich.962 Nicht vertragskonforme Weisungen wären als einseitige Maßnahme ohnehin nicht von Art. 101 AEUV erfasst. Der HV muss als Interessenswahrer des Unternehmers dessen Weisungen nachkommen.963 Richtigerweise ergibt sich die Weisungsfolgepflicht, falls eine vertragliche Regelung dieser Frage besteht, aus der Interessenwahrungspflicht; in Ermangelung einer vertraglichen Regelung zudem aus den §§ 675, 665 BGB.964 Denn § 665 BGB setzt ein Weisungsrecht des Auftraggebers voraus. De facto kann der Unternehmer beim Abschlussvertreter Vertriebs- und Preisbindungen nicht nur mittels Weisungen, sondern auch durch die Beschränkung der Vollmacht, beim Vermittlungsvertreter durch Ablehnung nicht gefälliger Geschäfte auferlegen,965 wobei jedoch zumindest eine willkürliche Ablehnung vertragswidrig wäre. In jedem Fall 952 953 954 955 956 957 958 959 960 961 962 963

Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 34. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 53. MünchKommHGB /v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 50. AA MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 53. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 53. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 53. Ulmer S. 417; Canaris § 17 Rn 44. Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677 Rn 42. Flohr/Wauschkuhn/Franke2 § 86 Rn 66; Hopt § 86 Rn 15. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 149; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 25. Hopt § 86 Rn 35. Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677 Rn 42; OLG München NJW-RR 2003, 401 (402); Hopt § 86 Rn 15. 964 Begr. RegE, BT-Drucks. I/3856, S 15; OLG München NJW-RR 2003, 401 (402); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 42; Flohr/Wauschkuhn/Franke2 § 86 Rn 66; Hopt § 86 Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 13; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31. 965 Canaris § 17 Rn 39. Emde

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besteht Einigkeit über die Existenz eines Weisungsrechts des Unternehmers. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber die Übernahme von Art. 3 Abs. 2c RL nicht für erforderlich gehalten, demzufolge der HV „angemessene“ Weisungen beachten sollte. Vorgesehen war eine Ergänzung des Abs. 1 um die Verpflichtung, sachgerechten Weisungen Folge zu leisten,966 welche jedoch unterblieb. Daraus und aus der Stellungnahme der BT-Drucks. 11/4559, S. 9, derzufolge der HV sich vom Angestellten durch die Weisungsungebundenheit abgrenze, folgt schon wegen Art. 3 Abs. 2 lit. c RL, 675, 665 BGB kein Entfallen des Weisungsrechts. Die Stellungnahme verwechselt das arbeitsmit dem auftragsrechtlichen Weisungsrecht.967 Die in der RL zum Ausdruck gekommene Beschränkung auf „angemessene“ Weisungen ist wegen des Gebots europarechtsnaher Auslegung innerhalb ihres Anwendungsbereiches (Warenvertreter) gleichwohl für Gerichte maßgeblich968 und wegen Abs. 4 sogar zwingend.969 Deshalb darf der HV-Vertrag nichts Abweichendes regeln.970 Außerhalb des Schutzbereichs der RL ergibt sich die Beschränkung des Unternehmers auf angemessene oder gebotene Weisungen aus dem Wechselspiel der Treuepflichten („Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“)971 und der Regel, dass nicht ausdrücklich vereinbarte Nebenpflichten nur im Rahmen der Erforderlichkeit eingefordert werden können. Je größer das dem Unternehmer drohende Risiko, desto weiter die Grenzen des Weisungsrechts.972 Folglich ist das Weisungsrecht gegenüber einem Abschlussvertreter tendenziell umfassender als gegenüber dem Vermittlungsvertreter,973 angeblich auch gegenüber Versicherungsvertretern.974 Weisungen sind einseitige, nicht empfangsbedürftige und bis zu ihrer Ausführung einseitig 198 widerrufliche, ggf. konkludent abgegebene Erklärungen975 des Unternehmers, mit denen er Anordnungen für die Ausführung der Vertragspflichten für den Einzelfall oder eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle976 gibt.977 Nicht anders als beim Direktionsrecht des Arbeitgebers darf der Unternehmer nur bereits bestehende Pflichten des HV präzisieren.978 Das Weisungsrecht darf einzelne Vertragspflichten des HV nur konkretisieren, nicht abändern.979 Grenzen findet das Weisungsrecht daher am Vertragsinhalt.980 Was konsensual vereinbart wurde, kann nicht durch einseitige Willenserklärung abgeändert sondern allenfalls – Zweifel gehen zu Lasten des Unternehmers – detailliert werden.981 Wo das Ziel nur durch Vertragsänderung oder mittels Änderungskündigung erreicht werden kann, ist eine Weisung unzuläsig: Verkleinerung, Verlegung des Vertreterbezirks, Herabsetzung des Provisionssatzes, Veränderung des Umfangs der Tätigkeit,982 Untersagung einer weiteren Erwerbstätigkeit (sogar bei einem Einfirmenvertreter nicht; dieser ist nur gehindert, eine weitere Erwerbstätigkeit in Gestalt einer hinzukommenden Vertretung zu übernehmen). Dem HV darf also durch Weisung keine Vertragsänderung vorgeschrieben werden.983 Zu Tätigkeiten, die dem HV nach dem Vertrag nicht obliegen, darf er nicht angewiesen werden, wobei sich viele Pflichten aus der Interessenwahrungspflicht ergeben. Mithin 966 967 968 969 970 971 972 973 974 975 976 977 978 979 980 981 982 983 689

MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 2; Canaris § 17 Rn 34. Canaris § 17 Rn 34. Canaris § 17 Rn 37. Canaris § 17 Rn 35. Zum alten Recht abweichend Staub/Brüggemann4 § 86 Rn 19. Canaris § 17 Rn 37; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 28. BGH BB 1960, 574; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 28. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 28. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32a. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43. Flohr/Wauschkuhn/Franke2 § 86 Rn 67; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 13. BSG BB 1981, 2074; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 13. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31a. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 13. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 13. Flohr/Wauschkuhn/Franke2 § 86 Rn 67. Emde

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sind Weisungen in den nachfolgend Rn 201 beispielhaft genannten Fällen nur zulässig, wenn der Vertrag keine abweichenden Regelungen trifft. 199 Das Weisungsrecht darf die Selbständigkeit des HV nicht im Kern berühren.984 Weisungen, die die Selbständigkeit im Kern berühren wären unbeachtlich.985 Damit dürfen sich die Weisungen weniger auf die Interna der Büroorganisation des HV beziehen (z. B. Festlegung einer Reiseroute, Form und Intervalle der Berichte) und die Festlegung der Arbeitszeit, als vielmehr darauf, welche Richtlinien der Vertriebspolitik einzuhalten, welche Schwerpunkte hierbei zu bilden, welche technischen Aufschlüsse den Angeboten beizugeben seien. Manche Unternehmer hochtechnisierter Geräte stellen für Kundenbesuche technische Berater zur Verfügung; der HV kann dann etwa die Weisung erhalten, sich mit jenen wegen einer gemeinsamen Reiseroute abzustimmen. Gedacht ist in erster Linie an produktbezogene,986 aber auch tätigkeitsbezogene987 Weisungen. Generell lässt sich sagen, dass Weisungen, welche die vom Unternehmer bestimmte Vertriebspolitik oder die Tätigkeit des HV gegenüber Kunden988 betreffen, gestattet sind. Eher problematisch sind dagegen Weisungen in Bezug auf die unternehmerische Tätigkeit,989 die Büroorganisation, insbesondere die Ausgestaltung des Vertreterunternehmens990 (etwa wen der HV einzustellen hat991), und die Arbeitszeit992 des HV. Auch ein Bericht über jeden Kundenbesuch und jede Tätigkeit wird als unzulässig bezeichnet.993 Mit einem solchen Inhalt im Vertrag festgelegt oder in solcher Beschränkung gehandhabt, wäre das Weisungsrecht dann ein Indiz gegen die Selbständigkeit des HV. Wirksame, die Selbstständigkeit tangierende, vertraglich vereinbarte Weisungsrechte bedingen eine Angestelltentätigkeit. Erforderlich ist hierzu aber immer eine Vereinbarung, d. h. eine notfalls konkludente Akzeptanz der in die Unselbstständigkeit leitenden Abrede. Einseitige Weisungen, welche die Selbstständigkeit ausschließen würden, sind schlicht unzulässig. Es besteht ein Abwehrrecht des HV. Ohne vertragliche Akzeptanz und deren Wirksamkeit – Problem AGB, hier bestimmt sich das Leitbild nach dem Schwerpunkt des Vertrages – ist die einseitige Maßnahme unwirksam. Gegenüber Abschlussvertretern ist die Weisungsgebundenheit eine schärfere, da sie den Unternehmer durch die Abschlüsse binden.994 Überhaupt wird der Rahmen der zulässigen Weisungen je weiter zu ziehen sein, je größer das geschäftliche Risiko des Unternehmers ist oder sein kann. Das gilt insbesondere für die Tätigkeit von Versicherungsvertretern wegen der Schwierigkeit der Materie und der Längerfristigkeit der zu übernehmenden Risiken.995 Fehlen Weisungen, muss der HV dem mutmaßlichen Willen und den Interessen des Unternehmers gemäß handeln.996

984 BGH, Urt. v. 13.1.1966 – VII ZR 9/64, MDR 1966, 495 = NJW 1966, 882 (883); BSG, Urt. v. 29.1.1981 – 12 RK 63/ 79, BB 1981, 2074; OLG Nürnberg DB 1974, 144; SG München VersR 1963, 921 (922); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 42, 43; Flohr/Wauschkuhn/Franke2 § 86 Rn 72; Hopt § 86 Rn 16; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene § 86 Rn 14; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 26; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31a–32b. 985 MünchKommHGB/von Hoyningen/Huene § 86 Rn 14. 986 Flohr/Wauschkuhn/Franke2 § 86 Rn 69; Hopt § 86 Rn 15. 987 Flohr/Wauschkuhn/Franke2 § 86 Rn 69; Hopt § 86 Rn 15. 988 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31. 989 Großzügiger offenbar Hopt § 86 Rn 15. 990 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31. 991 Flohr/Wauschkuhn/Franke2 § 86 Rn 73. 992 Flohr/Wauschkuhn/Franke2 § 86 Rn 73 (unzulässig); Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31a. 993 AG München HVR Nr. 147; Flohr/Wauschkuhn/Franke2 § 86 Rn 73. 994 BGH VersR 1960, 414 – hier kam hinzu, dass der zum Abschluss bevollmächtigte HV zugleich das Auslieferungslager unterhielt, der Unternehmer also sein Absatzengagement überhaupt nur durch Weisungen steuern konnte. 995 BAG 18, 87 (94); SG Köln VersR 1962, 1150 (1151). 996 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32a. Emde

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II. Billiges Ermessen und Rücksichtnahmegebot Das Weisungsrecht des Unternehmers stellt ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gemäß 200 § 315 BGB dar. Deshalb hat der Unternehmer die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen997 und darf das Weisungsrecht nur innerhalb der Grenzen der §§ 242, 134 und 138 BGB ausüben. § 307 BGB ist hingegen auf Weisungen nicht anwendbar, jedoch auf Klauseln, die ein Weisungsrecht postulieren. Der Unternehmer hat weiter von seinem Weisungsrecht maßvoll Gebrauch zu machen.998 Die Weisung muss durch berechtigte Belange geboten sein und er hat auf die Interessen des HV Rücksicht zu nehmen999 (Ausübungskontrolle). Zulässig sind Weisungen zu folgenden Gebieten, wobei die Besonderheiten des Einzelfalls 201 eine abweichende Betrachtung erfordern können: – Abschlussvollmacht: Zu ihrem Inhalt1000 – Berichtspflicht:1001 Eine Grenze bildet die Erforderlichkeit des Weisungsinhaltes. So dürfen sich die Weisungen auf die computergerechte Gliederung und Ausgestaltung der routinemäßigen Berichte beziehen sowie auf Gesichtspunkte, über die bei der Marktbeobachtung der Unternehmer besonders unterrichtet zu werden wünscht – Bestandsverwaltung, Rückübertragung1002 – Eintragung der Preise in Auftragsscheine1003 oder Ausfüllung von Versicherungsanträgen1004 – Geschäftskonditionen:1005 Vorgaben hinsichtlich des Vertragsinhaltes der zu vermittelnden oder zu schließenden Verträge1006 bzw. dazu, welche Geschäftsbedingungen zu beachten sind – Geschäftspolitik, etwa ob ausschließlich der Fachhandel oder Endverbraucher zu betreuen sind1007 – Zur Person des Geschäftsgegners1008 sowie konkreten Kunden und ihre Behandlung, etwa die Weisung, mit bestimmten Kunden überhaupt nicht mehr, zu bevorzugten Konditionen oder nur noch gegen Vorkasse oder Barzahlung abzuschließen,1009 auch dazu, mit welchen Kunden der Unternehmer sich direkte Abschlüsse vorbehalten will. Solche Weisungen sind auch dann für den HV verbindlich, wenn sie seine Provisionsaussichten schmälern, solange der Unternehmer nicht die Tätigkeit des HV im ganzen oder in wesentlichen Teilen dadurch lahm legt, sondern die Weisungen sich auf Ausnahmen beschränken – Zur technischen Durchführung der Vermittlung (Verwendung von Auftragsformularen, Art der Ausfüllung derselben1010 – dies erleichtert dem Unternehmer die büromäßige Behandlung) 997 Zum Franchiserecht Giesler/Nauschütt § 5 Rn 92. 998 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 42. 999 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 42. 1000 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 13a. 1001 BGH, Urt. v. 24.9.1987 – I ZR 243/85, BB 1988, 12; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 15, 43; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 19; Schlegelberger/ Schröder § 86 Rn 32. 1002 BGH VersR 1968, 642; Hopt § 86 Rn 15. 1003 OLG Nürnberg MDR 1974, 144; Hopt § 86 Rn 15. 1004 BGH VersR 1986, 1072; Hopt § 86 Rn 15. 1005 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 17. 1006 BGH, Urt. v. 14.3.1960 – II ZR 79/58, BB 1960, 574; OLG Nürnberg MDR 1974, 144; Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677 Rn 42; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 20; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32. 1007 OLG München NJW-RR 2003, 401 (402). 1008 OLG München NJW-RR 2003, 401 (402). 1009 BGH BB 1960, 574; Hopt § 86 Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 17; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32. 1010 OLG Nürnberg MDR 1974, 114. 691

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angeblich Tourenpläne: ihre Beachtung1011 (aber Grenze zur Unselbständigkeit schnell überschritten) – Produktbezogene sowie die Selbständigkeit des HV nicht berührende tätigkeitsbezogene Weisungen1012 – Zur Handhabung des Vertragsschlusses1013 – Zur Marktbeobachtung und Kundenpflege1014 – Den Schwerpunkt der Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit auf bestimmte Erzeugnisse zu legen1015 – Dass sich die Tätigkeit des HV auf einen bestimmten Kundenkreis zu konzentrieren habe1016 – Verbot von Vertragsverhandlungen mit bestimmten Kunden1017 – Vertriebspolitik: Weisungen des Unternehmers zur Vertriebspolitik (Vertriebsschwerpunkte,1018 Kundenschwerpunkte) – Die Einhaltung bezeichneter Zahlungsziele und Zahlungsbedingungen1019 – dazu, sämtliche Altkunden innerhalb einer Frist zu erfassen und in gewissen Zeitabständen mehrmals zu besuchen,1020 wobei die Fristen jedoch nicht zu eng gesetzt werden dürfen – Zur Werbung, insbesondere ihrer Gestaltung.1021 202 Im Ganzen gesehen darf der HV nicht durch Weisungen einer kleinlichen Kontrolle und Gängelung unterworfen werden,1022 er verfügt bei der Ausführung seines Auftrags i. d. R. über einen bedeutenden Freiraum.1023 Allerdings sind auch nicht sachgerechte Weisungen maßgeblich,1024 weil es das Recht des Unternehmers ist, selbst die Sachgerechtigkeit außerhalb der Grenzen der §§ 134 (analog), 138, 242 BGB festzulegen. Nur missbräuchliche, insbesondere schikanöse Weisungen sind unbeachtlich. Unzulässig wären Weisungen in folgenden Fällen: – Arbeitszeit: Sie betreffende Weisungen sind regelmäßig unzulässig, weil solche Weisungen die Selbständigkeit tangieren.1025 In bestimmten Branchen, in denen ständige Anwesenheit erforderlich ist, mag Abweichendes gelten – Bezirksumsetzung: Ob der Unternehmer dem HV durch Weisungen einen anderen Bezirk zuweisen darf, hängt sehr von den Umständen ab.1026 Derartiges ist unzulässig, wenn dem HV im Vertrag ein bestimmter Bezirk zugewiesen wurde, weil dann ein vertragliches Recht auf diesen besteht. Auch sonst ist die Umsetzung durch bloße Weisung wegen des aus der Treupflicht entspringenden Schädigungsverbots problematisch. Denn die Umsetzung lässt keine Kundenbindungen entstehen, was die Werbung ausgleichspflichtiger Stammkunden erschwert – einen Bericht über jeden der Schritte und Besuche des HV anzuordnen,1027 und zwar selbst bei erheblichem Umsatzrückgang (jedoch sind in diesem Fall erhöhte Anforderungen –

1011 1012 1013 1014 1015 1016 1017 1018 1019 1020 1021 1022 1023 1024 1025 1026 1027

Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 15a. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43; Hopt § 86 Rn 15. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 18. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 154; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 17. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 154; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 26. BGH HVR Nr. 211. BGH DB 1981, 1772. Vgl. BGH BB 1960, 574. BGH, Urt. v. 28.11.1963 – VII ZR 90/62; äußerst zweifelhaft. BGH, n. v. Urt. v. 25.3.1963 – VIII ZR 250/61, v. 5.11.1962 – VII ZR 160/61; OLG München NJW-RR 2003, 401 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 18. OLG Stuttgart BB 1960, 956. Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677 Rn 42. AA Hopt § 86 Rn 16. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31a. Für die Zulässigkeit Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 15. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 158; AG München HVR Nr. 147.

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an die Berichtspflicht zulässig; sie dürfen jedoch nicht in den Kernbereich der Selbständigkeit eingreifen) den Besuch jedes Kunden innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorzuschreiben1028 die Bestellung des Geschäftsführers einer HV-Gesellschaft anzuordnen1029 falls der Betrieb des HV durch Übermaßweisungen erheblich gestört oder gar lahmgelegt werden soll, etwa um das Entstehen von Provisionsansprüchen zu verhindern.1030 Allerdings dürfen zulässige Weisungen im Einzelfall auch negative Auswirkungen auf die Provisionsaussichten des HV haben1031 Gerichtsverfahren: die Weisung, Gerichtsverfahren mit Kunden oder für den Unternehmer zu führen Kfz: der Unternehmer darf dem HV nicht vorschreiben, welchen Kfz-Typ er für seine Geschäftsfahrten zu benutzen habe (höchstens die Wagenklasse kann der Unternehmer aus Gründen der Außenwirkung im Vertrag festlegen) Mindestumsatz: Sollvorgaben für einen zu erzielenden Mindestumsatz darf der Unternehmer dem HV nicht durch Weisung auferlegen, am wenigsten einseitig und nachträglich:1032 Der HV ist nicht verpflichtet, so viel Abschlüsse hereinzuholen, wie es ihm bei größter Anstrengung möglich wäre.1033 Er ist nur verpflichtet, angemessene Umsätze zu erzielen. Individualvertraglich dürfen aber Mindestumsätze vereinbart werden1034 bei Missbräuchlichkeit1035 Nachfolger: Weisung, einen Nachfolger einzuarbeiten1036 (wobei jedoch eine angemessene Unterrichtung des Nachfolgers von der Interessenwahrungspflicht umfasst sein kann) Nicht geschuldete Tätigkeiten: Der Unternehmer darf den HV nicht zu vertraglich nicht geschuldeten Dienstleistungen anweisen1037 Niederlassungsort:1038 Ist der Ort der Niederlassung des HV nicht im Vertrag bestimmt, darf er dem HV nicht mittels Weisung vorgeschrieben werden Personal: Weisungen, welches und wie viel Personal der HV einzustellen habe;1039 Weisungen, die zur Einstellung von Hilfspersonal verpflichten (auch hier handelt es sich um Pflichten, die vertraglich vereinbart werden müssten)1040 Prozesse zu führen: Wozu der HV als Abschlussvertreter nach § 55 Abs. 4, als Vermittlungsvertreter nach § 91 Abs. 2 gesetzlich ermächtigt ist und was ihn deshalb eintretendenfalls im Zweifel zum Tätigwerden verpflichtet, wird auch Gegenstand einer Weisung sein können, so zum Beispiel die Beantragung eines Beweissicherungsverfahrens Reiseroute: welche Reiseroute der HV zu nehmen habe Urlaub: Weisungen, wann der HV Urlaub nehmen darf, etwa, dass er seinen Urlaub nur in den Betriebsferien nehmen dürfe Vereitelung von Provisionsansprüchen: dies betreffende Weisungen sind nur zulässig, falls sie die Interessen beider Seiten berücksichtigen, wobei wegen der Interessenwah-

OLG Nürnberg BB 1964, 866; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43; aA wohl Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 4b. Emde Die Handelsvertreter GmbH, S. 96 ff.; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 37. OLG Düsseldorf WM 1991, 913 für die Weisung, keine Kreditkartengebühren zu erheben; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 17. 1032 OLG Nürnberg BB 1964, 866 für einen Extremfall; Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (74) – zu AGB; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 21; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43. 1033 OLG Celle NdsRpfl. 1959, 109. 1034 Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (75). 1035 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32c. 1036 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 43. 1037 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32c. 1038 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31a. 1039 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31a. 1040 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31a; Ebenroth/Löwisch3 § 86, Rn 43.

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rungspflicht des HV im Einzelfall Weisungen auch negative Auswirkungen auf die Provisionsaussichten haben dürfen1041 Verhandlungen mit Behörden zu führen.

III. Zwingende Natur des Weisungsrechts 203 Nicht aus Art. 5 i. V. m. Art. 3 RL übernommen wurde die zwingende Natur des Weisungsrechtes. Hierbei handelt es sich um einen Umsetzungsfehler,1042 der wegen der fehlenden Erwähnung der Weisungsfolgepflicht durch Abs. 4 nicht geheilt wird. Im Anwendungsbereich der RL ist durch eine richtlinienkonforme Entscheidungspraxis der Gerichte zu helfen.1043 Ihrer bedarf es nicht, sofern man die Weisungsfolgepflicht auch aus der zwingendem Interessenwahrungspflicht herleitet. Deshalb wird man nicht sagen können, dass, soweit die RL nicht entgegensteht, das Weisungsrecht disponibel bleibt.

IV. Folgen zulässiger Weisungen 204 Weisungen, die der Unternehmer zulässigerweise gegeben hat, sind vom HV bei Meidung der Schadensersatzpflicht und in schwerwiegenden Fällen – nach ergebnisloser Abmahnung – einer fristlosen Kündigung zu befolgen.1044 Auch nicht sachgerechten Weisungen muss der HV grundsätzlich nachkommen. Abweichen darf er nur gem. § 665 BGB, wenn er den Umständen nach annehmen kann, dass der Unternehmer bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen werde und wegen der mit einem Aufschub verbundenen Gefahr eine Entscheidung des Unternehmers nicht vorab einholen kann.1045 Auch diese Beurteilung ist mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (Handelsvertreters) vorzunehmen. Damit sind strenge Voraussetzungen an eine Abweichung gestellt. Will der HV ohne diese Voraussetzungen abweichen, muss er den Unternehmer über die Gründe für die Nichtbefolgung der Weisung unterrichten und dessen Entscheid abwarten (§ 665 S. 2 BGB).1046 Besteht der Unternehmer auf Befolgung der Weisung, so hat es damit für den HV sein Bewenden. Schadenersatzforderungen des Unternehmers wegen fehlerhafter Einschätzung setzen Pflichtwidrigkeit und Verschulden voraus. Bei der Bewertung beider Umstände ist ggf. die Eilbedürftigkeit der Entscheidung (Rechtsirrtum?) zu berücksichtigen. Stellt sich eine Entscheidung des HV im Nachhinein als unzutreffend heraus, ist der HV gleichwohl von der Haftung frei, falls er bei seinem Entschluss, wegen Dringlichkeit nicht zuvor den Unternehmer gefragt zu haben, mit gehöriger Sorgfalt vorgegangen ist.

V. Folgen unzulässiger Weisungen 205 Unzulässige Weisungen und Übermaßweisungen sind unverbindlich.1047 Dennoch darf der HV sie nicht einfach unbeachtet lassen. Er muss den Unternehmer wegen der ihm obliegenden BGH HVR Nr. 211; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 154; Ebenroth/Löwisch2 § 86 Rn 35. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 77. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 77. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 44. Hopt § 86 Rn 16; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32b. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 44; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 16; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32b. 1047 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 44; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 16; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32c.

1041 1042 1043 1044 1045 1046

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Interessenwahrnehmungspflicht – soweit zumutbar – von der Nichtausführung verständigen,1048 insb. auch dazu, warum er die Weisung nicht zu befolgen gedenke. Eine neue Entscheidung und eine zulässige Weisung braucht er nicht abzuwarten.1049 Ohne Mitteilung macht der HV sich schadensersatzpflichtig, zwar nicht auf das Erfüllungsinteresse, wie bei der verweigerten Befolgung einer zulässigen Weisung, wohl aber auf das negative Interesse. Der Unternehmer kann verlangen, so gestellt zu werden, als sei ihm das Unzulässige der Weisung vor Augen geführt worden und als ob er sein weiteres Verhalten darauf einstellen hätte können. Das Mitverschulden des Unternehmers, welches in der unzulässigen Weisung liegt und den Schaden mit herbeigeführt hat, ist zu berücksichtigen. Ein Grund zur fristlosen Kündigung wird aus dem Unterlassen dieses Hinweises meist nicht hergeleitet werden können. Unzulässige Weisungen können dem Vertreter bei notwendiger Schwere und nach Abmahnung, von der Weisung abzusehen, einen Anlass zur Kündigung aus wichtigem Grund1050 oder einen ausgleichserhaltenden begründenden Anlass zur Kündigung (§ 89b Abs. 3 Nr. 1) geben.1051

VI. Vertraglich vereinbartes Weisungsrecht Da Rechtsgrund § 665 BGB und nicht die Interessenwahrnehmungspflicht ist, darf das Wei- 206 sungsrecht außerhalb des Anwendungsbereichs der RL – aber nur dort – vertraglich erweitert oder eingeschränkt werden (siehe auch Rn 212 ff.),1052 jedoch nur innerhalb des Rahmens der §§ 138, 242, 307 BGB. Zudem dürfen Weisungen auch nach vertraglicher Erweiterung des Weisungsrechts – ebenso wie im Rahmen des gesetzestypischen Weisungsrechts – den Kernbereich der Selbständigkeit1053 nicht verletzen und nicht in die Geschäftspolitik des HV eingreifen.1054 Unterhalb dieser Grenze kann durch Vertrag, angeblich auch mittels AGB,1055 das Weisungsrecht eingeschränkt, erweitert, modifiziert und näher ausgestaltet werden, insbesondere dem Unternehmer eine konkrete und ins einzelne gehende Weisungsbefugnis hinsichtlich der dem HV zur Erledigung übertragenen Aufgaben eingeräumt werden. Über das im Vertrag festgelegte oder für den vertraglichen Pflichtenkreis gebotene Maß dürfen Weisungen nicht hinausgehen.

VII. Fehlende Weisungen Im Falle anfänglich fehlender Weisungen muss der HV in erster Linie gemäß dem Vertrag, in 207 zweiter Linie nach den auf eine Rückfrage erteilten Weisungen und in dritter Linie nach dem mutmaßlichen Interesse des Unternehmers handeln. Wenn möglich hat er Rückfrage zu halten und die Antwort abzuwarten.

1048 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 44; Hopt § 86 Rn 15 f.; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 16; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32c. 1049 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 44. 1050 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32. 1051 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 163. 1052 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 42. 1053 Vgl. hierzu etwa die Beispielsfälle BGH NJW 1966, 882 (883); OLG Stuttgart DB 1970, 1112 (Regelung der Kundenbesuchsintervalle) und OLG Karlsruhe DB 1971, 572 (sog. Sollvorgaben für den Umsatz; dort aus anderen Gründen als gegen Treu und Glauben verstoßend und daher unbeachtlich beurteilt. 1054 OLG München NJW-RR 2003, 401 (402); Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 153; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 42, 43; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 14; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31a, 32. 1055 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 42. 695

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VIII. Rechtsfolgen bei Nichtbefolgung von Weisungen 208 Die Nichtbeachtung zulässiger Weisungen bildet eine Vertragsverletzung, die zum Schadenersatz berechtigt,1056 nach ergebnisloser Abmahnung auch zur fristlosen Kündigung.1057 Wie ausgeführt ist eine Abmahnung dann nicht erforderlich, wenn bereits die einmalige Missachtung der Weisung zu einem die Vertragsfortsetzung ausschließenden Vertrauensfortfall führt. Der HV muss beweisen, dass er im Einzelfall von einer verbindlichen Weisung abweichen durfte.1058

K. Verschwiegenheitspflicht während der Vertragsdauer und nach Vertragsende 209 Gemäß § 90 darf der HV Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm anvertraut oder als solche durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekannt geworden sind, „auch“ nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen, soweit dies nach den Gesamtumständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns widersprechen würde. Zu den Einzelheiten wird auf die Kommentierung zu § 90 verwiesen.

L. Beweislast 210 Im Rahmen eines Streites hat der Unternehmer die Pflicht, die Pflichtverletzung des HV1059 sowie die TB-Voraussetzungen der Rechtsfolge, etwa den Schaden beim Schadenersatz, darzulegen und zu beweisen.1060 Die Pflichtverletzung indiziert das Verschulden (s. u.). Bei Schadensersatzklagen darf der Unternehmer sich auf die Beweiserleichterungen der §§ 287 ZPO, 252 BGB berufen.1061 Das Nichtvertretenmüssen ist gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ein Einwendungstatbestand, für welchen der Schuldner beweispflichtig ist.1062 Obwohl die Sorgfaltspflicht in § 86 Abs. 3 als vertragliche Nebenpflicht formuliert wurde, muss der HV – wie bei jeder Pflichtverletzung – das Fehlen einer objektiven Pflichtverletzung nicht nachweisen.1063 Nicht etwa liegt die Beweislast für die Einhaltung der Sorgfalt beim HV.1064 Sonst bestände praktisch im gesamten HV-Recht eine vom sonstigen Recht abweichende Beweisverteilung, auch im Rahmen eines Prozesses um § 89a müsste der HV dann sein pflichtgemäßes Handeln nachweisen. Man wird eine gegenteilige Verteilung der Beweislast auch nicht aus der Rechenschaftspflicht (§§ 666, 675 BGB) des HV herleiten können. Steht die Pflichtverletzung des HV aber fest, muss er sich exkulpieren.1065 Er hat darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft und er damit die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes beachtet hat.1066 211 Von dieser Beweislastverteilung ist in erster Linie dann abzuweichen, wenn der in Anspruch Genommene seine Erfüllung beweisen muss, weil der Anspruchsteller die Leistung nicht als Erfüllung angenommen hat (§ 363 BGB). In den meisten Fällen werden Pflichtverletzungen erst 1056 1057 1058 1059 1060

Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32d. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32d. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 73. Hopt § 86 Rn 44. BGH MDR 1954, 606; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 73; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 25; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 58, 70. 1061 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 70. 1062 Palandt/Heinrichs § 280 Rn 34; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 70; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 45. 1063 AA OLG Brandenburg OLGR 2007, 202; OLG Karlsruhe DB 1969, 741; Hopt § 86 Rn 44. 1064 AA OLG Karlsruhe DB 1969, 741; Hopt § 86 Rn 44. 1065 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 70. 1066 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 25; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 70. Emde

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im Nachhinein entdeckt, so dass der Unternehmer die Leistung des HV als Erfüllung angenommen hat. Folglich bleibt es hier bei der vorgenannten Beweislastverteilung. Stellt der HV in Abrede, vor seinem Ausscheiden angebahnte Geschäfte zu einem anderen Versicherer umgedeckt zu haben und trägt er vor, die Kunden seien zu ihm gekommen, weil sie der Meinung gewesen seien, sie hätten ungünstige Verträge abgeschlossen, so reicht dieses Bestreiten nicht aus, falls der Unternehmer konkrete Vorgänge unter Nennung der Vertragsnummern und der genauen Anschriften der Kunden mitgeteilt hat. Unter diesem Gesichtspunkt obliegt es dem HV, präzisen Vortrag dazu zu halten, ob es sich um Kunden handelt, die an ihn mit dem Wunsch nach einem Wechsel wegen günstigerer Konditionen herantraten. Lässt sich dem Vorbringen des HV kein derartig präziser Vortrag entnehmen, ist er mangels Substanz unbeachtlich.1067

M. Zwingende Natur des § 86 I. Allgemeines Seit der Novellierung 1989 sind die in § 86 Abs. 1 und 2 geregelten Haupt1068- und Nebenpflich- 212 ten gem. Abs. 4 zwingend, insb. die Interessenwahrungspflicht.1069 Sie können nach dem Vorbild des Art. 5 RL nicht erweitert oder beschränkt werden (Amtl. Begründung). Dem HV-Vertrag soll dadurch eine feste Kontur gegeben werden.1070 Ob dies sinnvoll ist, braucht angesichts der europarechtlichen Präformation nicht diskutiert zu werden. Die zwingende Natur trifft jedoch nur den kodifizierten Kern- oder Wesensgehalt1071 (Wortlaut des § 86 Abs. 41072) der in § 86 geregelten Rechte und Pflichten1073 und damit nach dem HGB nur die in Abs. 1 und 2 niedergelegten gesetzlichen Pflichten des HV, nicht aber die sonstigen dem HV durch andere gesetzliche Bestimmungen oder durch Vertrag zusätzlich auferlegten Pflichten. Jedoch ist im Wege der RL-konformen Auslegung der nach Art 5 RL zwingende Charakter folgender Pflichten des HV zu berücksichtigen: a) sich in angemessener Weise für die Vermittlung und gegebenenfalls den Abschluss der ihm anvertrauten Geschäfte einsetzen; b) dem Unternehmer die erforderlichen ihm zur Verfügung stehenden Informationen übermitteln; c) den vom Unternehmer erteilten angemessenen Weisungen nachkommen. Bereits nach der RL dürfen diese in Art. 3 RL genannten Pflichten also bestenfalls konkretisiert, jedoch nicht eingeschränkt werden, wohl auch im Bereich der Analogie, also im Vertragshändler- und Franchiserecht. Vor der Untersuchung einer Verletzung des Abs. 4, steht die Prüfung, ob ein HV-Vertrag 213 vorliegt. Einen Typenzwang begründet Abs. 4 nicht.1074 Die Hauptpflicht zur Vermittlung oder zum Abschluss ist bereits nach § 84 Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 86 und damit in der Sache „zwingend“. Die übrigen vertraglichen Pflichten sind innerhalb der allgemeinen Grenzen der §§ 134, 138, 242, 307 BGB dispositiv,1075 insb. der Sorgfaltsmaßstab des Abs. 3.1076

1067 OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267. 1068 Entgegen Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 66 ergibt sich auch die zwingende Natur der Vermittlungs- und Abschlusspflicht aus § 86 Abs. 4.

1069 BGHZ 112, 222; 97, 326; Hopt § 86 Rn 20. 1070 Canaris § 17 Rn 30. 1071 BGHZ 112, 218 (222); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 66; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 27; Hopt § 86 Rn 50; nach Canaris § 17 Rn 31 läge sonst wegen der Zementierung des gesamten Vertragsinhaltes ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot (Unverhältnismäßigkeit) vor. 1072 Canaris § 17 Rn 31. 1073 Hopt § 86 Rn 50. 1074 Canaris § 17 Rn 32. 1075 Hopt § 86 Rn 50. 1076 Hopt § 86 Rn 51. 697

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Die zwingende Natur gilt sowohl für Abweichungen zu Gunsten1077 wie zu Lasten des HV. Personell dürfte sie auch gegenüber Vertragshändlern und Franchisenehmern gelten. Das Verbot von Abweichungen zu Gunsten des HV ist bemerkenswert, weil hierdurch nicht der bei sonstigem zwingendem HV-Recht maßgebliche Schutz des HV sondern der des Unternehmers erstrebt wird. 214 Die Vereinbarung zusätzlicher Pflichten des HV widerspricht nicht § 86 Abs. 4, soweit hierdurch die in § 86 Abs. 1, 2 niedergelegten Pflichten in ihrem Kernbereich nicht erweitert oder eingeschränkt werden. Bei der Interessenwahrnehmungspflicht ist nach dem HGB nur der Grundsatz der Pflicht zur Interessenwahrnehmung unabdingbar. Das Recht des Unternehmers zu bestimmen, was im Einzelfall seinem Interesse entspricht, nimmt Abs. 4 ihm also nicht.1078 Der Unternehmer darf den HV nur nicht aus der unabdingbaren Vertrauensstellung und der Pflicht entlassen, sein Handeln an dem vorrangigen Interesse des Unternehmers auszurichten.1079 Also dürfen die in § 86 Abs. 2 niedergelegten und § 86 Abs. 1 konkretisierenden Pflichten vertraglich ausgestaltet werden. Die Parteien dürfen über die aus der Interessenwahrnehmungspflicht hergeleiteten Einzelpflichten, etwa zu Verschwiegenheit, Bonitätsprüfung, Bericht und Information oder Einhaltung eines Wettbewerbsverbots, disponieren.1080 Sie dürfen regeln, welche Interessen des Unternehmers durch den HV in der Vergangenheit, jetzt oder zukünftig im Einzelfall auf welche Weise wahrzunehmen sind,1081 wie z. B. das Wettbewerbsverbot,1082 die Unterrichtungs- oder Bemühungspflicht1083 im Einzelnen auszugestalten ist und auf die Wahrung welcher Interessen oder die Übermittlung welcher Nachrichten1084 der Unternehmer für Vergangenheit oder Zukunft verzichten will.1085 Da lediglich der Kernbereich der Interessenwahrnehmungspflicht geschützt ist, darf der Unternehmer den Inhalt der einzelnen aus ihr hergeleiteten Unterpflichten, etwa zum Konkurrenzverbot, zur Verschwiegenheit sowiezur, Bonitätsprüfung regeln, konkretisieren, sie derogieren oder erweitern.1086 Sie fallen nicht in den zwingenden und damit unantastbaren Kernbereich. Die in Art. 3 RL genannten Pflichten dürfen jedoch nur konkretisiert werden, ihr Kerngehalt ist geschützt. Zur Weisungsfolgepflicht s. o. Eine solche „Dispositionsfreiheit“ ist auch erforderlich. Denn trotz der Rechtsprechung vie215 ler Jahrzehnte bleiben die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 86 auslegungsbedürftig. Der Spielraum dispositiver Gestaltung gleicht folglich dem bei der Bestimmung außerordentlicher Kündigungsrechte. Das außerordentliche Kündigungsrecht kann nicht eingeschränkt werden. Jedoch dürfen die Parteien konkretisieren, welche Gründe als „wichtige“ zur außerordentlichen Kündigung berechtigen sollen. Es ist folglich zulässig, 216 – Regelungen zur Art und Weise der Erfüllung zu treffen, solange der Kernbereich der Interessenwahrungspflicht unangetastet bleibt1087

1077 Ankele DB 1989, 2211; Küstner/v. Manteuffel BB 1990, 291 (294); Hopt § 86 Rn 50; aA Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 86 Rn 26, nach dem Abweichungen zu Gunsten des Unternehmers nicht verboten sind. 1078 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 67. 1079 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 67. 1080 Ebenroth/Löwisch2 § 86 Rn 68. 1081 Ebenroth/Löwisch2 § 86 Rn 67. 1082 Hopt § 86 Rn 50. 1083 Hopt § 86 Rn 50. 1084 Hopt § 86 Rn 50. 1085 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 67. 1086 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 66, 67; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 65. 1087 BGHZ 112, 218 (222); OLG Naumburg, Urt. v. 24.5.2012 – 9 U 218/11, VersR 2012, 1035 (1037); Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 27; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 66. Emde

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die in § 86 normierten Pflichten auszulegen,1088 zu modifizieren,1089 zu konkretisieren,1090 zu ergänzen oder auszugestalten mit dem Kunden eine Vergütungsabrede zu treffen (Nettopolice), sofern der Unternehmer hiermit einverstanden ist1091 neue Pflichten zu begründen, sofern sie § 86 nicht widersprechen.1092

II. Vertragliche Erweiterung der Pflichten Zu weiteren als in §§ 84, 86 normierten Haupt- und Nebentätigkeiten ist der HV nur verpflich- 217 tet, falls der Vertrag das besonders bestimmt,1093 was zulässig ist.1094 Ohne vertragliche Vereinbarung besteht daher insbesondere keine Verpflichtung – zur Abwicklung der vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte1095 – zum Inkasso der vom Kunden dem Unternehmer geschuldeten Beträge1096 – zur Bestandspflege bei Versicherungsvertretern oder allgemein zur Kundenbetreuung bei HV1097 – zur allgemeinen, dem Unternehmer obliegenden Markt-, Produkt- und Kundenpflege1098 – Gerichtsverfahren mit Kunden für den Unternehmer zu führen1099 – zur umfangreiche Beschaffung von Prozessinformationen1100 – zu Vergleichsverhandlungen1101 – zur Lagerhaltung1102 – zur Auslieferung von Waren an Kunden1103 – zum Einstehen für Verbindlichkeiten aus einem Geschäft1104 – zur Mangelgewährleistung1105 – zur Abwehr von Mängelrügen des Kunden1106 – zu einem Mindestumsatz (Umsatzgarantie).1107 Näheres s. Rn 220, Stichwort „Mindestumsatz. – zur Montage der vertriebenen Produkte1108

1088 1089 1090 1091 1092 1093 1094 1095 1096

Westphal I Rn 206. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 1. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 65. OLG Naumburg, Urt. v. 24.5.2012 – 9 U 218/11, VersR 2012, 1035 (1037). Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 1. Westphal I Rn 212; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 18; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 47. Hopt § 86 Rn 13. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7. OLG Stuttgart DB 1962, 405; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 47; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 4a; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7. 1097 BFH, Urt. v. 16.9.2014 – X R 38/13, BeckRS 2014, 96545 Rn 30. 1098 Hopt § 86 Rn 13. 1099 OLG Hamburg JW 1936, 293937 (2340); Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 18; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7; Hopt § 86 Rn 13; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 4a. 1100 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 18; OLG Hamburg JW 1936, 2939. 1101 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 18; Hopt § 86 Rn 13. 1102 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 18; Hopt § 86 Rn 13, 51. 1103 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 18; Hopt § 86 Rn 51; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 47. 1104 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III Rn 18; BGHZ 30, 98 = NJW 1959, 1430. 1105 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7. 1106 BGH BB 1962, 1345. 1107 Hopt § 86 Rn 14; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 47. 1108 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 10. 699

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zur umfassenden Einarbeitung eines Nachfolgers (aber zur Vorstellung seines Nachfolgers und zur nicht zu arbeitsintensiven Erklärung des Tätigkeitsbereichs)1109 – zum Service1110 – zur Prüfung, ob das vertriebene Produkt öffentlich-rechtlicher Erlaubnisse bedarf1111 – zur Werbung:1112 Sie obliegt dem Unternehmer, nicht dem HV, soweit sie als eine allgemeine, nicht auf bestimmte potentielle Kunden gezielte sich darstellt – zu Verhandlungen mit unternehmens- oder marktpolitischer Zielsetzung – Zwangsvollstreckungen gegen Kunden zu betreiben.1113 218 Diese Aufstellung kennzeichnet das gesetzliche Leitbild im Sinne des § 307 BGB. Der Unternehmer darf den HV ohne wirksame vertragliche Vereinbarung nicht zu den o. g. Tätigkeiten anweisen. Jedoch ist der HV unter dem Gesichtspunkt der Nachrichtspflicht gehalten, die Notwendigkeit zum Tätigwerden dem Unternehmer mitzuteilen. In Notfällen muss er auch ohne vertragliche Verpflichtung eingreifen, sofern ihm dies zumutbar ist. Die vom Gesetz vorgesehenen Haupt- und Nebenpflichten sind nicht abschließend. Die Par219 teien können – soweit der Wesensgehalt des § 86 nicht verändert wird (§ 86 Abs. 4) – durch hinreichend deutliche Vereinbarung (Hinweise in ausgelagerten AGB genügen oft nicht1114) weitere Pflichten vereinbaren und das gesetzliche Leitbild ergänzen. Dabei dürfen dem HV auch solche Aufgaben übertragen werden, welche an und für sich handelsvertreteruntypisch sind oder dem Unternehmer obliegen1115 (etwa die Leistungserbringung, „Produktionshandelsvertreter“). Erst recht kann der HV nicht gehindert werden, neben seiner Aufgabe als HV völlig andere Tätigkeiten zu übernehmen, die mit dem Vertrieb i. S. d. §§ 84, 86 keine Berührung besitzen. Die vertragliche Dispositionsbefugnis stößt lediglich an die Grenzen – der zwingenden Vorschriften des HV-Rechts (einschließlich der RL) – der zwingenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts (insbesondere §§ 134, 138, 305 ff. BGB) – der zwingenden Vorschriften des sonstigen Rechts – des Verstoßes gegen die Selbständigkeit des HV.1116 220 Soweit ein gesetzliches Leitbild besteht (Kontrollfreiheit nach § 307 Abs. 3 BGB?), dürfen leitbilduntypische Verpflichtungen nicht durch AGB geregelt werden. Immer setzt das teilweise zwingende Leitbild der §§ 84, 86 einen Kontrollmaßstab. Innerhalb der vorgenannten Grenzen dürfen die Parteien – zumindest individualvertraglich (zu AGB s. Kommentierung zu Vor § 84) etwa Regelungen über die nachfolgenden Gegenstände treffen: – Allgemeine Markt-, Bestands- und Kundenpflege1117 – Arbeitszeit: Vereinbarungen über die für die Tätigkeit aufzuwendende Zeit,1118 sofern hierdurch die Selbständigkeit nicht über Gebühr eingeschränkt wird – Auslieferungslager: Ohne vertragliche Verpflichtung ist weder ein HV noch ein Franchisenehmer oder Vertragshändler zur Lagerhaltung verpflichtet.1119 Die Verpflichtung zur Lagerhaltung dient auch dem Absatzinteresse, weil der Bestellzyklus kurz gehalten wird. Der HV

1109 1110 1111 1112

Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht § 89 Rn 113; aA wohl Gräfe ZVertriebsR 2013, 362 (364). Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 10. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7. BGH EBE 1997, 290 (292); Hopt § 86 Rn 51; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 7; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 47; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 4b, 16. 1113 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 4a. 1114 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 59. 1115 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 59; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 7; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 47; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 49. 1116 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 59. 1117 BFH, Urt. v. 16.9.2014 – X R 38/13, BeckRS 2014, 96545 Rn 30; Ebenroth/Löwisch2 § 86 Rn 60. 1118 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 15a. 1119 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 257. Emde

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kann aber die Unterhaltung und Führung eines Auslieferungslagers1120 oder die Auslieferung1121 übernehmen. Im Zweifel trägt der Unternehmer die Kosten dieses Auslieferungslagers.1122 Kennt der Unternehmer die Namen und Adressen der Abkäufer der Lagerware nicht, muss der HV ihm jene bekannt geben.1123 Bei Vertragsende sind Warenbestand und Lager, wenn es vom Unternehmer gestellt wurde, an ihn zurückzugeben; der Unternehmer hat das Warenlager zurückzunehmen. Muss der Mittler den Warenbestand vertragsbegleitend erwerben und handelt er als Vertragshändler, besteht die Vor § 84 Rn 606 ff. erörterte Rückkaufpflicht des Unternehmers. Für einen Warenfehlbestand haftet der HV nur, falls eine Pflichtwidrigkeit vorliegt1124 Beratungspflicht: Pflicht des HV, den Kunden zu beraten zu eventuellen Besprechungen mit dem Unternehmer, etwa betreffend eine verbindliche Vorgabe der Teilnahme des HV1125 Delkredere1126 (§ 86b) Mitwirkung bei der Gewährleistungs- und Schadensregulierung1127 Hilfspersonal: Mit dem HV kann vereinbart werden, dass bestimmte Personen seines Unternehmens in die Vertragsausführung eingeschaltet bleiben müssen.1128 Auch dürfen ihnen bezeichnete Tätigkeiten zugewiesen werden. Bei Vertragsschluss mit einer HV-GmbH wird häufig der Gesellschafterbestand und die Tätigkeit eines bestimmten Geschäftsführers vorgeschrieben.1129 Auch darf eine Mindestanzahl von Mitarbeitern vereinbart werden,1130 ohne dass die Selbständigkeit des HV in ihrem Kernbereich berührt ist. Der Unternehmer mag darauf Wert legen, einen HV von bestimmter Marktstärke oder Größe mit der Vermittlung oder dem Abschluss zu betrauen. Darf er wegen zu geringer Größe des HV von dem Vertragsschluss absehen, so darf er erst recht die Mindestgröße zur Bedingung der Vertragsfortführung erheben. Austausch oder Reduzierung dieser Hilfspersonen ist dann nur mit Zustimmung des Unternehmers zulässig,1131 die er nach billigem Ermessen erteilen muss.1132 Ein Zustimmungsrecht des Unternehmers hinsichtlich der Tätigkeit von Untervertretern, die im Geschäft für den Unternehmer tätig werden, wird wohl vereinbart werden dürfen und gerät nicht in Konflikt mit der Selbständigkeit des HV. Jedoch wird kein Weisungsrecht des Unternehmers zur Einstellung von Personal vereinbart werden können, höchstens genaue Spezifikationen, unter welchen Umständen für welche Tätigkeit eingestellt werden muss.1133 Eigene Rechte und Pflichten dieser Hilfspersonen gegenüber dem Unternehmer entstehen nicht automatisch und müssten durch Vertrag der Hilfspersonen mit dem Unternehmer begründet werden1134

1120 BGHZ 30, 98 (102); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 62; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 47; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 44a; zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Konsignationslagern im grenzüberschreitenden Warenverkehr innerhalb der EU Keller UR 2000, 61. 1121 Hopt § 86 Rn 50. 1122 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 62; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 44a. 1123 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 62; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 11a. 1124 AA Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 62; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 44a: generelle Haftung. 1125 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 60. 1126 Hopt § 86 Rn 50. 1127 BGH, Urt. v. 4.5.1959 – II ZR 81/57, BGHZ 30, 98 (102) = NJW 1959, 1430; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 60; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 7; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 47. 1128 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 63; vgl. auch Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 44c. 1129 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 36. 1130 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 44c. 1131 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 63. 1132 Ähnlich Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 63: Verweigerung der Zustimmung nur bei Vorliegen triftiger Gründe zulässig. 1133 Großzügiger wohl Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 31a. 1134 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 63. 701

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zu den Informations- und Berichtspflichten des HV1135 Interessenwahrungspflicht: ihre Ausgestaltung1136 Inkasso1137 (§ 87 Abs. 4) verbindliche Vorgaben für Kundenbesuche in bestimmten Zeitabständen1138 Messeveranstaltungen:1139 Teilnahme Mindestumsatz: Der HV oder Eigenhändler unterliegt einer allgemeinen Vertriebs- oder Abnahmepflicht, die jedoch nicht mengenmäßig bestimmt ist.1140 Individualvertraglich vereinbarte Mindestabnahmemengen sind zulässig,1141 sofern sie nicht gem. § 138, § 242 BGB zur Knebelung und damit zur Nichtigkeit der Vereinbarung führen.1142 Die unternehmerische Selbstständigkeit wird durch sie meist nicht berührt.1143 Dies gilt auch im HV-Recht.1144 Im Kfz-Bereich bezieht sich die Mindestabnahmepflicht nur auf Neufahrzeuge, nicht auf Vorführ- oder Gebrauchtwagen.1145 Mindestabnahmeverpflichtungen können wegen der Unzulässigkeit des kartellrechtlichen Verbots von Querlieferungen problematisch sein, und zwar nach der GVO 330/10 (s. Kommentierung zu Vor § 84). Zu prüfen ist, ob es sich bei ihnen um Empfehlungen oder rechtlich unverbindliche Weisungen handelt.1146 Zur fristlosen Kündigungsmöglichkeit § 89a Rn 33 Stichwort „Mindestumsatz“; zur AGB-Kontrolle s. Kommentierung zu Vor § 84. Die Formvorschrift des § 86b Abs. 1 S. 3 gilt nicht.1147 Was mit einer Umsatzgarantie genau gewollt war, ist durch Auslegung festzustellen,1148 etwa eine Empfehlung oder rechtlich verbindliche Verpflichtung.1149 Gewollt sein kann: • die automatische Vertragsbeendigung (auflösende Bedingung) bei Nichterreichen dieser Umsätze. Vereinbart werden darf aber nur ein Vertragsende innerhalb der Fristen des § 89, wobei unterschieden werden muss, ob die Folge an verschuldetes oder unverschuldetes Nichterreichen geknüpft wird • eine Garantie, dass die Umsätze erreicht werden, mit daran anknüpfenden Versprechen. Eine Jahreszielvereinbarung ist nicht notwendigerweise als Garantie anzusehen, jene Zahlen zu erreichen.1150 • Schadenersatz- oder Erfüllungspflicht bei Nichterreichen der Umsatzschwelle,1151 etwa für alle Schäden, die dem Unternehmer erwachsen, und zwar gem. §§ 280 Abs. 1, 281, 286 BGB,1152 einschließlich des bei Erreichen des Umsatzziels generierten Gewinns.1153 Bei Eigenhändlern hätte der Unternehmer einen Erfüllungsanspruch auf Ab-

1135 1136 1137 1138 1139 1140 1141 1142 1143 1144

Zur kartellrechtlichen Problematik außerhalb des Bereiches echter HV Wiemer WuW 2009, 750 ff. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 65. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 63, 60; Hopt § 86 Rn 50; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 47. BFH, Urt. v. 16.9.2014 – X R 38/13, BeckRS 2014, 96545 Rn 30; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 63, 60. OLG Stuttgart BB 1970, 1112; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 63, 60; Hopt § 87d Rn 4. Ulmer S. 309; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 220. Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (74); Niebling WRP 2010, 631. BGH NJW 1959, 144; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 221. Niebling WRP 2010, 631. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 64; Hopt § 86 Rn 14; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 47; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 44e; aA Eberstein S. 75 unter Hinweis auf OLG Stuttgart NJW 1957, 1281. 1145 Niebling WRP 2010, 631. 1146 Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (75). 1147 Hopt § 86 Rn 14. 1148 Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (75). 1149 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 224. 1150 OLG München, Urt. v. 29.9.1993 – 7 U 2249/93, S. 17, n. v. 1151 Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (75); Hopt § 86 Rn 14. 1152 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 225. 1153 Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (75). Emde

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nahme der Ware.1154 Vorausgesetzt wird jedoch ein Verschulden, das oft fehlt. Von einem Verschulden müsste sich der Mittler entlasten • Außerordentliche Kündigungsmöglichkeit des Unternehmers bei Nichterreichen.1155 Sie ist problematisch (§ 89a Rn 33, Stichwort „Mindestumsatz“). Der Ausgleich entfällt aber nicht automatisch, sondern gem. § 89b Abs. 3 Nr. 2 nur im Falle eines Verschuldens des HV. Das Nichterreichen des Schwellenwerts muss kein ausgleichsschädliches, schuldhaftes Verhalten des HV bilden1156 • Andere an das Nichterreichen geknüpfte Rechtsfolgen, etwa Vertragsstrafe oder geringere (bei Unterschreiten) oder höhere (bei Überschreiten) Provisionszahlungen1157 • eine bloße Zielvorstellung1158 • ein unverbindliches Richtmaß für die Tätigkeit des HV ohne konkrete Rechtsfolgen,1159 wobei Unverbindlichkeit im Zweifel anzunehmen ist,1160 etwa bei der Zahlung eines Bonus oder eines höheren Provisionssatzes für das Überschreiten des Mindestumsatzes.1161 Konkrete Rechtsfolgen müssen also ausdrücklich vereinbart sein, sollen sie Geltung beanspruchen Schadensregulierung:1162 Abreden hierzu Schulung: Vertragliche Vereinbarungen über Schulungsmaßnahmen des Mittlers sind zulässig, falls sie keine der beiden Vertragsparteien in ihren Vertriebsaktivitäten unzulässig einschränken1163 Pflicht zu Serviceleistung: Der HV und Eigenhändler kann zu Serviceleistungen, insbesondere Gewährleistungsarbeiten und Garantieleistungen verpflichtet sein (zu seinem Rückgriffsanspruch s. Kommentierung zu Vor § 84 zu §§ 478, 479 BGB). Bei der Gewährleistungsverpflichtung handelt es sich um eine eigene Verpflichtung; bei der Verpflichtung zum Abarbeiten von Garantiearbeiten meist um eine Verpflichtung des Unternehmers, sofern der Unternehmer und nicht der Händler eine Garantiezusage gegeben hat. Die Garantiezusage durch den Unternehmer bildet einen selbständigen Garantievertrag.1164 Die Verpflichtung zu Garantiearbeiten für den Unternehmer ist dem Vertragshändlervertrag nicht immanent. Sie muss separat vereinbart werden.1165 Zivilrechtlich ist eine Bezugsbindung des Händlers hinsichtlich der Originalersatzteile des Unternehmers zulässig.1166 Zum möglichen Inhalt einer solchen Servicevereinbarung vgl. Vogels in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 § 3 Rn 253. Tourenpläne: deren Einhaltung.1167 Derartige Tourenpläne sind allerdings Indiz für die Unselbständigkeit des HV (s. Kommentierung zu § 84) Versicherungsvertreter: Die Vereinbarung einer Bestandspflege einschließlich der Mitwirkung bei der Schadensregulierung in der Haftpflicht-, Sach- und Unfallversicherung. Hier-

1154 1155 1156 1157 1158 1159 1160

Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (75). Hopt § 86 Rn 14; Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (77); vgl. Niebling WRP 2010, 631. Hopt § 86 Rn 14. Hopt § 86 Rn 14; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 44e. Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (76). Budde/Gruppe ZVertriebsR 2014, 71 (75). RGZ 65, 86 (90); BGH, Urt. v. 2.7.1992 – I ZR 181/90, NJW-RR 1992, 1386 (1388); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 64; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 44e. 1161 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 64. 1162 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 64. 1163 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 308. 1164 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 238. 1165 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 239. 1166 BGH BB 1982, 391; BB 1962, 1396; Keese BB 1972, 817 (819). 1167 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 60; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 15a. 703

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für ist dann eine besondere Vergütung zu leisten (so ausdrücklich für das Inkasso § 87 Abs. 4). Auch sie wird meist in Gestalt einer Provision gezahlt (vgl. § 87 Abs. 4) und sollte getrennt von der eigentlichen Provision für das Hereinholen von Abschlüssen ausgeworfen werden, zumal sie nicht ausgleichsfähig im Sinne des § 89b ist – Zuweisung eines Vertriebsgebiets: Erfolgt eine solche Zuweisung gegenüber einem echten HV, darf ihm aktive Werbung außerhalb dieses Gebiets untersagt sein. Passive Verkäufe wird er entgegennehmen dürfen, der Unternehmer braucht solche Aufträge jedoch nicht anzunehmen – Vorgaben zu Kundenbesuchen für bestimmte Zeitabständ1168 (innerhalb angemessener Grenzen) – Allgemeine Produkt- oder Unternehmenswerbung1169 oder Werbeaufwendungen.1170 Kommt ein Franchisegeber den vertraglich übernommenen Beratungs- und Werbepflichten nicht nach, steht ihm kein Zurückbehaltungs- oder Leistungsverweigerungsrecht zu.1171 Der Franchisenehmer darf sich nicht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen, solange die Äquivalenzstörung nicht existenzgefährdend ist. 221 Eine Vielzahl vertraglicher Einschränkungen kann in ihrer Kumulation zur Unselbständigkeit führen (s. Kommentierung zu § 84). Dies gilt insbesondere bei vertraglichen Regelungen zur Arbeitszeit oder Festschreibung von Tourenplänen.

N. Folge der Verletzung der Pflichten des Mittlers 222 Ein Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Pflichten konstituiert eine Pflichtverletzung. Verletzt der HV die in § 86 niedergelegten oder die vertraglich vereinbarten Pflichten, darf der Unternehmer auf Erfüllung klagen und den Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen.1172 Das gilt auch für den Anspruch auf Geschäftsvermittlung und -abschluss.1173 Denkbare weitere Folgen einer Pflichtverletzung sind: 223 – Beim Bezirksvertreter ist die Verwirkung (nach § 242 BGB) des Rechts auf Bezirksprovision denkbar1174 – nach vergeblicher Abmahnung eine außerordentliche Kündigung gemäß § 89a,1175 bei völliger Zerstörung des Vertrauensverhältnisses auch ohne Abmahnung, jedoch nur innerhalb einer angemessenen Frist (§ 314 Abs. 3 BGB), die spätestens zwei Monate nach Kenntnis des Kündigungsgrundes abgelaufen ist. Für Verstöße gegen die Mitteilungs- oder Berichtspflichten soll das nur gelten, wenn der Unternehmer die geschuldeten Informationen nicht auf andere Weise erhält1176 und der Verstoß so schwer wiegt, dass er das Vertrauensverhältnis zerstören kann

Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 60; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 25. Rittner DB 1999, 2097 (2099); Hopt § 86 Rn 50; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 44d. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 60. LG Braunschweig, Urt. v. 14.7.2004 – 22 O 289/04, zit. nach Haager NJW 2005, 3394 (3396) unter Berufung auf OLG Frankfurt/M., NJWE-WettbR 1996, 142. 1172 Hopt § 86 Rn 47; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 67. 1173 AA MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 67. 1174 OLG Hamm NJW 1959, 677; Hopt § 86 Rn 47; vgl. auch OLG Koblenz BB 1973, 866: Verwirkung bei gravierendem Verstoß gegen die Interessenwahrungspflicht. 1175 BGH WM 1988, 34; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; Hopt § 86 Rn 47; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 42, 69. 1176 BGH NJW-RR 1988, 287 (288); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69.

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das Entstehen eines Zurückbehaltungsrechts des Unternehmers,1177 je nachdem ob es sich um eine Haupt- oder Nebenleistungspflicht handelt gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB oder § 273 BGB1178 – Auskunftsrechte nach § 242 BGB, etwa im Falle eines Wettbewerbsverstoßes, um den Umfang der Wettbewerbstätigkeit kennen zu lernen1179 – Fristsetzung gemäß § 323 BGB (früher: § 326) BGB, danach ein Rücktrittsrecht1180 – die Fälligkeit einer Vertragsstrafe,1181 sofern sie vereinbart war. Sie muss hinreichend bestimmt sein,1182 der Höhe nach angemessen,1183 wird auf einen Schadensersatzanspruch angerechnet1184 und kann neben einem Ordnungsmittel nach § 890 ZPO geschuldet sein.1185 Zu Vertragsstrafeversprechen in AGB vgl. Vor § 84 – der Einbehalt der Provision,1186 wenn der Provisionsanspruch gem. § 242 BGB verwirkt ist, was z. B. bei mangelnder Bezirksbetreuung hinsichtlich der Bezirksprovision als Ausnahme1187 anerkannt ist.1188 Das Recht wurde etwa angenommen, falls der Unternehmer in Unkenntnis der Bemühungen des HV ein Direktgeschäft abschließt und bei der Preisvereinbarung einen Provisionsanspruch nicht berücksichtigt1189 (zweifelhaft, weil der HV nicht zur ständigen Information über jede Vermittlungsbemühung verpflichtet ist. Zudem handelt es sich rechtstechnisch um einen Schadenersatzanspruch, mit dem aufgerechnet wird). Grundsätzlich behält der HV allerdings auch bei schweren Vertragsverfehlungen seinen Provisionsanspruch1190 – ein Unterlassungsanspruch, etwa bei verbotenem Wettbewerb1191 – Recht auf Verzugsschaden gem. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB – Herausgaberecht gem. § 667 BGB. Verlangt der Unternehmer nach § 667 BGB vom HV Erstattung eines Kassenfehlbetrages, ist § 254 BGB nicht anwendbar1192. Verschulden des Personals seiner Agentur, aber auch seiner Untervertreter, hat der HV nach 224 § 278 BGB zu vertreten. Relevant wird eine Verletzung meist im Streit um außerordentliche Kündigungsgründe, bei denen sich die Frage stellt, ob es sich im einen wichtigen Grund i. S. d. § 89a handelt. Im Einzelnen unten Rn 226 ff. zur Haftung des HV. –

I. Haftung des Mittlers Der HV kann aus seiner Tätigkeit gegenüber dem Unternehmer und Dritten haften. Im Einzelnen 225 sind bei der Haftung des HV folgende Konstellationen zu unterscheiden: 1177 1178 1179 1180 1181

OLG München BB 1955, 714; Hopt § 86 Rn 47. Für Franchiseverträge Giesler ZIP 2002, 420 (424). MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 43; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 70. Hopt § 86 Rn 47. BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 144/94, ZIP 1995, 1260; v. 28.1.1993 – I ZR 240/90, ZIP 1993, 703; v. 4.10.1984 – I ZR 151/82, BB 1985, 823 (824); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 25; Hopt § 86 Rn 47; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 44. 1182 OLG Celle EWiR 1998, 157; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 1183 OLG Hamm MDR 1984, 404; OLG Düsseldorf DB 1992, 86; OLG München BB 1994, 1104; OLG Celle EWiR 1998, 157; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 1184 BGH, Urt. v. 21.11.1991 – I ZR 87/90, NJW 1992, 1096; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 1185 BGH, Urt. v. 5.2.1998 – III ZR 103/97, EBE 1998, 90; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 1186 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 3. 1187 Regelmäßig bleibt ein verdienter Provisionsanspruch erhalten, siehe Hopt § 86 Rn 49; weitergehend OLG Koblenz BB 1973, 866 bei gravierendem Verstoß gegen die Interessenwahrungspflicht. 1188 OLG Hamm NJW 1959, 677; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; Hopt § 86 Rn 49. 1189 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 1190 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 1191 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; Hopt § 86 Rn 47; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 43. 1192 OLG Koblenz, Urt. v. 30.1.2006 – 10 U 127/01, WM 2006, 1452. 705

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II. Haftung des Mittlers gegenüber dem Kunden 226 Eine Haftung des HV gegenüber dem Kunden ist grundsätzlich ausgeschlossen, da der Kunde nur in Vertragsbeziehungen zum Unternehmer, nicht zum HV, tritt.1193 Darin unterscheidet der HV sich vom Handelsmäkler. Der HV ist nicht, wie es für den Handelsmäkler zutrifft, Mittler zwischen den Parteien mit der Aufgabe, deren entgegengesetzte Interessen zum Ausgleich zu bringen, sondern er wahrt die Interessen des Unternehmers, für den er tätig ist. Andererseits ist für alle HV zu beachten, dass sie, auch soweit kein Vertrag zwischen HV und Kunden existiert, zur Gegenpartei in nahen Geschäftsverkehr treten. Das Gesetz trägt dem in § 91a Rechnung, indem der Dritte damit rechnen darf, dass der Unternehmer das Handeln des HV, sofern er sich in dem ihm zugewiesenen Geschäftsbereich bewegt, wie eigenes Handeln auffassen und es nicht verleugnen werde. Die Abschlussvollmacht des HV lässt ebenfalls keine vertraglichen Beziehungen des HV zum Kunden entstehen.1194 Denn auch dann, wenn der HV seine Vollmacht nutzt, handelt er im Namen des Unternehmers, den die damit verbundene Haftung trifft. Selbst die Beratung des HV gegenüber dem Kunden erfolgt grds. im Namen des Unternehmers und begründet keine Eigenhaftung des HV aufgrund eines konkludent geschlossenen Beratungsvertrages.1195 Vereinbarungen des Unternehmers mit dem HV oder Kunden, denen zufolge der Kunde dem Vertreter die Provision zu zahlen hat, begründen selbst bei einem unmittelbaren Zahlungsanspruch des HV gegen den Kunden keine eigenständigen vertraglichen Beziehungen zwischen beiden,1196 allenfalls im Einzelfall. Insbesondere Schadenersatzansprüche wegen Verschuldens des HV bei seinen Verhandlungen mit dem Kunden über den zwischen jenem und dem Unternehmer abzuschließenden Hauptvertrag richten sich grundsätzlich allein gegen den Unternehmer.1197 Er muss für den HV als seinen Erfüllungsgehilfen einstehen (§ 278 BGB),1198 auch im Strukturvertrieb1199 und sogar für strafbares Verhalten des HV.1200 Über § 278 BGB haftet etwa der Versicherer für Erklärungen seines VV, sofern der Versicherer dem VV die Vertragsverhandlungen überlassen hat.1201 Der Vorlieferant bzw. Hersteller eines Artikels ist jedoch nicht umgekehrt Erfüllungsgehilfe des Vertragshändlers im Verhältnis zu den Käufern des Vertragshändlers.1202 Ein rechtlich selbstständiger Vertragshändler muss sich daher im Verhältnis zum Käufer keine etwaige Arglist des Unternehmers zurechnen lassen.1203 Ferner fehlt eine Zurechnung des Unternehmerhandelns nach § 31 BGB (Repräsentantenhaftung),1204 des Verschuldens,

1193 LG Paderborn, Urt. v. 2.9.2011 – 2 O 169/11, BeckRS 2012, 03973; AG München, Urt. v. 30.6.2016 – 213 C 3921/ 16, NJW-RR 2016, 1145 – Reisebüro; Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1426) – zur Haftung von Plattformen; Abram VersR 2002, 1331 (1332); Martinek/Flohr/Feldmann § 19 Rn 60, 64; Hopt § 84 Rn 49; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 19, 48a. 1194 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 102. 1195 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 102, 103. 1196 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 102. 1197 AG München, Urt. v. 30.6.2016 – 213 C 3921/16, NJW-RR 2016, 1145. 1198 BGH, Urt. v. 11.7.2012 – IV ZR 271/10, WM 2012, 1577; IV ZR 164/11, WM 2012, 1582 Rn 51; v. 15.3.2012 – III ZR 148/11, WM 2012, 837 = ZIP 2012, 1081 = EWiR 2012, 583 (Theewen) m. Anm. Evers VW 2012, 600; v. 25.4.2006 – X ZR 198/04, NJW 2006, 2321 (2322); OLG Dresden, Urt. v. 19.11.2010 – 7 U 1358/09, VersR 2011, 910 (für den VV); AG Leipzig, Schlussurt. v. 6.4.2011 – 113 C 6263/10, BeckRS 2011, 17033. 1199 BGH ZIP 2017, 1225; Urt. v. 11.7.2012 – IV ZR 271/10, WM 2012, 1577; IV ZR 164/11, WM 2012, 1582 Rn 51; OLG Karlsruhe, Urt. v. 31.3.2017 – 12 U 112/16, EWiR 2017, 531 (Vortmann). 1200 BGH, Urt. v. 15.3.2012 – III ZR 148/11, WM 2012, 837 = ZIP 2012, 1081 = EWiR 2012, 583 (Theewen) m. Anm. Evers VW 2012, 600. 1201 OLG Dresden, Urt. v. 19.11.2010 – 7 U 1358/09, VersR 2011, 910. 1202 OLG Koblenz, Urt, v. 7.9.2017 – 1 U 302/17, NJW-RR 2018, 54; OLG Düsseldorf, Hinweisbeschl. v. 30.5.2017 – I22 U 52/17, BeckRS 2017, 119626 Rn 10. 1203 OLG Frankenthal, Urt. v. 12.5.2016 – 8 O 208/15, VersR 2016, 1516. 1204 OLG Frankenthal, Urt. v. 12.5.2016 – 8 O 208/15, VersR 2016, 1516 (1517); LG Amberg, Urt. v. 7.9.2017 – 24 O 1012/16, BB 2017, 2258. Emde

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nach § 278 BGB1205 oder eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB.1206 Der Hersteller ist im Verhältnis zum Händler auch nicht Dritter i. S. d. § 123 Abs. 2 BGB.1207 Eine Eigenhaftung des Mittlers kommt daher im Ausnahmefall lediglich nach folgenden 227 Anspruchsgrundlagen in Betracht: – Positive Forderungsverletzung (§ 280 BGB), sollten ausnahmsweise vertragliche Beziehungen zwischen HV und Dritten existieren (im Regelfall fehlen sie)1208 und Pflichten aus ihnen verletzt werden.1209 Das setzt einen zumindest konkludent geschlossenen Beratungsvertrag voraus.1210 Er soll vom Anlagevermittlungsvertrag abzugrenzen sein, der nur ein vollständiges Bild der Chancen und Risiken bieten soll und keine individuelle, pointierte und gewichtige Beratung.1211 Ob der HV berechtigt ist, Vertragsbeziehungen zu Kunden einzugehen (regelmäßig nur mit Zustimmung des Unternehmers), ist eine separate Frage.1212 Bei der Anlagevermittlung kommt zwischen dem Interessenten und dem Vermittler ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Mittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt1213 zudem, wenn die Auskunft für den Empfänger von erheblicher Bedeutung ist und der Auskunftsgeber sachkundig ist sowie ein eigenes wirtschaftliches Interesse besitzt.1214 Sachkunde allein genügt nicht.1215 Ein Entgelt für die Beratung muss nicht geleistet werden.1216 Näher in der Kommentierung zu § 84, Stichworte „Arten von Handelsvertretern, Anlagevermittler“. – nach § 179 BGB1217 – wegen Verletzung der Versicherungsvertretern gegenüber VN obliegenden Beratungspflichten nach §§ 61, 63 VVG.1218 Allerdings muss der VV den VN nicht gem. § 61 VVG eine Vollkaskoversicherung empfehlen, wenn der VN Versicherungsschutz für ein Ersatzfahrzeug begehrt, das bisherige Fahrzeug nur haftpflicht- und teilkaskoversichert war und der Kunde den konkreten Wunsch äußert, das Ersatzfahrzeug wie bisher zu versichern1219 – nach § 823 BGB, § 3 UWG1220

1205 OLG Frankenthal, Urt. v. 12.5.2016 – 8 O 208/15, VersR 2016, 1516 (1517). 1206 OLG Frankenthal, Urt. v. 12.5.2016 – 8 O 208/15, VersR 2016, 1516 (1517); LG Amberg, Urt. v. 7.9.2017 – 24 O 1012/16, BB 2017, 2258.

1207 OLG München, Urt. v. 3.7.2017 – 21 U 4818/16. NJW–RR 2017, 1238; OLG Düsseldorf, Hinweisbeschl. v. 30.5.2017 – I-22 U 52/17, BeckRS 2017, 119626 Rn 12; LG Amberg, Urt. v. 7.9.2017 – 24 O 1012/16, BB 2017, 2258; LG Hechingen, Urt. v. 10.3.2017 – 1 O 165/16, BB 2017, 786 – Kfz-Hersteller. 1208 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 49. 1209 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 49. 1210 Befürwortet von BGH ZIP 2000, 355 (Anlagevermittler); LG Köln, Urt. v. 29.7.2009 – 2a O 75/05, BeckRS 2009, 24226; Hopt § 84 Rn 49; offen gelassen von BGH NJW 2003, 745. 1211 LG Köln, Urt. v. 29.7.2009 – 2a O 75/05, BeckRS 2009, 24226. 1212 Hierzu Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 49. 1213 BGH. Urt. v. 23.11.2010 – VII ZR 244/09, VersR 2011, 216 (218); v. 22.3.2007 – III ZR 218/06, VersR 2007, 944 (945); v. 19.10.2006 – III ZR 122/05, VersR 2007, 63 (64); v. 4.3.1987 – IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117 (118). 1214 BGH NJW 1979, 1449; 1993, 2433; LG Köln, Urt. v. 29.7.2009 – 2a O 75/05, BeckRS 2009, 24226. 1215 LG Köln, Urt. v. 29.7.2009 – 2a O 75/05, BeckRS 2009, 24226. 1216 BGH NJW 1987, 1815 (1816); LG Köln, Urt. v. 29.7.2009 – 2a O 75/05, BeckRS 2009, 24226. 1217 Abram VersR 2002, 1331 (1332); Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 19; Hopt § 84 Rn 49; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 6d, 48d. 1218 BGH, Urt. v. 12.12.2013 – III ZR 124/13, DB 2014, 176 Rn 14; v. 6.11.2013 – I ZR 104/12, DB 2013, 2797 = WRP 2014, 57 Rn 21; OLG Hamm, Urt. v. 4.12.2009 – 20 U 131/09, VersR 2010, 1215 (dort Haftung abgelehnt). 1219 OLG Hamm, Urt. v. 4.12.2009 – 20 U 131/09. 1220 AA BGH NJW 1974, 1503; 1983, 2494; Hopt § 84 Rn 52: UWG geht als Spezialgesetz vor. 707

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nach § 826 BGB,1221 etwa falls der Kunde durch arglistige Täuschung oder Betrug zum Vertragsschluss veranlasst wurde1222 (dann auch §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB1223). Diese Haftung greift aufgrund der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte wegen eines deutschen Deliktsorts auch gegenüber ausländischen Mittlern ein.1224 Beispiel: Ein Vermittler kann aus §§ 826, 830 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) wegen unzureichender Risikoaufklärung eines Anlegers haften, wenn sein Geschäftsmodell darauf angelegt ist, für den Anleger chancenlose Geschäfte zum ausschließlich eigenen Vorteil zu vermitteln1225 § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Schutzgesetzen unter den engen Voraussetzungen einer Vertreterhaftung gem. § 280 Abs. 1, 3 BGB oder einer Sachwalterhaftung nach § 311 Abs. 3, § 241 Abs. 2 BGB1226 wegen der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens1227 oder wegen eines unmittelbaren eigenen wirtschaftlichen Interesses.1228 Regelmäßig muss der HV die Verhandlungen oder den Vertragsschluss dabei erheblich beeinflusst haben.1229 Die berufliche Sachkunde und Provisionsinteresse1230 des HV oder die Vermittlung einer Mehrzahl von Versicherungsverträgen1231 begründen die Haftung wegen Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, so dass ein derartiger Anspruch meist ausscheidet.1232 Vielmehr muss ein über das Provisionsinteresse1233 oder das Interesse an Folgegeschäften1234 hinausgehendes Interesse des HV bestehen, welches ihn quasi als wirtschaftlichen Herrn des Geschäftes erscheinen lässt. Beispiel: Der Vermittler übernimmt gerade eine von ihm persönlich ausgehende Gewähr für Seriosität, die Erfüllung des Geschäfts oder für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärungen, die für den Willensentschluss des anderen Teils bedeutsam sind, oder erweckt in zurechenbarer Weise den Eindruck, er werde persönlich mit seiner Sachkunde die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäfts selbst dann gewährleisten, falls der andere Teil dem Geschäftsherrn nicht oder nur wenig vertraut oder sein Verhandlungsvertrauen sich nicht als gerechtfertigt erweist.1235 Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so handelt es sich lediglich um ein unternehmensbezoge-

1221 BGH, Urt. v. 8.6.2010 – XI ZR 41/09, DB 2010, 2441 (2444); RGZ 120, 252; LG Paderborn, Urt. v. 2.9.2011 – 2 O 169/ 11, BeckRS 2012, 03973 (dort abgelehnt); Abram VersR 2002, 1331 (1332); Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 19, 48b. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 19. BGH BB 1971, 543 (Vertrieb wertloser Zertifikate); OLG Köln BB 1965, 768; Hopt § 84 Rn 51. BGH, Urt. v. 8.6.2010 – XI ZR 41/09, DB 2010, 2441 (2444). BGH, Urt. v. 8.6.2010 – XI ZR 41/09, DB 2010, 2441 (2444). BGH, Urt. v. 25.4.2006 – X ZR 198/04, NJW 2006, 2321 (2322); OLG Schleswig, Beschl. v. 9.3.2015 – 5 U 203/ 14 – Infinius (Haftung dort abgelehnt); LG Paderborn, Urt. v. 2.9.2011 – 2 O 169/11, BeckRS 2012, 03973 (dort abgelehnt); Hopt § 85 Rn 1; das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002 hat an dieser Rspr. nichts geändert (OLG Celle, Urt. v. 5.2.2009 – 8 U 186/08, VersR 2009, 1205). 1227 BGHZ 14, 318 und BGH LM § 278 [Fa] Nr. 4; OLG Celle BB 1963, 1142; OLG Düsseldorf VersR 1970, 126 (V)OLG Schleswig, Beschl. v. 9.3.2015 – 5 U 203/14 – Infinius (Haftung dort abgelehnt); LG Ulm, Urt. v. 8.2.2013 – 2 O 287/ 12, BeckRS 2014, 22957 (VV – dort Haftung abgelehnt); [Versicherungsvertreter]; LG Paderborn, Urt. v. 2.9.2011 – 2 O 169/11, BeckRS 2012, 03973 (dort Haftung abgelehnt); Martinek/Flohr/Feldmann § 19 Rn 60, 62; Schlegelberger/ Schröder § 86 Rn 48a. 1228 BGH, Urt. v. 25.4.2006 – X ZR 198/04, NJW 2006, 2321 (2322; LG Ulm, Urt. v. 8.2.2013 – 2 O 287/12, BeckRS 2014, 22957 (VV – dort Haftung abgelehnt). 1229 BGH, Urt. v. 25.4.2006 – X ZR 198/04, NJW 2006, 2321 (2322); OLG Celle, Urt. v. 5.2.2009 – 8 U 186/08, VersR 2009, 1205. 1230 BGH WM 1971, 498 (499); Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn LG Ulm, Urt. v. 8.2.2013 – 2 O 287/12, BeckRS 2014, 22957 (VV – dort Haftung abgelehnt);61; aA OLG Düsseldorf VersR 1970, 126. 1231 OLG Celle, Urt. v. 5.2.2009 – 8 U 186/08, VersR 2009, 1205. 1232 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 49. 1233 OLG Schleswig, Beschl. v. 9.3.2015 – 5 U 203/14 – Infinius; LG Paderborn, Urt. v. 2.9.2011 – 2 O 169/11, BeckRS 2012, 03973. 1234 OLG Schleswig, Beschl. v. 9.3.2015 – 5 U 203/14 – Infinius. 1235 OLG Schleswig, Beschl. v. 9.3.2015 – 5 U 203/14 – Infinius (Haftung dort abgelehnt); Martinek/Flohr/Feldmann § 19 Rn 62.

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nes Geschäft, welches nur mit dem Unternehmer zustande kommt und für das nur er haftet.1236 Bei unternehmensbezogenen Geschäften geht der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass Vertragspartei der Inhaber des Unternehmens und nicht der für das Unternehmen Handelnde werden soll. Der Wille, im Namen des Unternehmens zu handeln, muss dazu hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen und für den anderen Teil erkennbar geworden sein.1237 Die Voraussetzungen einer persönlichen Haftung fehlen üblicherweise bei einem Reisebüro.1238 Dass das Reisebüro mit seiner Sachkunde wirbt, bedeutet keine Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens.1239 Erforderlich ist vielmehr, dass es dem Kunden zusätzlich in zurechenbarer Weise den Eindruck vermittelt, es werde persönlich mit seiner Sachkunde die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäfts selbst dann gewährleisten, falls der Kunde dem Geschäftsherrn nur wenig vertraut.1240 So übernimmt ein Reisebüro i. d. R. lediglich die Tätigkeit eines Vermittlers von Reiseleistungen und nicht die Verantwortung für deren ordnungsgemäße Durchführung. Es haftet daher auch dann nicht für eine Schlechterfüllung des Beförderungsvertrages, wenn nicht die vollständigen Daten des Leistungserbringers mitgeteilt wurden.1241 Der HV muss also über das allgemeine Verhandlungsvertrauen hinaus eine zusätzliche von ihm ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäftes übernehmen.1242 Verletzt werden kann vorvertragliches Vertrauen der Kunden, sofern es der HV unterlässt, sie über Umstände aufzuklären, die der Vertragserfüllung entgegenstehen können, etwa mangelnde Bonität des Unternehmers1243 oder fehlende Tauglichkeit bzw. Fehlerhaftigkeit des Produktes.1244 Steht der dann erforderlichen Aufklärung eine Vertraulichkeitsabrede des HV-Vertrages entgegen, muss der Repräsentant die Vermittlung einstellen1245 oder auf andere Weise rechtmäßiges Verhalten sicherstellen, wozu er in diesem Einzelfall auch im Verhältnis zum Unternehmer berechtigt und sogar verpflichtet ist. Die dem Mittler im Verhältnis zum Unternehmer verpflichtende Vertraulichkeitsabrede darf sich nicht zum Schaden eines Kunden auswirken. Zu eigenen Nachforschungen ist der HV nur im Falle eindeutiger Anhaltspunkte auf vertragshindernde Umstände, falls dies der Verkehrssitte entspricht, oder im Falle einer regelmäßig unzulässigen (nicht gestattete Doppeltätigkeit) Vereinbarung mit dem Kunden verpflichtet.1246 Plattformbetreiber können haften, wenn es an einer ordnungsgemäßen, insb. unverfälschten und vollständigen Beratung und Aufklärung über die den Nutzerwünschen entsprechenden Angebote mangelt,1247 etwa im Falle fehlender Aufklärung über kostenpflichtige Stornierungsmöglichkeiten.1248 Da die Listung der Ergebnisse eine nicht unerhebliche Rolle spielt1249 und der Nutzer darauf vertrauen darf, dass der Produktvergleich die Marktsituation umfassend widerspiegelt und vollständig ist, kann eine Aufklärungspflichtverletzung darin liegen, dass der Plattformbetreiber für den Nutzer günstigere Anbieter aus dem

1236 OLG Schleswig, Beschl. v. 9.3.2015 – 5 U 203/14 – Infinius. 1237 OLG Schleswig, Beschl. v. 9.3.2015 – 5 U 203/14 – Infinius. 1238 BGH, Urt. v. 25.4.2006 – X ZR 198/04, NJW 2006, 2321 (2322); AG München, Urt. v. 30.6.2016 – 213 C 3921/16, NJW-RR 2016, 1145; Leipzig, Schlussurt. v. 6.4.2011 – 113 C 6263/10, BeckRS 2011, 17033.

1239 BGH, Urt. v. 25.4.2006 – X ZR 198/04, NJW 2006, 2321 (2322); AG Leipzig, Schlussurt. v. 6.4.2011 – 113 C 6263/ 10, BeckRS 2011, 17033.

1240 BGH, Urt. v. 25.4.2006 – X ZR 198/04, NJW 2006, 2321 (2322). 1241 AG München, Urt. v. 30.6.2016 – 213 C 3921/16, NJW-RR 2016, 1145. 1242 BGH MDR 1992, 232; ZIP 1990, 43; WM 1984, 128; (Anlagevermittler); OLG Hamm VersR 1995, 167; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 395; Martinek/Flohr/Feldmann § 19 Rn 62; Hopt § 84 Rn 50. OLG Hamm VersR 1993, 227; Martinek/Flohr/Feldmann § 19 Rn 63. Martinek/Flohr/Feldmann § 19 Rn 63. OLG Hamm DB 1993, 2229; Martinek/Flohr/Feldmann § 19 Rn 63. OLG Hamm VersR 1993, 227; Martinek/Flohr/Feldmann § 19 Rn 63. Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1427). Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1428). Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1427); Emde/Valdini BB 2016, 899 (901).

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Vergleich ausschließt, ohne dies kenntlich zu machen1250 oder die Rangfolge verglichener Produkte verfälscht1251 – wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, etwa dann, wenn den HV ein Organisationsverschulden beim Vertrieb oder dem Aufbau eines eigenen (Unter)Vertriebssystems trifft – im Falle eigenständiger Gewährübernahme.1252 In diesem Sinne kann ganz ausnahmsweise zwischen HV und Kunden ein meist stillschweigender Beratungs- oder Auskunftsvertrag zustande kommen, der den HV persönlich zu sachlich zutreffenden Angaben und zur Richtigstellung fehlerhafter Angaben verpflichten kann und mit der Folge der persönlichen Haftung für Pflichtverletzungen.1253 Im Zweifel wird kein solcher Vertrag zwischen Kunden und HV gewollt sein.1254 228 Dagegen scheidet eine Haftung gegenüber dem Kunden regelmäßig unter folgenden Gesichtspunkten aus: – aus §§ 280, 281 BGB (Positive Forderungsverletzung, c.i.c)1255 – aus Mangelhaftung. Da der HV in keinem Vertragsverhältnis zum Kunden steht, obliegt ihm keine Mangelhaftung nach §§ 437 ff. BGB. Insbesondere entsteht gegenüber dem HV kein Anspruch auf Nachbesserung i. S. d. §§ 437, 439 BGB. Hat der HV nicht nur auf seine besondere Sachkunde hingewiesen, sondern zugleich zu erkennen gegeben, dass er im Falle von Sachmängeln auch bereit sei, für die Gewährleistung einzustehen, so liegt ein eigenständiges vertragliches Versprechen vor, welches eine Eigenhaftung des HV begründet1256 (s. o.). Hierzu bedarf es aber einer ausdrücklichen Verpflichtung. Im Zweifel ist von ihrem Fehlen auszugehen. Einen Regressanspruch gegenüber dem Unternehmer besitzt der HV dann nur, wenn das Vertragsverhältnis zum Unternehmer die Übernahme der Gewährleistungsverpflichtung forderte. Fehlt es hieran, haftet der HV ohnehin nach den Rechtsgedanken des § 179 BGB alleine – Wer als Versicherungsvertreter ohne die Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 2 RBerG einen Versicherungsnehmer berät und zur Änderung des bestehenden Versicherungsverhältnisses veranlasst, haftet nicht für den diesem hierdurch entstehenden Schaden gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a RBerG als Schutzgesetz.1257 Die Beratung des Kunden durch den VV in Bezug auf die Versicherungsverträge, welche mit dem vom ihm vertretenen Versicherer geschlossen werden, ist durch das Berufsbild des VV gedeckt und verstößt nicht gegen § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a RBerG. Anders ist es bei Verträgen, die der Kunde mit einem Versicherer schließt, der vom VV nicht vertreten wird.

III. Haftung des HV nach dem Produkthaftungsgesetz 229 Weder der Abschluss- noch der Vermittlungsvertreter haften nach den Regeln der Produzentenhaftung.1258 Insbesondere haftet der HV nicht nach dem Produkthaftungsgesetz. Etwas anderes soll gelten, falls der HV die Auslieferung des Produktes vornimmt, insbesondere ein Warenlager unterhält, von dem aus die Auslieferung des fehlerhaften Produktes erfolgt.1259 Beschränkt sich die Tätigkeit des Vertreters jedoch auf den Abschluss oder die Vermittlung

1250 1251 1252 1253

Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1427); Emde/Valdini BB 2016, 899 (901). Hauck/Blaut NJW 2018, 1425 (1427). Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 113. BGH, Urt. v. 28.9.2000 – III ZR 43/99, EBE 2000, 346 = ZIP 2000, 355; ZIP 1998, 1735; OLG Köln MDR 2000, 99; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 103, 113. 1254 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 103. 1255 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 19. 1256 Vgl. Martinek/Flohr/Feldmann § 19 Rn 65. 1257 OLG Nürnberg, Urt. v. 2.2.2004 – 8 U 110/03, VersR 2005, 1237. 1258 Martinek/Flohr/Feldmann § 19 Rn 66. 1259 Martinek/Flohr/Feldmann § 19 Rn 67. Emde

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des Vertrages und erfolgt die Lieferung des Produktes unmittelbar vom Unternehmer an den Kunden (echter Vertretervertrag im Sinne des EU-Kartellrechts, siehe Vor § 84 Rn 252 ff.), ist der HV nicht Lieferant i. S. d. § 4 Abs. 3 Produkthaftungsgesetz und unterliegt keiner Haftung.1260

IV. Haftung des Vertragshändlers nach dem Produkthaftungsgesetz Ein Vertragshändler kann gemäß § 4 ProdHaftG als Quasihersteller haften, sofern er im Ge- 230 schäftsverkehr den Eindruck erweckt, Hersteller des vertriebenen Produkts zu sein. Zudem haftet er, wenn er als Importeur Produkte aus einem Land einführt, welches nicht zur EU gehört. Schließlich haftet er, falls er nicht in der Lage ist, dem anfragenden Anspruchsteller den Hersteller oder Vorlieferanten des Produkts binnen eines Monats unter Mitteilung der Anschrift zu benennen.1261 Den Vertragshändler trifft zudem eine Produktbeobachtungspflicht, die zu einer Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB führen kann. So haftet er, wenn er die Prüf- und Beobachtungspflicht missachtet, die sich darauf richtet, die Vertragsware durch eine hinreichende Sichtkontrolle daraufhin zu prüfen, ob von ihr Gefahrenquellen ausgehen, welche ihre Ursachen im Verantwortungsbereich des Händlers haben.1262 Auf Herstellungs- und Fabrikationsfehler des Unternehmers braucht der Vertragshändler die Ware regelmäßig nicht zu überprüfen.1263 Im Falle einer Warn- und Rückrufaktion hat der Vertragshändler den Hersteller zu unterstützen. Er muss ihm bekannt gewordene Beanstandungen der Vertragsprodukte überprüfen1264 und die möglichen Mängel feststellen sowie ggf. kenntlich machen.1265 In der Regel ist der Produktbeobachtungspflicht Genüge getan, sofern Reklamations- und Schadensfälle gesammelt und an den Unternehmer unter Hinweis auf mögliche Serienfehler weitergeleitet werden.1266 Ein Vertragshändler muss nicht ohne weiteres deliktsrechtlich für alle Schäden aufkom- 231 men, die durch von ihm vertriebene Produkte entstehen, selbst dann nicht, wenn kapitalmäßige Verknüpfungen zum Hersteller bestehen.1267

V. Haftung des Mittlers gegenüber Dritten Die unterlassene, fehlerhafte oder verspätete Erstinformation i. S. d. § 11 Abs. 1 VersVermV 232 bildet ein wettbewerbswidriges Verhalten gem. § 8 Abs. 1 und 3, 4 Nr. 11 UWG und kann zu Schadenersatzansprüchen nach § 11 VersVermV i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB führen.1268 Zu den Pflichten des Anlageberaters und des Anlagevermittlers, s. Kommentierung zu § 84, Stichworte „Arten von Handelsvertretern, Anlagevermittler“. Werden diese Pflichten verletzt, haftet der Anlagenvermittler1269 oder – berater1270 gegenüber dem Kunden. 1260 1261 1262 1263 1264 1265 1266 1267 1268 1269

Martinek/Flohr/Feldmann § 19 Rn 67. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 212. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 214. BGH NJW 1980, 1219; VersR 1977, 839 (840); VersR 1960, 855; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 214. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 217. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 217. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 219. Kollmann NJW 2000, 1912 (1915). Hansen VersR 2011, 119. BGH, Urt. v. 1.12.2011 – III ZR 56/11, ZIP 2012, 135; v. 5.3.2009 – III ZR 17/08, WM 2009, 739 (740) Rn 11; v. 12.7.2007, WM 2007, 1608 = NJW-RR 2007, 1692 Rn 8; BGHZ 158, 110 (116) = WM 2004, 631; v. 16.6.2001 – III ZR 200/ 09, BeckRS 2011, 17987 Rn 14. 1270 BGH, Urt. v. 6.12.2012 – III ZR 307/11, ZIP 2013, 114 = DB 2013, 117 (118); v. 6.12.2012 – III ZR 66/12, WM 2013, 68 Rn 20; v. 1.12.2011 – III ZR 56/11, ZIP 2012, 135 (136) = NJW-RR 2012, 380 Rn 10; v. 16.9.2010 – III ZR 14/10, ZIP 711

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§ 86

1. Buch. Handelsstand

VI. Haftung des Mittlers gegenüber dem Unternehmer 233 Eine Haftung des HV gegenüber dem Unternehmer ist ebenso wie in der spiegelbildlichen Konstellation „Haftung des Unternehmers gegenüber dem HV“ (s. Kommentierung zu § 86a) vorwie nachvertraglich und vertragsbegleitend denkbar.1271 Vorvertraglich oder bei nichtigem Vertrag1272 haftet der HV dem Unternehmer gem. §§ 242, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB (culpa in contrahendo), vertragsbegleitend aus § 280 Abs. 1, zudem ebenfalls nach § 89a Abs. 2. Auch aufgrund der Schlechterfüllung nachvertraglicher Treupflichten kann eine Haftung entstehen, und zwar auch hier gemäß § 280 Abs. 1 BGB. In jedem Fall muss sich der HV gegenüber dem Unternehmer sorgfältig verhalten1273 (Abs. 3). Der Hauptvertreter haftet dem Unternehmer für Fehler seines Untervertreters oder des Personals nach diesen Anspruchsgrundlagen i. V. m. § 278 BGB.1274 Hinzu treten mögliche deliktische Anspruchsgrundlagen, etwa § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB. Denn der HV ist gegenüber dem Unternehmer treupflichtig, so dass der TB des § 266 StGB erfüllt sein kann.1275 An den Missbrauchs-TB ist in erster Linie bei dem Abschlussvertreter, an den Treubruch-TB in den übrigen Fällen zu denken. Die Vermögensbetreuungspflicht folgt aus der Interessenwahrungspflicht (zu ihr s. o.). Es muss sich aber um eine Verletzung gerade dieser spezifischen Vermögensbetreuungspflicht handeln, was bei bloßen Vertragswidrigkeiten ausscheidet,1276 etwa dem verbotswidrigen Abschluss von Eigengeschäften1277 oder der Verletzung des Konkurrenzverbotes.1278 Nach Veruntreuung eingezogener Gelder ist das Delikt erfüllt,1279 ggf. auch durch Unterlassen.1280 Werden eingezogene Gelder lediglich nicht fristgemäß weitergeleitet, liegt zwar eine Verletzungshandlung vor, möglicherweise jedoch kein Nachteil (aber: Zinsschaden). Hier wird man auf die Zeitspanne abstellen müssen und darauf, ob der HV Anlass zur Überprüfung von Abrechnung und Weiterleitung hatte, etwa nach zweimaligem Verstreichenlassen der Abrechnungsfrist. Der Unternehmer muss sich ein eventuelles Mitverschulden gem. § 254 BGB zurechnen lassen.1281 Begeht der insolvente Mittler gegenüber dem Unternehmer eine Vertragsverletzung, entsteht eine Masseforderung nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.1282

2010, 2206; v. 5.11.2009 – VIII ZR 302/08, ZIP 2010, 526 Rn 16, 18; v. 5.3.2009 – III ZR 302/07, ZIP 2009, 1332 = WM 2009, 688 (690) Rn 13 ff; zusf. zur Rspr. Nasall NJW 2011, 2323. 1271 Zum Regelungsstand vor der Schuldrechtsnovelle Martinek/Flohr/Feldmann § 19 Rn 68 ff. 1272 Hopt § 85 Rn 1. 1273 Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 3.6.2010 – C-203/09, BeckRS 2010, 90677 Rn 41, 43. 1274 OLG Hamm MDR 1959, 1016; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 122; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 5; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14, 46. 1275 RGSt 71, 366; BGH, Urt. v. 29.10.1991 – 1 StR 513/91, wistra 1992, 60; v. 29.9.1982 – 2 StR 360/82, NStZ 1983, 74 (bei Verletzung der Pflichten aus der Verwaltung eines Konsignationslagers, wobei der BGH offen lässt, ob der normale Vermittlungsvertreter ohne Hinzutreten weiterer Umstände § 266 StGB untersteht); OLG Hamm JMBlNW 1956, 58; 1964, 1399; OLG Koblenz, Urt. v. 13.2.1968 – 2 Ss 17/68, MDR 1968, 779 (Nichtweiterleitung kassierter Gelder selbst ohne Inkassobefugnis); OLG Köln, Urt. v. 20.6.1967 – Ss 127/67, MDR 1967, 1026 (Nutzung einer konkretisierten Geschäftschance des Unternehmers durch den HV für einen anderen Unternehmer); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 4; Fischer StGB, § 266 Rn 21; Perron in: Schönke/Schröder/Lenckner § 266 Rn 25. 1276 OLG Koblenz, Urt. v. 13.2.1968 – 2 Ss 17/68, MDR 1968, 779 (780); OLG Köln, Urt. v. 20.6.1967 – Ss 127/67, MDR 1967, 1026 (1027); zweifelnd wohl auch BGH, Urt. v. 29.9.1982 – 2 StR 360/82, NStZ 1983, 74. 1277 OLG Braunschweig, Beschl. v. 17.9.1964 – Ws 76/64, NJW 1965, 1193; wohl aA Schönke/Schröder/Lenckner/ Perron § 266 Rn 25. 1278 OLG Köln, Urt. v. 20.6.1967 – Ss 127/67, MDR 1967, 1026 (1027). 1279 OLG Koblenz, Urt. v. 13.2.1968 – 2 Ss 17/68, MDR 1968, 779. 1280 Die Tat kann auch durch Unterlassen begangen werden. 1281 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 61. 1282 Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 89. Emde

712

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 86

1. Haftung des Mittlers gem. §§ 280 Abs. 1, 282, 241 Abs. 2, 242, 311 Abs. 2 BGB (culpa in contrahendo) Eine Haftung des HV wegen vorvertraglichen Verschuldens kommt insb. in folgender Konstel- 234 lation in Betracht: – Mangelnde Aufklärung, etwa über Risiken des Vertrages.1283 Derartige Aufklärungspflichten bestehen beispielsweise, wenn ein Wissens- oder Informationsgefälle besteht.1284

2. Haftung des Mittlers gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB wegen Schlechterfüllung vertragsbegleitender Pflichten Dem Unternehmer kann ein Schadenersatzanspruch gegen den HV entweder nach § 280 Abs. 1 235 BGB oder § 280 Abs. 2 BGB1285 zustehen. Ggf. ist ein Mitverschulden des Unternehmers zu berücksichtigen.1286 Eine Haftung wegen Schlechterfüllung vertragsbegleitender Pflichten gemäß § 280 Abs. 1 (positive Forderungsverletzung) kommt in folgenden Fällen in Betracht:1287 – Abschlussvertreter: Abschluss trotz bekannter Lieferschwierigkeiten des Unternehmers;1288 mangelnde Rückfrage bei Risikogeschäften und fehlender Risikobereitschaft des Unternehmers – Aufbewahrungspflicht: ihre Verletzung – Bezirksvertreter: Vernachlässigung des Bezirks – Bonitätsprüfungspflicht: Bei Verletzung seiner Bonitätsprüfungspflicht haftet der HV,1289 und zwar grundsätzlich auch für Fahrlässigkeit1290 – Berichtspflicht: Schadenersatz bei fehlenden oder mangelhaften Berichten1291 – Bezugspflicht des Mittlers.1292 Zwecks Bezifferung des Anspruchs besteht ein Auskunftsrecht1293 – Falschberatung des Kunden1294 – Geldanlage: Bei Unmöglichkeit der Herausgabe vereinnahmter Gelder durch den Mittler infolge der Geldanlage bei einer nicht dem Einlagesicherungsfond angehörigen Bank haftet der Mittler gem. §§ 280, 283, 667 BGB (zu einem Makler)1295 – Herausgabe von Unterlagen: Verzögerung1296 (hier ist der Unternehmer nicht auf seine Rechte aus den §§ 286 ff. BGB beschränkt, denn die Rückgabepflicht ist eine Nebenpflicht1297) – Herausgabepflicht: Beschädigung oder Zerstörung der herauszugebenden Gegenstände 1283 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 124 ff.; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 30; zum Franchisevertrag Giesler ZIP 2002, 420 (426). 1284 Giesler ZIP 2002, 420 (426). 1285 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; Hopt § 86 Rn 47; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 45. 1286 Hopt § 86 Rn 47. 1287 Siehe Hopt § 86 Rn 47; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 45. 1288 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 12. 1289 RG JW 1919, 450; OLG Düsseldorf HVR Nr. 59; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 16; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 61; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 17; Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 11. Aufl. 2011, § 86b Rn 1. 1290 AA Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 39. 1291 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 22; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 28. 1292 OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, ZVertriebsR 2017, 313 Rn 12. 1293 OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, ZVertriebsR 2017, 313 Rn 12. 1294 Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 107. 1295 BGH, Urt. v. 21.12.2005 – III ZR 9/05, VersR 2006, 360. 1296 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 1297 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 713

Emde

§ 86

– –







– – –

1. Buch. Handelsstand

Hilfspersonen: Nichteinstellung von Hilfspersonen, deren Beschäftigung der HV versprochen hatte, sofern sich ein Schaden, etwa aus entgangenem Gewinn, nachweisen lässt1298 Informationspflichten: Verletzung. Entgangene Einnahmen werden nur ersetzt, wenn dem Nichtinformierten auf Grund der Nichtinformation oder Fehlinformation eine Einkommensposition entgangen ist1299 Kaution: Fehlende Forderung des HV nach einer Kaution des Kunden für dessen Leistung aus dem vermittelten Geschäft, falls eine solche Kautionseinforderung im HV-Vertrag vorgesehen ist (häufig bei Stationskartenausgabe im Tankstellenbereich)1300 Kündigung: Die unberechtigte Kündigung durch den HV bildet eine Pflichtverletzung: Nach einer solchen kann, so der BGH,1301 der Unternehmer den entgangenen Gewinn in der Weise abstrakt berechnen, dass er aus den im Einzelnen aufgeführten Umsätzen in den der Kündigung vorausgehenden 18 Monaten jeweils den monatlichen Durchschnittssatz ermittelt, daraus den Umsatzausfall für den Zeitraum von der fristlosen Kündigung bis zum Ablauf der Frist für die ordentliche Kündigung errechnet und die vertraglich geschuldete Provision und den Warenabsatz abzieht. Im Anschluss an sein Urteil DB 2000, 9671302 bestätigte der BGH Beweiserleichterungen bei der Schadensschätzung, die sowohl Mittlern wie Unternehmern zugute kommt: Gemäß § 252 S. 2 BGB gelte der Gewinn als entgangen, welcher nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge als entgangen vermutet werden könne. Volle Gewissheit, dass der Gewinn gezogen worden wäre, sei nicht erforderlich. Es genüge der Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Dem Ersatzpflichtigen obliege der Beweis, dass er nach dem späteren Verlauf oder aus irgendwelchen anderen Gründen nicht erzielt worden wäre. Dabei dürften keine zu strengen Anforderungen an die Darlegungsund Beweislast des Geschädigten gestellt werden. Stehe eine Schadenersatzforderung dem Grunde nach fest und sei lediglich ihre Höhe nicht sicher zu ermitteln, dürfe das Gericht die Klage nicht einfach abweisen, sondern müsse prüfen, in welchem Umfang der Sachverhalt eine Grundlage für die Schätzung eines Mindestschadens biete. Dem Unternehmer sei eine gewisse Übergangszeit einzuräumen, in der er sich nach geeigneten HV umsehen dürfe Pflichtwidriges Unterlassen von Geschäftsabschlüssen.1303 Der Unternehmer hat Anspruch auf Ersatz des ihm entgangenen Gewinns,1304 falls er nachweist, dass pflichtgemäßes Verhalten zum Erfolg geführt hätte1305 Rückzahlungen an Kunden, wenn sie vertragswidrig geschehen1306 Schlechterfüllung oder Nichterfüllung der Haupt- oder Nebenpflichten des HV-Vertrages, insbesondere der in § 86 niedergelegten1307 Schmiergelder, Annahme oder fehlende Weiterleitung an den Unternehmer,1308 auch durch den HV geleistete Bestechungsgelder1309 Insbes. schuldet der HV Ersatz, falls er bessere Geschäfte unterließ.1310 Der Einwand, das Geschäft wäre ohnehin nicht anders zustande gekommen, leugnet nur den Schaden und beseitigt die Pflichtverletzung nicht1311

1298 1299 1300 1301 1302 1303 1304

Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 44c. Giesler/Giesler/Güntzel2 § 4 Rn 63. Steinhauer BB 2009, 2386 (2387). BGH, Urt. v. 30.5.2001 – VIII ZR 70/00, ZIP 2001, 1461 = DB 2001, 2189 = WM 2001, 2010. Hierzu Emde VersR 2001, 148 (165). Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. BGH, Urt. v. 3.4.1996 – VIII ZR 3/95, ZIP 1996, 1006 (1008); BB 1985, 823 (824); Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 43. 1305 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69. 1306 BGH NJW 2003, 743 (744). 1307 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 68. 1308 Hopt § 86 Rn 23. 1309 Hopt § 86 Rn 23. 1310 Hopt § 86 Rn 23. 1311 Hopt § 86 Rn 23. Emde

714

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 86



Serviceleistungen/Kundendienst: Nichterbringung von im Vertragshändlervertrag versprochenen Serviceleistungen1312 – Treupflichten: Verletzung der Treupflichten durch den Vertreter1313 – Vermittelte Geschäfte: Obwohl der HV dem Unternehmer grundsätzlich nicht für Erfolg und Erfüllung des getätigten Geschäfts einzustehen hat, begründen pflichtwidrig vom HV vermittelte oder abgeschlossene Geschäfte, die bei pflichtgemäßem Verhalten des HV nicht zustande gekommen wären, einen Anspruch auf Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens1314 – Verzögerung und Langsamkeit bei der Tätigkeit – Verschwiegenheitspflicht: Verletzt der HV die Verschwiegenheitspflicht, so macht er sich gem. § 280 BGB schadenersatzpflichtig, zudem gem. § 280 Abs. 1 BGB, § 826 BGB, § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen zum eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder § 3 UWG – Vertragsstrafe: Haftung des HV, falls dem Unternehmer durch Verschulden des Vertreters eine Vertragsstrafe auferlegt wird1315 – Vollmacht: Geschäftsabschluss trotz fehlender Vollmacht1316 – Weisungen: Nichtbeachtung zulässiger Weisungen1317 – Werkstatttest: Besteht eine Werkstatt einen Werkstatttest nicht, sind die Kosten, die der Kfz-Lieferant infolge des Nichtbestehens des ersten Werkstatttests durch die Vertragswerkstatt für weitere Nachtests aufgewendet hat und aufwenden durfte, nach § 280 BGB erstattungsfähig1318 – Wettbewerbstätigkeit: die pflichtwidrige Wettbewerbstätigkeit des HV begründet im Falle der Kündigung durch den Unternehmer eine Schadensersatzverpflichtung nach § 89a Abs. 2, bei fehlender Kündigung gem. § 280 Abs. 1 BGB,1319 bei außerordentlicher Kündigung nur für Schäden bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin.1320 Als Schadenersatz wird regelmäßig der Gewinn anzusetzen sein, den der Unternehmer erzielt hätte, wenn der HV nicht mit Artikeln der Konkurrenz Geschäfte geführt hätte.1321 Ggf. ist gem. § 287 ZPO zu schätzen,1322 uU ein Mindestschaden.1323 Zudem besteht eine Auskunftspflicht des HV.1324 Einzelheiten s. o. zur Kündigung. Für eigene Krankheit, auch eine Infektion mit dem Corona-Virus1325, haftet der HV mangels 236 Pflichtverletzung regelmäßig nicht.

Giesler/Vogels2 § 3 Rn 243. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 43c. OLG Düsseldorf OLGR 1994, 281; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 47. KG JRPrV 41, 199; Recht 1941, Nr. 43, 68; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 45. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 6d, 13. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32d. OLG Bremen, Urt. v. 23.4.2010 – 2 U 92/09, BB 2010, 1819 (LS) m. zust. Anm. Lamberti/Ströbl. BGH, Urt. v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, NJW Jahr 2013 Seite 2111; v. 24.6.2009 – VIII ZR 332/07, VersR 2009, 1360 = WM 2009, 1811; v. 3.4.1996 – VIII ZR 3/95, NJW 1996, 2097 unter A I 2 b; OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2009 – 18 U 137/08, BeckRS 2009, 24245; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 40; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 43; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 43. 1320 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86 Rn 40. 1321 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 43. 1322 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 43. 1323 BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 332/07, VersR 2009, 1360 = WM 2009, 1811. 1324 BGH, Urt. v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, NJW Jahr 2013 Seite 2111; v. 3.4.1996 – VIII ZR 3/95, ZIP 1996, 1006; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 43. 1325 Emde ZVertriebsR 2020, 138 (158).

1312 1313 1314 1315 1316 1317 1318 1319

715

Emde

§ 86

1. Buch. Handelsstand

3. Haftung des Mittlers gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen Schlechterfüllung nachvertraglicher Pflichten 237 An eine Haftung gem. §§ 280 Abs. 1 BGB aufgrund der nachvertraglichen Pflichtverletzung kann ebenfalls gedacht werden. Beispiel: – Die Versendung von Schreiben an vormalige Kunden, mit denen wegen „wichtiger Vertragsinformationen“ um einen Anruf beim Mittler gebeten wird, wenn hierdurch die Kunden abgeworben werden sollen und der Eindruck hervorgerufen wird, es handele sich um ein Schreiben des vormaligen Unternehmers.1326

VII. Haftung von Dritten 238 Auch Dritte können ausnahmsweise haften. – Der Leiter einer Struktur eines HV-Vertriebs haftet den Anlegern aus § 826 BGB, sofern er ins Blaue hinein erklärt, die Anlage erfolge bei einer renommierten ausländischen Bank, die einem Einlagensicherungssystem angehöre, und er damit rechnet, dass diese Aussage an die Anleger weitergegeben wird1327 – Ausgleichsanspruch – fehlende Geltendmachung: Die Nichtgeltendmachung eines Ausgleichsanspruches nach § 89b durch einen Wettbewerber, der das anspruchsberechtigte Autohaus übernimmt, kann ein zum Schadenersatz verpflichtender existenzvernichtender Eingriff in den Betrieb des Autohauses sein, der zur unbegrenzten Haftung des Gesellschafters des Unternehmers verpflichtet.1328 Es gibt also eine schadensersatzrechtlich sanktionierte Pflicht zur Geltendmachung des Ausgleichs, die allerdings auch aus dem Haupt- und Untervertreterverhältnis bekannt ist.

1326 LG Bonn, Urt. v. 15.12.2009 – 11 O 52/09, BeckRS 2010, 04041. 1327 OLG Celle, Urt. v. 15.12.2005 – 11 U 107/05, OLGR 2006, 209. 1328 BGH, Urt. v. 13.12.2004 – II ZR 206/02, GmbHR 2005, 225 m. Komm. Schröder. Emde

716

§ 86a [Pflichten des Unternehmers] (1) Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen. (2) 1Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter die erforderlichen Nachrichten zu geben. 2Er hat ihm unverzüglich die Annahme oder Ablehnung eines vom Handelsvertreter vermittelten oder ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Geschäfts und die Nichtausführung eines von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfts mitzuteilen. 3Er hat ihn unverzüglich zu unterrichten, wenn er Geschäfte voraussichtlich nur in erheblich geringerem Umfange abschließen kann oder will, als der Handelsvertreter unter gewöhnlichen Umständen erwarten konnte. (3) Von den Absätzen 1 und 2 abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.

Schrifttum v. Brunn Unzulässige Verhandlungen über die Nachfolge eines Handelsvertreters vor Kündigung seines Vertrags, DB 1964, 1841; Emde Parallelvertrieb zwischen Unternehmer und Vertriebsmittler, VersR 2012, 536; Fruhmann Dispositionsfreiheit des Unternehmers gegenüber seinem Vertragshändler - nur ein Lippenbekenntnis? MDR 1995, 433; Höft Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters und geschäftliche Dispositionsfreiheit des vertretenen Unternehmers, VersR 1969, 875; Hopt Moderne Vertriebsformen und Einzelheiten ihrer handelsrechtlichen Zulässigkeit, ZIP 1996, 1809; ders. Wettbewerbsfreiheit und Treuepflicht des Unternehmers bei parallelen Vertriebsformen, ZIP 1996, 1533; Küstner Verstoßen „Rennlisten“ gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen, BB 1984, 1906; Matthiessen Arbeits- und handelsvertreterrechtliche Ansätze eines Franchisenehmerschutzes, ZIP 1988, 1089; Schriefers Lagerrücknahme bei Vertragsbeendigung des Händlervertrags, BB 1992, 2158; Thume Die Musterkollektion des Handelsvertreters, BB 1995, 1913; Steindorff Vereitelte Ansprüche und Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters, ZHR 130 (1968), 82.

Übersicht 1

A.

Gesetzgebungsgeschichte

B.

Europarechtliche Präformation

C.

Einleitung

D.

Unterteilung der Pflichten des Unterneh5 mers

E.

Aktiv- und Passivlegitimation

I.

Handelsvertreter

II.

Handelsvertreterähnliche Vertriebsmitt14 ler

F.

Zeitdauer und Fälligkeit der Pflichten

I.

Vertragsbegleitende Pflichten

II. 1. 2.

Vor- und nachvertragliche Pflichten 18 Vorvertragliche Pflichten 21 Nachvertragliche Pflichten

G.

Die in § 86a nicht ausdrücklich geregelten 23 Nebenpflichten des Unternehmers

I.

Treu-, Loyalitäts- und Unterstützungs24 pflicht 24 Herleitung 26 Inhalt 29 Rechtsfolgen

2

3 1. 2. 3.

13

II. 1. 2. 3.

13

16

16

717 https://doi.org/10.1515/9783110558401-005

17

30 Rücksichtnahmepflicht 30 Einleitung 31 Kasuistik Sonderfall der Rücksichtnahme- und Treupflicht: Wettbewerbsverbot des Unternehmers 35 und Abschirmpflicht a) Grundsatz: Dispositionsbefugnis der Unter37 nehmer über sein Vertriebsnetz. 38 b) Kartellrecht 39 c) Grenzen des Dispositionsrechts d) Vertragliche Verpflichtung des Unternehmers, Wettbewerb gegenüber dem Ver40 triebsmittler zu unterlassen aa) Alleinvertrieb und Alleinvertre47 ter Emde

§ 86a

1. Buch. Handelsstand

4.

bb) Andere Regelungen zum Eigenver48 trieb des Unternehmers e) Beschränkungen des Eigenvertriebs des Unternehmers aufgrund des dispositi49 ven Rechtes aa) Gleichbehandlungspflicht und Wettbewerbsverbot des Unterneh49 mers (1) Gleichbehandlungspflicht im Anwendungsbereich des § 19 49 GWB (2) Gleichbehandlung außerhalb des Anwendungsbereichs 50 des § 19 GWB 51 bb) Wettbewerbsverbot nach HGB cc) Schutzpflicht bei Fehlen eines vertrag61 lichen Wettbewerbsverbots dd) Erwerb eines Konkurrenzunterneh62 mens f) Sachlicher, räumlicher, persönlicher und zeitlicher Umfang eines Wettbewerbs63 verbots aa) Im Falle eines vertraglichen Wettbe63 werbsverbots 64 bb) Nach dispositivem Recht (1) Sachlicher Geltungsbe64 reich (2) Räumlicher Geltungsbe65 reich (3) Persönlicher Geltungsbe66 reich (4) Zeitlicher Geltungsbe67 reich g) Vertragliche Einschränkung des Wettbe68 werbsverbots aa) Individualvertragliche Vorbe69 halte 70 bb) Vorbehalte in AGB 71 h) Aufklärungspflichten i) Wettbewerbsverbote von Master-Franchise72 gebern 73 j) Rechtsfolgen 74 Beweislast

III.

Belieferungspflicht des Unternehmers

IV. 1.

77 Gleichbehandlungspflicht Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 19 77 GWB Innerhalb des Anwendungsbereichs des § 19 81 GWB

2.

Einleitung

II.

Willkür

III.

Unvertretbare Maßnahme

IV.

Objektiver Maßstab

V.

Steigende Schutzpflichten je nach Gefährdung 98 des Mittlers

VI.

Kündigung vor Umsetzung der Dispositionsmaß99 nahme?

Organisationspflicht des Unternehmers

VIII. Abwägungsgebot

H.

Dispositionsfreiheit des Unterneh85 mers

Emde

95

96

100

101

102

IX.

Kasuistik

X.

Rechtsfolgen von Dispositionsmängeln

XI.

Vertragliche Erweiterung des Dispositions105 rechts

104

XII. Vertragliche Beschränkung des Dispositions106 rechts I.

Die in § 86a besonders geregelten Neben107 pflichten

I.

Zeitdauer und Fälligkeit

II. 1.

114 Zu den einzelnen Pflichten des § 86a: Überlassung von Unterlagen (§ 86a 114 Abs. 1) 114 a) Berechtigter 115 b) Unterlagen 118 c) Tätigkeit 119 d) Erforderlichkeit 123 e) Beispiele 126 f) Fälligkeit 127 g) Kosten 131 h) Eigentum an den Hilfsmitteln 132 i) Pflicht zur sorgsamen Verwahrung 133 j) Herausgabepflicht 134 k) Erfüllungsort. Erfüllungsort 135 l) Haftung des HV 136 m) Haftung des Unternehmers 138 n) Rückkauf nach Vertragsende 139 o) Beweislast Die in § 86a Abs. 2 geregelten Informations140 pflichten des Unternehmers a) Die allgemeine Informations- und Nach142 richtspflicht des § 86a Abs. 2 S. 1 143 aa) Zweck

75

82

94

VII. Rechtzeitige Information des Mittlers

2. V.

85

I.

110

718

§ 86a

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

b)

c)

d)

e) f) g) h)

bb) Zeitlicher Umfang und Fällig144 keit cc) Sachlicher Umfang der Informations145 pflicht Mitteilung der Annahme oder Ablehnung eines Geschäfts (§ 86a Abs. 2 S. 2, 150 1. Hs) 151 aa) Aktivlegitimation 152 bb) Zweck 155 cc) Inhalt 158 dd) Zeitpunkt der Information Mitteilung der Nichtausführung abgeschlossener Geschäfte (§ 86a Abs. 2 S. 2, 159 2. Hs) 160 aa) Zweck 161 bb) Inhalt Unterrichtung über Abschlussbeschränkun162 gen (§ 86a Abs. 2 S. 3) 163 aa) Zweck 164 bb) Inhalt 165 cc) Fälligkeit 166 Form 167 Erfüllungsort und Kosten Vertragliche Erweiterung der Informations168 pflichten Rechtsfolgen der Verletzung der Informati169 onspflichten des § 86a Abs. 2

N.

Pflichten des Unternehmers im Verhältnis zu 181 Dritten

O.

Abs. 3: Zwingende Natur

P.

Rechtsfolgen der Verletzung der Unterneh183 merpflichten

I.

Schadenersatz des Unternehmers gegenüber 184 dem Vertriebsmittler Schadenersatz des Unternehmers gegenüber dem Mittler gemäß §§ 280 Abs. 1, 282, 241 Abs. 2, 242, 311 Abs. 2 BGB (culpa in contra185 hendo) Schadenersatz des Unternehmers gegenüber dem Mittler nach § 280 Abs. 1, 3 BGB wegen Schlechterfüllung vertragsbegleitender Pflichten 186 (Positive Forderungsverletzung) Schadenersatz des Unternehmers gegenüber dem Mittler gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen Schlechterfüllung nachvertraglicher Pflich188 ten Schadenersatz des Unternehmers gegenüber 189 dem Mittler aus Delikt Ersatzansprüche des Unternehmers gegenüber 190 dem Mittler aus anderem Rechtsgrund

1.

2.

3.

4. 5.

II. J.

Informationserteilung an Dritte, 172 AVAD

K.

Vertragliche Erweiterung der Nebenpflichten 173 des Unternehmers

L.

Erfüllungsort der Unternehmerpflich174 ten

M.

Durchgriffserwägungen zu Lasten des Unter175 nehmers

1. 2. 3.

182

Haftung des Unternehmers gegenüber Drit192 ten Haftung wegen eigener Rechtspflichtverlet193 zung Haftung wegen zugerechneter Pflichtverletzung 194 des Mittlers Fehlende Haftung des Unternehmers gegenüber 196 Dritten 197

III.

Haftung von Dritten

IV.

Beweislast in Haftungstatbeständen

198

A. Gesetzgebungsgeschichte § 86a in seiner heutigen Form beruht auf der Novelle 1990. Sie fügte in Abs. 2 S. 2 die Worte 1 „und die Nichtausführung eines von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfts“ sowie in Abs. 2 S. 3 „unverzüglich“ ein. An die Stelle der früheren Fassung in Abs. 2 S. 3 „als nach den Umständen zu erwarten ist“ trat die Formulierung „als der Handelsvertreter unter gewöhnlichen Umständen erwarten konnte“. Abs. 3 wurde neu in das Gesetz aufgenommen. Zuvor war gemäß dem letzten Satz des Abs. 2 nur der Anspruch nach Abs. 2 S. 3 unabdingbar. Die Neufassung gilt gem. Art. 29 EGHGB ab dem 1.1.1990 für danach geschlossene und seit dem 1.1.1994 für sämtliche Verträge.

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1. Buch. Handelsstand

B. Europarechtliche Präformation 2 § 86a dient der Umsetzung der Art. 4 und 5 RL. Gem. Art. 4 Abs. 1 RL hat sich der Unternehmer als allgemeiner Rahmen1 seiner Verhaltenspflicht gegenüber dem HV zwingend entsprechend den Geboten von Treu und Glauben zu verhalten. § 86a Abs. 1 betreffend die Pflicht des Unternehmers, dem HV Unterlagen bereitzustellen sowie dessen Abs. 2 zur Informationspflicht des Unternehmers wurde etwas detaillierter als die RL gefasst: Nach Art. 4 Abs. 2 lit. a RL hat der Unternehmer dem HV die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, welche sich auf die betreffenden Waren beziehen (Englisch: „necessary documentation relating to the goods“ – dies klingt eher nach einem Recht auf Information mittels gedruckter Produktbeschreibungen). Die „Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen“ des § 86a Abs. 1 werden in der RL nicht erwähnt. Dies ist unschädlich, weil § 86a Abs. 1 erkennbar eine ergänzende und beispielhafte Aufzählung enthält, die dem von der RL (und dem HGB) verwandten Terminus „Unterlagen“ nicht widerspricht (Argument aus dem Wortlaut des § 86a Abs. 1: „wie“). Jedoch bezieht sich die Pflicht des Unternehmers, die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, nach Art. 4 Abs. 2 lit. a RL nur auf die „betreffenden Waren“, gem. § 86a Abs. 1 aber auf die „zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen“ Unterlagen. Das ist weiter als von der RL vorgesehen. Wenn man der überschießenden Umsetzung des HGB auch auf andere als Warenvertreter hätte Rechnung tragen wollen, hätte man statt „Waren“ das Wort „Produkte“ verwenden können. Ein Umsetzungsfehler liegt nahe. Gem. Art. 4 Abs. 2 lit. b RL hat der Unternehmer die für die Ausführung des Vertrages erforderlichen Informationen zu geben und den HV insbesondere binnen angemessener Frist zu benachrichtigen, sobald er absieht, dass der Umfang der Geschäfte erheblich geringer sein wird, als der HV normalerweise hätte erwarten können. § 86a Abs. 2 S. 1 sieht vor, dass der Unternehmer dem HV die erforderlichen „Informationen“ (nicht: „Nachrichten“) zu geben hat, was vermutlich dasselbe meint. Der zweite Satzteil des § 86a Abs. 2 S. 3 ist strenger („unverzüglich“) als Art. 4 Abs. 2 lit. b RL („binnen angemessener Frist“), so dass insofern ein Umsetzungsfehler vorliegt.2 Denn Umsetzungsermessen wurde dem nationalen Gesetzgeber insoweit nicht zuteil. Dasselbe gilt für den Vergleich des Art. 4 Abs. 3 RL zu § 86a Abs. 2 S. 3 (erneut „binnen angemessener Frist“ in der RL vs. „unverzüglich“ in § 86a Abs. 2 S. 3). In § 86a Abs. 2 S. 3 wurde Art. 4 Abs. 2 lit. b RL umgesetzt, derzufolge der Unternehmer den HV zu unterrichten hat, wenn der Umfang eines Geschäfts voraussichtlich erheblich geringer wird als dies der HV normalerweise hätte erwarten können. Damit wurde ein subjektiver Maßstab im Gegensatz zu dem früher geltenden, objektiven eingeführt.3 Der HV erhält damit die Informationen, die er nach früherem Recht nur über den Buchauszug nach § 87c Abs. 2 hätte erwarten können.4 Art. 5 RL bestimmt die zwingende Natur des Art. 4 RL: Die Parteien dürfen keine Vereinbarung treffen, welche von Art. 4 RL abweicht. Nicht anders als in § 86 wurde der Hinweis auf Treu und Glauben nicht in das HGB übernommen, weil er sich aus § 242 BGB ergibt.5 Dies ist problematisch (§ 86 Rn 8). Allerdings können Fragen der Ausübung dieser Treupflicht, da auf der RL beruhend, gem. Art. 267 AEUV dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt werden.6

C. Einleitung 3 Das Verhältnis zwischen Unternehmer und HV ist auf Vertrauen und Zusammenarbeit aufgebaut. Den wegen der vertragsprägenden Leistung des HV in der §§-Folge vorangestellten und 1 Hopt § 86a Rn 1: Wegen dieser bloßen Rahmenordnung sind nicht die gesamten Regeln des HGB über die Unternehmerpflichten als Umsetzung des Art. 4 Abs. 1 RL anzusehen, siehe Hopt a. a. O. Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 94. Ebenroth/Hakenberg2 § 86a Rn 49. Ebenroth/Hakenberg2 § 86a Rn 49. BT-Drucks. 11/3077, S. 7. Hopt § 86a Rn 1.

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damit hervorgehobenen Pflichten des HV (§ 86) entsprechen solche des Unternehmers. So wenig wie diejenigen des HV, lassen sich die Pflichten des Unternehmers in einem gesetzlichen Katalog erschöpfend aufzählen.7 Auch § 86a ist hier nur Ansatz und Ausschnitt. Er regelt nur die wichtigsten Pflichten des Unternehmers.8 Die Tätigkeitspflicht des HV hat ihre Entsprechung in der Pflicht des Unternehmers, das Tätigwerden des HV nach Kräften zu fördern. Insoweit und auch in Bezug auf die hier gleichermaßen für den Unternehmer bestehende Treue-9 und Loyalitätspflicht (Rn 24 ff.) – sie ist allerdings weniger ausgeprägt als die Interessenwahrungspflicht des HV10 – ist kaum etwas problematisch. Das eigentliche Problem liegt dort, wo das Unternehmerinteresse und die Interessen des HV in Widerstreit geraten können: in der Frage, wie weit der Unternehmer in seinen unternehmerischen Dispositionen durch Rücksichtnahme auf Provisionschancen des HV gebunden sein kann. Gerade diesen Fragenkreis entscheidet das Gesetz nicht. Es geht zwar allgemein von der in Abs. 2 S. 2 und 3 nur unvollkommen umschriebenen11 Pflicht des Unternehmers zur gebührenden Berücksichtigung der Interessen des HV aus (Rücksichtnahmepflicht), ohne welche die Pflichten des HV, die Interessen des Unternehmers zu wahren (u. U. sogar unter Hintansetzung der eigenen Interessen zu wahren), der rechtfertigenden Ausgewogenheit entbehrten. Sie fordert vom Unternehmer, den HV vor Schäden zu bewahren.12 Aber gerade in dem Urteil über die „gebührende“ Rücksichtnahme liegt die besondere Schwierigkeit, welche nicht zuletzt über das Tatbestandsmerkmal der Billigkeit auch auf die Bemessung des Ausgleichs nach § 89b ausstrahlt.13 Betrachtet man die Literatur zum HV-Recht, legt der Vergleich des Umfangs ihrer Ausfüh- 4 rungen zu den Nebenpflichten des HV und des Unternehmers (auch in diesem Werk) nahe, die Nebenpflichten des HV seien zahlreicher als jene des Unternehmers. Das entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Ihren Grund hat die ausdifferenziertere Literatur zu den Nebenpflichten des HV vorwiegend in dem Umstand, dass mit Unternehmern häufiger über deren Hauptpflichten (Provision, Ausgleich unter Einschluss der Kontrollrechte als Hilfsrechte), mit den Vertretern dagegen eher über eine Verletzung ihrer Nebenpflichten, meist in Zusammenhang mit Auseinandersetzungen über die Rechtmäßigkeit einer außerordentlichen Kündigung, gestritten wird. Seine Ursache hat dieser Umstand darin, dass Unternehmer, soll der HV-Vertrag beendet werden, zur Vermeidung einer Ausgleichszahlung nach wichtigen Gründen für eine außerordentliche Kündigung wegen schuldhaften Verhaltens des Vertreters suchen. Jene „finden“ sich dann in einer angeblichen Verletzung von Nebenpflichten und diese Fälle stehen im Fokus von Literatur und Rechtsprechung. Das reichert sowohl Literatur und Rechtsprechung zu den Nebenpflichten der HV ungemein an, was sich in der Relation in einer geringeren Erfassung des Rechtsgebietes der Nebenpflichten des Unternehmers äußert.

D. Unterteilung der Pflichten des Unternehmers Wie die Pflichten des HV werden auch die des Unternehmers in gesetzliche und vertragliche 5 und innerhalb dieser Untergruppen in Haupt- und Nebenpflichten unterteilt.

7 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 1. 8 Begr. RegE BT-Drucks. I/3856, S. 19. 9 BGH, Urt. v. 25.4.1960 – II ZR 130/58, BB 1960, 605 (606). 10 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 5. 11 Hopt § 86a Rn 1. 12 BGH, Urt. v. 23.7.1997 – VIII ZR 130/96, BGHZ 136, 295; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 5; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 86a Rn 17, 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 17, 46; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 1. 13 Siehe Steindorff ZHR 1930 (1967) 88 ff. 721

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Gesetzliche Hauptpflichten des Unternehmers sind: – Die Provisionszahlungspflicht (§§ 87 ff.)14 – Die Ausgleichspflicht (§ 89b).15 Gesetzliche Nebenpflichten des Unternehmers sind etwa: – die Treuepflicht16 – die Auskunftspflicht17 – die Überlassungspflicht – die Informations- und Mitteilungspflicht – die allgemeine Unterstützungspflicht – Förderpflicht – die Rücksichtnahmepflicht – die Verschwiegenheitspflicht. In § 86a, der in nichtamtlicher Fassung die Überschrift „Pflichten des Unternehmers“ trägt, werden nur diese Nebenpflichten geregelt.18 Oberster Grundsatz der Zusammenarbeit im HV-Vertrag ist die Pflicht, sich so zu verhalten, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit beider Parteien gewährleistet ist und dem HV die Ausübung seiner Tätigkeit entsprechend den übernommenen Verpflichtungen möglich wird. Haupt- und Nebenpflichten des Unternehmers können weitgehend frei vereinbart werden. Das Leistungs-Gegenleistungsverhältnis soll so weit als vertretbar der Parteidisposition unterliegen. Einschränkungen ergeben sich auch hier aus den allgemeinen Grenzen (§§ 134, 138, 242 BGB), weiter aus § 307 BGB (Vor § 84 Rn 27 ff.). So kann sich der Unternehmer beispielsweise verpflichten, folgende Haupt- oder Nebenpflichten zu erfüllen: – Einrichtung eines Büros- oder einer Betriebsstätte für den HV – Zahlung einer Fixprovision – Gewährung eines Dienstwagens, etc. – Schulung des Personals des HV19 – Werbung für das Produkt oder den Vertriebsmittler20 – Ausstellung der Vertragsprodukte auf Messen21 – Belieferung des HV mit Ersatzteilen.22 Die Provisions- (§§ 87 ff.), Ausgleichs- (§ 89b) und Auskunftspflicht (§ 87c) des Unternehmers wurden wegen ihrer hervorgehobenen Bedeutung in eigenen §§ geregelt. In § 86a werden weitere, nicht gesondert normierte gesetzliche Nebenpflichten des Unternehmers angesprochen, die hervorgehoben werden sollten.23 Wegen der Paarbildung zu § 86 geschah dies bemerkenswerterweise vor den Vorschriften zu den Hauptpflichten des Unternehmers. Sämtliche dem Unternehmer obliegende Nebenpflichten hat er mit der üblichen Sorgfalt, als Kaufmann mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347 Abs. 1), zu erfüllen.24 Sie sind einklagbar und können ggf. – sofern es sich nicht um eine Vorwegnahme der Hauptsache

14 15 16 17

Westphal I Rn 369. Westphal I Rn 369. BGH, Urt. v. 25.4.1960 – II ZR 130/58, BB 1960, 605 (606). Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 124; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 5; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 1. 18 Hopt § 86a Rn 1. 19 Westphal I Rn 371. 20 Westphal I Rn 371. 21 Westphal I Rn 371. 22 Westphal I Rn 371. 23 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 1. 24 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 55. Emde

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handelt – im Wege der einstweiligen Verfügung gesichert werden.25 Der HV ist im Falle einer Verletzung durch den Unternehmer nicht auf Schadenersatzansprüche beschränkt.

E. Aktiv- und Passivlegitimation I. Handelsvertreter Aktivlegitimiert ist der HV. Damit gilt § 86a auch für Hauptvertreter im Verhältnis zu ihren 13 Untervertretern. Passivlegitimiert ist der Unternehmer. Wie allgemein ist auch hier die Rechtsform oder der rechtstatsächliche Auftritt der Parteien grundsätzlich unerheblich. Die Nebenpflichten bilden regelmäßig keine höchstpersönlichen Pflichten. Der Unternehmer darf sie auch durch Dritte erfüllen.26 So kann der Unternehmer etwa eine Gesellschaft gründen, deren einziger Zweck darin besteht, den Vertretern die zur Durchführung der ihnen obliegenden Aufgaben benötigten Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen.27

II. Handelsvertreterähnliche Vertriebsmittler Auf sie findet die Förderpflicht des Unternehmers, die allgemeine Informationspflicht des Abs. 2 14 S. 1 sowie Abs. 2 S. 3 entsprechende Anwendung, etwa auf Vertragshändler,28 Kommissionsagenten29 oder Franchisenehmer beim Subordinationsfranchising.30 Zudem hat der Unternehmer einem solchen Vertriebsmittler die produktspezifischen Unterlagen des Abs. 1 zu übergeben, soweit sich nicht ausnahmsweise aus den Besonderheiten des jeweiligen Vertrags etwas Abweichendes ergibt und die Bereitstellung von Unterlagen nicht erwartet werden kann.31 Da ein Vertragshändler das Geschäft selbst ausführt, ist es ihm eher als einem HV zuzumuten, eigene Werbeunterlagen zu fertigen. Deshalb wird hier zum Teil die analoge Anwendung der Überlassungspflicht von Unterlagen abgelehnt, da der Händler die Vertragsware, anders als der HV, nicht erwirbt.32 Der Händler werde abweichend vom HV Eigentümer der Ware; er müsse daher die den Warenabsatz unterstützenden Unterlagen erwerben. Diese Ansicht unterscheidet zu wenig zwischen dem Vertriebsvertrag und dem einzelnen Kaufvertrag. Die Überlassungspflicht hinsichtlich der Unterlagen ergibt sich aus dem vertriebsrechtlichen Rahmenvertrag und der Absatzförderungspflicht, die HV und Vertragshändler teilen. Im Franchiserecht ergibt sich meist aus der Einbindung in das Vertriebssystem des Unter- 15 nehmers, dass allein die Unterlagen des Unternehmers Verwendung finden dürfen. Häufig wird vereinbart, dass der Mittler lediglich die vom Unternehmer übermittelten Werbemittel nutzen darf. Nur Abs. 2 S. 2 hat im Recht der Vertragshändler und FN keinen Anwendungsbereich, weil sie die Geschäfte selbst schließen und damit der dort geregelten Information nicht bedürfen. Soweit die in § 86a bestimmten Pflichten analoge Anwendung finden, gilt gleiches für die zwingende Natur gem. Abs. 3.

Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 57 ff. Zur Überlassungspflicht nach § 86a: Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 9. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 9. BGH BB 1957, 452; NJW 1958, 1138; EBE 1997, 290 (292); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 62. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 1. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 62; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 1; eingeschränkt Matthiessen ZIP 1988, 1089 (1095). 31 Niebling WRP 2011, 1518 (1523) für Softwareüberlassung an einen Kfz-Vertragshändler. 32 Westphal II Rn 538; Küstner/Thume III, Rn 1307.

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1. Buch. Handelsstand

F. Zeitdauer und Fälligkeit der Pflichten I. Vertragsbegleitende Pflichten 16 Sämtliche Nebenpflichten bestehen vertragsbegleitend während der gesamten Vertragsdauer, also auch in der Zeit zwischen Kündigung und Vertragsende.33 Sie werden fällig, sobald nach Vertrag oder Verkehrsanschauung objektiv mit ihrer Erfüllung zu rechnen ist. Nach Fälligkeit sind die Nebenpflichten unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern im Sinne des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, zu erfüllen. § 86a Abs. 2 S. 2 ist insoweit Ausdruck einer allgemeinen Regel.

II. Vor- und nachvertragliche Pflichten 17 Die in § 86a geregelten Nebenpflichten sind Vertragspflichten. Sie bestehen daher vertragsbegleitend. Dies bedeutet jedoch nicht, dass vor- und nachvertragliche Pflichten des Unternehmers nicht existieren. Zu denken ist in erster Linie an Schutzpflichten, wobei auch hier Informationspflichten im Vordergrund stehen.

1. Vorvertragliche Pflichten 18 Vorvertragliche Nebenpflichten gewinnen vor allem als Treu- und Rücksichtnahmepflichten Bedeutung. Vorvertraglich oder bei nichtigem34 und noch nicht durchgeführten Vertrag (Nichtigkeit tritt nur ex nunc ein, siehe Kommentierung zu § 84) bestehen deshalb Schutzpflichten des Unternehmers, deren Verletzung zu Ansprüchen aus culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. 241 Abs. 2 BGB) führen. Der Unternehmer hat bereits vor Vertragsschluss vermeidbaren Schaden vom HV abzuwenden. Folgende Ausprägungen dieser vorvertraglichen Schutzpflicht sind hervorzuheben: Ihren wichtigsten Anwendungsfall hat die Schutzpflicht in der Pflicht zur vorvertraglichen 19 Information35 (zu den Aufklärungspflichten des Franchisegebers Vor § 84 Rn 634 ff.). In der Sache geht es um eine Verletzung der Aufklärungspflicht bzw. der Wahrheitspflicht,36 wobei die Verletzung der Aufklärungspflicht von aktiven Täuschungshandlungen zu separieren ist.37 Der (prospektive) Vertragspartner trägt zwar im Zweifel das wirtschaftliche Risiko des Vertrages,38 ist aber vor Vertragsschluss über alle entscheidungserheblichen Umstände zu informieren. Die Informationspflicht des § 86a Abs. 2 besteht nur vertragsbegleitend. Der HV darf aber auch fordern, vor Vertragsschluss ungefragt über alle für ihn zu diesem Zeitpunkt wesentlichen Punkte wahrheitsgemäß sowie vollständig unterrichtet zu werden.39 Insbesondere sind alle Umstände unaufgefordert zu offenbaren, die für die Entscheidung des HV, den Vertrag abzuschließen, erkennbar von Bedeutung sind.40 Ihm offensichtlichen Fehlvorstellungen hat der Unternehmer durch Aufklärung entgegenwirken. Erst recht darf der Unternehmer den Mittler nicht täuschen.41 Der Mittler muss

Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 10. Hopt § 86a Rn 2. Hopt § 86a Rn 2. Schipper NJW 2007, 734. Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099. Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 46; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 7. OLG Düsseldorf HVR Nr. 949; ebenso zum Franchise-Vertrag OLG München BB 1988, 865; Schipper NJW 2007, 734 (735). 41 Niebling WRP 2012, 1361 (1363) – zum Vertragshändler.

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abschätzen können, ob sich seine Tätigkeit lohnen wird.42 Falsch ist es zu sagen, solange der Unternehmer nichts in sittenwidriger Weise verschweige, brauche er von sich aus Nachteiliges nicht zu offenbaren oder vorzeitig über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens Aufschluss zu geben.43 Wird dem HV zugesichert, ein guter Kundenstamm sei vorhanden, so haftet der Unternehmer aus Verschulden bei Vertragsschluss auf Schadenersatz, wenn sich die später übergebene Kundenliste mit 13 Namen bis auf einen Kunden als wertlos erweist.44 Zudem kann Schadensersatz gemäß § 826 BGB (Verstoß gegen die guten Sitten)45 oder nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB als Schutzgesetz46 geschuldet sein. Es sei dem HV nicht zuzumuten, dass er sich auf die HVTätigkeit im Vertrauen auf den ihm zugesicherten Kundenstamm einlasse, falls ein solcher tatsächlich fehle.47 Die Einschätzung der Erfolgsaussichten nach wahrheitsgemäßer und vollständiger Aufklärung ist Sache des Mittlers.48 Er darf nicht blind auf unglaubwürdige Informationen des Unternehmers vertrauen.49 Konkrete Prognosen darf der Unternehmer nur nach sorgfältiger Prüfung abgeben.50 Dabei müssen eventuelle Risiken mit berücksichtigt und auch offenbart werden. Ohne Daten kann keine zuverlässige Prognose aufgestellt werden.51 Daraus folgt, dass ein Unternehmer bei Vorlage einer Prognose zugleich konkludent erklärt, jene sei sorgfältig erstellt worden,52 es sei denn, das Gegenteil ist offensichtlich. Über dem Unternehmer unbekannte Umstände muss er nicht aufklären,53 außer ihm sollte sich eine Untersuchung aufdrängen. Im Zweifel ist auf die unsichere Tatsachengrundlage hinzuweisen. Die Beweislast für ein Aufklärungsverschulden und eine Täuschung liegt beim Mittler.54 20 Beispiele: – Der Unternehmer muss den HV über den ihm nicht bekannten Einsatz anderer HV in seinem Gebiet aufklären.55 – Er hat den HV über die maßgeblichen Tätigkeitsbedingungen aufzuklären.56 – Der Unternehmer darf dem HV nicht zusichern, er werde in dem in Aussicht genommenen Gebiet als alleiniger HV tätig sein, wenn bereits ein anderer HV dort aktiv ist oder tätig werden soll.57 – der Unternehmer darf den Vertragshändler bei Investitionsentscheidungen nicht über voraussichtliche Gewinne täuschen.58

42 43 44 45 46

OLG Nürnberg BB 1956, 352 = HVR Nr. 153; Schipper NJW 2007, 734. So aber Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 31; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 23c. OLG Nürnberg BB 1956, 352 = HVR Nr. 153. OLG Nürnberg BB 1956, 352 = HVR Nr. 153. Niebling WRP 2012, 1361 (1363) – bei Täuschung über Gewinne im Zusammenhang mit Investitionsentscheidungen. 47 OLG Nürnberg BB 1956, 352 = HVR Nr. 153. 48 OLG Frankfurt DB 1979, 1178. 49 Hopt § 86a Rn 2. 50 LG Hamburg, Urt. v. 14.4.2004 – 418 O 52/01, n. v., bestätigt durch OLG Hamburg, Beschl. v. 19.11.2004 – 6 U 96/04, n. v., zit. nach Schipper NJW 2007, 734; Hopt § 86a Rn 2. 51 LG Hamburg, Urt. v. 14.4.2004 – 418 O 52/01, n. v., bestätigt durch OLG Hamburg, Beschl. v. 19.11.2004, 6 U 96/ 04, n. v., zit. nach Schipper NJW 2007, 734. 52 Schipper NJW 2007, 734 (735). 53 Giesler/Güntzel NJW 2007, 3099 (3102). 54 BGH, Urt. v. 19.7.2011 – VI ZR 367/09 – zum Franchiserecht; Niebling WRP 2012, 1361 (1363) zum Vertragshändlerrecht. 55 OLG Nürnberg BB 1956, 352; Hopt § 86a Rn 2. 56 Hopt § 86a Rn 2. 57 Hopt § 86a Rn 2; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 23b. 58 Niebling WRP 2012, 1361 (1363). 725

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§ 86a

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Der Unternehmer hat den HV auf eine in naher Zukunft beabsichtigte Betriebstilllegung59 oder andere wesentliche Änderungen hinzuweisen. Es hat eine Aufklärung über dem HV unbekannte Risiken der Vertretung zu geschehen.60 Es muss eine Information über das Auslaufen eines bedeutsamen Lizenzvertrages erfolgen, soweit dies eine für den Vertrieb wichtige Information darstellt.61 Auf geplante Umstellungen im Sortiment und in der Preisgestaltung ist hinzuweisen.62 Der Unternehmer hat von sich aus mitzuteilen, dass er seinen Betrieb veräußern will.63 Über die für das übergebene Vertriebsrecht relevante eigene wirtschaftliche Lage muss der Unternehmer aufklären.64 Das gilt insbesondere, falls der Interessent eine gewinnbringende Tätigkeit aufgeben muss, um für den Unternehmer tätig zu werden.65

2. Nachvertragliche Pflichten 21 Selbst nachvertraglich bestehen fortwirkende Treupflichten aus dem beendeten HV-Vertrag, insb. Rücksichtnahmepflichten. Sie verpflichten den Unternehmer, auch nachvertraglich vermeidbaren Schaden vom HV abzuwenden, sofern dies unschwer möglich ist. Die entsprechende Pflicht reduziert sich allerdings mit zunehmendem Abstand vom Vertragsende. Bedeutsam ist auch hier die Informationspflicht. Der Unternehmer hat den HV nachvertraglich über Umstände zu informieren, die für den HV erheblich sein können. Es ist daher insb. eine nachvertragliche Informationspflicht über solche Angelegenheiten anzunehmen, deren Kenntnis Schaden vermeiden kann, sofern die Information dem Unternehmer zumutbar ist und sie ohne Schwierigkeiten gegeben werden kann. Unzumutbar ist die Informationserteilung, wenn sich die Parteien nachvertraglich als Wettbewerber gegenüberstehen und es sich um Auskünfte handelt, die unter Wettbewerbern üblicherweise nicht erteilt werden. Auch hier kommt es auf den Einzelfall an und auf die Schwere des möglicherweise drohenden Schadens. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf66 besteht unter dem Gesichtspunkt der nachvertraglichen Rücksichtnahmepflicht kein Anspruch auf die Vertragsleistung selbst, im dortigen Fall die Belieferung mit Ersatzteilen und Verbrauchsmaterialien. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben könnten lediglich Nebenund Schutzpflichten, aber kein Anspruch auf die Vertragsleistung selbst abgeleitet werden. 22 Beispiele nachvertraglicher Pflichten sind: – die Pflicht, nachvertraglich eine ungebührliche Behinderung des HV in seiner neuen Tätigkeit zu unterlassen.67 Behindern darf der Unternehmer den HV nur, soweit dies wettbewerbsüblich ist.68 So darf der Unternehmer selbstverständlich ebenfalls vertreiben und als Konkurrent des HV tätig werden. – den Mittler nachvertraglich über drohende Schäden zu informieren.

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Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 23b. Hopt § 86a Rn 2. OLG Düsseldorf HVR Nr. 949; Schipper NJW 2007, 734 (735); Hopt § 86a Rn 2. OLG Düsseldorf HVR Nr. 949; ebenso zum Franchise-Vertrag OLG München BB 1988, 865; Schipper NJW 2007, 734 (735); Hopt § 86a Rn 2. 63 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 23b; Schipper NJW 2007, 734 (735). 64 Schipper NJW 2007, 734 (735). 65 Schipper NJW 2007, 734 (735). 66 OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2013 – VI-U (Kart) 36/13, NZKart 2014, 35. 67 Hopt § 86a Rn 3. 68 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 17; Hopt § 86a Rn 3; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 46. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 86a

G. Die in § 86a nicht ausdrücklich geregelten Nebenpflichten des Unternehmers Die einzelnen Nebenpflichten des Unternehmers werden in § 86a nur unvollkommen geregelt. 23 Die dort niedergelegten Pflichten bedürfen der Ergänzung durch allgemeine Regeln und der an anderer Stelle bestimmten Pflichten.

I. Treu-, Loyalitäts- und Unterstützungspflicht 1. Herleitung Die wichtigste Nebenpflicht des Unternehmers ist dessen Treupflicht. Sie wird auch als Förder- 24 pflicht benannt und bezeichnet die Pflicht, die Arbeit des HV oder jedes anderen Vertriebsmittlers, etwa Vertragshändler69 oder FN, auch ohne dahingehende vertragliche Abrede im Rahmen des branchenüblichen zu unterstützen und nach Möglichkeit zu fördern70 bzw. von seinen vertraglichen Möglichkeiten und Rechten loyal unter Beachtung der Belange des HV Gebrauch zu machen.71 Der Vertriebsvertrag ist damit ein unabdingbar durch gegenseitiges Vertrauen geprägtes Dauerschuldverhältnis mit beidseitigen Treupflichten.72 Die Förderpflicht setzt die aus Art. 4 Abs. 1 RL73 sowie § 242 BGB hergeleitete Rücksichtnahmepflicht des Unternehmers um. Meist wird die Pflicht in separate Pflichten, Treu- oder Loyalitätspflicht, Unterstützungspflicht sowie Rücksichtnahmepflicht unterteilt.74 Das ist nicht zwingend, weil es sich in der Sache um eine einheitliche Pflicht handelt, die sich kaum randscharf separieren lässt. Die Treupflicht des Unternehmers wird in den §§ 84 ff. nicht ausdrücklich geregelt, jedoch von 25 ihnen vorausgesetzt und findet in § 86a Abs. 1, Abs. 2 S. 175 sowie § 242 BGB ihre Ausprägung.76 Gleichwohl ist die Förderpflicht nur in ihrer in § 86a genannten Ausprägung nach Abs. 3 zwingend und kann daher mangels Normierung in § 86a erweitert77 und innerhalb der Grenzen der §§ 138, 307 BGB auch eingeschränkt werden. Dies entspricht dem gesetzlichen Regelungstypus, der die einem langfristigen Austauschvertrag immanenten Treupflichten grundsätzlich nicht spezialgesetzlich normiert. Die Treupflicht ist heute in § 241 Abs. 2 BGB allgemein geregelt und war auch zuvor anerkannt.78 Der Unternehmer unterliegt bei Vertriebsverträgen in höherem Maße als bei ande-

69 OLG München, Hinweisbeschl. v. 14.3.2014 – 23 U 4161/13 – Caravan-Vertrieb; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI-U (Kart) 1/08. GRUR-RR 2009, 109 (110) – Kfz-Zweiräder; OLG München, Urt. v. 22.1.2004 – U (K) 3329/03, WuW DE-R 2004, 1260 (1262) – BMW-Vertragshändler. 70 OLG München MDR 1958, 105; KG BB 1969, 1062; LAG Hamm, Urt. v. 3.2.2009 – 14 Sa 361/08, NZA-RR 2009, 632; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 20; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 17; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86a Rn 2. 71 Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 45; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 2; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 14b. 72 BGH NJW 1985, 623 (625); 1060 (1061); NJW-RR 1993, 678 (681); Martinek § 4 Rn 9 f.; Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 1. Zum englischen Recht, das vor der Umsetzung der RL eher den Schutz des Unternehmers vor dem HV betonte, s. Saintier ZVertriebsR 2014, 166. 73 Oetker/Busche5 § 86a Rn 25. 74 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 72 ff.; Hopt § 86a Rn 1; s. etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.9.2012 – I-16 U 77/11, BB 2012, 2656 m. Anm. Hilgard. 75 OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2001 – 16 U 84/00, HVR. Nr. 950 – HV. 76 Hopt § 86a Rn 1. 77 Ebenroth/Löwisch3 86a Rn 20. 78 Siehe etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunk-HV. 727

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ren Verträgen der Treupflicht.79 Deshalb wird die Treupflicht des Unternehmers in den Materialien zur Novelle 195380 mehrfach erwähnt. Sie steht nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Vermittlungstätigkeit des HV.81 Der Umstand, dass der HV in die Vertriebsorganisation des Unternehmers eingebunden ist und daher seine Tätigkeiten und das investierte Kapital den Interessen des Unternehmers unterzuordnen hat, verpflichtet den Unternehmer im Gegenzug dazu, den schutzwürdigen Belangen des HV im besonderen Maße Rechnung zu tragen82 und dessen Interessen nicht ohne begründeten Anlass zuwiderhandeln,83 auch im Verhältnis zu nicht alleinvertriebsberechtigten Vertragshändlern.84 Die Treupflicht bildet das Korrelat zur Interessenwahrungs- und Absatzförderungspflicht des HV.85 Dessen Bemühen, die Vertragsware bestmöglich und nach den Weisungen des Unternehmers zu vermitteln, steht die Pflicht des Unternehmers gegenüber, die Position des HV zu fördern und alles zu unterlassen, was ihm schaden könnte. Der HV hat gegen den Unternehmer keinen Anspruch auf „Beschäftigung“ – eine Fürsorge-86 oder Beschäftigungspflicht87 des Unternehmers i. S. d. Arbeitsrechts besteht also nicht –, sondern nur darauf, dass der Unternehmer ihn fördert und nicht behindert.88 Besonders die Rücksichtnahmepflicht schränkt die Dispositions- und Entschließungsfreiheit des Unternehmers (Rn 30 ff.) ein.

2. Inhalt 26 Es handelt sich bei der Treupflicht um eine über § 242 BGB und die Treupflichten in längeren Austauschverträgen hinausgehende Fürsorgepflicht,89 die sich ebenso wie beim Schädigungsverbot90 oft als Unterlassungspflicht ausprägt. Sie gebietet dem Unternehmer im Rahmen des Branchenüblichen alles zu tun, was nach Treu und Glauben erforderlich und zumutbar ist, damit der HV den ihm gestellten Aufgaben und Pflichten gerecht werden kann, also etwa die für die Vermittlung erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen91 (Leistungsgebot). Zudem hat der Unternehmer alles zu unterlassen, was die Zusammenarbeit beeinträchtigen und den HV benachteiligen oder schädigen könnte92 (Unterlassungspflicht, meist in Form der Rücksichtnahmepflicht). In welchem Maße aufgrund der besonderen Treuepflicht auf die Interessen der Mittler Rücksicht zu nehmen ist, hängt entscheidend davon ab, welchen Pflichten und Beschränkungen der Hersteller die Mittler in seinem Vertriebsinteresse unterworfen hat. Je mehr die Mittler sich in die Vertriebsorganisati79 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731 – Vertragshändler, dort Schadenersatzanspruch wegen Parallelvertriebs mangels gewichtiger Gründe zum Vertrieb befürwortet; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2001 – 16 U 84/00, HVR Nr. 950 – HV. 80 Begr. RegE BT-Drucks. I/3856, S. 19/20. 81 Missverständlich Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 1. 82 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunk-HV. 83 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI-U (Kart) 1/08. GRUR-RR 2009, 109 (110); OLG München, Urt. v. 22.1.2004 – U (K) 3329/03, WuW DE-R 2004, 1260 (1262). 84 OLG München, Hinweisbeschl. v. 29.1.2014 – 23 U 4161/13; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225); v. 20.8.2008 – VI -U (Kart) 1/08, GRUR-RR 2009, 109. 85 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunk-HV, nach Ansicht des OLG Düsseldorf schuldet der Unternehmer nicht weniger Loyalität als der HV dem Unternehmer. 86 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 5; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 1, 22; aA OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.7.2008 – 2 W 60/06, BeckRS 2009, 19731 i. S. e. Schädigungsverbots. 87 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 5. 88 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 22. 89 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.7.2008 – 2 W 60/06, BeckRS 2009, 19731. 90 BGH, Urt. v. 18.6.1964 – VII ZR 254/62, BGHZ 42, 59 (62) = NJW 1964, 1621; Hopt ZIP 1996, 1533 (1538); Ebenroth/ Löwisch3 § 86a Rn 46; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 1. 91 LAG Hamm, Urt. v. 3.2.2009 – 14 Sa 361/08, NZA-RR 2009, 632. 92 BGH, Urt. v. 11.12.1981 – I ZR 139/79, MDR 1982, 724; v. 18.6.1964 – VII ZR 254/62, BGHZ 42, 59 (62) = NJW 1964, 1621; OLG München, Urt. v. 10.6.2009 – 7 U 4522/08; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 46; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 1; Hopt ZIP 1996, 1533 (1538). Emde

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on eingliedern und diese durch den Einsatz von Kapital und Personal unterstützen müssen, umso mehr Rücksicht auf ihre legitimen Marktinteressen dürfen sie erwarten.93 Eine Begrenzung der Treupflicht auf den Kernbereich der Interessen der HV gibt es nicht. Die Treupflicht des Unternehmers kann die Intensität der Interessenwahrungspflicht des HV erreichen,94 wenngleich sie meist weniger intensiv sein dürfte. Ausdruck der Förderpflicht ist etwa die Verpflichtung des Unternehmers, den Mittler über das Produkt zu informieren und ihn diesbetreffend zu schulen. Für den Bereich des Kfz-Vertragshändlerechts entschied das OLG München,95 den Herstel- 27 ler BMW treffe eine gesteigerte Treupflicht gegenüber seinen Händlern. Der Umstand, dass der Händler nicht nur seine Tätigkeit, sondern auch seinen Geschäftsbetrieb und das von ihm investierte Kapital weitgehend den Interessen des Herstellers unterordne, verpflichte den Hersteller, seinen schutzwürdigen Belangen und Interessen angemessen Rechnung zu tragen und ihnen nicht ohne begründeten Anlass zuwider zu handeln. Diese Aussage gilt zumindest für alle Fälle des tief integrierten Vertriebs. Die Treupflicht wird durch eigene Interessen des Unternehmers und sein Dispositionsrecht 28 in Wechselwirkung mit den Interessen des HV begrenzt, wobei jede Partei den schutzwürdigen Interessen der anderen Partei Rechnung tragen muss.96 Besonders bedeutende Interessen des Unternehmers können seine Treupflicht reduzieren, es sei denn, es sind wieder überwiegende Gegeninteressen des HV zu berücksichtigen. Welchen Inhalt die Treu- und Unterstützungspflicht im Einzelfall hat, ist jeweils im Lichte der Würdigung der Interessen beider Vertragspartner und des Vertrages zu bestimmen.97 Die Rechtsform der Vertragspartner ist bei der Untersuchung des Umfanges der Treupflichten unerheblich. Je nach rechtstatsächlichem Zuschnitt kann die Treupflicht unterschiedlich ausgeprägt sein.98 Ein wirtschaftlich schwacher HV, der neu in das Vertriebssystem des Unternehmers eintritt, bedarf u. U. eines stärkeren Schutzes als ein bereits seit langem eingeführter und wirtschaftlich satuierter.

3. Rechtsfolgen Die Rechtsfolgen einer Treupflichtverletzung entsprechen denen jeder Vertragsverletzung: Un- 29 terlassung, Erfüllung, Schadenersatz99 (mit vorgeschaltetem Auskunftsrecht zur Bestimmung der Höhe des Ersatzanspruchs100) oder Recht zur fristlosen Kündigung.101 Für das Auskunftsrecht reicht der begründete Verdacht einer Vertragsverletzung aus.102 Vorsätzliche Verstöße gegen das Schädigungsverbot sind unwirksam (§§ 138, 242 BGB, Rechtsgedanke des § 86a Abs. 3); fahrlässige (und auch vorsätzliche) können im Wege der Naturalrestitution einen Anspruch auf Beseitigung der Folgen geben. Ein Vertragspartner, der sich selbst treuwidrig verhält, kann sich auf eine Pflichtverletzung des anderen Vertragspartners, die aufgrund dieses treuwidrigen Verhaltens erfolgt, nicht berufen.103

93 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI -U (Kart) 1/08, GRUR-RR 2009, 109 – Vertragshändler eines Motorradherstellers. 94 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunk-HV. 95 OLG München, Urt. v. 22.1.2004 – U (K) 3329/03, WuW DE-R 2004, 1260 (1262); ebenso OLG München, Hinweisbeschl. v. 29.1.2014 – 23 U 4161/13 – Caravanvertrieb.

96 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 72, 75. 97 OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.9.2012 – I-16 U 77/11, BB 2012, 2656 m. Anm. Hilgard. 98 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI-U (Kart) 1/08. GRUR-RR 2009, 109. 99 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI-U (Kart) 1/08. GRUR-RR 2009, 109 (110). 100 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI-U (Kart) 1/08. GRUR-RR 2009, 109 (110). 101 Siehe etwa Habersack/Ulmer S. 102/103. 102 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI-U (Kart) 1/08, GRUR-RR 2009, 109. 103 OLG München, Urt. v. 10.6.2009 – 7 U 4522/08. 729

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II. Rücksichtnahmepflicht 1. Einleitung 30 Die Rücksichtnahmepflicht des Unternehmers gegenüber den Belangen seiner Vertriebsmittler ist eine Untergruppe der Förderungs- bzw. Treupflicht des Unternehmers.104 Die dogmatische Herleitung der Rücksichtnahmepflicht wird teilweise aus dem Vertragsinhalt,105 zum Teil aus der dem Unternehmer obliegenden Treupflicht (Art. 4 Abs. 1 RL, § 242 BGB)106 oder aus der analogen Anwendbarkeit des § 86a hergeleitet. Sie fordert vom Unternehmer, den HV im Rahmen des Zumutbaren bei seiner vertraglichen Tätigkeit zu unterstützen,107 vor Schaden zu bewahren108 und ihm da, wo es nötig ist, Schutz zu gewähren, etwa vor einer Beeinträchtigung des Vertriebs durch vom Unternehmer abhängige Dritte.109 Den Umfang der Schutzpflichten des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern erreicht die Rücksichtnahmepflicht angesichts der Selbständigkeit des HV nicht.110 Die Zahlung von Bezirksprovision entbindet den Unternehmer nicht von der Rücksichtnahmepflicht (kann aber bei der Abwägung zu berücksichtigen sein), weil es dem HV auch um künftige erhöhte Provisionschancen und eine Erweiterung des Kundenstamms mit der Chance auf Ausgleichszahlung gem. § 89b gehen mag, die der HV nur durch eigene Tätigkeit schaffen kann.111

2. Kasuistik 31 Die Ausfüllung dieser allgemeinen Regeln ist Kasuistik. Die Treu- und Unterstützungspflicht fordert beispielsweise: – Anfragen: Der Unternehmer hat dem HV nicht nur bei zugesichertem Kundenschutz Kundenanfragen unverzüglich zuzuleiten112 – Keine systematischen113 Direktgeschäfte auszuführen, die den Unternehmer zu einem ernsthaften Wettbewerber des HV werden lassen. Zwar sind Direktgeschäfte grundsätzlich erlaubt. Sie dürfen jedoch kein solches Ausmaß annehmen, dass es dem HV wesentlich erschwert wird, bei Kunden Geschäfte zu vermitteln114 – EDV-Verbindung: Dem Versicherungsvertreter muss ebenso wie anderen VV der Zugang zur EDV-Beratungstechnologie zur Verfügung gestellt werden; dieser Anschluss darf nicht gesperrt werden115 – Ersatzteile: Bei Vertragshändler- und Franchiseverträgen wird man aus der Förderpflicht sowie aus § 242 BGB die Verpflichtung des Unternehmers zur Lieferung von Ersatzteilen herleiten müssen, es sei denn, das gelieferte Produkt ist preiswert und von allgemein kurzer Lebensdauer bzw. Ersatzteile werden in ausreichender Menge von anderen Lieferanten am

OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.9.2012 – I-16 U 77/11, BB 2012, 2656 m. Anm. Hilgard; Oetker/Busche5 § 86a Rn 26. BGH BB 1972, 1204; NJW 1985, 623 (625); Ulmer S. 433; Genzow Rn 81. OLG Zweibrücken BB 1983, 1301 (1302); Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 19. Hopt § 86a Rn 15. BGHZ 26, 161 (164, 165); 58, 145; 124, 354; BGH BB 1968, 60; OLG München MDR 1958, 105; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 34; Hopt § 86a Rn 15; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 20. 109 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 34; vgl. auch BGH, Urt. v. 9.1.1961 – VII ZR 219/59, HVR Nr. 261 = DB 1961, 601. 110 OLG München BB 1958, 247; Hopt § 86a Rn 15. 111 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 47; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 18; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 43. 112 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 20; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 22a. 113 Rohrßen DB 2018, 300 (305); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 44. 114 Westphal I Rn 411; Hopt ZIP 1996, 1809 (1819); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 47; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86a Rn 44. 115 OLG München, Urt. v. 10.6.2009 – 7 U 4522/08.

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Markt vertrieben.116 Ob die Bevorratungsdauer unter Heranziehung der steuerlichen Abschreibungsdauer zu ermitteln ist,117 erscheint zweifelhaft. Maßgeblich ist die gewöhnliche Betriebs- und Nutzungsdauer des Produktes.118 Nach Vertragsende ist der Hersteller nicht mehr zur Lieferung von Ersatzteilen verpflichtet.119 Dies gilt allerdings nicht, wenn der Hersteller mangelhafte Ware geliefert hat, so dass der Händler auf die Ersatzteile angewiesen ist, um selbst seinen Gewährleistungspflichten gegenüber dem Kunden nachkommen zu können.120 Weiter ergibt sich eine Belieferungspflicht, falls die Vertragsbeendigung vom Hersteller verschuldet worden ist. Als Teil seiner Schadensersatzpflicht muss der Hersteller den Vertragshändler insoweit mit Ersatzteilen versorgen, wie er ihm solche vertragsgemäß bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder zu Gewährleistungs- oder Reparaturarbeiten hätte liefern müssen.121 Schließlich kann im Einzelfall eine Belieferungspflicht aus § 19 GWB folgen (Vor § 84 Rn 466 ff.)122 Eingriff in den Geschäftsbetrieb des HV: Der Unternehmer darf nicht erheblich und schädigend in den Geschäftsbetrieb des HV eingreifen,123 etwa in das Organisationsrecht des HV. Hierdurch würde auch die Selbständigkeit des HV unzulässig berührt werden Fehlinvestitionen: Der Unternehmer muss den HV warnen, wenn er Fehlinvestitionen erkennt, etwa den HV durch rechtzeitige und vollständige Information über künftige Entwicklungen oder eine beabsichtigte Kündigung vor Fehlinvestitionen schützen.124 Zum Investitionsschadenersatz s. Kommentierung zu § 89. Formulierungsverantwortung: Den Unternehmer trifft eine Formulierungsverantwortung jedenfalls für von ihm entworfene Mittlerverträge.125 Er muss daher ggf. auch Nachteile tragen, die sich aus dieser Formulierungsverantwortung ergeben126 (s. auch § 305c Abs. 2 BGB). Vom Mittler entworfene Verträge muss er angemessen prüfen, wobei es sich nur um eine Obliegenheit, keine Pflicht, handelt. Die Verletzung der Obliegenheit führt gleichwohl zur Schadenersatzverpflichtung Gelegenheit zur Vermittlung: Der Unternehmer hat den HV auf ihm bekannte Gelegenheiten zur Ausübung seiner Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit hinzuweisen.127 Eine Pflicht zur Suche nach solchen Gelegenheiten trifft den Unternehmer nicht; dies ist Sache des HV Genehmigungsvorbehalt: Der Unternehmer ist gehalten, von Genehmigungsvorbehalten, die er im Vertrag sich hat zugestehen lassen, loyalen, die Interessen seines HV berücksichtigenden Gebrauch zu machen. Hauptfall ist der Vorbehalt der Genehmigung zur Übernahme von Zweitvertretungen. Soweit es um Konkurrenzvertretungen geht, ist er unbedenklich. Im Übrigen darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn sonst beachtenswerte Interessen des Unternehmers verletzt sein könnten, etwa infolge der Gefahr, der HV werde durch die Zweitvertretung von seinen für den Unternehmer übernommenen Aufgaben unvermeidlich und über Gebühr abgezogen werden. Im Zweifel wird er das Urteil hierüber aber dem HV als selbständigem Kaufmann überlassen müssen. Will er das nicht, muss er ihn als Einfirmenvertreter unter Vertrag nehmen. Eine „Weisung“, sich der beabsichtigten Zweitver-

Giesler/Vogels2 § 3 Rn 103 f. Rodig BB 1971, 854 (855). Kühne BB 1986, 1527 (1529); AG München NJW 1970, 1852; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 106. Westphal II, Rn 671. Westphal II, Rn 671. Westphal II, Rn 672. OLG Brandenburg, Urt. v. 31.3.2009 – Kart U 4/08, WuW DE-R 2824. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 47. BAG, Urt. v. 24.4.1980 – 3 AZR 911/77, ZIP 1980, 777 für Franchisegeber; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 49; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 19. 125 Semmler WRP 2007, 247 (256). 126 Semmler WRP 2007, 247 (256). 127 AA Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 73.

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tretung zu enthalten, könnte er vollends nicht geben. Noch weitergehend unter dem Gesichtspunkt und für den Geltungsbereich des § 19 GWB: Ebenroth/Obermann DB 1981 829 Gewährung günstigerer Konditionen an andere Vertriebsmittler und Firmen: Gewisse Differenzierungen darf der Unternehmer vornehmen, denn es besteht kein Gleichbehandlungsgebot gegenüber allen Vertriebsmittlern innerhalb des Vertriebssystems.128 Der Unternehmer darf einzelne Mittler aber nicht systematisch ausgrenzen, etwa durch schlechtere Konditionen (näheres Rn 61 ff.). Treuwidrig kann es sein, andere Vertriebspartner im Gebiet oder Kundenkreis des Mittlers unter Gewährung günstigerer Konditionen tätig werden zu lassen.129 Auch dürfen Vertragswaren über andere Firmen nicht zu günstigeren Preisen in das Gebiet des HV eingeführt werden130 Großhandel, keine Belieferung: Der Verkauf an den Großhandel, der dann Kunden des HV beliefert, kann einen mittelbaren Eingriff in das Vertriebsrecht des HV darstellen, welcher der Treupflicht widerspricht. Denn wirtschaftlich entspricht die Belieferung des Großhandels für den HV einer Direktbelieferung.131 Der Unternehmer darf allerdings die Lohnfertigung für einen Wettbewerber vornehmen, auch falls hierdurch mittelbar der Vertrieb dieses Wettbewerbers gestärkt wird132 Der Unternehmer darf keine Handlungen vornehmen, welche den geschäftlichen Erfolg, die Tätigkeit oder die Vermittlungsbemühungen des HV ohne sachlichen Grund gefährden, erschweren, vereiteln oder wirtschaftlich entwerten könnten133 Informationen: Der HV muss vom Unternehmer über alles Relevante so früh wie möglich informiert werden. Diese Pflicht entspricht der Treupflicht, ist aber wegen ihrer Bedeutung in § 86a Abs. 3 normiert (dazu unten) Kritik, keine Weitergabe an Kunden: Kritik am HV hat sich der Unternehmer gegenüber Kunden nach Möglichkeit zu enthalten. Der Unternehmer hat – sollte Kritik erforderlich sein – jene möglichst schonend anzubringen.134 Er darf den HV nachvertraglich nicht über die bloße Mitteilung des Vertragsendes hinaus bei der Kundschaft bloßstellen.135 Wird unberechtigte Kritik gegenüber Dritten geäußert, hat der HV einen Anspruch auf Unterlassung und Widerruf, wobei er allerdings Bagatellen wegen seiner Interessenwahrnehmungspflicht ungeahndet lassen muss136 Leasinggesellschaften, Zuschüsse: Gewährt der Unternehmer unternehmernahen Vermiet- und Leasinggesellschaften Zuschüsse, z. B. sogenannte Werbekostenzuschüsse, die er mittlernahen Unternehmen nicht zubilligt (Konditionenspreizung), kann hieran eine Treupflichtverletzung liegen.137 Der Unternehmer tritt dem Händler als Wettbewerber entgegen, was seiner Schutzpflicht sowie dem Gedanken der Gleichbehandlung widerspricht.138 Dem darf im Kfz-Vertrieb nicht entgegengehalten werden, die Maßnahmen beträfen unterschiedliche Märkte für Kfz-Leasing bzw. Vermietung sowie für Gebraucht- und Vorführwa-

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Hopt ZIP 1996, 1538; Hopt § 86 Rn 10, 30; § 86a Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 73. LG Stuttgart HVR Nr. 668, Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 77. OLG Bremen BB 1967, 430; Westphal I Rn 410. BGH, Urt. v. 21.12.1964 – VII ZR 31/63, n. v., zit. nach Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 98. BGH DB 1972, 524; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 99. Westphal I Rn 410; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 46; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 43; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 1, 22. 134 OLG Karlsruhe BB 1959, 1006; Küstner/Thume I, Kap. 5. Aufl., IV Rn 82; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 47; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 45; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 22. 135 OLG Karlsruhe BB 1959, 1006; OLG Düsseldorf HVR Nr. 113; Nr. 1148; LG Dortmund HVR Nr. 44; Hopt § 86a Rn 16. 136 OLG Karlsruhe BB 1959, 1006; Westphal I Rn 409. 137 Habersack/Ulmer S. 132. 138 Habersack/Ulmer S. 96, 101. Emde

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gen.139 Zugleich liegt hierin eine Verletzung des § 19 GWB.140 Dies gilt allerdings nur insoweit, als kleine und mittlere Unternehmen geschützt sind141 Der Unternehmer muss alles unterlassen, was die Marktposition und Gewinnaussichten des HV beeinträchtigt142 Mindestverdienst: der Unternehmer hat dem Mittler ein Mindestmaß an Verdienstmöglichkeiten zu ermöglichen. Ob sie sich dann materialisieren, ist eine sich anschließende Frage, deren Beantwortung auch von den Fähigkeiten des Mittlers abhängt. Es stellt einen erheblichen Verstoß des Unternehmers gegen die aus dem Vertriebsvertrag resultierende Treue- und Fürsorgepflicht dar, wenn der Unternehmer den Vertrag so ausgestaltet, dass er für den Mittler nur ohne Gewinn oder sogar defizitär erfüllt werden kann.143 Der Unternehmer schuldet dem HV jedoch lediglich die Chance, einen hinreichenden Verdienst zu realisieren. So entschied das OLG München, Kfz-Hersteller seien bei der Gestaltung der Preise gegenüber ihren Vertragshändlern nicht frei. Nehme der Hersteller durch Abgabe einer unverbindlichen Preisempfehlung (UPE) Einfluss, dürfe er die Preise, zu denen er die Händler beliefere, nicht so festsetzen, dass ihnen keine angemessene Gewinnspanne verbleibe. Der Abgabepreis an die Händler und die UPE müssten entsprechend harmonisiert werden.144 Ein Vertragshändlervertrag hat deshalb hinreichende Grundrabatte oder vergleichbare Vergütungen vorzusehen.145 Die Erhöhung des Werksabgabepreises von Kfz gegenüber den Vertragshändlern stellt aber keine unbillige Behinderung i. S. d. § 19 GWB dar, weil Händler Fahrzeuge an Kunden wegen der ihnen gewährten Rabatte regelmäßig unterhalb der UPE des Herstellers verkaufen und die Erhöhung des Werksabgabepreises kompensieren können, indem sie ihren Kunden geringere Rabatte gewähren146 Preisgestaltung: Der Unternehmer hat – angesichts der kartellrechtlichen Unzulässigkeit der Preisbindung (s. Kommentierung zu Vor § 84) eine Selbstverständlichkeit – die Preisgestaltungsfreiheit des Eigenhändlers zu respektieren; eine nach außen als freiwillig hingestellte Preissenkungsaktion unter wirtschaftlichem Druck, ausschließlich zu Lasten des Mittlers verstößt gegen die Treupflicht, zumal wenn zu antizipieren ist, dass nur wenige Mittler sich anschließen147 Preisunterbietung oder Preisspaltung (selbst oder durch Dritte) oder deren Duldung bzw. Förderung durch einen anderen HV148 hat der Unternehmer zu unterlassen, und zwar selbst dann, wenn dem HV kein Alleinvertriebsrecht gewährt wurde.149 Der BGH150 hat hierzu ausgesprochen, ein HV, dem kein Gebietsschutz gewährt wurde, dürfe beanspruchen, dass es anderen im selben Gebiet tätigen HV nicht gestattet werde, die vertriebenen Produkte zu niedrigeren Preisen anzubieten, als sie ihm selbst vorgeschrieben wurden. Dies ergebe sich aus der Treupflicht. Das Gleiche muss gelten, wenn der Unternehmer auf diese Weise Direktgeschäfte anbietet. Das OLG Bremen151 hat einem Bezirksvertreter das Recht auf eine ausgleichserhalten-

139 140 141 142 143 144 145

Habersack/Ulmer S. 132. Habersack/Ulmer S. 132. Habersack/Ulmer S. 132. Zum Vertragshändler: Ensthaler/Gesmann-Nuissl BB 2003, 533 (535). Giesler/Vogels2 § 3 Rn 270. OLG München, Urt. v. 22.1.2004 – U (K) 3329/03, WuW DE-R 2004, 1260 (1262). BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 146 OLG München, Urt. v. 22.1.2004 – U (K) 3329/03, WuW DE-R 2004, 1260 (1261). 147 BGH NJW 1970, 855; LG Frankfurt/M. BB 1969, 1326; Hopt § 86a Rn 16. 148 OLG Bremen, Urt. v. 10.2.1966 – 2 U 43/65, NJW 1967, 254 – begründeter Anlass zur ausgleichserhaltenden Kündigung; Hopt § 86a Rn 17. 149 BGH, Beschl. v.15.4.1986 – KVR 3/85, BGHZ 97, 317 (327); OLG Bremen, Urt. v. 10.2.1966 – 2 U 43/65, BB 1967, 430 = HVR Nr. 366; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 96. 150 Beschl. v. 15.4.1986 – KVR 3/85, BGHZ 97, 317 (327). 151 Urt. v. 10.2.1966 – 2 U 43/65, BB 1967, 430 = NJW 1967, 254 = HVR Nr. 355. 733

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de Kündigung zugebilligt, weil der Unternehmer in seinem Gebiet unter einer anderen Firma den vom HV beworbenen Kunden Angebote zu geringeren Preisen übermittelt hatte – Schutz der Stellung des HV bei Kunden: den Unternehmer trifft die Verpflichtung, die Stellung des HV bei Kunden nicht zu untergraben152 – Untervertreter: Ein Hauptvertreter muss bei Vertragswidrigkeiten seines Unternehmers ggf. gegen diesen – u. U. nach §§ 935, 940 ZPO – vorgehen, um sich in die Lage zu versetzen, den Vertrag mit seinem Untervertreter fortzusetzen (s. zu Untervertretern Kommentierung zu § 84) – Wettbewerbsverbot des Unternehmers und Abschirmpflicht: Siehe hierzu unten, Rn 35 ff. – Keine Hilfeleistung gegenüber Wettbewerbern: Dritte dürfen nicht unterstützt werden, mit Kunden eines HV Geschäfte zu schließen153 – Verschwiegenheitspflicht: Eine Pflicht zur Verschwiegenheit ist Ausdruck der gegenseitigen Vertrauensbindung,154 zudem Spiegelbild des § 90. Persönliche oder Unternehmensdaten des HV, z. B. Umsätze, Provisionen oder Bilanzen, sind vertraulich zu behandeln und dürfen nur mit Einverständnis des HV Dritten bekanntgegeben werden.155 Da die Existenz des HV auf einem guten Verhältnis zu seinem Kunden beruht, hat sich der Unternehmer herabsetzender oder störender Urteile über den HV zu enthalten.156 Selbst Tatsachen, die für den HV nicht ungünstig sind, hat er nach Möglichkeit nicht an die Kunden weiterzugeben, soweit keine vorrangige Schutzpflicht die Information der Kunden gebietet. Der Unternehmer verletzt beispielsweise die Verschwiegenheitspflicht, wenn er sich über seinen HV abfällig gegenüber der Kundschaft äußert, vertrauliche Kundenberichte des HV mit ungünstigen Urteilen über den Kunden diesem zugänglich macht157 oder Betriebsgeheimnisse des HV offenbart, auch gegenüber einem Nachfolgevertreter. 32 Zum Teil wird aus der Förderpflicht eine Qualitätssicherungspflicht des Herstellers abgeleitet.158 Diese Ansicht geht möglicherweise zu weit. Schlechtlieferungen bilden grundsätzlich keine schadenersatzbegründende Treupflichtverletzung, es sei denn, sie beruhen auf Vorsatz oder Willkür.159 Generell hat der HV keinen „Anspruch“ darauf, dass der Unternehmer „gut liefert“. Er ist auch hier mit dem Ansehen und der wirtschaftlichen, damit aber auch der qualitativen Leistungsfähigkeit des von ihm vertretenen Unternehmers, im Guten wie im Schlechten verbunden. Sieht er sich hierin enttäuscht, mag er aus wichtigem Grunde fristlos kündigen und hätte alsdann einen Verlust des Ausgleichsanspruchs nicht zu besorgen.160 Eine Pflichtverletzung liegt allerdings vor, sofern der Unternehmer trotz Mahnung des HV und der Möglichkeit, mangelfrei zu liefern, gleichwohl mangelhaft liefert,161 insbesondere willkürlich, ohne sachli-

152 Westphal I Rn 408. 153 BGH DB 1961, 601 = HVR Nr. 261 zum Bezirksvertreter. Der Klage des HV auf Zahlung der Bezirksprovision aus dem v. dem Dritten abgeschlossenen Geschäft wurde daher stattgegeben. 154 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunkvermittler; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 81; Küstner BB 1984, 1906; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 48. 155 Küstner BB 1984, 1906; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 48. 156 OLG Karlsruhe DB 1959, 1006 = HVR Nr. 224; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 82; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 47; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 45; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 22. 157 LG Freiburg/Breisgau BB 1966, 999; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 82; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 47; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 19; Hopt § 86a Rn 16; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 45; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 28a. 158 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 299. 159 BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219; OLG Celle DB 1962, 94 = HVR Nr. 265; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 116; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 14. 160 OLG Celle DB 1962, 94 = HVR Nr. 265. 161 OLG Celle DB 1962, 94 = HVR Nr. 265. Emde

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chen Grund oder in Schädigungsabsicht.162 Auch wenn die Schlechtlieferung des Unternehmers im Verhältnis gerade zu seinem HV einen Verstoß gegen die Vertragspflichten darstellt, etwa falls dringende Vorstellungen des HV wegen der schlechten Qualität in den Wind geschlagen werden163 oder eine „sinnlose Misswirtschaft“164 vorliegt, ist der HV in seinen vertraglichen Rechten beeinträchtigt und kann über die Kündigungsmöglichkeit hinaus aus § 280 BGB für die entgehenden Provisionschancen Schadensersatz verlangen. 33 Die Treu- und Unterstützungspflicht fordert nicht, dass: – der Unternehmer dem HV Kundenadressen zu liefern hat. Der HV muss diese Kunden selbstständig akquirieren. Ausnahmsweise kann eine über Jahre wiederholte Belieferung mit derartigen Daten sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu einer Nebenpflicht verdichten, nach der die bisherige Praxis nicht ohne Grund beendet werden darf, womit ein solches Verhalten des Prinzipals, welches einem unbegründeten Abbruch einer Geschäftsbeziehung nahe kommen mag, geeignet sein kann, einen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB zu begründen.165 – der Unternehmer an allen erreichbaren Fachmessen teilnimmt.166 Es kommt insoweit auf die Verkehrsüblichkeit an. Weitere Förderpflichten können dem Unternehmer durch Vertrag auferlegt werden.167 Abs. 3 34 steht nicht entgegen.168

3. Sonderfall der Rücksichtnahme- und Treupflicht: Wettbewerbsverbot des Unternehmers und Abschirmpflicht Ein einfacher Vermittlervertrag, der kaum über das Vergütungsinteresse des Mittlers hinausgehen- 35 de finanzielle Risiken begründet, schafft kein Eigenvertriebsverbot zu Lasten des Unternehmers.169 In dieser Situation darf sich der Unternehmer den Eigenvertrieb auch vertraglich vorbehalten, selbst durch AGB. Das ist der Grundsatz. Nur ausnahmsweise besteht ein Wettbewerbsverbot des Unternehmers: Je enger der Mittler in das Vertriebssystem des Unternehmers eingebunden wird und je höher damit seine finanziellen Risiken und spiegelbildlich die Treupflichten des Unternehmers werden, umso eher ist von einem Wettbewerbsverbot des Unternehmers auszugehen. Außerdem mag eine Vertragsauslegung die Unzulässigkeit des Wettbewerbs durch den Unternehmer ergeben. Dies kann etwa bei der Zusage einer Alleinvertriebs- oder Alleinvertreterstellung der Fall sein, je nach den Umständen des Einzelfalles.170 36 Im Einzelnen:

a) Grundsatz: Dispositionsbefugnis der Unternehmer über sein Vertriebsnetz. § 86a 37 Abs. 2 setzt für das HV-Recht eine gewisse Dispositionsfreiheit des Unternehmers voraus (Rn 37 ff.). Dies ist Ausdruck eines größeren Grundsatzes, der Organisationsautonomie jedes Unternehmers, wie sie auch in der Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG Ausdruck fand: Einem Hersteller steht es frei, den Absatz seiner Erzeugnisse so zu organisieren, wie es ihm am zweck162 BGHZ 26, 161; BGH NJW 1958, 1138; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunk-HV; OLG Celle DB 1962, 94; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 14. 163 OLG Celle DB 1962, 94 = HVR Nr. 265. 164 BGHZ 26, 165. 165 OLG Hamburg, Hinweisbeschl. v. 22.10.2012 – 13 U 102/12. 166 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 20; aA KG BB 1969, 1062. 167 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 20. 168 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 20. 169 Emde VersR 2012, 536; Hopt § 86a Rn 17. 170 Emde VersR 2012, 536. 735

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mäßigsten erscheint.171 Er besitzt die Dispositionsfreiheit über sein Unternehmen und dessen Geschäftspolitik. Aus Rücksicht auf den Mittler muss der Unternehmer eine unternehmerische Entscheidung weder unterlassen noch zurückstellen (Rn 37 ff.). Als übergeordneter Grundsatz gilt dies im gesamten Vertriebsrecht. Grds. ist der Unternehmer also nicht daran gehindert, in Wettbewerb zum Vertriebsmittler und zum Eigenvertrieb,172 selbst über unternehmenseigene Tochtergesellschaften,173 überzugehen.

38 b) Kartellrecht. Auch das Vertriebskartellrecht geht zumindest implizit von der Zulässigkeit eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen Mittler und Unternehmer sowie des unternehmerischen Eigenvertriebs aus. Gem. Art. 2 Abs. 4 der GVO 330/10 sind vertikale Vereinbarungen unter Wettbewerbern grds. nicht freistellungsfähig.174 Auch potenzielle Wettbewerbsverhältnisse, die in Art. 1 Abs. 1 lit. c GVO definiert sind, werden von der Freistellungsunfähigkeit betroffen, wobei die Möglichkeit des Wettbewerbs auf realistischen Annahmen beruhen muss (Tz 27 LL zur GVO 330/10). Oft stehen Unternehmer und Mittler in potentiellem Wettbewerb175 (Tz 27 LL). In typischen Unternehmer-Vertriebsmittler-Situationen ist der Vertrag ungeachtet dessen freigestellt. Es handelt sich um die Fälle des zweigleisigen Vertriebs,176 in welchem nicht wechselseitige vertikale Vereinbarungen getroffen werden. Bedingung der Freistellung bleibt in diesem Fall, dass der Unternehmer einschließlich verbundener Unternehmen (Art. 1 Abs. 2 GVO 330/10) zugleich Hersteller und Händler von Waren ist, der Abnehmer einschließlich verbundener Unternehmen hingegen nur Händler, also keine mit den Vertragswaren in Wettbewerb stehenden Waren herstellt. Diese Ausnahme von der Freistellungsunfähigkeit der Vereinbarungen unter Wettbewerbern zeigt, dass das Kartellrecht von der Zulässigkeit eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen Unternehmer und seinem Vertriebsmittler ausgeht.

39 c) Grenzen des Dispositionsrechts. Seiner Gestaltungsfreiheit begibt sich der Unternehmer in einem zu bestimmenden Umfang, wenn er sich entschließt, seine Produkte durch Absatzmittler vermarkten zu lassen (Rn 37 ff.).

40 d) Vertragliche Verpflichtung des Unternehmers, Wettbewerb gegenüber dem Vertriebsmittler zu unterlassen. Ein Wettbewerb des Unternehmers zu seinen Vertriebsmittlern ist unzulässig, falls dem Mittler Freiheit von solchem Wettbewerb versprochen wurde. Das ist zulässig, auch für Teilbereiche.177 Vgl. hierzu zunächst Kommentierung zu § 84 zum Alleinvertriebsrecht.

171 Thume BB 2018, 770 (771); Drossart IHR 2016, 7 (11). 172 BGH, Urt. v. 4.3.2008 – KZR 36/05, NJW-RR 2008, 1491 = WRP 2008, 1376 (1379) Rn 39 f – Ausschluss der HV v. Internetvertrieb; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2014 – VI-U (Kart) 4/14, ZVertriebsR 2016, 44 – Franchisevertrag; v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225); Thume BB 2018, 770 (771); Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 14, 15 und 23; vgl. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 27; zum Ganzen Hopt ZIP 1996, 1809. 173 BGH, Urt. v. 31.1.2012 – KZR 65/10, WUW DE-R 3549 = NJW 2012, 2110- betrifft allerdings das Verhältnis des Unternehmers zu Werbeagenturen und nicht zu seinen HV; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2014 – VI-U (Kart) 4/14 – Franchisevertrag. 174 de Crozals/Heinen EWS 2009, 503 (505). 175 Wiemer WuW 2009, 750 (751). 176 Simon EWS 2010, 497 (499). 177 Vgl. Thume BB 2018, 770 (774): Unterlassen des Internetvertriebs. Emde

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Es ist dabei in folgender Reihenfolge zu prüfen178: aa) Gibt es ein ausdrückliches Verbot von (ggf. mittelbaren179) Eigengeschäften des Unternehmers, das eindeutig eingreift? bb) Bei ergebnisloser Prüfung zu aa): Lässt sich dem Vertrag konkludent ein solches Verbot entnehmen? cc) Bei ergebnisloser Prüfung zu aa) und bb): Ist dem Vertrag aufgrund besonderer Umstände ein solches Verbot immanent? Häufig fließen die Prüfungen zu bb) und cc) ineinander. Erst wenn eine der Prüfungen zu aa)–cc) positiv verläuft, wäre die Wirksamkeit einer Einschränkung oder eines Ausschlusses des Wettbewerbsverbots zu untersuchen. Denn wenn kein Wettbewerbsverbot existiert, kann es auch bedenkenlos eingeschränkt werden. Dabei sind verschiedene Formen der Zusage eines Wettbewerbsverbots denkbar.

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aa) Alleinvertrieb und Alleinvertreter. Häufig enthält der Mittlervertrag ein Alleinvertriebs- 47 oder Alleinvertreterrecht. Zumindest die (ggf. konkludente) Vereinbarung eines Alleinvertriebs oder eine dem nahe kommende Position beinhaltet ein Wettbewerbsverbot zu Lasten des Unternehmers (zum Alleinvertriebsrecht s. Kommentierung zu § 84). bb) Andere Regelungen zum Eigenvertrieb des Unternehmers. Außer der Zusicherung des 48 Alleinvertriebs kann sich der Unternehmer auch auf andere Weise dazu verpflichten, den Eigenvertrieb zu unterlassen.180 So darf sich der Unternehmer verpflichten, ein Vertriebssystem ausschließlich mit unabhängigen Mittlern zu unterhalten.181 Die Klausel „Der Vertrieb erfolgt … nur über XX-Vertragshändler„ schließt etwa den Verkauf des Herstellers durch konzerneigene Gesellschaften aus.182 Gleiches gilt für eine Gebietschutzabrede, derzufolge der Unternehmer im Vertragsgebiet keine Firmen oder Endabnehmer beliefern soll183 oder der Händler als „exklusiver Vertriebspartner für das Vertragsgebiet“184 eingesetzt wird, wobei im Fall der letztgenannten Abrede ein Streit wie bei der Zusicherung der Eigenschaft als „Alleinvertreter“ denkbar ist. Jedenfalls soll diese Abrede auch den Internetverkauf durch den Unternehmer im Vertragsgebiet ausschließen.185 Auch die Abrede, mit der ein FG sich gegenüber dem FN verpflichtet, „während der Laufzeit dieses Vertrages keinen eigenen Betrieb zu eröffnen noch dazu einem Dritten das Recht zu erteilen“, ist wirksam.186 Der Unternehmer darf sich auch verpflichten, den Internetvertrieb zu unterlassen.187 Einer im Vertrag eingefügten „Anpassungsklausel“ für den Fall der Fortentwicklung des Franchisesystems lässt sich nicht das Recht des Unternehmers auf einen Eigenvertrieb per Internet entnehmen, wenn der Unternehmer an anderer Stelle versprach, nicht in Wettbewerb zu treten.188 Das Verbot des FG einen Onlineshop zu betreiben, der in Wettbewerb zu dem FN tritt, soll aber nicht aus der Klausel folgen, im unmittelbaren Einzugsbereich des FN ohne vorherige 178 Siehe Emde VersR 2012, 536 (539) und etwa BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060. 179 Etwa durch Tochtergesellschaften des Unternehmers. 180 BGH, Urt. v. 1.8.2013 – VII ZR 268/11, ZVertriebsR 2013, 310 (Verstoß des FG gegen vertragl. versprochene Exklusivität); Emde VersR 2012, 536 (540). 181 KG, Urt. v. 25.10.2002 – 7 U 240/01 (Franchisevertrag); OLG Köln, Urt. v. 17.11.2000 – 19 U 200/00, BB 2000, 2595 = EWiR 2001, 23 (Emde) = WuW/E 2001, 185 DE-R 605 = NJW-RR 2001, 1178 (Kfz-Vertragshändler). 182 OLG Köln, Urt. v. 17.11.2000 – 19 U 200/00, BB 2000, 2595 = EWiR 2001, 23 (Emde) = WuW/E 2001, 185 DE-R 605 = NJW-RR 2001, 1178. 183 KG, Urt. v. 25.10.2002 – 7 U 240/01 (Franchisevertrag). 184 BGH, Versäumnisurt. v. 17.7.2002 – VIII ZR 64/01, HVR Nr. 1034 (Auszug in BB 2002, 2351). 185 KG, Urt. v. 25.10.2002 – 7 U 240/01. 186 BGH, Urt. v. 1.8.2013 – VII ZR 268/11, ZVertriebsR 2013, 310 (311); v. 13.7.2004 – KZR 5/03, BeckRS 2004, 08860 unter C. 187 Thume BB 2018, 770 (774). 188 KG, Urt. v. 25.10.2002 – 7 U 240/01 (Franchisevertrag). 737

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Kontaktaufnahme mit dem FN keinen weiteren Franchisevertrag abzuschließen, da hiermit allenfalls ein Verbot stationärer Märkte und kein Verbot des Onlinevertriebs geregelt werde.189 Der Regelung „exklusiv und damit in jedem Fall verprovisionierungspflichtig“ soll sich ebenfalls kein Wettbewerbsverbot des Unternehmers entnehmen lassen. Vielmehr soll damit nur eine Bezirksvertreterprovision zugesichert werden.190

e) Beschränkungen des Eigenvertriebs des Unternehmers aufgrund des dispositiven Rechtes aa) Gleichbehandlungspflicht und Wettbewerbsverbot des Unternehmers 49 (1) Gleichbehandlungspflicht im Anwendungsbereich des § 19 GWB. Fraglich ist, ob der Unternehmer bei Erfüllung der TB-Voraussetzungen des § 19 GWB verpflichtet ist, seine Vertriebsmittler untereinander und jene mit dem unternehmerischen Eigenvertrieb gleich zu behandeln. Dazu Vor § 84 Rn 449 ff.

50 (2) Gleichbehandlung außerhalb des Anwendungsbereichs des § 19 GWB. Siehe hierzu Rn 77 ff.

51 bb) Wettbewerbsverbot nach HGB. (1) Auch bei Nichteingreifen der TB-Voraussetzungen des § 19 GWB darf der Unternehmer eigene Vertriebsgesellschaften und/oder den Eigenvertrieb nicht grenzenlos gegenüber unabhängigen Mittlern bevorzugen. Das gebieten die dem Unternehmer obliegenden Treupflichten. Ein solcher Vertrieb kann sogar unzulässig sein. In der Praxis wird dies nicht als Problem der Gleichbehandlung, sondern als solches der Begrenzung des Eigenvertriebsrechts begriffen.191 (2) Ein grundsätzliches, vertragsbegleitendes Wettbewerbsverbot des Unternehmers ist 52 dem Mittlervertrag indes nicht ohne Eingreifen besonderer Umstände immanent.192 Insbesondere gibt es keine dahin gehende gesetzliche Regelung. Eine solche fehlt zwar auch zum Wettbewerbsverbot des HV, welches heute gleichwohl allg. anerkannt ist. Anders als zum Wettbewerbsverbot des HV193 wird aber das des Unternehmers in den Gesetzesmaterialien nicht diskutiert und es besitzt auch keine historischen Wurzeln. Ob den Unternehmer ein Wettbewerbsverbot trifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, etwa dem Inhalt des jeweiligen Vertrages, den berechtigten Erwartungen der Vertragspartner, der Vertragsdurchführung und der Ausgestaltung des konkreten Vertriebssystems.194 Sämtliche von der Rspr. entschiedenen Fälle, in 189 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2014 – VI-U (Kart) 4/14, ZVertriebsR 2016, 44 – Franchisevertrag. 190 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 – 9 U 58/14, NJW-RR 2015, 290 = ZVertriebsR 2015, 40 = BeckRS 2014, 22685 Rn 19. 191 Emde VersR 2012, 536 (542). 192 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2014 – VI-U (Kart) 4/14, ZVertriebsR 2016, 44 – Franchisevertrag; v. 21.6.2013 – I16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224; Emde VersR 2012, 536 ff.; Giesler/Vogels2 § 2 Rn 276; Canaris § 17 Rn 77; Flohr/ Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 151 (Vertragshändler); Hopt § 86a Rn 17; Oetker/Busche5 § 86a Rn 27; nicht ganz deutlich MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 43 – einerseits Wettbewerbsverbot bejaht, aber wohl nur in der Form des Verbots, die Abschlusstätigkeit des Mittlers „systematisch lahmzulegen“; aA Ebenroth/ Löwisch3 § 86a Rn 46. 193 Siehe Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB für das Deutsche Reich (RJA-E I), S. 58; Protokolle über die Beratungen der „Kommission“ Handel bei Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum HGB von 1897, Band 2, 1987, S. 259 ff. (366 f.). 194 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731 (BGH bejahte Schadenersatzansprüche der Vertragshändler bei Aufnahme eines Parallelvertriebs durch den Unternehmer); OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2001 – 16 U 84/00, HVR Nr. 950 – HV; Emde VersR 2012, 536 (543); Canaris § 17 Rn 77; Hopt § 86a Rn 17. Emde

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denen ein Wettbewerbsverbot befürwortet wurde, betreffen Sondersituationen, in welchen sich das Verbot aus Besonderheiten des Einzelfalls herleitete. Die Vielzahl dieser Fälle gibt leicht den unzutreffenden Eindruck, dass ein Wettbewerbsverbot dem Normalfall entspricht. Grundsätzlich gilt folglich: Dem Unternehmer sind Eigengeschäfte im Gebiet oder Bezirk 53 des Mittlers nicht verboten.195 Er darf zudem konkurrierende Mittler einsetzen, falls sich nichts Gegenteiliges (ausdrücklich oder konkludent) aus Vertrag oder Vertragsdurchführung ergibt.196 Auch ohne Zusicherung eines Wettbewerbsverbots kann der Hersteller jedoch aufgrund seiner Treupflicht gehindert sein, Eigengeschäfte – etwa einen Internetvertrieb197 – im Vertragsgebiet auszuführen.198 Je enger der Mittler in das Vertriebssystem des Unternehmers eingebunden ist, umso eher ist dem Vertrag ein Konkurrenzverbot des Unternehmers immanent,199 spiegelbildlich dem aus § 86 Abs. 1 (ggf. analog) hergeleiteten Wettbewerbsverbot des Mittlers. Fehlt ein ausdrücklicher, vertraglicher Anspruch des Mittlers auf Ausschluss von Wettbewerb des Unternehmers, kann sich ein solcher nur aus den o. g. Grenzen des Dispositionsrechts des Unternehmers, insb. aus den ihm obliegenden Treupflichten200 sowie aus §§ 242, 138, 226 BGB ergeben. Die wichtigste Grenze bildet die dem Unternehmer gegenüber dem Mittler obliegende Treupflicht, welche den Unternehmer verpflichtet, die Erwerbschancen des Mittlers nicht unter das im jeweiligen Einzelfall zu Erwartende zu beeinträchtigen. Damit ist das „Wettbewerbsverbot“ Ausfluss des Schädigungsverbots. Selbst wenn ein Wettbewerbsverbot existiert, kann Wettbewerb im Einzelfall gestattet sein: Falls z. B. ein Hersteller substantiiert und durch Schreiben von Kunden belegt hat, dass die Kunden auf eine Direktbelieferung des Händlers bestanden haben, soll ein gewichtiger Grund für einen Parallelvertrieb vorliegen,201 zumal wenn der Unternehmer den Vertriebsmittler hiervon unterrichtet und eine finanzielle Kompensation anbietet.202 (3) Für ein Wettbewerbsverbot können ausnahmsweise – außer einer klaren vertragli- 54 chen Abrede – z. B. folgende Umstände sprechen: – Erhebliche Investitionen des Mittlers, die sich nicht anders als mittels (ggf. konkludenten) Wettbewerbsverzichts des Unternehmers amortisieren lassen.203 – Erheblicher und untypischer Einsatz von Kapital und Personal durch den Mittler.204 Je mehr der Mittler in in die Vertriebsorganisation des Herstellers eingegliedert ist, desto mehr sind ihm Eigenvertriebsaktivitäten untersagt.205 195 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2014 – VI-U (Kart) 4/14, ZVertriebsR 2016, 44 – Franchisevertrag; Emde VersR 2012, 536 (543); Canaris § 17 Rn 78; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 21; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 43; Hopt § 86a Rn 17; Oetker/Busche5 § 86a Rn 27. 196 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunkvermittler; v. 14.9.2012 – I-16 U 77/ 11, BB 2012, 2656 m. Anm. Hilgard; Hopt ZIP 1996, 1553; Hopt § 86a Rn 17; Oetker/Busche5 § 86a Rn 27. 197 KG, Urt. v. 25.10.2002 – 7 U 240/01 (zu einem vertraglichen Eigenvertriebsverbot); nur bei Existenzgefährdung OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2014 – VI-U (Kart) 4/14, ZVertriebsR 2016, 44 – Franchisevertrag. 198 BGH NJW 1994, 1060 (1061); NJW-RR 1993, 678; NJW-RR 1987, 628; BB 1984, 1313; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225); v. 19.1.2001 – 16 U 84/00, HVR Nr. 950; OLG Zweibrücken BB 1983, 1301; Oetker/Busche5 § 86a Rn 27; Ulmer S. 428; Semler DB 1985, 2493; Genzow S. 52 f.; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 69 – Vertragshändlervertrag; Giesler/Giesler/Güntzel § 4 Rn 161 – Franchisevertrag. 199 BGH, Urt. v. 10.2.1993, BB 1993, 2399; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225); Emde VersR 2012, 536 (543); Westphal II Rn 376. 200 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225) – Vertragshändler, Verletzung abgelehnt; v. 14.9.2012 – I-16 U 77/11, BB 2012, 2656 m. Anm. Hilgard (Verletzung abgelehnt); MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 43. 201 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I – 16 O 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (226). 202 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I – 16 O 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (226) mit zust. Anm. Gräfe. 203 Thume BB 2018, 770 (774); Emde VersR 2012, 536 (543). 204 BGHZ 124, 355; BGH WM 1993, 1464; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225); v. 20.8.2008 – VI-U (Kart) 1/08, GRUR-RR 2009, 109 – Motorrad-Vertragshändler; Urt. v. 19.1.2001 – 16 U 84/ 00, HVR Nr. 950, Hopt § 86a Rn 17. 205 BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83; v. 12.1.1994 – VII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225). 739

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Außerordentlich enge Eingliederung in die Vertriebsorganisation des Unternehmers, so dass sich ein Eigenvertrieb als Verstoß gegen die Pflicht zur Wahrung der Geschäftsinteressen des Mittlers darstellt.206 Beispiel: Der Unternehmer schreibt dem Mittler einen kostenauslösenden Außenauftritt vor. So hat z. B. der BGH207 ein nur durch gewichtige Interessen des Unternehmers überwindbares, stillschweigendes Wettbewerbsverbot in einem Vertragshändlervertrag angenommen, in welchem der Händler sich den Vertriebsinteressen des Herstellers unterzuordnen hatte. Der Mittler hatte es u. a. übernommen, einen Teil seines Personals speziell für den Vertrieb der Herstellerprodukte einzusetzen, war Mindestabnahmeverpflichtungen sowie ein Konkurrenzverbot eingegangen und zur eingehenden Berichterstattung verpflichtet. Eine derart enge Eingliederung dürfte eher selten anzunehmen sein. Die den Ausgleichsanspruch begründende HV-ähnliche Einbindung in das Vertriebssystem des Unternehmers wird hierfür nicht genügen, da sonst jedem HV-Vertrag ein Konkurrenzverbot immanent sein müsste.208 – Dem Mittler durch den Unternehmer auferlegte umfassende Beratungspflichten. Der Unternehmer darf dann nicht im Eigenvertrieb die Waren ohne Beratung (unter Wegfall der Beratungskosten) vertreiben.209 – Preisvorteile, die ein Unternehmer gegenüber seinen FN,210 Händlern und HV genießt, kann zumindest zum Verbot des Wettbewerbs des Unternehmers unter Inanspruchnahme der ihm gegebenen Preisvorteile führen. Der Unternehmer braucht z. B. keine gewinnmindernden Franchisegebühren zu leisten211 und kann im Gegensatz zu Vertragshändlern und HV ohne Vertragshändlermarge oder Provisionsforderungen kalkulieren; mithin billiger anbieten, als dies bei Einschaltung der Zwischenstufe eines Absatzmittlers möglich wäre.212 Preisdruck darf dem Mittler nicht von Seiten des Unternehmers erwachsen.213 55 Bei der Prüfung der Existenz eines Wettbewerbsverbots bedeutend kann die für den Mittler zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbare Vertriebssituation sein sowie die Qualität des zu diesem Zeitpunkt ggf. existierenden Wettbewerbs des Unternehmers (Preisspaltung oder kein stärkerer Wettbewerbs als durch unabhängige Mittler?).214 Je tiefer der Mittler in das Vertriebssystem des Unternehmers eingegliedert ist und je höher seine vertragsgemäß zu erbringenden finanziellen Verpflichtungen und Investitionen sind, umso umfassender werden die Schutzpflichten des Unternehmers und desto eher ist ein Wettbewerbsverbot zu seinen Lasten anzunehmen.215 Es könnte auch gefragt werden, wie hoch das Schutzbedürfnis des jeweiligen Mittlers ist. Tendenziell scheint die Rspr. ein solches am ehesten bei investionsintensiven Eigenhändlerverträgen anzunehmen,216 jedoch auch im HV-Vertrieb.217 Ein typischer KfzVertragshändlervertrag mit seinen umfangreichen Einbindungsvorschriften dürfte den Eigen206 BGH, Versäumnisurt. v. 17.7.2002 – VIII ZR 64/01, BB 2002, 2351 = EWiR 2002, 1037 (Emde) = MDR 2002, 1442 = WM 2003, 255 – Vertragshändler; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2001 – 16 U 84/00, HVR Nr. 950 – HV; Hopt § 86a Rn 17; Giesler/Vogels § 3 Rn 69, 279 – Vertragshändler. 207 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731 = BB 1993, 2399. 208 Emde VersR 2012, 536 (543). 209 Emde VersR 2012, 536 (543). 210 KG, Urt. v. 25.10.2002 – 7 U 240/01; Emde VersR 2012, 536 (543). 211 KG, Urt. v. 25.10.2002 – 7 U 240/01 – Franchisegebühren i. H. v. 8 % des Bruttoumsatzes zzgl. Umsatzsteuer. 212 Thume BB 2018, 770 (774). 213 KG, Urt. v. 25.10.2002 – 7 U 240/01 (Franchisevertrag); Emde VersR 2012, 536 (543). 214 Emde VersR 2012, 536 (543). 215 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225); Thume BB 2018, 770 (774); Emde VersR 2012, 536 (543); Giesler/Vogels § 3 Rn 69; Oetker/Busche5 § 86a Rn 27. 216 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731 = BB 1993, 2399 – Vertragshändler; v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; Thume BB 2018, 770 (774). 217 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 – 9 U 58/14, NJW-RR 2015, 290 = ZVertriebsR 2015, 40 = BeckRS 2014, 22685 – dort i. E. abgelehnt; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2001 – 16 U 84/00, HVR Nr. 950. Emde

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vertrieb des Unternehmers ausschließen,218 ebenso oft ein Franchisevertrag.219 Eigen- und Parallelimporte des Unternehmers sind dann kritisch.220 Daher bietet sich eine vertragliche Regelung zu der Frage an.221 Geringeren Schutz genießt der Mittler, falls ihm der Vertrag kein alleiniges Tätigkeitsfeld überlässt.222 Eine Treupflicht trifft den Unternehmer jedoch auch im Verhältnis zu dem nicht alleinvertriebsberechtigten Mittler.223 Auch hier ist somit ein Konkurrenzschutz denkbar, gerade bei Vorliegen der o. g. Einbindungsvoraussetzungen. Besteht ein Konkurrenzverbot des Unternehmers, ist er auch daran gehindert, selbst eine Vertretung in Konkurrenzartikeln zu übernehmen.224 (4) Ferner liegt ein unerlaubter wettbewerblicher Einbruch in das Tätigkeitsfeld des HV vor, 56 wenn der Unternehmer ihm schon vor der Kündigung des HV-Vertrages seinen Untervertreter ausspannt, indem er mit diesem bewusst zusammenwirkt, ihn zum (Haupt-)Vertreter bestellt und daraufhin nach abgesprochenem Plan der HV-Vertrag mit dem überspielten HV (und in der Folge der Untervertretervertrag) gekündigt wird.225 Der BGH hat offen gelassen, ob der Unternehmer den Untervertreter ansprechen darf, falls sowohl der Untervertreter wie der Unternehmer bereits unabhängig voneinander die Kündigung ausgespochen haben.226 So lange keine psychische Bestärkung des noch unentschlossenen Untervertreters vorliegt, ist dies zu bejahen. Schwierig ist allerdings die Beweislastverteilung. Es liegt nahe, den schwer zu führenden Beweis nach Gefahrensphären dem Unternehmer aufzubürden. Auch der Beweis der Kausalität der Kündigung für den Schaden dürfte schwer zu führen sein,227 vor allem, falls der Unternehmer auch ohne den Kontakt zum Untervertreter zur Kündigung entschlossen war. (5) Es gibt aber auch Konstellationen, in denen ein Wettbewerbsverbot des Unternehmers 57 eher fraglich sein dürfte. Bei einem Mehrfirmenvertreter wird die geforderte Einbindungstiefe seltener anzunehmen sein.228 Sie lässt sich aber bei entsprechender Einbindung binnen eines Vertragsverhältnisses nicht ausschließen. Das bloße Provisions- oder Vergütungsinteresse als solches begründet keine ein Wettbewerbsverbot auslösende Einbindung. Denn sonst müsste das Konkurrenzverbot immer bestehen. Dennoch leitet das OLG Düsseldorf229 ein Eigenvertriebsverbot auch daraus her, dass der Unternehmer einen an den Umsatz des HV angelehnten Bürokos218 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 (1061). 219 Thume BB 2018, 770 (774). Zum österreichischen Recht, s. OGH v. 18.6.1991 – 4 Ob 42/91, zit. nach Petsche/ Lager/KutscheZVertriebsR 2013, 202. 220 BGHZ 124, 355; 164, 15; BGH WM 1993, 1464; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2001 – 16 U 84/00, HVR Nr. 950 – HV; Thume BB 2018, 770 (774); Hopt § 86a Rn 17. 221 Thume BB 2018, 770 (774). 222 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731; v. 25.5.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077 = HVR Nr. 645 unter A I 3 b aa; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225). 223 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731; BGHZ 93, 29 (54); OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225); v. 20.8.2008 – VI-U (Kart) 1/08, GRUR-RR 2009, 109. 224 Hopt § 86a Rn 17. 225 BGH, Urt. v. 18.6.1964 – VII ZR 254/62, BGHZ 42, 59 = NJW 1964, 1621 (gegen die Verallgemeinerung dieses in mancher Beziehung extrem gelagerten Einzelfalles v. Brunn DB 1964, 1841); BGH BB 1982, 1626; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 47; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 18; Oetker/Busche5 § 86a Rn 28; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 44; Hopt § 86a Rn 16; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 21; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 21; aA Canaris § 17 Rn 80: dann hätte der Untervertreter keine Möglichkeit, die Position des Hauptvertreters zu erlangen. 226 BGH, Urt. v. 18.6.1964 – VII ZR 254/62, BGHZ 42, 59 = NJW 1964, 1621 (1622). Eigentlich dürfte die Treupflicht des Unternehmers auch nach Ausspruch der Kündigung nicht geringer sein. Eine abweichende Ansicht lässt sich u. U. mit der erhöhten Schutzbedürftigkeit des Unternehmers nach Ausspruch der Kündigung rechtfertgen (Interessenabwägung), da er dringend auf einen Nachfolger angewiesen ist. 227 Vgl. auch BGH, Urt. v. 18.6.1964 – VII ZR 254/62, BGHZ 42, 59 = NJW 1964, 1621 unter 2 b. 228 Emde VersR 2012, 536 (544). 229 OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2001 – 16 U 84/00, HVR Nr. 950 – HV. 741

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tenzuschuss versprochen hatte, welcher 45 % der Provision des HV erreichte und durch den Eigenvertrieb reduziert wurde. Hier dürfte es sich um einen Grenzfall handeln, weil die Schwelle zur Begründung eines Wettbewerbsverbots aus dem reinen Vergütungsinteresse des Mittlers erreicht wird. In einfachen Vertriebsverträgen ohne besondere Einbindungstiefe und erhebliche finanzielle Verpflichtungen des Mittlers (insb. in Fällen, die die Tz. 12 ff. der LL zur GVO 330/10 als nicht i. S. d. Art. 101 AEUV wettbewerbsbeschränkend ansieht) (Vor § 84 Rn 242 ff.), fehlt es daher an einem Konkurrenzverbot des Unternehmers. 58 (6) Hat der HV einen bestimmten Bezirk oder einen bestimmten Kundenkreis zugewiesen erhalten, so ist der Unternehmer nicht ohne weiteres daran gehindert, Eigengeschäfte in diesem Bezirk oder Kundenkreis durchzuführen.230 Das Schutzbedürfnis des HV, dem eine Bezirksvertreterprovision nach § 87 Abs. 2 versprochen wurde, ist ohnehin geringer als das anderer Mittler: Denn der HV erhält ohnehin für jedes Direktgeschäft des Unternehmers Provision.231 Der Unternehmer darf aber auch gegenüber einem Bezirks- HV bzw. ganz allgemein gegenüber seinen HV nicht systematisch durch eigene Abschlusstätigkeit deren Vermittlungsarbeit lahmlegen.232 Dass dem HV die Provision auch aus solchen Eigengeschäften zusteht (§ 87 Abs. 2), vermag einen solchen Loyalitätsbruch des Unternehmers nicht auszuräumen.233 Der HV soll gerade durch eigene Tätigkeit die Betreuung des Bezirks (Kundenkreises) in der Hand behalten und die Gelegenheit erwerben, geschaffene Beziehungen zum Vorteil künftiger erhöhter Provisionschancen auszubauen.234 Außerdem würde ein späterer Ausgleichsanspruch (§ 89b) sich nach einer Meinungsgruppe (§ 89b Rn 280 ff.) nur auf der Basis der durch eigene Tätigkeit vermittelten Geschäfte berechnen, nicht dagegen auf der der Bezirksprovisionen des § 87 Abs. 2. In seinem Urteil v. 25.5.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077 = ZIP 1988, 1182 entnahm der BGH einem Kfz-Vertragshändlervertrag mittels Vertragsauslegung, dass die Zuweisung eines Vertragsgebietes zugleich das Verbot der Bestellung anderer Händler im Vertragsgebiet beinhalte. Begründung: Der Vertrag enthalte das Verbot von Lieferungen außerhalb des Vertragsgebietes. Jeder Händler dürfe damit auf eine Freiheit vom Wettbewerb anderer Händler vertrauen. Dies zeigt die Einzelfallbezogenheit der Judikatur. 59 (7) Regelmäßig untersagt die Treupflicht dem Hersteller nur eigenen Wettbewerb. Weitere Absatzmittler darf der Unternehmer einsetzen, soweit er nichts Gegenteiliges versprach oder die dem Unternehmer obliegende Schutzpflicht die Einsetzung weiterer Mittler untersagt,235 etwa weil es sonst zu einem „Kannibalismus“ unter ihnen kommen könnte236 oder existenzgefährdender Wettbewerb droht. Dies scheint auch die Ansicht der Rspr. zu sein: Das OLG Düsseldorf vertritt, habe sich ein Vertragshändler nicht den Vertriebsinteressen des Herstellers weitgehend untergeordnet (etwa seine Ausstellungsräume nicht auf das Produkt des Unternehmers abgestimmt237) und sei ihm bei Fortbestand des Vertrages der unbeschränkte Vertrieb von Konkurrenzprodukten gestattet, dürfe er nicht erwarten, dass der Hersteller keine weiteren Händler in seiner Nähe einsetze. Auch das OLG Schleswig238 verneint die Konkurrenzschutzpflicht eines Kfz-Herstellers gegenüber seinem Vertragshändler. Der Hersteller dürfe in unmittelbarer Nähe (im entschiedenen Fall wenige hundert Meter und an der zuleitenden Hauptverkehrsstraße in exponierterer Lage) einen weiteren Vertragshändler zulassen. Dies sei Gegenstück zum im Ver230 Thume BB 2018, 770 (774); Emde VersR 2012, 536 (544); Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 21. 231 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 – 9 U 58/14, NJW-RR 2015, 290 = ZVertriebsR 2015, 40 = BeckRS 2014, 22685, insb. Rn 20. 232 Rohrßen DB 2018, 300 (305); Hopt ZIP 1996, 1809 (1819); Hopt § 86a Rn 17; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 47; Oetker/Busche5 § 86a Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 43. 233 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 47; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 43. 234 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 47; Oetker/Busche5 § 86a Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 43. 235 OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.9.2012 – I-16 U 77/11, BB 2012, 2656 m. Anm. Hilgard; Emde VersR 2012, 536 (544). 236 BGH, Urt. v. 10.2.1993, BB 1993, 2399; Westphal II Rn 378. 237 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI – U (Kart) 1/08, GRUR-RR 2009, 109 – Motorrad-Vertragshändler. 238 Beschl. v. 18.8.2008 – 6 U 10/08 – BMW. Emde

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trag geregelten239 Recht des Vertragshändlers, auch an anderer Stelle Verkaufs- und Auslieferungsstellen zu eröffnen. Das OLG München240 entschied, der Hersteller sei trotz des einem KfzVertragshändlers zugesagten Alleinvertriebsrechts bereits während des Laufs der Kündigungsfrist berechtigt, in dessen Gebiet einen weiteren Händler einzusetzen. Zu einem wirtschaftlich sinnvollen Übergang von einem zum anderen Händler bedürfe es einer Übergangszeit, in der sich der neue neben dem alten Händler etablieren könne. Eine angemessene Übergangszeit unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten sei mit einem Jahr anzusetzen. Die Auffassung des OLG München dürfte eher abzulehnen sein,241 da die Kündigungsfrist eine ungekürzte und unbeeinträchtigte Umstellungsfrist sein soll. Wenn der Händler durch den Einsatz eines u. U. vom Hersteller besser unterstützten Händlers praktisch vorzeitig „teilgekündigt“ wird, widerspricht dies dem Grundsatz pacta sunt servanda. Zudem wird der regelmäßig auf der Basis des letzten Vertragsjahres berechnete Ausgleichsanspruch verkürzt.242 Im Franchiserecht wird z. T. eine weitergehende Konkurrenzschutzpflicht des FG als vertragsimmanent angesehen243 (s. Kommentierung zu Vor § 84). (8) Bei Unklarheiten zu berücksichtigen ist, wer den Vertrag formuliert hat. Ist dies – 60 wie meist – der Unternehmer, wird die für ihn ungünstigere Wertung zu favorisieren sein. Bei den oft vorliegenden AGB gilt dies ohnehin (§ 305c Abs. 2 BGB).

cc) Schutzpflicht bei Fehlen eines vertraglichen Wettbewerbsverbots. Selbst bei Fehlen 61 eines Wettbewerbsverbotes darf der Unternehmer wegen der ihm obliegenden Treupflichten den Mittler nicht mit eigenem Wettbewerb gezielt,244 systematisch245 und erheblich schädigen246 oder in vom Mittler geworbene, bestehende Verträge eingreifen,247 insb. sofern er den Eindruck hervorgerufen hat, er werde ein solches Verhalten unterlassen. Dies gilt auch, wenn der Mittler eigene Vertragsverletzungen begangen hat.248 Leitbildartig sind Fälle gemeint, in welchen der Unternehmer den Absatz seiner Mittler durch den Eigenvertrieb fast zum Erliegen bringt.249 Aber auch weniger extreme Fallgestaltungen sind angesprochen. Insbesondere darf der Unternehmer nicht systematisch, z. B. im Wege der Preisspaltung, die Angebote seiner eigenen HV mittels Eigenlieferungen,250 ggf. unter Einschaltung anderer Vertriebsmittler251 oder unter Nutzung des Internetvertriebs,252 unterbieten, soweit derselbe Interessentenkreis angesprochen wird.253 Weitere Beispiele: Übertragung eines uneingeschränkten Vertriebsrechts an einen Dritten als Treupflichtverstoß gegenüber dem HV, sofern hierdurch die Erwerbschancen im Gebiet/Bezirk 239 Im Einklang mit der Kfz-GVO 1400/02, die dieses Recht im Gegensatz zu der ab 1.6.2013 auch im Kfz-Vertrieb geltenden GVO 330/10 zwingend vorsah. 240 Urt. v. 14.10.1993 – U (K) 5333/92. 241 Westphal II Rn 571. 242 Westphal II Rn 571. 243 Dafür: Giesler/Giesler/Güntzel2 § 4 Rn 161 ff.; Metzlaff in: Praxishandbuch Franchising § 26 Rn 72; Liesegang BB 1999, 857; hierzu Emde VersR 1999, 1464 (1468); skeptisch OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.2.2012 – I–16 W 62/11, ZVertriebsR 2012, 174 m. Anm. Flohr = BeckRS 2012, 04916; aA Fritzemeyer BB 2000, 472. 244 Oetker/Busche5 § 86a Rn 27. 245 Rohrßen DB 2018, 300 (305). 246 Siehe etwa den Fall OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunkvermittler. 247 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunkvermittler. 248 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunkvermittler. 249 Emde VersR 2012, 536 (545). 250 OLG Bremen, Urt. v. 10.2.1966 – 2 U 43/65, NJW 1967, 254 – begründeter Anlass zur ausgleichserhaltenden Kündigung; Thume BB 2018, 770 ff.; Rohrßen DB 2018, 300 (305); Hopt § 86a Rn 17; Oetker/Busche5 § 86a Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 44; ähnlich im Falle LG Frankfurt/Main BB 1969, 1326. 251 LG Stuttgart, Urt. v. 25.3.1985, HVR Nr. 668; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 77. 252 Thume BB 2018, 770 ff. 253 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 46. 743

Emde

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des HV erheblich reduziert werden;254 Abwerbung von Stammkunden des HV;255 ebenso wenig dürfen Kunden, mit denen der HV Vertragsverhandlungen führt, am Vertragsschluss gehindert werden;256 Ausspannen oder Versuch des Ausspannens von Untervertretern (s. o.) oder Angestellten des HV;257 Weitergabe von Adressdaten der Kunden des Mittlers an andere Händler oder HV258 (umso eher dürfte die Nutzung der Daten durch den Unternehmer selbst zu Konkurrenzzwecken unzulässig sein) oder Mitteilung der Konditionen des Mittlers, um einer Konkurrenzfirma die Möglichkeit zu geben, unterbietend in das Vertragsgebiet des HV einzudringen.259 Wegen dieser Schutzpflichten kann das Urteil, nach dem es in der Dispositionsfreiheit des Unternehmers liegt, statt seiner Vertragshändler den ansässigen Großhandel zu beliefern,260 nur Geltung beanspruchen, sofern der Vertrag kein Wettbewerbsverbot des Unternehmers ergibt.261 Jedenfalls soll ein Wettbewerbsverbot bestehen, sofern durch die konkurrierende Tätigkeit die wirtschaftliche Existenz des Mittlers nachhaltig gefährdet ist.262 Man mag sich fragen, ob ein Unterlassungsgebot tatsächlich erst bei Überschreiten jener Grenze eingreift. Leistungstreuepflichten aus Dauerschuldverhältnissen greifen nicht erst dann ein. Die Existenzgefährdung hätte sich bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens auch meist manifestiert und würde zur Insolvenz des Mittlers führen. Dieser wäre also im Ergebnis, außer im einstweiligen Verfügungsverfahren, rechtlos gestellt.

62 dd) Erwerb eines Konkurrenzunternehmens. Die gleichen Grundsätze gelten bei Erwerb eines Konkurrenzunternehmens durch den Hersteller. Es entsteht eine dem (mittelbaren) Wettbewerb des Herstellers entsprechende Situation.263 Es wird vertreten, dass der Unternehmer hier alle möglicherweise betroffenen Mittlerverträge kündigen muss,264 verbunden – nach seiner Wahl – mit dem Angebot auf Abschluss eines den Interessenwiderstreit hindernden Neuvertrages. Eine gegenteilige Auffassung ließe sich aber vertreten: Denn die Situation ändert sich per se nicht: Der Wettbewerber steht dem HV nach wie vor als solcher gegenüber. Der HV durfte also nicht darauf vertrauen, dass sich seine „Wettbewerbssituation“ verbessert. Andererseits ist eine schleichende „Migration“ von Vertragsprodukten des Erwerbers zum Wettbewerber zu erwarten, was einen klaren Wettbewerbsverstoß bedeuten dürfte.265 Zudem könnte sich die Situation der HV durch die Weitergabe von Informationen aus der bisherigen Vertriebsstruktur an

254 Siehe Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 100 ff. 255 BGH, Urt. v. 11.6.1959, BB 1959, 720 = MDR 1959, 911; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunkvermittler; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 47; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 18; Hopt § 86a Rn 17; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 44. 256 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 47; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 21. 257 BGH, Urt. v. 18.6.1964 – VII ZR 254/62, BGHZ 42, 59 = NJW 1964, 1621 mit abl. Bespr. v. Brunn DB 1964, 1841; BGH BB 1982, 1626; OLG Düsseldorf HVR Nr. 151; OLG München BB 1958, 247; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 47; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 18; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 44; Hopt § 86a Rn 17; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 21. 258 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunkvermittler; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 46. 259 BGH, Urt. v. 9.1.1961 – VII ZR 219/59, DB 1961, 601; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004, HVR Nr. 1148; vgl. aber auch BGH, Urt. v. 23.3.1966 – VIII ZR 295/63, BB 1966, 469; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 46; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume3 § 86a Rn 21; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 22b. 260 Urt. v. 1.10.2008 – VIII ZR 13/05, BB 2008, 2594 m. Anm. Hilgard = MDR 2008, 1404 Rn 26 = EWiR 2008, 721 (Emde); ähnlich BGH, Urt. v. 9.11.1967 – VII ZR 40/65, NJW 1968, 394; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 97. 261 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 97. 262 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2014 – VI-U (Kart) 4/14, ZVertriebsR 2016, 44 – Franchisevertrag; v. 10.2.2012 – 116 W 62/11, ZVertriebsR 2012, 174; OLG Celle, Beschl. v. 28.8.2008 – 13 U 178/08, OLGR 2009, 158 ff. 263 Emde VersR 2012, 536 (545), Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 102. 264 Vgl. Küstner/Thume I5 Kap IV5 Rn 102. 265 Küstner/Thume I Kap IV5 Rn 102. Emde

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den Wettbewerber verschlechtern. Der HV müsste befürchten, dass er durch seine Vertriebsbemühungen Informationen generiert, die nach Weitergabe an den Unternehmer zum Wettbewerber wandern. Da Vertrauen nicht teilbar ist, spricht auch dies eher gegen die Zulässigkeit des Wettbewerbs in dieser Situation.

f) Sachlicher, räumlicher, persönlicher und zeitlicher Umfang eines Wettbewerbsverbots aa) Im Falle eines vertraglichen Wettbewerbsverbots. Soweit die sachlichen, räumlichen 63 und zeitlichen Grenzen des vom Unternehmer versprochenen Wettbewerbsverbots im Vertrag geregelt wurden, ist diese Vereinbarung maßgeblich.266 Die Vereinbarung muss jedoch die bei Individualverträgen maßgeblichen Grenzen der §§ 138, 134, 242 BGB und bei AGB der §§ 305 ff. BGB einhalten, was bei der Leitbildkontrolle die Prüfung des hier beschriebenen gesetzlichen Leitbildes voraussetzt.

bb) Nach dispositivem Recht (1) Sachlicher Geltungsbereich. Sachlich begrenzt sich das Wettbewerbsverbot auf die Ver- 64 tragsprodukte.267 Je nach Vertragsauslegung kann es sich darüber hinaus auf alle Produkte erstrecken, die aus der Sicht des jeweiligen Abnehmers auf dem sachlich relevanten Markt substituierbar sind.268 Letzteres kann bei der konkurrierenden Tätigkeit verbundener Unternehmen problematisch sein. Eine fehlende Substituierbarkeit der Produkte mag im Fall des BGH vom 27.1.1972269 vorgelegen haben, in welchem der Unternehmer den Wettbewerb Dritter unterstützte, indem er für einen Konkurrenten die Fertigung von Sprühdosen in Lohnfabrikation vornahm, obwohl er einen HV mit der Alleinvertretung selbst hergestellter Sprühdosen beauftragt hatte.

(2) Räumlicher Geltungsbereich. Anders als das Wettbewerbsverbot des HV bezieht sich das 65 des Unternehmers nur auf das Gebiet bzw. den Bezirk des Mittlers, hilfsweise auf das vorgesehene oder übliche Vertriebsgebiet, aus dem die Kunden des Mittlers aus der Sicht bei Vertragsschluss kommen (sollen).270 Der Internetvertrieb des Unternehmers ist unzulässig, soweit er sich (auch) auf jenes Gebiet auswirken soll. Erst recht gilt das, wenn die Werbung speziell für dieses Gebiet vorgesehen ist. Es kommt also auf den Sitz des prospektiven Kunden an. Das Wettbewerbsverbot hindert den Unternehmer auch daran, mit dem Bezugsvertrag verwandte Verträge im geschützten Bereich zu schließen. Ergibt die Auslegung z. B., dass der Unternehmer zugesagt hat, keine anderen HV einzusetzen, so darf er dieses Verbot nicht umgehen, indem er im geschützten Gebiet Vertragshändler, FN oder Kommissionsagenten bestellt.271

(3) Persönlicher Geltungsbereich. Teilweise wird aus der engeren Einbindung des Vertrags- 66 händlers oder FN und seinen höheren Risiken und Investitionen gefolgert, dass ihm gegenüber eher von einem Wettbewerbsverbot auszugehen sein soll. Richtigerweise kommt es nicht darauf an, welcher Vertragstyp, HV- oder Eigenhändlervertrag vorliegt, sondern auf die Gesamtbetrachtung der vertraglichen Pflichten. Auch der Unternehmer eines HV kann einem Wettbe266 267 268 269 270 271 745

Emde VersR 2012, 536 (545). Emde VersR 2012, 536 (546). Mesch BB 2015, 1926 (1929) zu Masterfranchiseverträgen. DB 1972, 524 = EBE 1972, 92. Emde VersR 2012, 536 (546). Mesch BB 2015, 1926 (1927) zu Masterfranchiseverträgen. Emde

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werbsverbot unterliegen.272 Das zeigen Konstellationen, in denen bei völliger Identität der Vertragspflichten im Übrigen von einem Vertragstyp zum anderen gewechselt wird. Es kommt also auf die Rechte und Pflichten unter dem konkreten Vertrag und nicht den abstrakten Rechtstypus an. So kann u. U. ein HV schutzbedürftiger als ein Eigenhändler sein, weil der HV die vom Unternehmer vorgegebenen Preise akzeptieren muss und dem Wettbewerbsdruck des Unternehmers nicht durch eine günstigere Preisgestaltung begegnen kann, sieht man von der Möglichkeit ab, Teile seiner Provision abzugeben. Auch ein HV kann hohe finanzielle Risiken tragen (Beispiel: Kfz-HV) und eng eingegliedert sein. Zudem entscheidet im HV-Vertrag der Unternehmer über die Vertragsannahme, was die Schutzbedürftigkeit des HV unterstreichen kann.

67 (4) Zeitlicher Geltungsbereich. Das Konkurrenzverbot greift nur vertragsbegleitend ein.273 Es endet mit Vertragsende. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot müsste von den Parteien vereinbart werden.

68 g) Vertragliche Einschränkung des Wettbewerbsverbots. Im nachfolgend beschriebenen Umfang darf der Unternehmer ein ihn treffendes Wettbewerbsverbot einschränken,274 z. B. indem er sich bestimmte Kunden oder Geschäfte vorbehält.275 Solche Regelungen dürfen nicht in Widerspruch zu einer an anderer Stelle des Vertrages (konkludent oder ausdrücklich) begründeten Position des Mittlers stehen. Sie setzen voraus, dass der Vertrag dem Mittler bei dessen weitgehender Eingliederung in seine Vertriebsorganisation und Abhängigkeit von seinen Weisungen und Entscheidungen eine angemessene Kompensation für Eigenlieferungen des Unternehmers gewährt, die ohne die Erlaubnis zum Wettbewerb nicht versprochen worden wäre.276 Fehlt eine solche Ausgleichsregelung, bleibt die den Wettbewerb gestattende Regelung unwirksam. Teilweise wird auch bei ihrem Vorhandensein der Vorbehalt für unwirksam gehalten.277 Die Rspr. ist also streng. Sie setzt sich Kritik aus. Prima vista ist es schwer verständlich, warum der Unternehmer die Aufteilung zwischen Eigen- und Fremdvertrieb nicht frei regeln darf, sofern der Mittler über den Umfang möglichen Wettbewerbs informiert wird. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die strenge Rspr. nur in wenigen Fällen maßgeblich wird, nämlich wenn ausnahmsweise ein Wettbewerbsverbot eingreift (s. o.). Besteht ein solches Wettbewerbsverbot zu Lasten des Unternehmers, sind dessen Eigengeschäfte nur zulässig, falls sie hinreichend klar vorbehalten wurden. Dazu genügt der Ausschluss eines Alleinvertreterrechts oder einer Exklusivität nicht. Denn im Zweifel lässt sich daraus nur ein Recht zum Einsatz weiterer Mittler und nicht zum Eigenvertrieb entnehmen.278

69 aa) Individualvertragliche Vorbehalte. Der Unternehmer soll sich nach einer Ansicht nur individualvertraglich Eigenlieferungen in das Gebiet eines Mittlers vorbehalten dürfen.279 Das 272 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 – 9 U 58/14, NJW-RR 2015, 290 = ZVertriebsR 2015, 40 = BeckRS 2014, 22685 – dort i. E. abgelehnt; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2001 – 16 U 84/00, HVR Nr. 950. 273 OLG Köln, Urt. v. 13.11.1996 – 6 U 27/96, HVR Nr. 822; Ebenroth/Löwisch2 § 86a Rn 30. 274 Emde VersR 2012, 536 (546); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 46. 275 Siehe BGH, Urt. v. 15.4.1986 – KVR 3/85, BGHZ 97, 317 (327, 328) = NJW 1986, 2954; OLG Bremen, Urt. v. 10.2.1966 – 2 U 43/65, NJW 1967, 254 (255); LG Frankfurt BB 1969, 1326; Hopt ZIP 1996, 1533 (1538); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 46; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 18; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 44. 276 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 276 – Vertragshändler; aA Flohr/ Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 151. 277 LG Berlin, Urt. v. 21.6.2001 – 14 O 177/01, n. v.; hiergegen BGH, Urt. v. 4.3.2008 – KZR 36/05, WRP 2008, 1376 (1379) = NJW-RR 2008, 1491 = WM 2008,1894 = WuW 2008, 1087 (DE-R 2363) Rn 39 f. 278 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731. 279 So wohl Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 46. Emde

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ist fraglich.280 Denn der Unternehmer unterliegt grds. keinem Wettbewerbsverbot, welches ein gesetzliches Leitbild geben könnte (s.o). Der BGH hat folglich einen AGB-Vorbehalt als wirksam angesehen.281 Unstrittig ist jedenfalls, dass ein individualvertraglicher Vorbehalt zulässig ist.282 Unzulässig ist die individuell vereinbarte Direktlieferung nur, wenn die o. g. gesetzlichen Grenzen (Treupflicht, §§ 138, 226, 242 BGB) überschritten werden und kein angemessener Ausgleich für die Direktlieferungen vorgesehen wird.

bb) Vorbehalte in AGB. Dazu Kommentierung zu Vor § 84.

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h) Aufklärungspflichten. Ist dem Unternehmer Wettbewerb gestattet, bleibt er gleichwohl – 71 auch ohne Nachfrage – verpflichtet, den Mittler über geplante und mehr als unerhebliche Wettbewerbshandlungen rechtzeitig zu informieren,283 damit jener sich auf die Konkurrenzsituation einstellen kann. Das mag etwa vermöge einer deutlichen Vertragsbestimmung geschehen und/ oder zusätzlich durch Information über bedeutende Maßnahmen. Der Unternehmer hat insb. über den bestehenden oder vorgesehenen Einsatz konzerneigener Vertriebsgesellschaften sowie über derzeitige oder geplante Direktlieferungen hinreichend aufzuklären. Nicht anders als im Franchiserecht (dazu Vor § 84 Rn 618 ff.) besteht eine aus § 242 BGB hergeleitete, umfassende Aufklärungspflicht des Unternehmers über alle für den Vertragsschluss maßgeblichen Umstände. Dazu zählt die Aufklärung über einen vorgesehenen Eigenvertrieb des Unternehmers, auch durch verbundene Konzerngesellschaften. Denn ein Vertriebsmittler muss befürchten, dass der Unternehmer solche Gesellschaften bevorzugen wird.284 Ob der Mittler dieses Risiko in Kauf nehmen will, muss er in voller Kenntnis aller Information entscheiden können. Bei mangelnder Aufklärung, z. B. über Risiken des Vertrages,285 kommt eine Haftung des Unternehmers wegen vorvertraglichen Verschuldens gem. §§ 280 Abs. 1, 282, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB, in krassen Fällen auch nach § 826 BGB,286 in Betracht. i) Wettbewerbsverbote von Master-Franchisegebern. Die Handlungsgrenzen für Master- 72 FG aufgrund von Exklusivitätsvereinbarungen behandelt Mesch.287 Die eventuelle Zusage der Exklusivität hindert den FG daran, andere Formen von Vertriebsmittlern, etwa HV, Vertragshändler oder Kommissionsagenten, im geschützten Gebiet einzusetzen.288 Regelmäßig wird der Unternehmer nicht mit einem eigenen Franchisebetrieb289 oder mittels rechtlich selbstständiger Tochterfirmen290 tätig werden dürfen. Der Vertrieb einer Zweitmarke durch den Master-FG ist, abhängig von den konkreten Vereinbarungen der Parteien und dem Vertriebssystem, regelmäßig ebenfalls als Verstoß gegen die Exklusivitätsvereinbarung zu werten.291 Ausschlaggebend ist 280 Emde VersR 2012, 536 (546). 281 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15; zust. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 276 – Vertragshändler. 282 BGH, Urt. v. 15.4.1986 – KVR 3/85, BGHZ 97, 317 (327, 328) = NJW 1986, 2954; OLG Bremen, Urt. v. 10.2.1966 – 2 U 43/65, NJW 1967, 254 (255); LG Frankfurt/M. BB 1969, 1326; Hopt ZIP 1996, 1533 (1538); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 46; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 18; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 44. 283 Emde VersR 2012, 536 (547); Hopt § 86a Rn 17. 284 OLG Köln, Urt. v. 17.11.2000 – 19 U 200/00, BB 2000, 2595 = EWiR 2001, 23 (Emde). 285 Martinek/Flohr/Feldmann § 18 Rn 124 ff.; zum Franchisevertrag Giesler ZIP 2002, 420 (426). 286 OLG Nürnberg BB 1956, 352; Schipper NJW 2007, 734 (736). 287 BB 2015, 1926. 288 Mesch BB 2015, 1926 (1927). 289 LG Düsseldorf, Urt. v. 3.2.2011 – 13 O (Kart) 27/08 Rn 37; aA Mesch BB 2015, 1926 (1927). 290 OLG Nürnberg, Urt. v. 26.9.1984 – 4 U 450/84, HVR Nr. 593; Mesch BB 2015, 1926 (1929). 291 Mesch BB 2015, 1926 (1929). 747

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letztlich, inwiefern die Zweitmarke tatsächlich in Konkurrenz zu dem originären Franchisekonzept tritt. Ein Wettbewerbsverbot dürfte eher zu bejahen sein, sofern aus Sicht des Kunden eine Austauschbarkeit zwischen der Zweitmarke und dem originären Franchisekonzept besteht.292 Dieser umfassende Schutz ist gerechtfertigt, da Master-FN i. d. R. tief in die Vertriebsorganisation des Master-FGs eingebunden sind.293 Eine Konkurrenztätigkeit des Master-FG ist unabhängig von einer wirksamen Exklusivitätsvereinbarung i.A. nur bei angemessener Entschädigung des Master-FN möglich.294 Ergänzend kann auf die Rspr. zum HV- und Vertragshändlerrecht verwiesen werden.295

73 j) Rechtsfolgen. Als Primäranspruch darf der Mittler vertragsgerechtes Verhalten fordern.296 Er kann auf Unterlassung der Direktgeschäfte297 klagen und seine Rechte im Wege der einstweiligen Verfügung298 sichern. I. d. R. wird ein Verfügungsgrund nach §§ 935, 940 ZPO für eine einstweilige Regelung anzunehmen sein.299 Soweit ein aus Vertrag oder Treupflichten hergeleitetes Wettbewerbsverbot existiert, hat der Unternehmer Sorge dafür zu tragen, dass es respektiert und vor Eingriffen Dritter geschützt wird.300 So besteht eine umfassende Schutzpflicht des Unternehmers vor eigenem Wettbewerb, aber auch vor solchem Dritter,301 insb. nahestehender Dritter, z. B. verbundener Unternehmen,302 von dem Unternehmer belieferter oder geförderter Dritter,303 Gesellschafter oder Angehöriger304 oder anderer Händler oder HV.305 Die Intensität der Schutzpflicht ist gestaffelt nach den objektiven Bedürfnissen der Mittler.306 Am stärksten ist diese Pflicht gegenüber dem Alleinvertreter ausgeprägt,307 schwächer, jedoch gleichwohl bestehend, gegenüber dem Bezirksvertreter oder dem „einfachen“ Mittler ohne Wettbewerbsverbot308 (s. o.). Die neben die Primärpflicht tretenden sekundären Rechtsfolgen der Verletzung eines Alleinvertriebsrechts oder der unzulässigen Eigenlieferung sind die jedes Vertragsverstoßes. Zu denken ist in erster Linie an Schadenersatz und Auskunft. Zu beidem unten, Rn 184 ff., Stichwort „Wettbewerb durch den Unternehmer“. Weiter besteht – jedenfalls nach Abmahnung gem. § 314 BGB309 – ein nach § 89b Abs. 3 Nr. 1 ausgleichswahrendes,310 außeror292 293 294 295 296 297

Mesch BB 2015, 1926 (1929). Mesch BB 2015, 1926 (1928). Mesch BB 2015, 1926 (1928). Mesch BB 2015, 1926 (1928). Thume BB 2018, 770 (775); Emde VersR 2012, 536 (547). Emde VersR 2012, 536 (547); Schürr in: Küstner/Thume I5 Kap. I Rn 177; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 51 – HV; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 280 – Vertragshändler; Westphal I Rn 105; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 16. 298 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunkvermittler. 299 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 – 9 U 58/14, NJW-RR 2015, 290 = ZVertriebsR 2015, 40 = BeckRS 2014, 22685 Rn 17. 300 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunkvermittler; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 21. 301 BGH, Urt. v. 9.1.1961 – VII ZR 219/59, DB 1961, 601 – Duldung des Wettbewerbs eines Dritten im Gebiet des HV; Urt. v. 23.3.1966 – VIII ZR 295/63, BB 1966, 469; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 78; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 46; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 22b; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 43. 302 Zum Vertragshändlerrecht: BGH BB 2002, 2351 = EWiR 2002, 1037 (Emde) = MDR 2002, 1442 = WM 2003, 255. 303 BGH, Urt. v. 9.1.1961 – VII ZR 219/59, HVR Nr. 261 = DB 1961, 601. 304 Emde EWiR 2002, 1037; Emde Die Handelsvertreter-GmbH, 1994, S. 162 ff.; Emde GmbHR 1999, 1005 (1013), die beiden letztgenannten Quellen zum Fall des Verstoßes durch den Mittler. 305 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2004 – I-16 U 28/04, HVR Nr. 1148 – Mobilfunkvermittler. 306 Vgl. bereits Emde GmbHR 1999, 1005 (1013). 307 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731; v. 9.1.1961 – VII ZR 219/59, HVR Nr. 261 = DB 1961, 601; vgl. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 78. 308 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI -U (Kart) 1/08, GRUR-RR 2009, 109 – Motorradhändler. 309 Im Fall des KG, Urt. v. 25.10.2002 – 7 U 240/01 (Franchisevertrag) gab es zwei erfolglose Abmahnungen. 310 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731; Thume BB 2018, 770 (775). Emde

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dentliches Kündigungsrecht i. S. d. § 89a (ggf. analog).311 Umgehungsgeschäfte des Unternehmers zwecks Ausschaltung der Rechte des Mittlers sind unzulässig (Rn 175 ff.). Der Unternehmer darf mittels abhängiger Dritter Treupflichten nicht umgehen.312 Eine darüber hinausgehende allgemeine Einstandspflicht des Unternehmers, einem Mittler Schäden aus der Verletzung des geschützten Gebiets durch Belieferung gebietsansässiger Kunden von dritter Seite zu ersetzen, ist aus einer Gebietsschutzabrede nicht herzuleiten.313 Ob eine Alleinvertriebsabrede auch einen Gebietsschutz oder einen Kundenschutz in dem Sinne, dass kaufwillige Kunden an einen zuständigen Händler zu verweisen seien, mitenthält, ist Auslegungsfrage.314 Allgemein wird sich das nicht sagen lassen, auch wenn es in frühen Urteilen315 gelegentlich so gesehen worden war. Das Risiko, dass sein Alleinvertriebsrecht für einen bestimmten Bezirk von außen und ohne Mitwirkung des Unternehmers unterlaufen wird, trägt grundsätzlich der Händler.316 Deshalb ist auch § 87 Abs. 2 unanwendbar.317 Die Rechtsstellung des durch ein Alleinvertriebsrecht geschützten Mittlers erinnert zwar an die des Bezirksvertreters. Dem Alleinvertreter braucht jedoch keine Bezirksprovision versprochen worden sein.

4. Beweislast Beruft sich der HV im Rahmen eines Schadenersatzprozesses oder zur Begründung einer von 74 ihm ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung nach § 89a auf eine Verletzung der Treuoder Förderpflicht, muss er diese Verletzung ebenso beweisen wie eine Überschreitung der Dispositionsrechte des Unternehmers. Insbesondere hat der HV mangelnde Sachgerechtigkeit oder Willkür als Beschränkung der Unternehmerfreiheit sowie ein bewusst schädigendes Verhalten des Unternehmers nachzuweisen.318

III. Belieferungspflicht des Unternehmers Eine allg. Belieferungspflicht des Herstellers ist nicht anzuerkennen.319 Schon aus der Treu- 75 pflicht des Unternehmers folgt jedoch die Verpflichtung, den wirtschaftlichen Interessen des Mittlers nicht zuwiderzuhandeln. Solange es keine sachlichen Gründe für eine gegenteilige Entscheidung gibt (etwa Übermaßbestellungen des Vertragshändlers kurz vor Vertragsende,320

311 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731; v. 11.6.1959 – II ZR 106/57, BB 1959, 720; KG, Urt. v. 25.10.2002 – 7 U 240/01; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2001 – 16 U 84/00, HVR Nr. 950; v. 8.6.1972 – 8 U 99/70, HVR Nr. 468; Thume BB 2018, 770 (775); Emde VersR 2012, 536 (547); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 51 zum Alleinvertreter; Westphal I Rn 105; Hopt § 87 Rn 24; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 80 (zum Alleinvertreter). 312 OLG Köln, Urt. v. 17.11.2000 – 19 U 200/00, BB 2000, 2595 = EWiR 2001, 23 (Emde) = WuW/E 2001, 185 DE-R 605 = NJW-RR 2001, 1178. 313 Emde VersR 2012, 536 (548). 314 Vgl. BGH NJW 1966, 1117 (1118). 315 OLG Colmar PucheltsZ 1906, 24 (26 ff.); OLG Hamburg HansGZ 1911, Hauptblatt 275 Nr. 123. 316 Vgl. OLG Köln DB 1975, 49 – die dortige Kurzinformation lässt allerdings nicht erkennen, welche Schutzabrede im konkreten Falle getroffen worden war – und OLG Stuttgart BB 1966, 798 – Vertragshändler. Sehr weit in der Frage einer schuldhaft mittelbaren Begünstigung solchen Unterlaufens durch den Hersteller geht BGH DB 1961, 601 (HV). 317 BGH NJW 1984, 2411; Canaris § 17 Rn 21 (Vertrieb erfolgt im Eigeninteresse des Händlers, nicht als Geschäftsbesorgung für den Unternehmer); Giesler/Vogels2 § 3 Rn 280 – Vertragshändler; Hopt § 87 Rn 29. 318 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 63; BGHZ 26, 161 (166). 319 Hinweise des BKartA zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 12.7.2017, ZVertriebsR 2017, 330 Rn 86; Walzel ZVertriebsR 2017, 71 (74). 320 Flohr/Wauschkuhn/Dau Vertriebsrecht2 § 86a Rn 61. 749

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s. Kommentierung zu § 89), hat der Unternehmer aufgrund dieser Treupflicht321 alles zu tun,322 um die vermittelten Geschäfte auszuführen und die vom Mittler geworbenen Kunden zu beliefern. Das gilt für vermittelte Geschäfte des HV aber auch für Bestellungen der Eigenhändler. So darf der Unternehmer Bestellungen der Kunden des HV, des Vertragshändlers323 (dazu Vor § 84 Rn 562 ff.) oder FN324 nicht willkürlich und ohne sachlichen Grund ablehnen oder reduzieren. Das gilt grds. auch im Zeitraum zwischen Kündigungserklärung und Vertragsende.325 Sonst könnte er entgegen den zwingenden Kündigungsfristen des § 89 die Kündigung auf „kaltem Wege“ erreichen. Eine Lieferpflicht des Unternehmers ohne ausdrückliche Regelung ist vom BGH zumindest für den Fall anerkannt worden, dass dem Vertragshändler sowohl eine Mindestabnahmeverpflichtung als auch ein Konkurrenzverbot auferlegt wurde.326 Soll der HV Service- und Reparaturaufgaben durchführen, hat der Unternehmer ihn zu diesem Zweck mit Ersatzteilen beliefern. Die Belieferungspflicht ergibt sich dabei als Nebenpflicht aus der auferlegten Verpflichtung, entsprechende Aufgaben zu übernehmen (Leistungstreuepflicht des Unternehmers). Im Übrigen kann eine Belieferungspflicht aus § 19 GWB folgen327 (s. Vor § 84 Rn 466 ff.). Ob die Belieferungspflicht existiert, ist eine Frage des Einzelfalls. Diese Einzelfallrelevanz führt zu Unsicherheit für beide Parteien.328 Die Treupflichten des Unternehmers sind mit der Interessenwahrungspflicht des Mittlers abzuwägen. Keine Belieferungspflicht besteht, wenn die Abwägung zu Lasten des Mittlers geht. So braucht der Unternehmer bei offenen Forderungen oder Vermögensgefährdung (§ 320 BGB) nicht zu liefern und darf unter Umständen eine Zug-um-Zug-Leistung fordern, etwa wenn vorweg vom Händler zur Zahlung des Kaufpreises gesandte Schecks ungedeckt waren.329 Umgekehrt gilt, dass das Angebot des Mittlers zur Vorkasse insb. bei streitigen Forderungen eine Lieferpflicht aufleben lassen kann. Bei Produktknappheit muss der Unternehmer zumutbaren Anstrengungen unternehmen, für eine Selbstbelieferung sowie die Lieferfähigkeit zu sorgen. Jedoch gestattet es die unternehmerische Dispositionsfreiheit dem Unternehmer, nicht in so großer Stückzahl zu produzieren, um allen denkbaren Bestellungen nachzukommen.330 Schlagen diese Maßnahmen des Unternehmers zur „Selbstversorgung“ fehl oder sind sie unzumutbar, muss ein objektiver und sachgerechter Verteilungsmaßstab gefunden und angewendet werden.331 In erster Linie ist an eine anteilige Belieferung zu denken.332 Eine ins Belieben des Unternehmers gestellte Verteilung scheidet aus.333 Die Bearbeitung in der zeitlichen Reihenfolge des Eingangs der Bestellung

321 Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (40). 322 Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (40). 323 BGH BB 1958, 540 (541); BB 1972, 193; OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart); ZVertriebsR 2017, 244; OLG Bremen BB 1966, 756; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 284; Martinek/Manderla § 25 Rn 15; Ulmer/ Brandner/Hensen/Ulmer Anh. 9 bis 11, Rn 888; Genzow Vertragshändlervertrag Rn 82; Canaris § 17 Rn 34; Flohr/ Wauschkuhn/Dau Vertriebsrecht2 § 86a Rn 61; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 150; Rheinländer WRP 2007, 501 (502); aA Stumpf/Jaletzke/Schultze Rn 341 (müsste ausdrücklich vereinbart werden). Nach Ansicht des OLG München, Beschl. v. 14.3.2014 – 23 U 4161/13 – Caravan-Vertrieb – ist der Unternehmer deshalb bei der Frage, ob und ggf. unter welchen Bedingungen er Bestellungen des Händlers annimmt, nicht völlig frei. 324 Giesler/Giesler/Güntzel Praxishandbuch Vertriebsrecht2 § 4 Rn 168. 325 AA Flohr/Wauschkuhn/Wauschkuhn Vertriebsrecht § 89 Rn 141 (Vertragshändler), 152 (FN), der eine Reduzierung der Belieferung zulassen will. 326 BGH BB 1972, 193 = MDR 1972, 410 (411); aA Schulte/Wauschkuhn/Dau Der Vertragshändlervertrag 3. Aufl., S. 88. 327 OLG Brandenburg, Urt. v. 31.3.2009 – Kart U 4/08, WuW DE-R 2824. 328 Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (40). 329 OLG München, Beschl. v. 14.3.2014 – 23 U 4161/13. 330 BGH NJW 1958, 1138 f.; Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (40). 331 Flohr/Wauschkuhn/Dau Vertriebsrecht2 § 86a Rn 67 zum Vertragshändler. 332 BGH BB 1982, 461; Küstner/Thume/Thume III Teil 2 Kap. 5 Rn 28; Flohr/Wauschkuhn/Dau Vertriebsrecht2 § 86a Rn 67 zum Vertragshändler. 333 BGH NJW 1982, 644; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 287. Emde

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kann nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls sachgerecht sein.334 Die Bestellhistorie oder die Bestellplanung (oft werden von Mittlern Bestellplanungen übermittelt) dürfen berücksichtigt werden.335 Denn Händler und Kunden werden in Zeiten der Produktknappheit geneigt sein, sich mit Vorräten einzudecken oder im Falle anteiliger Belieferung zu hohe Mengen zu bestellen.336 Wurden mit einem Teil der Händler Alleinbezugsverpflichtungen oder Mindestmengen vereinbart, sind diese Händler unter Umständen bevorzugt zu beliefern,337 insb. sofern andere Händler ihre Produkte frei einkaufen können. Denn dem Unternehmer darf kein Vertragsbruch zugemutet werden, wobei nach den dargelegten Maßstäben eine gänzliche Nichtbelieferung der Händler und Kunden der HV allerdings ebenfalls einen Vertragsbruch darstellten kann. Besonders wichtige Kunden oder Vertragshändler dürfen nach den Umständen des Einzelfalls bevorzugt beliefert werden.338 Regelmäßig unzulässig dürfte eine völlige Nichtberücksichtigung der Mittler bzw. der von ihnen vermittelten Aufträge sein, jedenfalls wenn es hierfür an zwingenden Gründen fehlt. Denn dann käme es zu einer zumindest zeitweisen Beendigung des Vertrages ohne Kündigungsfrist. Besonders unzumutbar ist dies gegenüber Mittlern, die einem Verbot anderer Erwerbstätigkeit unterliegen. Aber auch bei spezialisierten Mittlern kann bereits das sich aus dem Gesetz ergebende Wettbewerbsverbot problematisch sein und sie an weiterem Erwerb hindern. Der Unternehmer wird im Falle eines Streites um die Nichtbelieferung wohl Gründe nachweisen müssen, die zu ihr zwingen, sofern keine anteilige Verteilung oder ein anderer sachlicher Verteilmaßstab gewählt wird. Zumindest unterliegt er einer sekundären Darlegungslast. Die Nichtbelieferung der Händler oder der Kunden des HV ohne sachlichen Grund kann zu einer Schadenersatzverpflichtung führen. Für unverschuldete Lieferengpässe trifft den Unternehmer keine Schadensersatzpflicht.339 Droht unberechtigt der Abbruch der vertraglichen Beziehungen, darf der Mittler eine Rege- 76 lungsverfügung nach § 940 ZPO auf Fortsetzung des Vertrages und ggf. Belieferung erwirken340 (s. a. § 89a Rn 85 ff.), auch – und gerade (Eilbedürftigkeit) – kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist und nach längeren Verhandlungen.341 Sie ist ihrem Antrag nach auf vertragsgemäße Fortsetzung des Vertriebsvertrages gerichtet, meist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens.342 Dies gilt jedenfalls, wenn von der Belieferung die Existenzgrundlage des Mittlers betroffen und er glaubhaft macht, dass die vom Hersteller erklärte Kündigung verfristet ist. Die Existenzbedrohung ergibt sich oft aus der Identifikation des Mittlers mit den Produkten des Unternehmers infolge der engen Einbindung in das Vertriebssystem (etwa Corporate Identity). Tatsächlich bedarf es einer Notlage oder Existenzgefährdung nicht in jedem Fall. Ausreichend ist es, wenn die Leistungsverfügung zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Vermögensnachteils oder zur Abwendung eines endgültigen Rechtsverlustes erforderlich ist.343 Gerade bei großen Unternehmen ist eine Existenzgefährdung kaum vorstellbar,344 für Großunternehmen gibt es jedoch kein minderes Recht. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf345 muss der 334 OLG München WM 1985, 362; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 288; Flohr/Wauschkuhn/Dau Vertriebsrecht2 § 86a Rn 67 zum Vertragshändler. Flohr/Wauschkuhn/Dau Vertriebsrecht2 § 86a Rn 67 zum Vertragshändler. Flohr/Wauschkuhn/Dau Vertriebsrecht2 § 86a Rn 67 zum Vertragshändler. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 288. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 288; Flohr/Wauschkuhn/Dau Vertriebsrecht2 § 86a Rn 67 zum Vertragshändler. Giesler/Vogels2 § 3 Rn 286. OLG Saarbrücken, Urt. v. 10.2.1999 – 1 U 35/99-15, NJW-RR 1999, 1339 = EWiR 1999, 1175 (Emde); OLG Köln, Urt. v. 25.5.2001 – 19 U 90/01, VersR 2002, 1284; LG Stuttgart NJW-RR 1999, 329 = EWiR 1999, 411 (Emde); LG Köln, Beschl. v. 25.1.2007 – 86 O 7/07 (zum Kfz-Vertragshändlerrecht), n. v.; Genzow Vertragshändlervertrag 1996, Rn 128. 341 LG Stuttgart NJW-RR 1999, 329 = EWiR 1999, 411 (Emde); Emde VersR 1999, 1471. 342 Beispielhaft etwa LG Köln, Beschl. v. 25.1.2007 – 86 O 7/07 (zum Kfz-Vertragshändlerrecht), n. v. 343 OLG München GRUR-RR 2003, 56; GRUR-RR 2002, 181; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2002, 176; Kessel/Koch BB 2009, 1032 (1036). 344 Kessel/Koch BB 2009, 1032 (1036). 345 Urt. v. 20.9.2006 – VI-U (Kart) 29/05, n. v.; ebenso i. E. LG Köln, Urt. v. 24.4.2008 – 86 O 8/08, n. v.

335 336 337 338 339 340

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eine Leistungsverfügung beantragende Händler ohne die beantragte Eilverfügung lediglich wesentliche Nachteile, etwa erhebliche wirtschaftliche und nicht wieder gut zu machende Nachteile, erleiden, wobei sich die Anforderungen an diese Nachteile reduzierten, falls die Erfolgsaussichten in der Hauptsache besonders klar sind. Ein Vertragshändler ist nicht verpflichtet, klagweise Einzelanträge auf Belieferung zu stellen. Denn der Händler kann gegenüber seinen Kunden nicht auftreten, wenn er in jedem Einzelfall den Belieferungsanspruch durchsetzen muss. Er darf sich darauf beschränken, einen gem. § 890 ZPO zu vollstreckenden Unterlassungsantrag zu stellen, mit dem Ziel, die Verfügungsbeklagte solle es unterlassen, Maßnahmen zu ergreifen, die einer Weiterbelieferung entgegenstehen. Ein auf Weiterbelieferung und Betreuung gerichteter Leistungsantrag ist unnötig, weil durch das Zwangsgeld bei fehlender Unterlassung der Rechtsschutz hinreichend verwirklicht wird.346 Nach Ansicht des OLG Düsseldorf fehlt die Eilbedürftigkeit, sofern der Antragsteller eine nicht unerhebliche Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und bewilligt erhält.347 Ein Kfz-Händler, der gegen den Hersteller auf Grund des Baues eines anderen Autohauses in unmittelbarer Nähe vorgehen will, widerlegt die Dringlichkeitsvermutung nicht, indem er einen Antrag auf Erlass einer solchen Verfügung nicht bereits bei Baubeginn stellt. Die Bauarbeiten stellen keine Vorbereitungshandlung dazu dar, nach Fertigstellung des Gebäudes in Wettbewerb zum Händler zu treten.348 Eine Belieferungsklage muss die Bedingungen des Vertrages im Antrag nennen, etwa durch Bezugnahme auf Konditionenempfehlungen.349 Zu den Schwierigkeiten der Vollstreckung vgl. Spehl BB 2010, 267.

IV. Gleichbehandlungspflicht 1. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 19 GWB 77 Es ist streitig, ob der Unternehmer gehalten ist, alle seine Absatzmittler, ggf. unterteilt nach Rechtsverhältnissen (HV, Vertragshändler, FN), in vergleichbarer Situation gleich zu behandeln, etwa hinsichtlich der ihnen eingeräumten Vergütung und sonstigen Konditionen. Einen Gleichbehandlungsgrundsatz wie im Arbeitsrecht („gleicher Lohn für gleiche Arbeit“) als generellen Grundsatz gibt es nicht.350 Ein Unternehmer ist nicht gehindert, mit seinen HV voneinander abweichende Verträge zu schließen und braucht Vergünstigungen, die er – durch den Vertrag oder über den Vertragstext hinaus – dem einen einräumt, nicht in gleicher Weise anderen zu gewähren.351 Unbestritten findet das Recht des Unternehmers auf Ungleichbehandlung jedoch eine Grenze an Willkür, zumindest aber an unvernünftigem Verhalten, der Absicht, den Mittler zu schädigen,352 an schützenswertem Vertrauen353 sowie der Treupflicht.354 78 Andererseits ist zu bedenken, dass – würde man ein Gleichbehandlungsgebot in allen Situationen ablehnen – es der Unternehmer in der Hand hätte, durch Gewährung günstigerer Konditionen gegenüber einem HV dessen Geschäft zu Lasten der anderen HV zu fördern. Eine solche

346 347 348 349 350

OLG Köln, Urt. v. 25.5.2001 – 19 U 90/01, VersR 2001, 1284. OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.9.2006 – VI-U (Kart) 29/05, n. v. und i. E. zweifelhaft. OLG Schleswig, Hinweisbeschl. v. 1.7.2007 – 6 U 10/08. OLG Celle, Urt. v. 11.2.2010 – 13 U 92/09 (Kart), DE-R 2853 (2854). BGH, Urt. v. 28.1.1971 – VII ZR 95/69, WM 1971, 561 = DB 1971, 1055; Hopt ZIP 1996, 1538; Canaris § 17 Rn 81; Westphal I Rn 420; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 84 Rn 34; Hopt § 86 Rn 10, 30; § 86a Rn 15; Oetker/Busche/ Busche5 § 86a Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 73; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 1; aA Ebenroth S. 112 ff. 351 BGH, Urt. v. 7.7.1983 – I ZR 115/81, NJW 1984, 2101 (2102); WM 1971, 561 (562). 352 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 19. 353 BGH BB 1971, 484; Hopt § 86 Rn 10. 354 Hopt § 86 Rn 10. Emde

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Ungleichbehandlung widerspräche den dem Unternehmer obliegenden Treupflichten. Das streitet für eine partielle Gleichbehandlungspflicht, wobei den Besonderheiten des Vertriebsrechts mit seiner im Verhältnis zum Arbeitsrecht größeren Gestaltungsfreiheit des Unternehmers durch einen breiteren Raum der „sachlichen Gründe“ für eine Ungleichbehandlung Raum gegeben werden könnte. Richtigerweise wird man das Spannungsverhältnis durch eine Fallgruppenbildung auflösen müssen. So hat der BGH in einem Einzelfall einer Vertragsauslegung entnommen, der Unternehmer dürfe trotz der in seine AGB eingefügten Befugnis zur Einstellung der Zahlung eines Bürokostenzuschusses diesen nicht ausschließlich einem einzelnen HV verweigern. Eine Leistungsverweigerung nur gegenüber einem HV finde in seinen AGB keine Stütze. Der Unternehmer dürfe, solange er sein Leistungsversprechen nicht insg. zurücknehme, dessen Erfüllung gegenüber einem einzelnen HV nicht aus anderen als den bei seiner Abgabe aufgestellten Bedingungen verweigern.355 Auch außerhalb der Gebundenheit nach § 19 GWB (s. o. und Vor § 84 Rn 434 ff.) wird man 79 deshalb aufgrund der dem Unternehmer im Verhältnis zu seinen Mittlern obliegenden Treupflichten Gleichbehandlung in maßgeblichen Fragen verlangen dürfen, wenn die Bezirke der verschiedenen HV aneinander grenzen, sich die Kundenkreise überschneiden oder sogar mehrere HV innerhalb desselben Gebiets tätig werden dürfen und eine Ungleichbehandlung zu einer erheblichen Schädigung des benachteiligten HV führen würde. Sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung können etwa unterschiedliche Marktsituationen in den Vertriebsgebieten sein, z. B. ein niedrigeres Preisniveau im Vertretungsgebiet des einen, welches günstigere Preise erfordert, möglicherweise aber auch einen geringeren Provisionssatz, außerdem unterschiedliche Konditionen in zu verschiedenen Zeiten geschlossenen Verträgen. Unzulässig ist es, die Provision – z. B. für VV – in einem einheitlichen Vertriebsgebiet nach der Nationalität des HV zu staffeln.356 Sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung können etwa eine unterschiedliche Marktsituation in verschiedenen Vertriebsgebieten sein, z. B. ein niedrigeres Preisniveau im Vertretungsgebiet des einen, das günstigere Preise erfordert, möglicherweise aber auch einen geringeren Provisionssatz, außerdem unterschiedliche Konditionen in zu verschiedenen Zeiten geschlossenen Verträgen. Darüber, ob jenseits des Anwendungsbereiches des § 19 GWB im Vertragshändlerrecht357 80 sowie dem Franchiserecht358 ein Gleichbehandlungsgebot in wesentlichen Fragen besteht, wird wegen des erhöhten Kapitaleinsatzes des Vertragshändlers, seiner oft durch die CI-Richtlinien des Unternehmers i. V. m. dem Wettbewerbsverbot bedingten besonders engen Einbindung in das Vertriebssystem sowie des vom Unternehmer konzipierten horizontalen Wettbewerbsverhältnisses diskutiert. Aufgrund der genannten Umstände könnte der Unternehmer erhöhten Treupflichten unterliegen. So wird angeführt, es müsse Vertragshändler und FN möglich sein, erhebliche Investitionen zu amortisieren, was es ausschließen könnte, dass der Hersteller durch eine wesentliche Ungleichbehandlung einzelner Mittler jenen bessere Gelegenheiten zur Amortisation einräumt als anderen. Möglicherweise gilt das Gleiche im HV-Recht, sofern der HV vergleichbar kapitalintensiv tätig wird. Tatsächlich ist die Frage nicht nach dem Rechtskleid des Vertrages sondern nach dessen Inhalt sowie dem jeweiligen Schutzbedürfnis des Mittlers zu beantworten. Jedoch besteht keine Pflicht zur absoluten Gleichbehandlung, nur das Verbot der Ungleichbehandlung in wesentlichen Fragen aus unsachlichen Gründen. Auch die

355 BGH, Urt. v. 5.11.2015 – VII ZR 59/14, WM 2015, 2315 = BB 2016, 18 m. Anm. Thies; BGHZ 124, 351, 366 Rn 68. 356 Vgl. Rundschreiben des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen vom 12.10.1995 – FAZ 10.11.1995. 357 Für ein Gleichbehandlungsgrundsatz im Vertragshändlerrecht Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 151; Graf v. Westphalen NJW 1982, 2465 (2470); Habersack/Ulmer S. 28; Genzow Rn 86; Martinek/Manderla4 § 25 Rn 17; Ulmer Vertragshändlervertrag, S. 435 f.; Westphal II Rn 520; gegen die Gleichbehandlungspflicht Canaris § 17 Rn 49. 358 Giesler/Giesler/Güntzel2 § 4 Rn 149. 753

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Marktverantwortungsgebiete der Mittler dürfen unterschiedlich geschnitten sein;359 Mengenrabatte sind zulässig. Die Verkaufsbedingungen des Herstellers für seine Vertragshändler und FN sollen sich aber gleichen müssen.360 Tatsächlich wird man es dem Unternehmer nicht verwehren können, zu verschiedenen Zeiten Vertriebsverträge mit unterschiedlichen Konditionen zu schließen.

2. Innerhalb des Anwendungsbereichs des § 19 GWB 81 Ist der Unternehmer Normadressat des § 19 GWB, besteht grundsätzlich eine Gleichbehandlungspflicht (Vor § 84 Rn 434 ff.). Eine Pflicht zur Gleichbehandlung kann sich insb. ergeben, wenn der Unternehmer mittelbar oder unmittelbar selbst als Vertriebsmittler im selben Vertriebssystem wie seine HV tätig wird, etwa mittels verbundener Unternehmen (dazu Vor § 84 Rn 450 ff.).

V. Organisationspflicht des Unternehmers 82 Den Unternehmer trifft gegenüber dem HV die Pflicht, das Vertriebssystems so auszugestalten, dass es dem HV eine hinreichende Einnahmemöglichkeit bietet. Rechtstechnisch handelt es sich um eine Untergruppe der Treu- und Unterstützungspflicht und sie wird teilweise nicht von ihr separiert. Diese Pflicht folgt aus der Entscheidung des Unternehmers für ein Vertriebssystem unter Einschaltung von Vertriebsmittlern. Die Pflicht erhöht sich, je stärker der Vertriebsmittler in das Vertriebssystem des Unternehmers eingebunden ist und je größer seine Investitionen sind. Leitbildtypisch am stärksten ist diese Pflicht in investitionsträchtigen Vertriebssystemen wie dem Kfz-Vertrieb und in Franchisesystemen. Ihre Grenze findet die Pflicht an der Dispositionsfreiheit des Unternehmers (s. o.) und vor allem dort, wo ihre Erfüllung zu eigenem, unzumutbaren Schaden des Unternehmers führen würde. Aufgrund der Interessenwahrungspflicht des HV ist den Interessen des Unternehmers tendenziell der Vorrang einzuräumen (s. o.). 83 Ausdruck dieser Pflicht ist es, – nicht zu viele Mittler einzusetzen, um „Kannibalismus“ unter den Mittlern zu verhindern, – dem Vertreter eine wirtschaftliche Existenzgrundlage zu verschaffen,361 – die Gewährung von Konkurrenzschutz, soweit er zur Erhaltung oder Herbeiführung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage erforderlich ist (dazu oben, Stichwort „Wettbewerbsverbot“), – keine bewussten Schädigungen des Vertriebssystem vorzunehmen, um Schaden der Vertreter zu vermeiden (Stichwort etwa „Benetton362“). Diese Pflicht soll angeblich bei Mitgliedschaft des Unternehmers in der umstrittenen Scientology-Sekte verletzt sein363 (zwh. wegen Glaubensfreiheit), – die Systemförderung und die Verpflichtung zur Weiterentwicklung des Vertriebssystems. 84 Nicht jedoch – die Pflicht zur Werbung durch den Unternehmer, es sei denn, eine solche ist besonders vereinbart.

359 360 361 362

Genzow Rn 86; Westphal II Rn 522. Westphal II Rn 522. Giesler in: Giesler/Nauschütt, § 5 Rn 139. BGHZ 136, 295; Vorinstanz OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1997, 170; BGH BB 1995, 1792 = ZIP 1995, 1286 = BB 1995,

1792.

363 Giesler in: Giesler/Nauschütt, § 5 Rn 144. Emde

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H. Dispositionsfreiheit des Unternehmers I. Einleitung Diskutiert wird im Zusammenhang mit § 86a das Dispositionsrecht des Prinzipals. Der Mittler ist wie der Prinzipal Unternehmer. Beide besitzen damit ein Dispositionsrecht bei der Organisation von Betrieb und Vertrieb. Nur ist das Dispositionsrecht des Mittlers wegen der ihm obliegenden Interessenwahrungspflicht stärker eingeengt. Im Folgenden geht es um das das Dispositionsrecht des Prinzipals. Vieles davon gilt auch für den Mittler. Die Pflichten des Unternehmers aus dem Vertrag gehen dahin, dem HV die Möglichkeit zu eröffnen, sich Provisionen durch Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit zu verdienen. Beim Vermittlungsvertreter hängt der Provisionsanspruch davon ab, ob der Unternehmer das ihm als vermittelt angetragene Geschäft auch abschließt (§ 87). Geht die Förderungspflicht des Unternehmers so weit, die Provisionschance des HV sich zum Provisionsanspruch verdichten zu lassen, wenn nur der HV durch erfolgreiche Vermittlung „das seinerseits Erforderliche“ getan hat (Problem der Freiheit des Unternehmers, ein vermitteltes Geschäft im Einzelfall abzulehnen)? Und geht sie so weit, dem HV die ungeminderte Fortdauer seiner Provisionschancen bereitzuhalten ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit betrieblicher Umstrukturierungen beim Unternehmer oder auf das sonstige Schicksal des Betriebes (Problem des Annahmeverzuges im weiteren Sinne)? Wo verläuft die Grenze zwischen der Förderungspflicht des Unternehmers und seiner unternehmerischen Dispositionsfreiheit? Als erster Schritt wäre zu prüfen, ob die inkriminierte Handlung tatsächlich eine Dispositionsmaßnahme des Unternehmers darstellt. Dies setzt ein willentliches Verhalten des Unternehmers voraus. So mag es dem Unternehmer etwa freistehen, sein Vertriebssystem zu organisieren, indem er z. B. bestimmte Vertragspflichten ins Ausland outsourct. Ergeben sich daraus Pflichtverletzungen, etwa eine mangelhafte Belieferung von Tankstellen oder Vertragshändlern aufgrund der Verlagerung der Abteilung „Belieferung“, so war diese Folge meist nicht intendiert, d. h. keine Dispositionsmaßnahme. Immerhin mag es sich um eine mangelhafte Erfüllung der Organisationspflicht des Unternehmers handeln. Jedenfalls nach Abmahnung hat der Unternehmer auf Grund seiner Organisationspflicht die Mängel so rasch als möglich zu beseitigen, widrigenfalls er schadensersatzpflichtig wird. Einem Hersteller von Waren steht es grundsätzlich frei, den Absatz seiner Erzeugnisse so zu organisieren, wie es ihm am zweckmäßigsten erscheint.364 Er hat die Dispositionsfreiheit über sein Unternehmen,365 dessen Öffentlichkeitsdarstellung,366 die Vertriebswege367 und generell die Geschäftspolitik,368 soweit Gesetz oder Sozialbindung (Art. 14 GG) nicht zulässigerweise etwas Gegenteiliges bestimmen oder der Hersteller sich nicht vertraglich in einer bestimmten Weise gebunden hat. Wegen der allein ihm zustehenden Entschließungsfreiheit bleibt es seine Sache, ob und in welchem Umfang er eine Produktreihe oder seinen Betrieb umgestal-

364 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731; BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 8 AZR 98/11; 8 AZR 242/11, BeckRS 2012, 71039 = GWR 2012, 356 (Köhl) – arbeitsrechtliche Entscheidungen, die dort getroffenen Aussagen dürften aber „erst recht“ für einen HGB-Vertrag gelten; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.9.2012 – I-16 U 77/11, BB 2012, 2656 m. Anm. Hilgard – Mobilfunk-HV; v. 19.1.2001 – 16 U 84/00, HVR Nr. 950 – HV; Thume BB 2018, 770 (771); Drossart IHR 2016, 7 (11); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 16; Emde VersR 2012, 536. 365 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225) – Vertragshändlervertrag; OLG München, Urt. v. 18.7.2007 – 7 U 2055/06, BeckRS 2007, 01692 (HV-Vertrag), dort aber im Falle der Kündigung wegen lange voraussehbarer Inrentabilität verneint. 366 BGH EBE 1997, 290 (292). 367 Thume BB 2018, 770 (771). 368 BGH, Urt. v. 9.11.1967 – VII ZR 40/65, BGHZ 49, 39 = NJW 1968, 394; OLG München NJW-RR 2003, 401 (403). 755

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ten oder völlig einstellen,369 ob er eine andere Herstellungsmethode verwenden, ob er in der Qualität der Ware oder in der Preisgestaltung von Konkurrenzerzeugnissen abweichen oder sein Vertriebs-370 und Vergütungssystem ändern will,371 insb., sofern er dies aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen für erforderlich hält.372 Der Unternehmer braucht - anders als der HV, der die Interessen des Unternehmers zu fördern hat - seine Interessen also nicht denjenigen des HV unterzuordnen und darf frei entscheiden, was in seinem geschäftlichen Interesse liegt.373 Aus Rücksicht auf den HV muss er eine unternehmerische Entscheidung weder unterlassen noch zurückstellen. Dies gilt unabhängig davon, ob er zur Dispositionsmaßnahme gezwungen ist oder nicht.374 Der HV-Vertrag gibt dem HV nicht das Recht, auf Entscheidungen des Unternehmers Einfluss zu nehmen, die dessen unternehmerische Sphäre betreffen.375 Dieser unternehmerischen Gestaltungsfreiheit begibt sich der Unternehmer im gewissen Umfang, wenn er sich entschließt, seine Produkte durch Vertriebsmittler vermarkten zu lassen. Dann ist er verpflichtet, neben seinen eigenen unternehmerischen Interessen auch die Interessen seiner Mittler gebührend zu berücksichtigen und ihnen gegenüber obliegende Treu- und Förderungspflichten zu beachten (Rn 24 ff.).376 Der Unternehmer muss sich fragen, ob er den schutzwürdigen Belangen des Mittlers oder den notwendigen betrieblichen Entscheidungen, die zu einer Beeinträchtigung der Rechte des Mittlers führen können, Vorrang einräumen will.377 Diese Interessenabwägung378 führt nicht selten zu Schwierigkeiten, weil die Interessen beider Vertragsteile zwar im Hinblick auf die Gewinnmaximierung und den dazu erforderlichen Zwischenschritt, möglichst weitgehende Marktdurchdringung, übereinstimmen, im Hinblick auf die Details der Zusammenarbeit jedoch oft gegensätzlicher Natur sind.379 Der Unternehmer möchte etwa Maßnahmen treffen, die die Kosten mindern und den Umsatz heben oder den Umsatzschwerpunkt verlagern, der Mittler möchte so tätig werden, wie ihm dies den bestmöglichen Gewinn bringt. Außerdem hat der HV Interesse an einem hohen Provisionssatz, der Unternehmer nicht. 89 In der Tat geht es um ein Prinzip: Der HV ist von dem Wohl und Wehe des Betriebes seines Unternehmers abhängig; er ist Hilfsperson des Unternehmers. Der HV hat aber keine Garantie des Erfolges seiner Hilfstätigkeit und ihrer Fortdauer zu beanspruchen. Darin liegt das Risiko, welches er selbst eingegangen ist, indem er sich mit dem Schicksal des Unternehmens verbunden hat. Weil der HV in dieser Weise wirtschaftlich abhängig bleibt und er Arbeit und Kosten in eine auf längere Zeit geplante Vermittlungstätigkeit investiert, hat der Unternehmer bei seinen unternehmerischen Entschließungen auch auf die Belange des HV gebührend Rücksicht zu nehmen. Damit steht die Dispositionsfreiheit des Unternehmers380 im Spannungsverhältnis 369 BGHZ 49, 39 = NJW 1968, 394; BGH, Urt. v. 21.12.1964 – VII ZR 31/63 – n. v.; zit. nach Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 86; v. 29.6.1959 – II ZR 99/58, NJW 1959, 1964; OLG Köln, Beschl. v. 1.3.2013 – 19 W 4/13, BeckRS 2013, 16612; Thume BB 2018, 770 (771); Drossart IHR 2016, 7 (11). 370 Thume BB 2018, 770 (771). 371 BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 8 AZR 98/11; 8 AZR 242/11, BeckRS 2012, 71039 = GWR 2012, 356 (Köhl) – arbeitsrechtliche Entscheidungen. 372 BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219; Thume BB 2018, 770 (771). 373 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 8. 374 Hopt § 86a Rn 13. 375 BGH, Urt. v. 12.12.1957 – II ZR 52/56, BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 8. 376 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731; v. 29.6.1959 – II ZR 99/58, NJW 1959, 1964 – zum Ausgleichsanspruch; v. 12.12.1957 – II ZR 52/56, BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219; BGHZ 136, 295; Thume BB 2018, 770 (771); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 16; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 19, 20; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 17. 377 BGH, Urt. v. 6.5.1993 – I ZR 84/91, NJW-RR 1993, 1122 (1123); v. 27.1.1972 – VII ZR 300/69, BGHZ 58, 140 (145) = NJW 1972, 1046; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225); Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 83. 378 Thume BB 2018, 770 (771). 379 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 83. 380 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 4. Emde

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zwischen Unternehmer- und HV-Rechten,381 zudem im Wechselspiel mit den Treupflichten des Unternehmers, welche seine Dispositionsfreiheit begrenzen.382 Die enge Verknüpfung zeigt sich daran, dass dieselben Fälle zum Teil unter dem Titel Treupflicht, zum Teil aber auch unter der Überschrift Dispositionsfreiheit geführt werden. Auch das Recht des Unternehmers auf Ungleichbehandlung der HV in seinem Vertriebssystem (s. o.) findet an diesen Gegenrechten seine Grenze.383 Weil § 86a Abs. 2 S. 2 davon spricht, dass der Unternehmer den HV über Annahme oder 90 Ablehnung eines vermittelten Geschäfts zu unterrichten habe, so setzt die Norm die grundsätzliche Freiheit der Entschließung des Unternehmers über den Geschäftsabschluss voraus.384 Sonst wäre der Unterschied zwischen Vermittlungs- und Abschlussvertreter nur ein ganz formaler. Abs. 2. S. 3 spricht davon, dass der Unternehmer den HV zu unterrichten habe, wenn er Geschäfte in Zukunft nur in erheblich geringerem Umfange abschließen könne „oder will“: auch damit ist ein Entschließungsspielraum des Unternehmers vorausgesetzt. Wenn § 86a Abs. 2 S. 3 lediglich eine Unterrichtung über die Verringerung der Geschäfte vorschreibt, wird daraus im Umkehrschluss zu entnehmen sein, dass keine Verpflichtung des Unternehmers zu gleichbleibender Lieferung besteht. Der Unternehmer soll im Grundsatz frei darüber entscheiden dürfen, ob er den vermittelten Auftrag annimmt.385 Weitergehend soll den vorgenannten Vorschriften der Grundsatz zu entnehmen sein, dass allein dem Unternehmer die Entschließungsfreiheit zustehe, wie er seinen Geschäftsbetrieb und seine kaufmännische Betätigung gestalte und dem HV kein Einfluss oder Mitspracherecht auf die Geschäftspolitik des Unternehmers zuzubilligen sei. Innerhalb des von Abs. 2 garantierten Kernbereichs ist die unternehmerische Dispositionsfreiheit zwingend.386 Außerhalb dieses Kernbereichs ist die Selbstbestimmung des Unternehmers zumindest durch § 138 BGB geschützt. Das Fehlen jeder Grenzen der Dispositionsfreiheit lässt sich § 86a Abs. 2 S. 2, 3 allerdings 91 nicht entnehmen. Dagegen spricht schon die immanente Begrenzung jedes Rechts, auch der Unternehmerrechte, durch Treupflichten, die in einem Dauerschuldverhältnis besonders intensiv sind. § 86a Abs. 2 S. 3 sagt nichts darüber aus, unter welchen Bedingungen eine Reduzierung des Geschäftsvolumens und eine Änderung der Geschäftspolitik möglich ist, sondern regelt in erster Linie für einen Spezialfall zulässiger Disposition die Informationspflicht. Die Frage der Grenzen der Dispositionsfreiheit blieb in dieser Norm ungeregelt und beantwortet sich alleine nach allg. Grundsätzen unter Berücksichtigung der Treupflichten. Danach bestimmt zwar der Unternehmer die Leitlinien der Vertriebspolitik. Solange er sich allerdings für ein Vertriebssystem mit unabhängigen Mittlern entscheidet, muss er bei seiner Vertriebspolitik auch Rücksicht auf deren Interessen nehmen. Es ist ihm also nicht bedingungslos alles gestattet, was die Interessen der Mittler berührt. Will er seine Dispositionsfreiheit in vollem Umfang wieder herstellen, hat er – soweit zulässig – die Vertriebsverträge zu kündigen, dann allerdings auch einen Ausgleich nach § 89b zu leisten. Scheut er dies, etwa weil er den Ausgleichsanspruch oder die Folgen eines unbetreuten Bezirkes meiden will, muss er seine Pflichten mit denen der Mittler in Konkordanz bringen. Die Rechte des Unternehmers finden also an den im Folgenden näher bestimmten Rechten des Mittlers ihre natürliche Grenze, insbesondere an der Rücksichtnahme- und Förderpflicht (Wechselwirkung).387 Dies gilt im gesamten Vertriebsmittlerrecht, also sowohl im Recht des HV wie der HV-ähnlichen Vertriebsmittler (z. B. Vertragshändler,388 Franchisenehmer). Hat sich der Unternehmer in bestimmten Branchen – etwa gegenüber Tankstellenvertretern oder allgemein bei der Tätigkeit von 381 382 383 384 385 386 387 388 757

Thume BB 2018, 770 (771); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 16. BGH, Urt. v. 18.6.1964 – VII ZR 254/62, BGHZ 42, 59 = NJW 1964, 1621 = BB 1964, 823. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 17. Thume BB 2018, 770 (771). BGH, Urt. v. 5.4.2006 – VIII ZR 384/04, BB 2006, 1300 (1301) Rn 17. Vgl. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 16. Drossart IHR 2016, 7 (11); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 16. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225). Emde

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Abschlussvertretern – der Entscheidungsfreiheit über das einzelne Geschäft begeben, wird 86a Abs. 2 S. 3 nichts zu entnehmen sein. Es entspricht dann der Verkehrsüblichkeit, dass der Unternehmer die kontinuierliche Belieferung des HV zu sichern hat. Auch aus § 87a Abs. 3 lässt sich eine Begrenzung der unternehmerischen Dispositionsfreiheit ableiten. Denn nach dieser Norm ist es dem Unternehmer jedenfalls nach Abschluss des Kundengeschäfts mit Wirkung gegen die Provision des HV zwar erlaubt, das bereits geschlossene Geschäft aufzuheben. Diese Aufhebung hat jedoch regelmäßig keinen Einfluss auf das bereits entstandene Provisionsrecht des HV. 92 Danach gilt während der Vertragslaufzeit: Die seinen Betrieb betreffende kaufmännische Entschließungsfreiheit steht grundsätzlich allein dem Unternehmer zu,389 selbst wenn er Normadressat des § 19 GWB ist390 (dazu Vor § 84 Rn 434 ff.). Aus dem Umstand, dass der Provisionsanspruch und die Verdienstmöglichkeiten des HV von den geschäftlichen Maßnahmen des Unternehmers abhängig sind, rechtfertigt sich keine Einflussnahme des HV.391 Der Entscheidungsspielraum des Unternehmers deckt sogar Maßnahmen, die sich im Nachhinein als verfehlt herausstellen. Der HV kann auch sonst keine Rechte aus angeblich oder wirklich mangelhafter Organisation oder Betriebsführung seines Unternehmers herleiten, sofern ihm dadurch Provisionschancen entgehen.392 Die Dispositionsfreiheit393 findet ihre Schranken an den vertraglichen Treu- und Förderpflichten,394 dem Rücksichtnahmegebot,395 Schikaneverbot (§ 226 BGB), Willkür,396 § 138 BGB sowie Treu und Glauben (§ 242 BGB),397 insb. an dem aus Treu und Glauben abgeleiteten Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Auch aus § 87a Abs. 3 mag sich eine Begrenzung ableiten lassen. Die Norm erlaubt es dem Unternehmer zwar nach Abschluss des Kundengeschäfts mit Wirkung gegen die Provision des HV, das Kundengeschäft aufzuheben. Die Aufhebung hat jedoch i. d. R. keinen Einfluss auf den Provisionsanspruch des HV. Werden jene Grenzen nicht beachtet, ist eine Disposition des Unternehmers pflichtwidrig.398 Auch das Recht des Unternehmers auf Ungleichbehandlung der Mittler in seinem Vertriebssystem findet an diesen Gegenrechten seine Grenzen.399 Zudem ist der Mittler wirtschaftlich oft die schwächere Partei400 und damit leitbildtypisch schutzbedürftig. Dabei können die Grenzen bei einzelfallbezogenen Dispositionen, etwa der Weigerung, vorrätige Ware zu liefern, geringer sein als bei generellen Entscheidungen, etwa die fehlende Belieferung von Kunden aus vertriebspolitischer Grundsatzentscheidung.401 Werden diese Grenzen nicht beachtet, wäre eine Disposition des Unternehmers gesetzwidrig und verletzte dessen Pflichten aus dem HV-Vertrag.402 Der Unternehmer darf zwar nicht zum Abschluss des Geschäftes gezwungen werden. Er kann sich aber 389 BGHZ 26, 161; 49, 39; 93, 38 (Vertragshändlervertrag); BGH WM 1987, 595; 1993, 1464; 1725; OLG Düsseldorf HVR Nr. 949; Thume BB 2018, 770 (771); Hopt § 86a Rn 13. 390 BGH, Urt. v. 24.9.2002 – KZR 38/99, NJW-RR 2003, 834 = WuW/E DE-R 1151, 2003, 395. 391 BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 85. 392 BGH BB 1960, 1222. 393 BGH, Urt. v. 18.6.1964 – VII ZR 254/62, BGHZ 42, 59 = NJW 1964, 1621 = BB 1964, 823; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 274. 394 BGH, Urt. v. 12.12.1957 – II ZR 52/56, BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219; BGHZ 136, 295; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225) – Vertragshändler; v. 14.9.2012 – I-16 U 77/11, BB 2012, 2656 m. Anm. Hilgard – Mobilfunk-HV, dort Verletzung abgelehnt; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 10, 14; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 17. 395 OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.9.2012 – I-16 U 77/11, BB 2012, 2656 m. Anm. Hilgard – Mobilfunk-HV, dort Verletzung abgelehnt; OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 8.12.2010 – 12 U 1242/10 (HV). 396 OLG Köln, Beschl. v. 1.3.2013 – 19 W 4/13, BeckRS 2013, 16612; Westphal I Rn 418. 397 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 398 BGHZ 26, 161; 58, 140; BGH NJW-RR 1993, 1122 (1123); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 17; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 86a Rn 20; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 14, 15, 21. 399 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 17; Emde VersR 2012, 536 (538). 400 BVerfG, Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NZA 1990, 389 (390); BGH, Urt. v. 20.9.2006 – VIII ZR 100/05, BB 2006, 2492 (2493). 401 Canaris § 17 Rn 36. 402 BGHZ 26, 161; 58, 140; BGH NJW-RR 1993, 1122 (1123); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 17; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 86a Rn 20; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 14, 15, 21. Emde

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gegenüber dem HV schadenersatzpflichtig machen, wenn er aus unsachlichen Gründen den Abschluss eines vermittelten Geschäftes verweigert.403 Dann wäre der Mindestschaden die Pflicht des Unternehmers, sich auf diese Maßnahme nicht zu berufen. Der BGH hatte, was die Frage von Annahme oder Ablehnung des vermittelten Geschäfts 93 anlangt, ursprünglich in BGHZ 26, 161 ff. sich noch nicht ganz widerspruchsfrei geäußert. Hieß es dort auf S. 165, es müssten „vernünftige und einleuchtende Gründe“ vorliegen, wenn der Unternehmer durch Ablehnung des vermittelten Geschäfts den HV um den Lohn seiner Bemühungen verkürzen dürfe, so wenig später mit deutlicher Akzentverschiebung auf S. 166, der Unternehmer dürfe „nicht willkürlich, ohne vertretbaren Grund“ bei seinen geschäftlichen Dispositionen den Interessen des HV zuwiderhandeln. Die letztere Linie hat sich in der späteren Rechtsprechung des BGH durchgesetzt. Seit BGH BB 1960, 1222 herrscht, auch in der Literatur,404 zumindest im Handelsvertreterrecht die Formel, dass die Entschließungen des Unternehmers nicht willkürlich oder in der Absicht, den HV zu schädigen,405 getroffen werden dürfen. Der BGH betont, dass die Entschließungsfreiheit des Unternehmers keinen Freibrief für eine sinnlose Misswirtschaft darstelle406 und ihre Grenze finde, wo sich der Unternehmer willkürlich und ohne vertretbaren oder sachlichen Grund über die schutzwürdigen Belange seines HV hinwegsetze407 oder ihnen zuwiderhandele.408 Der HV müsse ihm nachteilige betriebsändernde Maßnahmen des Unternehmers nicht nur dann hinnehmen, falls der Unternehmer zu diesen Maßnahmen wirtschaftlich gezwungen sei.409 Vielmehr gelte dies für jede Maßnahme des Unternehmers, die ihm wirtschaftlich und sinnvoll erscheine, mit der er aber nicht willkürlich und ohne vertretbaren Grund den Interessen des HV zuwider handele. Außerhalb des HV-Bereichs, insb. im investitionsintensiveren Vertragshändlerrecht, hat der BGH die Grenze zur Annahme einer Vertragsverletzung niedriger gezogen. So hat er etwa den Parallelvertrieb des Unternehmers im Vertragshändlervertrieb schon mangels „gewichtiger Gründe“ für unzulässig gehalten.410

II. Willkür Die jede Disposition des Unternehmers begrenzende Willkür soll nach heute wohl h. M. vorlie- 94 gen, wenn der Unternehmer ohne vertretbaren Grund die von der Treupflicht gezogenen Grenzen überschreitet,411 die von ihm getroffene Entscheidung ohne Prüfung und Abwägung der Gegebenheiten erfolgt (das dem Unternehmer eingeräumte Ermessen also nicht ausgeübt worden ist412) oder die Entscheidung bereits aus subjektiver Sicht des Unternehmers nicht durch wirtschaftlich vernünftige und sinnvolle,413 sondern allein durch sachfremde Erwägungen ver-

403 BGH BB 1960, 1221 (1222); OLG Düsseldorf OLGR 1998, 11 (13); Hopt § 86a Rn 14; Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 35 (für VV); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 17.

404 Statt vieler: Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 70a. 405 Ebenso: OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 8.12.2010 – 12 U 1242/10; Drossart IHR 2016, 7 (11); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 17.

406 BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219; Thume BB 2018, 770 (771); Küstner/Thume I5 Kap, IV Rn 88. 407 BGH, Urt. v. 9.11.1967 – VII ZR 40/65, BGHZ 49, 39 = NJW 1968, 394 (zum Ausgleichsanspruch); BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219; BGH NJW 1959, 1964 = HVR Nr. 209; DB 1972, 524. 408 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 88. 409 BGHZ 49, 39 = NJW 1968, 494. 410 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2001 – 16 U 84/00, HVR Nr. 950 folgt dem bereits für den Handelsvertretervertrieb. 411 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731 – Vertragshändler; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.9.2012 – I-16 U 77/11, BB 2012, 2656 m. Anm. Hilgard – HV. 412 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 18; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 70a. 413 BGH NJW 1959, 1964 (1965); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 18. 759

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anlasst worden ist, im Extremfall um den HV zu schädigen.414 Diese Abgrenzung dürfte das subjektive Element zu sehr betonen.

III. Unvertretbare Maßnahme 95 Man wird die Grenzen der Dispositionsfreiheit weitgehend von subjektiven Elementen befreien und das in dem Begriff der Willkür liegende, ohnehin kaum nachweisbare subjektive Element beiseite setzen müssen: Unzulässig ist bereits eine aus der Sicht eines vernünftigen Unternehmers unvertretbare Maßnahme.415 Auch sonst ist in Dauerschuldverhältnissen kein Vertragspartner bis zur Grenze der Willkür frei. Regelmäßig schadet schon einfache Fahrlässigkeit.

IV. Objektiver Maßstab 96 Nicht willkürlich sind wirtschaftlich vertretbare und sinnvolle oder jedenfalls aus der Sicht eines ordentlichen Kaufmanns noch nachvollziehbare und verständliche Entscheidungen.416 Fehler in Organisation und Abläufen im Betrieb des Unternehmers sind kein Indiz für Willkür.417 Die Frage, ob eine unvertretbare Maßnahme vorliegt, bleibt – wie richtigerweise auch die Frage, ob Willkür existiert, einzelfallbezogen418 aus der Sicht eines objektiven Dritten mit optimaler Tatsachenkenntnis zu bestimmen wäre – objektiv zu beantworten. Der Maßstab der Unrechtmäßigkeit ist damit nicht die (allein subjektive) Sicht der Dinge des Unternehmers im Zeitpunkt seiner Entscheidung.419 Doch auch subjektive Elemente sind nicht völlig auszublenden: Willkür und unsachliche Gründe sind ausgeschlossen, sofern der Unternehmer aus beachtlichen Gründen ein Dispositionsrecht annahm und aus der Sicht eines vernünftigen Unternehmers auch annehmen durfte.420 Beachtliche Gründe, die eine unsachliche Ablehnung eines Geschäftes ausschließen, können etwa in der Überlastung des Betriebs, in Materialknappheit oder in der Person des Geschäftspartners bestehen.421 Willkür und Unsachlichkeit liegen vor, wenn der Unternehmer ein Geschäft lediglich deshalb ablehnt, um dem HV die weitere Tätigkeit zu verleiden.422 Es überschreitet keinesfalls die Befugnis eines Gerichts, sich insoweit in die Geschäftspolitik eines Unternehmens zu mischen und dessen Entscheidung darauf zu überprüfen, ob sie auf einem vernünftigen und einleuchtenden Grund beruht.423 Auch ist nicht jede plausibel klingende Begründung hinzunehmen.424 Deshalb liegt eine unrechtmäßige Maßnahme nicht schon dann vor, wenn eine Abwägung des Für und Wider durch den Unternehmer nicht stattgefunden hat425: es kommt auf das vertretbare Ergebnis an. Der 414 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 19. 415 Im Ergebnis: OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2013 – I-16 U 172/12, ZVertriebsR 2013, 224 (225) – „nicht ohne begründeten Anlass“ bzw. „ohne vertretbare Grund“; DIS-Schiedsgericht, Schiedsspruch v. 17.1.1997 – SIS-SV-B 627/96, BBBeil. 11/1999, 13 ff. – Vertragshändlervertrag (sachlich nicht geboten); Drossart IHR 2016, 7 (11); Emde VersR 2012, 536 (538). 416 BGHZ 49, 39 (42); BGHZ 58, 140 (145); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 18; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 18; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 70. 417 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 18. 418 Drossart IHR 2016, 7 (11). 419 So Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 8. 420 MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 18. 421 MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 18. 422 MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 18. 423 AA LG Hamburg, Urt. v. 12.6.2006 – 415 O 17/06. 424 AA LG Hamburg, Urt. v. 12.6.2006 – 415 O 17/06. 425 AA Staub/Brüggemann4 § 86 Rn 21. Emde

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Vergleich zum Ermessensfehlgebrauch durch Ermessensnichtgebrauch im Verwaltungsrecht liegt angesichts des objektiven Kontrollmaßstabs fern. Um beurteilen zu können, ob eine Maßnahme rechtmäßig war, darf der Mittler vom Unternehmer Auskunft über die Gründe der Maßnahme fordern.426 Willkürlichen oder unvertretbaren Entscheidungen gleichen Umgehungsgeschäfte zwecks 97 Ausschaltung der Rechte des HV,427 z. B. die Einstellung des Betriebs bei gleichzeitiger Verlagerung auf ein vom Unternehmer neu gegründetes Unternehmen428 (s. o.).

V. Steigende Schutzpflichten je nach Gefährdung des Mittlers Je erheblicher die Investitionen des Mittlers, umso höher ist die Schutzpflicht des Unternehmers 98 ausgeprägt.429 Deshalb hat der BGH430 die Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Unternehmers auch mit den Aufwendungen an Zeit und Geld des HV begründet. Besonders eng sind die Schranken der Dispositionsfreiheit in für die Mittler investitionsintensiven Branchen. Paradigma ist das Kfz-Vertragshändler- sowie das Franchiserecht. Auch im HV-Bereich kann der Vertrieb ähnlich kostenintensiv sein, wie die Existenz von Kfz-HV (Mercedes-Benz) zeigt.

VI. Kündigung vor Umsetzung der Dispositionsmaßnahme? Der Grad des Verstoßes gegen die Grenzen der Dispositionspflicht bestimmt über die vom Unter- 99 nehmer geforderten Umsetzungsmaßnahmen. Liegt ein Verstoß gegen Rücksichtnahmepflichten vor, darf der Unternehmer die Maßnahme nicht einfach umsetzen. Er hat sich vielmehr von seinen Rücksichtnahmepflichten durch Kündigung der Mittlerverträge zu befreien und zum (investitionsintensiven) Eigenvertrieb überzugehen. Schon wegen des Verbots der Teilkündigung und der stillschweigenden Aushöhlung von Vertragsrechten durch tatsächliche Maßnahmen wird man von der Möglichkeit der Kündigung nicht a maiore ad minus zum Recht auf Umsetzung der Dispositionsmaßnahme schließen dürfen; das verbieten die aus dem bestehenden Vertrag herrührenden Treupflichten, derer sich der Unternehmer zuvor wirksam (durch Vertragsbeendigung) entledigen muss. Bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hat er mit der Realisierung der inkriminierten Maßnahme zu warten. Er darf auch mit der Kündigung einen neuen Vertrag anbieten, der die beabsichtigte Maßnahme gestattet, soweit die Vereinbarung nach §§ 84 HGB, 242 BGB, 305 ff. BGB zulässig ist (Änderungskündigung). Ist dem Unternehmer eine Umsetzungszeit bis zum Ende der Kündigungsfrist objektiv unzumutbar, muss er außerordentlich – jedoch ausgleichserhaltend i. S. d. § 89b Abs. 3 Nr. 2, weil ein schuldhaftes Verhalten des Mittlers nicht vorliegt – kündigen. Unzumutbarkeit besteht bei Existenzgefährdung: Der Unternehmer kann in dieser Situation nicht gehalten sein, nur wegen der Verdienstmöglichkeiten des HV mit Verlust weiterzuproduzieren.431 Ohne Kündigung bleibt die Durchführung vertragswidrig; der HV darf Unterlassung und ggf. Schadenersatz verlangen. Reicht die Unzweckmäßigkeit der Maßnahme so weit, dass der Bereich einer willkürlichen Schädigung erreicht ist, dürfte auch eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen sein. Die Treupflichten führen zu einem Kündigungsausschluss, weil auf andere Weise der Schutz des HV vor derart willkürlichen Entscheidungen nicht zu errei426 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 17; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 70.

427 Hopt § 86a Rn 16. 428 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 18; anschaulicher Fall BGH, Urt. v. 30.1.1981 – I ZR 17/79, NJW 1981, 1785 (1786). 429 Thume BB 2018, 770 (774). 430 BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219. 431 BGH BB 1959, 864 = NJW 1959, 164; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 94. 761

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chen ist. In diesem Fall wäre die Umsetzung und damit auch eine sie vorbereitende Kündigung unzulässig. Sie käme einer unzulässigen Schikanekündigung nahe. Eine bereits ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Ob in der Information des Unternehmers über eine bestimmte Maßnahme, etwa dass er die Herstellung aller dem HV zum Vertrieb übertragenen Produkte einstellt oder die Kunden des HV nicht mehr beliefert, eine Kündigungserklärung liegt, ist nach §§ 133, 157 BGB zu bestimmen. Hierzu muss der Wille zur Vertragsbeendigung deutlich zum Ausdruck kommen.432 Im Zweifel fehlt eine Kündigung.433 In der Mitteilung des Unternehmers, er stelle die Herstellung des dem HV zum Vertrieb gegebenen Produkts ein, werde den Kundenkreis des HV nicht mehr beliefern oder zum Vertrieb durch Angestellte übergehen, kann je nach Situation (§§ 133, 157 BGB) eine Kündigungserklärung liegen, falls der rechtsverbindliche Wille zur Vertragsbeendigung hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt.434 Der HV kann die Information des Unternehmers über die Dispositionsmaßnahme zum Anlass einer ausgleichserhaltenden Kündigung aus begründetem Anlass gem. § 89b Abs. 3 Nr. 1 nehmen.

VII. Rechtzeitige Information des Mittlers 100 Ist eine Disposition zulässig, hat der Unternehmer so früh als möglich über sie zu informieren.435 Unterlässt er die rechtzeitige Information, so darf der HV den bei zeitgerechter Information vermeidbaren Schaden ersetzt verlangen.436 Der Vertriebsmittler ist zudem berechtigt, vom Unternehmer Auskunft über die Gründe der Maßnahme zu verlangen, um zu überprüfen zu können, ob sie rechtmäßig ist.437 Je nach Eingriffsgewicht verlängert sich die Frist zwischen Information und Vornahme. Vor Maßnahmen, die wirtschaftlich an eine Kündigung heranreichen, entspricht der Zeitraum zwischen Information und Maßnahme den Fristen des § 89. Die Frist wird dann Auslauffrist genannt; sie muss angemessen sein.438 Ende439 befürwortet eine Frist von 3–6 Monaten. Bei derart erheblichen Eingriffen ist es oft mit einer Dispositionsmaßnahme nicht getan. Vielmehr ist eine (Änderungs-) Kündigung erforderlich. Erfolgt eine Maßnahme aufgrund vernünftiger kaufmännischer Erwägungen, unterlässt der Unternehmer jedoch die Mitteilung, darf der HV i. d. R. nur Ersatz der Aufwendungen verlangen, die bei ordnungsgemäßer Unterrichtung nicht entstanden wären.440 Schadenersatz wegen entgangener Provision kann in diesem Fall nicht gefordert werden. Denn die fehlende Information ist für den Provisionsausfall nicht ursächlich. Ursächlich ist vielmehr die nachvollziehbare und vernünftige Entscheidung des Unternehmers.441

VIII. Abwägungsgebot 101 Auch wenn die o. g. Grenzen des Rechtsmissbrauchs, der Treupflichtverletzung oder der Schikane nicht erreicht sind, muss der Unternehmer seine Vorteile und die den HV treffenden Nachteile gegeneinander abwägen. Greift eine Maßnahme schwer in Rechte des Mittlers ein, ohne durch mindestens gleichwertige Interessen des Unternehmers gerechtfertigt zu sein, so hat der

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Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 54; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 14b. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 54. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 54; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 14b. Thume BB 2018, 770 (771); Hopt § 86a Rn 14. BGHZ 49, 39. Thume BB 2018, 770 (772). Vgl. DIS-Schiedsgericht, Schiedsspruch v. 17.1.1997 – SIS-SV-B 627/96, BB-Beil. Nr. 11/1999, 13; Ende NJW 1999,

326.

439 Ende NJW 1999, 326. 440 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 68. 441 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 68. Emde

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Unternehmer entweder das Einverständnis des Mittlers einzuholen oder die Maßnahme bis zum Wirksamwerden einer ordentlichen Kündigung zu unterlassen. Die Dispositionsfreiheit des Unternehmers erweitert sich, wenn er dem Mittler als Ausgleich eine finanzielle Vergütung zusichert. Auch dann kann jedoch ein Treupflichtverstoß vorliegen, falls der Mittler von seinem Kundenstamm ferngehalten und ihm hierdurch die Möglichkeit zu zukünftiger Kundenwerbung und damit zur Steigerung seiner Gewinne verwehrt wird (ein Problem etwa bei der Freistellung). Nicht in allen Fällen richtig ist es, dass der Unternehmer den eigenen geschäftlichen Interessen, die eine bestimmte Maßnahme als geboten erscheinen lassen, im allgemeinen den Vorrang vor den Interessen des Mittlers geben dürfe und dessen Interessen nach Treu und Glauben nur dann den Vorzug verdienten, falls sie gegenüber denen des Unternehmers wesentlich überwögen.442 Bedenklich ist auch die Aussage, der Mittler müsse nachteilige betriebsändernde Maßnahmen nicht nur hinnehmen, wenn der Unternehmer zu diesen Maßnahmen wirtschaftlich gezwungen sei, sondern auch jede Maßnahme des Unternehmers, die jenem wirtschaftlich und sinnvoll erscheine und mit der er nicht willkürlich und ohne vertretbaren Grund den Interessen des HV zuwiderhandele.443 Richtig ist vielmehr, dass es in jedem Fall auf eine Abwägung der beiderseitigen Interessen nach den vorgenannten Maßstäben ankommt.

IX. Kasuistik Der Unternehmer darf sein Dispositionsrecht auf jede zulässige Art und Weise ausüben, etwa 102 durch Vertragskündigung und Weisungen.444 Ausfluss der Dispositionsfreiheit sind beispielsweise folgende Rechte des Unternehmers: – Abschluss und Nichtabschluss eines Geschäfts/Annahme oder Ablehnung eines Geschäfts: Wie ausgeführt, soll sich aus § 86a Abs. 2 S. 2, 3 (= Art. 4 Abs. 3 RL) der Grundsatz entnehmen lassen, allein der Unternehmer entscheide über die Annahme oder Ablehnung des Geschäftes.445 Der HV habe keinen Anspruch auf Abschluss,446 selbst wenn er das Geschäft wegen des vertragsbegleitenden Wettbewerbsverbots für keinen anderen Unternehmer vermitteln dürfe.447 § 615 BGB sei insoweit nicht anwendbar.448 Der BGH hat es obiter sogar für möglich gehalten, der Unternehmer dürfe – etwa weil er zukünftig nur noch Großhändler und keine Endkunden mehr beliefern wolle – alle Vertragsabschlüsse, die der HV vermittelt oder vermitteln könnte, ablehnen.449 Wenn er damit ausdrücken wollte, dass auch ohne eine Kündigungsfrist eine kündigungsgleiche Wirkung durch Umstellung des Vertriebssystems hergestellt werden darf, wäre dies abzulehnen.450 Tatsächlich regelt § 86a Abs. 2 S. 3 lediglich die Mitteilungspflicht, nicht aber, ob eine Verpflichtung zur Annahme besteht bzw. welchen Grenzen die Dispositionsfreiheit des Unternehmers unterliegt. Vielmehr darf der Unternehmer Geschäfte nur ablehnen, wenn hierfür den Interessen des Mittlers mindestens gleichwertige, sachliche Gründe bestehen, etwa fehlende Kapazitäten, eine Überlastung des Betriebs, eine entgegenstehende und sinnvolle Marktstrategie, Materialknappheit, ein beabsichtigter Produktionswechsel oder So angeblich BGH, Urt. v. 27.10.1966 – VII ZR 158/64 – n. v.; zitiert nach Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 87. So aber Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 85. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 90. BGH NJW 1958, 1138 (1139); Urt. v. 17.10.1960 – VII ZR 216/59, BB 1960, 1222; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 91; Ebenroth/Löwisch2 § 86a Rn 5; Hopt § 86a Rn 13, § 87 Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 70–70b. 446 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 12; Hopt § 87 Rn 8; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 16. Für einen Maklervertrag OGH Österreich, Urt. v. 27.2.2014 – 1 Ob 26/14a, ZVertriebsR 2014, 199. 447 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 12. 448 Höft VersR 1969, 875 (876); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 12; aA Steindorff ZHR 130 (1968), 82 (84 ff.). 449 BGH, Urt. v. 1.10.2008 – VIII ZR 13/05, BB 2008, 2594 m. Anm. Hilgard = MDR 2008, 1404 = EWiR 2008, 721 (Emde) Rn 26; zu einer ähnlichen Konstellation bereits BGH, Urt. v. 9.11.1967 – VII ZR 40/65, NJW 1968, 394. 450 Emde EWiR 2008, 721.

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Zweifel des Unternehmers hinsichtlich der Person des Kunden451 etc. Alles andere wäre widersprüchliches Verhalten, nachdem der HV als Gegenstück zu seiner Akquisitionspflicht die Annahme der vermittelten Geschäfte erwarten darf (§§ 162, 242 BGB).452 Der Unternehmer darf sich zudem durch Absprachen hinsichtlich der Annahme oder Nichtannahme eines Geschäftes binden.453 Es besteht aber keine Pflicht des Unternehmers, das abgeschlossene Geschäft wie vermittelt auszuführen454 (das Schicksal des Provisionsanspruchs bestimmt sich dann nach § 87a Abs. 3). Änderung des Vertriebsgebietes: ein Änderungsvorbehalt soll individualvertraglich zulässig sein455 (zur Unzulässigkeit einseitiger Änderungsvorbehalte in AGB s. Kommentierung zu Vor § 84). Dabei wird man jedoch unterscheiden müssen: Kommt der Änderung des Vertriebsgebietes kündigungsgleiche Wirkung zu, handelt es sich um eine unzulässige Teilkündigung. Sie wäre nur als Änderungskündigung zulässig. In jedem Fall müssten bei einer wesentlichen Änderung die Fristen des § 89 eingehalten werden. Änderung des Vertriebssystems, etwa Änderung der Vertriebs- und Vermarktungwege,456 Ausschluss bestimmter Abnehmergruppen;457 z. B. die Umstellung der Belieferung von Endverbrauchern auf den Fachhandel,458 ebenso die durch einen Versicherer vorgenommene Umstellung auf einen Vertrieb ausschließlich durch Versicherungsvertreter459 oder die Belieferung nur noch des Großhandels statt von Einzelhändlern460 – letzteres allerdings nur, sofern dem HV kein Kundenschutz zugesagt wurde.461 Das gilt sogar wenn es sich um feste Kunden des HV handelt.462 Eine Verpflichtung, an einem bestimmten Vertriebssystem mit bestimmten variablen Vergütungsbestandteilen festzuhalten oder dieses unverändert im bisherigen Umfang fortzuführen, besteht nur dann, sofern dies Vertragsinhalt geworden ist. Aus der allgemeinen Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) kann die Pflicht, ein bestimmtes Vertriebssystem unverändert beizubehalten oder zu unterhalten, grds. nicht abgeleitet werden.463 Betriebsbedingte Kündigungen: Entscheidet sich ein Unternehmer auf Grund eines schlüssigen Konzepts, ein bestimmtes Produkt nur noch durch selbstständige HV vertreiben zu lassen, ansonsten im Vertrieb aber weiterhin Arbeitnehmer einzusetzen, rechtfertigt dies eine betriebsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers, wenn infolge dieser Umstellung Arbeitsplätze entfallen. Von den ArbG ist ein solches Konzept nicht auf seine Zweckmäßigkeit, sondern lediglich darauf zu überprüfen, ob es nicht offenkundig unvernünftig oder willkürlich ist464 Direktvertrieb etwa durch eigene Tochtergesellschaften: Selbst als Normadressat des § 19 GWB ist der Unternehmer nicht daran gehindert, zum Direktvertrieb (etwa über das

Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 12; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 18. Canaris § 17 Rn 59. BGH, Urt. v. 16.12.1998 – VIII ZR 38/97, NJW-RR 1999, 539. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 12. Westphal II Rn 365. Thume BB 2018, 770 (771). Westphal I Rn 424. OLG München NJW-RR 2003, 401 (402). OLG München, Urt. v. 10.6.2010 – U (K) 5651/09, BeckRS 2010, 27186. BGH, Urt. v. 1.10.2008 – VIII ZR 13/05, BB 2008, 2594 m. Anm. Hilgard = MDR 2008, 1404 = EWiR 2008, 721 (Emde) Rn 26; v. 9.11.1967 – VII ZR 40/65, NJW 1968, 394; Thume BB 2018, 770 (771). 461 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 97. 462 BGHZ 49, 39 (42); BGH, Urt. v. 22.1.1987 – I ZR 126/85, NJW-RR 1987, 873; s. a. Steindorff ZHR 130 (1968), 82 (91). 463 BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 8 AZR 98/11; 8 AZR 242/11, BeckRS 2012, 71039 = GWR 2012, 356 (Köhl) – arbeitsrechtliche Entscheidungen. 464 BAG, Urt. v. 13.3.2008 – 2 AZR 1037/06, NJW 2008, 2872.

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Internet465) oder über unternehmenseigene Tochtergesellschaften466 überzugehen. Beschäftigt er jedoch unabhängige Vertriebsmittler, trifft ihn die grundsätzliche Pflicht zur Gleichbehandlung gegenüber den konzerneigenen Vertriebsmittlern,467 die bei Ausrichtung des Vertriebsmittlers auf den Unternehmer und weiteren Indizien – z. B. hohe Investitionen,468 Wettbewerbsverbot – den Direktvertrieb des Unternehmers nur bei Existenz gewichtiger Gründe zulässt.469 Zwar bleibt dem Mittler sein Kundenkreis erhalten. Jedoch schmälert sich die Vertriebschance, weil einzelne Kunden die Produkte künftig im Online-Vertrieb erwerben werden.470 U. U. muss eine Umstellungsfrist eingehalten werden, die regelmäßig nicht mehr als ein Jahr beträgt.471 Einsatz weiterer Vertriebsmittler: Der Unternehmer darf weitere HV oder Vertriebsmittler einsetzen, auch wenn dadurch der vertraglich nicht geschützte Arbeitsbereich des HV verkleinert wird, solange dem Mittler vertraglich nichts Abweichendes zugesagt wurde472 (s. o. Rn 40 ff.). Denn für den Entschluss, weitere Vertriebspartner im Gebiet des HV einzusetzen, kann eine Vielzahl unterschiedlicher Anlässe und Kriterien maßgeblich sein. Ihre Beurteilung und Gewichtung muss grundsätzlich dem unternehmerischen Ermessen des Unternehmers vorbehalten bleiben. Ihm kann nicht verwehrt werden, einen expansiven Wettbewerb unter Einsetzung anderer Vertriebsmittler zu betreiben, sofern dem HV kein Alleinvertriebsrecht oder Gebietsschutz zugesichert wurde.473 Investitionen: Der Unternehmer braucht keine unrentable Investition im Interesse des HV vorzunehmen.474 So hat der BGH475 den Belieferungsanspruch eines Tankstellen-HV abgelehnt, der trotz Unrentabilität auch mit bleifreiem Super sowie Diesel beliefert werden wollte. Kauf eines Wettbewerbers: Kauft der Unternehmer einen Wettbewerber, so darf er diesen als separates Unternehmen weiterführen, falls der Wettbewerber zuvor eigenständig am Markt tätig war. Denn der HV wird nicht schlechter gestellt, falls er – wie bisher – gegen die konkurrierenden Produkte des nun konzerneigenen Unternehmens antreten muss.476 Der Unternehmer muss aber auf eine saubere Trennung der Sphären der bisher mit widerstreitenden Interessen am Markt agierenden Unternehmen achten und darf vom HV erhaltene Informationen nicht zum Vorteil des Wettbewerbers und zum Nachteil des HV einsetzen. Auch darf der Unternehmer keine Geschäftsinterna des Unternehmens, für welches der HV arbeitet, zu Gunsten des anderen Unternehmers verwenden oder eine Quersubventionierung vornehmen, insb., wenn sie auch durch Leistungen des HV ermöglicht wurde. Diskutiert werden kann, ob der bisherige Wettbewerber nach äußerem Anschein und Austauschbarkeit identische Produkte des Unternehmers veräußern darf, weil dann der Unternehmer seinem eigenen HV als Wettbewerber entgegentreten würde.

465 BGH, Urt. v. 4.3.2008 – KZR 36/05, NJW-RR 2008, 1491 = WRP 2008, 1376 (1379) Rn 39 f. – Internetvertrieb ohne Hinweise auf treupflichtwidriges Verhalten des Unternehmers; Thume BB 2018, 770 (771); Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 14, 15 und 23; vgl. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 27; zum Ganzen Hopt ZIP 1996, 1809. 466 BGH, Urt. v. 31.1.2012 – KZR 65/10, WuW DE-R 3549 = NJW 2012, 2110. 467 BGH, Urt. v. 24.9.2002 – KZR 38/99, NJW-RR 2003, 834 = WuW/E DE-R 1151, 2003, 395. 468 Siehe Thume BB 2018, 770 (774). 469 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – VIII ZR 47/92, NJW-RR 1993, 678 = HVR Nr. 731 für den Vertragshändlerbereich. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2001 – 16 U 84/00, HVR. Nr. 950 folgt dem für den Handelsvertretervertrieb. 470 Thume BB 2018, 770 (772). 471 BGH, Urt. v. 31.1.2012 – KZR 65/10, WuW DE-R 3549 = NJW 2012, 2110. 472 OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.9.2012 – I-16 U 77/11, BB 2012, 2656 m. Anm. Hilgard – Mobilfunk-HV; OLG Schleswig, Beschl. v. 18.8.2008 – 6 U 10/08 – BMW; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 21. 473 OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.9.2012 – I-16 U 7/11, BB 2012, 2656 m. Anm. Hilgard. 474 Westphal I Rn 421. 475 BGH DB 1983, 2122. 476 AA Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 102. 765

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Kontingentierung: Der Unternehmer darf Waren kontingentieren, wenn sie knapp werden oder er sie aus anderen Gründen, etwa wegen mangelnder Finanzkraft, nicht in ausreichenden Mengen produzieren kann.477 Die Kontingentierung muss jedoch diskriminierungsfrei erfolgen und den Grundsatz der Gleichbehandlung unter den HV – gleiche Umstände unterstellt – beachten. Der Unternehmer muss dem HV ggf. auf anderem Wege einen angemessenen Ausgleich für den Verlust an Provisionen bieten, etwa durch Gestattung einer Wettbewerbstätigkeit478 Modellwechsel: Der Unternehmer hat das Recht, seine Angebotspalette zu ändern479 und einen Modellwechsel durchzuführen, etwa bei der Kfz-Herstellung.480 Eine Übernahme der für den Mittler hierdurch entstehenden Kosten scheidet im Grundsatz aus,481 es sei denn, bei der Mehrzahl der Mittler steht die Höhe der Kosten außer Relation zu dem Nutzen482 oder es liegt ein WGG vor.483 Einzelne Mittler haben wegen des Modellwechsels – im Vertragshändlerrecht auch wegen der erforderlichen Gleichbehandlung – kein Recht auf Erhöhung der Vergütung; die Vergütung ist generell anzuheben.484 Zum Vertrieb einer neuen Modellklasse mit völlig abweichenden Sortiment sind die Mittler aber nicht verpflichtet.485 Neue Vertriebswege: Ob dem Unternehmer die Dispositionsfreiheit über neue Vertriebswege zusteht, wird insb. diskutiert, wenn er sein Vertriebssystem erweitert. Beispiel: der Unternehmer nutzt durch technische Neuerungen eröffnete Vertriebswege, z. B. neben den herkömmlichen Vertriebswegen einen Online-Vertrieb486 oder er veräußert die Vertriebsprodukte zusätzlich an ein Online-Vertriebsunternehmen. Einerseits könnte man argumentieren, die Vertriebswege seien neu und die bisherigen Vertriebswege würden nicht eingeschränkt.487 Die Situation könnte demgemäß zugunsten der Entscheidungsfreiheit des Unternehmers gelöst werden, solange keine wesentliche Einschränkung der bisherigen Vertriebswege und damit Provisionseinbußen der HV zu gewärtigen seien.488 Dem wird man zustimmen müssen, weil auch ein Direktvertrieb dem Unternehmer grds. möglich ist, solange keine wesentlichen Einbußen für die HV zu erwarten sind489 Nichtbelieferung von Kleinkunden: Der Unternehmer darf sich entschließen, aus Gründen der Rationalisierung kleine und kleinste Kunden nicht mehr zu beliefern.490 Er muss jedoch eine Änderungskündigung mit der gegebenen ordentlichen Kündigungsfrist aussprechen, wenn die Kunden des HV zu mehr als 30 % aus solchen Kleinkunden bestehen, weil die Maßnahme sonst kündigungsgleiche Wirkung zeitigt Organisation des Betriebs des Unternehmers: Umstellung der Produktion, Einstellung der Produktion des bisher vertriebenen Artikels,491 Aufgabe,492 Veräußerung, Verpach-

477 478 479 480 481 482 483 484 485 486 487 488 489

BGH, Urt. v. 7.10.1968 – VII ZR 21/66 – n. v. BGH, Urt. v. 7.10.1968 – VII ZR 21/66 – n. v. Thume BB 2018, 770 (771). Habersack/Ulmer S. 60. Habersack/Ulmer S. 60. Habersack/Ulmer S. 62. Habersack/Ulmer S. 63. Habersack/Ulmer S. 63. Habersack/Ulmer S. 62. Thume BB 2018, 770 ff. So Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 108. So Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 108. Siehe etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2014 – VI-U (Kart) 4/14, ZVertriebsR 2016, 44 – paralleler Onlinevertrieb durch FG. 490 BGH, Urt. v. 1.10.2008 – VIII ZR 13/05, BB 2008, 2594 m. Anm. Hilgard = MDR 2008, 1404 = EWiR 2008, 721 (Emde); BGHZ 49, 39 = NJW 1968, 394; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 105. 491 BGH, Urt. v. 12.12.1957 – II ZR 52/56, BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 37; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14c und § 87 Rn 71. 492 BGH, Urt. v. 12.12.1957 – II ZR 52/56, BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219. Emde

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tung des Betriebs, Änderung der Vertriebsorganisation: hier überall handelt es sich um unternehmerische Entscheidungen, die der Unternehmer aus übergeordneten betrieblichen und unternehmenspolitischen Erwägungen heraus trifft und treffen darf, selbst falls der Tätigkeitsspielraum des HV dadurch eingeengt wird oder gar zum Erliegen kommt. Der Unternehmer hat das Recht, seinen Betrieb so einzurichten und ggf. umzugestalten, wie es ihm wirtschaftlich sinnvoll und vernünftig erscheint: dass er durch betriebliche Notwendigkeiten hierzu geradezu gezwungen wurde, ist nicht zu fordern.493 Insbesondere legt der HV-Vertrag dem Unternehmer nicht die Pflicht auf, seinen Betrieb in unverändertem Umfang weiterzuführen.494 Kein Unternehmer ist gehalten, eine unrentabel gewordene Produktion nur deshalb fortzuführen, um dem HV weitere Gelegenheit zur Vermittlung von Geschäften zu geben.495 Abermals muss der HV das (ggf. nach Kündigung, s. Rn 99) hinnehmen, solange seine Interessen dabei nicht unvertretbar unbeachtet geblieben sind oder eine bewusste Schädigung seiner Interessen obgewaltet hat. Die dem HV geschuldete Rücksichtnahme wird alsdann durch die Pflicht zur rechtzeitigen Benachrichtigung ausgeübt (Rn 100). Produktionserweiterung: Der Unternehmer darf seine Produktion erweitern, auch wenn durch diese Produktionserweiterung der HV in eine Konfliktsituation gerät, weil ein von ihm ebenfalls vertretenes Unternehmen bereits die Produkte herstellt, die jetzt auch der erweiternde Unternehmer produziert (siehe § 86 Rn 118 ff.).496 Es ist das Risiko des HV, welche Zweitvertretung und welche daraus herrührenden Risiken er übernimmt. Produktionseinstellung: Der Unternehmer darf seine Produktion einstellen,497 ohne Notwendigkeit einer früheren Einstellung jedoch nur nach Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist.498 Eine Notwendigkeit besteht im Falle der Unrentabilität der Produktionsfortsetzung. Der Vertrag darf in dieser Situation mittels außerordentlicher Kündigung beendet werden.499 Angesichts einer unrentabel gewordenen Fertigung kann der Unternehmer nicht gehalten sein, nur wegen der Verdienstmöglichkeiten des HV mit Verlust weiterzuproduzieren.500 Er muss nicht den wirtschaftlichen Niedergang abwarten, sondern darf den Vertrag zuvor außerordentlich kündigen.501 Durch den Abschluss eines Vertrages kurz vor Produktionseinstellung übernimmt der Unternehmer kein von ihm zu tragendes Risiko. Davon könnte nur ausgegangen werden, wenn der Unternehmer in voller Kenntnis seiner eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten einen Vertriebsvertrag mit langer ordentlicher Kündigungsfrist abschließt.502 Fehlt die Notwendigkeit einer außerordentlichen Kündigung, begründet die vorgesehene Betriebseinstellung kein außerordentliches Kündigungsrecht,503 weil der Unternehmer sich sonst selbst wichtige Kündigungsgründe schaffen dürfte. Der Unternehmer muss den HV so früh als möglich über die Produktionseinstellung unterrichten,504 und zwar, soweit keine zwingenden Gründe entgegenstehen, binnen der vereinbarten, hilfswei-

493 494 495 496 497

BGHZ 49, 39 (42); BGH DB 1972, 524. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 15. BGH NJW 1959, 1964. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 95. BGH, Urt. v. 12.12.1957 – II ZR 52/56, BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219; DIS-Schiedsgericht, Schiedsspruch v. 17.1.1997 – SIS-SV-B 627/96, BB-Beil. Nr. 11/1999, 13; OLG Köln, Beschl. v. 1.3.2013 – 19 W 4/13, BeckRS 2013, 16612 (für die Einstellung eines Produkts). 498 Ein DIS-Schiedsgericht, Schiedsspruch v. 17.1.1997 – SIS-SV-B 627/96, BB-Beil. Nr. 11/1999, 13 (zust. Ende NJW 1999, 326) gab dem Unternehmer jedoch das Recht zur außerordentlichen Kündigung, aber nur mit einer Auslauffrist von 6 Monaten. Das wird nur ganz ausnahmsweise zulässig sein. 499 DIS–Schiedsgericht, Schiedsspruch v. 17.1.1997 – SIS-SV-B 627/96, BB–Beil. Nr. 11/1999, 13. 500 BGH BB 1959, 864 = NJW 1959, 164; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 94. 501 DIS-Schiedsgericht, Schiedsspruch v. 17.1.1997 – SIS-SV-B 627/96, BB-Beil. Nr. 11/1999, 13. 502 DIS–Schiedsgericht, Schiedsspruch v. 17.1.1997 – SIS-SV-B 627/96, BB–Beil. Nr. 11/1999, 13. 503 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 23. 504 RAG, Urt. v. 16.5.1931, ARS 12, 274 (276); vgl. BGH, Urt. v. 7.2.1974, BB 1974, 434 = NJW 1974, 795. 767

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se der gesetzlichen Kündigungsfrist. Wird nicht ordentlich gekündigt, trifft den Unternehmer eine Schadensersatzpflicht, falls die Betriebseinstellung nicht durch vertretbare Gründe veranlasst wurde.505 Der Unternehmer hat den HV dann für die Verdienstausfälle bis zum Zeitpunkt eines ordentlichen oder außerordentlichen Kündigungsrechts zu entschädigen.506 Anderweitige Gewinne des HV sind auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen.507 Denkbar sind bei Aufgabe des Betriebes Fälle, die im Zwischenfeld zwischen „betrieblich sinnvoll“ und „unvertretbar“ liegen. Eine oHG wird aufgelöst, weil die Gesellschafter aus persönlichen Gründen heillos zerstritten sind und es bei dem Ausmaß des Zerwürfnisses nicht einmal zu einem gemeinsamen Verkauf des Unternehmens kommt. Das Gleiche kann sich bei einer GmbH ereignen. Von einer unvertretbaren Maßnahme lässt sich dann nicht sprechen. Aber auch nicht davon, dass die zur Auflösung der oHG und zur Aufgabe des Betriebs führende Beschlussfassung wirtschaftlich irgend sinnvoll gewesen sei, da im Gegenteil wirtschaftliche Werte sinnlos zerschlagen werden. Der HV ist ein ebenso sinnloses Opfer dieser Zuspitzung der Dinge. Hier mag man über den von Steindorff508 entwickelten Gedanken des Annahmeverzuges aus der Risikosphäre des Unternehmers nachdenken. Dass ein Unternehmen aus unternehmensbedingten Gründen stillgelegt wird, ist das Risiko des HV. Dass ihm die Grundlage seines Weiterbestehens entzogen wird, weil der Unternehmer eine Personenmehrheit ist, die keinen einheitlichen Unternehmensführungswillen mehr aufzubringen vermag, liegt in der Sphäre und Risikobereich des Unternehmers. Die Unternehmergesellschaft befindet sich, falls das HV-Verhältnis bis zum Endtermin einer ausgesprochenen Kündigung noch über einige Zeit läuft, im Annahmeverzug. Die Folge ist die Weiterzahlung eines Fixums, sonst einer angemessenen Entschädigung analog § 642 BGB. Ausgleichsansprüche gegen die Liquidationsmasse bleiben unberührt, können jedoch ausscheiden, wenn infolge der Betriebsstilllegung keine Vorteile des Unternehmers verbleiben (s. Kommentierung zu § 89b). Rechenschaftspflicht: Ausfluss des Dispositionsrechts des Unternehmers soll es sein, dass er dem HV keine Rechenschaft über seine Entschließungen schulden soll.509 Das kann richtig sein, soweit sich die Maßnahmen des Unternehmers nicht auf den Vertrieb auswirken. Ist dies jedoch der Fall und berühren sie die Interessen des HV, hat der Unternehmer sie auf Nachfrage zu erläutern, soweit ihr Grund nicht offensichtlich ist und kein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse besteht. Insbesondere hat der Unternehmer dem HV auf Verlangen die für die getroffene Entscheidung maßgeblichen Gründe mitzuteilen, wenn der Verdacht eines unsachlichen oder willkürlichen Verhaltens besteht, weil dann ein Schadenersatzanspruch des HV entstanden sein mag.510 Der HV muss sein Informationsinteresse darlegen, z. B. Anhaltspunkte für ein willkürliches oder schädigendes Verhalten des Unternehmers. Das Auskunftsinteresse ist bereits im Falle der Möglichkeit eines solchen Verhaltens begründet; des Beweises bedarf es nicht, weil die Information überflüssig wäre, sofern der HV bereits zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens Willkür oder schädigendes Verhalten beweisen könnte.511 Sortimentswechsel: Änderungen des Sortiments des Unternehmers unterfallen grunds. der unternehmerischen Dispositionsfreiheit512 (s. a. oben zum „Modellwechsel“).

505 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 23: Schadensersatzverpflichtung nur bei Willkür und Fehlen wirtschaftlich vernünftiger oder sinnvoller Erwägungen. 506 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 23. 507 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 23a. 508 ZHR 130 (1967) 88 ff.; zust. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 37. 509 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 15. 510 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 17; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 70. 511 Zu Letzterem aA Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 15. 512 Kroll ZVertriebsR 2016, 284 (288) – zum Franchisevertrag. Emde

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Umsetzungsrecht: Wenn dem HV ein bestimmter Bezirk oder ein Arbeitsgebiet nicht vertraglich zugewiesen ist, soll der Unternehmer ihn kraft seiner Organisationsgewalt einseitig durch Weisung in einem anderen Gebiet einsetzen dürfen;513 sofern der Unternehmer die dafür anfallenden Mehrkosten erstattet oder durch entsprechend höhere Provisionszahlungen ausgleicht. Auf diese Weisungsbefugnis soll die Zulässigkeit eines nicht ausdrücklich vereinbarten Rotationssystems zurückgeführt werden dürfen, bei welchem die HV laufend in verschiedenen Bezirken tätig werden. Diese Ansicht ist zweifelhaft, weil meist eine Tätigkeit im „Ausgangsbezirk“ (ggf. konkludente) Vertragsgrundlage sein wird. Davon wird insbesondere bei langjähriger Tätigkeit des HV in einem Gebiet und der Unüblichkeit solcher „Versetzungen“ auszugehen sein. Es bedarf in diesen Fällen einer vertraglichen Vereinbarung, die die „Rotation“ zulässt. Meist wird sie auch existieren. – Verpackung: Die Einführung neuer Verpackungen unterliegt der Dispositionsfreiheit des Herstellers,514 solange nichts Abweichendes vereinbart wurde. – Vertragshoheit: Der Unternehmer darf neue Verträge in sein Vertriebssystem einführen, etwa bei Änderung einer kartellrechtlichen GVO.515 – Werbung: Dem Unternehmer steht die Entscheidung darüber zu, ob, und wenn ja, wie er ggf. für sein Produkt werben will.516 Die allgemeine Produktwerbung ist seine Angelegenheit.517 Auf die schutzwürdigen und berechtigten Belange des Mittlers muss er bei seiner Werbung Rücksicht nehmen.518 Der Unternehmer darf den Mittler bei der Werbung nicht vorsätzlich oder fahrlässig schädigen.519 Der Mittler kann die Kosten für selbst veranlasste Werbemaßnahmen ohne entsprechender Vereinbarung im Vertriebsvertrag trotz §§ 675, 670 BGB nicht vom Unternehmer ersetzt verlangen.520 103 Das Dispositionsrecht des Unternehmers ist in folgenden Konstellationen überschritten: – Bestandswegnahme: Ein Versicherer ist nicht berechtigt, dem Versicherungsvertreter den von ihm aufgebauten Bestand an Versicherungsverträgen zu entziehen und dessen erfolgreiche Vermittlungstätigkeit zunichte zu machen, wenn die Bestandsbetreuung und der Bestandserhalt vertraglich zugesagt wurde. Zwar gibt es kein grundsätzliches „Recht am Bestand“.521 Der Versicherer ist jedoch im Interesse des VV verpflichtet, alles zu tun, um den dem Vertreter überlassenen und von ihm aufgebauten oder ihm übertragenden Bestand zu erhalten,522 wobei bei vom Versicherer übertragenen Beständen eine höhere Dispositionsfreiheit als bei vom VV geworbenen angebracht erscheint. Letzteres gilt insbesondere, falls der Versicherer dem VV ohne Verpflichtung den später entzogenen Bestand zuteilte, was einen spiegelbildlichen actus contrarius eher gestattet. Der BGH hat ausgesprochen,523 es fehle an einer Teilbeendigung des mit einem VV geschlossenen Vertrages, wenn der Unternehmer die Verwaltung einzelner durch Vermittlung des VV zustande gekommener Versicherungsverträge später auf einen anderen Versicherungsmakler übertrage. Hierdurch wer513 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 15. 514 OLG Frankfurt/M., Grund- und Teilurt. v. 9.2.2016 – 11 U 136/14 (Kart), ZVertriebsR 2017, 244. 515 BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, WRP 2007, 1097 = RIW 2007, 614 = WuW DE-R 2045 = WuW 2007, 917 = EWiR 2007, 547 (Emde). 516 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 13. 517 BGH, Urt. v. 23.7.1997 – VIII ZR 130/96, EBE 1997, 290 (292); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 13; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 47; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86 Rn 26; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 4b, 44d; Hopt § 86 Rn 51; Koller/Roth/Morck § 86 Rn 3, 11; Bruck/Möller VVG Vor §§ 43–46 Anm. 224; Herschel/Beine Handbuch zum Recht des Handelsvertreters 1954 S. 44; Rittner DB 1999, 2097 (2099). 518 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 13. 519 BGHZ 136, 295; Vorinstanz OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1997, 170; BGH BB 1995, 1792 = ZIP 1995, 1286 = BB 1995, 1792; BB 1995, 1794. 520 Giesler/Vogels2 § 3 Rn 182. 521 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 92. 522 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 92. 523 BB 1994, 99 = NJW 1994, 193. 769

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de der Inhalt des Versicherungsvertrages nicht geändert. Dem VV stehe deshalb kein Ausgleichsanspruch zu. Dieses Ergebnis ist zweifelhaft, sofern die Bestandswegnahme in ihrer wirtschaftlichen Folge einer Teilkündigung gleich steht und die Bestandsbetreuung ggf. konkludent vereinbarter Vertragsbestandteil war. Kündigungsgleiche Wirkung: falls die Disposition für den HV zu einer kündigungsgleichen Wirkung führt, ist die Rücksichtnahmepflicht berührt. Von einer kündigungsgleichen Wirkung soll bei einer Verdienstminderung von 30 % infolge der Umsetzung524 oder ähnlichen, besonders schweren Folgen auszugehen sein. Eine solche Maßnahme erfordert eine Änderungskündigung, zum einen wegen des Verbotes der Teilkündigung, zum anderen zwecks Vermeidung der Umgehung der Kündigungsfristen des § 89 Organisationsrecht des Vertriebsmittlers: Die Selbständigkeit und damit das Eigenorganisationsrecht des HV darf nicht eingeschränkt werden, etwa in Hinblick auf Investitionen im Betrieb des HV525 oder die Bestellung der Organe einer HV-Gesellschaft. Vertragsschluss: Der Unternehmer darf ein Kundengeschäft nicht ohne vernünftigen Grund526 oder gar willkürlich ablehnen, nachdem er den HV zuvor mit der Vermittlungstätigkeit beauftragt hat und der HV zum Tätigwerden verpflichtet ist.527 Ein anschauliches Beispiel für eine willkürliche Nichtannahme des vermittelten Auftrags liefert der Fall BGH NJW 1981, 1785: Ein Einzelkaufmann ist zugleich Komplementär seiner Familien-KG, die er wirtschaftlich vollständig beherrscht; er selbst und „seine“ KG arbeiten in der gleichen Branche. Der für das einzelkaufmännische Unternehmen tätige HV bringt einen Auftrag herein, den aber sein Unternehmer nicht für die einzelkaufmännische Firma, sondern für die KG annimmt, um die Provision zu sparen. Der BGH billigt den Provisionsanspruch zu, weil der Unternehmer treuwidrig gehandelt habe. Richtiger wäre wohl eine Begründung aus Schadensersatz gewesen. Wegnahme von Kunden/Produkten: Der Unternehmer darf dem HV nicht willkürlich Kunden oder Produkte entziehen und damit die Vertretung aushöhlen, beispielsweise durch Übernahme in den Eigenvertrieb oder die Beauftragung unternehmenseigener Vertriebsgesellschaften. Vielmehr steht ihm nur der Weg der Änderungskündigung offen. In dem von Thume528 gebildeten Fall, in welchem der Unternehmer eine rechtlich selbständige Tochterfirma gründet, die das Vertragsgebiet beliefert, fehlt es bei Berücksichtigung der Interessen beider Parteien an einem Grund, der die Ausgliederung auf die Tochterfirma rechtfertigt. Der HV kann einen Schadenersatzanspruch geltend machen. Sein Schaden darf gem. §§ 287 ZPO, 252 BGB auf zwei Wegen geschätzt werden: Zum einen kann der HV die Differenz der Durchschnittsprovisionen vor dem schädigenden Ereignis und nach diesem fordern, zum anderen (alternativ) als Schaden die von der Tochtergesellschaft auf HV-Provisionen heruntergerechneten Gewinne (ähnlich der Herausrechnung nicht HV-typischer Bestandteile beim Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers). Dabei kann der Schaden bei der letzten Methode so bestimmt werden, dass auf alle Geschäfte der Tochtergesellschaft der Provisionssatz zu zahlen ist, welcher dem HV zusteht.529

X. Rechtsfolgen von Dispositionsmängeln 104 Unvertretbare, willkürliche oder in Schädigungsabsicht betätigte Entschließungen des Unternehmers zum Nachteil des Mittlers können zunächst die Folgen des Annahmeverzuges 524 525 526 527 528 529

BAG EWiR 2003, 203 (Diller) für einen angestellten Vermittler. BGH NJW-RR 1993, 1122; OLG Düsseldorf OLGR 1998, 11; zum Ganzen Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 71. Hopt § 87 Rn 8. LG Hamburg, Urt. v. 12.6.2006 – 415 O 17/06. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 109. Siehe OLG Köln HVR Nr. 526; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 109.

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auslösen; sie begründen darüber hinaus Ansprüche auf vertragsgemäßes Verhalten (Weiterbelieferung, Annahme von Aufträgen), ggf. – wenn vertragsgemäßes Verhalten nicht anders hergestellt werden kann – auf Unterlassung.530 Schadensersatzansprüche (§ 280 BGB)531 bestehen gleichfalls. Schließlich kann dem HV bei vertragswidriger Ablehnung von Geschäften nach §§ 242, 162 BGB, § 87a Abs. 3 HGB analog neben dem Schadenersatzanspruch ein Provisionsanspruch zustehen.532 Die Beweislast liegt beim Anspruchssteller; der Sphärengedanke rechtfertigt keine Zuweisung zum Anspruchsgegner.533 Die Gründe der Maßnahme sind dem Mittler auf Verlangen mitzuteilen;534 die unterlassene Mitteilung kann ggf. im Wege der Umkehr der Beweislast zu würdigen sein. Im Falle der unvertretbaren oder willkürlichen Ablehnung eines vermittelten Geschäfts valutiert der Anspruch in Höhe der entgehenden Provisionen aus Folgeaufträgen, die der abgelehnte Kunde sonst erteilt haben würde. Bei sonstiger Verkürzung des Tätigkeitsfeldes des Mittlers geht der Schadensersatz auf das, was er bis zum Ablauf einer – unterstellten – ordentlichen Kündigung durch den Unternehmer verdient hätte. Der Schadenersatz des HV ist nicht auf den Zeitraum bis zum nächsten Kündigungstermin des HV beschränkt.535 Maßgeblich ist vielmehr die nächste Kündigungsmöglichkeit des Unternehmers. Der Unternehmer hat sich während der gesamten Vertragslaufzeit gegenüber dem HV vertragsgemäß zu verhalten. Will oder kann er dies nicht, müsste der Unternehmer und nicht der HV kündigen, so dass es auf die Kündigungsmöglichkeit des Unternehmers ankommt. Darf der Unternehmer später als der HV kündigen, kann der HV Schadenersatz für diese verlängerte Periode fordern. Die Ansprüche aus dem Annahmeverzug des Unternehmers wird der Mittler regelmäßig nicht in Anspruch nehmen, weil sie der Anrechnungspflicht aus § 615 S. 2 BGB unterliegen. Nimmt der Mittler das Vorgefallene zum Anlass, seinerseits fristlos zu kündigen, so besitzt er Ausgleichsansprüche nach § 89b, gegebenenfalls weitergehende Schadensersatzansprüche nach § 89a Abs. 2, insbesondere für seine nunmehr frustrierten Aufwendungen aus zurückliegender Zeit, die die weitere Tätigkeit hätten erfolgreich gestalten sollen.

XI. Vertragliche Erweiterung des Dispositionsrechts Vertragsklauseln, die dem Unternehmer bei kundenfeindlichster Auslegung einseitig Dispositio- 105 nen gestatten, welche in den Kernbereich des Leistungs-Gegenleistungsverhältnis eingreifen, sind als Individualvereinbarung gem. § 242 BGB unwirksam, als AGB gem. § 307 BGB (s. Kommentierung zu Vor § 84).

XII. Vertragliche Beschränkung des Dispositionsrechts Sofern nicht gesellschaftsrechtliche Gründe entgegenstehen – Eigenorganschaft, Beherr- 106 schungsvertrag etc. – darf der Unternehmer auf seine unternehmerische Entschließungsfreiheit weitgehend (vertraglich) verzichten.536 Anders als in § 84 für den HV fehlt beim Unternehmer das zwingende statusbegründende Tatbestandsmerkmal der „Selbständigkeit“, welches zu weitgehende Eingriffe in das unternehmerische Selbstbestimmungsrecht ausschließt. Praktisch sind

530 531 532 533 534 535 536 771

Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 37. BGH BB 1959, 865; 1960, 222 (Willkür und Absicht, den HV zu schädigen); Hopt § 86a Rn 14. Canaris § 17 Rn 59. Canaris § 17 Rn 61. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 37. So auch BGHZ 26, 161. AA Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 16. Emde

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Verzichtsfälle kaum. Insbesondere darf sich der Unternehmer verpflichten, bestimmte Betriebsund Vertriebsänderungen zu unterlassen, den HV zu beschäftigen oder von ihm angetragene Geschäfte abzuschließen,537 und zwar auch ohne den Vorbehalt einer abweichenden Entscheidung aufgrund veränderter Verhältnisse.538 Sein Preisbestimmungsrecht darf der Unternehmer nicht völlig dem HV übertragen. In AGB vereinbart kommt es für die Wirksamkeit der Maßnahmen auf die bei abstrakt-genereller Kontrolle bestehende Benachteiligung des Unternehmers an, die bei wirtschaftlicher Überlegenheit des Mittlers als Verwender und Fehlen eines sachlichen Grundes für die Beschränkung häufig gegeben sein mag.

I. Die in § 86a besonders geregelten Nebenpflichten 107 Die vom Gesetz als regelungsbedürftig angesehenen Nebenpflichten des Unternehmers sind in § 86a hervorgehoben. Nur diese Nebenpflichten sind dort geregelt.539 Die Hauptpflicht zur Provisionszahlung folgt erst in §§ 87 ff., die zur Ausgleichszahlung in § 89b. Die Nebenpflichten des § 86a sind – wie Art. 4 Abs. 2 RL klarstellt – Ausdruck der vom Gesetz vorausgesetzten Unterstützungspflicht des Unternehmers, die wiederum Ausprägung der allgemeineren Treupflicht ist.540 Es sind – die Überlassungspflicht (§ 86a Abs. 1) – die Nachrichtspflicht (§ 86a Abs. 2), sub specie die Verpflichtung zur • Mitteilung über Annahme und Ablehnung eines vom HV vermittelten oder ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Geschäfts, • Mitteilung über die Nichtausführung eines vom HV vermittelten und abgeschlossenen Geschäfts, • Mitteilung, falls der Unternehmer Geschäfte voraussichtlich nur in erheblich geringerem Umfang abschließen kann und will, als der HV unter gewöhnlichen Umständen erwarten konnte (§ 86a Abs. 2). 108 § 86a normiert ebenso wie § 86, der Pflichten des HV zum Inhalt hat, die Pflichten des Unternehmers nicht abschließend.541 Vielmehr wurden in § 86a nur wenige Pflichten besonders hervorgehoben, die noch dazu der näheren Konkretisierung bedürfen.542 Bedauert wird insbesondere die fehlende Regelung einer die Interessenwahrungspflicht des HV spiegelnden Pflicht des Unternehmers.543 Die in § 86a Abs. 1, 2 geregelten Pflichten sind seit der Umsetzung der RL zwingend. Abwei109 chende Vereinbarungen sind unwirksam (§ 86a Abs. 3).

I. Zeitdauer und Fälligkeit 110 Die Pflichten des § 86a bestehen vertragsbegleitend während der gesamten Vertragsdauer und werden unverzüglich544 fällig, sobald objektiv mit einer Leistung zu rechnen ist. Unterlagen sind solange bereitzustellen, wie sie benötigt werden.545

537 538 539 540 541 542 543 544 545

Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 16. Insoweit aA Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 16. Hopt § 86a Rn 1. Hopt § 86a Rn 1. Westphal I Rn 373. Westphal I Rn 373. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 1. Hopt § 86a Rn 6. Hopt § 86a Rn 6.

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Die Überlassungspflicht des § 86a Abs. 1 endet regelmäßig mit Vertragsende. Nur im 111 Ausnahmefall kann der Unternehmer verpflichtet sein, dem Vertreter Unterlagen über die Vertragsdauer hinaus zu überlassen. Die Informationspflicht des § 86a Abs. 2 ist gleichfalls nur eine vertragsbegleitende 112 Pflicht. Vor Vertragsschluss kann eine Informationspflicht des Unternehmers aus vorvertraglichen Schutz- und Treupflichten über alle Umstände hergeleitet werden, die für die spätere Tätigkeit des HV relevant sind.546 Zum Beispiel besteht vorvertraglich die Pflicht zur Aufklärung über die bisherige wirtschaftliche Erfolglosigkeit des Vertriebssystems, die Wertlosigkeit einer Kundenliste, über den Einsatz weiterer HV im gleichen Gebiet,547 über Arbeitsbedingungen und für den Vertreter nicht ohne weiteres erkennbare Risiken der Vertretung.548 Ob man diese vorvertragliche Pflicht unter den Terminus „disclosure-rules“ fassen möchte oder den der „Aufklärungspflicht aus vorvertraglichem Vertrauensverhältnis“ ist eine rein terminologische Frage.549 Die vorvertraglichen Aufklärungspflichten haben ihre besondere Bedeutung im Franchiserecht, jene Untergruppe wird oben, Vor § 84 Rn 71 ff. im Einzelnen behandelt. Siehe auch Rn 634 ff. Nach Vertragsende existieren nachvertragliche Treupflichten, jedoch nicht mehr die in 113 § 86a hervorgehobenen Nebenpflichten.550

II. Zu den einzelnen Pflichten des § 86a: 1. Überlassung von Unterlagen (§ 86a Abs. 1) a) Berechtigter. Berechtigt ist der HV. Die Vorschrift kann – je nach den Verhältnissen des 114 Einzelfalls – entsprechend auf Vertragshändler und Franchisenehmer angewandt werden. Es ist aber jeweils im Einzelfall sorgsam zu prüfen, ob die Analogie sowie die Überlassung der Unterlagen erforderlich ist (Rn 119 ff.). b) Unterlagen. Nach § 86a Abs. 1 hat der Unternehmer dem HV die zur Ausübung seiner Tätig- 115 keit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen zur Verfügung zu stellen. Zur Genese der Vorschrift Roth BB 2010, 2000 ff. Sie geht bereits auf einen Entwurf der Akademie für Deutsches Recht aus dem Jahre 1940 zurück.551 Die durch Art. 4 Abs. 2 RL europarechtlich unterlegte Regelung ist Antipode zu § 87d, demzufolge der HV seine im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstehenden Aufwendungen selbst trägt. Beide Vorschriften sind also in ihrem Anwendungsbereich voneinander abzugrenzen. Von dem Begriff der Unterlagen wird alles erfasst, was dem HV zur Ausübung seiner Tätigkeit, insb. zu Vermittlung und Abschluss sowie zur Anpreisung der Waren bei dem Kunden, dient und aus der Sphäre des Unternehmers stammt.552

Martinek/Flohr/Feldmann4 § 18 Rn 124; Hopt § 86a Rn 2. OLG Nürnberg BB 1956, 352; Hopt § 86a Rn 2. Hopt § 86a Rn 2. Vgl. Martinek/Flohr/Feldmann4 § 18 Rn 125. Hopt § 86a Rn 3. Arbeitsberichte der Akademie für Deutsches Recht, Nr. 17, § 5 Abs. 2; vgl. Roth BB 2010, 2000 (2001). BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 19 = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem; BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 19; OLG Hamm, Urt. v. 17.6.2016 – 12 U 165/15, NJW-RR 2016, 1134 Rn 25 – Tankstellen-Stationsystem.

546 547 548 549 550 551 552

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Die in Abs. 1 niedergelegte Aufzählung ist nur beispielhaft,553 weit zu fassen554 und nicht abschließend555 (Wortlaut: „wie“), der Begriff der Unterlagen unglücklich gewählt. Letztlich sollen hiervon alle vertriebsnotwendigen Hilfsmittel erfasst sein. Unterlagen sind jedenfalls alle körperlichen Gegenstände und zumindest analog den Regelbeispielen des Abs. 1 auch unkörperliche Hilfsmittel, etwa Software (s. u.). Entscheidend für die Abgrenzung zu vom Unternehmer nicht geschuldeten Hilfsmitteln wird vor allem das Merkmal der „Erforderlichkeit“. Häufig sind die im Gesetz genannten Unterlagen durch eine Kombination aus Hard- und Software ersetzt worden, für die Abs. 1 dann ebenfalls gelten muss.556 Die Verpflichtung trifft jeden Unternehmer, auch einen Hauptvertreter, der Untervertreter 117 beschäftigt.557 Es wird aber häufig branchenüblich sein, dass kleinere Hauptvertreter ohne eigenen, wesentlichen Geschäftsbetrieb und eigene Marke keine eigenen Unterlagen herstellen, sondern solche des Hauptunternehmers nutzen. Die Hauptvertreter müssen solche Unterlagen aber beim Hauptunternehmer anfordern. Sofern der Unternehmer erforderliche Unterlagen nicht besitzt, muss er sie sich beschaffen.558 Nach aA trifft die Bereitstellungspflicht nur solche Unterlagen, welche der Unternehmer in seinem Betrieb verwendet.559 Dann aber könnte der Unternehmer durch seine Lagerhaltung über die unabdingbare Bereitstellungspflicht disponieren. Die Bereitstellungspflicht trifft daher alle in Abs. 1 ausdrücklich genannten Unterlagen sowie alle produktspezifischen, in Abs. 1 nicht erwähnten Unterlagen, soweit die Verkehrsüblichkeit dem nicht entgegensteht.560 Jedoch ist dem Unternehmer im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit561 ein Ermessensspielraum bei der Frage zuzubilligen, ob er Unterlagen fertigt und bereitstellt.562 Die Verpflichtung zur Bereitstellung der Unterlagen ist keine Hauptpflicht, sondern eine selbständige Nebenpflicht. Der HV kann den Erfüllungsanspruch auf Überlassung einklagen.563

116

553 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 19 = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem; v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10, BeckRS 2011, 15320 Rn 20; OLG Köln, Urt. v. 11.09. 2009 – 19 U 64/09 Rn 6; LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 18; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 3; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 4. 554 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 19 = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem; v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10, BeckRS 2011, 15320 Rn 20; OLG Hamm, Urt. v. 17.6.2016 – 12 U 165/15, NJW-RR 2016, 1134 Rn 25 – Tankstellen-Stationsystem; OLG Schleswig, Urt. v. 3.12.2015 – 16 U 39/15, ZVertriebsR 2016, 178 Rn 23; OLG Hamburg, Hinweisbeschl. v. 28.10.2014 – 15 U 11/14, IHR 2016, 67; OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. Anm. Hesse BB 2010, 1052 und zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11; OLG Köln, Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09; LG Hamburg, Urt. v. 5.6.2015 – 418 HKO 152/14, ZVertriebsR 2015, 311 (312 = IHR 2016, 71); v. 16.1.2015 – 418 HKO 30/14, IHR 2016, 69 = BeckRS 2015, 11149; v. 5.12.2014 – 310 O 129/14, IHR 2016, 68. 555 BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 20; OLG Hamm, Urt. v. 17.6.2016 – 12 U 165/15, NJW-RR 2016, 1134 Rn 25 – Tankstellen-Stationsystem; OLG Schleswig, Urt. v. 3.12.2015 – 16 U 39/15, ZVertriebsR 2016, 178 Rn 23; LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 18; OLG Köln, Urt. v. 12.4.2013 – 19 U 101/12, BeckRS 2013, 16685; Giesler/Klapperich 2 § 2 Rn 269; Westphal I Rn 376; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 28; Hopt § 86a Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 4; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 3. 556 LG Essen, Urt. v. 27.8.2015 – 43 O 30/15, IHR 2016, 72 (73). 557 Offen gelassen von Roth BB 2010, 2000 (2002). 558 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 4; Thelen VersR 2009, 1025 (1030) bei engem Verständnis des Begriffs der Erforderlichkeit. 559 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 2. 560 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 3; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 3. 561 Roth BB 2010, 2000 (2004). 562 Vgl. BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 22 = EWiR 2017, 529 (Frings). 563 Thelen VersR 2009, 1025 (1030); Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 36. Emde

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c) Tätigkeit. § 86a Abs. 1 fordert, dass dem HV die zur Ausübung „seiner Tätigkeit“ erforderli- 118 chen Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind. Welche Tätigkeit gemeint ist, muss konkret bestimmt werden. Es kommt nicht darauf an, was ein anderer HV in einem anderen Metier für seine Tätigkeit benötigen würde. Der Begriff der Tätigkeit ist also objektiv zu bestimmen, er ist weiter zu verstehen als die bloße „Vermittlung“ und der „Abschluss“ (Beispiel: Inkasso-HV), da es sich um einen übergeordneten Begriff handelt.564 d) Erforderlichkeit. Die Bereitstellungspflicht betrifft nur die zur Ausübung der Tätigkeit – 119 nicht nur zu Vermittlung und Abschluss565 (s. o.) – des HV „erforderlichen“ Unterlagen. Nach einer Ansicht werden von der Überlassungspflicht nicht nur unverzichtbare Hilfsmittel erfasst. Die Gegenansicht, zu der auch der BGH zählt, legt den Begriff der Erforderlichkeit eng aus und verlangt, dass die Unterlagen für die spezifische Anpreisung der Ware unerlässlich oder unverzichtbar sein müssen.566 Nach Ansicht des BGH567 sprechen für die zuletzt genannte, restriktive Ansicht die in § 86a Abs. 1 erwähnten Beispiele der Überlassungspflicht: Es handele sich jeweils um Unterlagen, die einen sehr engen Bezug zu dem vertriebenen Produkt besäßen und ohne die eine erfolgreiche Vermittlung unmöglich sei.568 Dies gälte insb. für Preislisten und Geschäftsbedingungen. Die vom BGH eingenommene Ansicht dürfte jedoch dem Wortlaut des § 86a Abs. 1 widersprechen. „Erforderlich“ meint weniger als „unerlässlich“. Insb. „Unverzichtbarkeit“ ist keine Voraussetzung, weil diese bei Werbemitteln fast nie vorliegen wird.569 Da Art. 4 Abs. 2 lit. a RL denselben Begriff verwendet, wäre diese Frage notfalls gem. Art. 267 AEUV durch den EuGH zu entscheiden. Erforderlich ist damit, was objektiv zur Ausübung der Tätigkeit (= Vertriebstätigkeit) benö- 120 tigt wird.570 Dies ist Ausdruck Treu und Glaubens.571 Was erforderlich ist, differiert von Fall zu Fall, oder besser: von vertriebenem Produkt zu vertriebenem Produkt. Das subjektiv Vorausgesetzte lässt nur bedingt Rückschlüsse auf das objektiv Erforderliche zu. Es geht um eine Verwendungsprognose, nicht darum, wie die übermittelten Materialien tatsächlich verwendet wurden (das kann aber ein Indiz für den Zweck sein). Zu sehr subjektiv geprägt572 ist die Ansicht, erforderlich sei alles, was der HV aus seiner Sicht mit guten Gründen für den Erfolg

564 Emde NJW 2017, 666. AA mglw. BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem Rn 19: Dort meint der BGH, von dem weit zu verstehenden Begriff der Unterlagen werden alles erfasst, was dem HV zur Ausübung seiner „Vermittlungsund Abschlusstätigkeit“ dient und aus der Sphäre des Unternehmers stammt; auch LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 18. 565 So aber BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 20 = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem. 566 BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10, BeckRS 2011, 15320 Rn 24; OLG Hamburg, Hinweisbeschl. v. 28.10.2014 – 15 U 11/14, IHR 2016, 67 (68); OLG Köln, Urt. v. 12.4.2013 – 19 U 101/12, BeckRS 2013, 16685; OLG Hamm, Urt. v. 17.6.2016 – 12 U 165/15, NJW-RR 2016, 1134 Rn 30 – Tankstellen-Stationsystem; LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 18 („angewiesen“); v. 5.6.2015 – 418 HKO 152/14, ZVertriebsR 2015, 311 (312) = IHR 2016, 71; v. 16.1.2015 – 418 HKO 30/14, IHR 2016, 69 = BeckRS 2015, 11149; v. 5.12.2014 – 310 O 129/14, IHR 2016, 68; v. 16.1.2015 – 418 HKO 30/14, IHR 2016, 69 = BeckRS 2015, 11149; LG Bonn, Urt. v. 19.5.2009 – 10 O 483/08; Thelen VersR 2009, 1025 (1030 f.); Roth BB 2010, 2000 (2003). 567 Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 24. 568 So auch OLG Schleswig, Urt. v. 3.12.2015 – 16 U 39/15, ZVertriebsR 2016, 178 Rn 23. 569 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11. 570 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11; OLG Köln, Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09. 571 Begründung RegE BT-Drucks. I/3856, S. 19; Thelen VersR 2009, 1025 (1028). 572 Im Ergebnis BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 24. 775

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seiner Tätigkeit für notwendig halte.573 Das Gleiche gilt für die Einschätzung, stelle der Unternehmer bestimmte Hilfsmittel zur Verfügung, ggf auch gegen Entgelt, und akzeptiert dies der HV langjährig, spreche dies für die Erforderlichkeit der Hilfsmittel. Es kommt aber immer auf den Einzelfall an, bei dem auch die übereinstimmende Einschätzung der Parteien eine Rolle spielen mag. Die Hilfsmittel brauchen keinen tatsächlichen Erfolg herbeizuführen.574 Unter den Begriff können auch Unterlagen fallen, die nur für ein einzelnes Geschäft erforderlich sind, sie sind dann ohne besondere Aufforderung des HV zu übermitteln.575 In Abgrenzung zu § 87d muss der Unternehmer alle produktspezifischen Hilfsmittel aus seiner Sphäre576 in ausreichender Menge577 bereitstellen, auf welche der HV objektiv besehen578 oder nach seinem pflichtgemäßen Ermessen579 zur Ausübung seiner Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit und zur Anpreisung der Ware580 angewiesen ist,581 und zwar in einem ungefährlichen Zustand.582 Der Unternehmer ist der Geschäftsherr und steht seinem Produkt näher als der HV, so dass er die speziell auf die von der Vertriebspflicht erfassten Produkte abgestimmten Hilfsmittel bereitstellen und auf aktuellem Stand halten583 muss – niemand anders könnte dies. Nicht Erforderliches braucht nicht bereitgestellt zu werden. In § 87d angesprochene produktunspezifische, allgemeine Hilfsmittel, die auch ein HV benötigen würde, der andere Produkte vertreibt, muss der HV hingegen selbst anschaffen.584 Die Verpflichtung des HV zur Ausstattung sowie zum Unterhalt seines eigenen Geschäftsbetriebs, sowie die Pflicht, das für seine Berufsausübung Erforderliche zu beschaffen, wird durch Abs. 1 nicht berührt (§ 87d).585 Büromaterialien und Hilfsmittel, die üblicherweise zur Einrichtung des Gewerbebetriebs des HV gehören, braucht der Unternehmer als nicht erforderlich nicht bereitzustellen. Dem HV obliegt die Ausstattung seines Betriebes.586 Nach einer Auffassung587 ist das Merkmal der „Erforderlichkeit“ bei den Regelbeispielen 121 des Abs. 1 (Muster, Zeichnungen etc.) nicht gesondert zu prüfen. Die Erforderlichkeit werde vermutet. Die Gegenansicht588 hingegen meint, die Erforderlichkeit müsse auch bei den beispielhaft in Abs. 1 genannten Materialien (im Fall des LG Bonn eine Kundenzeitschrift) vorliegen. Der Wortlaut der Norm sei unergiebig, da nicht deutlich werde, ob die in § 86a Abs. 1 genannten Beispiele exemplarisch für „erforderliche“ Unterlagen ständen oder lediglich für „Unterlagen“ (ohne „erforderliche“). § 86a Abs. 1 sei Ausdruck Treu und Glaubens und verlange wie § 242 BGB eine Einzelfallabwägung der Erforderlichkeit. Anderenfalls würde die Bereitstellungspflicht ausufern.589 Es spricht viel dafür, sämtliche TB-Elemente und damit die Erforder-

573 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS); OLG Köln, Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 22. 574 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11. 575 AA Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 4. 576 Giesler/Klapperich 2 § 2 Rn 270. 577 Roth BB 2010, 2000 (2003). 578 Roth BB 2010, 2000 (2003); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 22. 579 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 21; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 3. 580 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 6. 581 Westphal I Rn 376. 582 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 3. 583 Thume BB 1995, 1913; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 22. 584 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11; OLG Köln, Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09. 585 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 21. 586 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 3. 587 OLG Köln, Urt. v. 30.11.2007 – 19 U 84/07, r+s 2009, 87 (88). 588 LG Bonn, Urt. v. 19.5.2009 – 10 O 483/08, BeckRS 2009, 15914; v. 31.3.2009 – 7 O 2/09, 7 O 3/09, 7 O 4/09, 7 O 13/09; v. 3.5.2007 – 12 O 1/07; Thelen VersR 2009, 1025 (1026 ff.). 589 LG Bonn, Urt. v. 19.5.2009 – 10 O 483/08, BeckRS 2009, 15914. Emde

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lichkeit auch bei den beispielhaft genannten Hilfsmitteln gesondert zu prüfen. Die Gegenansicht ist aber gut vertretbar. Der Unternehmer darf der sich aus § 86a Abs. 1 ergebenden Verpflichtung zur Zurverfü- 122 gungstellung der erforderlichen Unterlagen auf unterschiedliche Weise nachkommen.590 Auch insoweit besitzt er einen Ermessensspielraum. Hat der Unternehmer in einem Zeitraum bestimmte Unterlagen übermittelt, so steht ihrer Erforderlichkeit nicht entgegen, dass sie währenddessen auch auf andere Weise mittels anderer Unterlagen geleistet hätte werden können.591

e) Beispiele. Welche Unterlagen zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich sind, hängt von den 123 Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Branchenüblichkeit ab.592 Beispiele sind: – Einheitlich gestaltetes Briefpapier, etwa bei Finanzdienstleistern.593 – Eigens für das Produktangebot des Unternehmers entwickelte oder darauf zugeschnittene, nicht handelsübliche Computerprogramme, sofern sie der HV zur Vermittlung oder Produktdemonstration benötigt.594 Beispiele: vom Versicherer für die Bearbeitung des Kundenstammes und Vertragsbestandes einheitlich genutzte Software,595 insb. falls mit ihr der Zugang zum aktuellen Datenbestand des Prinzipals sowie den Vertragsdaten ermöglicht wird,596 die Tarife der Produktpartner des Versicherers sowie dessen Außendienst-Informationssystem aktualisiert,597 hiermit Angebote geschrieben werden598 bzw. der Zugang zu Produktübersichten über das Programm erfolgt,599 Programme, die im Informationsinteresse des Unternehmers angeschafft werden600 oder Kassensoftware601 ein Tankstellenstationscomputersystem602 beim Tankstellen-HV. Es ist unerheblich, ob die Software auch zur

590 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 22 = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem. 591 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 21 = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem. 592 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11; OLG Köln, Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09; Roth BB 2010, 2000 (2002); Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 5; Hopt § 86a Rn 5. 593 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11; aA BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 27. 594 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem; v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10; VIII ZR 11/10, NJW 2011, 2423 = WM 2011, 2061 Rn 30 – AWD; OLG Köln, Urt. v. 12.4.2013 – 19 U 101/12, BeckRS 2013, 16685; Beschl. v. 15.8.2012 – 19 U 3/12, BeckRS 2014, 10017; Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09; OLG Bremen, Beschl. v. 27.6.2011 – 2 U 21/11, BeckRS 2011, 17855; OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11; LG Rostock, Urt. v. 25.9.2009 – 8 O 11/09 n. v. 595 LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 18; LG Hannover, Urt. v. 3.3.2009 – 24 O 40/08, n. v.; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 8; Westphal I Rn 378; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 23; Hopt § 86a Rn 5. 596 LG Rostock, Urt. v. 25.9.2009 – 8 O 11/09 n. v. 597 OLG Köln, Urt. v. 30.11.2007 – 19 U 84/07, r+s 2009, 87 (88). 598 OLG Bremen, Beschl. v. 27.6.2011 – 2 U 21/11, BeckRS 2011, 17855. 599 OLG Bremen, Beschl. v. 27.6.2011 – 2 U 21/11, BeckRS 2011, 17855. 600 Habersack/Ulmer S. 73. 601 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 20 = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem; LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 16 ff.; Steinhauer BB 2012, 526 (528). 602 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem; OLG Hamm, Urt. v. 17.6.2016 – 12 U 165/15, NJW-RR 2016, 1134; LG Essen, 777

Emde

§ 86a

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1. Buch. Handelsstand

Erledigung des Eigengeschäfts oder der allgemeinen Büroorganisation verwendet wird.603 Das gleiche soll gelten, wenn die Software funktionell an die Stelle der bisherigen Verkaufsunterlagen tritt, die zuvor kostenlos überlassen wurden.604 Spezielle Software, die dem HV erst Zugang zu dem Datenbestand des Versicherers und damit zu den aktuellen Vertragsdaten seiner Kunden ermöglicht, zählt nach dem Wegfall von in Papierform übersandten Dynamiknachtragsmitteilungen zum Bereich der die Produktwerbung unterstützenden, vom Unternehmer gem. § 86a Abs. 1 kostenfrei zur Verfügung zu stellenden Mittel.605 Eine einheitliche Betriebssoftware darf der Unternehmer nur vorschreiben, wenn er ihre Kosten, auch die des laufenden Unterhaltes, übernimmt.606 Der klagende HV muss substantiiert vortragen, um welche Softwareprogramme es sich handelt.607 Von dem Unternehmer vorgesehene Datenerhebungsbögen, mit denen Kundendaten aufgenommen werden.608 Für die Werbung des HV hilfreiche Geschäftskorrespondenz mit Interessenten und Kunden, soweit sie sich nicht auf abgeschlossene Vorgänge beschränkt609 und keine Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Nach der DSGVO wird die Weitergabe regelmäßig nicht zu beanstanden sein.610 Ggf. muss der Unternehmer die Einwilligung der Kunden suchen.611 Ggf. nach der CI des Unternehmers herzurichtende Geschäftsräume, etwa bei MobilfunkShops. Hardware, aber nur, sofern die o. g. Voraussetzungen erfüllt sind.612 Eine ISDN- und Datenleitung, wenn allein über diese Datenleitung die Preisfestsetzung durch den Unternehmer erfolgt.613 Kosten für Wartung und systemkonforme Nutzung der Datenleitung dürfen dann nicht erhoben werden. Siehe auch unten zum Tankstellen-Computersystem. Kundenlisten (soweit vorhanden und nach dem Vertragsinhalt nicht vom HV zu erstellen614). Soll der HV ein bislang unbesetztes Gebiet bearbeiten, so braucht der Unternehmer ihm keine Kundenlisten zu übergeben, ebenso wenig, falls es keine Kundenlisten gibt.615

Urt. v. 27.8.2015 – 43 O 30/15 – BeckRS 2015, 20237; LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 16 ff.; v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 18. Relativierend LG Hamburg, Urt. v. 16.1.2015 – 418 HKO 13/14, BeckRS 2015, 11149, sofern ein wesentlicher Teil der Tankstellen noch mit einem alten Kassensystem arbeitet. AA für ein Kassensystem auch OLG Schleswig, Urt. v. 3.12.2015 – 16 U 39/15, ZVertriebsR 2016, 178. 603 LG Essen, Urt. v. 27.8.2015 – 43 O 30/15 – BeckRS 2015, 20237. 604 Habersack/Ulmer S. 73. 605 BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10; VIII ZR 11/10, NJW 2011, 2423 = WM 2011, 2061 – AWD; OLG Köln, Urt. v. 30.9.2005 – 19 U 67/05, VersR 2006, 407 (409). 606 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 8, 11. 607 OLG Köln, Beschl. v. 15.8.2012 – 19 U 3/12, BeckRS 2014, 10017. 608 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11; aA BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 27. 609 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 23. 610 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 23. 611 Evers/Kiene DB 2003, 2762; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 23. 612 OLG Hamm, Urt. v. 17.6.2016 – 12 U 165/15, NJW-RR 2016, 1134 Rn 28. 613 OLG Hamburg, Hinweisbeschl. v. 28.10.2014 – 15 U 11/14, IHR 2016, 67 m. Anm. Thume, LG Hamburg, Urt. v. 5.6.2015 – 418 HKO 152/14, ZVertriebsR 2015, 311 = IHR 2016, 71; i. E. auch BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 25 f. = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem, da mit „Preislisten“ vergleichbar; aA LG Hamburg, v. 16.1.2015 – 418 HKO 30/14, IHR 2016, 69 = BeckRS 2015, 11149: v. 5.12.2014 – 310 O 159/14, IHR 2016, 68 (69); v. 3.4.2014 – 413 HKO 41/13, IHR 2016, 67 (Vorinstanz des OLG Hamburg). 614 OLG München HVR Nr. 1124; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 23; Ensthaler/Genzow § 86a Rn 4; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 3; Hopt § 86a Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 4; Schlegelberger/ Schröder § 86a Rn 2, 21. 615 LG Hamburg, Beschl. v. 16.7.2008 – 411 O 54/08. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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§ 86a

Die Ermittlung dieser Kunden ist Sache des HV.616 Existieren allerdings Kundenlisten, hat der Unternehmer jene zur Verfügung zu stellen.617 Schreibt der HV die Kundendatei fort, so hat er bei Vertragsende nur die Ursprungsdatei herauszugeben.618 Auch hier steht die DSGVO der Weitergabe an den HV als Auftragsdatenverwaltung nicht entgegen. Unterlagen über existierende Kundenbeziehungen. Eine vom Versicherer herausgegebene Kundenzeitschrift, sofern sie ohne nennenswerte Individualisierung vom HV an die Kunden weitergegeben wird,619 auch wenn sie käuflich zu erwerben ist.620 Das gilt insb., sofern sie ein Formular für die Kontaktaufnahme mit dem Unternehmer enthält,621 jedoch nicht, falls sie zuvörderst der Bestandspflege dient.622 Kartenleser für Kreditkarten: Kartenleser sind Teil des Stationscomputersystems und damit Bestandteil einer einheitlich erforderlichen Unterlage i. S. d. § 86a Abs. 1. Darüber hinaus soll es sich bei dem bargeldlosen Zahlungsverkehr um ein eher selbstverständliches Absatzinstrument handeln, so dass die Bereitstellung der hierfür erforderlichen technischen Voraussetzung als unabdingbar zu werten ist. Auch Nutzungs- und Kreditkartengebühren seien von § 86a Abs. 3 erfasst.623 Musterkollektionen, -mappen u. ä.,624 die kostenlose Bereitstellungspflicht soll einen Handelsbrauch bilden.625 Bei Branchenüblichkeit kostenlos zu verteilende Probestücke.626 Preislisten.627 Anlagen für die Übermittlung der Preise.628 Produktbeschreibungen629 und Gebrauchsanleitungen. Schulung: Der Unternehmer hat den HV kostenlos zu schulen, soweit die Schulung eine Überlassung von Unterlagen ersetzen soll630 oder allgemein der Produktschulung dient.631 Richtigerweise sind in zumindest analoger Anwendung des § 86a auch sonstige vertriebs-

616 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 2. 617 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 2. 618 AA wohl Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 34; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 23; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 6.

619 OLG Köln, Urt. v. 30.11.2007 – 19 U 84/07, r+s 2009, 87 (88); LG Münster, Urt. v. 16.9.2010 – 24 O 94/09, BeckRS 2010, 23928; LG Bonn, Urt. v. 19.5.2009 – 10 O 488/08, 10 O 489/08, 10 O 490/08, 10 O 491/08; aA BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 29; VIII ZR 11/10, NJW 2011, 2423 = WM 2011, 2061 (die Zeitschrift solle nur allg. das Interesse an den Produkten des Unternehmers wecken) – AWD Finanzplaner; LG Bonn, Urt. v. 3.5.2007 – 12 O 1/07 (wegen fehlender Erforderlichkeit); LG Hannover, Urt. v. 3.3.2009 – 24 O 40/08, n. v.; Thelen VersR 2009, 1025. 620 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11; LG Münster, Urt. v. 16.9.2010 – 24 O 94/09, BeckRS 2010, 23928. 621 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11. 622 LG Bonn, Urt. v. 19.5.2009 – 10 O 483/08, BeckRS 2009, 15914. 623 LG Essen, Urt. v. 27.8.2015 – 43 O 30/15, IHR 2016, 72 (74). 624 OLG München, Urt. v. 8.8.2001 – 7 U 5118/00, HVR Nr. 991; v. 3.3.1999 – 7 U 6158/98, DB 1999, 1007 = BB 1999, 2320 = HVR Nr. 895; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1994 – 16 U 279/93, HVR Nr. 770; Thume BB 1995, 1913; Thelen VersR 2009, 1025 (1026); Hopt § 86a Rn 5; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 5. 625 Roth BB 2010, 2000 (2004). 626 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 23. 627 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 23; Hopt § 86a Rn 5. 628 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 25 f. = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem; OLG Hamburg, Hinweisbeschl. v. 28.10.2014 – 15 U 11/14, IHR 2016, 67; LG Hamburg, Urt. v. 5.6.2015 – 418 HKO 152/14, ZVertriebsR 2015, 311 = IHR 2016, 71. 629 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 23. 630 OLG Hamm NJW-RR 1990, 567; LG Hannover, Urt. v. 3.3.2009 – 24 O 40/08, n. v. (im dortigen Fall verneint); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 23. 631 Offen gelassen von BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 34 – AWD. 779

Emde

§ 86a





1. Buch. Handelsstand

spezifische Schulungen kostenfrei anzubieten,632 was sich zudem aus der Unterstützungspflicht des Unternehmers ergibt. Auch Schulungen eines Finanzberaters, die ihm Fachkenntnisse vermitteln sollen, welche er für den Vertrieb der Finanzprodukte allgemein benötigt, zählen zu den kostenfrei bereitzustellenden Unterlagen.633 Der Unternehmer muss dabei das für den Vertrieb erforderliche Know-how vermitteln, von dem er Kenntnis hat, nicht jedoch sein gesamtes Know-how.634 Anders kann bei Schulungen ohne spezifisch vertriebs- oder produktbezogenen Inhalt zu entscheiden sein,635 angeblich auch bei Schulungen zum Verkaufstraining.636 Häufig spricht das Angebot der Schulung für die Produktbezogenheit. Schulungsunterlagen, die der HV zur Schulung ihm unterstellter HV benötigt, sofern der HV-Vertrag die Werbung und Schulung unterstellter Vertreter vorschreibt.637 Der Unternehmer hätte sonst die Kosten solcher Schulungen selbst tragen müssen.638 Nach h. M. das Tankstellenstationscomputersystem639 beim Tankstellen-HV (s. a. oben zur ISDN-Leitung). Es ermöglicht eine Steuerung der Preise an den Zapfsäulen und elektronischen Werbetafeln. Damit dient es der Bewerbung der Agenturware sowie der Anbahnung des Abschlusses von Verträgen. Es ist unerheblich, ob es auch zur Erledigung des Eigengeschäfts oder der allgemeinen Büroorganisation des HV, also in dessen regelmäßigen Geschäftsbetrieb,640 verwendet wird.641 Dass der Unternehmer selbst die Preisdaten an der Kasse und am Preismast einstellt, ändert ebenfalls nichts daran, dass der HV auf die mittels des Tankstellen-Computersystems übermittelten Preisdaten angewiesen ist.642 Eine Mindermeinung ist der Ansicht, das Kassen- oder Stationscomputersystem sei keine kostenlos bereitzustellende Unterlage,643 jedenfalls sofern ein wesentlicher Teil der Tankstellen noch mit einem alten Kassensystem arbeite.644 Nach Ansicht des LG Hamburg645 ist nicht die gesamte Tankstelle als „Unterlage“ i. S. d. § 86a von dem Unternehmer kostenlos bereitzustellen. Zwar sei ein Tankstellenpächter zwingend auf die Tankstelle bestehend aus Zapf-

632 OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/09; v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS): Schulungen seien keine Unterlagen; offen gelassen von BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 34 – AWD. 633 AA BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 34 – AWD. 634 Martinek/Flohr3 § 17 Rn 70. 635 BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 34 – AWD; LG Hannover, Urt. v. 3.3.2009 – 24 O 40/08, n. v. 636 LG Hannover, Urt. v. 3.3.2009 – 24 O 40/08 n. v. (zwh.). 637 OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/09. 638 OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/09. 639 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 23 ff. = EWiR 2017, 529 (Frings); OLG Hamm, Urt. v. 17.6.2016 – 12 U 165/15, NJW-RR 2016, 1134; LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110; LG Essen, Urt. v. 27.8.2015 – 43 O 30/15 – BeckRS 2015, 20237 = IHR 2016, 72. Relativierend LG Hamburg, Urt. v. 16.1.2015 – 418 HKO 13/14, BeckRS 2015, 11149, sofern ein wesentlicher Teil der Tankstellen noch mit einem alten Kassensystem arbeitet. AA für ein Kassensystem auch OLG Schleswig, Urt. v. 3.12.2015 – 16 U 39/15, ZVertriebsR 2016, 178. 640 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 26 = EWiR 2017, 529 (Frings). 641 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 26 = EWiR 2017, 529 (Frings); LG Essen, Urt. v. 27.8.2015 – 43 O 30/15 – BeckRS 2015, 20237. Solche Kassensysteme der Tankstellen sind branchenspezifische Lösungen, die aus Hard- und Softwarekomponenten bestehen, und die es ermöglichen, sowohl das Agenturgeschäft als auch das Eigengeschäft des Tankstellen-HV abzuwickeln, s. Hübsch ZVertriebsR 2018, 88 (89). 642 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 27 = EWiR 2017, 529 (Frings). 643 OLG Hamm, Urt. v. 17.6.2016 – 12 U 165/15, NJW-RR 2016, 1134. 644 Urt. v. 16.1.2015 – 418 HKO 13/14, BeckRS 2015, 11149. 645 Urt. v. 5.12.2014 – 310 O 159/14, IHR 2016, 68 (69). Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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§ 86a

säulen, Benzintanks und Kassenhaus angewiesen. Es komme aber darauf an, ob der als HV Tätige auf die betreffende Einrichtung auch angewiesen wäre, wenn er dasselbe Geschäft nicht als HV, sondern ohne Bindung zum Geschäftsteil auf eigene Rechnung ausüben würde. Das sei bei der Tankstelle der Fall, bei einer ISDN-Datenleitung hingegen nicht, weil eine Anbindung zum Unternehmer nicht erforderlich sei.646 Das OLG Schleswig begründet dieses Ergebnis mit der Erwägung, der beispielhaften Aufzählung des § 86a lasse sich entnehmen, dass es sich um Unterlagen handele, die einen sehr engen Bezug zum vertriebenen Produkt hätten und ohne die eine erfolgreiche Vermittlung nicht möglich sei.647 Die Einordnung eines Kassensystems als „Unterlage“ i. S. d. § 86a verbiete sich, da das System nur noch in einer einzelnen Position, der Preismitteilung, mit dem Charakter einer Unterlage als Träger spezifischer Produktinformation behaftet sei.648 Richtig sei eine faire Kostenverteilung zwischen HV und Unternehmer nach dem jeweiligen Nutzen.649 Letzteres entspricht auch der neueren Rspr (Rn 127). Danach ist im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung nach Treu und Glauben zu bestimmen, inwieweit die Komponenten des Kassensystems nur oder auch Funktionen erfüllen, die dem von dem HV selbst zu finanzierenden regelmäßigen Geschäftsbetrieb zuzurechnen sind und welches Gewicht dieser Anteil hat650 (Rn 127). Da das Stationscomputersystem für beide Parteien essentielle Funktionen erfülle und insb. auch dem HV obliegende Dienste geleistet hat ging das LG Hamburg651 von der Vereinbarung eines hältigen Mietpreises aus. Unterlagen, die für die Anpreisung der Ware des Geschäftsherrn bei der Kundschaft erforderlich sind, insbesondere Werbeunterlagen und Broschüren.652 Einheitlich gebrandete Visitenkarten.653 Vertragsformulare und Geschäftsbedingungen.654 Vertriebssoftware.655 Vorführwagen bei einem Kfz-HV.656 Werbedrucksachen.657 Angeblich soll hier die Bereitstellung von Mustern genügen.658 Allgemeine produktunspezifische Werbemittel und -geschenke im umfassenden Sinne,659 sofern sie mit dem Logo des Unternehmers versehen sind660 (etwa Aufkleber, Klei-

646 647 648 649 650

LG Hamburg, Urt. v. 5.12.2014 – 310 O 159/14, IHR 2016, 68 (69). OLG Schleswig, Urt. v. 3.12.2015 – 16 U 39/15, ZVertriebsR 2016, 178 Rn 23. OLG Schleswig, Urt. v. 3.12.2015 – 16 U 39/15, ZVertriebsR 2016, 178 Rn 28/29. OLG Schleswig, Urt. v. 3.12.2015 – 16 U 39/15, ZVertriebsR 2016, 178 Rn 30/31. LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 31. Eine Übersicht zur Rspr. gibt Hübsch ZVertriebsR 2018, 88 (89 ff.). 651 LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 29. 652 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 6 f; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 23; Hopt § 86a Rn 5. 653 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11; aA BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 27. 654 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 23; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 3. 655 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 20 = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem; LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 16 ff. 656 OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 31.7.2007 – 5 U 255/03, BeckRS 2009, 13200; v. 5.2.2002 – 5 U 152/00, S. 15, n. v. 657 Hopt § 86a Rn 5. 658 Roth BB 2010, 2000 (2004). 659 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11; OLG Köln, Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09; aA BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10; VIII ZR 11/10, NJW 2011, 2423 = WM 2011, 2061 – AWD. 660 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11; aA LG Hannover, Urt. v. 3.3.2009 – 24 O 40/08 n. v. 781

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dung, Radios,661 Süßigkeiten,662 Sektflaschen,663 Spielsachen,664 Tischleuchten665 und andere Giveaways666) insb. falls deren Verwendung vom Unternehmer erwartet oder vorgesehen ist, etwa weil ein einheitlicher Außenauftritt vorgeschrieben wurde.667 Der Unternehmer hält sie im Zweifel für erforderlich, wenn er sie bereitstellt. 124 Keine Unterlagen und damit nicht von der Überlassungspflicht sowie der korrespondierenden Pflicht des HV zur sorgsamen Aufbewahrung erfasst sind Hilfsmittel, welche der HV nach der Verkehrsauffassung selbst anzuschaffen hat, z. B. die o. g. produktunspezifischen Hilfsmittel, etwa: – alle Gegenstände, welche zum allgemeinen Geschäftsbetrieb des HV gehören.668 – Büro, Geschäftseinrichtung669 und allgemeine Büromaterialien,670 etwa Poster671 und Bilderrahmen672 für das Büro des HV, sofern diese lediglich als Hilfsmittel für den Gewerbebetrieb des HV eingesetzt werden sollen.673 Anders mglw. bei von dem Unternehmer „gebrandeten“ Büromaterialien, s. o. – Geschäftsberichte des Unternehmers.674 – Koffer, Taschen ohne Inhalt, in denen der HV z. B. seine Muster befördert,675 soweit nicht ein Spezialkoffer für das Produkt benötigt wird. – Kfz.676 – Autotelefon.677 – Gängiger PC678 und Laptop679 nebst Hifsgeräten.680

661 OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/09. 662 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11.

663 OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/09. 664 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11.

665 OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/09. 666 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. zust. Anm Eckhoff GWR 2010, 296495 = GWR 2010, 11; aA BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 28.

667 Gail Versicherungsvertrieb 2010, 41. 668 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 26; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 4; Hopt § 86a Rn 5; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 3. 669 LG Hannover, Urt. v. 3.3.2009 – 24 O 40/08 n. v.; Giesler/Klapperich 2 § 2 Rn 270; Martinek/Flohr/Feldmann4 § 18 Rn 70; Hopt § 86a Rn 5. 670 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS); Hopt § 86a Rn 5; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 3. 671 OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/09. 672 OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/09. 673 Küstner/Thume I5 Kap, IV Rn 7. 674 LG Hannover, Urt. v. 3.3.2009 – 24 O 40/08 n. v. 675 OLG Hamburg HVR Nr. 101; LG Krefeld, Urt. v. 15.6.2011 – 11 O 155/09, BeckRS 2013, 14373; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 7; Giesler/Klapperich 2 § 2 Rn 270; Martinek/Flohr/Feldmann4 § 19 Rn 70; Hopt § 86a Rn 5. 676 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS); OLG Köln, Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09; Hopt § 86a Rn 5. 677 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS); OLG Köln, Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09; Küstner/ Thume I5 Kap. IV Rn 7. 678 OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/09; v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. Anm. Hesse BB 2010, 1052; OLG Köln, Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09; Hopt § 86a Rn 5; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 7. 679 LG München I, Urt. v. 21.2.2017 – 13 HKO 23526/15. 680 OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/09; v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS) m. Anm. Hesse BB 2010, 1052; OLG Köln, Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09; Hopt § 86a Rn 5; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 7. Emde

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Allgemein übliche Hardware681 und Software,682 etwa Drucker683 und Replikator.684 Eine abweichende Bewertung ist nicht deshalb geboten, weil der HV verpflichtet war, die Computerhardware zu leasen. Denn angesichts der praktischen Erfordernisse im heutigen Geschäftsverkehr ist eine elektronische Büroausstattung erforderlich. Wenn der HV nachweist, dass er preisgünstigere Hardware für seine Tätigkeit auf den freien Markt erhalten könnte, hat er angeblich die Mehrkosten der teureren, vom Unternehmer gestellten Hardware nicht zu tragen.685 EDV-Unterstützungsleistungen, wie Intranet,686 Service,687 Serverdienste sowie Hotline, die sich allein auf allgemeine Hardware und Software beziehen und nicht konkret dem Vertrieb einzelner Produkte zugeordnet sind.688 Kosten für eine Homepage des HV.689 Es wird aber darauf ankommen, ob die Produkte des Unternehmers oder die Leistungen des HV im Vordergrund der Darstellung stehen. Vorratswaren, die der Unternehmer dem HV zur Lieferung an die Kunden überlassen hat, sollen nach hM keine kostenlos bereitzustellende Unterlage bilden: Sie dienten nicht der Abschluss- und Vermittlungstätigkeit, sondern der Erfüllung geschlossener Geschäfte.690 Die vermittelten Produkte werden nicht an den HV sondern den Kunden geleistet, mussten also nach der Vorstellung des Gesetzgebers typischerweise nicht dem HV bereitgestellt werden, um die Vermittlung zu ermöglichen. Wohl deshalb wurden sie in § 86a Abs. 1 nicht erwähnt. Dem Gesetzgeber war offenbar nicht bewusst, dass Voraussetzung der Vermittlung – und auch des Geschäftsabschlusses – in bestimmte Branchen die Präsenz der vermittelten Produkte ist (Tankstellen, Kfz-Vermietstationen). Hier gilt der Rechtsgedanke des § 86a „erst recht“. Diese Waren entsprechen dann Mustern und Vorführwaren, weil sie „präsent“ sein müssen, um den Kunden anzulocken. Sie sind kostenlos zur Verfügung zu stellen, Produktbereitstellungspauschalen oder die Zuweisung von Lagerkosten zum HV sind regelmäßig unzulässig, jedenfalls soweit sie nicht branchenüblich sind. Dies ergäbe sich notfalls aus § 87d, demzufolge der HV nur eigene Aufwendungen und nicht die dem Unternehmer zugewiesenen Produktbereitstellungskosten bzw. die Kosten der Geschäftsausführung trägt. Selbstverständlich sind auch solche Waren sorgfältig zu verwahren. Eine mindestens analoge Anwendung des § 86a Abs. 1, auch bei der Leitbildprüfung des § 307 BGB (soweit sie wegen der auch individualvertraglich zwingenden Kostenfreiheit der Überlassung erforderlich sein sollte), ist richtig. Für diese Deutung spricht auch der Rückschluss aus § 87 Abs. 4 sowie § 86b. Die Vorschriften zeigen, dass die Erfüllungshandlung und die damit zusammenhängenden Aufgaben grds. nicht Sache des HV sind und er, falls er sie zu seiner Sache macht, hierfür eine gesonderte Vergütung erhält. Das für die gegenteilige Auffassung in Anspruch genommene und in allen Kommentaren zitierte Urt. des OLG Düsseldorf691 bestätigt diese Ansicht eher. Das OLG meint, Lagerware sei nicht zur Ausübung der Vermittlungstätigkeit, sondern zur Erfüllung der bereits vermittelten Verkaufsgeschäfte

681 OLG Köln, Urt. v. 30.11.2007 – 19 U 84/07, r+s 2009, 87 (88). 682 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS); OLG Köln, Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09; v. 30.9.2005 – 19 U 67/05, VersR 2006, 407 (409); Habersack/Ulmer S. 72 f. 683 LG München I, Urt. v. 21.2.2017 – 13 HKO 23526/15. 684 LG München I, Urt. v. 21.2.2017 – 13 HKO 23526/15. 685 OLG Köln, Urt. v. 30.11.2007 – 19 U 84/07, r+s 2009, 87 (88). 686 OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/09. 687 LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 28.5.2008 – 13 Sa 13/07 „MLP“. 688 LG Essen, Urt. v. 27.8.2015 – 43 O 30/15, IHR 2016, 72; LG Bonn, Urt. v. 19.5.2009 – 10 O 483/08, BeckRS 2009, 15914. 689 OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/09. 690 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.2.1990 – 16 U 125/89, BB 1990, 1086 (1087) = HVR Nr. 687 (Videokassetten); Küstner/ Thume I5 Kap. IV Rn 7; Martinek/Flohr/Feldmann4 § 19 Rn 70; Westphal I Rn 380; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 26; Ensthaler/Genzow § 86a Rn 4; Hopt § 86a Rn 5; wie hier Stötter Das Recht der Handelsvertreter3 S. 364. 691 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.2.1990 – 16 U 125/89, BB 1990, 1086 (1087). 783

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bestimmt. Diese Unterscheidung spricht dafür, die Erfüllungshandlungen und insb. die dafür erforderliche Lagertätigkeit nicht als Aufgabe des HV einzuordnen. Die hier eingenommene Ansicht bedeutet nicht, dass der HV keine Vereinbarungen über die Lagerhaltung treffen darf. Viele HV unterhalten ein Auslieferungslager. Sie werden hierfür allerdings ganz ausnahmslos durch den Unternehmer zusätzlich bezahlt, was die Leitbildprägung unterstützt. Letztlich bestätigen auch andere Entscheidungen dieses Verständnis: Das Absatzrisiko des Unternehmers darf nämlich nicht auf den HV verlagert werden.692 Nach Ansicht des OLG Stuttgart693 sowie des OLG Hamburg694 ist es sogar sittenwidrig, wenn dem HV die Verpflichtung auferlegt wird, die zu vermittelnden Waren zu erwerben und er auf diese Weise das Absatzrisiko übernehmen muss. Der BGH695 teilt diese Auffassung zumindest für den Fall, in dem das Unternehmerrisiko ohne besonderes Entgelt auf den HV übertragen wird. Die Verpflichtung des HV zum Erwerb von (Vorrats)waren bzw. Produkten des Unternehmers widerspricht damit dem Wesen des HV-Vertrages und ist regelmäßig (analog) § 86a Abs. 3 unwirksam.696 Soweit die Waren nicht kostenfrei bereitzustellen sein sollten, hat der Unternehmer Vorratsware, Lagerbestände, Ersatzteile oder sonstige vom HV im Einverständnis mit dem Unternehmer zur Unterstützung der ihm übertragenen Tätigkeit auf eigene Kosten erworbene Gegenstände nach Vertragsende gegen Wertersatz entsprechend den für Vertragshändlern geltenden Grundsätzen (Vor § 84 Rn 606 ff.) zurückzukaufen.697 – betriebsinterne Geschäftsunterlagen des Unternehmers,698 welche der HV nicht für die Werbung benötigt. – Unterlagen, die allein das Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und HV, nicht aber zu Kunden, betreffen.699 – eine vom HV selbst angelegte Kundenkartei. Mangels besonderer Vereinbarung ist der HV bei Beendigung des Vertrages demgemäß auch nicht zur Herausgabe einer solchen Kartei verpflichtet.700 125 Regeln die Parteien vertraglich, welche Unterlagen dem HV zur Verfügung zu stellen sind und werden dabei erforderliche Unterlagen nicht genannt, steht dem HV unmittelbar aus § 86a ein Anspruch auf die erforderlichen Unterlagen zu.701 Wegen der zwingenden Natur des Überlassungspflicht gilt dies selbst dann, wenn die Aufzählung erschöpfend sein sollte. Die Überlassungspflicht ist keine höchstpersönliche Pflicht. Der Unternehmer kommt ihr auch nach, indem er dem HV die Unterlagen durch Dritte, etwa Erfüllungsgehilfen, zukommen lässt.702 Auch dann darf er hierfür keine Kosten berechnen, soweit die Kostenfreiheit durch Abs. 1, 3 vorgeschrieben ist. An Dritte geleistete Kosten muss der Unternehmer dem HV in dieser Situation ersetzen.

126 f) Fälligkeit. Wie alle in § 86a vorhandenen Pflichten des Unternehmers besteht die Überlassungspflicht vertragsbegleitend. Fälligkeit tritt unverzüglich703 und jedenfalls bei allgemein üb-

692 Vgl. BGH, Urt. v. 20.3.1981 – I ZR 12/79, MDR 1982, 200; OLG Hamburg, Urt. v. 31.1.1940, HVR Nr. 2; OLG Stuttgart, Urt. v. 5.7.1957- 5 U 169/56, NJW 1957, 1281; OLG München, Urt. v. 8.8.2001 – 7 U 5118/00, OLGR 2000, 82; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 69. 693 Urt. v. 5.7.1957 – 5 U 179/56, NJW 1957, 1281. 694 Urt. v. 31.1.1940, HVR Nr. 2. 695 Urt. v. 20.3.1981 – I ZR 12/79, MDR 1982, 200; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 69. 696 Ulmer/Brandner/Hensen10 Anh. § 310 BGB Rn 407 m. w. N. 697 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 28. 698 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 28. 699 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 28; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 3. 700 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 35. 701 MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 42. 702 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 9. 703 Hopt § 86a Rn 6. Emde

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lichen Hilfsmitteln ohne Aufforderung704 ein, sobald der HV die Unterlagen benötigt,705 etwa bei Vertragsbeginn,706 spätestens unverzüglich nach Aufforderung.707 Erkennt der Unternehmer die Erforderlichkeit nicht, ist die Aufforderung fälligkeitsbegründend. Benötigt der HV die Unterlagen dringend, kann er sein Recht mittels einstweiliger Verfügung sichern lassen.708 Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache steht nicht entgegen. Die Unterlagen sind dem HV solange zu belassen, wie er sie benötigt.709 Der Unternehmer ist mit der Rechtsfolge des § 295 BGB vorleistungspflichtig und darf die Aushändigung i. d. R. – Extremfälle ausgenommen – nicht von Bedingungen oder Zurückbehaltungsrechten, etwa der Rückgabe anderer Gegenstände, abhängig machen, sofern der HV zur Ausübung seiner Tätigkeit auf die Unterlagen angewiesen ist.710 Denn mit einer überholten oder veralteten Kollektion braucht ein HV nicht zu arbeiten.711 Die Verpflichtung ist eine kontinuierliche. Der Unternehmer hat die geschuldeten Unterlagen auch ohne Aufforderung laufend auf aktuellem Stand zu halten712 sowie zu übermitteln, und zwar auf seine Kosten.713 Verbrauchte Unterlagen sind zu ergänzen und aufzufüllen.714 Dies gilt, solange der HV für ihn tätig zu sein hat, grundsätzlich auch, wenn das Vertragsverhältnis gekündigt, aber noch nicht beendet, ist.715

g) Kosten. Die in § 86a Abs. 1 genannten Unterlagen sind dem HV – mglw. kraft Handels- 127 brauchs716 – kostenlos zur Verfügung zu stellen.717 Diese Kostenfreiheit ergibt sich zwar nicht wörtlich aus § 86a, wird aber seit den 1950er Jahren einheitlich vertreten.718 Aus dem Leitbild des HV als selbstständiger Vermittler von Geschäften folgt, dass er sich einerseits nicht an den Kosten des Unternehmers beteiligen muss, andererseits das alleinige Risiko der von ihm entfalteten Absatzbemühungen trägt. Durch eine Beteiligung an Kosten des Unternehmers für Unterlagen i. S. d. § 86a Abs. 1 wäre der HV indes verpflichtet, auch im Falle erfolgloser Absatzbemühungen für die überlassenen Unterlagen ein Entgelt an den Unternehmer zu zahlen und so letztlich einen Teil des unternehmerischen Risikos des Prinzipals zu tragen.719 Die Kostenfrei-

704 Thume BB 1995, 1913; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 27; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 5; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 4. 705 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 10. 706 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 4. 707 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 27. 708 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 57. 709 Hopt § 86a Rn 6. 710 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 27. 711 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 27. 712 OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS); OLG Köln, Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09. 713 Thume BB 1995, 1913; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 28. 714 OLG Köln, Urt. v. 30.11.2007 – 19 U 84/07, r+s 2009, 87 (88); Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 4. 715 Hopt § 86a Rn 6; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 25; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 6. 716 Roth BB 2010, 2000 (2004). 717 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 21 = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem; v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10, BeckRS 2011, 15320 Rn 19 („allg. Ansicht“); OLG Hamm, Urt. v. 17.6.2016 – 12 U 165/15, NJW-RR 2016, 1134; OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 50/09, DB 2010, 390 (LS); OLG Köln, Urt. v. 11.9.2009 – 19 U 64/09; OLG Hamm NJW-RR 1990, 567 (568); OLG München BB 1999, 2320; LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 19; LG Essen, Urt. v. 27.8.2015 – 43 O 30/15, IHR 2016, 72; LG Hannover, Urt. v. 23.7.2009 – 18 O 92/08, n. v.; Thume BB 1995, 1913 (1915); Ebenroth/ Löwisch3 § 86a Rn 29; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 3, 6; Hopt § 86a Rn 6; Oetker/Busche5 § 86a Rn 6; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 7; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 4; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 2, 7. 718 Roth BB 2010, 2000 (2001), der vertritt, aus § 4 Abs. 2 RL ergebe sich keine Verpflichtung zur kostenlosen Überlassung. 719 BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 19. 785

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heit ist gem. § 86a Abs. 3 zwingend, nicht nur betreffend die Erstausstattung.720 Alle Abreden, die auf die Gewährung einer irgendwie gearteten Leistung für die Überlassung der Hilfsmittel gerichtet sind, gleich welcher Höhe und Fälligkeit, wären unwirksam,721 etwa Eintrittsgelder, Bestellungen des HV, die Vereinbarung einer Holschuld am Sitz des Unternehmers, einer Nutzungsgebühr,722 Unterlagen oder Musterkollektion nach Saison- oder Vertragsende käuflich zu erwerben723 (sowohl als AGB724 wie als Individualabrede725), generell eines Kauf-726 oder Mietvertrages, einer Kaution727 oder Sicherheit, letztere ist sogar bei wertvollen Kollektionen unzulässig,728 einer Übersendungsgebühr,729 und dies alles sowohl individualvertraglich wie mittels AGB. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Kaution nach Vertragsende zurückzuzahlen oder zu verzinsen ist. Denn der HV hat bei Aushändigung der Unterlagen einen Geldabfluss zu verzeichnen, so dass aus der maßgeblichen Sicht zu diesem Zeitpunkt keine Unentgeltlichkeit vorliegt. Zudem trägt er das Insolvenzrisiko des Unternehmers sowie das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung um die Rückzahlungspflicht. Auch eine Beteiligung an den Entwicklungskosten darf nicht vereinbart werden.730 In AGB widersprechen solche Regelungen dem gesetzlichen Leitbild nach § 307 BGB.731 Allenfalls die freiwillige Option zum Kauf darf vereinbart werden, jedoch keine Verpflichtung.732 Diejenigen, die eine Kaufverpflichtung für zulässig halten, befürworten – auch ohne Vereinbarung – eine Rückerwerbspflicht des Unternehmers zu angemessenem Preis bei Vertragsende, weil der HV die von ihm erworbenen Gegenstände nicht mehr nutzen oder absetzen kann733 (s. u.). Ggf. um Kosten für die Bereitstellung gekürzte Provisionen hat der Unternehmer ungekürzt auszuzahlen; soweit der HV unberechtigt Kosten zu tragen hat, folgt aus § 812 BGB Abs. 1 S. 1 BGB ein ggf. erheblicher,734 mit dem Anspruch auf Provisionszahlung konkurrierender Erstattungsanspruch.735 Auch ein Zinsnachteil darf dem HV nicht entstehen, etwa bei einem späteren Ausgleich der Kosten. Ein entgegenstehender Handelsbrauch wäre nicht gegen Abs. 3 zulässig.736 Produktbereitstellungskosten, z. B. bei der Kfz-Vermietung, sind deshalb unzulässig, und zwar auch individualvertraglich. Selbst Prämien eventueller Versicherungen hat 720 So jedoch mglw. Roth BB 2010, 2000 (2004). 721 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1994 – 16 U 279/93, HVR Nr. 770 (AGB); Thume BB 1995, 1913; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 11. 722 BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 30 – AWD; LG Hannover, v. 3.3.2009 – 24 O 40/08, n. v. 723 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.2013 – I-16 U 89/11, BeckRS 2013, 14364; OLG München, Urt. v. 3.3.1999 – 7 U 6158/ 98, DB 1999, 1007 = BB 1999, 2320 = HVR Nr. 895; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1994 – 16 U 279/93, HVR Nr. 770; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 12. 724 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1994 – 16 U 279/93, HVR Nr. 770; OLG München HVR Nr. 991; LG Stuttgart, Urt. v. 20.2.1990 – 3 KfH O 163/89, HVR Nr. 690; Hopt § 86a Rn 6; zu den Urteilen Roth BB 2010, 2000 (2001 f.). 725 AA Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 29. 726 OLG Köln, Urt. v. 30.11.2007 – 19 U 84/07. 727 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 29; aA Thume BB 1995, 1913 (1914). 728 Thume BB 1995, 1913 (1914); Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 21; aA Sieg VersR 1996, 559 (560); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 29. 729 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 21 = EWiR 2017, 529 (Frings) – Tankstellen-Computersystem. 730 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.2013 – I-16 U 89/11, BeckRS 2013, 14364 – Musterkollektion. 731 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1994 – 16 U 279/93, HVR Nr. 770; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 12.3.1996 – 2 HKO 6793/94, HVR Nr. 842 = VersR 1997, 967 (L). 732 OLG München OLGR 2002, 82; Urt. v. 3.3.1999 – 7 U 6158/98, DB 1999, 1007 = BB 1999, 2320; Thume BB 1995, 1913; aA bei individualvertraglicher Abrede MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 8; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 29. 733 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 29. 734 Hesse BB 2010, 1052. 735 BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10 Rn 31 – AWD; OLG Hamburg, Hinweisbeschl. v. 28.10.2014 – 15 U 11/14, IHR 2016, 67; OLG Köln, Urt. v. 30.11.2007 – 19 U 84/07, r+s 2009, 87 (88); LG Essen, Urt. v. 27.8.2015 – 43 O 30/15, IHR 2016, 72; Steinhauer BB 2012, 526 (528). 736 OLG München, Urt. v. 3.3.1999 – 7 U 6158/98, DB 1999, 1007 = BB 1999, 2320 = HVR Nr. 895. Emde

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allein der Unternehmer zu tragen, weil anderenfalls Kostenfreiheit fehlt.737 Die Unwirksamkeit tritt auch ein, falls nur ein Teil der Einzelelemente für die Vermittlungstätigkeit „erforderlich“ und ein Teil lediglich „nützlich“ ist. Wenn der Unternehmer erforderliche, und damit kostenfreie, zusammen mit nützlichen, und damit möglicherweise vergütungspflichtigen Arbeitsmitteln in einem Paket zu einem einheitlichen Preis zur Verfügung stellt, so war nach der früheren Rspr., auch des BGH, die Vergütungsvereinbarung insg. gem. § 86a Abs. 1, 3 unwirksam.738 Sofern etwa die Kosten für die Überlassung von Hard- und Software gefordert werden und nicht ausdrücklich notwendige Hardware-Komponenten von der Kostenpflicht ausgenommen werden und zudem andere als die standardmäßig installierte Software nicht gestattet war, so sollte die Kostenregelung eine Einheit bilden und Kosten wurden insg. nicht geschuldet.739 Nach einer neuen Nuance der Rspr. des BGH und ihm folgend der Rspr. ist eine Vergütungsvereinbarung nur insoweit unwirksam, soweit mit ihr die Übermittlung von kostenfrei bereitzustellenden Unterlagen i. S. d. § 86a Abs. 1 abgegolten wird,740 wobei mittels ergänzender Vertragsauslegung (dazu unten) der Anteil kostenfrei und kostenpflichtiger Überlassung abzugrenzen ist.741 Die Unwirksamkeit gem. § 86a Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 soll sich nach dieser Rspr. nur auf den Teil der Gesamtvergütung beziehen, mit dem die bereitzustellenden „Unterlagen“ i. S. d. § 86a Abs. 1 abgegolten werden.742 Die Vergütungsvereinbarung soll i. d. S. teilbar sein, so dass eine Teilvergütung als selbständige Regelung Bestand haben kann.743 Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung nach Treu und Glauben ist relevant, inwieweit die übrigen Komponenten nur oder auch Funktionen erfüllen, die dem von dem HV selbst zu finanzierenden regelmäßigen Geschäftsbetrieb zuzurechnen sind und welches Gewicht dieser Anteil hat.744 Bei einem eher den allg. Geschäftskosten des HV zuzuordnenden Kassensystem war es wohl etwas deutlicher als bei einem Softwarepaket, dass es auch dem HV dient.745 Das könnte die Nuance motiviert haben.746 Die neue Wertung rückt das Formulierungsrisiko in den Hintergrund, erscheint „gerechter“, jedoch vor Gericht schwerer handhabbar.747 Sachverständige und nach Stunden vergütete Anwälte werden sich freuen. Es bleibt im ungefähren, unter welchen Umständen von einem „einheitlichen Produkt“ auszugehen und dem HV die Leistung insg. kostenfrei zur Verfügung zu stellen ist.748 Die Tatsacheninstanzen bewerten uneinheitlich, welche Vergütung die Mineralölunternehmen für das Kassensystem nehmen könn737 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 13; Hopt § 86a Rn 6; aA (Vereinbarungsfrage) Staub/Brüggemann 4. Aufl, § 86 Rn 25; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 54: Versicherungspflicht nur „im Zweifel“ beim Unternehmer: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 8. 738 BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10, BeckRS 2011, 15320 Rn 30 – AWD – Softwarepaket; OLG Hamm, Urt. v. 17.6.2016 – 12 U 165/15, NJW-RR 2016, 1134 Rn 29; OLG Köln, Urt. v. 12.4.2013 – 19 U 101/12, BeckRS 2013, 16685; LG Essen, Urt. v. 27.8.2015 – 43 O 30/15 – BeckRS 2015, 20237 = IHR 2016, 72 (74); LG Hannover, Urt. v. 3.3.2009 – 24 O 40/08, n. v.; Steinhauer BB 2012, 526 (528). 739 OLG Hamm, Urt. v. 17.6.2016 – 12 U 165/15, NJW-RR 2016, 1134 Rn 29. 740 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 28, 30 sowie Anm. Thume IHR 2017, 118 = EWiR 2017, 529 (Frings); LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 26. In diese Richtung bereits OLG Schleswig, Urt. v. 3.12.2015 – 16 U 39/15, ZVertriebsR 2016, 178 Rn 28/ 29. 741 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl sowie Anm. Thume IHR 2017, 118 = EWiR 2017, 529 (Frings); LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 31. 742 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 32 sowie Anm. Thume IHR 2017, 118 = EWiR 2017, 529 (Frings). 743 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 32 sowie Anm. Thume IHR 2017, 118 = EWiR 2017, 529 (Frings); LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 27. 744 LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 31. 745 Emde NJW 2017, 666. 746 Auf den Widerspruch der Entscheidungen weist auch Czaja IHR 2018, 1 (5) hin. 747 Czaja IHR 2018, 1 (5); Emde NJW 2017, 665. 748 Ströbl BB 2017, 147; Thume IHR 2017, 118 (119). 787

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ten und welcher Teil des Kassensystems prozentual gesehen und verteilt auf die Gesamtvergütung zwingend kostenlos i. S. d. § 86a Abs. 3 bereitzustellen seien.749 Damit besteht das Risiko, dass ein Gericht eine Vergütungsvereinbarung, die ein angemessenen Entgelt für abgrenzbare und dem allg. Geschäftsbetrieb des HV zuzuordnende Teilfunktionen vorsieht, nach § 86a Abs. 3 für unwirksam hält, weil es sich bei dem Gegenstand/der Leistung nach der Verkehrsauffassung um einheitliches Produkt handele.750 Trotz der Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung bleibt die vertragliche Verpflichtung zur Zurverfügungstellung der Unterlagen jedoch wirksam.751 Generell ist zu empfehlen, auf von Hilfsmitteln zu verzichten und ggf. an Stelle dessen eine geringere Provision zu leisten.752 Oder dem HV werden nur die Gegenstände/Leistungen, die als „erforderliche Unterlage“ zu werten sind, unentgeltlich zur Verfügung gestellt bzw. die Höhe des Entgelts für diejenigen abgrenzbaren Teilfunktionen, die den allg. Geschäftsbetrieb des HV betreffen, gesondert aufgeführt und angemessen geregelt.753 Eine genaue vertragliche Aufschlüsselung der zu vereinbarenden Vergütung auf die einzelnen Funktionen kann nachvertragliche Streitigkeiten über einzelne Positionen reduzieren.754 Grundsätzlich hat der Unternehmer auch den durch ordnungsgemäßen Gebrauch oder Ab128 nutzung der „Unterlagen“ eintretenden Wertverlust oder die Wertminderung zu tragen.755 Ersatz für verbrauchte, beschädigte und verlorene Hilfsmittel ist daher ebenfalls kostenfrei zu liefern, es sei denn, es liegt eine Verletzung der Verwahrungspflicht durch den HV vor, die der Unternehmer zu beweisen hat, wobei der HV jedoch zuvor zur sorgfältigen Verwahrung vortragen muss (dies kann nur er). Hat der HV Kosten für Materialien zu tragen gehabt, die ihm kostenfrei zu liefern waren, soll nach Ansicht des LG Hannover756 ein Bürokostenzuschuss diese Nachteile hinreichend ausgleichen, sofern der gezahlte Betrag die Kosten klar übersteigt. Es müsse, so das LG Hannover, lediglich eine effektive Kostenbelastung des HV unterbleiben. Dies gelte selbst bei freiwilliger Leistung des Zuschusses.757 Dem widersprach das OLG Celle: Der Anspruch auf kostenfreie Bereitstellung dürfe nicht ausgehebelt werden, indem er mit freiwilligen Zahlungen aufgrund eines anderen Vertrages verrechnet werde.758Wie bei der Kaution würde der HV zudem bis zur Zahlung das Insolvenzrisiko des Unternehmers tragen, zudem unzulässigerweise den Zinsnachteil. Die Zweckbestimmung der Gegenleistungen des HV wird derenige zu beweisen haben, der die Abreden zur Vergütung formulierte. 129 Selbst wenn die „Unterlage“ partiell nicht kostenfrei bereitzustellen sein sollte, muss nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung eine faire Kostenverteilung zwischen HV und Unternehmer nach der Gewichtung des erforderlichen und nicht erforderlichen „Unterlagen“-Teils vorgenommen werden.759 Das kann insb. anzunehmen sein, wenn es nicht fern liegt, dass die Kosten für die „Unterlage“ zu nicht geringen Teilen Kosten enthält, die bei richtiger Zuordnung – sei es, weil es Vorteile einbringt, sei es, weil es Kosten erspart, bei einer herkömmlichen Organisation dem Unternehmer zuzuordnen wären.760 Dann kann eine 749 Hübsch ZVertriebsR 2018, 88 (93). 750 Ströbl BB 2017, 147. 751 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 29 = EWiR 2017, 529 (Frings); LG Hamburg, Urt. v. 4.4.2017 – 326 O 314/15, ZVertriebsR 2018, 110 Rn 24. 752 Emde NJW 2017, 666. 753 Ströbl BB 2017, 147. 754 Hübsch ZVertriebsR 2018, 88 (93). 755 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 28. 756 LG Hannover, Urt. v. 23.7.2009 – 18 O 92/08, n. v.; aufgehoben durch OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/ 09. 757 LG Hannover, Urt. v. 23.7.2009 – 18 O 92/08, n. v. 758 OLG Celle, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 150/09. 759 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl = EWiR 2017, 529 (Frings); i. E. auch OLG Schleswig, Urt. v. 3.12.2015 – 16 U 39/15, ZVertriebsR 2016, 178 Rn 30/31 – Vorinstanz zu BGH VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl = EWiR 2017, 529 (Frings). 760 OLG Schleswig, Urt. v. 3.12.2015 – 16 U 39/15, ZVertriebsR 2016, 178 Rn 32. Emde

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hälftige Kostenteilung angemessen sein,761 wobei sich schematische Lösungen verbieten762 (also ggf. Sachverständigengutachten).763 Die vertragliche Aufschlüsselung, für welche Teilfunktion welche Leistung gezahlt wird, mag helfen764 soweit die Vereinbarung wirksam ist, steht aber ebenfalls unter dem Risiko ihrer Teil- oder Gesamtunwirksamkeit. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung komme auch bei AGB in Betracht.765 Es ist kaum zu verstehen, warum es sich Unternehmer so schwer machen und immer wieder 130 rechtlich problematische „Zusatzgebühren“ erfinden. Sie werfen in den Vertriebssystemen auch AGB-Probleme auf. Einfacher wäre es, die Provision zu senken.

h) Eigentum an den Hilfsmitteln. Ohne abweichende Vereinbarung bleibt der Unternehmer 131 regelmäßig766 Eigentümer der zur Verfügung gestellten Unterlagen.767 Soweit nichts Gegenteiliges „erforderlich“ ist, genügt die Besitzüberlassung; Eigentum etwa an den für Kunden bestimmten Mustern kann der HV auch im Namen des Unternehmers übertragen; er muss hierfür zuvor nicht selbst Eigentümer werden. Indiz für den abweichend vom Regelfall vereinbarten Eigentumserwerb des HV kann die Ausstellung einer Rechnung über die Unterlagen sein, sofern es sich nicht um eine Proforma-Rechnung handelt, die lediglich aus internen Gründen, etwa zum Nachweis des Verbleibs oder in Hinblick auf eine Berechnung nach Vertragsende – etwa wegen fehlender Rückgabe – ausgestellt wurde.

i) Pflicht zur sorgsamen Verwahrung. Der HV ist unmittelbarer Besitzer der Unterlagen 132 und nicht Besitzdiener im Sinne des § 855 BGB. Denn zwischen Unternehmer und HV besteht kein sozialrechtliches Abhängigkeitsverhältnis.768 Der gutgläubige Dritte wird nach §§ 932 BGB, 366 HGB geschützt.769 Werden die Unterlagen dem HV entzogen, darf er die Rechte auf Besitzwehr und Besitzkehr der §§ 861, 862 BGB geltend machen.770 Der HV ist verpflichtet, die ihm ausgehändigten und im Eigentum des Unternehmers stehenden Unterlagen sorgfältig aufzubewahren (kaufmännische Aufbewahrungspflicht, § 86 Abs. 3, siehe Kommentierung zu § 86).771 Die Sorgfaltspflicht wird stärker, je wertvoller die überlassenen Hilfsmittel sind. Sie verbietet insbes. Selbstverbrauch772 des HV sowie die Veräußerung an Dritte auf eigene Rechnung.773 Der HV hat über den Inhalt der Unterlagen Stillschweigen zu bewahren, soweit Vertraulichkeit erwartet werden kann (§ 90).774

761 OLG Schleswig, Urt. v. 3.12.2015 – 16 U 39/15, ZVertriebsR 2016, 178 Rn 39. 762 Problem: Gewichtung Frings EWiR 2017, 529 (530). 763 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl = EWiR 2017, 529 (Frings).

764 Für eine solche Aufschlüsselung Frings EWiR 2017, 529 (530). 765 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 33 = EWiR 2017, 529 (Frings). 766 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 17. 767 Westphal I Rn 386; Hopt § 86a Rn 6. 768 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 7. 769 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 7. 770 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 7. 771 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 8. 772 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.5.1960 – 8 (3) Sa 437/59, DB 1960, 813; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 18. 773 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.5.1960 – 8 (3) Sa 437/59, DB 1960, 813; IHK Berlin, Handelsbrauch und Handelsvertreterrecht, 1952, Gutachten Nr. 183; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 18; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 8. 774 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 5. 789

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133 j) Herausgabepflicht. Da die Überlassungspflicht spätestens mit Vertragsablauf endet, ist der HV gemäß § 667,775 § 675, § 985, § 269 BGB verpflichtet, die Unterlagen bei Vertragsende herauszugeben,776 zudem wenn Unterlagen überholt sind777 oder nicht mehr benötigt werden.778 Die Rückgabepflicht entfällt (Ausnahme) lediglich, wenn die Unterlagen zum Verbrauch – bei Prospekten etwa durch Übergabe an die Kunden – vorgesehen waren. Die durch die Herausgabe entstehenden Kosten der Übersendung sind vom Unternehmer zu tragen, da die Überlassung kostenfrei erfolgen muss.779 Die Rückgabepflicht darf auch nicht durch eine Kaution gesichert werden. Denn wenn eine Kaution zu zahlen wäre, fehlt die erforderliche unentgeltliche Überlassung780 (Rn 127). Zum Zurückbehaltungsrecht des HV an den Unterlagen siehe die Kommentierung zu § 88a.

134 k) Erfüllungsort. Erfüllungsort. für Übergabe und Rückgabe ist abweichend von § 269 BGB der Sitz des HV,781 nicht der Tätigkeitsort. Die Pflicht zur Übergabe ist also eine Bringschuld des Unternehmers;782 der Unternehmer hat die Unterlagen kostenlos an den Sitz des HV zu verbringen.783 Die Abholung im Anschluss an die Überlassungszeit gem. § 667 BGB784 ist eine Holschuld des Unternehmers,785 und zwar dort, wo sich die Unterlagen nach der vertragsgemäßen Bestimmung befinden,786 im Zweifel am Sitz des HV. Von dort hat sie der Unternehmer kostenfrei abzuholen.787 Insbesondere die Musterkollektion ist dem HV am Ort seiner gewerblichen Niederlassung zur Verfügung zu stellen und mit Ablauf der Überlassungsperiode auch wieder abzuholen.788 Die Verpflichtung zur Überlassung von Unterlagen ist eine selbstständig einklagbare Nebenpflicht.789 Der Unternehmer schuldet jedoch nicht die Kosten der Verbringung der Unterlagen zu dem vom Geschäftssitz des HV abweichenden Ort, an dem der HV die Unterlagen möglicherweise während seiner Tätigkeit benötigt. Der HV muss die Unterlagen ggf. von seinem Sitz auf eigene Kosten zu einem Ort transportieren, wo er sie benötigt, etwa zum Sitz des Kunden. Nach dem Inhalt des Vertrages oder der Natur der Unterlagen, etwa wegen ihrer Sperrigkeit, kann es im Ausnahmefall aber Teil der Pflicht des Unternehmers zur kostenlosen Bereitstellung sein, jene an einen anderen Ort, etwa zum Sitz des Kunden, zu verbringen, wenn der Transport nur Aufgabe des Unternehmers sein kann.

Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 30. Hopt § 86a Rn 6; Oetker/Busche5 § 86a Rn 6. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 8. Oetker/Busche5 § 86a Rn 6. Westphal I Rn 386. AA Westphal I Rn 386. OLG München BB 1999, 2320; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 16; Westphal I Rn 383; Hopt § 86a Rn 6; Röhricht/ Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 7. 782 BGH, Urt. v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, NJW 2017, 662 m. Anm. Emde = BB 2017, 144 m. Anm. Ströbl Rn 20 = EWiR 2017, 529 (Frings)– Tankstellen-Computersystem; Flohr/Wauschkuhn/Teichhmann Vertriebsrecht § 86a Rn 13; Hopt § 86a Rn 6; Oetker/Busche5 § 86a Rn 6. 783 OLG München BB 1999, 2320; Thume BB 1995, 1913; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 27; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 86a Rn 5; Hopt § 86a Rn 6; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 6; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 2. 784 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 27. 785 OLG München NJW-RR 1999, 1194 (1195) = BB 1999, 2320; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 27. 786 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 27. 787 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 27. 788 OLG München, Urt. v. 3.3.1999 – 7 U 6158/98, NJW-RR 1999, 1194; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 7. 789 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 13.

775 776 777 778 779 780 781

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§ 86a

l) Haftung des HV. Werden die Unterlagen beschädigt, die Rückgabe unmöglich oder erfolgt 135 sie verspätet, so kann der HV auf Schadenersatz haften (§§ 280, 286 BGB). Weil ein Verlust oder eine Beschädigung aus der Sphäre des HV resultiert, muss er darlegen, welchen Grund es hierfür gab. Kann er keinen Grund darlegen, der fehlende Fahrlässigkeit plausibel erscheinen lässt, ist diese zu Lasten des HV indiziert.790 Da die Kollektion nicht zum Verkauf vorgesehen ist, valutiert der Schaden nicht in Höhe ihres Verkaufswertes, sondern in Höhe des Anschaffungsoder Herstellungspreises.791

m) Haftung des Unternehmers. Das Unterbleiben der Ausrüstung des HV mit den erfor- 136 derlichen Unterlagen zur Aufnahme seiner HV-Tätigkeit kann diese in einem Grade unmöglich machen, dass der Unternehmer mit der Annahme der vom HV geschuldeten Dienste in Annahmeverzug gerät. Für dessen Dauer könnte der HV dann nach § 615 BGB die vereinbarte Vergütung verlangen.792 So lässt sich bei einem vertraglichen Fixum verfahren. Nicht so dagegen in Ansehung der Provision; hier bleibt eine analoge Anwendung des § 642 BGB mit der Folge, dass eine angemessene Vergütung zu zahlen ist. In der Pflicht, die Tätigkeit des HV durch Ausrüstung mit Unterlagen zu fördern, ist ja mindestens die in § 642 BGB vorausgesetzte Obliegenheit des Gläubigers (Unternehmers) auf Vornahme der zur Eröffnung der Tätigkeit des HV erforderlichen Mitwirkungshandlung enthalten. Ein Verschulden des Unternehmers ist nicht vorausgesetzt. Allerdings wird man es ablehnen müssen, den HV analog § 642 BGB auf die angemessene Entschädigung zu beschränken.793 Konkurrierend besteht ein verschuldensabhängiger Schadenersatzanspruch des HV nach § 280 BGB. Die fehlende oder verspätete Übergabe der Unterlagen durch den Unternehmer soll aber ebenso wie deren Beschädigung keine abstrakten Schadenersatzansprüche des HV gem. § 280 BGB begründen.794 Wenngleich der HV gem. § 252 BGB lediglich die Wahrscheinlichkeit eines Schadens darlegen muss, hat er durch die fehlende Überlassung konkret entgangene Geschäfte nachzuweisen. Wendet der Unternehmer ein, er hätte diese Geschäfte nicht abgeschlossen, eine Einwendung, die ohnehin nur gegenüber einem Vermittlungsvertreter erheblich sein kann (der Abschlussvertreter schließt selbst ab),795 so ist er für diesen atypischen Geschehensablauf darlegungs- und beweispflichtig.796 Da die Nichtzurverfügungstellung von Unterlagen eine Vertragsverletzung darstellt, kann auch ein Kündigungsrecht gem. § 89a bestehen. Zuvor ist jedoch eine Aufforderung des HV zur Übermittlung erforderlich,797 zudem eine Abmahnung. Insbesondere gibt die fehlende Übermittlung von Kundenlisten dem HV im Regelfall keinen Anlass zur ausgleichserhaltenden Kündigung nach § 89b Abs. 3 Nr. 1.798 Für den Zustand der Sachen haftet der Unternehmer dem HV grundsätzlich gemäß §§ 618 Abs. 1, 3 BGB.799 Hinsichtlich der Kosten des Transports gilt: Der Unternehmer macht sich gem. § 280 BGB 137 schadenersatzpflichtig, falls er die Unterlagen nicht an den Sitz des HV verbringt.800 Eine Ersatzpflicht des HV gem. § 670 BGB besteht nicht, da die Transportkosten keinen Ersatz von Aufwendungen darstellten, die im regelmäßigen Geschäftsbetrieb des HV entstehen.

790 791 792 793 794 795 796 797 798 799 800 791

Ähnlich LG Darmstadt HVR Nr. 8; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 19. LG Darmstadt HVR Nr. 8, Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 19. AA wohl Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 11. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 39. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 37. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 38. AA wohl Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 38. LG Hamburg, Beschl. v. 16.7.2008 – 411 O 54/08. LG Hamburg, Beschl. v. 16.7.2008 – 411 O 54/08. Hopt § 86a Rn 6. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 16, 37. Emde

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138 n) Rückkauf nach Vertragsende. Hat der HV Materialien, die der Unterstützung der ihm übertragenen Tätigkeit dienen und die ausnahmsweise nicht kostenfrei zur Verfügung zu stellen sind, erworben, schuldet der Unternehmer den Rückkauf, regelmäßig zum Übernahmepreis.801 Dies rechtfertigt sich aus der entsprechenden Anwendung der Grundsätze zur Rücknahme von Lagerwaren bei Vertragshändlern. Der Unternehmer hat einen/eine durch ordnungsgemäßen Gebrauch oder Abnutzung der Waren eintretenden Wertverlust/Wertminderung zu tragen.802

139 o) Beweislast. Jeder Anspruchsteller hat seine Berechtigung zu beweisen. Der HV muss beweisen, dass es sich bei dem begehrten Material um Unterlagen i. S. d. § 86a handelt, er jene benötigt bzw. sie erforderlich sind. Ein auf Rückgabe der Unterlagen oder Schadenersatz wegen Nichtrückgabe klagender Unternehmer muss beweisen, welche Unterlagen er dem HV zur Verfügung gestellt hat,803 der HV Rückgabe oder Verbleib804 bzw. die bestimmungsgemäße Verwendung, insbesondere, dass er bei Weitergabe der Unterlagen hierzu berechtigt war805 und schließlich eine ordnungsgemäße Behandlung.806 Der auf Rücknahme in Anspruch genommene Unternehmer hat eine Erwerbsverpflichtung des HV und den Ausschluss seiner Rückerwerbspflicht zu beweisen.807 Verlangt der Unternehmer Bezahlung von Ware, die der HV als Musterkollektion erhalten haben will, hat der Unternehmer den Abschluss eines trotz § 86a Abs. 3 wirksamen Kaufvertrags zu beweisen.808 Will der Unternehmer Kosten für Büromittel vom HV erheben, hat der Unternehmer seine Berechtigung zu beweisen und damit insbesondere, dass es sich nicht um kostenfrei bereitzustellende produktunspezifische Unterlagen i. S. d. § 86a Abs. 1 handelt. Für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rückkaufrechtes ist der HV beweispflichtig.

2. Die in § 86a Abs. 2 geregelten Informationspflichten des Unternehmers 140 § 86a Abs. 2 ist verwandt mit § 87c. Als Ausfluss der Treuepflicht809 und im eigenen Interesse obliegt dem Unternehmer gem. § 86a Abs. 2 S. 1 die Nachrichtspflicht. Diese korrespondiert mit der Informationspflicht des HV. Das Gesetz nennt zwei beispielhaft hervorgehobene Hauptgruppen (Abs. 2 S. 2, 3) und begnügt sich im Übrigen mit einer Generalklausel (Abs. 2 S. 1). Die Grundnorm enthält § 86a Abs. 2 S. 1: Hiernach hat der Unternehmer dem HV die erforderlichen Nachrichten zu geben. Diese Grundnorm wird in § 86a Abs. 2 S. 2 für zwei beispielhaft hervorgehobene, besonders offensichtliche und bedeutende Fälle näher ausgestaltet810: Der Unternehmer hat dem HV unverzüglich – aber im Nachhinein – die Annahme, Ablehnung oder den Teilabschluss eines vom HV vermittelten oder ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Geschäftes und die Nichtausführung eines von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfts mitzuteilen. Er hat ihn ferner unverzüglich – zuvor – zu unterrichten, wenn er Geschäfte voraussichtlich nur in erheblich geringerem Umfange abschließen kann oder will, als der HV unter 801 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 28. 802 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 28. 803 BGH, Urt. v. 5.2.1997 – VIII ZR 41/96, EBE 1997, 98 (99); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 63; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 9. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 63; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 9. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 9. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 63. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 63. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 63. Siehe zu der aus der Treupflicht hergeleiteten Informationspflicht etwa BGH, Urt. v. 11.12.2006 – II ZR 166/05, ZIP 2007, 268 (zum GmbH-Recht). 810 Hopt § 86a Rn 7.

804 805 806 807 808 809

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gewöhnlichen Umständen erwarten konnte. Das Gesetz hätte es aber bei der Grundregel belassen können. § 86a Abs. 2 lässt sich trotz seiner recht umständlichen Fassung auf einen kurzen Kern redu- 141 zieren. Er behandelt vertragsbegleitende Informationspflichten, nicht anders als § 87c. Die Zusammenführung in einer Norm hätte nahe gelegen. Allerdings besteht im Normzweck ein Unterschied. Die im ersten Satz des § 86a Abs. 2 genannte Informationspflicht besteht auch im Interesse des Unternehmers, dem naturgemäß an einem vollständig über die Marktlage informierten HV gelegen sein muss und die Nachrichtspflicht wird vom Unternehmer meist freiwillig erfüllt. Die Kontrollrechte des § 87c finden ihren Zweck hingegen ausschließlich im Interesse des HV. Mit Ausnahme der Abrechungspflicht des § 87c Abs. 1 werden die in § 87c genannten Informationsrechte meist erst geltend gemacht, wenn das Vertragsverhältnis bereits gestört ist, insb. nach Kündigung des Vertrages. Soweit der HV vertragsbegleitend Auskunft nach § 87c Abs. 3, uU auch den Buchauszug nach § 87c Abs. 2, fordert, steht der Anspruch aus § 86a Abs. 2 häufig in Anspruchskonkurrenz zu diesen Ansprüchen.811

a) Die allgemeine Informations- und Nachrichtspflicht des § 86a Abs. 2 S. 1. Durch 142 die Generalklausel in Abs. 2 S. 1 ist der Unternehmer ganz allgemein verpflichtet, dem HV die „erforderlichen“ Nachrichten zu geben. Es handelt sich um einen Ausdruck der Förderpflicht des Unternehmers.812 Man könnte auch den geläufigen Begriff der allgemeinen „Informationspflicht“ verwenden. Die Informations- oder Nachrichtspflicht betrifft etwa bevorstehende Änderungen des Herstellungsprogramms, erweiterte oder sonst verbesserte Liefermöglichkeiten, Teilnahme an Messen und Ausstellungen, Verleihung von Preisen und Auszeichnungen für die zu vertreibenden Produkte, kurz alles, was für den Tätigkeitserfolg des HV beim Kunden von Belang sein kann und von ihm deshalb vorausschauend in die Planung der Besuchstätigkeit einbezogen werden muss (Fälle Rn 148). Die Informationspflicht betrifft lediglich das Innenverhältnis zwischen HV und Unternehmer813 und ist von den Erklärungen des Unternehmers gegenüber dem vom HGB als „Dritten“ bezeichneten Kunden zu separieren,814 die ggf. auch dem HV gegenüber aus der Treupflicht geschuldet sein mögen. Eine Erklärung gegenüber dem einen ersetzt nicht die an den anderen zu übermittelnde.815 Die Informationspflicht schränkt die Dispositionsfreiheit nicht ein sondern setzt sie voraus.816

aa) Zweck. Die Informationspflicht soll den HV in die Lage versetzen, möglichst erfolgreich 143 seiner Tätigkeit nachgehen zu können817 und ihm Gelegenheit geben, auf vorhersehbare Veränderungen rechtzeitig reagieren zu können,818 seine Dispositionen für die Zukunft zu treffen819 und ihn vor nutzlosem Aufwand für eine nicht mehr aussichtsreiche Vermittlungstätigkeit bewahren.820 Damit liegt die Informationserteilung auch im Interesse des an erfolgreichem Vertrieb interessierten Unternehmers. Schließlich dient die Information dazu, den HV über die Höhe seiner Provisionsansprüche aufzuklären.821 Die Vorschrift ergänzt insoweit § 87c. Die 811 812 813 814 815

Hopt § 86a Rn 10. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 31. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 52; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 13. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 52; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 24. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 52; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 9; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 24. 816 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 16. 817 Westphal I Rn 390. 818 Westphal I Rn 390. 819 BGHZ 26, 161; BGH NJW-RR 1987, 873; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 37; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 14b. 820 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 40. 821 AA Westphal I Rn 390. 793

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DSGVO steht nicht entgegen: Die Übermittlung kundenbezogener Daten von einem Unternehmer an seine HV bedarf als Auftragsdatenverwaltung keiner weiteren Einwilligung der Kunden.822 Gleiches gilt für das Bankgeheimnis: Die Erteilung gesetzlich geschuldeter Auskünfte an einen von ihr beauftragten HV durch eine Bank stellt keinen Verstoß gegen Artikel 47 des Schweizerischen Bankengesetzes dar.823

144 bb) Zeitlicher Umfang und Fälligkeit. Die Informationspflicht besteht vertragsbegleitend. Damit die Information den HV so rechtzeitig erreicht, dass er sein Handeln entsprechend einrichten und die Information sachgerecht verwerten kann824 ist die Informationserteilung fällig, sobald ein objektiver HV Informationen erwarten darf. Obwohl das Gesetz bei der Informationspflicht nicht ausdrücklich sagt, dass der Unternehmer die erforderlichen Nachrichten unverzüglich zu geben hat, folgt dies aus dem Begriff der erforderlichen Maßnahmen und dem Zweck der Regelung, derzufolge die Nachrichten zeitlich so gegeben werden müssen, dass der HV sie rechtzeitig auswerten kann.825 Im Zweifel besteht die Pflicht zur Information also unverzüglich826 (die Unverzüglichkeit der S. 2 und 3 ist Ausdruck eines auch für S. 1 geltenden Grundsatzes); es ist so frühzeitig wie objektiv möglich und zumutbar zu informieren,827 es sei denn, es besteht ausnahmsweise (Beweislast beim Unternehmer) ein objektiv berechtigtes Interesse an einer (vorläufigen) Geheimhaltung.828 Ist im Ausnahmefall ein solches Interesse des Unternehmers zu berücksichtigen, sind die Interessen des HV und des Unternehmers gegeneinander abzuwägen,829 wobei angesichts der besonderen Hervorhebung der Informationspflicht im Gesetz dem Informationsinteresse des HV regelmäßig leichter Vorrang zukommen dürfte. So kann trotz und in Wechselwirkung mit der dem HV obliegenden Verschwiegenheitspflicht nach § 90830 ein Interesse des Unternehmers bestehen, geheimhaltungsbedürftige Einzelheiten zur Produktentwicklung831 oder Vertriebsstrategie832 nicht mitzuteilen, etwa um den Versuch einer Sanierung,833 eine Transaktion834 oder einen „Coup am Markt“835 nicht zu gefährden. Die Unterrichtungspflicht entsteht in einem solchen Fall, sobald und soweit die Geheimhaltung gegenüber dem HV nicht mehr erforderlich ist.836 Es kann dann aber – je nach Sachverhalt – erforderlich sein, Planungen mitzuteilen oder Zwischennachrichten837 zu geben und nicht erst den endgültigen Beschluss, diesen aber zumindest. Außer im Fall überwiegender Schutzpflichten soll jedoch keine Pflicht des Unternehmers bestehen, die Entscheidungen hinsichtlich der die Informations-

822 Evers/Kiene NJW 2003, 2726 (2728). 823 OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.9.2006 – 1 U 34/06, WM 2007, 351. 824 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 50; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 7; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 30; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 18. 825 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 10. 826 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 50; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 23. 827 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 50. 828 BGH NJW 1974, 795; Canaris § 17 Rn 73; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 50; Hopt § 86a Rn 12. 829 BGH NJW 1974, 795; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 43; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 53; Hopt § 86a Rn 8; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 12. 830 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 53. 831 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 53; Hopt § 86a Rn 9. 832 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 53; Hopt § 86a Rn 9. 833 BGH NJW 1974, 795; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 43; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 14; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 32. 834 Hopt § 86a Rn 12. 835 Hopt § 86a Rn 12. 836 Ebenroth/Löwisch 3 § 86a Rn 53. 837 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 50; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 23. Emde

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pflicht auslösenden Umstände unverzüglich zu treffen.838 Anders gewendet: Der Unternehmer darf (begrenzt durch die Treupflicht) langsam entscheiden. Über seine relevante Entscheidung hat er jedoch unverzüglich zu informieren. Der Unternehmer schuldet die Information unaufgefordert.839 Auf Anfrage hat er darüber hinaus das objektiv Erforderliche mitzuteilen.840 Das gilt gerade, wenn die Auskunft über Dispositionen des Unternehmers erteilt wird, welche in Rechte des HV eingreift (siehe oben). Die vorstehenden Grundregeln gelten im Zweifel für jede Informationspflicht. Zur vor- und nachvertraglichen Informationspflicht oben, Rn 24 ff., 112.

cc) Sachlicher Umfang der Informationspflicht. Zu übermitteln sind die erforderlichen 145 Nachrichten. Dieser Begriff ist weit auszulegen.841 Nachricht ist jede Information, die an den HV gerichtet wird oder zu richten ist, gleich in welcher Form und mit welchem Umfang. Begrenzt wird die Pflicht auf die erforderlichen Nachrichten. Erforderlich ist grds. alles, was die Tätigkeit des HV zu fördern geeignet ist, soweit es nicht die Aufgabe des HV bleibt, die Information zu erheben.842 Die Erforderlichkeit muss zum Zeitpunkt vorliegen, zu dem die Informationen bekannt sind oder bekannt sein sollten.843 Alle Informationen sind zu erteilen, die der HV objektiv844 benötigt, um seiner Tätigkeit optimal nachgehen,845 die Tätigkeit für den Unternehmer zu fördern846 und sich selbst schützen zu können. Dazu zählen sämtliche Informationen, die benötigt werden, um das Produkt vertreiben zu können und damit alles, was der HV wissen muss, um Fragen von Interessenten sachgerecht und sachkundig beantworten zu können.847 Ist eine Produktschulung erforderlich, ist zu schulen. Die Unterrichtungspflicht greift nicht erst bei wesentlichen Änderungen mit erheblicher Bedeutung ein, sondern betrifft alle Informationen, die den HV interessieren müssen, insbesondere Änderungen, bei denen objektiv eine Nachricht erwartet werden darf.848 Damit sind auch solche Informationen mitzuteilen, die sich lediglich auf die Vertriebstätigkeit des HV günstig auswirken und damit den Absatz fördern können.849 Die Information durch den Unternehmer ist insbesondere erforderlich, falls der HV um eine Gegenäußerung oder um Stellungnahme gebeten hat.850 Nur wenn der HV im weiten Umfang informiert ist, kann er auch Vermittlungserfolge erzielen. Ist der HV im Bilde, etwa weil er die Nachricht bereits von dritter Seite erhalten hat, oder ist sie allgemein bekannt,851 muss der Unternehmer kein weiteres Mal informieren, es sei denn, die Bestärkung erhöht die Glaubwürdigkeit der Nachricht oder der Unternehmer muss zweifeln, ob der HV informiert ist. Im Zweifel hat der Unternehmer zu informieren.852 Allgemeiner Geschäftsrückgang in der gesamten Branche, Produktionsausfälle beim Unternehmer durch Brand, Streik, Insolvenz eines Zulieferbetriebes: sind diese Tatsachen dem HV bekannt, brauchen sie nicht erst mitgeteilt zu werEbenroth/Löwisch3 § 86a Rn 50. Westphal I Rn 390. Westphal I Rn 390. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 42; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 14. Hopt § 86a Rn 8. Hopt § 86a Rn 8. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 31; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 11. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 41; Westphal I Rn 394; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 31; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 10; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 1. 846 Hopt § 86a Rn 8. 847 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 31. 848 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 36; aA MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 35. 849 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 31; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 7; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 11 f. 850 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 11. 851 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 53; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 31. 852 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 53; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 16; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 31.

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den. Mitteilungspflichtig sind alsdann allenfalls der Umfang und die voraussichtliche Dauer der Absatzbehinderung. Kennenmüssen oder die Möglichkeit der Kenntniserlangung beim HV reichen nicht. Es kann aber ein Verschulden des Unternehmers fehlen, was für den Schadensersatzanspruch relevant wäre. Informationen, um die sich der HV selbst kümmern muss, hat der Unternehmer nicht zu erteilen,853 es sei denn, er erkennt, dass sie dem HV entgangen sind. Eine gegenüber Dritten übernommene vertragliche Geheimhaltungspflicht kann den Unternehmer von seiner Informationspflicht grundsätzlich nicht dispensieren. Dagegen spricht der zwingende Charakter der Informationspflicht und der Umstand, dass wegen des Verbots von Verträgen zu Lasten Dritter vertragliche Pflichten nicht von Abreden mit Dritten abhängen können. Ein Geheimhaltungsversprechen mag aber im Rahmen der Interessensabwägung ein maßgeblicher Gesichtspunkt sein. 146 Eine Willenserklärung, insbes. gegenüber Dritten, etwa Kunden, gibt der Unternehmer mit der Information regelmäßig nicht ab,854 es sei denn, die Nachricht geht auch an den Dritten oder ist zur Weiterleitung an ihn bestimmt. Jedoch kann u. U. ein widersprüchliches Verhalten des Unternehmers vorliegen, welches eine Bindung des Unternehmers an die gegebene Information herbeiführt. Vielen Fällen, die im Zusammenhang mit der Informationspflicht behandelt werden, liegen 147 Sachverhalte zugrunde, in denen die vom Unternehmer geplante Maßnahmen unzulässig war und nicht von seinem Dispositionsrecht gedeckt war (s. o., Rn 85 ff.). Der Unternehmer durfte sie also ohne (Änderungs-)Kündigung nicht umsetzen und sich nicht auf eine bloße Information beschränken. Die Umsetzung der Maßnahme war dann eine Vertragsverletzung. Über folgende Umstände ist eine Informationspflicht des Unternehmers angenommen worden: 148 – Beabsichtigte Änderungen oder Verbesserungen der Produkte855 oder Preise sowie der Lieferbedingungen.856 – Die Gründe für die Annahme/Ablehnung/Nichtausführung eines Geschäftes.857 Der HV muss wissen, warum das Geschäft nicht ausgeführt wurde, weil die Gründe für den Umfang seiner Vertriebsbemühungen erheblich sein können. Erfährt er etwa, dass der Kunde Liquiditätsprobleme hat, kann er möglicherweise weitere Vermittlungsbemühungen einstellen858 und zudem auf Zahlung drängen. Beruht die Nichtausführung auf Lieferschwierigkeiten des Unternehmers, mag der HV den Kunden für ein anderes Produkt interessieren.859 – Beendigung des Vertrages zwischen Unternehmer und Hauptvertreter: Hier muss der Haupt- den Untervertreter über das Vertragsende informieren, – Eine Betriebsstilllegung,860 sofern es sich um die Stilllegung wesentlicher Teile handelt861: Der Unternehmer muss den HV unverzüglich nach Beschlussfassung862 und in jedem Fall eine angemessene Zeit vor der Betriebsstilllegung unterrichten und ggf. kündigen, damit der HV sich rechtzeitig um eine Folgebeschäftigung bemühen kann. Die Pflicht zur unverzüglichen Information entfällt nicht deshalb, weil der Unternehmer beabsichtigt, den HV-Vertrag nach der Betriebseinstellung ordnungsgemäß zu kündigen.863 Hinsichtlich des Zeitpunktes der Unterrichtung sind die Unternehmerinteressen an der Geheimhaltung der Stilllegungsabsicht mit den Interessen des HV an einer möglichst frühzeitigen und vollständigen Unterrichtung abzu853 Hopt § 86a Rn 8. 854 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 56. 855 BGHZ 26, 161 (167); BGH, Urt. v. 12.12.1957 – II ZR 52/56, BB 1958, 60; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 32, 37; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 11a. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 41. Westphal I Rn 392. Westphal I Rn 392. Westphal I Rn 392. BGH NJW 1974, 795 = BB 1974, 434; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 47; Westphal I Rn 395. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 43; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 34. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 43; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 32. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 43.

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wägen. Besteht ausnahmsweise ein objektiv berechtigtes Interesse an einer vorläufigen Geheimhaltung, z. B. um den Versuch einer Sanierung nicht zu gefährden,864 ist zu informieren, sobald die Gründe wegfallen, welche Geheimhaltung gebieten. In der Sache handelt es sich bei der „Information“ oft um eine Kündigungserklärung, so dass die Umsetzung der Maßnahme nur nach einer mit der Frist des § 89 erklärten Kündigung, zumindest aber nach einer jener Kündigungsfrist entsprechenden Informationsfrist zulässig ist.865 Den Betriebsübertragung866: Hier gilt das zur Betriebstilllegung Gesagte entsprechend: Der Unternehmer muss den HV möglichst früh über eine (beabsichtigte) Übertragung des Unternehmens informieren, ungeachtet der rechtstechnischen Ausgestaltung der Veräußerung (etwa Verkauf, Verpachtung). Auch an einer Information über die Veränderung des Gesellschafterbestandes kann der HV ein Informationsinteresse besitzen. Der HV braucht sich im Rahmen eines Asset-Deals keinen anderen Vertragspartner aufdrängen zu lassen; der HV-Vertrag geht nicht ohne weiteres auf den Nachfolger über und die Übertragung ohne Zustimmung des HV ist daher nicht möglich867 (s. Kommentierung zu § 84). Unternehmer und Betriebserwerber können auch nicht mit Wirkung gegenüber dem HV einen Übergang des Vertrages vereinbaren.868 Der Unternehmer muss ggf. rechtzeitig kündigen, mit der Folge der Ausgleichspflicht nach § 89b. Maßnahmen, die Ausfluss des Dispositionsrechts des Unternehmers sind, soweit Interessen des HV berührt werden. Einschränkungen der Verkaufsmöglichkeiten869: In einem vom BGH870 entschiedenen Fall hatte der Unternehmer sich entschlossen, fast nur noch einen Großunternehmer zu beliefern, so dass im nächsten Jahr fast 90 % des Gesamtumsatzes mit diesem Abnehmer abgewickelt worden wären, wodurch die Provisionseinnahmen um 75 % reduziert worden wären. In dem BGH NJW-RR 1987, 873871 zugrunde liegenden Fall hatte der Unternehmer entschieden, mit Abnehmern im Gebiet des HV keine Geschäfte mehr zu schließen. Der BGH forderte in beiden Fällen eine angemessene Informationszeit. Richtigerweise musste der Unternehmer hier nicht nur informieren, sondern eine Änderungskündigung aussprechen.872 Zumindest darf er die Maßnahme erst nach Ablauf einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Ankündigungsfrist umsetzen. Das Unterlassen der Kündigung oder der Information begründet eine Schadenersatzverpflichtung. Die Einstellung der Geschäfte mit bestimmten Einzelkunden im Bezirk/Gebiet des HV.873 Fehlentscheidungen des HV: Der Unternehmer muss den HV auf für ihn vorhersehbare Fehlentscheidungen und -investitionen hinweisen.874

864 BGH NJW 1974, 795; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 43; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 14; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 32. 865 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 43. 866 BGH NJW-RR 1987, 873; NJW 1974, 795; NJW 1960, 1292 = BB 1960, 606; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 48; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 43; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 14; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86a Rn 32 f.; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 11c. 867 BGH NJW 1960, 1292 = BB 1960, 606; Küstner/Thume I5 Kap, IV Rn 48; MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 33. 868 BGH NJW 1963, 100 (101); MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 33. 869 BGHZ 49, 39 = NJW 1968, 394; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 46. 870 BGHZ 49, 39 = NJW 1968, 394; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 46. 871 = MDR 1987, 642 = WM 1987, 595. 872 BAG EWiR 2003, 203 (Diller) für einen angestellten Vermittler. 873 BGHZ 49, 39; BGH, Urt. v. 7.2.1974 – VII ZR 93/73, NJW 1974, 795; v. 22.1.1987 – I ZR 126/85, NJW-RR 1987, 873; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 49; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 37; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 35 f.; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 11a. 874 BAG, Urt. v. 24.4.1980 – 3 AZR 911/77, ZIP 1980, 777 für Franchisegeber; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 49; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 19. 797

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Die Fertigungssituation.875 Seinen Geschäftsbetrieb, wirtschaftliche Verflechtungen, Leistungs- und Lieferfähigkeit,876 soweit für den HV relevant und kein Geschäftsgeheimnis des Unternehmers. Die Kapazitätsauslastung.877 Mit welchen Kunden der Unternehmer nicht bereit ist, Geschäfte abzuschließen.878 Grund ist gleichfalls der Schutz vor sinnlosen Akquisebemühungen. Eingeschränkte Liefermöglichkeiten.879 Lage und Entwicklung des Marktes.880 Qualitative und quantitative Minderlieferungen: Der Unternehmer darf dem HV nicht durch unerwartete geschäftliche Dispositionen den Erfolg seiner Arbeit nehmen. Der HV soll angesichts veränderter Dispositionen des Unternehmers wissen, wie sich seine Verdienstmöglichkeiten zukünftig gestalten werden. Dies gilt nicht nur, sofern der Unternehmer quantitative Einschränkungen durchführen will (§ 86a Abs. 2 S. 2), sondern auch dann, wenn er erkennt, dass er nur mit erheblichen qualitativen Einschränkungen liefern kann oder will.881 Potentielle neue Kunden.882 Produktspezifische Informationen, z. B. die vollständige und zutreffende Unterrichtung über die vertriebene Ware,883 technische Einzelheiten, Einsatzmöglichkeiten, Preis(änderungen)884 und Lieferbedingungen, Auszeichnungen oder Prämierungen, ihren praktischen Einsatz, günstige Besprechungen in Veröffentlichungen, erfolgreiche Teilnahme an Messen und Ausstellungen.885 Eine vorgesehene Sortimentsänderung886 oder Änderung des Warenvorrats.887 Die Umstellung des Vertriebssystems auf andere Vertriebsformen.888 In Aussicht genommene Veränderungen des HV-Vertrages,889 insbesondere ob eine Verlängerung des mit fester Befristung abgeschlossenen Vertrages890 oder eine Kündigung891 (nicht) beabsichtigt sind und – soweit wirksam – über die vorgesehene Ausübung eines dem Unternehmer vorbehaltenen Rechts zu einseitiger Änderung der Vertragsbedingungen, etwa hinsichtlich Provisionssatz, Kundenkreis oder Vertretungsgebiet. Der HV ist über diese Umstände so zeitnah zu unterrichten, dass er sich auf die veränderte Situation einstellen und Konsequenzen, z. B. durch Kündigung, ziehen kann.892 Die Ankündigungsfrist wird man – sofern die Umstände bekannt sind – mit der Kündigungsfrist, wie sie sonst zu gelten

Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 41. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 32. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 41. Westphal I Rn 394; Hopt § 86a Rn 8. Westphal I Rn 394. Hopt § 86a Rn 8. BGHZ 26, 161 = NJW 1958, 219; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 50. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 41. BGH, Urt. v. 12.12.1957 – II ZR 52/56, BGHZ 26, 161 (167) = NJW 1958, 219; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 11a; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 32. 884 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 32, 37. 885 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 33. 886 Westphal I Rn 394. 887 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 37; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 11a. 888 BGH DB 1968, 35; Westphal I Rn 395. 889 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 36. 890 BGH DB 1960, 636 (637) = BB 1960, 605 (606); Westphal I Rn 395; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 36; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 14; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 11b. 891 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 14. 892 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 36.

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hätte, gleichzusetzen haben, sie ist regelmäßig ausreichend.893 Hat der Unternehmer frühere Kenntnis, muss er rechtzeitig informieren, es sei denn, er überlegt noch (Gegenbeweis kaum möglich) oder hat schutzwürdige Interessen an einer späteren Information, etwa weil er objektiv nachlassende Vertriebsbemühungen des HV oder Geheimnisverrat befürchten muss. – Über Werbekostenbeiträge, da es sich bei ihnen um treuhänderisches Vermögen handelt.894 Dabei sind auch Belege vorzulegen, §§ 666, 259 Abs. 1 BGB.895 – Den Widerruf des Vertrages, etwa aufgrund eines gesetzlichen Widerrufsrechtes.896 – (Drohende) Zahlungsunfähigkeit mit Gefahr von Vergleich und Insolvenz.897 Dem HV ist es unzumutbar, Geschäfte für einen Unternehmer zu vermitteln oder abzuschließen, die dieser möglicherweise nicht ausführen kann. Hier steht nicht nur das Provisionsinteresse des HV auf dem Spiel sondern das Geschäftsinteresse, seinen Kundenstamm durch ordnungsgemäße Lieferung zufriedenzustellen und nicht zu verlieren.898 Hingegen ist der Unternehmer nicht verpflichtet, dem HV vorsorglich über eine allgemeine wirtschaftlich schwierige Lage des Unternehmens Kenntnis zu geben, sofern sie sich noch nicht zu konkreten, den HV oder Kunden berührenden Maßnahmen oder Wirkungen materialisiert hat, nur weil nicht auszuschließen ist, dass sie zu einem unbestimmten Zeitpunkt zu einem Insolvenzverfahren führen könnte.899 Klare Fragen nach der wirtschaftlichen Lage seines Betriebs hat der Unternehmer aber wahrheitsgemäß zu beantworten.900 Sämtliche Mitteilungen sind, soweit erforderlich, zu begründen.901 Anderenfalls würden dem 149 HV die Informationen vorenthalten, derer er für die Beurteilung seiner zu erwartenden Provisionsansprüche bedarf.902

b) Mitteilung der Annahme oder Ablehnung eines Geschäfts (§ 86a Abs. 2 S. 2, 1. Hs). 150 Der Unternehmer muss dem HV gem. § 86a Abs. 2 S. 2 Hs. 1 unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern, § 121 Abs. 1 S. 1 BGB) die Annahme oder Ablehnung eines vom HV vermittelten oder ohne Vertretungsmacht geschlossenen Geschäftes mitteilen. Die Regelung ist mit S. 2 Hs. 2 verwandt. Die dortigen Ausführungen gelten entsprechend.

aa) Aktivlegitimation. Der Wortlaut der Vorschrift fordert ein vom HV vermitteltes oder voll- 151 machtlos abgeschlossenes Geschäft. Es muss also ein Geschäft vorliegen, bei dem der HV zumindest eine Vermittlungs- oder weitergehend eine Abschlusstätigkeit (diese jedoch ohne Vollmacht) entfaltet hat.903 „Ohne Vertretungsmacht“ meint neben dem in erster Linie angesprochenen Vermittlungs- auch den Abschlussvertreter, der bei Abschluss des Geschäfts seine Vollmacht überschritten hat (§ 91a Abs. 2);904 ebenso den Untervertreter, dem die Untervollmacht für den Abschluss fehlte. Die Vorschrift bezieht sich damit nicht auf den bevollmächtigten 893 894 895 896 897

MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 14. LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 10335/15, ZVertriebsR 2019, 34 Rn 83 zu einem Franchisevertrag. LG München I, Teilurt. v. 26.10.2018 – 37 O 10335/15, ZVertriebsR 2019, 34 Rn 89 zu einem Franchisevertrag. Evers VW Heft 9/2018, 90. Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 61; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 44; Heymann/ Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 14; teilw. aA BGH BB 1960, 605 (606); Hopt § 86a Rn 12. 898 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 44. 899 BGH DB 1960, 636 (637) = BB 1960, 605 (606); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 44; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86a Rn 13. 900 BGH BB 1960, 605 (606); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 44; Hopt § 86a Rn 12. 901 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 59. 902 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 59. 903 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 19. 904 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 20. 799

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Abschlussvertreter.905 Dieser bedarf der Unterrichtung bei Existenz einer Vollmacht nicht, weil er selbst den Abschluss infolge seiner Vollmacht verbindlich tätigt.906 Dem Bezirksvertreter sind die Informationen nach § 86a Abs. 2 ebenfalls nur über von ihm vermittelte oder abgeschlossene Geschäfte zu geben, nicht aber zu solchen, die ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Bezirkes oder seines Kundenkreises abgeschlossen wurden (§ 87 Abs. 2).907 Auch dies folgt aus dem Wortlaut: Denn § 86a Abs. 2 S. 2 nennt nur die Mitteilung über „vermittelte oder abgeschlossene Geschäfte“, nicht über Bezirksgeschäfte, die ohne Mitwirkung des Bezirksvertreters zustande kommen. Auch der Zweck, den HV vor sinnloser Arbeit zu schützen, spricht für dieses Verständnis. Über Bezirks- und Folgegeschäfte kann sich der HV – dann auf Anforderung – gem. § 87c informieren. Bei besonderer Bedeutung folgt jedoch eine Pflicht zur unaufgeforderten Information aus § 86a Abs. 2 S. 1. Eine Gegenansicht ließe sich nur einnehmen, wenn man den Zweck, den HV über die Geschäftspolitik des Unternehmers zu informieren, in den Vordergrund rückt, den Worten „vermittelte oder abgeschlossene Geschäfte“ nur beispielhaften Charakter zumisst908 oder in ihnen keinen Gegensatz zum Bezirksvertreter („ohne seine Mitwirkung“) erkennt, sondern sie als auf die generelle Vermittlungs- oder Abschlusspflicht bezogen ansieht, die in § 86 Abs. 1 auch für den Bezirksvertreter vorgeschrieben ist. Gleiches gilt für Folgeprovisionen, sofern die ihnen zugrunde liegenden Geschäfte ohne Mitwirkung des HV zustande kamen. Wird vertraglich die Informationspflicht des Unternehmers auf Bezirksgeschäfte ausgedehnt, bestehen im Lichte des § 86a Abs. 3 keine Bedenken, weil es sich nicht um eine abweichende Vereinbarung, sondern um eine Ausdehnung der Informationspflicht auf vom Gesetz nicht erfasste Fälle handelt.909

152 bb) Zweck. Die Mitteilungspflicht besteht, da dem HV ein Provisionsanspruch für abgeschlossene Geschäfte zusteht. Er muss wissen, ob seine Vermittlungstätigkeit zur Provisionspflicht geführt hat. Der HV ist ferner auf die Information angewiesen, weil er einen Überblick darüber gewinnen soll, nicht nur, ob seine Vermittlungsbemühungen Erfolg gehabt haben (beim Unternehmer „angekommen“ sind) und ggf. aus welchen Gründen nicht, sondern auch, auf welche Kunden er (namentlich im Falle wiederholter Ablehnung) seine Bemühungen künftig nicht mehr oder nur noch in zweiter Linie zu richten hätte und (gerade im Falle einer nur teilweisen Annahme), zu wann ein neuer Kontakt mit den betreffenden Kunden geplant werden muss. Der HV soll also vor sinnlosem Arbeitseinsatz geschützt werden910 und sich auf die Kundenpolitik des Unternehmers einstellen können. Ganz kann der Widerspruch zu § 87a Abs. 3 nicht erklärt werden: Vor Abschluss ist der Unternehmer in der Entscheidung über das Geschäft frei; hiernach nicht mehr. Er darf es dann noch nicht einmal aufheben, ohne dem HV Provision zu schulden. Ab dem Abschluss wird das Vertrauen des HV in sein Provisionsrecht durch § 87a Abs. 3 geschützt. Umso sorgsamer hat der Unternehmer zu überlegen, ob er das Geschäft will. 153 Die Mitteilung nach Abs. 2 berührt nur das Innenverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem HV. Nur gegenüber dem HV und nicht gegenüber dem Kunden ist der Unternehmer zur Mitteilung verpflichtet.911 Die Benachrichtigung des HV bringt weder das Geschäft mit dem Kunden zustande, noch schließt sie einen Geschäftsabschluss mit dem Dritten aus.912 Das Geschäft wird grundsätzlich erst wirksam durch die Einigung zwischen Unternehmer und Drit905 Hopt § 86a Rn 10. 906 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 38, 39. 907 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 38, 39; aA Westphal I Rn 399; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume3 § 86a Rn 15 (unklar aber Rn 17). AA Staub/Brüggemann 4. Aufl. § 86 Rn 6. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 17. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 43. MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 24. MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 24.

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ten.913 Jedoch kann im Falle des vollmachtlosen Abschlusses in der Mitteilung eine Genehmigung nach § 177 BGB liegen. Eine derartige Genehmigung darf nicht nur gegenüber dem Dritten, sondern auch gegenüber dem HV erklärt werden.914 Der Regelung soll sich entnehmen lassen, dass der Unternehmer, sofern nichts Gegenteili- 154 ges vereinbart ist, frei bestimmen darf, ob er das einzelne vom HV vermittelte Geschäft abschließen will.915 Einen Anspruch hierauf habe der HV nicht,916 selbst wenn er das Geschäft wegen eines Wettbewerbsverbots nicht einem anderen Unternehmer antragen dürfe. Dem ist innerhalb der o. g. Grenzen des Dispositionsrechts zuzustimmen. Der Unternehmer ist also nicht gänzlich frei, sondern muss auch das Interesse seines Mittlers im Auge behalten. Er darf nicht durch beständige Nichtannahme einzelner Geschäfte die Wirkungen einer Kündigung ohne Frist vorwegnehmen, was zeigt, dass der Sachverhalt im Kleinen – dem einzelnen Geschäft – nicht abweichend vom Großen – der Produktionseinstellung (s. o.) – gewertet werden darf. Beachtliche Gründe für eine Ablehnung des Geschäfts können Überlastung des Betriebs, Materialknappheit, beabsichtigter Produktionswechsel oder Zweifel des Unternehmers hinsichtlich der Person des Kunden sein.917

cc) Inhalt. Die Mitteilung muss dem HV die Auswirkungen auf sein Provisionsrecht erkennen 155 lassen918 und das betroffene Geschäft namentlich bezeichnen. Jedes einzelne vermittelte und nicht ausgeführte Geschäft ist mitzuteilen.919 Soweit eine Begründung erwartet werden kann, ist sie zu liefern, etwa falls die Gründe der Ablehnung provisions- oder schadensersatzrelevant sind. Da der Unternehmer grundsätzlich frei über Annahme oder Nichtannahme eines Geschäfts entscheidet (Rn 85 ff.) und ohne Annahme keine Provision entsteht, fehlt im Regelfall objektiv eine Provisionsrelevanz der Entscheidung. Der HV muss aber kontrollieren können, ob der Unternehmer sein Dispositionsrecht überschreitet und das Geschäft willkürlich (dann mit der Folge eines Schadenersatzanspruchs des HV) ablehnt. Deshalb muss zumindest bei Anhaltspunkten für eine solche Willkür und bei begründeter Nachfrage eine Erklärung gegeben werden.920 Sie kann auch gefordert werden, wenn der HV aus vertriebspolitischen Gründen wissen sollte, warum abgelehnt wurde, z. B. um sich bei zukünftigen Vertriebsaktivitäten auf die Annahmepraxis des Unternehmers einstellen oder Stornierungen anderer Verträge verhindern zu können. Auch die lediglich teilweise Ausführung des Geschäftes ist mitzuteilen.921 Über Geschäfte, 156 die nach Vertragsbeendigung abgeschlossen werden, muss gleichfalls informiert werden. Denn sie können gemäß § 87 Abs. 3 provisionspflichtig sein.922 Erfolgt der Abschluss durch den HV ohne Vollmacht, ist Annahme oder Ablehnung eines 157 Geschäfts, das dieser Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossen hat, ebenfalls mitzuteilen.923 Die Benachrichtigungspflicht entsteht unabhängig davon, durch wen der Unternehmer Kenntnis von dem vermittelten oder vollmachtlos abgeschlossene Geschäft erhalten hat.924 913 MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 25. 914 MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 25. 915 BGH v. 17.10.1960 – VII ZR 216/59, BB 1960, 1222; NJW 1958, 1138 (1139); OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 8.12.2010 – 12 U 1242/10; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 70- 70b. 916 Hopt § 87 Rn 8; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 12; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 16. 917 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 12; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 18. 918 Hopt § 86a Rn 10. 919 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 38. 920 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 38; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 9; Hopt § 86a Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 22. 921 Westphal I Rn 398; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 38; Hopt § 86a Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 22. 922 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 54. 923 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 55. 924 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 39; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 12. 801

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Hier dürfte keine Begründung erforderlich sein. Es genügt, dass der Unternehmer ohne Vertretungsmacht gezeichnete Geschäfte nicht genehmigen will. Das zielt auf § 91a Abs. 1. Der HV soll hier über die Beendigung des Schwebezustandes vergewissert werden, vor allem dann, wenn er dem Unternehmer die Mitteilung nach § 91a Abs. 1 gemacht hatte. Er muss sich im Falle der Ablehnung auf die Inanspruchnahme durch den Kunden nach § 179 BGB einstellen können.925 Regelmäßig stellt die Mitteilung über die Annahme des Geschäfts zugleich dessen Genehmigung gem. § 177 Abs. 1 BGB dar, da die Genehmigung bis zur Aufforderung nach § 177 Abs. 2 BGB auch gegenüber dem HV erklärt werden darf.926 Will der Unternehmer lediglich eine Information im Innenverhältnis gegenüber dem HV geben, muss er dies unmissverständlich deutlich machen. Die Verweigerung der Genehmigung hat dagegen lediglich Wirkung im Innenverhältnis zum HV, da sie gem. § 91a wirksam nur gegenüber dem Dritten ausgesprochen werden kann.927

158 dd) Zeitpunkt der Information. Die Mitteilungspflicht besteht nur dann, wenn der Unternehmer von der Geschäftsvermittlung oder dem ohne Vertretungsmacht erfolgten Abschluss Kenntnis erlangt hat, ungeachtet davon, von wem er diese Kenntnis erhalten hat.928 Vollständige Kenntnis ist nicht erforderlich. Es genügt Kenntnis über die wesentlichen Grundzüge des Geschäfts.929 Die Mitteilung ist dann unverzüglich, d. h. auch hier ohne schuldhaftes Zögern, zu geben. Diese Pflicht zur „unverzüglichen“ Unterrichtung schließt ein, dass dem HV eine Zwischennachricht zu geben ist, falls der Unternehmer sich nicht zu der alsbaldigen Annahme der Offerte des Kunden (§ 147 Abs. 2 BGB) entschließen kann, etwa weil noch Kreditauskünfte über den Kunden einzuholen sind. Denn auch hierüber muss der HV vergewissert werden. Er muss sich gegebenenfalls persönlich einschalten können, um Hemmnisse auszuräumen, Verärgerungen des Kunden im persönlichen Gespräch abzufangen oder um zu sehen, wo er in vergleichbaren, vielleicht schon laufenden Fällen von Geschäftsanbahnungen genauere und den Vorstellungen des Unternehmers entsprechendere Nachforschungen anzusetzen hat.

159 c) Mitteilung der Nichtausführung abgeschlossener Geschäfte (§ 86a Abs. 2 S. 2, 2. Hs). Gemäß § 86a Abs. 2 S. 2 hat der Unternehmer die – auch teilweise930 – Nichtausführung eines von ihm vermittelten und abgeschlossenen Geschäfts mitzuteilen. Zu Zweck, Inhalt und Rechtzeitigkeit der Information gilt im Wesentlichen das Vorgesagte entsprechend.

160 aa) Zweck. Die Mitteilungspflicht über die Nichtausführung eines vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfts ist durch das Durchführungsgesetz zur RL in § 86a aufgenommen worden. Auch hier soll der HV vor sinnloser Tätigkeit geschützt werden sowie möglichst frühzeitig Klarheit gewinnen, ob er aus einem provisionspflichtigen Geschäft mit Provisionen rechnen darf.931 Denn § 87a Abs. 3 S. 2 lässt den Provisionsanspruch (nur) entfallen, wenn die Nichtausführung auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat.

925 926 927 928 929 930 931

MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 20. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 57. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 57. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 12. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 12. Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 16. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 58.

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bb) Inhalt. Die Vorschrift betrifft bereits zustande gekommene Geschäfte, deren vertragsgemäßer 161 Ausführung Hindernisse entgegenstehen, während § 86a Abs. 2 S. 2, 1. Hs lediglich die Annahme oder Ablehnung eines vom HV vermittelten oder ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Geschäfts meint,932 welches noch nicht zustande gekommen ist. Der Begriff der Nichtausführung ist zum Schutze des HV weit zu fassen.933 Hilfsweise wäre das allgemeine Informationsrecht einschlägig. Mitteilungspflichtig sind die vollständige wie die teilweise Nichtausführung,934 wobei jedes einzelne nicht ausgeführte Geschäft namentlich zu bezeichnen ist.935 Auch ist der Grund der Nichtausführung anzugeben,936 weil anderenfalls nicht kontrolliert werden könnte, ob eine vom Unternehmer nicht zu vertretende und zum Entfallen des Provisionsrechts führende Nichtausführung i. S. d. § 87a Abs. 3 S. 2 vorliegt. Zumindest ist dieser dem HV auf Verlangen mitzuteilen, damit der HV prüfen kann, ob ihm wegen willkürlichen, bewusst schädigenden Verhaltens oder im Hinblick auf § 87a Abs. 3 Rechte zustehen können.937 Die Benachrichtigungspflicht entsteht unabhängig davon, durch wen der Unternehmer Kenntnis von der Nichtausführung erhalten hat.938

d) Unterrichtung über Abschlussbeschränkungen (§ 86a Abs. 2 S. 3). Als Ausprägung 162 Treu und Glaubens939 sowie der Informationspflicht hat der Unternehmer gemäß § 86a Abs. 2 S. 3 den HV unverzüglich zu unterrichten, sofern er Geschäfte nur in erheblich geringerem Umfang abschließen kann oder will, als der HV unter gewöhnlichen Umständen erwarten konnte. Die Mitteilungspflicht ist vom Wortlaut her auf den Vermittlungsvertreter zu beschränken.940 Sie ist jedoch objektiv nicht auf ihn begrenzt. Denn auch der Abschlussvertreter kann Weisungen zum Umfang der Geschäfte empfangen und muss wissen, falls der Unternehmer zukünftig beabsichtigt, derartige Weisungen auszusprechen. Die Nachrichtspflicht ist gem. § 86a Abs. 3 zwingend ausgestaltet. Bis zur Novelle 1989 war nur sie zwingend, was darauf hindeutet, dass sie der Gesetzgeber als besonders bedeutend ansah. Aus ihrer seinerzeit allein zwingenden Natur erklärt sich die von früherer Literatur und Rechtsprechung vertretene weite Auslegung des Tatbestandes, die seinerzeit in ungewollten Derogationsfällen gewünscht war, heute jedoch nicht mehr erforderlich ist. Viele ehemals unter S. 3 gefasste Fälle können jetzt dogmatisch treffender der allgemeinen Informationspflicht zugewiesen werden. Der TB ist immer erfüllt, wenn der Unternehmer quantitativ im geringeren Maße liefern will, insbesondere, wenn der Unternehmer einen erheblichen Teil der Geschäfte nicht mehr schließen will oder kann, sei es ein prozentualer Anteil an ihnen oder ein wiederholtes Einzelgeschäft, welches einen bedeutsamen Teil der Gesamtvermittlungsleistung des HV einnimmt.941 Die Erheblichkeit ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, und zwar in Abwägung zwischen den berechtigten Erwartungen des HV einerseits, die er nach gewöhnlichem Verlauf der Dinge haben durfte, und solchen des Unternehmers, wie sie sich aus Marktlage und Marktbeobachtung ergeben.942 Als Richtschnur gilt: Ab ei-

932 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 58. 933 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 16. 934 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 59; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 38; Hopt § 86a Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 22. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 38. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 59; Hopt § 86a Rn 10; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 16. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 38. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 39; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 15. Begr. RegE BT-Drucks. I/3856, S. 20. MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 26. AA Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 41; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 26; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 16: Die Vorschrift greift nicht ein, wenn es nur hinsichtlich einzelner vermittelter Geschäfte zu einer Nichtannahme kommen soll, selbst wenn es sich um Einzelgeschäfte mit größerem Umsatz oder wichtigen Kunden handelt. 942 Hopt § 86a Rn 11.

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nem zu erwartenden Umsatzrückgang von 20 %943 bis 25 %944 des bisherigen Umsatzes dürfte die Erheblichkeit gegeben sein. Auf die Höhe der aus dem Geschäftsrückgang resultierenden Provisionsverluste des HV stellt Abs. 2 S. 3, wie das Wort „Geschäfte“ dokumentiert, nicht ab,945 und zwar schon deshalb nicht, weil die sich aus dem Vertragsverhältnis zwischen HV und Unternehmer ergebenden Provisionsverluste nicht zu den vom Unternehmer zu berichtenden Marktgegebenheiten zählen. Die Provisionsverluste werden jedoch meist dem Umsatzverlust entsprechen. Nicht die mglw. unberechtigte, subjektive Erwartung des HV ist maßgeblich,946 sondern das, was der HV aus seiner Sicht zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Information unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände objektiv antizipieren durfte.947 Die Gründe für den Umsatzrückgang sind unerheblich, sie können sogar auf Fehldispositionen, die Geschäftspolitik des Unternehmers oder auf objektive Umstände, z. B. Rohstoffknappheit,948 beruhen.949

163 aa) Zweck. Der HV soll nicht nutzlos tätig werden und die notwendigen Konsequenzen, nämlich ggf. reduzierten Arbeitseinsatz, aus der Information ziehen können.950 Die Treuepflichten fordern vom Unternehmer, den HV zu warnen, damit er seine Vermittlungs- und Abschlussbemühungen an die verringerten Kapazitäten des Unternehmers anpassen,951 unnötige Arbeit vermeiden und über weitere Dispositionen entscheiden kann, etwa eine Anpassung des HV-Vertrages an die veränderten Umstände, äußerstenfalls eine Kündigung.952

164 bb) Inhalt. Nach h. M. soll der Unternehmer auch darüber informieren müssen, dass er beabsichtigt, künftig in qualitativ herabgesetztem Grade zu liefern.953 Diese weite Auslegung wird heute nicht mehr durch die Abdingbarkeit des allgemeinen Informationsrechts herausgefordert (Rn 162), weil es anders als früher ebenfalls zwingend ist. Richtigerweise stellt S. 3 auf die Quantität, nicht die Qualität ab.954 Es lässt sich von Wortlaut und Systematik heute gut vertreten, die Information über die Qualitätsveränderung dem allgemeinen Informationsrecht des HV zuzuweisen.955 Nach der h. M. gilt: Wenn der Unternehmer den HV darüber zu unterrichten hat, dass er künftig nur in quantitativ verringertem Umfange liefern kann oder will, so gilt das erst recht dann, sofern er überhaupt nicht mehr liefern kann oder will, etwa weil er die Produktion des betreffenden Artikels einstellen956 oder sie künftig nur noch in Lohnfabrikation für andere Unternehmer herstellen,957 seinen Herstellungsbetrieb einer Konzernleitung unterstellen,958 überhaupt sein Vertriebssystem umstellen, also zwar weiter liefern will, aber eben nicht mehr Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 42. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 29. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 42. MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 28; unklar Begr. zum RegE BT-Drucks. 11/3077, S. 7. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 42; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 12; MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 28. 948 LAG Stuttgart NJW 1951, 374. 949 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 42; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 14; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 29; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 15. 950 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 61; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 86a Rn 18. 951 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 61. 952 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 43; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 26; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 11. 953 BGHZ 26, 161 (167) = NJW 1958, 219; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 61; Westphal I Rn 402. 954 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 41. 955 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 41. 956 BGH NJW 1959, 1964. 957 BGH DB 1972, 524. 958 OLG Braunschweig NJW 1976, 2022.

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über den Einsatz von HV.959 Obgleich § 86a Abs. 2 S. 3 dem Wortlaut nach nur die Mitteilung der Entscheidung verlangt, darf der HV zumindest aus dem allgemeinen Informationsrecht bei Informationsinteresse eine Nachricht über die Gründe der Beschränkung fordern, schon um beurteilen zu können, ob es sich um eine nachhaltige Behinderung handelt.960 Der Unternehmer braucht sich aber nicht zu rechtfertigen.961 Er darf nicht geltend machen, der HV habe aus einer Kette erfolgter Ablehnungen ihm vermittelter Geschäfte erahnen müssen, dass der Unternehmer nur noch in erheblich geringerem Umfange abschließen wolle oder könne. Denn die Mitteilungspflicht soll den HV gerade vor unnötiger Belastung durch Vermittlungstätigkeit bewahren. Der Unternehmer muss also unzweideutig informieren, und dies rechtzeitig.962

cc) Fälligkeit. Die Nachrichtspflicht ist unverzüglich – ohne schuldhaftes Zögern – fällig, so- 165 bald der Unternehmer die Umstände kennt, aus denen sich ergibt, dass es zu erheblich geringeren Geschäftsabschlüssen kommen wird963 und nicht erst nach dem tatsächlichen Eintritt der Verringerung.964 Kennt der HV die Umstände bereits, ist eine Information überflüssig.965 Eine Bestätigung kann aber nach den Umständen erforderlich sein.966 Kennenmüssen lässt die Informationspflicht nicht entfallen;967 ein Schadenersatzanspruch kann aber gem. § 254 BGB gemindert sein.968 In allen Zweifelsfällen muss der Unternehmer den HV benachrichtigen,969 allerdings unter Berücksichtigung eventueller berechtigter Geheimhaltungsinteressen,970 ebenso bei Existenz glaubhafter Indizien zu informationsbedürftigen Umständen.

e) Form. Welche Form der Information erforderlich ist, hängt von der Länge der Nachricht, der 166 Effizienz, den Möglichkeiten, den HV zu erreichen sowie der Eilbedürftigkeit ab. Bei besonderer Eilbedürftigkeit ohne das Bedürfnis der Perpetuierung ist ein Anruf genügend. Wenn eine eingehende Analyse und Perpetuierung erforderlich ist, wird Textform971 gefordert sein. Grundregeln gibt es hier nicht. f) Erfüllungsort und Kosten. Alle geschuldeten Informationen hat der Unternehmer dem HV 167 auch ohne dahingehende Vereinbarung in einer objektiv geeigneten Form und Weise dorthin zu übermitteln, wo der HV seinen vertragsgemäßen Tätigkeitsort hat, im Zweifel an den Geschäftssitz des HV.972 Die Kosten der Informationserteilung hat der Unternehmer zu tragen.973

959 960 961 962 963 964 965 966 967 968 969 970 971 972

BGHZ 49, 39. AA Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 41. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 41. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 18. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 42. MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 30. Begr. RegE BT-Drucks. I/3856, S. 20; Hopt § 86a Rn 12. Hopt § 86a Rn 12. Hopt § 86a Rn 12. Hopt § 86a Rn 12. MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 31. BGH NJW 1974, 795; Hopt § 86a Rn 12. AA Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 51: Schriftform. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 51; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 1; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 18. 973 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 51. 805

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168 g) Vertragliche Erweiterung der Informationspflichten. Der Unternehmer darf sich verpflichten, Informationen zu erteilen, die über das „Erforderliche“ hinausgehen. Abs. 3 steht nicht entgegen.

169 h) Rechtsfolgen der Verletzung der Informationspflichten des § 86a Abs. 2. Die fehlende Information nach § 86a Abs. 2 bildet eine Vertragsverletzung. Sie führt zum Schadenersatz nach § 280 BGB.974 Die Beweislast für Pflichtverletzung, Kausalität und Schaden liegt beim HV.975 Teilt der Unternehmer dem HV entgegen § 86a Abs. 2 S. 2 die Annahme eines Geschäftes nicht mit und lehnt der Dritte deshalb den Abschluss des Geschäftes wegen nicht rechtzeitiger Annahme ab, valutiert der Schaden in Höhe der entgangenen Provision.976 Entgeht kein Geschäft, kann ein Schadenersatz in Höhe vergeblicher Aufwendungen entstehen.977 Zu unterscheiden ist immer, ob der Schadenersatzanspruch aufgrund unterlassener Mittei170 lung oder aufgrund des mitteilungspflichtigen Umstandes entstanden ist. Lehnt der Unternehmer beispielsweise den Abschluss eines Geschäftes ab, so gelten die oben zur Treupflicht und Dispositionsfreiheit des Unternehmers genannten Maßstäbe. Grundsätzlich entscheidet der Unternehmer über Ablehnung und Nichtablehnung. Die Ablehnung des Geschäfts führt aber zu einem Schadenersatzanspruch, falls sie ohne sachgerechten Grund erfolgte. Schadensersatzbegründend ist die Ablehnung selbst und nicht eine unterlassene Information. Der HV hat Anspruch auf Ersatz seiner nutzlosen Aufwendungen für eine erfolglose Tätigkeit, vor welcher die Information ihn bewahren sollte,978 etwa wenn er infolge mangelnder Information über die Abschlussbeschränkungen sinnlose Aufwendungen tätigt.979 Der Anspruch kann wie bei § 670 BGB die Entschädigung für erfolglos aufgewendete Arbeitskraft umfassen.980 Voraussetzung ist, dass Benachrichtigungen unterblieben oder fehlerhaft erteilt wurden und hieran ein unter der unrichtigen Informationslage vermitteltes Geschäft im Stadium des Abschlusses oder des Vollzuges an gerade diesem Umstand gescheitert ist. Die Begrenzung auf den Vertrauensschaden rechtfertigt sich aus der Tatsache, dass bei erschöpfender oder zutreffender Unterrichtung eine Vermittlung des Geschäfts nicht aussichtsreich gewesen wäre. Kann der HV dartun, dass das Geschäft alsdann zu anderen Bedingungen abgeschlossen worden wäre (wozu der enttäuschte Kunde nunmehr nicht länger bereit ist), so steht ihm als Schadensersatz die entgangene Provision zu. Der HV kann zudem bei wiederholter und erheblicher Verletzung der Informationspflicht außerordentlich kündigen, wobei eine vorherige Abmahnung erforderlich ist (§ 314 Abs. 2 BGB). Die Informationsansprüche sind einklagbar,981 rglm. jedoch wegen Verbots der Vorweg171 nahme der Hauptsache nicht mittels einstweiliger Verfügung sicherbar982 (Gegenbeispiel etwa: Existenzgefährdung und evident unberechtigte Informationsverweigerung). Der HV besitzt also ein Wahlrecht zwischen Schadenersatz- und Informationsklage.983

Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 65. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 65. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 67. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 67. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 57; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 37. BGH BB 1959, 864: bevorstehende Betriebs- oder Produktionseinstellung; BGH NJW 1974, 795: Absicht einer Vertriebsumstellung, die die HV umgeht; BGHZ 49, 44; 58, 145: beabsichtigte Überlassung des Gebiets an Wettbewerber; BGH WM 1987, 595: sonstige, den HV beeinträchtigende Betriebsumstellung; BGHZ 26, 167: bevorstehende Verschlechterung der Ware; Hopt § 86a Rn 11. 980 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 57. 981 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 69. 982 Emde ZIP 2001, 820. 983 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 69.

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J. Informationserteilung an Dritte, AVAD Grundsätzlich muss der Unternehmer über die Verhältnisse seines HV schweigen. Nur dem berech- 172 tigten Auskunftsverlangen Dritter über den HV darf er wahrheitsgemäß nachkommen.984 Das gilt etwa für Mitteilungen an die Außenstelle für den Versicherungsaußendienst e.V. in Hamburg (AVAD, www.avad.de).985 Sie ist eine Selbsthilfeeinrichtung der Versicherungs- und Sparkassenwirtschaft.986 Ziel ist es, nur vertrauenswürdige Personen im Versicherungsaußendienst (insb. eigene Vertriebsmitarbeiter, aber auch selbstständige HV oder Makler) zu beschäftigen. So werden etwa eigene HV, die aus schwerwiegenden Gründen, etwa wegen Veruntreuungs- oder Korruptionsdelikten entlassen wurden, der AVAD gemeldet. Die AVAD vermittelt nur Auskünfte an Unternehmen, die beispielsweise dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) oder seinen Fachverbänden angehören und auch selbst am AVAD-Verfahren teilnehmen. Der Präsident des BaFin hatte gem. § 81 Abs. 2 S. 1 VAG a. F. angeordnet,987 dass Versicherer vor Vertragsschluss mit einem VV Informationen über dessen Zuverlässigkeit „z. B. durch Anfrage bei der AVAD“ einzuholen haben. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund der Zuverlässigkeitsvorschriften in der GewO (s. Kommentierung zu § 92) gestrichen worden. Im Kern hält das BaFin an seiner Ansicht gem. Rundschreiben 9/2007 sowie 11/2018 auch weiterhin fest.988 Darin liegt eine mittelbare Anerkennung dieser Institution. Die Übermittlung der Informationen an die AVAD ist gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zulässig. Die Verfahrensregelungen der AVAD erlauben keine Überprüfung einer Anzeige auf ihre inhaltliche Richtigkeit.989 Gegen die Mitteilung eines Versicherers kann mittels einstweiliger Verfügung vorgegangen werden.990 Passiv legitimiert ist zumindest auch der Versicherer,991 jedenfalls soweit er unrichtige Angaben gemacht hat992 (sonst mglw. die AVAD993). Die Mitteilung des Versicherers soll aber keine geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellen.994 Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Interesse eines Versicherers anerkennenswert ist, andere Unternehmen der Branche möglichst frühzeitig vor finanziellen- und Imageverlusten zu wahren, die durch eine Zusammenarbeit mit rechtswidrig agierenden Versicherungsmittlern entstehen können. Dieses Interesse entwertet auch kartellrechtliche Bedenken gegen die Informationsbündelung. Bei einer AVAD-Meldung soll angeblich Zurückhaltung angezeigt sein, insb. beim bloßen Verdacht einer strafbaren Handlung.995 Ein Versicherer muss jedoch grds. schon den Verdacht auf Urkundenfälschung eines für ihn tätigen Mittlers an den AVAD zur Verbreitung in der Branche melden dürfen. Ein solcher Verdacht darf aber erst ausgesprochen werden, wenn ein Mindestbestand von Beweisen für die Begründetheit des Verdachts recherchiert wurde.996 Die AVAD muss bei hinreichendem Verdacht den Steuerbehörden Sammelauskünfte erteilen.997 984 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 48. 985 Typischer Fall: HV begründet das Interesse an der Feststellung des Fehlens eines wichtigen Grundes zur Kündigung mit dem AVAD-Eintrag: LG Frankfurt/M., Urt. v. 25.5.2018 – 2-05 O 222/16, ZVertriebsR 2018, 252 Rn 42. 986 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 8.11.2012 – 3 HKO 3256/12, VersR 2013, 716 (717). 987 R 1/90 v. 27.2.1990 – Z 3 – V – 50/90. 988 Geschäftszeichen: VA 37 – O 1000 – 2007/287, etwa B I 1: „Weiterhin hält die BaFin die Einholung von AVADAuskünften über den jeweiligen Vermittler für erforderlich. Auf die hohe Bedeutung dieser Auskünfte hat die Aufsichtsbehörde in der Vergangenheit mehrfach hingewiesen. Diese Bedeutung ist durch das neue Vermittlergesetz nicht geschmälert worden. Die BaFin hält es daher auch weiterhin für erforderlich, bei Beginn der Zusammenarbeit eine AVAD-Auskunft über den Vermittler einzuholen“. 989 OLG Hamburg, Urt. v. 6.5.2009 – 5 U 155/08, OLGR 2009, 908 = VersR 2010, 1375. 990 OLG Hamburg, Urt. v. 6.5.2009 – 5 U 155/08, OLGR 2009, 908 = VersR 2010, 1375. 991 OLG Hamburg, Urt. v. 6.5.2009 – 5 U 155/08, OLGR 2009, 908 = VersR 2010, 1375. 992 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 8.11.2012 – 3 HKO 3256/12, VersR 2013, 716 (717). 993 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 8.11.2012 – 3 HKO 3256/12, VersR 2013, 716 (717). 994 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 8.11.2012 – 3 HKO 3256/12, VersR 2013, 716. 995 Höld NJW 2016, 2774 (2779). 996 OLG Hamburg, Urt. v. 6.5.2009 – 5 U 155/08, OLGR 2009, 908 (910) = VersR 2010, 1375. 997 FG Sachsen, Urt. v. 27.5.2010 – 2 K 2181/09; hierzu Evers VW 2011, 136. 807

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K. Vertragliche Erweiterung der Nebenpflichten des Unternehmers 173 Nebenpflichten dürfen weitgehend frei vereinbart werden. So kann sich der Unternehmer verpflichten, vom Gesetz nicht vorgesehene Nebenpflichten zu erfüllen, die je nach Auslegung der getroffenen Vereinbarung den Status einer Hauptpflicht erreichen können. Für solche Beispiele wird auf die Kommentierung oben, Rn 10, verwiesen.

L. Erfüllungsort der Unternehmerpflichten 174 Nach der hier vertretenen Auffassung ist der Erfüllungsort der Unternehmerpflichten grundsätzlich der Sitz des HV (Einheitserfüllungsort, s. Vor § 84 Rn 722 ff.). Dies widerspricht der herrschenden Ansicht,998 dergemäß für die Bestimmung des Erfüllungsortes der Unternehmerpflichten § 269 Abs. 2 BGB maßgeblich ist und der Unternehmer jene am Ort seiner gewerblichen Niederlassung zu erbringen hat. Eine vertragliche Vereinbarung ist innerhalb der Vor § 84 Rn 697 ff. dargestellten Grenzen möglich.999

M. Durchgriffserwägungen zu Lasten des Unternehmers 175 Wie dargestellt ist der Unternehmer verpflichtet, den HV aktiv vor fremden Wettbewerb, erst recht vor dem durch Konzernunternehmen oder nahestehenden Dritte, zu schützen.1000 Dies ist nicht direkt eine Frage des Durchgriffs sondern ergibt sich als Schutzpflicht aus dem HVVertrag selbst, insbesondere als Nebenpflicht einer Ausschließlichkeitsbindung. Aus ihr folgt bei allen Vertriebsverträgen eine umfassende Schutzpflicht des Herstellers vor eigenem Wettbewerb, aber auch vor solchem Dritter,1001 insb. nahestehender Dritter, z. B. verbundener Unternehmen, Gesellschafter oder Angehöriger (Abschirmpflicht). Die Intensität dieser dem Unternehmer obliegenden Schutzpflicht ist gestaffelt nach dem Grad der Verletzungshandlung und verbietet geordnet nach der Schwere des Verstoßes: 1. eigenen Wettbewerb 2. Veranlassung fremden Wettbewerbs, auch solchen verbundener Unternehmen 3. Umgehung der Exklusivität durch Vorschieben Dritter 4. Unterstützung fremden Wettbewerbs und 5. unterlassene Abschirmung fremden Wettbewerbs (s. o.). Der Unternehmer ist also materiellrechtlich – ebenso wie der HV in spiegelbildlicher Konstellation – verpflichtet, jede Handlung zu unterlassen, die den HV schädigen könnte und verpflichtet, Schaden vom HV abzuwenden. Positiv gewendet schuldet er jedes zulässige Einwirken auf Dritte, Umgehungen der Unternehmerpflichten zu unterlassen.1002 Die Verletzung bereits einer dieser Pflichten ist eine Schlechterfüllung des Vertriebsvertrages. Sie führt zur Schadensersatzpflicht und damit korrespondierend zur Auskunftspflicht; zudem (nach Abmahnung) zu einem Kündigungsrecht aus wichtigem Grund analog § 89a.1003 Zu unterscheiden ist damit der „unechte Durchgriff“ vom „echten Durchgriff“. Unechte 176 Durchgriffsprobleme sind solche, bei denen sich der Anspruch des HV gegen den Unternehmer 998 Westphal I Rn 372. 999 Westphal I Rn 372. 1000 Zum spiegelbildlichen Fall der Umgehung vertraglicher Pflichten durch den HV Emde GmbHR 1999, 1005 (1013).

1001 Der BGH hat im Urt. v. 11.4.2003 – V ZR 323/02, NJW 2003, 3622 zu einem Wegerecht ausgesprochen, die Verpflichtung zur Unterlassung beinhalte die Pflicht, Verstöße durch Dritte zu verhindern.

1002 OLG Köln, Beschl. v. 23.1.2015 – 6 W 154/14, BeckRS 2015, 05657 – wettbewerbsrechtliche Entscheidung: Der Schuldner eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsgebots muss nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verletzungen zu verhindern. Dazu gehört auch die Einwirkung auf Dritte, soweit deren Handeln in seinem Einflussbereich liegt und ihm wirtschaftlich zugute kommt. 1003 Emde EWiR 2002, 1037. Emde

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aufgrund einer Verletzung dieser eben genannten Abschirmpflicht richtet, der Unternehmer jedoch seinen Einfluss auf verbundene Unternehmen ausüben muss, die den HV schädigende Handlung zu unterlassen. Das Mittel, mit dem der Unternehmer dieser Abschirmpflicht genügen kann ist sein Weisungsrecht an eine Tochtergesellschaft oder „upstream“ zu einer Muttergesellschaft, die zwischen verbundenen Unternehmen bestehende gesellschaftsrechtliche Treupflicht (die dann ggf. „downstream“ die Rechte wieder zu ihren Töchtern – Schwestergesellschaften des Unternehmers – mittels Weisungsrechts durchsetzen müssten), zudem die Treupflicht innerhalb eines Vertriebssystems (s. Kommentierung zu § 86).1004 Der Unternehmer kann auch verpflichtet sein, ihm zustehende Schadensersatzansprüche an die HV abzutreten, die dann gegenüber der Muttergesellschaft im Wege einer „Anspruchskette“ geltend machen könnten. Jedenfalls darf der Unternehmer, nicht anders als der HV (§ 86 Rn 135 ff.), die ihm obliegen- 177 den Vertragspflichten nicht durch Dritte, insb. nicht durch von ihm beherrschte Gesellschaften, abhängige Unternehmen, Strohleute oder Angehörige umgehen.1005 Gründet oder unterhält der Unternehmer eine abhängige Gesellschaft, etwa eine Tochtergesellschaft oder eine Schwestergesellschaft, die Vertragspflichten verletzt, welche dem Unternehmer gegenüber dem HV oblegen hätten, so spricht ein Indiz für eine Umgehung der Vertragspflichten – meist Unterlassungspflichten. Dieses Indiz hätte schon wegen der Sachnähe der Unternehmer bzw. die betroffene Gesellschaft zu widerlegen. Eine Zurechnung ist nicht auf Gesellschaften begrenzt. Jede im Lager des Unternehmers, also ihm nahe stehende natürliche und juristische Person, kann Adressat solcher Pflichten sein. So werden Personenidentität der Gesellschafter oder der Geschäftsleitung1006 und Beherrschung1007 als maßgebliche Umstände angesehen, die im Falle einer Verletzung von Vertragspflichten durch scheinbar selbständige Dritte zur Zurechnung beim Unternehmer führen. 178 Beispiele: – Die Einstellung des Betriebs bei gleichzeitiger Verlagerung auf ein vom Unternehmer neu gegründetes Unternehmen.1008 – Der BGH sah eine Umgehung des Vertriebsrechts eines HV darin, dass der Unternehmer die Vertragsware lediglich mit anderem Gehäuse und anderer Beschriftung vertrieb.1009 Der Vertrieb einer Zweitmarke durch den Unternehmer nach Abschluss eines Masterfranchisevertrages dürfte, abhängig von den Vereinbarungen der Parteien, regelm. ein unzulässiges Umgehungsgeschäft darstellen.1010 – In dem bereits im ersten Spiegelstrich genannten Fall überging der BGH1011 die Selbständigkeit der geschäftsausführenden KG, weil er eine „wirtschaftliche Identität“ mit dem einzelkaufmännischen Unternehmer annahm. Zwar sei die KG von dem Unternehmer rechtlich selbstständig. Der Einzelkaufmann habe aber auf die KG persönlich und wirtschaftlich einen entscheidenden Einfluss ausgeübt, da zu den Gesellschaftern und Geschäftsführern der Komplementär-GmbH der KG außer dem Einzelkaufmann auch dessen Ehefrau und Kinder gehörten. Es wurde in dieser Entscheidung maßgeblich auf die wirtschaftliche Identität und gleiche Interessenlage abgestellt, jedoch auch auf die Beherrschung der Gesellschaft.

1004 Eine solche Weitergabepflicht hat der BGH in seinem Urt. v. 19.1.2011 – VIII ZR 149/90, BeckRS 2011, 03878 Rn 33 für den Fall des Wettbewerbsverstoßes eines Vertragshändlers angenommen. Vgl. BGH, Urt. v. 30.1.1981 – I ZR 17/79, NJW 1981, 1785; Emde VersR 2012, 536 (548); Hopt § 86a Rn 16. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 109. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 109. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 18; anschaulicher Fall BGH, Urt. v. 30.1.1981 – I ZR 17/79, NJW 1981, 1785 (1786). 1009 BGH, Urt. v. 21.6.1972 – VIII ZR 96/71, BB 1972, 1204: Der Kunde ist geneigt, unter der veränderten Aufmachung und Bezeichnung eine technische Verbesserung zu vermuten; Karsten Schmidt Handelsrecht, § 28 II 2c. 1010 Mesch BB 2015, 1926 (1929). 1011 BGH, Urt. v. 30.1.1981 – I ZR 17/79, NJW 1981, 1785 (1786); zust. Ensthaler/Genzow § 87 Rn 13.

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BGH, Urt. v. 4.12.1986 – I ZR 101/85, NJW-RR 1987, 547 kam zum selben Ergebnis, da der persönlich haftende Gesellschafter des Unternehmens, mit dem der HV-Vertrag bestand, gleichzeitig Gesellschafter und Geschäftsführer der geschäftsausführenden GmbH war. In dieser Entscheidung hat der BGH entscheidend auf die wirtschaftliche Einheit und weniger auf die einheitliche Leitung der Gesellschaften abgestellt, die gleichwohl gegeben war. Das OLG Köln1012 entschied in einem Fall, in welchem der Unternehmer über eine selbständige Tochtergesellschaft das vom Alleinvertreter beworbene Sortiment vertrieb, es sei objektiv missbräuchlich, falls sich der Unternehmer zur Rechtfertigung einer Vertragsverletzung bei Personenidentität der Geschäftsführung auf die rechtliche Selbständigkeit einer Tochterfirma berufe. Das OLG verurteilte den Unternehmer zur Provisionszahlung. Ähnlich entschied das OLG Düsseldorf1013: Übernimmt eine GmbH die Geschäfte ihrer Tochtergesellschaft, einer KG, und beliefert sie Kunden mit Produkten, für welche die Tochtergesellschaft einem HV Provision zu zahlen hätte, so ist es objektiv missbräuchlich, wenn sich die GmbH auf die rechtliche Selbständigkeit der Unternehmen beruft. In die gleiche Richtung ging eine Entscheidung des OLG München.1014 Das OLG München entschied, der Unternehmer dürfe sich nicht auf die rechtliche Selbständigkeit der den Kundenvertrag schließenden Gesellschaft berufen. Es sei mit Treu und Glauben unvereinbar, dass seitens des Unternehmers Geschäfte mit Produkten, für die dem HV ein Alleinvertriebsrecht eingeräumt war, auf eine nahestehende Gesellschaft verlagert und damit Bezirksprovisionen des Klägers vereitelt würden. Begründet wurde dieses Ergebnis etwa mit personellen Überschneidungen, der räumlichen Nähe beider Gesellschaften und dem gemeinsamen Telefonanschluss. Das OLG Stuttgart1015 entschied: Kann eine als Unternehmer tätige Muttergesellschaft auf das Vertriebssystem ihrer Töchter, die als Haupt- oder A-Händler tätig sind, gestaltend Einfluss nehmen und bindend veranlassen, dass etwa eine Tochtergesellschaft das Vertragsverhältnis mit einem B-Händler löst, haftet auch die Muttergesellschaft nach Vertragsgrundsätzen. Von der Muttergesellschaft vorgenommene Maßnahmen können eine zum Schadensersatz verpflichtende Treupflichtverletzung darstellen. In dieser Entscheidung wurde also nicht nur ein Anspruch gegen den Vertragspartner, die Tochtergesellschaft, befürwortet. Vielmehr billigte das OLG einen Direktanspruch gegen die nicht vertragsführende Muttergesellschaft. Der Anspruch wurde also „nach oben“, zur Muttergesellschaft, gezogen. Die Wettbewerbshandlung eines i. S. d. §§ 15 ff. AktG verbundenen Unternehmens kann nach Ansicht des OLG Düsseldorf1016 dem FG zugerechnet werden. Das gelte insb, wenn zwischen dem FG und der Wettbewerb ausübenden Gesellschaft ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestehe. Verstärkend wirkte, dass der FG im Bereich des seinem FN zur Verfügung gestellten Warenwirtschaftssystems Änderungen durchführte und damit an dem Markteintritt des Onlineshops mitwirkte. Für einen Masterfranchisevertrag sieht die Mesch1017 ebenso. Zur wirtschaftlichen Kongruenz entschied der BGH1018 für einen Maklervertrag, es reiche aus, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise in persönlicher und inhaltlicher Hinsicht Kongruenz bestehe. Die wirtschaftliche Identität könne etwa bestehen, wenn zwischen dem Maklerkunden und Dritten besonders enge persönliche oder ausgeprägte wirtschaftliche

1012 OLG Köln, Urt. v. 8.1.1979 – 12 U 115/78, HVR Nr. 526; ebenso das LG Bonn als Vorinstanz; Wiedergabe des Sachverhaltes bei Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 110.

1013 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.2.2000 – 16 U 32/99, OLGR Düsseldorf 2000, 425 = GmbHR 2000, 1205. 1014 OLG München, Urt. v. 7.7.1993 – 7 U 2717/93, HVR Nr. 1103. 1015 OLG Stuttgart, Urt. v. 15.9.1989 – 2 U 63/88, NJW-RR 1990, 491 (492). Vom BGH ist die Revision mangels Erfolgsaussichten nicht angenommen worden.

1016 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2014 – VI-U (Kart) 4/14, ZVertriebsR 2016, 44 – Franchisevertrag. 1017 BB 2015, 1926 (1929) unter Hinweis auf OLG Nürnberg, Urt. v. 26.9.1984, HVR Nr. 593 ebenso. 1018 BGH, Urt. v. 3.7.2014 – III ZR 530/13, WM 2014, 1920 Rn 19. Emde

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Beziehungen existierten. Maßgeblich sei, ob der Maklerkunde im Hinblick auf seine Beziehung zu dem Erwerber gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn er sich darauf beriefe, der ursprünglich von ihm erstrebte Vertrag sei nicht von ihm, sondern von dem Dritten abgeschlossen worden. In diesen Fällen darf der HV nach seiner Wahl (Gesamtschuldnerschaft) die Erfüllung der 179 Vertragspflichten, etwa Zahlung der Provision, von beiden Unternehmen, Vertragspartner wie verbundener Person, verlangen. Der HV darf also die Unternehmerpflichten zum handelnden Dritten ziehen1019 oder das Handeln des Dritten dem Unternehmer zurechnen. Die geschäftsausführende Person kann sich nicht darauf berufen, mit ihr sei kein HV-Vertrag geschlossen worden. Der Unternehmer darf sich nicht darauf zurückziehen, er habe kein Geschäft ausgeführt. Dieses Ergebnis ist die konsequente Folge der Missachtung der rechtlichen Selbständigkeit des Vertragsverletzers. Keinen Durchgriffsfall bilden Konstellationen, in denen der Unternehmer einem Dritten ein 180 uneingeschränktes Vertriebsrecht einräumt, welches zur Belieferung des dem HV zugewiesenen Gebiets oder Bezirks berechtigt und dessen Gewinnchancen aushöhlt. Dieses Verhalten kann aber ebenfalls eine Treupflichtverletzung des Unternehmers darstellen.

N. Pflichten des Unternehmers im Verhältnis zu Dritten Von den vertraglichen Pflichten im Verhältnis zwischen Unternehmer und HV sind Pflichten zu 181 unterscheiden, die den Unternehmer ggf. aus dem Rechtsverhältnis zu Dritten, etwa zu seinen Kunden, treffen können. Diese Pflichten unterliegen einem selbständigen Regelungsregime, das meist wenig mit Vertriebsrecht zu tun hat. Häufig handelt es sich um Abwicklungs- oder Gewährleistungsfragen der vermittelten Geschäfte. Zu den mit dem HV-Recht verwandten Fragen solcher Rechtsbeziehungen zählen etwa: – Datenschutz: Die Übermittlung kundenbezogener Daten von Banken an ihre HV bedarf als Auftragsdatenverwaltung i. S. d. § 11 BDSG keiner weiteren Einwilligung der Kunden.1020 – Beratungspflicht: Der Unternehmer kann aufgrund einer (konkludenten) Absprache mit dem Kunden dessen Beratung übernommen haben. Eine Verletzung der Beratungspflicht stellt eine Pflichtverletzung dar.

O. Abs. 3: Zwingende Natur Seit der Novelle 1989 sind die Pflichten des § 86a Abs. 1 und 2 zwingend ausgestaltet. Zuvor traf 182 das nur auf Abs. 2 S. 3 zu. Wie in § 86 werden von der zwingenden Natur allein die in beiden Absätzen ausdrücklich normierten Pflichten erfasst. Andere als die in Abs. 1 und 2 explizit genannten Nebenpflichten des Unternehmers dürfen also innerhalb der Grenzen der §§ 134, 138, 242, 307 BGB erweitert oder eingeschränkt werden. Möglicherweise prägen jedoch in den Abs. 1 und 2 nicht erwähnte Nebenpflichten das Leitbild des Vertrages, so dass die Erweiterung oder Beschränkung nach § 307 BGB unzulässig wäre;1021 dies ist im Einzelfall zu untersuchen (zur AGB-Prüfung Vor § 84). Abs. 3 verwehrt es den Parteien auch nicht, die für unabdingbar erklärten Pflichten des Unternehmers durch Vereinbarung näher auszugestalten, zu konkretisieren oder zu präzisieren,1022 solange sie in ihrem Kern bestehen bleiben und insoweit nicht einge1019 S. OLG Stuttgart, Urt. v. 15.9.1989 – 2 U 63/88, NJW-RR 1990, 491 (492). Vom BGH ist die Revision mangels Erfolgsaussichten nicht angenommen worden.

1020 Evers/Kiene NJW 2003, 2726 (2728). 1021 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 56. 1022 Roth BB 2010, 2000 (2003) – zur Überlassungspflicht; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 56; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 42. 811

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schränkt werden. Einer vertraglichen Ausweitung der Pflichten des Abs. 1 und 2 steht Abs. 3 als Schutzvorschrift zugunsten des HV ebenso wenig entgegen1023 wie einem nachträglichen, auf die Vergangenheit beschränkten Verzicht des HV auf seine Rechte aus § 86a.1024

P. Rechtsfolgen der Verletzung der Unternehmerpflichten 183 Im Falle der Verletzung der Unternehmerpflichten stehen dem HV folgende Rechte zu: – Annahmeverzug: Verhindert der Unternehmer das Entstehen der Provision, darf der HV gemäß § 615 BGB die vereinbarte Vergütung fordern1025 (siehe zu § 615 BGB Vor § 84). § 615 BGB ist trotz der Entschließungsfreiheit des Unternehmers grundsätzlich anwendbar.1026 Der Anspruch aus § 615 BGB tritt in Konkurrenz1027 zum Provisionsanspruch aus §§ 87 ff. HGB, 162 BGB sowie zum regelmäßig gegebenen Schadenersatzanspruch wegen Schlechterfüllung (§ 280 BGB). – Arglistige Täuschung: Der HV darf den HV-Vertrag nach § 123 BGB anfechten, falls er von dem Unternehmer arglistig getäuscht wurde.1028 – Außerordentliche Kündigung nach § 89a: Bei Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung darf der HV außerordentlich kündigen,1029 etwa: – nach einem Verstoß gegen die Überlassungspflicht von Unterlagen.1030 Einzelhalten zur Kasuistik s. bei § 89a. Dieses Recht kann jedoch – wenn durch den Vertragsverstoß das erforderliche Vertrauen nicht vollkommen entfallen ist – nur nach ergebnisloser Abmahnung geltend gemacht werden (§ 134 BGB).1031 Es sind jeweils die Umstände des Einzelfalles maßgeblich.1032 So wird etwa die Weigerung des Unternehmers, dem HV die zur Ausübung seiner Tätigkeit dringend benötigten Musterkollektionen, Preislisten etc. zur Verfügung zu stellen, eher einen wichtigen Kündigungsgrund bilden, als wenn es sich z. B. um weniger bedeutsames Werbematerial handelt.1033 U. U. wird eine wiederholte Verletzung eher unbedeutender Nebenpflichten erforderlich sein, ehe gekündigt werden darf. Eine außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung ist nur wirksam, falls durch die Nicht- oder Schlechterfüllung das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien vollkommen zerstört wird und auch durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden könnte (s. Kommentierung zu § 89a). Davon wird nur im Ausnahmefall auszugehen sein. Durch die Kündigung nach § 89a gewinnt der HV auch den gegenüber § 280 BGB spezielleren Anspruch auf Ersatz des durch die vorzeitige Auflösung des HV-Verhältnisses entstandenen Schadens (§ 89 a Abs. 1, 2). – Ausgleichserhaltende Kündigung gemäß § 89b Abs. 3 Nr. 1: Selbst wenn der HV die ordentliche der außerordentlichen Kündigung vorzieht, etwa weil er nicht das Risiko eingehen will, in einem Prozess den Kündigungsgrund als nicht gewichtig genug für eine fristlose Kündigung beurteilt zu sehen, wahrt er bei Existenz eines begründeten Anlasses zur Kündigung nach § 89b Abs. 3 Nr. 1 den Ausgleichsanspruch, der ihm sonst bei einer Eigen1023 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 56; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 6 und 22; wohl auch MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 42; aA Thume BB 1995, 1913 (1914).

1024 Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 56. 1025 Martinek/Flohr/Feldmann4 § 19 Rn 70; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 58; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 9. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 58. Martinek/Flohr/Feldmann4 § 19 Rn 70. OLG Karlsruhe HVR Nr. 976. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 60; Hopt § 86a Rn 4; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 39; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 21. 1030 Westphal I Rn 388. 1031 Westphal I Rn 388. 1032 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 40. 1033 Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 40.

1026 1027 1028 1029

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kündigung verloren ginge. Nur muss die Pflichtverletzung des Unternehmers dem HV zur Kündigung wenigstens einen „begründeten Anlass“ gegeben haben. Dazu werden leichtere oder einmalige Verstöße des Unternehmers nicht ausreichen; hier würde der HV sich einstweilen mit Abmahnung, allenfalls Schadensersatzansprüchen zu begnügen haben. Nicht anders als bei § 89a hängt es von der Schwere des Verstoßes ab, ob der HV ausgleichserhaltend kündigen kann, wobei im Rahmen des § 89b Abs. 3 Nr. 1 geringere Anforderungen zu stellen sind. Erfüllung: Die wichtigste Folge der Verletzung einer Haupt- oder selbständigen Nebenpflicht ist, dass sie nicht durch Erfüllung erlischt und der Erfüllungsanspruch fortbesteht.1034 Der HV darf also das geschuldete Handeln oder Unterlassen fordern. Die unerfüllt gebliebene Pflicht kann eingeklagt und vollstreckt werden. Im Falle der Eilbedürftigkeit und der Existenz erheblicher Nachteile (Leitbild: Existenzgefährdung) ist das Recht im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbar, z. B. hinsichtlich der Überlassung von Unterlagen, die der HV für den Vertrieb dringend benötigt.1035 Bei den meisten Nebenpflichten des Unternehmers handelt es sich um derartige selbständige, einklagbare Nebenpflichten, etwa bei der • Treupflicht. • den in § 86a genannten Pflichten.1036 • dem Gleichbehandlungsgebot. • der Belieferungspflicht. • der Organisationspflicht des Unternehmers. Fristsetzung nach § 323 BGB: Der HV darf dem Unternehmer eine Frist gemäß § 323 (früher: § 326) BGB setzen.1037 Schadenersatz: Dazu Rn 222 ff. Vertragsstrafe: Der HV darf eine hinreichend bestimmte und angemessene Vertragsstrafe einfordern.1038 Verzugsschaden: Der HV kann im Falle des Verzuges gem. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB den Verzugsschaden fordern. Zurückbehaltungsrecht: Der HV darf seine Leistungen zurückhalten, je nachdem ob es sich um eine Haupt- oder Nebenleistungspflicht handelt gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB oder § 273 BGB.1039

I. Schadenersatz des Unternehmers gegenüber dem Vertriebsmittler Im Falle der schuldhaften1040 Verletzung von Unternehmerpflichten, auch der aus § 86a,1041 184 darf der HV Schadenersatz fordern.1042 Eine Schadenersatzverpflichtung des Unternehmers gegenüber dem HV ist vor- wie nachvertraglich und selbstverständlich vertragsbegleitend denkbar. Vorvertraglich kann der Unternehmer dem HV gemäß §§ 242, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB (culpa in contrahendo) haften. Vertragsbegleitend kommt eine Haftung aus § 280 Abs. 1 in Betracht, zudem gemäß § 89 a Abs. 2. Auch aufgrund einer Schlechterfüllung nachvertrag-

1034 Thume BB 1995, 1913 (1915); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 57; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 2.

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Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 57. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 69. Martinek/Flohr/Feldmann4 § 18 Rn 30, aA § 19 Rn 68. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 60. Für Franchiseverträge Giesler ZIP 2002, 420 (424). OLG Düsseldorf OLGR 1996, 55. Hopt § 86a Rn 4. Hopt § 86a Rn 4. Emde

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licher Treupflichten mag eine Haftung nach § 280 BGB entstehen. Hinzu treten deliktische Anspruchsgrundlagen, insbesondere § 826 BGB. Kenntnisse einer in die Vertragsausführung eingeschalteten Muttergesellschaft muss sich der Unternehmer ggf. zurechnen lassen.1043 Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des § 86a dürfen wegen der zwingenden Natur des Abs. 3 angeblich nicht ausgeschlossen werden.1044 Das ist zweifelhaft, weil der Schadenersatzanspruch selbst nicht zwingend ist.

1. Schadenersatz des Unternehmers gegenüber dem Mittler gemäß §§ 280 Abs. 1, 282, 241 Abs. 2, 242, 311 Abs. 2 BGB (culpa in contrahendo) 185 Eine Haftung des Unternehmers gegenüber dem HV wegen vorvertraglichen Verschuldens gem. §§ 280 Abs. 1, 282, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, BGB, in krassen Fällen auch nach § 826 BGB,1045 kommt außer bei Nichtigkeit des Vertrages1046 insbesondere bei mangelnder Aufklärung, etwa über Risiken des Vertrages,1047 in Betracht. Derartige Aufklärungspflichten bestehen beispielsweise, wenn ein Wissens- oder Informationsgefälle besteht.1048 Vorvertragliche Pflichtverletzungen begründen i. d. R. einen Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses1049 (Differenzhypothese), sofern der Unternehmer nicht ausnahmsweise konkrete Zusicherungen abgegeben hat, bei deren Nichteintritt er auf das volle Erfüllungsinteresse haftet.1050 Es ist ein Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne jenes Ereignis ergeben hätte, vorzunehmen. Der HV ist nicht lediglich auf eine „angemessene Entschädigung“ in Analogie zu § 642 BGB wegen Annahmeverzuges beschränkt.1051 Unbeachtlich ist, was der HV verdient hätte, wenn eine falsche Behauptung des Unternehmers zutreffend gewesen wäre oder ein verschwiegener Umstand nicht bestanden hätte (positives Interesse).1052 Entgangener Gewinn aus als sicher hingestellten Geschäften muss nicht ersetzt werden. Völlig zufällige Ereignisse werden schadensrechtlich ausgeblendet, etwa eine Gebietsvergrößerung aufgrund des Unfalles eines Kollegen.1053 Der HV darf vollmundigen Versprechen des Unternehmens nicht blind vertrauen, sondern muss sich, wie jeder Unternehmer, informieren, bevor er in ein neues Geschäftsfeld investiert.1054 Der HV hat den Unternehmer z. B. nach den Erfolgschancen des Vertriebssystems zu befragen und das erforderliche Maß an Skepsis walten lassen, falls er keine Antwort erhält.1055 Regelmäßig kann sich der Unternehmer jedoch nicht mit dem Einwand entlasten, der HV habe der Richtigkeit seiner Angaben nicht vertrauen dürfen. Dies widerspräche dem Grundsatz von Treu und Glauben.1056 § 254 BGB ist anwendbar.1057 Verlangt der HV Schadensersatz, weil ihm die Möglichkeit erfolgreicher Vertriebstätigkeit nicht eingeräumt oder nachträglich genommen wurde, hat er sich nach § 254 Abs. 2 BGB den Verdienst anrechnen zu lassen, der bei anderweitigem Einsatz seiner Leistungskraft tatsächlich verdient wurde oder den er bei sachgerechtem Einsatz hätte verdienen 1043 1044 1045 1046 1047 1048 1049 1050 1051 1052 1053 1054 1055 1056 1057 Emde

OLG München, Urt. v. 27.7.2006 – 23 U 5590/05, BB 2007, 14; Flohr BB 2007, 6 ff. (Franchiserecht). Zur früheren Rechtslage vgl. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 28. OLG Nürnberg BB 1956, 352; Schipper NJW 2007, 734 (736). Hopt § 85 Rn 1. Martinek/Flohr/Feldmann4 § 19 Rn 124 f.; zum Franchisevertrag Giesler ZIP 2002, 420 (426). Giesler ZIP 2002, 420 (426). BGH NJW 1998, 302 (304); OLG Düsseldorf HVR Nr. 949; Schipper NJW 2007, 734 (736). Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 58; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 67. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 39. Schipper NJW 2007, 734 (736). BGH NJW 1998, 302 (304); Schipper NJW 2007, 734 (736). Schipper NJW 2007, 734 (736). Schipper NJW 2007, 734 (736). BGH NJW 1998, 302 (305); OLG München NJW 1994, 667; Schipper NJW 2007, 734 (736). Schipper NJW 2007, 734 (736). 814

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können.1058 In Folge des schadenersatzbegründenden Ereignisses unterlassene Tätigkeit kann dem HV nur dann im Sinne des § 254 BGB vorgeworfen werden, sofern es sich um eine zumutbare Tätigkeit handelte.1059 Tätigkeiten, die bereits zeitgleich mit dem streitgegenständlichen Vertragsverhältnis durchgeführt wurden, können nur dann angerechnet werden, wenn die Einnahmen des HV aus den Tätigkeiten infolge des schadenersatzbegründenden Verhaltens gestiegen sind.1060 Ein zum Schadenersatz führendes Verschulden des Unternehmers liegt vor, falls er bei gehöriger Sorgfalt hätte voraussehen können, dass sein Verhalten, beispielsweise der erzeugte Irrtum oder der verschwiegene Umstand, die Entscheidung des Interessenten beeinflussen werde.1061 Eine eklatante und eingestandenermaßen auch für den Unternehmer nicht erklärbare Abweichung der prognostizierten von den realen Umsatzprognosen indiziert, dass jene nicht sorgfältig und fachgerecht erstellt wurden.1062

2. Schadenersatz des Unternehmers gegenüber dem Mittler nach § 280 Abs. 1, 3 BGB wegen Schlechterfüllung vertragsbegleitender Pflichten (Positive Forderungsverletzung) Eine Haftung wegen Schlechterfüllung vertragsbegleitender Pflichten gemäß § 280 Abs. 1 BGB 186 wird in folgenden Konstellationen diskutiert: – Ablehnung eines vermittelten oder ohne Vertretungsvollmacht gezeichneten Geschäfts: Der HV darf Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Abschluss des Geschäfts getätigt hat, falls der Unternehmer das ihm angetragene Geschäft nicht rechtzeitig ablehnt.1063 – Abschlussbeschränkungen, nicht rechtzeitige Mitteilung: Der Unternehmer kann den Schadenersatzanspruch des HV in Höhe entgangener Provision ausschließen, indem er beweist, dass er das angetragene Geschäft ohnehin nicht angenommen hätte.1064 Auch dann könnte aber noch ein Verspätungsschaden für die zur Unzeit erfolgte Information geltend gemacht werden; zudem ein Anspruch wegen unvertretbarer Verweigerung des Geschäfts.1065 – Abschirmpflicht: Falls der Unternehmer seine Pflicht verletzt, den HV vor Wettbewerb Dritter abzuschirmen.1066 – Alleinvertreter: Bei Eingriffen in das Alleinvertriebsrecht des HV.1067 – Auskunftsrechte: Die Unmöglichkeit, Informationsrechte des § 87c zu erfüllen, führt zur Haftung nach § 280 BGB, z. B. falls der Unternehmer keine Bücher geführt hat.1068 Als Schadensersatz geforderte Provisionen werden sich ohne Informationen jedoch nur schwer beweisen lassen. Wenn ein Informationsrecht nach § 87c ergibt, dass die im Hinblick auf Richtigkeit oder Vollständigkeit von Abrechnungen geäußerten Zweifel des HV begründet waren, trägt der Unternehmer die gesamten Kosten des Kontrollrechts.1069 Eine Schadenersatzpflicht trifft den Unternehmer zudem im Fall der nicht rechtzeitigen Erteilung der Infor-

1058 1059 1060 1061 1062 1063 1064 1065 1066 1067 1068 1069 815

Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 58; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 23a. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 23a. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 23a. Schipper NJW 2007, 734 (736). OLG Hamburg, Beschl. v. 19.11.2004 – 6 U 96/04, n. v.; Schipper NJW 2007, 734 (736). Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 26. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 27. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 27. BGH, Urt. v. 9.1.1961 – VII ZR 219/59, HVR Nr. 261 = DB 1961, 601. BGH, Urt. v. 9.1.1961 – VII ZR 219/59, HVR Nr. 261 = DB 1961, 601. Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 20. BGH LM Nr. 1 zu § 87c sowie BGHZ 32, 302 (306); Seetzen WM 1985, 219, Ebenroth/Löwisch3 § 87c Rn 45. Emde

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mationen, etwa des Buchauszugs.1070 Nach Verzugseintritt wird der Schadenersatz aus den §§ 284 ff. BGB hergeleitet. für mangelnde Compliance.1071 Ein wichtiges Instrument des Risikomanagements bilden insoweit die Systemhandbücher im Franchiserecht,1072 aber auch Vertriebsschulungen.1073 Dispositionsmaßnahme: Ist eine Dispositionsmaßnahme zulässig, verletzt der Unternehmer jedoch die Pflicht zur rechtzeitigen Nachricht, schuldet er lediglich Ersatz des negativen Interesses. Ist die Dispositionsmaßnahme unzulässig, schuldet er auch den entgangenen Gewinn,1074 jedoch nur bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin, zu dem der Unternehmer hätte kündigen dürfen. Eingriffe in das Vertriebsrecht des HV: Besteht der Schaden in der mangelnden Gelegenheit zum Vertrieb, hat sich der HV nach § 254 Abs. 2 BGB anrechnen zu lassen, was er bei anderweitigem Einsatz seiner Arbeitskraft tatsächlich verdient hat oder bei sachgerechtem Einsatz hätte verdienen können.1075 Eine anderweitige Verdienstmöglichkeit fehlt regelmäßig, falls der HV-Vertrag ein Wettbewerbsverbot enthält. Information, unterlassene:1076 Bei Verletzung der Informationsrechte beschränkt sich der Schadenersatzanspruch regelmäßig auf das negative Interesse: Der HV hat Anspruch auf Ersatz seiner nutzlosen Aufwendungen für eine erfolglose Vertriebstätigkeit, vor welcher die verletzte Verpflichtung ihn bewahren sollte.1077 Dieser Anspruch wird durch die Höhe der sonst entstandenen Provision beschränkt.1078 Kann der HV nachweisen, dass er bei rechtzeitiger Information den bestehenden Vertrag gekündigt und mit einem anderen Unternehmer einen Vertriebsvertrag geschlossen hätte, so darf er gemäß § 252 BGB den im neuen Vertrag entgangenen Gewinn fordern.1079 Im Fall der nicht rechtzeitigen Mitteilung von der Annahme des Geschäftes kann ein Schaden nur entstehen, wenn der HV daraufhin weitere Aufwendungen für seine Tätigkeit beginnt, um das Geschäft zustande zu bringen.1080 Insolvenz: Dem HV kann gegen den Unternehmer ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Eröffnung eines durch das Verhalten des Unternehmers verursachten Insolvenzverfahrens zustehen.1081 Dieser Anspruch ergibt sich nicht unmittelbar aus der InsO. Als Anspruchsgrundlage wird sowohl die entsprechende Anwendung von § 628 Abs. 2 BGB als auch eine Analogie zu § 89a Abs. 2 erwogen.1082 Auch an eine Anwendung des § 280 BGB ist zu denken. Die analoge Anwendung des § 89a Abs. 2 lässt sich damit begründen, dass der HV-Vertrag zwar nicht infolge einer Kündigung beendet wird, wie es dem Wortlaut des § 89a Abs. 2 nach Voraussetzung ist, jedoch infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes erlischt. Die entsprechende Anwendung von § 628 Abs. 2 BGB wird erwogen, weil die Norm über den Wortlaut hinaus einen allgemeinen Rechtsgrundsatz enthält, wonach der Vertragspartner eines Dauerschuldverhältnisses zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er den Anlass zur Auflösung des Vertrages in schuldhafter Weise herbeiführt.1083

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Schlegelberger/Schröder § 87c Rn 11a. Martinek ZVertriebsR 2019, 138. Martinek ZVertriebsR 2019, 138 (141). Martinek ZVertriebsR 2019, 138 (141). Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 15. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 58; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 23a. Hopt § 85 Rn 1; § 86a Rn 2. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 58. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 25; LAG Stuttgart NJW 1951, 374. BGH NJW-RR 1988, 1060 = WM 1988, 1234 (1235); MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 38. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 26. OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.1995 – 16 U 234/94, OLGR Düsseldorf 1996, 55; Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 62; Emde/Kelm ZIP 2005, 58 (64); Kuhn/Uhlenbruck KO, 11. Aufl. 1994, § 23 Rn 21; Hoffstadt DB 1983, 645 (646 f.); Schlegelberger/Schröder § 89 Rn 41c; aA Schlegelberger/Schröder § 89a Rn 41. 1082 Offen gelassen vom OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.1995 – 16 U 234/94, OLGR 1996, 55. 1083 Staudinger/Preis BGB (2002) § 628 Rn 34, 41. Emde

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Ungeachtet der dogmatischen Herleitung des Schadensersatzanspruchs handelt es sich jedenfalls um einen vertraglichen Anspruch. Hieraus folgt, dass das für die Auflösung des Vertrages kausale Verhalten des Unternehmers Pflichten aus dem HV-Vertrag verletzt haben muss.1084 Demzufolge kann die bloß schuldhaft verursachte Insolvenz für sich betrachtet noch kein ausreichender Grund für einen Schadensersatzanspruch sein.1085 Es muss vielmehr ein spezielles Auflösungsverschulden vorliegen, das über die bloße Herbeiführung der Insolvenz und die Veranlassung der Vertragsauflösung hinausgeht. Die unternehmerischen Entscheidungen, welche die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verursachen, müssen ein „HV-vertragswidriges“ Verhalten konstituieren. In der Rspr. wird darauf verwiesen, dass die vertraglichen Treupflichten des Unternehmers gegenüber dem HV dort enden, wo die unternehmerische Dispositionsfreiheit beginnt. Unternehmerische Fehlentscheidungen allein können einen Schadensersatzanspruch daher nicht begründen. Der Unternehmer ist in der Führung seines Unternehmens grundsätzlich frei, er muss jedoch auch auf Interessen des HV Rücksicht nehmen. Entscheidend ist somit, wann der unantastbare Bereich der unternehmerischen Dispositionsfreiheit, in dessen Rahmen ein HV-vertragswidriges Verhalten ausgeschlossen ist, erreicht wird. Ein HV-vertragswidriges Verhalten ist anzunehmen, falls die zur Insolvenz führenden Entscheidungen des Unternehmers willkürlich, in keiner Weise mehr sachlich zu vertreten oder in der Absicht, den HV zu schädigen, getroffen wurden.1086 Fraglich ist, wer für das Überschreiten dieser Grenze die Beweislast trägt. Es könnte angenommen werden, der für den Unternehmer handelnde Insolvenzverwalter trage die Beweislast dafür, dass kein spezielles Auflösungsverschulden im vorerwähnten Sinne vorliege und kein Schadensersatzanspruch gegeben ist. Dafür streitet, dass ihm dieser Gegenbeweis leichter möglich ist, weil ihm der Unternehmer auskunftspflichtig ist. Es spricht dann eine Vermutung für eine Verletzung der Schutzpflichten des HV-Vertrages, welche der Verwalter zu widerlegen hätte. Dem klagenden HV wird es im Prozessfall allerdings obliegen, zunächst greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Auflösungsverschulden zu behaupten, damit der beklagte Insolvenzverwalter in die Lage versetzt wird, in Wahrnehmung seiner Darlegungs- und Beweislast substantiiert vorzutragen und Beweis anzutreten. Inhalt des Anspruchs sind etwa die infolge der Vertragsbeendigung für die Zukunft entgangenen Provisionsansprüche. Der Schadensersatzanspruch ist der Höhe nach auf den Zeitraum bis zum vereinbarten oder durch ordentliche Kündigung herbeiführbaren Vertragsende beschränkt.1087 Er ist eine einfache Insolvenzforderung, die der HV zur Insolvenztabelle anmelden muss.1088 Insolvenz, Information: Informiert der Unternehmer den HV nicht über die Gefahr der Insolvenz des Unternehmers, entsteht ein Schadenersatzanspruch des HV aus § 280 BGB.1089 Tritt der Schaden vor Insolvenzeröffnung ein, handelt es sich um eine einfache Insolvenzforderung.1090

1084 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.1995 – 16 U 234/94, OLGR 1996, 55; Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 94; Küstner/ Thume I5 Kap. VIII Rn 235; vgl. auch § 628 Abs. 2 BGB, der explizit ein vertragswidriges Verhalten voraussetzt.

1085 So aber Hoffstadt, DB 1983, 645 (646 f.), der einen Schadensersatzanspruch gem. § 628 Abs. 2 BGB für möglich hält, „wenn der Konkurs auf einem Verschulden des Gemeinschuldners beruht“.

1086 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.1995 – 16 U 234/94, OLGR 1996, 55 (56). 1087 BGH, Urt. v. 3.3.1993 – VIII ZR 101/92, BGHZ 122, 9 (12 f.); Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume4 § 89a Rn 20; Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 98.

1088 Kuhn/Uhlenbruck KO, 11. Aufl. 1994, § 23 Rn 21; Küstner/Thume I5 Kap. VIII Rn 136; Hoffstadt DB 1983, 645 (647).

1089 Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 61. 1090 Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 61. 817

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Lieferbarkeit der Vertragswaren: Hier trifft den Unternehmer nach Ansicht von Eberstein1091 eine Garantiehaftung. Das ist zweifelhaft. Bei Abschluss trotz Kenntnis der Nichtlieferbarkeit kommt ein Mitverschulden in Betracht.1092 Nichtbeachtung der Treu- und Förderungspflicht: Im Falle der Verletzung der Treu- und Förderungspflicht, insbesondere nach willkürlichem Verhalten,1093 kommt ein Anspruch auf entgangenen Gewinn in Betracht, sofern der HV beweist, dass er bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Förderungspflicht bestimmte Geschäfte erfolgreich vermittelt oder abgeschlossen (was den Nachweis des Abschlusses durch den Unternehmer einschließt) oder bei vertragsgerechter Erfüllung der Treupflicht seine Arbeitskraft erfolgreich der Vermittlung bzw. dem Abschluss anderer Geschäfte gewidmet hätte,1094 ggf. für einen anderen Unternehmer nach Kündigung des bisherigen Vertragsverhältnisses.1095 Im Hinblick auf die Entschließungsfreiheit des Unternehmers ist für einen Anscheinsbeweis des Abschlusses durch den Unternehmer kein Raum.1096 Ob der Ersatzanspruch zeitlich begrenzt wird bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nach dem Zeitpunkt, zu welchem der HV hätte erkennen müssen, dass der Unternehmer sein Verhalten nicht ändern werde und zur Wahrung seiner Interessen hätte kündigen müssen,1097 erscheint zweifelhaft. Der Unternehmer darf nicht auf eine Kündigung des HV hoffen oder sich durch sie von seinen Vertragspflichten dispensieren; er muss vielmehr sämtliche adäquat-kausal verursachten Folgen tragen. Übermaßweisungen: Sie können zu einer Haftung des Unternehmers nach § 280 BGB führen.1098 Mangelnde Unterlagen: Stellt der Unternehmer Arbeitsunterlagen nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung, so kann der HV gem. § 280 BGB oder unter dem Gesichtspunkt des Verzuges als Schadensersatz die ihm entgangenen Provisionen fordern.1099 Der HV muss beweisen, dass ihm die Unterlagen nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt worden sind und diese Unterlassung das Nichtzustandekommen bestimmter provisionspflichtiger Geschäfte zur Folge gehabt hat.1100 Der Beweis lässt sich auch durch Statistiken führen, etwa wenn nach Zurverfügungstellung der Unterlagen höhere Gewinne erzielt wurden und andere Gründe hierfür nicht ersichtlich sind. Unbestellte Ware: Sofern Kfz-Hersteller ihren Vertragshändlern unbestellte Ware liefern, in Rechnung und in die Kreditfinanzierung einstellen, gibt es dafür keine Rechtsgrundlage. Kreditzinsen können die Händler gemäß § 280 Abs. 1 BGB zurückfordern.1101 Fehlende Verfügungsbefugnis: Mit dem Abschluss des HV-Vertrags übernimmt der Unternehmer gegenüber dem HV die haftungsrechtliche Verantwortung für die Verfügungsbefugnis über das zum Vertrieb gegebene Produkt.1102 Besteht die derart konkludent zugesicherte Verfügungsbefugnis nicht, können Schadenersatzansprüche die Folge sein.

1091 1092 1093 1094 1095

9. Aufl., S. 94. BAG DB 1974, 1617; Eberstein9 S. 94. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 58; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 22, 23, 27; § 87 Rn 66 ff. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 63; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 68. BGH NJW 1974, 795; BGH, Urt. v. 3.3.1988 – I ZR 187/86, NJW-RR 1988, 1060; Thume BB 1995, 1913 (1915); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 58; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 38; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 25, 26, 27, § 87 Rn 66 ff. 1096 Vgl. Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 63. 1097 So BGHZ 26, 161 (166, 167); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 58. 1098 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 32. 1099 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 270; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 24. 1100 Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 24. 1101 LG Frankfurt/M. – 3/14 O 131/09, BB 2010, 2641 m. Anm. Oberhammer. 1102 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 25; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 14. Emde

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Vermittlung und Abschluss: Dem HV stehen Schadensersatzansprüche zu, wenn der Unternehmer ihm willkürlich die Möglichkeit zur Vermittlung oder Abschluss von Geschäften nimmt.1103 Wettbewerb durch den Unternehmer: Schadenersatz in Höhe seines Vergütungs- bzw. Provisionsinteresses steht dem Mittler zu, sofern ihm durch unerlaubten Wettbewerb des Unternehmers eine sonst verdiente Vergütung entgangen ist.1104 So hat etwa ein Vertragshändler gem. §§ 249, 252 BGB Anspruch auf Ersatz des Gewinns, der ihm entgangen ist, weil der Unternehmer unter Verletzung seines Alleinvertriebsrechts an andere Händler verkauft.1105 Der Schadensersatz beschränkt sich jedoch auf das negative Interesse, d. h. auf den Ersatz erfolgloser Aufwendungen, falls der Unternehmer dem HV eine Qualitätsherabsetzung nicht rechtzeitig mitgeteilt hatte und bei sachgemäßer Unterrichtung der HV Bemühungen für den Absatz dieses Artikels nicht mit dem tatsächlichen Aufwand vorgenommen hätte. Einen gewichtigen Anhalt für den entgangenen Gewinn stellen die Geschäfte dar, welche in der fraglichen Zeit im geschützten Vertragsgebiet oder -Bezirk durch den Hersteller oder von ihm eingesetzte andere Mittler gezeichnet wurden.1106 Dies schließt nicht aus, bei der Schadensberechnung einen besonderen Einsatz der anderen Händler oder deren spezielle Situation zu berücksichtigen. Deshalb besitzt der Mittler zur Vorbereitung des Schadenersatzanspruches ein Auskunftsrecht über etwaige Wettbewerbshandlungen,1107 etwa Verkäufe an andere Händler, welches er im Wege der Stufenklage – erste Stufe Auskunft, zweite Stufe Schadenersatz – durchsetzen kann. Dies hat die Rspr insb. für den Vertragshändlerbereich mehrfach entschieden: So verletzt ein Hersteller die Exklusivität seines Mittlers, indem er verbundene Unternehmen zu Direktgeschäften in dem dem Mittler exklusiv zugewiesenen Bezirk veranlasst.1108 Wegen der Verletzung der Ausschließlichkeit forderte der klagende Mittler von dem beklagten Hersteller Auskunft und Schadensersatz, wobei sich die Auskunft auch auf Geschäfte verbundener Unternehmen der Beklagten im Bezirk der Klägerin erstrecken sollte. Nach Ansicht des BGH besitzt der Mittler gem. § 242 BGB ein Auskunftsrecht über die Exklusivität verletzende Geschäfte des Herstellers (generell zum Auskunftsrecht nach §§ 242, 259, 260 BGB s. Kommentierung zu § 87c). Solle die Auskunft einen vertraglichen Schadensersatzanspruch belegen, müsse dieser nicht bereits dem Grunde nach feststehen. Vielmehr reiche der begründete Verdacht einer Vertragsverletzung

1103 RG JW 1914, 403; JW 1921, 1238; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 22. 1104 BGH, Urt. v. 1.8.2013 – VII ZR 268/11, ZVertriebsR 2013, 310; v. 25.5.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077 = ZIP 1988, 1182 (Kfz-Vertragshändler); NJW 1984, 2411; BB 1975, 1409; v. 9.1.1961 – VII ZR 219/59, HVR Nr. 261 = DB 1961, 601 zum Alleinvertreter; Thume BB 2018, 770 (775); Emde VersR 2012, 536 (547); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 51 (zum Alleinvertreter); Giesler/Vogels2 § 3 Rn 280 – Vertragshändler; Westphal I Rn 105; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 63; Hopt § 87 Rn 24; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 80 (zum Alleinvertreter). 1105 BGH, Urt. v. 17.4.2002 – VIII ZR 139/01, VersR 2002, 1023 = BB 2002, 1507 = DB 2002, 1657 = NJW-RR 2002, 1256 = EWiR 2002, 766 (Emde) = WM 2003, 250; v. 22.11.2000 – VIII ZR 40/00, BB 2001, 115 = MDR 2001, 283 = NJW 2001, 821 = WM 2001, 686. 1106 Der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden kann nach § 287 ZPO bestimmt werden: Es genügt eine auf gesicherter Grundlage bestehende Wahrscheinlichkeit. Der Kläger hat Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, welche für eine Beurteilung nach § 287 ZPO ausreichende greifbare Anhaltspunkte bieten; so BGH, Urt. v. 3.12.1999 – IX ZR 332/98, VersR 2001, 246; s. a. Freitag/Leible RIW 2001, 287. 1107 BGH, Urt. v. 1.8.2013 – VII ZR 268/11, ZVertriebsR 2013, 310 (Auskunftsanspruch eines FN gegen den FG wg. Verstoß gegen vertragl. versprochene Exklusivität); Versäumnisurt. v. 17.7.2002 – VIII ZR 64/01, BB 2002, 2351 = EWiR 2002, 1037 (Emde) = MDR 2002, 1442 = WM 2003, 255; BB 1957, 452; HVR Nr. 926 (Vertragshändler); v. 17.4.2002 – VIII ZR 139/01, VersR 2002, 1023 = BB 2002, 1507 = DB 2002, 1657 = NJW-RR 2002, 1256 = EWiR 2002, 766 (Emde) = WM 2003, 250; v. 22.11.2000 – VIII ZR 40/00, BB 2001, 115 = MDR 2001, 283 = NJW 2001, 821 = WM 2001, 686; v. 25.5.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077 = ZIP 1988, 1182 (Kfz-Vertragshändler); OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI -U (Kart) 1/08, GRUR-RR 2009, 109; Thume BB 2018, 770 (775); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 56; Hopt § 86a Rn 17. 1108 BGH, Versäumnisurt. v. 17.7.2002 – VIII ZR 64/01, BB 2002, 2351 = EWiR 2002, 1037 (Emde) = MDR 2002, 1442 = WM 2003, 255. 819

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aus.1109 Jedoch fehle ein Informationsanspruch zu Geschäften, die mit dem Unternehmer verbundene Unternehmen (§§ 15 ff. AktG) ohne dessen Veranlassung im Bezirk des Mittlers ausgeführt hätten. Die Auskunftspflicht beschränke sich auf Lieferungen der mit dem Unternehmer verbundenen Unternehmen, welche auf dessen Veranlassung im Bezirk des Mittlers erfolgten. Der Konzernverbund für sich stelle keinen Grund dar, einem Betrieb Aktivitäten verbundener Unternehmen zuzurechnen. Auch in einem weiteren Fall gewährte der BGH einem Absatzmittler einen Auskunftsanspruch zur Vorbereitung einer Schadenersatzklage: Gem. §§ 249, 252 BGB habe der Mittler Anspruch auf Ersatz des Gewinns, der ihm entgangen sei, weil der Hersteller unter Verletzung des Alleinvertriebsrechts Vertragswaren an andere Händler verkauft habe. Zur Vorbereitung des Ersatzanspruches dürfe der Mittler Auskunft über die vertragswidrigen Verkäufe des Herstellers an jene Händler im geschützten Gebiet verlangen.1110 Der Schadensersatzanspruch richte sich auf die entgangene Vergütung, Provision oder Weiterverkaufsspanne, abzüglich der darauf liegenden direkten Kosten. Außerdem dürfe Herausgabe des durch den Direktverkauf erzielten Reinerlöses nach § 687 Abs. 2 BGB verlangt werden.1111 Notfalls ist der Schaden gem. §§ 255 BGB, 287 ZPO zu schätzen.1112 Der Einsatz anderer Händler bildet keine einmalige Verletzungshandlung. Sie erschöpft sich nicht im Abschluss des Vertrages mit den Wettbewerbern, sondern setzt sich in Durchführung und Aufrechterhaltung der Vertragsbeziehung fort. Daher handelt es um wiederholte Verletzungshandlungen und für jeden Schadenszeitraum läuft eine separate Verjährungsfrist.1113 Nichts anderes gilt, wenn man das Festhalten des Unternehmers an den Verträgen mit den Wettbewerbern als eine Dauerhandlung betrachten würde. In diesem Fall beginnt, sofern nicht das Alleinvertriebsrecht des Händlers früher endet, die Verjährungsfrist nicht vor Abbruch der Lieferbeziehungen zu den Wettbewerbern zu laufen.1114 – Vertraulichkeit: Falls der Unternehmer Berichte des HV nicht vertraulich behandelt.1115 187 Eine Haftung nach § 280 BGB scheidet aus: – Bei Geschäftseinstellung des Unternehmers aus nachvollziehbaren Gründen vor Ablauf der Kündigungsfristen des § 89.1116

3. Schadenersatz des Unternehmers gegenüber dem Mittler gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen Schlechterfüllung nachvertraglicher Pflichten 188 Auch eine Haftung gemäß §§ 280 Abs. 1 i. V. m. nachvertraglicher Pflichtverletzung ist denkbar. Hieran kann etwa bei einem Schaden wegen Verletzung der nachvertraglichen Informationspflicht gedacht werden.

1109 BGH, Versäumnisurt. v. 17.7.2002 – VIII ZR 64/01, BB 2002, 2351 = EWiR 2002, 1037 (Emde) = MDR 2002, 1442 = WM 2003, 255 – Vertragshändler; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2008 – VI -U (Kart) 1/08, GRUR-RR 2009, 109; Palandt/ Heinrichs §§ 259 ff. Rn 10, Soergel/Wolf BGB12 § 260 Rn 25, 28; MünchKommBGB/Krüger4 § 260 Rn 16; BAG DB 1996, 2182. 1110 BGHZ 97, 97 (110); BGH NJW 1985, 1023. 1111 Offengelassen in BGH NJW 1964, 151; aA Giesler/Vogels2 § 3 Rn 280 – Vertragshändler; und P. Ulmer S. 429/ 430; OLG Celle Recht 1908, Sp. 491 Nr. 2809. 1112 BGH, Urt. v. 22.11.2000 – VIII ZR 40/00, BB 2001, 115; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 56. 1113 BGHZ 97, 97 (110); BGH NJW 1985, 1023. 1114 RGZ 80, 436 (437 f.). 1115 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 28a. 1116 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 14c. Emde

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4. Schadenersatz des Unternehmers gegenüber dem Mittler aus Delikt Die Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts des Mittlers soll gem. § 823 Abs. 2 BGB einen delik- 189 tischen Eingriff in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen.1117 Bei sittenwidriger Schädigung kann eine Haftung aus § 826 BGB eingreifen.1118

5. Ersatzansprüche des Unternehmers gegenüber dem Mittler aus anderem Rechtsgrund Der Unternehmer haftet dem HV gemäß §§ 618 Abs. 1, 3 BGB wegen des Zustandes übergebener 190 Unterlagen i. S. d. § 86a.1119 Daneben tritt eine Haftung nach § 280 BGB. Für erbrachte Gewährleistungsarbeiten kann ein Vertragshändler gegen den Unternehmer 191 einen Rückgriffsanspruch nach §§ 478, 479 BGB innehaben. Nach dem Recht vor der Schuldrechtsnovelle 2002 gab es keine ausdrückliche Regelung zum Rückgriff des Händlers. Die §§ 478, 479 BGB verhindern seither bis zum Ablauf der in § 479 Abs. 2 BGB genannten 5Jahresfrist eine „Regressfalle“ zu Lasten des Händlers. Im Vertragshändlerrecht bestand allerdings schon zuvor gem. §§ 675, 670 BGB ein Rückgriffsrecht des Händlers,1120 zudem ergibt sich ein solches mglw. aus den gegenseitigen Treupflichten, wenn der Mangel vom Hersteller zu vertreten ist.1121

II. Haftung des Unternehmers gegenüber Dritten Zu unterscheiden ist eine eigene Haftung des Unternehmers sowie die zugerechnete Haftung.

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1. Haftung wegen eigener Rechtspflichtverletzung In dieser Fallgruppe verwirklicht der Unternehmer gegenüber dem Dritten einen eigenen 193 Rechtspflichtverstoß. Sie kann in folgenden Situationen vorliegen: – Anlageberatung (dazu Kommentierung zu § 84): Hier obliegt dem Unternehmer die vorvertragliche Pflicht, nur solche HV mit der Vermittlung von Anlageverträgen zu betrauen, von deren Zulässigkeit er sich auf der Grundlage eines polizeilichen Führungszeugnisses überzeugt hatte.1122 Mißachtet der Unternehmer diese Pflicht, kann der volle Schadensersatz auszugleichen sein und nicht nur der Vertrauensschaden. Die Pflicht umfasst daher auch den Schutz des Kunden vor solchen Schäden, die ihm von dem einschlägig wegen Betrugs vorbestraften HV infolge des Abschlusses von kriminellen Eigengeschäften zugefügt wurden.1123 – Der Unternehmer kann aus cic gem. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB für den Anlageberater haften, wenn der Abschluss in einem erkennbar nach dem Außeneindruck als Geschäftslokal des Unternehmers einzuordnenden Büro stattfand.1124

1117 Zum Franchiserecht: LG München I, Urt. v. 30.9.1999 – 14 HKO 22435/ 98, zit. n. Giesler/Nauschütt, § 5 Rn 103. 1118 OLG Nürnberg BB 1956, 352; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 59; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86a Rn 21; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86a Rn 9, 47; Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 23 b, 24, 26 f. 1119 Hopt § 86a Rn 6. 1120 Graf v. Westphalen DB 1999, 2553 (2555); v. Sachsen Gessaphe RIW 2001, 721 (728). 1121 Siehe auch Emde kfz-betrieb 48/2001, 26. 1122 BGH, Urt. v. 11.7.2013 – III ZR 31/12; BeckRS 2013, 14142 (Haftung nach cic); v. 14.3.2013 – III ZR BB 2013, 1039 m. Anm. Stumpf = WM 2013, 692 = ZIP 2013, 729, Rn 24 ff. 1123 BGH, Urt. v. 14.3.2013 – III ZR BB 2013, 1039 m. Anm. Stumpf = WM 2013, 692 = ZIP 2013, 729 Rn 30 ff. 1124 BGH, Urt. v. 14.3.2013 – III ZR BB 2013, 1039 m. Anm. Stumpf = WM 2013, 692 = ZIP 2013, 729. 821

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für mangelnde Compliance.1125 Ist ein nicht zum selektiven Vertriebssystem eines Herstellers zählender Wiederverkäufer fabrikneuer Kfz aufgrund der Weigerung ausländischer Vertragshändler unfähig, Neufahrzeuge an systemfremde Wiederverkäufer zu liefern und Bestellungen seiner Kunden für Neuwagen auszuführen, kann ihm ein Schadenersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 101 AEUV zustehen, wenn in der fraglichen Zeit eine Freistellung des beanstandeten Verhaltens nach einer GVO ausscheidet.1126 Eine einseitige „schwarze Verhaltensweise“ des Herstellers beseitigt die Freistellung nur für den Zeitraum des Verstoßes.1127 Dem Hersteller dürfen nicht ohne weiteres sogenannte „schwarze Verhaltensweisen“ seiner ausländischen Vertragshändler zugerechnet werden.1128 Ein FG kann für den FN nach § 10 TelemedienG haften.1129 Im Vertrieb von Investmentvermögen gem. § 127 Abs. 2 InvG bei fehlerhaftem Verkaufsprospekt.1130 Im Vertrieb von Vermögensanlagen gem. § 22 Abs. 1 VermAnlG.1131 Nach den allgemeinen Grundsätzen der Prospekthaftung.1132 Organisationshaftung des Unternehmers: Zu den Verkehrssicherungspflichten zählt die Verpflichtung des Unternehmers, sein Vertriebssystem publikumssicher zu gestalten. Verletzt der Unternehmer jene Gestaltungspflicht, kann er wegen Organisationsverschuldens nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. den Grundsätzen der jeweiligen Verkehrssicherungspflichten haften.1133 Beispiel: Er lässt einen Vertragshändler mit erkennbaren Vermögensschwierigkeiten weiterhin tätig werden.1134 Mangelgewährleistung aus den geschlossenen Kaufverträgen mit den Kunden Mangelnde Produktbeobachtung oder Verletzung von Konstruktions-, Fabrikations-, Instruktionspflichten. Der Mittler selbst dürfte jedoch kein außenstehender Dritter und damit kein i. d. S. Anspruchsberechtigter sein. Der Betreiber eines Strukturvertriebs ist Kapitalanlegern wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er die für ihn tätigen Mittler dahingehend schult, Risiken der Anlage (hier: „SecuRente“) gegenüber Anlageinteressenten zu verharmlosen oder gar nicht zur Sprache zu bringen.1135

2. Haftung wegen zugerechneter Pflichtverletzung des Mittlers 194 Hier verwirklicht der Unternehmer keinen eigenen Pflichtverstoß. Vielmehr wird ihm ein solcher des HV zugerechnet. Der HV ist nicht Vertragspartner des Kunden sondern lediglich Mittler.

1125 Dazu Martinek ZVertriebsR 2019, 138. 1126 BGH, Urt. v. 30.3.2004 – KZR 24/02, EuZW 2004, 381 = DB 2004, 1725 = WuW/E 2004, 779 DE-R 1263 = NJWRR 2004, 1185.

1127 BGH, Urt. v. 30.3.2004 – KZR 24/02, EuZW 2004, 381 = DB 2004, 1725 = WuW/E 2004, 779 DE-R 1263 = NJWRR 2004, 1185.

1128 BGH, Urt. v. 30.3.2004 – KZR 24/02, EuZW 2004, 381 = DB 2004, 1725 = WuW/E 2004, 779 DE-R 1263 = NJWRR 2004, 1185. OLG Hamburg, Urt. v. 29.6.2007 – 5 U 165/06. Müchler WM 2012, 974 (977). Müchler WM 2012, 974 (979). Zum Verhältnis zu den vorgenannten Spezialgesetzen Müchler WM 2012, 974 (980 ff.) – Spezialgesetze vorrangig. 1133 Zu Franchiseverträgen Pasderski: in Giesler/Nauschütt, § 6 Rn 35 ff. 1134 Oberstes Gericht Polens, Entsch. v. 17.6.2003 – III CKN 29/01, OSP 2005 Nr. 5 Pos. 59, zit. n. Pilich ZVertriebsR 2013, 366 (373). 1135 OLG Hamm, Urt. v. 25.2.2010 – 28 U 78/09, BeckRS 2010, 08021.

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Der Kunde tritt also nur zu dem Unternehmer in vertragliche Beziehung.1136 Der Unternehmer muss sich Wissen oder Nichtwissen des Vermittlungs- wie Abschlussvertreters, im Zweifel auch dessen mit den Kunden getroffene mündliche Nebenabreden oder ihm gegebene Zusicherungen, nach § 166 BGB zurechnen lassen und dafür einstehen.1137 Nach österreichischem Recht soll eine Wissenszurechnung vom VV an den Versicherer ausgeschlossen sein, wenn es sich um Kenntnisse handelt, die vom VV nicht in Ausübung der ihm vom Versicherer erteilten Vollmacht erlangt wurden.1138 Dem Versicherer solle im Allgemeinen beim Abschlussagenten alles Wissen zuzurechnen sein, beim Vermittlungsagenten hingegen nur das anlässlich der Antragsentgegennahme erlangte, nicht jedoch das sog. Privatwissen1139 (wohl nicht auf deutsches Recht übertragbar). Eine Wissenszurechnung scheidet in Anlehnung an die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht aus, sofern die Erklärungen die dem HV übertragene Vollmacht erkennbar überschreiten.1140 Der HV ist Erfüllungsgehilfe des Unternehmers i. S. d. § 278 BGB,1141 der Eigenhändler (Vertragshändler, Franchisenehmer) hingegen nicht, da der Eigenhändler insoweit selbst der Geschäftsherr ist. Der Unternehmer haftet für den HV aber nur dann nach § 278 BGB, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen dem Handeln des HV und den übertragenen Aufgaben besteht.1142 Überlässt der Unternehmer Repräsentanten die Werbung von Kunden, muss er, sofern er dies nicht vertraglich ausgeschlossen hat, mit der Einschaltung von Untervermittlern rechnen. Deren Verhalten bei der Anbahnung von Verträgen hat sich der Hersteller gleichfalls nach § 278 BGB zurechnen zu lassen, der Mittler ist nicht Dritter i. S. d. § 123 Abs. 2 BGB.1143 Ein HV soll aber regelmäßig kein Verrichtungsgehilfe des Unternehmers i. S. d. § 831 BGB sein.1144 Eine Zurechnung nach § 831 BGB scheidet damit aus. Wenn der HV jedoch den Weisungen des Unternehmers unterworfen und von ihm abhängig ist, soll der HV ausnahmsweise Verrichtungsgehilfe des Unternehmers sein.1145 Da nur der Unternehmer Angaben über das Abhängigkeitsverhältnis geben kann, trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast.1146 Für die Abhängigkeit und die Einordnung als Verrichtungsgehilfe des Unternehmers spricht nach Ansicht des OLG Köln der Besitz von Unterlagen des Unternehmers (Zeichnungsschein, Personalbogen, Quittungsformular mit Namen und Anschrift), eine Duldungsvollmacht des Unternehmers sowie die Tätigkeit des HV in den Räumen des Unternehmers. Möglicherweise werden in der Entscheidung des OLG Köln zu sehr verkehrstypische Umstände als Indizien für eine Abweichung vom Regelfall, nach dem ein HV kein Verrichtungsgehilfe ist, gewertet. HV sind nicht selten räumlich in die Betriebsstätte des Unternehmers eingegliedert. Allerdings fragt sich, ob ein HV nicht regelmäßig Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 102; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 19a. BGH, Urt. v. 14.6.1957 – VIII ZR 73/56, DB 1957, 745; RG SeuffA 83 Nr. 153; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 110. OGH Wien, Urt. v. 28.10.2009 – 7 Ob 94/09p, VersR 2010, 1342 (1344). OGH Wien, Urt. v. 28.10.2009 – 7 Ob 94/09p, VersR 2010, 1342 (1344). BGH DB 1957, 745; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 110. BGH, Urt. v. 15.3.2012 – III ZR 148/11, WM 2012, 837 m. Anm. Evers VW 2012, 600; v. 25.4.2006 – X ZR 198/ 04, NJW 2006, 2321 (2322); OLG Köln, Urt. v. 12.5.2017 – 19 U 84/16, VersR 2018, 550 (551/552); OLG Dresden, Urt. v. 19.11.2010 – 7 U 1358/09, VersR 2011, 910 (für den VV); OLG Celle VersR 2003, 61; LG Saarbrücken, Urt. v. 16.4.2013 – 14 S 11/02, VersR 2013, 759 (761) – Verletzung der Beratungspflichten nach § 61 VVG durch VV; AG Leipzig, Schlussurt. v. 6.4.2011 – 113 C 6263/10, BeckRS 2011, 17033; Hopt § 84 Rn 55 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 50. 1142 OLG Köln, Urt. v. 12.5.2017 – 19 U 84/16, VersR 2018, 550 (551/552). 1143 BGH, Urt. v. 14.11.2000, XI ZR 336/99, VersR 2001, 188 = ZIP 2000, 2291 = NJW 2001, 358 = EWiR 2001, 151 (Frisch) = MDR 2001, 283. 1144 BGH, Urt. v. 11.7.2013 – III ZR 31/12; BeckRS 2013, 14142 – Anlageberater; v. 5.3.1998 – III ZR 183/96, NJW 1998, 1854 (1857); v. 5.10.1979 – I ZR 140/77, NJW 1980, 941; OLG Köln, Urt. v. 12.5.2017 – 19 U 84/16, VersR 2018, 550 (551/552); Beschl. v. 5.4.2005 – 15 U 153/04, WM 2006, 123; Palandt/Sprau § 831 Rn 8; MünchKommBGB/Stein § 831 Rn 39; aA Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 107; Hopt § 84 Rn 55. 1145 BGH, Urt. v. 11.7.2013 – III ZR 31/12; BeckRS 2013, 14142 – Anlageberater; v. 5.3.1998 – III ZR 183/96, NJW 1998, 1854 (1857); v. 5.10.1979 – I ZR 140/77, NJW 1980, 941; WM 1971, 906 (907); OLG Köln, Beschl. v. 5.4.2005 – 15 U 153/04, WM 2006, 123 (125). 1146 OLG Köln, Beschl. v. 5.4.2005 – 15 U 153/04, WM 2006, 123 (125).

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als Verrichtungsgehilfe des Unternehmers angesehen werden sollte.1147 Der HV kann zudem Repräsentant des Unternehmers analog §§ 30, 31 BGB sein.1148 Eine solche Repräsentantenhaftung kommt in Frage, wenn der HV als Person einzuordnen wäre, der durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktion der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen wurden, so dass er die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentiert. Bei einem HV kann davon nur ausgegangen werden, wenn ihm Abschlussvollmachten und Inkassobefugnisse zugewiesen wurden oder er sonst eine in der Hierarchie des Unternehmens herausgehobene Position als Führungskraft innehat.1149 Eine Repräsentantenhaftung des HV scheidet aus, wenn es sich um einen einfachen HV1150 oder eine „Repräsentanz“ des Unternehmers1151 handelt, insb. sich ein Vermögensberater erst auf der zweiten von sieben Hierarchiestufen befand, Zahlungen des Kunden nicht entgegennehmen durfte, keine Abschlussvollmacht besaß und keine bedeutsamen Führungsfunktionen wahrnahm.1152 Zudem setzt die Repräsentantenhaftung eine Tätigkeit des HV im Rahmen der ihm zustehenden Verrichtung voraus.1153 Eine solche fehlt, wenn der HV, der mit der Vermittlung von Verträgen beauftragt war, im eigenen Namen, mit eigener Haftung und mit freier Hand handelt.1154 Insbesondere hat der Unternehmer für folgendes Verhalten des HV einzustehen: 195 – wettbewerbswidriges Verhalten (der HV ist Dritter i. S. d. § 8 Abs. 2 UWG).1155 Dem neuen Unternehmer soll dabei jedoch die wettbewerbswidrige Verwertung einer Kundenliste (Geschäftsgeheimnis i. S. d. § 17 Abs. 2 UWG) des beim bisherigen Unternehmer ausgeschiedenen HV nicht gem. § 8 Abs. 2 UWG zugerechnet werden können, weil es um eine Verwertung von Geheimnissen des früheren Unternehmers und damit nicht um eine von § 8 Abs. 2 UWG vorausgesetzte Gefährdung durch das arbeitsteilige Zusammenwirken von HV und Unternehmer geht. Der Unternehmer kann jedoch eigenverantwortlich als Störer oder als Tatbeteiligter am Geheimnisverrat haften. Eine Haftung des Unternehmers aus § 1 i. V. m. § 17 Abs. 2 UWG kommt insbesondere in Betracht, wenn der Unternehmer dem HV für „mitgebrachte“ Kunden eine Zusatzprovision von 15 % verspricht.1156 Mithin haftet der Inhaber eines hiervon profitierenden Betriebs für Spionage oder Geheimnisverrat eines HV, falls er den Verstoß beispielsweise auf die vorgenannte Weise fördert.1157 Andererseits soll ein Vertragshändler Beauftragter des Unternehmers i. S. d. § 8 Abs. 2 UWG (früher: § 13 Abs. 4 UWG) sein.1158 Zu einzelnen Wettbewerbsverstößen s. Kommentierung zu Vor § 84. – Für einen Verstoß gegen das RDG.1159

1147 Zutreffend Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 107; Hopt § 84 Rn 55. 1148 BGH, Urt. v. 14.3.2013 – III ZR BB 2013, 1039 m. Anm. Stumpf = WM 2013, 692 = ZIP 2013, 729. 1149 BGH, Urt. v. 14.3.2013 – III ZR BB 2013, 1039 m. Anm. Stumpf = WM 2013, 692 = ZIP 2013, 729, Rn 12 – vom BGH in diesem Fall verneint. Zoller GWR 2013, 345307 = GWR 2013, 180 spricht von hohen Hürden. OLG München, Urt. v. 5.12.2011 – 21 U 3455/11, BeckRS 2013, 14184. OLG Köln, Urt. v. 12.5.2017 – 19 U 84/16, VersR 2018, 550 (551/552). BGH, Urt. v. 14.3.2013 – III ZR BB 2013, 1039 m. Anm. Stumpf = WM 2013, 692 = ZIP 2013, 729 Rn 14 f. BGH, Urt. v. 14.3.2013 – III ZR BB 2013, 1039 m. Anm. Stumpf = WM 2013, 692 = ZIP 2013, 729 Rn 16; OLG München, Urt. v. 5.12.2011 – 21 U 3455/11, BeckRS 2013, 14184. 1154 BGH, Urt. v. 14.3.2013 – III ZR BB 2013, 1039 m. Anm. Stumpf = WM 2013, 692 = ZIP 2013, 729 Rn 18; OLG München, Urt. v. 5.12.2011 – 21 U 3455/11, BeckRS 2013, 14184. 1155 BGH, Urt. v. 25.9.1970 – I ZR 47/69, NJW 1970, 2294; v. 5.10.1979 – I ZR 140/77, BB 1979, 1734; v. 8.12.1994 – I ZR 189/92, NJW-RR 1995, 613; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 107; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 50; anders im Franchiserecht, vgl. BGH NJW-RR 2000, 1710. 1156 BGH GRUR 2003, 453 (454). 1157 Dittmer EWiR 2003, 731 (732). 1158 RGZ 151, 287 (291); BGH BB 1958,1002; BB 1964, 55; OLG Köln GRUR 1953, 536; Giesler/Vogels2 § 3 Rn 204. 1159 BGH ZIP 1998, 775 = BB 1998, 1656; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 107.

1150 1151 1152 1153

Emde

824

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

– –

§ 86a

Für Täuschungshandlungen nach § 123 BGB. Hier ist der HV im Verhältnis zum Unternehmer nicht Dritter.1160 Gemäß § 278 BGB1161 für die Verletzung vorvertraglicher oder vertraglicher Pflichten, sofern sie in innerem sachlichen Zusammenhang zu den Aufgaben stehen, zu deren Wahrnehmung der Mittler bestellt war.1162 Beispiele: • Unterlassene Aufklärung des Kunden,1163 etwa durch Vertriebsgesellschaften und Untervermittler,1164 z. B. im Versicherungsvertrieb1165 • Fehlerhafte Beratung beim Vertrieb von Finanzdienstleistungen.1166 Der Unternehmer haftet insbes. für die Handlungen eines als HV tätigen Anlagevermittlers, sofern zwischen dem Unternehmer und dem Anlageinteressenten ein Auskunftsvertrag geschlossen wurde. Ein solcher Vertrag mit Haftungsfolgen kommt im Rahmen der Anlagevermittlung zumindest stillschweigend zustande, falls der Interessent deutlich macht, dass er – auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen – die Kenntnisse und Verbindungen des Mittlers in Anspruch nehmen will und der Mittler wie gewünscht die Tätigkeit beginnt. Ein solcher Vertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für die Anlageentscheidung des Interessenten von besonderer Bedeutung sind1167 (siehe zur Anlageberatung Kommentierung zu § 84). Im Rahmen des auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruches ist der Geschädigte so zu stellen, als hätte er sich nicht an der Anlage beteiligt1168 • Falschangaben gegenüber dem Kunden bei Vertragsanbahnung.1169 • Die mangelhafte Formulierung des Bezugsrechtes eines Lebensversicherungsvertrages durch den HV.1170 • Untreuehandlungen eines Generalagenten des Versicherers: Veruntreut dieser, wenn er sich auch mit der Vermittlung von Vermögensanlagen befasst, von Anlageinteressenten entgegengenommenes Geld, so entfällt die Verantwortlichkeit des Versicherers nicht allein deshalb, weil der HV keine Inkassovollmacht besaß.1171 • U. U. sogar strafbares Verhalten des Vertriebsmittlers.1172

1160 RG, Recht 1923, 1250; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 107; Hopt § 84 Rn 51–55; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 24, § 86 Rn 9, 19 b, 48c, 50; MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 84 Rn 91. 1161 BGH, Urt. v. 14.5.2012 – II ZR 69/12, WM 2012, 1298 = NJW-RR 2012, 1316 = ZVertriebsR 2012, 316 = EWiR 2012, 685 (Bürk/Seidl); v. 15.3.2012 – III ZR 148/11, WM 2012, 837 m. Anm. Evers VW 2012, 600; v. 25.4.2006 – X ZR 198/ 04, NJW 2006, 2321 (2322); OLG Dresden, Urt. v. 19.11.2010 – 7 U 1358/09, VersR 2011, 910 (für den VV); OLG Celle VersR 2003, 61; AG Leipzig, Schlussurt. v. 6.4.2011 – 113 C 6263/10, BeckRS 2011, 17033; Hopt § 84 Rn 55; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 50. 1162 Abgelehnt von OLG München, Urt. v. 5.12.2011 – 21 U 3455/11, BeckRS 2013, 14184. 1163 BGH, Urt. v. 14.5.2012 – II ZR 69/12, WM 2012, 1298 = NJW-RR 2012, 1316 = ZVertriebsR 2012, 316 = EWiR 2012, 685 (Bürk/Seidl); OLG Karlsruhe, Urt. v. 2.8.2011 – 12 U 173/10, WM 2012, 2095 (2097 f.); LG Hannover EWiR § 278 BGB 2/02, 233 (Schweiger); Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 50. 1164 BGH, Urt. v. 14.5.2012 – II ZR 69/12, WM 2012, 1298 = NJW-RR 2012, 1316 = ZVertriebsR 2012, 316 = EWiR 2012, 685 (Bürk/Seidl), OLG Karlsruhe, Urt. v. 2.8.2011 – 12 U 173/10, WM 2012, 2095 (2098). 1165 OLG Karlsruhe, Urt. v. 2.8.2011 – 12 U 173/10, WM 2012, 2095 (2098). 1166 OLG Celle VersR 2003, 61. 1167 BGH, Urt. v. 25.10.2007 – III ZR 100/06, VersR 2008, 352; v. 13.5.1993 – III ZR 25/92, VersR 1993, 1104 = NJW– RR 1993, 1114; v. 13.1.2000 – III ZR 62/99, VersR 2001, 240; v. 11.9.2003 – III ZR 381/02, NJW–RR 2003, 1690; v. 19.10.2006 – III ZR 122/05, VersR 2007, 63 (64) = NJW–RR 2007, 348 (349); v. 22.3.2007 – III ZR 218/06, VersR 2007, 944 (945) = NJW–RR 2007, 925; v. 12.7.2007 – III ZR 83/06, VersR 2007, 1653 (1654) = WM 2007, 1606 (1607). 1168 LG Wuppertal, Urt. v. 13.3.2013 – 3 O 308/12, BeckRS 2014, 05123. 1169 BGH ZIP 2000, 2291; Westphal BB 1999, 2517; Kieninger AcP 199, 190; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 107. 1170 OLG Hamm, Urt. v. 14.1.2009 – 20 U 40/08, NJW-RR 2009, 1409. 1171 BGH, Urt. v. 10.2.2005 – III ZR 258/04, WM 2005, 701. 1172 BGH, Urt. v. 15.3.2012 – III ZR 148/11, WM 2012, 837 m. Anm. Evers VW 2012, 600. 825

Emde

§ 86a







1. Buch. Handelsstand

Fehlt es an einem inneren sachlichen Zusammenhang zu den Aufgaben, zu deren Wahrnehmung der Mittler bestellt war, scheidet eine Haftung nach § 278 BGB aus.1173 Beispiel: • Angeblich wenn ein Vermögensberater empfiehlt, einzuzahlende Gelder nicht Dritten zu geben, sondern ihm persönlich, noch dazu in bar, ohne dass der Anleger jemals eine Quittung, einen Kontoauszug oder ähnliches erhalten oder auch nur verlangt hat, und dem Mittler freie Hand bei der Geldanlage gegeben wurde (bei Zusicherung nur seiner persönlichen Haftung).1174 • Bei betrügerischen Handeln eines Versicherungsvertreter, wenn dieser den ihm übertragenen Aufgabenbereich verlässt und seinen Kunden Kapitalanlagen verkauft, die einzig seiner Phantasie entsprungen sind und in keinem sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben stehen, mit welchen der HV betraut war.1175 unerlaubte Handlungen des HV bei (ausnahmsweise vorliegender) weisungsgebundener Tätigkeit gem. § 831 BGB.1176 Regelmäßig ist der HV aber kein Verrichtungsgehilfe, s. o. Eine arglistige Täuschung des Vermittlers wird einer kreditgebenden Bank zugerechnet, wenn Verkäufer oder Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken und die Unrichtigkeit der erfolgten Angaben nach den Umständen des Falles objektiv evident ist, so dass sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen.1177 Für ein arglistiges Verhalten genügt es, wenn der Vermittler unrichtige Behauptungen ins Blaue hinein aufstellt.1178 Hier liegt mittäterschaftliche Begehung vor. Die Kenntnis oder das Kennenmüssen von Umständen, die der HV in Ausübung seiner Tätigkeit erlangt (§ 166 BGB).1179 So darf sich ein Unternehmer, der sich für den Abschluss von Darlehensverträgen selbstständiger Vermittler bedient, nicht über deren behauptete Vorgehensweise in Unkenntnis halten und jene pauschal oder mit Nichtwissen bestreiten.1180 Für Zusicherungen und Versprechungen auch des Vermittlungsvertreters,1181 wenn diese vom Unternehmer trotz Kenntnis nicht berichtigt werden und der Kunde im Vertrauen auf sie den Vertrag mit dem Unternehmer schließt. Gem. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB gehören zur Beschaffenheit einer Sache Eigenschaften, welche der Käufer nach öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen erwarten kann. Westermann1182 stellt die von ihm unbeantwortet gelassene Frage, ob deshalb auch für Aussagen einer unmittelbar nicht am Vertrag beteiligten Agentur oder eines Vertragshändlers gehaftet wird. Die Frage ist wohl differenziert zu beantworten1183: Grundsätzlich ja, soweit der Unternehmer die Aussage kennt. Denn sowohl HV wie Vertragshändler sind als Teile des Vertriebssystem „geborene“ Quellen von Äußerungen über Eigenschaften der in Frage stehenden Sache. Jedoch nein, falls der Käufer die Äußerung nicht kannte, weil sie dann die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte (§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB letzter Satzteil). Der Unternehmer kann ggf. u. U. gem. §§ 119 ff. BGB anfechten.1184

1173 1174 1175 1176 1177

OLG München, Urt. v. 5.12.2011 – 21 U 3455/11, BeckRS 2013, 14184. OLG München, Urt. v. 5.12.2011 – 21 U 3455/11, BeckRS 2013, 14184. OLG Hamm, Urt. v. 27.7.2004 – 4 U 63/04, VersR 2005, 104. Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 107; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 50. BGH, Urt. v. 23.10.2007 – WM 2008, 154 Rn 21; OLG München, Beschl. v. 6.9.2010 – 5 W 1997/10, WM 2010, 2223 (2224). 1178 BGH, Urt. v. 23.10.2007 – WM 2008, 154 Rn 24; OLG München, Beschl. v. 6.9.2010 – 5 W 1997/10, WM 2010, 2223 (2224). 1179 Teichler VersR 2002, 385 (389); Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 6c. 1180 OLG München, Urt. v. 27.4.2006 – 19 U 3717/04, NJW 2006, 1811. 1181 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 6b. 1182 NJW 2002, 241 (245). 1183 Emde VersR 2003, 419 (426). 1184 Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 6b. Emde

826

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 86a

3. Fehlende Haftung des Unternehmers gegenüber Dritten Im Übrigen sind Verstöße des Mittlers gegen gesetzliche Verbote bei der Ausübung seiner ver- 196 traglich geschuldeten Vertriebstätigkeit dem Unternehmer im Regelfall nicht anzulasten.1185 So haftet der Unternehmer nicht: – Für die wettbewerbswidrige Werbung eines Franchisenehmers. Sofern der Franchisegeber die im Streite stehende Werbung nicht veranlasst hat, kommt allenfalls ein Verstoß durch Unterlassen in Betracht. Dieser setzt eine Erfolgsabwendungspflicht voraus, welche sich insbesondere nicht aus der Überlassung von „good will“ ergibt. Eine möglicherweise in Betracht kommende Störerhaftung kann nur Abwehr-, nicht aber die geforderten Schadenersatzansprüche begründen.1186 – Für gegen seine Vertriebsmittler, etwa Franchisenehmer, gerichtete vertragliche Ansprüche, falls keiner der o. g. Zurechnungstatbestände vorliegt. Sofern bei Vertragsschluss nicht weitere Umstände vorliegen, führt allein die Tatsache, dass innerhalb eines Vertriebs- oder Franchisesystems Marken oder sonstige Kennzeichen einheitlich als Bestandteil zur Bildung von weitere Bestandteile enthaltenden Firmen oder sonstigen geschäftlichen Bezeichnungen verwendet werden, nicht zur Verpflichtung des Franchisegeber, anderer Franchisenehmer oder anderer Vertriebsmittler nach Rechtsscheingrundsätzen.1187 Wie zu entscheiden wäre, falls identische Bezeichnungen verwendet werden, ohne dass ersichtlich wird, dass es sich um rechtlich selbstständige Unternehmen handelt, ließ der BGH1188 offen. – Für die vom Mittler gefertigten und verwendeten AGB.1189

III. Haftung von Dritten Auch Dritte können ausnahmsweise haften. So kann die deutsche Tochtergesellschaft ei- 197 nes ausländischen Franchisegebers als Verhandlungsgehilfe des Franchisegebers wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten selbst haften, weil sie ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrages hat und gleichsam in eigener Sache tätig wird, wenn sie eine selbst übernommene Gewähr für die Richtigkeit einer von ihr übergebenen Wirtschaftlichkeitsberechnung übernimmt, indem sie zusichert, im Falle eines Scheiterns des Projekts werde sie das Franchiseobjekt übernehmen, „wie sich das für eine große Franchisefamilie gehöre“.1190

IV. Beweislast in Haftungstatbeständen Nach § 280 Abs. 1 BGB sind eine Pflichtverletzung, die Entstehung eines Schadens nach 198 Grund und Höhe und der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden1191 von dem Fordernden darzulegen und zu beweisen.1192 Das Nichtvertretenmüssen ist jedoch gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ein Einwendungstatbestand, für welchen der Schuldner beweispflichtig ist.1193 Von dieser Beweislastverteilung ist nur insoweit abzuweichen, als der in

1185 1186 1187 1188 1189 1190 1191 1192 1193

BGH BB 1998, 1656 m. Anm. Cordes BB 1998, 1657. BGH, Urt. v. 6.4.2000 – I ZR 67/98, NJW-RR 2000, 1710 = NJW 2001, 441 (LS) = MDR 2001, 163. BGH, Urt. v. 18.12.2007 – X ZR 137/04; DB 2008, 812 (813). BGH, Urt. v. 18.12.2007 – X ZR 137/04, DB 2008, 812 (813). BGH, Beschl. v. 22.7.2009 – IV ZR 74/08, VersR 2009, 1477 m. Anm. Steinkühler/Kassing zum Maklerrecht. BGH, Urt. v. 13.12.2005 – KZR 12/04, NJW–RR 2006, 993. BGH NJW 1974, 795; Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 65; Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 63. Küstner/Thume I5 Kap. IV Rn 65. BGH NJW 1974, 795; Palandt/Heinrichs § 280 Rn 34; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 70; Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 45. 827

Emde

§ 86a

1. Buch. Handelsstand

Anspruch Genommene die Erfüllung beweisen muss, wenn der Anspruchsteller die Leistung nicht als Erfüllung angenommen hat (§ 363 BGB). Oft werden die Pflichtverletzungen erst im Nachhinein entdeckt, so dass die Leistung als Erfüllung angenommen wurde. Folglich bleibt es hier bei der vorgenannten Beweislastverteilung. Der HV muss zudem eventuelle Aufwendungen sowie deren Nutzlosigkeit und Entbehrlichkeit im Falle eines vertragsgemäßen Handelns des Unternehmers nachweisen. Die Schadenshöhe und der entgangene Gewinn darf gem. § 252 BGB, § 287 ZPO geschätzt werden, falls sich ein konkreter Schaden nicht nachweisen lässt.1194 Der Unternehmer muss gegenüber einem Schadensersatzbegehren des HV wegen der Nichtausführung eines Geschäftes beweisen, dass er ein von dem Vermittlungsvertreter angetragenes Geschäft nicht abgeschlossen hätte.1195 Hiergegen kann der HV einwenden, eine derartige Ablehnung sei willkürlich und unvertretbar.1196 Ein Kfz-Händler, der gegenüber dem Hersteller einen Kündigungsschaden geltend macht, genügt seiner Darlegungslast, wenn er den Rohertrag je Fahrzeugverkauf angibt und davon die nach seiner Ansicht ersparten Betriebskosten (hier in Höhe von EUR 80 je Einheit) absetzt.1197 Die Beweislast für ersparte Aufwendungen des Mittlers liegt beim Unternehmer.1198 Die vom Hersteller behaupteten durchschnittlich ersparten1199 Aufwendungen anderer Kfz-Händler darf der Händler mit Nichtwissen bestreiten.1200

BGH NJW-RR 1988, 1060 (1061); Ebenroth/Löwisch3 § 86a Rn 63. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 24. Schlegelberger/Schröder § 86a Rn 24. BGH, Urt. v. 22.3.2006 – VIII ZR 173/04, WM 2006, 1403 = NJW-RR 2006, 1328 = VersR 2006, 1640. Ebenroth/Löwisch3 § 89a Rn 104. Es ist eine berechtigte Frage, ob solche ersparten Aufwendungen überhaupt abzusetzen sind: Denn aus den Rabatten sollen gerade die Kosten bezahlt werden. 1200 BGH, Urt. v. 22.3.2006 – VIII ZR 173/04, WM 2006, 1403 = NJW-RR 2006, 1328 = VersR 2006, 1640.

1194 1195 1196 1197 1198 1199

Emde

828

§ 86b [Delkredereprovision] (1)

1

Verpflichtet sich ein Handelsvertreter, für die Erfüllung der Verbindlichkeit aus einem Geschäft einzustehen, so kann er eine besondere Vergütung (Delkredereprovision) beanspruchen; der Anspruch kann im voraus nicht ausgeschlossen werden. 2Die Verpflichtung kann nur für ein bestimmtes Geschäft oder für solche Geschäfte mit bestimmten Dritten übernommen werden, die der Handelsvertreter vermittelt oder abschließt. 3Die Übernahme bedarf der Schriftform. (2) Der Anspruch auf die Delkredereprovision entsteht mit dem Abschluss des Geschäfts. (3) 1Absatz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer oder der Dritte seine Niederlassung oder beim Fehlen einer solchen seinen Wohnsitz im Ausland hat. 2Er gilt ferner nicht für Geschäfte, zu deren Abschluss und Ausführung der Handelsvertreter unbeschränkt bevollmächtigt ist.

Schrifttum V. Brunn Weitere Zweifelsfragen zum neuen Recht der Handelsvertreter, NJW 1954, 56; Castan Rechtsfragen des Delcredere, BB 1957 1124 ff; Eberstein Zehn Jahre Rechtsprechung zum neuen Handelsvertreterrecht, BB 1964, 271; Glaser Vergütungsfragen des Handelsvertreterrechts, DB 1956, 297; Masing Die Delkrederevereinbarung nach § 86b Abs. 3 HGB, BB 1995, 2589; Schröder Gesetzlicher und vertraglicher Provisionsanspruch des Handelsvertreters, BB 1963, 567; Valdini Die Delkrederehaftung des Handelsvertreters, ZVertriebsR 2016, 207.

Übersicht VII. Wirksames Delkredereversprechen

1

A.

Zweck des Delkredere

B.

Systematische Stellung

C.

Europarecht

D.

Rechtsnatur und Haftungsumfang

E.

Absatz 1

I.

Verpflichtung

II.

Handelsvertreter

III.

Berechtigter des Delkredereversprechens

IV.

Für die Erfüllung der Verbindlichkeit aus einem 12 Geschäft einzustehen

V.

Schriftform

VI.

Nur für ein bestimmtes Geschäft oder für solche Geschäfte mit bestimmten Dritten, die der HV 17 vermittelt oder abschließt 19 Bestimmtes Geschäft Geschäfte mit bestimmten Dritten, die der HV 20 vermittelt oder abschließt 21 Wegfall der Delkrederehaftung

1. 2. 3.

3

22

VIII. Berechnung des Delkredereanspruchs durch 23 den HV

4 24

IX.

Die Delkredereprovision – Rechtsgrund

F.

Höhe der Delkredereprovision

I.

Vertraglich vereinbarte Höhe

II.

Fehlende Vereinbarung

G.

Unabdingbarkeit

H.

Rechtsfolge der Verfehlung der zwingenden Tatbestandsvoraussetzungen – Umdeu29 tung

I.

Absatz 2: Fälligkeit der Delkredereprovi30 sion

J.

Wegfall des Anspruchs auf Delkredereprovi31 sion

K.

Absatz 3: Ausnahmefälle

I.

Gegenständliche Reichweite der Ausnah32 men

5 25

9 25

9 27

10

15

829 https://doi.org/10.1515/9783110558401-006

28

11

32

Emde

§ 86b

1. Buch. Handelsstand

II.

Auslandsgeschäfte

35

III.

Geschäfte, zu deren Abschluss und Ausführung der Handelsvertreter unbeschränkt bevollmäch37 tigt ist – Abs. 3 S. 2

L.

Das Delkredereversprechen im Massenge38 schäft

M.

Der Delkredereanspruch in der Insol39 venz

40

N.

Beweislast

O.

Kartellrecht

P.

Die Delkrederevereinbarung als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 2 42 Nr. 8 KWG?

41

A. Zweck des Delkredere 1 In § 86b ist die Delkredereprovision des HV geregelt. Tatsächlich hat die Norm wenig Bedeutung,1 außer vielleicht im Auslandsgeschäft.2 Die Übernahme der Einstandspflicht nennt das Gesetz mit einem altertümlichen, aus dem Italienischen stammenden Ausdruck der Handelssprache Delcredere (in der amtlichen Schreibweise: Delkredere). Wiewohl der HV bereits unter der ihm nach § 86 Abs. 1 obliegenden Interessenwahrungspflicht gehalten ist, die Leistungs-, insbesondere die Zahlungsfähigkeit des Kunden, zu dem er in geschäftliche Verbindung tritt, zu prüfen (§ 86 Rn 67 ff.), hat er ohne gesonderte, in § 86b angesprochene Abrede für die Erfüllung der Verbindlichkeit dieses Kunden aus dem für den Unternehmer vermittelten Geschäft grundsätzlich nicht einzustehen.3 Er wird dem Unternehmer allenfalls schadensersatzpflichtig (negatives Interesse),4 wenn er es in diesem Punkte an der gehörigen Sorgfalt hat fehlen lassen oder falls er den Unternehmer über bestehende Bedenken nicht pflichtgemäß unterrichtet hat.5 Sonst aber ist es das Risiko des Unternehmers, sofern der Kunde nicht leistet,6 Schadensersatzansprüche gegen den Kunden nicht gegeben oder nicht durchsetzbar sind. Deswegen führt § 86b, außer in den Fällen des Abs. 3 und bei vertraglichem Ausschluss des § 92c, zum Schutz des HV7 für die Begründung der Delkrederehaftung inhaltliche und förmliche Voraussetzungen ein und der Unternehmer schuldet kraft Gesetzes eine Vergütung, die Delkredereprovision. 2 Die Befürchtung fehlender Durchsetzbarkeit der gegen den prospektiven Kunden gerichteten Forderung könnte den Unternehmer veranlassen, von dem Abschluss des vermittelten Geschäfts abzusehen. Das wiederum berührt das Provisionsinteresse des HV. Dieser mag ein Interesse daran haben, die Befürchtungen zu neutralisieren, indem er selbst es übernimmt, für die Erfüllung durch den Kunden einzustehen.8 Die Norm schützt einerseits den HV durch die Schriftform und die Delkredereprovision vor dem wirtschaftlichen Druck des Unternehmers.9 Andererseits soll sie es ihm ermöglichen, freier im Markt agieren zu können, ohne besondere Rücksicht auf das Vergütungsinteresse des Unternehmens nehmen zu müssen. Zudem ist der 1 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 1. 2 Masing BB 1995, 2589; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 1. 3 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 20; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 1; Hopt § 86b Rn 1; Oetker/Busche3 § 86b Rn 1. LG Heidelberg BB 1955, 942; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 1; Hopt § 86b Rn 1. Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 1. Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 20; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 1. BGH, Urt. v. 31.3.1982 – I ZR 60/80, WM 1982, 1152; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 1; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 1; Hopt § 86b Rn 2; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 2, 36; Masing BB 1995, 2589 (2592); Oetker/Busche3 § 86b Rn 2; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 2. 8 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 1; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 2, 9; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 14; Oetker/Busche3 § 86b Rn 1. 9 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 21.

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HV oft besser als der Unternehmer in der Lage, die Erfüllungsbereitschaft und die Zahlungsfähigkeit der von ihm vermittelten Kunden zu beurteilen,10 so dass die Einstandspflicht auch ein Mittel der Disziplinierung des HV ist, weil er dort besonders sorgsam prüfen wird, wo er selbst eine finanzielle Verantwortlichkeit befürchten muss. Häufig will der Unternehmer die aus dem Delkredere entstehende Pflicht zur Zahlung der Delkredereprovision umgehen; stattdessen soll der HV eine Sicherheitsleistung durch den Kunden fordern. Die fehlende Forderung begründet dann eine Schadenersatzpflicht des HV.11

B. Systematische Stellung Der Gesetzeswortlaut stellt die Verpflichtung des Unternehmers auf Zahlung einer gesonderten 3 Vergütung in den Vordergrund, obwohl eigentlich der HV die vertragscharakteristische Leistung – Übernahme des Risikos – erbringt. Betont man die Leistung des HV, mag man sich fragen, ob die Vorschrift – nach ihrer Stellung von § 86 (Pflichten des HV) getrennt – nicht besser als § 86a in das Gesetz eingefügt worden wäre. Sieht man eher auf die Gegenleistung des Unternehmers, wäre es wohl richtig gewesen, sie nach § 87a und vor § 87b einzufügen, zumal § 87b auch für die Delkredereprovision gilt.12 § 86b trifft hinsichtlich des Anspruchsgrundes gegenüber § 354 eine Sonderregelung.13 Das Schicksal der Provision regelt § 86b nicht. Es bestimmt sich nach § 87a Abs. 2, 3.

C. Europarecht § 86b hat kein Vorbild in der RL.14

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D. Rechtsnatur und Haftungsumfang Das Delkredere ist im Zweifel gem. § 349 S. 1 selbstschuldnerische Bürgschaft,15 wie schon 5 der § 765 Abs. 1 BGB weitgehend gleichende Wortlaut des § 86b Abs. 1 zeigt. Garantiezusage oder Schuldbeitritt liegen regelmäßig nicht vor.16 Jedoch kann das Delkredere auch als Schuldbeitritt, Schuldversprechen oder Garantie ausgestaltet werden,17 wobei diese Abweichung vom Regelfall durch denjenigen zu beweisen wäre, der sich auf sie beruft. Eine Garantieübernahme 10 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 2; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 1; Oetker/Busche3 § 86b Rn 1. 11 Steinhauer BB 2009, 2386 (2387). 12 Hopt § 86b Rn 10. 13 BGH, Urt. v. 24.10.1966 – VII ZR 219/64, LM Nr. 1 = MDR 1967, 37; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 13. 14 ABl. EG v. 31.12.1986, Nr. L 382/17, wiedergegeben bei Hopt Materialien I und Ebenroth/Hakenberg3 vor § 84 Anh. I; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 2. Zu den Zielen der RL ausführlich Eberstein S. 20 ff. 15 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (209); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 3; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 344; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 168; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 2; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 4; Hopt § 86b Rn 6 (einfache Bürgschaft); RGRK-BGB/Mormann vor § 765 Rn 9; Masing BB 1995, 2589; Oetker/Busche3 § 86b Rn 6; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 3. aA zwingend Bürgschaft: MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 5; Castan BB 1957, 1124; vgl. auch RGZ 107, 194 (195); RG HRR 1935 Nr. 1054; offen gelassen in BGH WM 1982, 1152 (1153). 16 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 344. 17 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (209); Kapp/Schumacher EuZW 2008, 167; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 4; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 4; Hopt § 86b Rn 6; RGRK-BGB/Mormann Vor § 765 Rn 9; Masing BB 1995, 2589; Oetker/Busche3 § 86b Rn 6. 831

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wäre nicht akzessorisch zu einer bestehenden Leistungspflicht des Kunden (diese könnte nichtig oder schwebend unwirksam sein; der Garant hätte trotzdem zu leisten und erwürbe nicht einmal immer einen Rückgriff nach Art des § 774 BGB). Der Schuldbeitritt könnte zwar auch durch Vertrag zwischen HV und Unternehmer erfolgen. Doch deckt er im Gegensatz zur Bürgschaft die zu sichernde Forderung nicht in ihrem jeweiligen Bestand, wie sich aus § 42518 ergibt. Die Einordnung als Bürgschaft hat demgegenüber den Vorzug einer klaren, nicht erst durch Auslegung festzustellenden Rechtslage. Auf sonstige schuldsichernde Vereinbarungen soll § 86b nicht anwendbar sein, höchstens im Wege der Analogie.19 Unabhängig von der Rechtsnatur des Haftungsversprechens gelten – schon wegen der zwingenden Natur des § 86b – die TBVoraussetzungen des § 86b, insb. das Schriftformerfordernis, und die Rechtsfolge, die Verpflichtung zur Zahlung einer Delkredereprovision, als lex specialis – nach aA analog20 – auch für ein Delkredereversprechen in Form einer Garantiezusage, eines Schuldbeitritts oder eines Schuldversprechens.21 Regelmäßig greift also ergänzend Bürgschaftsrecht ein22 und, soweit der HV Vollkauf6 mann ist, subsidiär das Recht der Handelsbürgschaft. Für das allgemeine Bürgschaftsrecht bedeutet das insbesondere: Kraft Übernahme des Delkredere haftet der HV für die Forderung des Unternehmers gegen den Kunden in ihrem jeweiligen Bestand,23 deshalb auch für den an ihre Stelle tretenden Schadensersatzanspruch24 wegen Nichterfüllung (§ 767 Abs. 1 S. 1, 2 BGB) und ebenso für die Kosten der Rechtsverfolgung (§ 767 Abs. 2 BGB), aber auch für Folgeansprüche, wenn das Geschäft mit dem Kunden nichtig, durch Anfechtung vernichtet oder durch Rücktritt wieder aufgehoben worden ist (Bereicherungsansprüche,25 Ansprüche auf das negative Interesse nach § 122 BGB;26 siehe unten, Rn 11, 20). Einreden des Kunden gegen die Forderung stehen ebenso dem HV zu (§§ 768, 770 BGB).27 Der HV, der den Unternehmer befriedigt, erwirbt die Forderung gegen den Kunden nach Maßgabe des § 774 BGB.28 7 Ist der HV Kaufmann, gilt zwar (wegen Abs. 1 S. 3) nicht die Formfreiheit des § 350 (Rn 15). Fraglich ist, ob § 349 Geltung beansprucht, demzufolge (nur) dem kaufmännischen HV die Einrede der Vorausklage nach § 771 BGB nicht zusteht. Das ist zwar eigentlich der Fall.29 Doch widerspräche es dem besonderen Loyalitätsverhältnis zwischen HV und Unternehmer,30 dass dieser, sofern er durch freiwilliges Entgegenkommen gegenüber dem Hauptschuldner (den er verklagen könnte) seine geschäftlichen Belange selbst schädigt, die dadurch entstehende Einbuße im direkten Zugriff per Delkrederehaftung auf den HV abwälzen dürfte. Deshalb wird man der – von Schmidt-Rimpler S. 96 im Zweifel als vereinbart anzusehenden – Einschränkung beitreten müssen, dass der Unternehmer vor Inanspruchnahme des HV wenigstens den Versuch 18 RGZ 135, 108. 19 Hopt § 86b Rn 6; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 6; offen gelassen von Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 3. 20 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 4; Hopt § 86b Rn 6; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 6. 21 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 30; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 10, 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 6. 22 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 3; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 2; Oetker/Busche3 § 86b Rn 1; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 3. 23 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 181. 24 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 181. 25 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 181. 26 Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 6. 27 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 344; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 19; Hopt § 86b Rn 8; Oetker/ Busche3 § 86b Rn 7; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 12. 28 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 168. 29 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 3, 19; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 169; Oetker/ Busche3 § 86b Rn 7; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 3. 30 Oetker/Busche3 § 86b Rn 7; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 3. Emde

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macht, die Leistung vom Dritten zu erlangen,31 und dem HV ggf. die Einrede gewährt wird, der Unternehmer habe jenen Versuch gar nicht unternommen.32 Der Unternehmer muss deshalb regelmäßig auch dann zuerst gegen den Kunden vorgehen, wenn der Vertrag als Garantie einzuordnen wäre.33 Eine abweichende Vereinbarung dürfte trotz der zwingenden Natur der Treupflicht angesichts ihrer Konkretisierbarkeit wohl noch zulässig sein.34 Klage und Vollstreckung gegen den Kunden sind gleichwohl nicht erforderlich, so weit reicht die Rücksichtnahmepflicht des Unternehmers nicht.35 Klagen und vollstrecken muss ggf. der HV, der mit der Befriedigung des Unternehmers nicht nur den Provisionsanspruch nach § 87a,36 sondern auch die Forderung des Unternehmers gegen den Kunden nach § 774 BGB erwirbt.37 Er ist allerdings den Einreden ausgesetzt, welche dem Kunden gegen den Unternehmer oder etwa unmittelbar gegen den HV zustehen.38 Die Rspr. hat sich dem angeschlossen.39 Schon früher hatte die kaufmännische Praxis den gleichen Standpunkt eingenommen; vgl. Gutachten der Ind.- u. Handelsk. Berlin III Nr. 240 und der Handelskammer Breslau N. F. 42; Handelsbrauch a. a. O. Nr. 206–214, wonach die Übernahme des Delkredere seitens eines HV handelsüblich sogar nur einer Ausfalls- oder Schadloshaltungsbürgschaft gleichzuachten ist, so dass der Unternehmer zunächst gegen den Kunden klagbar werden muss. Immerhin wird diese Einschränkung nur soweit Geltung beanspruchen können, wie die Loyalitätsbindung reicht. Sollte der HV kein Kaufmann sein, gilt § 349 S. 1 BGB ohnehin nicht. § 86b Abs. 1 S. 2 nennt bestimmte Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Übernahme des 8 Delkredererisikos, die über diejenigen der Bürgschaft hinausgehen. Gegenüber der Bürgschaft gibt es daher im Wesentlichen drei Abweichungen, welche die Sonderregelung des § 86b rechtfertigen: – Zum einen ist eine Vergütung für die Bürgschaftsübernahme vorgeschrieben (§ 86b Abs. 1 Hs. 1); dieser Anspruch ist zudem zwingend; – die Bürgschaft kann nur für ein bestimmtes Geschäft oder für solche Geschäfte mit bestimmten Dritten übernommen werden, die der HV vermittelt oder abschließt (§ 86b Abs. 1 S. 2) – „Bestimmtheitserfordernis“; – schließlich ist die Bürgschaftsverpflichtung zwingend schriftlich zu fassen (dies Erfordernis ist logischerweise unabdingbar40) und verdrängt § 350.41 Selbst wenn der HV also Kaufmann ist, bleibt § 86b Abs. 1 S. 3 lex specialis, so dass die Schriftform der Übernahmeerklärung gefordert wird. Die Annahmeerklärung des Unternehmers ist dagegen an keine Form gebunden (ebenso § 766 BGB42).

31 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 170; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 19; Oetker/Busche3 § 86b Rn 7; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 3.

32 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 170; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 19; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 18a. 33 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 30; Hopt § 86b Rn 8; aA Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 20; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 11; Oetker/Busche3 § 86b Rn 7. 34 Hopt § 86b Rn 8. 35 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 168; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 19; Ebenroth/ Löwisch3 § 86b Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 5, 20; Oetker/Busche3 § 86b Rn 7; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 18a; Masing BB 1995, 2589 (2595); nach Castan BB 1957, 1124 (1125) nur bei Nichtverschulden des HV. 36 Masing BB 1995, 2589 (2596); Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 19. 37 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 168; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 19; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 18d; Castan BB 1957, 1124 (1125); Masing BB 1995, 2589 (2596). 38 Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 18d. 39 RG HRR 1935 Nr. 1054 unter Berufung auf § 242 BGB. 40 Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 12; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 11. 41 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208); Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 11. 42 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 11. 833

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E. Absatz 1 I. Verpflichtung 9 Das Delkredere muss durch eine inhaltlich eindeutige rechtsverbindliche Vereinbarung („Verpflichtung“) mit einseitiger Schriftform (Rn 15 f.) begründet werden.43 Erforderlich ist der klar feststellbare Wille beider Vertragsparteien zur Begründung der Haftung des HV;44 es muss eine hinreichend klare Verpflichtungserklärung vorliegen.45 Nicht erforderlich ist, dass die Rechtsfolge des § 86b – besondere Vergütung – genannt wird.46 Sie ergibt sich – nicht anders als die Karenzentschädigung des § 90a – als Rechtsfolge automatisch aus der Übernahme des Delkredere selbst.47 Was automatisch aus einem TB-Merkmal folgt, braucht nicht besonders geregelt zu werden. Wegen der Leitbildwirkung der Delkrederevergütung und der erforderlichen Transparenz ließe sich allenfalls in AGB gem. § 307 BGB Abweichendes vertreten. Ohne die Delkrederevereinbarung schuldet der HV kein Einstehen für die Erfüllung der Verbindlichkeiten eines Kunden. Der Gebrauch des Ausdrucks Delkredere ist zwar nicht vorausgesetzt. Wohl aber ist bei Formulierungen, die nicht eindeutig auf ein Einstehen-Wollen hindeuten, stets zu prüfen, ob wirklich eine Einstandspflicht gemeint gewesen ist; z. B. ob in der Erklärung „die Firma X ist gut, ich übernehme für diese Firma die volle Verantwortung“ nur eine Kreditauskunft des HV oder die Erklärung zu erblicken ist, Delkredere stehen zu wollen.48 Bloße Mitteilungen über Bonität, Zahlungsfähigkeit oder Erfüllungsbereitschaft eines Kunden sind noch keine Delkredereerklärung.49 Im Zweifel ist die Übernahme des Delkredere zu verneinen.50 Die Verpflichtungserklärung des HV muss der Unternehmer annehmen, notfalls als für sich günstig gem. § 151 BGB. Es handelt sich dann um einen Vertrag, bei dem das Delkredereversprechen des HV einerseits und die Delkredereprovision des Unternehmers andererseits im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Ein einseitiger „Verzicht“ des Unternehmers auf die Delkrederehaftung ist deshalb nicht möglich.51 Oft aber wird der HV das darin liegende Angebot auf einen Aufhebungsvertrag annehmen, auch hier ggf. nach § 151 BGB.

II. Handelsvertreter 10 Es muss eine Verpflichtung des HV vorliegen. Zum Begriff des HV § 84. Jeder HV kann die Delkredereerklärung abgeben, sei er Verkaufs- oder Einkaufsvertreter.52 Auf handelsvertreterähnliche Vertriebsmittler, insb. Kommissionsagenten,53 Vertragshändler54 oder FN,55 passt die Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208); Oetker/Busche3 § 86b Rn 5. Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 3. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 5. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 184. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 184. OLG München JW 1930, 1427. OLG München JW 1930, 1424; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 3; Oetker/Busche3 § 86b Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 4. 50 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 5; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 3; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 86b Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 7; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 4. 51 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 28; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 17; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 26. 52 Castan BB 1957, 1124 (1125, 1127); Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 4. 53 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 60. 54 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 58; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 31; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 3. 55 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 59; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 31; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 3.

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Vorschrift nicht,56 weil diese regelmäßig ihre Geschäfte selbst abschließen und mithin keine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Die Analogievoraussetzungen dürften daher fehlen.57

III. Berechtigter des Delkredereversprechens Berechtigter des Delkredereversprechens ist der Unternehmer; er ist hinsichtlich der Delkredere- 11 provision passiv legitimiert.

IV. Für die Erfüllung der Verbindlichkeit aus einem Geschäft einzustehen Der HV muss sich verpflichten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit aus einem Geschäft einzuste- 12 hen. Das Delkredere begründet eine Wertersatzhaftung für eine „Verbindlichkeit“.58 Der genaue Inhalt der Einstandspflicht steht zur Disposition der Vertragspartner,59 weil § 86b Abs. 1 insoweit nicht zwingend ist. Eine Leitbildwirkung des § 86b gibt es nur bei der Prüfung von AGB. In der Regel handelt es sich bei der „Verbindlichkeit“ um den gegen den Kunden gerichteten Anspruch des Unternehmers auf Gegenleistung, d. h. auf Erfüllung.60 Jedoch können auch alle anderen Ansprüche aus dem Geschäft gesichert sein,61 was jeweils durch Auslegung zu ermitteln ist62: Übernommen wird je nach Gestaltung Wertersatz für eine Zahlungs-, Sach- oder Dienstleistungspflicht des Kunden. Im Zweifel erstreckt sich das uneingeschränkt übernommene Delkredere auch auf Neben-, Sekundär- und Abwicklungsansprüche des Unternehmers gegen den Kunden,63 etwa aus Verzug, Schlechterfüllung, Nichterfüllung, Rückabwicklung, § 812 BGB,64 Vertragsstrafe,65 vorvertraglichen Ansprüchen66 etc. sowie auf Ersatz der dem Unternehmer durch die Beitreibung der Kundenforderung entstehenden Kosten.67 Soll das Delkredere eine so weit gehende Wirkung nicht haben, müssen die Parteien das hinreichend deutlich regeln.68 Auch kann das Delkredere auf die Primär- oder Hauptleistungspflicht des Kunden aus dem Vertrag beschränkt werden.69 Die Einstandspflicht erstreckt sich nur auf Bestimmungen, die in den Verträgen mit 13 Kunden der betreffenden Branche üblich sind, wobei insoweit eine weite Auslegung zu Gunsten des Unternehmers angezeigt ist. Mit mehr braucht der HV nicht zu rechnen und auf Weiteres erstreckt sich seine Erklärung zur Delkredereübernahme im Zweifel nicht. Soll sich die Einstandspflicht auch auf außergewöhnliche Verpflichtungen beziehen, etwa auf besonders belastende Vertragsstrafeversprechen oder andere ungewöhnliche Ansprüche, muss der Unternehmer den HV unzweideutig auf das übernommene Risiko hinweisen und sich der HV zur Übernahme verpflichten, anderenfalls ist es von der Einstandspflicht nicht erfasst.70 Unwirksam 56 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 31; Hopt § 84 Rn 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 3. 57 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 58 ff. 58 Masing BB 1995, 2589 (2595); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 21; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 6. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 182. Hopt § 86b Rn 7; Oetker/Busche3 § 86b Rn 11. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 21; Hopt § 86b Rn 7. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 21. Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 6; Hopt § 86b Rn 7. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 181; Hopt § 86b Rn 7; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 12. Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 6; Hopt § 86b Rn 7. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 181; Hopt § 86b Rn 7. Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 6; Hopt § 86b Rn 4; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 18c; Masing BB 1995, 2589 (2595); vgl. OLG Karlsruhe VersR 1973, 857 (859); BB 1974, 904. 68 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 6. 69 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 6. 70 AA wohl Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 6.

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ist die Bestimmung, welche dem HV die Kosten des gerichtlichen Vorgehens gegen einen bestimmten Kunden oder in jedem Falle bei Zahlungsunfähigkeit oder Unwilligkeit der Kunden bis zur Höhe der Beitreibungskosten auferlegt.71 14 Obgleich § 86b es nicht ausdrücklich sagt, bezieht die Norm sich nur auf den Fall, dass der HV seinem Unternehmer gegenüber für die Erfüllung des Kunden aus einem Geschäft einstehen will. Gegenstand der Einstandspflicht i. S. d. § 86b kann damit jede Leistung sein, welche der Kunde („Dritte“) dem Unternehmer schuldet. Pflichten des Kunden gegenüber anderen Personen als dem Unternehmer, z. B. Bürgschaft des Abzahlungskaufverträge vermittelnden HV gegenüber der Teilzahlungskreditbank für Verbindlichkeiten des Abzahlungsverkäufers72 oder Pflichten, die der Dritte (Kunde) gegenüber dem Finanzierungsinstitut bei finanzierten Geschäften eingegangen ist,73 werden von § 86b nicht erfasst.74 Denkbar wäre es zwar auch, dass ein HV dem Kunden („Dritten“) die Leistung des Unternehmers garantiert.75 Aus einer solchen Zusage darf der HV aber keinen Anspruch auf Delkredereprovision gegen den Unternehmer geltend machen, allenfalls einen solchen gegen den Dritten aus § 354, weil § 86b als lex specialis dann keine vorrangige Regelung trifft. Dagegen ist es für den Begriff Delkrederehaftung unerheblich, ob der HV für die Zahlung des Dritten oder (als Einkaufsvertreter) für die Erfüllung einer Warenlieferschuld desselben einzustehen verspricht.76 Da der HV die Provision des § 87 für die Geschäftsvermittlung erhält, stellt jede Art von Zusage eines Einstehens für die Erfüllung durch den Dritten, also jede Art von Übernahme eines Risikos, welches mit der Geschäftsabwicklung verknüpft ist und das sonst der Unternehmer zu tragen hätte, eine zusätzliche Leistung des HV gegenüber dem Unternehmer dar. Daher liegt eine Delkrederehaftung nicht nur vor, falls der HV für die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit des Dritten (z. B. für Zahlung des gestundeten Kaufpreises) einzustehen verspricht, sondern auch dann, wenn er es übernimmt, gegenüber dem Unternehmer für eine bestimmte Qualität der von dem Dritten als Verkäufer zu liefernden Ware (z. B. „prima Qualität“), für rechtzeitige Ankunft der Ware oder für die Erfüllung nur einzelner Vertragsmodalitäten, für den Ausgleich nur bestimmter Arten von Schäden usw. einzustehen.77

V. Schriftform 15 Die Übernahme des Delkredere bedarf nach Vorbild des Schweizer Art. 418 Abs. 3 AVG und einem Entwurf des CDH78 der Schriftform nach § 126 BGB79 (Abs. 1 S. 3). Hiermit soll dem HV die besondere Gefährlichkeit des Versprechens deutlich gemacht werden.80 Bei Verfehlung tritt gem. § 125 BGB Formnichtigkeit ein.81 Trotz der hinsichtlich des zwingenden Kerns des § 86b nicht ganz klaren Bestimmung (Rn 28) ist das Formgebot zwingend und lässt sich nicht – ggf. 71 72 73 74

OLG Karlsruhe BB 1974, 904; Hopt § 86b Rn 4. BGH WM 1988, 1048; Hopt § 86b Rn 2. OLG Hamm VersR 1956, 113 (114); Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 172. OLG Hamm VersR 1956, 113 (114); v. Brunn NJW 1954, 56 (57); Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 172; Hopt § 86b Rn 2; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 24; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 3; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 5. 75 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 25; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 3. 76 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 182. 77 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 182. 78 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 20. 79 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 168; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 16; Ebenroth/ Löwisch3 § 86b Rn 11; Hopt § 86b Rn 5; Oetker/Busche3 § 86b Rn 5; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 9. 80 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 20; Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208) – „Übereilungsschutz“. 81 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 345; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 16; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 15; Oetker/Busche3 § 86b Rn 5; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 10; Castan BB 1957, 1124 (1125). Emde

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konkludent – abbedingen.82 Deshalb kann das formunwirksame Delkredereversprechen nicht nach § 140 BGB in eine formfreie Garantie, einen Schuldbeitritt oder ein Schuldversprechen umgedeutet werden.83 Allerdings bezieht sich die Schriftform – wie in § 766 BGB – nur auf die Übernahmeerklärung des HV.84 Die Annahmeerklärung des Unternehmers ist nicht an eine Form gebunden.85 In der Urkunde müssen die zwingenden Voraussetzungen für eine wirksame Delkredereerklärung enthalten und sie muss vom HV unterzeichnet sein.86 Das Delkredereversprechen braucht nicht einziger Inhalt der Urkunde zu sein,87 sondern kann z. B. auch in schriftlichen Mitteilungen des HV an den Unternehmer enthalten sein,88 ebenso im HV-Vertrag. Trotz des Worts „einem“ können mehrere Delkredereversprechen für verschiedene Geschäfte oder Kunden in einer Urkunde zusammengefasst werden,89 solange die Anforderungen an die Bestimmtheit der Erklärung erfüllt sind. Anders könnte ein generelles Delkredereversprechen kaum in den HV-Vertrag eingefügt werden. Die Formvorschrift verdrängt § 350, weshalb auch das Delkredere des Kaufmannes der Schriftform bedarf.90 Ungeachtet dessen muss die Delkredereverpflichtung des HV durch den Unternehmer angenommen werden, allerdings nicht schriftlich. Auch das entspricht dem allgemeinen Bürgschaftsrecht. Dem Unternehmer darf das Delkredere nicht aufgedrängt werden, zumal er ja dadurch für die Sonderprovision provisionspflichtig wird. Auch die weitere Folgerung des § 766 S. 3 BGB dürfte zu ziehen sein: hat der HV dem formlosen, also zunächst nichtigen Delkredere durch Befriedigung des Unternehmers genügt, wird der Mangel der Form geheilt,91 ebenso, wenn der Unternehmer nach vollständiger Erfüllung der Pflichten des Kunden die Delkredereprovision leistet.92 Im Übrigen gibt es auch hier noch von dem Formerfordernis Ausnahmen. Nach Abs. 3 kann in dessen persönlichem Anwendungsbereich ein Delkredere durch den HV formlos übernommen werden. Der actus contrarius bedarf nicht der Form des § 126 BGB: Auch die unbedingt wirksame 16 Delkrederevereinbarung kann durch formlos gültige Vereinbarung, die sich bereits aus den Umständen des Einzelfalls ergeben kann, jederzeit mit Wirkung für künftige Geschäfte zeitlich,93 etwa durch einen Endtermin oder eine zeitliche Beschränkung für das zu sichernde Geschäft,94 oder auf einen bestimmten Betrag begrenzt und wieder aufgehoben werden;95 der Unabdingbarkeitsgrundsatz steht dem ebenfalls nicht entgegen.96

82 83 84 85

Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 16; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 17. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 18; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 18. Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 346; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 8. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 16; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 346; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 11; Hopt § 86b Rn 5; Oetker/Busche3 § 86b Rn 5; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 8. 86 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 12; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 9. 87 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 12. 88 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 12; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 11. 89 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 344; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 173; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 13; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 16; Oetker/Busche3 § 86b Rn 3; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 10, 11. 90 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 16; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 10; Hopt § 86b Rn 5; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 9. 91 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 17; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 14; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 10; Hopt § 86b Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 18; Oetker/Busche3 § 86b Rn 5; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 10. 92 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 14. 93 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 6; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 18d; vgl. RGZ 107, 194. 94 BGH, Urt. v. 30.1.1997 – IX ZR 133/96, ZIP 1997, 536 (539). 95 BGH ZIP 1997, 536 (539); Masing BB 1995, 2589 (2595); Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 345; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 191; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 43; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 6, 22; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 7; Hopt § 86b Rn 9; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 11, 34; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 13a. 96 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 43; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 34. 837

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VI. Nur für ein bestimmtes Geschäft oder für solche Geschäfte mit bestimmten Dritten, die der HV vermittelt oder abschließt 17 Delkrederevereinbarungen knüpfen gem. § 86 Abs. 1 S. 2 entweder an ein bestimmtes Geschäft (1. Alt., konkretes Delkredere, Rn 19) oder einen bestimmten Kunden (2. Alt., generelles Delkredere, Rn 20) an. Die Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs (S. 20) erklärt es für missbilligenswert, „wenn Handelsvertreter von Unternehmern unter Ausnutzung ihrer wirtschaftlichen Überlegenheit gezwungen werden sollen, für unbestimmte Geschäfte oder ganz allgemein das Delkredere zu übernehmen. Hiergegen müssten die Handelsvertreter geschützt werden.“ Das Gesetz gestattet demgemäß die Übernahme des Delkredere nur bei Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes97 und unter folgenden Voraussetzungen: Einmal, wenn der HV es übernimmt, für ein bestimmtes Geschäft einzustehen; oder aber, falls der HV das Delkredere allgemein übernimmt, für Geschäfte mit bestimmten Dritten (z. B. die der HV für solvent, der Unternehmer aber vielleicht für zahlungsschwach hält), sofern der HV selbst – oder für ihn sein Untervertreter – das Geschäft mit ihnen geschlossen oder vermittelt hat. Aus diesem Grund wird das Delkredere faktisch kaum durch AGB begründet werden können.98 Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so ist nach dem aus der Amtlichen Begründung ersichtlichen Schutzzweck des Gesetzes auch eine Aufrechterhaltung als gewöhnliche Bürgschaft, geschweige denn eine Umdeutung in eine Garantiezusage oder einen Schuldbeitritt nicht möglich.99 Andere Anknüpfungspunkte sind unzulässig.100 Der Inhalt des Kundengeschäfts muss, um die Haftung zu begründen, in den wesentlichen Punkten den Regelungen der Delkrederevereinbarung entsprechen. Nur unerhebliche Abweichungen sind unschädlich.101 Infolge von das Kundengeschäft nachträglich ändernden Abmachungen zwischen Kunde und Unternehmer bleibt die Delkrederehaftung entsprechend § 767 Abs. 1 S. 3 BGB unberührt, wenn jene Änderungen noch von der Delkrederevereinbarung gedeckt sind.102 Sie dürfen aber nicht dazu dienen, das Geschäftsrisiko auf den HV zu verlagern. 18 Wird dieses Bestimmtheitsgebot verfehlt, ist das Delkredere nichtig.103 Auch hier ist eine abweichende Regelung nicht möglich, wenngleich sich der zwingende Teil des § 86b auf den ersten Blick nur auf das Provisionsversprechen zu beziehen scheint (Rn 28).

1. Bestimmtes Geschäft 19 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 sieht die Möglichkeit der Übernahme der Einstandspflicht für ein bestimmtes Kundengeschäft vor (konkretes Delkredere): Das „bestimmte Geschäft“ braucht noch nicht abgeschlossen zu sein.104 Es muss jedoch schon so individualisier- und konkretisierbar und von anderen gleichartigen Geschäften unterscheidbar (also „bestimmbar“105) sein, dass es nach seinen wesentlichen Merkmalen in die Delkrederevereinbarung aufgenommen werden

97 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 6, 8; Hopt § 86b Rn 3; Oetker/Busche3 § 86b Rn 9. 98 Valdini ZVertriebsR 2016, 207; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 7 („Vereinbarung in AGB nicht möglich“); Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 12; Oetker/Busche3 § 86b Rn 4. 99 Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 12; ein Fall dieser Art in der Entscheidung OLG Karlsruhe BB 1974, 904. 100 Valdini ZVertriebsR 2016, 207. 101 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 18. 102 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 18. 103 Valdini ZVertriebsR 2016, 207; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 15; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 6; OLG Karlsruhe BB 1974, 904; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 12. 104 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 174; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 10. 105 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208). Emde

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kann.106 Damit sollte der vorher bestehenden Übung des „uneingeschränkten Abwälzens“ des Risikos begegnet werden.107 Steht der Rechnungsbetrag noch nicht fest, kann die Einstandspflicht auf einen bestimmten oder bestimmbaren Betrag beschränkt werden.108 Trotz des auf den Singular bezogenen Wortlauts „für ein bestimmtes Geschäft“ dürfen mehrere solchermaßen „bestimmte“, abgeschlossene oder erst mit ihrem Abschluss bevorstehende Geschäfte in einer einzigen Delkredereübernahme zusammengefasst werden,109 falls ihre Bezeichnung nicht zu allgemein wird und der HV damit sein Haftungsrisiko nicht mehr zu erkennen vermag.110 Ein Abschluss durch den HV selbst oder seinen Untervertreter wird – abweichend von Alt. 2 – nicht vorausgesetzt (Beispiel: Bezirksvertreter).111 Das Delkredere kann beispielsweise auch übernommen werden von einem Bezirksvertreter für bestimmte Abschlüsse, die der Unternehmer selbst in dem übertragenen Bezirk getätigt hat oder zu tätigen im Begriff steht (auch hier kann die oben geschilderte Interessenlage gegeben sein), oder für Abschlüsse, die von einem anderen HV oder noch von einem Vorgänger des HV herrühren,112 etwa weil dieser intern den HV an der Provision beteiligt. Die Übernahme für eine unbestimmte Vielzahl von Geschäften mit einem Kunden ist nur unter den engen Voraussetzungen des Abs. 1 S. 2 Alt. 2 möglich.113 Beim konkreten Delkredere genügt zwar die Bestimmbarkeit des einzelnen Geschäfts. Jedoch schließt das eine abschließende formularmäßige Vereinbarung im Rahmen des HV-Vertrages aus, da die einzelnen Geschäfte sich zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich Kunden sowie Leistung und Gegenleistung noch nicht hinreichend konkretisiert haben.114

2. Geschäfte mit bestimmten Dritten, die der HV vermittelt oder abschließt Abs. 1 S. 2 Alt. 2 („Geschäfte mit bestimmten Dritten, die der HV vermittelt oder abschließt“ = ge- 20 nerelles Delkredere): Diese allgemeine Delkredereübernahme für „Geschäfte mit bestimmten Dritten“ kann sich nur auf künftige Abschlüsse mit einem oder mehreren115 genau und zweifelsfrei bestimmten, meist – aber nicht notwendigerweise116 – namentlich benannten Kunden beziehen. Anders als in Abs. 1 S. 2 Alt. 1 muss hier nicht das Kundengeschäft, sondern die Identität des Kunden bestimmt sein.117 Will der HV das Delkredere für Geschäfte mit mehreren Kunden begründen, bedarf es hinsichtlich jedes einzelnen Kunden in Bezug auf dessen Person und den Kreis der gesicherten Geschäfte einer derart präzise bestimmten oder bestimmbaren Vereinbarung.118 Unzulässig wäre z. B. die Delkredereübernahme für alle Geschäfte mit dem Kunden X, einerlei wer sie ver106 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 173; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 9; Ebenroth/ Löwisch3 § 86b Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 11; Oetker/Busche3 § 86b Rn 9; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 11. 107 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 21. 108 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 10; Oetker/Busche3 § 86b Rn 9; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 11. 109 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 173; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 11; Ebenroth/ Löwisch3 § 86b Rn 8; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 7; Hopt § 86b Rn 3; Oetker/Busche3 § 86b Rn 9; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 11; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 8; Castan BB 1957, 1124 (1125). 110 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 173. 111 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 175; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 12; Hopt § 86b Rn 3; Oetker/Busche3 § 86b Rn 9; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 11. 112 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 8; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 8; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 13; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 8. 113 OLG Karlsruhe BB 1974, 904; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 8. 114 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208). 115 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 15; Hopt § 86b Rn 3; Oetker/Busche3 § 86b Rn 10. 116 Der Kunde kann auch auf andere Weise bestimmbar sein. 117 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 13. 118 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 176; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 10. 839

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mittelt oder abschließt;119 für alle Geschäfte in einem bestimmten Bezirk (Bezirksvertreter);120 für alle vom HV in einem bestimmten Bezirk vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte.121 Unzulässig dürfte es ferner sein, sofern der Unternehmer ein Verzeichnis der Kunden führen soll, die von der Delkrederevereinbarung umfasst sein sollen und welches er unverzüglich nach Aufforderung dem HV zur Verfügung stellt.122 Denn der HV hätte es so nicht unmittelbar in der Hand, seine Haftung zu begründen und zu überwachen.123 Dem Bestimmtheitsgrundsatz und das Schriftformerfordernis des § 86b Abs. 1 S. 3 wäre ohnehin erst Genüge getan, wenn der HV das Namensverzeichnis unterzeichnet hätte.124 Deshalb müsste nicht der Unternehmer, sondern der HV sich dazu verpflichten, ein Delkredereregister zu führen und nach Aufforderung oder periodisch und im Hinblick auf § 86 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 126 Abs. 1 BGB unterzeichnet dem Unternehmer zur Verfügung stellen.125 Aber die entsprechende Verpflichtung scheitert mglw. ebenfalls an § 86b, da auch die an die Pflicht zur Führung des Registers anknüpfende Haftung die Kunden benennen müsste. Zumindest Neukunden wären also nicht von dieser Verpflichtung erfasst.126 Das Delkredere kann nur dann gegen den HV geltend gemacht werden, wenn er selbst,127 seine Angestellten oder seine Untervertreter128 das Geschäft, für das es praktisch wird, vermittelt oder abgeschlossen hat. Der Grund: In diesen Fällen ist es der HV, der die Dritten ausgesucht und sie – wohl – auf Grund eigener Prüfung für vertrauenswürdig befunden hat. Als unwirksam würde es deshalb zu erachten sein, wenn der Bezirksvertreter die Delkrederehaftung für alle in seinem Bezirk oder auch nur mit einem bestimmten Kunden geschlossenen Geschäfte übernähme, also auch für solche, deren Abschluss durch den Unternehmer selbst oder durch von diesem unmittelbar eingesetzte Untervertreter erfolgt ist.129 Da auch beim generellen Delkredere hinsichtlich jedes einzelnen Kunden eine genau bestimmte Vereinbarung vorliegen muss, in der der Kunde benannt oder bestimmbar sein muss, kann man kaum argumentieren, dass der HV durch die von ihm konkret akquirierten Geschäfte dokumentiert, für wen er haften müsste und für wen nicht.130 Dem HV wäre es zwar möglich, bei allen von ihm akquirierten Geschäften vorab die Bonität des Kunden zu prüfen. Einer solchen Vereinbarung steht jedoch zumindest das Schriftformerfordernis des § 86 Abs. 1 S. 3 entgegen.131 Der Schutz der Schriftform wäre nicht mehr gewährleistet, wenn der HV nur einmalig im Rahmen des HV-Vertrages die Haftung übernehmen würde. Der Umfang und die Auswirkungen dieser Klausel würden dem HV nicht bei jedem Kunden, bei dem er die Haftung übernimmt, vor Augen geführt.132

3. Wegfall der Delkrederehaftung 21 Grundsätzlich ist die Einstandspflicht des HV abhängig vom rechtswirksamen Bestehen der Kundenverbindlichkeit gegenüber dem Unternehmer.133 Ist das zwischen Kunde und UnterKüstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 176; Hopt § 86b Rn 3; Oetker/Busche3 § 86b Rn 10. Hopt § 86b Rn 3; Oetker/Busche3 § 86b Rn 10; aA Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 15. Hopt § 86b Rn 3; Oetker/Busche3 § 86b Rn 10. Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208). Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208). Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208). Das befürwortet Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208). Das befürwortet Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208). Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 176. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 14. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 14; Hopt § 86b Rn 4; Oetker/Busche3 § 86b Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 15. 130 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208). 131 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208). 132 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208). 133 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 17; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 12.

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nehmer beabsichtigte Geschäft daher nicht oder nicht wirksam zustande gekommen, wird es nicht durch ein Delkredereversprechen gesichert.134 Jene Grundregel öffnet sich Differenzierungen: Es kommt im Einzelnen auf den Grund des Wegfalls des Kundengeschäftes an. Entsteht er durch das zu sichernde Risiko, bleibt die Delkrederehaftung bestehen. Ausnahmen gelten folglich für die unter Rn 12 genannten Ersatzansprüche. Der Anspruch entfällt, wenn der Abschluss mit dem Kunden nachträglich hinfällig wird: durch Anfechtung (§ 142 BGB),135 Rücktritt vom Vertrag136 auf Grund des Gesetzes oder eines vertraglichen Vorbehalts, Kündigung des vermittelten Nutzungsverhältnisses vor dessen Antritt, es sei denn, dem Unternehmer stehen die unter Rn 12 genannten Ansprüche aufgrund der Rückabwicklung des bereits vollzogenen Vertrags gegen den Kunden zu und der HV hat ausnahmsweise erkennbar auch hierfür das Delkredere übernommen.137 Hingegen bleibt die Einstandspflicht des HV aus der Delkrederevereinbarung und damit sein Anspruch auf die Delkredereprovision von Umständen unberührt, die den Vertrag mit dem Kunden erst nachträglich ohne Rückwirkung beenden, wie z. B. spätere Kündigung,138 Ausübung von Gewährleistungs- oder Zurückbehaltungsrechten des Kunden,139 auflösende Bedingung140 oder die nachträglich zwischen Kunden und Unternehmer vereinbarte Vertragsaufhebung,141 sofern – was zulässig ist – nicht gleichzeitig einverständlich zwischen Unternehmer und HV das Delkredere aufgehoben wird.142 Solange es nicht um die Aufhebung nur des Delkredere für ein konkretes, einzelnes Kundengeschäft geht, ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Anspruch auf Delkredereprovision durch die Vertragsaufhebung unberührt bleiben soll.143 Das betreffende Geschäft hat in der Zwischenzeit Bestand gehabt und wird nicht rückwirkend hinfällig,144 weil der HV zumindest interimsweise das Risiko getragen hat.145 Gleiches gilt, wenn die Ausführung des Kundengeschäfts unterbleibt.146 § 87a Abs. 2 und 3 gelten nicht.147

VII. Wirksames Delkredereversprechen Das Delkredereversprechen muss nach den allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts wirksam 22 sein, etwa den §§ 134, 138148 (s. Rn 26), 305 ff. BGB. Diese allgemeinen Vorschriften bleiben neben den besonderen Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 86b anwendbar. 134 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 30; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 17; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 19; Oetker/Busche3 § 86b Rn 11; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 12; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 6. 135 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 32; Hopt § 86b Rn 11; Oetker/Busche3 § 86b Rn 15; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 12. 136 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 33; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 17; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 3; Hopt § 86b Rn 11; aA Oetker/Busche3 § 86b Rn 15; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 86b Rn 28; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 12; Castan BB 1957, 1124 (1127). 137 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 17; Oetker/Busche3 § 86b Rn 11; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 6. 138 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 34; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 17. 139 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 34; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 18c. 140 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 34; Hopt § 86b Rn 11; Oetker/Busche3 § 86b Rn 15. 141 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 34; Hopt § 86b Rn 11; Oetker/Busche3 § 86b Rn 15. 142 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 29; Hopt § 86b Rn 11; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 7. 143 Vgl. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 29. 144 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 17; aA Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 14. 145 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 34; Hopt § 86b Rn 11. 146 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 31; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 21; Oetker/Busche3 § 86b Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 29; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 14. 147 Castan BB 1957, 1124 (1127); Westphal I Rn 214; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 15, 21; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 86b Rn 16; Hopt § 86b Rn 9, 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 32, 35; Schlegelberger/ Schröder § 86b Rn 14. 148 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 6. 841

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VIII. Berechnung des Delkredereanspruchs durch den HV 23 In vielen Fällen besitzt der Unternehmer keine (genaue) Kenntnis zu Grund und Höhe seines Delkredereanspruchs, etwa falls der HV den gegen ihn gerichteten Anspruch errechnen muss (Beispiel: Inkasso-HV i. S. d. § 87 Abs. 4, der für Ausfälle haftet). Der HV unterliegt dann einer Auskunftspflicht, er muss die Anspruchshöhe beziffern, sie dem Unternehmer mitteilen und den festgestellten Betrag an den Unternehmer leisten. Im Zweifel gelten die für die Berechnung und Abführung der Inkassoprovision des § 87 Abs. 4 genannten Maßstäbe entsprechend, nämlich die Pflicht zur unverzüglichen Abrechnung analog § 87c Abs. 1, spätestens jedoch bis zum Ende des Monats nach Entstehen des Anspruchs. Diese Pflicht begründet ebenso wie die Inkassopflicht nach § 87 Abs. 4 eine Vermögensbetreuungspflicht; die unterlassene oder verspätete Abführung (letzteres bei bedeutender Verspätung, die einen Rückschluss auf den Willen zum Einbehalt zulässt) kann je nach den Umständen des Einzelfalls die Strafbarkeit nach § 266 StGB (s. Kommentierung zu § 86) herbeiführen. Zumindest aber führt sie zur Schadenersatzpflicht nach § 280 BGB, nicht nur nach § 286 BGB.

IX. Die Delkredereprovision – Rechtsgrund 24 Die Delkredereprovision ist das Spiegelbild der Haftung, also ihre Gegenleistung. Sie entsteht gem. Abs. 1, 2 „automatisch“ ohne vertragliche Vereinbarung, außer im Ausnahmefall des Abs. 3149 (da die Delkredereprovision in diesem Ausnahmefall nicht entsteht muss sie für ihn auch nicht ausgeschlossen werden). Die Übernahme des Delkredere – die Einstandspflicht – ist eine Sonderleistung des HV, die nicht zum gesetzlichen Umfang seiner üblichen Vertragspflichten gehört. Hierfür soll er – auch zu seinem Schutz150 – als Gegenleistung – unabhängig von der Vermittlungs- oder Abschlussprovision151 – eine neben die sonstige Provision, etwa die des § 87, tretende152 Sonderprovision – die Delkredereprovision – beanspruchen dürfen. Es handelt sich um einen Anwendungsfall des § 354.153 So wie dort wird auch die Delkredereprovision kraft § 86b Abs. 1 S. 1 geschuldet. Als Sonderprovision, die nicht für die Schaffung eines Kundenkreises gewährt wird, soll sie nach einer Meinungsgruppe154 nicht ausgleichsfähig sein. Das Gesetz fordert diese Bewertung nicht. Denn auch das Delkredere kann als ausgleichsfähige Provision für „abgeschlossene oder künftig zustande gekommene Geschäften“ i. S. d. § 89b Abs. 1 Nr. 2 verstanden werden.155 Der HV übernimmt das Delkredere, um konkrete Kundengeschäfte herbeizuführen, die der Unternehmer ohne die Einstandspflicht des HV nicht abzuschließen bereit ist.156 Das Delkredere hilft daher bei der Vermittlung und ist als werbende Provision ausgleichsfähig157. In jedem Fall wird die Delkredereprovision aber in die Berechnung der Höchstgrenze nach § 89b Abs. 2 eingerechnet.158 Die Informationsrechte des § 87c erstrecken sich auch auf die Delkredereprovision,159 weil der Wortlaut des § 87c jede Provisionsart erfasst und nach Grund und Höhe das gleiche Informationsbedürfnis besteht.

149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159

Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 27. Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 20. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 183; Westphal I Rn 214; Hopt § 86b Rn 8. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 183; Hopt § 86b Rn 9. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 183; aA Oetker/Busche3 § 86b Rn 17. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 13. Ebenroth/Löwisch3 § 89b Rn 92. Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 20. Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 20. Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 189; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 20. Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 20; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87c Rn 10.

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F. Höhe der Delkredereprovision I. Vertraglich vereinbarte Höhe Die Höhe der Provision unterliegt in erster Linie der Vereinbarung,160 die jedoch zum einen 25 wirksam und zum anderen wegen der zwingenden Natur des Provisionsversprechens nicht unterhalb des üblichen Satzes – selbstverständlich jedoch darüber – liegen darf.161 Die vereinbarte Provision muss dem HV einen angemessenen Ausgleich für die übernommene Haftung gewähren,162 indem sie in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zu dem eingegangenen Risiko steht, und zwar nach den Maßstäben des Ortes, an welchem der HV sein Gewerbe ausübt,163 im Zweifel an seinem Sitz und nicht im Vertriebsgebiet. Anderenfalls liegt ein gegen die zwingende Natur verstoßender Teilprovisionsausschluss vor.164 Maßgeblich für die Überprüfung der Provisionshöhe ist eine Prognose zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Delkredere für das konkrete Geschäft, bei generellem Delkredere eine Durchschnittsbetrachtung zum Zeitpunkt der Vereinbarung. Anderenfalls würde nicht die Unsicherheit bei Delkredereübernahme sondern das tatsächliche Risiko den Preis bestimmen und das prognostische Risiko zu Unrecht ausgeblendet. Eine ex post Betrachtung nach dem Geschäft ist unzulässig. Die Höhe einer möglichen Rückstellung ist irrelevant,165 weil sonst bei vorsichtiger Rückstellungspraxis eine Delkredereprovision ggf. in Höhe des Risikos eines Totalverlustes zu zahlen wäre. Entscheiden sich die Parteien für eine nichtakzessorische Sicherheit, wie etwa eine Garantie, kann sich das auf die Delkredereprovision auswirken. Denn gem. § 86 Abs. 1 ist auch dann Delkredereprovision zu leisten. Im Falle einer Garantie übernimmt der HV aber zusätzlich das Veritätsrisiko. Dessen Übernahme ist bei der Höhe der Delkredereprovision zu berücksichtigen, da letztere in einem angemessenen Verhältnis zu dem übernommenen Risiko stehen muss.166 Die Delkredereprovision muss ferner in einem angemessenen Verhältnis zu den Verlusten stehen, die durchschnittlich zu erwarten sind.167 Es könnte daran gedacht werden, eine Klausel in den Vertrag aufzunehmen, nach welcher die Provisionshöhe einmalig und in periodischen Abständen, z. B. durch einen sachverständigen Dritten, bestimmt werden soll.168 Bei bereits akquirierten Dauerschuldverhältnissen kommt insofern nur eine konkrete Delkrederevereinbarung i. S. d. § 86b Abs. 1 S. 2 Alt. 1 (Rn 19) in Betracht, da sich das generelle Delkredere ausweislich des Wortlauts auf künftige Geschäfte bezieht.169 Die Provision wird mglw. ebenfalls höher zu bemessen sein, falls sich das Delkredere anstatt auf ein Bargeschäft auf ein vom Unternehmer zu kreditierendes Kundengeschäft mit bei Delkredereübernahme erkennbarem höheren Risiko bezieht.170 Im Falle einer nachträglichen Übernahme des Delkredere soll die Auslegungsregel bestehen, dass die bereits gezahlte oder geschuldete Provision die angemessene Gegenleistung für die vom HV bis zur Delkredereübernahme geschuldeten Leistungen bildet und nicht zugleich das Delkredereversprechen abgelten soll.171 160 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 188; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 35; Oetker/Busche3 § 86b Rn 18; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 14. 161 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 35. 162 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 188; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 35. 163 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 24. 164 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 23; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 30; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 17. 165 AA Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 23. 166 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (209). 167 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (209). 168 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (209). 169 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (209). 170 v. Brunn NJW 1954, 56 (57, 58); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 35; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 23. 171 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 35; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 23. 843

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Ist die Höhe unangemessen niedrig festgesetzt, so liegt ein Verstoß gegen § 134 BGB172 i. V. m. Abs. 1 S. 1 Hs. 2, ggf. gegen § 138 BGB, vor. Die vereinbarte Delkredereprovision ist nichtig; das Delkredereversprechen selbst bleibt wirksam.173 Nicht etwa ist dann die Provisionsabrede und über § 139 BGB das ganze Delkredere unwirksam, weil unvollständig. An Stelle der unangemessen niedrig bemessenen Provision tritt der gem. § 87b Abs. 1 übliche Satz,174 erforderlichenfalls die Ermittlung nach den §§ 315 ff. BGB.175 Das ergibt sich aus dem Gesichtspunkt der Unabdingbarkeit des Anspruchs, die sich sonst unschwer aushöhlen ließe.176 Bedenklich daher LG Heidelberg BB 1958, 7, wo eine unangemessen niedrige Provision als wucherisch und deshalb die gesamte Delkredereübernahme aus diesem Grunde als nichtig angesehen worden ist (die Entscheidung könnte trotzdem richtig sein, weil der mitgeteilte Sachverhalt eine sittenwidrige Ausnutzung der Lage des HV noch in anderer Beziehung vermuten lässt). Nach § 138 BGB ist eine Delkrederevereinbarung beispielsweise nichtig, falls der Unternehmer den HV bei Zahlung einer zu geringen, nicht kostendeckenden Vermittlungs- oder Abschlussprovision durch Versprechen einer hohen Delkredereprovision177 oder durch bewusstes Verschweigen oder Herunterspielen ihm bekannter, dem HV nicht bewusster Risiken zur Abgabe des Delkredereversprechens veranlasst hat.178

II. Fehlende Vereinbarung 27 Wird keine Abrede getroffen, greift § 87b Abs. 1179 – und nicht § 354 – subsidiär ein.180 Denn § 87b Abs. 1 gilt für jede Provision, auch die Delkredereprovision.181 Deshalb ist auch die Berechnungsgrundlage des § 87b Abs. 2 anwendbar,182 sofern der Satz der Delkredereprovision feststeht.183 Auch hier ist für die Höhe der Provision die ex ante-Betrachtung bei Delkredereübernahme maßgeblich und eine ex-post-Betrachtung unzulässig (Rn 25). Das Schriftformerfordernis steht nicht entgegen. Wie bei der Überprüfung der Höhe einer vertraglich vereinbarten Delkredereprovision ist der am Niederlassungsort des HV übliche Satz zugrunde zu legen.184 Lässt sich ein solcher nicht ermitteln, muss eine Festsetzung nach den §§ 315 ff. BGB erfolgen.185 Nicht etwa ist dann über § 139 BGB das ganze Delkredereversprechen. Das infolge des Vertragsschlusses mit einem zahlungsunfähigen oder zahlungsunwilligen Kunden erhöhte Risi172 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (209). 173 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 6. 174 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (209); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 6, 36; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 345; Hopt § 86b Rn 10; Oetker/Busche3 § 86b Rn 18.

175 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (209); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 37; Oetker/Busche3 § 86b Rn 18. Der HV ist deshalb im Zweifel gem. § 316 BGB berechtigt, die Provisionshöhe einseitig nach billigem Ermessen zu bestimmen. 176 Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 17. 177 Masing BB 1995, 2589 (2595); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 6; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 5; LG Heidelberg BB 1958, 7; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 11. 178 Masing BB 1995, 2589 (2595); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 6; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 15. 179 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 345; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 188; Hopt § 86b Rn 10; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 14. 180 Oetker/Busche3 § 86b Rn 18. 181 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 188. 182 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 345; 183 Hopt § 86b Rn 10. 184 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 188; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 14. 185 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 188; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 24; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 17; Hopt § 86b Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 31; Oetker/Busche3 § 86b Rn 18; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 14; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 17. Emde

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ko bleibt unberücksichtigt, sofern der Vertrag bei ordnungsgemäßer Bonitätsprüfung nicht zustande gekommen wäre186 oder der Kunde nur auf Wunsch des HV vom Unternehmer akzeptiert worden ist.187

G. Unabdingbarkeit Nach Abs. 1 S. 1 Hs. 2 kann auf den Provisionsanspruch im Voraus nicht verzichtet werden. 28 Durch die Unabdingbarkeit soll der HV davor geschützt werden, in eine Delkrederehaftung gedrängt zu werden, ohne hierfür eine angemessene Vergütung zu erhalten.188 Dem Wortlaut nach bezieht sich der zwingende Charakter nur auf die Verpflichtung zur Zahlung der Delkredereprovision, nicht auf die übrigen TB-Voraussetzungen. Hierbei handelt es sich jedoch um ein Redaktionsversehen. Es war Wille des Gesetzgebers, den gesamten Anspruch einschließlich aller seiner Voraussetzungen zwingend auszugestalten,189 insb. auch das Schriftformgebot.190 Ausnahmen sind nur nach Abs. 3 und § 92c möglich. „Im Voraus“ heißt: vor seiner Fälligkeit.191 Das kann sich regelmäßig nur auf erst künftig zustande kommende Abschlüsse beziehen. Ein Provisionsausschluss ist deshalb erst nach wirksamen Zustandekommen des Kundengeschäfts möglich.192 Zu eng wäre eine Beschränkung auf die 2. Alt. des Abs. 1 S. 2. Übernimmt der HV die Haftung für ein bereits abgeschlossenes Geschäft, so wird der Anspruch auf Delkredereprovision mit der Übernahme der Haftung fällig. In dieser Situation soll, da kein Verzicht im Voraus vorliegt, der Anspruch zeitgleich mit der Begründung der Delkrederehaftung ausgeschlossen werden dürfen.193 Ist jedoch für ein bestimmtes, unter aufschiebender Bedingung abgeschlossenes Geschäft das Delkredere nach Abschluss, aber vor Eintritt der Bedingung übernommen worden, so ist auch hier ein Verzicht auf die Provision vor Eintritt der Bedingung nicht wirksam möglich, weil die Fälligkeit des Anspruchs noch aussteht.194 Eine unzulässige Umgehung des § 86b soll in der Vereinbarung liegen, dass der HV das abzusetzende Produkt bei dem Unternehmer zu kaufen und an die Kunden weiter zu veräußern hat, obwohl er nicht Vertragshändler sein soll.195 Aber hier ist die Abgrenzung zum zulässigen Mischvertrag zwischen HV- und Vertragshändlervertrag schwierig. Außerdem kann dem HV niemand verwehren, als Eigenhändler tätig zu werden und möglicherweise verdient er auf diese Weise mehr als als HV mit Provision und zusätzlicher Delkredereprovision. Es wird sehr auf die Verhältnisse des Einzelfalls ankommen. Es könnte ferner eine unzulässige Umgehung des § 86b Abs. 1 S. 1 darstellen, wenn vereinbart wird, die bisher gezahlte oder zukünftige Vergütung enthalte Delkredereprovision.196 Jedenfalls dürften insoweit die Grundsätze der Vorauserfüllung (s. Kommentierung zu § 89b) gelten. Zulässig sind Fälligkeitsabreden,197 soweit sie nicht auf Grund ihres belastenden Charakters oder der mit ihnen einhergehenden Unsicherheit im Kern einem Ausschluss nahe kommen. UnEbenroth/Löwisch3 § 86b Rn 23; Hopt § 86b Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 31. Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 23. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 40. Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 22; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 18; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 34; aA Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 191: nur die Entstehung des Provisionsanspruchs sei unabdingbar. 190 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 16. 191 Oetker/Busche3 § 86b Rn 19. 192 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 41. 193 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 41; aA Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 190; Oetker/ Busche3 § 86b Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 34. 194 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 190; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 42. 195 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 22; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 13. 196 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (210). 197 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 191; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 43; Hopt § 86b Rn 9.

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berührt bleibt das Recht, durch – auch formlose – Vereinbarung zwischen HV und Unternehmer die auch unbedingt wirksame Delkrederevereinbarung als solche für künftige Geschäfte wieder aufzuheben und damit den Provisionsanspruch gegenstandslos zu machen (Rn 16). Der Verzicht darf auch zugleich mit der nachträglichen Delkredereübernahme für ein bereits abgeschlossenes Kundengeschäft vereinbart werden.198 Die nachträgliche Aufhebung der Delkrederevereinbarung lässt im Zweifel die bereits entstandenen Provisionsansprüche unberührt,199 denn auch hier lag interimsweise eine im Zweifel zu vergütende Haftungsübernahme vor. Rechtlich irrelevant ist der einseitige „Verzicht“ des Unternehmers auf die Delkrederehaftung.200

H. Rechtsfolge der Verfehlung der zwingenden Tatbestandsvoraussetzungen – Umdeutung 29 Die nicht § 86b entsprechende Vereinbarung ist unwirksam.201 Eine zu niedrige Delkredereprovision wird jedoch auf das angemessene Maß heraufgesetzt (Rn 26). § 86b ist hinsichtlich seiner Wirksamkeitsvoraussetzungen lex specialis, zwingend (Rn 28) und abschließend. Deshalb darf ein den TB-Voraussetzungen des § 86b nicht entsprechendes, z. B. formunwirksames, Delkredere nicht in eine formlos wirksame Haftungserklärung wie Garantie, Schuldbeitritt, Schuldversprechen oder Bürgschaft gem. § 350 umgedeutet werden.202 Zwar können auch solche Rechtsformen vereinbart werden. § 86b ist jedoch auch auf sie zwingend anwendbar. Ein nicht den Anforderungen des Abs. 1 entsprechendes Delkredere kann jedoch nach § 139 BGB wirksam sein, wenn und soweit es den gesetzlichen Anforderungen entspricht.203 So soll etwa Teilnichtigkeit angenommen werden, falls die Einstandspflicht für Geschäfte mit bestimmten Kunden nicht auf Geschäfte beschränkt wurde, die von dem HV selbst vermittelt oder abgeschlossen wurden. Die Haftung soll insoweit wirksam bleiben, als es um die Haftung für die vom HV vermittelten und/oder abgeschlossenen Geschäfte geht.204

I. Absatz 2: Fälligkeit der Delkredereprovision 30 Der Anspruch auf die Delkredereprovision wird mangels ausdrücklicher oder schriftlicher Provisionsvereinbarung kraft Gesetzes205 sogleich mit dem Abschluss des Geschäfts fällig, aus dem die garantierte Verbindlichkeit entsteht (Abs. 2, § 271 Abs. 1 BGB),206 also sobald ein Delkrederehaftungstatbestand gegeben ist.207 Voraussetzung des Entstehens ist eine wirksame Delkredere198 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 34; aA Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 18. 199 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 22; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 14; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 27. 200 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 28; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 26. 201 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 22. 202 OLG Karlsruhe BB 1974, 904; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 22; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 12. 203 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 23; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 23; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 10. 204 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 23; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 23. 205 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 184; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 21; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 33; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 13. 206 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 345; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 184; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 38; Hopt § 86b Rn 11; Oetker/Busche3 § 86b Rn 16; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 15. 207 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 21; Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 345; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 21. Emde

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vereinbarung.208 Die Fälligkeit kann durch Vereinbarung geregelt werden,209 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 steht nicht entgegen.210 Die gesetzliche Stufung, wonach die Vermittlungs- und die Abschlussprovision mit dem Abschluss des Geschäfts zunächst bedingt entsteht (§ 87), um erst unter den Voraussetzungen des § 87a zum unbedingten Anspruch zu erstarken, findet sich hier nicht.211 Ist der Abschluss aufschiebend bedingt, so entsteht der Provisionsanspruch mit Eintritt der Bedingung.212 Im Übrigen aber kann sich die Bestimmung des Gesetzes darüber, wann der Anspruch entstehen solle, sinnvollerweise nur auf Geschäfte beziehen, deren Abschluss noch bevorsteht oder, wie in der 2. Alt. des Abs. 1 S. 2, einstweilen überhaupt erst als künftig denkbare in Betracht kommen. Wird dagegen das Delkredere für ein bestimmtes, bereits abgeschlossenes und nicht unter aufschiebender Bedingung stehendes Geschäft übernommen, so entsteht der Anspruch auf die Provision mit der nunmehrigen Übernahme.213 Nicht etwa gilt er als mit dem Abschluss rückwirkend entstanden.214 Das kann Bedeutung gewinnen in Fällen einer Globalzession „bestehender Provisionsansprüche (gegen den in Rede stehenden Unternehmer)“, wenn sie zwischen Abschluss des Geschäfts und Übernahme des Delkredere erfolgt ist.

J. Wegfall des Anspruchs auf Delkredereprovision Der Anspruch auf Delkredereprovision teilt das Schicksal der Delkrederehaftung: Kommt es 31 nicht zur rechtswirksamen Haftungsübernahme, entsteht der Provisionsanspruch nicht.215 Die o. g. Ausführungen unter Rn 9, 21 gelten entsprechend.

K. Absatz 3: Ausnahmefälle I. Gegenständliche Reichweite der Ausnahmen Die strengen inhaltlichen und förmlichen Voraussetzungen für die Übernahme des Delkredere 32 und die damit verbundene automatische Entstehung der Delkredereprovision kraft Gesetzes gelten in folgenden Fällen nicht: – für HV-Verträge, die deutschem Recht nicht unterfallen216 (das dann anwendbare Recht kann aber einen entsprechenden Anspruch vorsehen); – wenn gemäß § 92c Abs. 1 oder 2 berechtigt eine Delkredereprovision ausgeschlossen wurde217 (was mit hinreichender Deutlichkeit geschehen muss); – für Delkrederevereinbarungen, die mit ausländischen Unternehmern (Abs. 3 S. 1) getroffen wurden; – für Delkrederevereinbarungen über Geschäfte mit Kunden im Ausland (Abs. 3 S. 1);

208 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 24, 30. 209 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 187; Oetker/Busche3 § 86b Rn 16. 210 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 21; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 18; Hopt § 86b Rn 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 35; Oetker/Busche3 § 86b Rn 16. 211 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 186; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 38; Oetker/Busche3 § 86b Rn 16. 212 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 185; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 31. 213 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 185; Oetker/Busche3 § 86b Rn 19. 214 Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 14. 215 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 185; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 22; Ebenroth/ Löwisch3 § 86b Rn 21; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 15; Oetker/Busche3 § 86b Rn 13; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 16. 216 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 44. 217 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 44. 847

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für Delkrederevereinbarungen über Geschäfte, welche der HV aufgrund uneingeschränkter Vollmacht des Unternehmers in eigener Verantwortung abschließen und vollständig ausführen darf (Abs. 3 S. 2). 33 In Abs. 3 werden die drei letztgenannten Fälle geregelt. Aufgrund des in Rn 36 genannten Gesetzeszwecks ist der HV in den in Abs. 3 genannten drei Konstellationen angeblich nicht schutzbedürftig.218 Folglich benachteiligt und diskriminiert Abs. 3 inländische Unternehmer oder unter die Ausnahmeregelung fallende HV nicht in unberechtigter und unzulässiger Weise.219 Das bedeutet: Die Übernahme des Delkredere bedarf in diesen Fällen nicht der inhaltlichen und förmlichen Voraussetzungen des § 86b.220 Insbesondere bedarf es nicht der Schriftform221 und der Wahrung des Bestimmtheitserfordernisses222 – insoweit ist kein ausdrücklicher Ausschluss erforderlich – und der Anspruch auf Delkredereprovision kann zumindest derogiert werden,223 auch durch AGB.224 Die allgemeinen zivilrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen, insb. die §§ 138,225 307 BGB müssen selbstverständlich erfüllt sein. Bei der im Rahmen des § 307 BGB erforderlichen Leitbildkontrolle ist – nicht anders als im Rahmen des § 92c – auch das Leitbild des Abs. 3 zu berücksichtigen.226 Fraglich ist, ob der Anspruch auf Delkredereprovision auch ausgeschlossen werden muss, d. h. ob er in den Fällen des Abs. 3 gegeben ist, wenn er nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Dann wäre die nächste Frage, mit welcher Deutlichkeit der Ausschluss zu erfolgen hätte. Sind die TB-Voraussetzungen des Abs. 3 erfüllt, „gilt“ Abs. 1 nicht. Es fehlt also eine spezielle Anspruchsgrundlage des HV-Rechts.227 Damit mangelt es grds. auch an einem Anspruch auf Delkredereprovision.228 Dem Wortlaut nach gilt aber nur Abs. 1 nicht, § 354 BGB oder andere Anspruchsgrundlagen werden nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Da Abs. 1 jedoch grundsätzlich § 354 verdrängt, dürfte auch diese spezialgesetzlich verdrängte Norm regelm. nicht wieder aufleben.229 Ansonsten wäre Abs. 3 überflüssig. Würde man einen ausdrücklichen Ausschluss der Delkredereprovision fordern, so wäre mit ihm regelmäßig auch ein Provisionsanspruch aus § 354230 oder kraft bei fehlender Provisionsabrede grds. anspruchsbegründendem örtlichen Handelsbrauchs231 ausgeschlossen. Letztlich entscheidet die Fassung der Ausschlussklausel. 34 Das Erfordernis eines ausdrücklichen Ausschlusses oder sogar ein Schriftformerfordernis des Ausschlusses darf jedoch vereinbart werden. Dieses Erfordernis gilt dann im Zweifel auch für die Provisionsabrede – § 154 Abs. 2.232 In den Fällen des Abs. 3 darf die Einstandspflicht

218 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 26; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 20; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 36. 219 Masing BB 1995, 2589 (2592, 2593). 220 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 46. 221 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 177; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 46; Oetker/Busche3 § 86b Rn 20. 222 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 46. 223 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 47; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 15; Masing BB 1995, 2589 (2590). 224 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 47; aA Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 27; Schlegelberger/ Schröder § 86b Rn 15. 225 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 46. 226 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 47. 227 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 47. 228 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 177; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 47; Oetker/Busche3 § 86b Rn 20. 229 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 47. 230 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 47; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 37; aA Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 15. 231 Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 15 f. 232 Masing BB 1995, 2589 (2594); Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 27. Emde

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des HV unentgeltlich, sogar konkludent, aber nicht einseitig,233 für eine Vielzahl von Geschäften übernommen werden, auch für Geschäfte mit noch nicht bestimmten Dritten. Die Geschäfte müssen jedoch wegen § 765 BGB hinreichend bestimmbar sein.234 Den allgemeinen Anforderungen an die Wirksamkeit von Bürgschaftsverträgen oder den im Einzelfall ggf. einschlägigen Verträgen hat die Delkrederevereinbarung also gleichwohl zu entsprechen,235 auch dem Schriftformerfordernis des § 766 S. 1 BGB, sofern kein Handelsgeschäft nach dem hier nicht durch den speziellen § 86b verdrängten § 350 vorliegt und deshalb Formfreiheit besteht.236 Eine trotz Geltung des Abs. 3 vereinbarte Provision muss nicht in einem angemessenen Verhältnis zum übernommenen Risiko stehen, darf aber nicht gegen § 138 BGB verstoßen.237

II. Auslandsgeschäfte Die Ausnahme des Abs. 3 S. 1 setzt die Geltung deutschen Rechts voraus.238 Gemeint sind 35 Abschlüsse, bei denen der Unternehmer oder der Kunde239 ihre Niederlassung, bei Fehlen einer solchen hilfsweise ihren Wohnsitz, nicht in Deutschland in seinen jeweiligen Grenzen,240 sondern im Ausland haben. Die Ausnahme gilt auch für das europäische Ausland.241 Eine EUrechtliche Benachteiligung liegt hierin nicht (s. a. Kommentierung zu § 92c). Die Vorschrift zielt nicht auf – je nach Sichtweise – die Benachteiligung oder Bevorzugung ausländischer HV, sondern solcher – ggf. auch deutscher –, die im Ausland tätig sind. Abs. 3 S. 1 erleichtert die Aufnahme von Geschäften im europäischen Ausland und behindert den Binnenverkehr nicht. Dass der Gesetzgeber mit „Ausland“ nur das Nicht-EU-Ausland bezeichnen wollte (Redaktionsversehen), ist eher unwahrscheinlich. Denn § 86b Abs. 3 spricht generell von Ausland, § 92c Abs. 1 hingegen nur von einer Tätigkeit außerhalb der EU oder der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Wenn der Gesetzgeber in § 86b Abs. 3 nur das in § 92c angesprochene räumliche Gebiet hätte bezeichnen wollte, so hätte er 1990, als er den Wortlaut des § 92c Abs. 1 von „Ausland“ zu „außerhalb der EU oder des EWR“ umstellte, in § 86b Abs. 3 gleiches getan.242 Zumindest hätte ein „Fehler“ seitdem beseitigt werden können, etwa als 2009 § 89b novelliert wurde. Zweck der Ausnahmeregelung ist auch hier die dem Unternehmer typischerweise fehlende, 36 dem HV hingegen leitbildtypisch eher gegebene Möglichkeit zur Überprüfung von Zahlungsfähigkeit und Erfüllungsbereitschaft des Kunden.243 Wenn der Kunde nicht in demselben Land ansässig ist, soll es für den Unternehmer schwierig oder unmöglich sein, sich über die wirtschaftliche Lage des Kunden zu unterrichten.244 Die Möglichkeit mag dem Unternehmer schon wegen der Sprachbarriere selbst im europäischen Ausland fehlen, weswegen das DelkreMasing BB 1995, 2589 (2594); Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 27. Masing BB 1995, 2589 (2594); Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 27. Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 27. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 46; Oetker/Busche3 § 86b Rn 20; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 37. 237 Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 27. 238 Hopt § 86b Rn 12. 239 Hopt § 86b Rn 12. 240 Masing BB 1995, 2589 (2594). 241 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 49; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 39. Nach Ansicht von Hopt § 86b Rn 12 ist dies zweifelhaft. Keinesfalls hilft es den Parteien, wie Hopt § 86b Rn 12 empfiehlt, diese Frage zu regeln, weil eine Regelung gegen die zwingende Natur des § 86b unwirksam wäre. 242 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 49; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 39. 243 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 21; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 48; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 26; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 19; Hopt § 86b Rn 12; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 38. 244 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 21.

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dere auch bei diesen Verträgen zwar nicht zu den typischen Vertragspflichten des HV zählt,245 jedoch aufgrund der räumlichen Nähe des HV zu den Kunden ihm eher eine kostenfreie Risikoübernahme zuzumuten ist. Das Gesetz unterstellte hier mangelnde Schutzbedürftigkeit des HV und eine stärkere Stellung des Auslandsvertreters.246 Der Begriff der „Niederlassung“ ist unglücklich gewählt, weil er nicht klarstellt, ob eine rechtlich selbständige oder unselbständige Betriebsstätte gemeint ist. Niederlassung dürfte eher wie „Betriebsteil“, also – auch – als rechtlich unselbständige Niederlassung, verstanden werden. Entscheidend ist, ob die Niederlassung selbständig über den Vertragsschluss entscheiden darf oder weitgehend eigenständig wirtschaftet, nicht ob sie als Einheit, etwa GmbH, AG, oHG oder KG bzw. juristische Person ausländischen Rechts selbständiger Rechtsträger ist.247 Führen Unternehmer oder Kunde Niederlassungen im In- und Ausland, ist maßgebend, ob Delkrederevereinbarung bzw. zu sicherndes Geschäft mit der ausländischen Niederlassung geschlossen werden sollen.248 Der Sitz des HV ist hingegen irrelevant.249 Bei späterer Verlegung der Niederlassung in das Ausland kann die Delkrederevereinbarung mit Wirkung ab der Sitzverlegung geändert werden.250 Vor der Verlegung entstandene Ansprüche bleiben unberührt.251 Fehlt ein Delkredereversprechen im Vertrag, ist im Zweifel ab dem Datum der Verlegung der Niederlassung keine Delkredereprovision mehr geschuldet. Wird eine solche Provision im Vertrag versprochen oder aufgrund einer stillschweigenden Einigung gezahlt, bedarf es einer ausdrücklichen Vertragsänderung, die ab dem Tag der Verlegung des Niederlassungsortes zulässig ist. Bis zur Vertragsänderung gilt die bisherige Vereinbarung unverändert weiter.

III. Geschäfte, zu deren Abschluss und Ausführung der Handelsvertreter unbeschränkt bevollmächtigt ist – Abs. 3 S. 2 37 Gemäß Abs. 3 S. 2 gilt Abs. 1 nicht für Geschäfte, zu deren Abschluss und Ausführung (kumulativ!) der HV unbeschränkt bevollmächtigt ist. Leitbild war der Unternehmer ohne Kundenkontakt. Der HV wurde in diesem Fall als „eigentlicher Verkäufer“ angesehen und zudem als „wirtschaftlich überlegen“.252 Umgehungen des Rechtsgedankens des § 86b durch Abs. 3 wurden in Kauf genommen.253 Der in Abs. 3 S. 2 angesprochene Abschlussvertreter,254 insb. wenn er obendrein das von ihm abgeschlossene Geschäft selbst ausführen darf, entscheidet im Innenwie im Außenverhältnis eigenständig über die Annahme des Geschäfts.255 Abs. 3 S. 2 gilt daher nicht für den Vermittlungsvertreter.256 Für das Nichtentstehen der Delkredereprovision ist aber abweichend vom Wortlaut des Abs. 3 nicht nur die Bevollmächtigung im Außenverhältnis, sondern ferner die Freiheit von der Abschlusspflicht im Innenverhältnis erforderlich. Denn sonst wäre der unterlassene Abschluss eine Pflichtverletzung. Damit stellt sich, jedenfalls dann, wenn eine Vermittlung des Geschäfts ohne Abschluss kaum denkbar ist, die Frage, ob der Mittler noch HV ist (denn dieser soll gem. § 84 Abs. 1 zur Vermittlung oder zum Abschluss ständig verpflichAA Castan BB 1957, 1124 (1126); Oetker/Busche3 § 86b Rn 21. Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 21. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 50. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 51; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 15. Masing BB 1995, 2589 (2590); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 48; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 28; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 15. 250 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 52. 251 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 52. 252 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 21. 253 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 21. 254 Oetker/Busche3 § 86b Rn 22. 255 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 53. 256 LG Essen BB 1961, 425; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 53; Oetker/Busche3 § 86b Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 40.

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tet sein). HV bleibt der Mittler, wenn er jedenfalls ständig zur Vermittlung verpflichtet ist. Beispiele sollen sein: Tankstellenpächter257 oder Reisebüros, die Flugscheine für Fluggesellschaften verkaufen.258 Als solcher kann der HV das Geschäft unterlassen, d. h. über sein Schicksal „im Wesentlichen“259 frei bestimmen,260 falls er es für zu risikoreich hält, und steht insoweit dem Unternehmer gleich. Grund der Ausnahme ist das berechtigte Interesse des Unternehmers an der Einstandspflicht des HV für Geschäfte, deren Abschluss er ihm vollständig in eigener Verantwortung überlassen hat.261 Es ist jedoch mit dem BGH262 keine konkrete wirtschaftliche Überlegenheit des HV über den Unternehmer gefordert.263 Auch ist es unschädlich, dass der HV von der Ermächtigung zur Ausführung des Geschäfts tatsächlich ganz oder teilweise keinen oder nur eingeschränkten Gebrauch macht,264 solange er dies könnte, also unbeschränkt dazu bevollmächtigt ist, und diese Vollmacht im Innenverhältnis auch ausüben darf. Dazu hat der Unternehmer dem HV die freie Auswahl des Kunden sowie die sonst ihm zustehende Entscheidung zu überlassen, den Vertrag als Bar- oder Kreditgeschäft abzuschließen265 und den Kaufpreis ggf. zu stunden.266 Die verbindlichen Vorgaben des Unternehmers hinsichtlich des Produkts und seines Preises muss der HV gleichwohl einhalten.267 Die Übernahme des Inkassos durch den HV ist nicht erforderlich.268 Ob man ein besonderes wirtschaftliches Bedürfnis des Unternehmers an der Übernahme des Delkredere durch den HV als Wirksamkeitsvoraussetzung fordern muss,269 erscheint zweifelhaft. Gleiches gilt für die Frage, ob die Berechtigung und tatsächliche Befähigung des HV, den abgeschlossenen Kundenvertrag ohne Einschaltung des Unternehmers vollständig zu erfüllen, also sämtliche dem Unternehmer aufgrund des Kundenvertrags obliegenden Leistungen zu erbringen, unabdingbar erforderlich ist,270 wie es beim Leitbild des Tankstellenvertreters der Fall ist. Auch wird der HV kaum zwingend die Verfügungsbefugnis über das vertriebene Produkt, z. B. durch Einrichtung eines Auslieferungslagers oder freien Zugriff auf das Lager des Unternehmers, besitzen müssen.271 257 LG Essen BB 1961, 425; Castan BB 1957, 1124 (1126); Hopt § 86b Rn 14; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 55; Oetker/Busche3 § 86b Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 41. 258 BGH WM 1982, 1152 = BB 1982, 2009; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 55; Hopt § 86b Rn 14; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 41; Oetker/Busche3 § 86b Rn 22. 259 Hopt § 86b Rn 14. 260 Hopt § 86b Rn 14. 261 Giesler/Klapperich2 § 2 Rn 347; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 178; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 45; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 26; Oetker/Busche3 § 86b Rn 23; Röhricht/Graf v. Westphalen/ Thume4 § 86b Rn 17. 262 BB 1966, 1322. 263 Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 177; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 54; Oetker/Busche3 § 86b Rn 23. 264 BGH BB 1966, 1322; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 177; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 54; Hopt § 86b Rn 14; Oetker/Busche3 § 86b Rn 23; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 17. 265 LG Essen BB 1961, 425; Küstner/Thume/Schürr I5 Kap. III, Rn 179; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 29; Heymann/ Sonnenschein/Weitemeyer § 86b Rn 20; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 40; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 17; Masing BB 1995, 2589 (2593, 2594). 266 Masing BB 1995, 2589 (2594); Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 29; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 86b Rn 17; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 40. 267 LG Essen BB 1961, 425; Castan BB 1957, 1124 (1126); Masing BB 1995, 2589 (2594); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 53; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 41. 268 Masing BB 1995, 2589 (2594); Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 29. 269 BGH WM 1982, 1152 (1153); Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 29. 270 So Masing BB 1995, 2589 (2593); Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 29; aA Oetker/Busche3 § 86b Rn 22. 271 So Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 29; Schlegelberger/Schröder § 86b Rn 16. Nach Ansicht von Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 29; Masing BB 1995, 2589 (2596) darf der HV dann für die anlässlich der Ausführung des Geschäfts anfallenden, der Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer dienenden und deshalb von ihm zu tragenden, nicht von der Delkrederehaftung erfassten Kosten Aufwendungsersatz nach § 87d oder § 670 BGB beanspruchen. Hierbei wird es jedoch auf die Umstände des Einzelfalls ankommen; aA Oetker/Busche3 § 86b Rn 22. 851

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Deshalb darf der HV dem Unternehmer die Ausführung des notwendigerweise vom HV abgeschlossenen Geschäfts auch, ggf. teilweise, überlassen,272 etwa die Auslieferung der Ware.273 Denn der HV könnte nach §§ 162, 242 BGB ohnehin keine Delkredereprovision fordern, wenn er das bereits geschlossene Geschäft verhinderte. Die „unbeschränkte“ Bevollmächtigung fordert aber, dass der Unternehmer den Abschluss des Geschäfts nicht selbst (ggf. durch andere HV) tätigen darf und damit den HV ohne Zahlung der Delkredereprovision zur Risikoübernahme verpflichten kann.274 In einem solchen Fall müssten entweder die Voraussetzungen des Abs. 1 einschließlich Schriftform eingehalten sein (Mangel: Nichtigkeit nach § 134 BGB) oder bei Vorliegen dieser Voraussetzungen wird eine Delkredereprovision geschuldet. Eine unbeschränkte Vollmacht besteht auch bei unbeschränkter Vollmacht nur für Einzelgeschäfte275 oder, falls sie verschiedenen Bezirksvertretern je für ihren Bezirk erteilt wurde,276 soweit der eine HV nicht für die von dem anderen HV geschlossenen Geschäfte haftet. Eine Alleinbevollmächtigung des HV ist also nicht erforderlich.277

L. Das Delkredereversprechen im Massengeschäft 38 Delkrederevereinbarungen sind auch im Massengeschäft anzutreffen, also in Sachverhalten, in denen hunderte oder gar tausende Kunden akquiriert werden und es die Lebenserfahrung mit sich bringt, dass es bei einem gewissen Prozentsatz dieser Kunden zu Zahlungsausfällen kommen wird. Die Zahlungsausfälle sind dabei nicht unbedingt Ursache einer unzureichenden Bonitätsprüfung, sondern systemimmanent.278 Ein Beispiel ist der Klassenlotterievertrieb.279 Das Delkredere vereinfacht dabei das Forderungsmanagement des Unternehmers.280 Denn der Unternehmer ist nicht gezwungen, offene Forderungen mühsam beizutreiben und muss dem HV nicht im jedem Einzelfall einen Verstoß gegen die Bonitätsprüfungspflicht nachweisen.281 Grundsätzlich gilt für dieses Massengeschäft nichts Abweichendes. Im Massengeschäft kann die Delkrederevereinbarung faktisch nur in AGB vereinbart werden. Die Bestimmung der Kunden, für das Delkredere übernommen werden soll, muss aber immer individuell vereinbart werden (Rn 20). Nicht jedoch soll dies für die sonstigen Bestandteile der Delkrederevereinbarung gelten, da ansonsten § 86 Abs. 1 S. 2 2. Alt. kaum eine dem modernen Wirtschaftsleben entsprechende, praxisgerechte Vereinbarung zuließe.282

M. Der Delkredereanspruch in der Insolvenz 39 Für die insolvenzrechtliche Behandlung des Anspruchs auf Zahlung der Delkredereprovision sind die unten (s. Kommentierung zu § 87a) entwickelten Regeln zum gewöhnlichen Provisionsanspruch gem. §§ 87, 87a heranzuziehen. Anders als dieser entsteht der unbedingte Anspruch auf Delkredereprovision aber bereits mit dem Abschluss des Geschäfts zwischen Drittem und Unternehmer (§ 86b Abs. 2). Im Unterschied zur insolvenzrechtlichen Beurteilung des ProvisiEbenroth/Löwisch3 § 86b Rn 29. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 54. Vgl. BGH WM 1982, 1152 (1153). LG Essen BB 1961, 425 (für den Fall eines Tankstellenvertreters); Hopt § 86b Rn 14. BGH BB 1966, 1322; Hopt § 86b Rn 14. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 53; Oetker/Busche3 § 86b Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86b Rn 40. 278 Valdini ZVertriebsR 2016, 207. 279 Valdini ZVertriebsR 2016, 207. 280 Valdini ZVertriebsR 2016, 207. 281 Valdini ZVertriebsR 2016, 207. 282 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (208).

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onsanspruchs nach §§ 87, 87a kann es von vornherein nicht darauf ankommen, ob eine Vertragsdurchführung erfolgt bzw. ob der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages wählt. Wird das Insolvenzverfahren vor dem Geschäftsabschluss zwischen Unternehmer und Drittem eröffnet und unterbleibt der Geschäftsabschluss endgültig, so entsteht auf Seiten des HV kein Anspruch auf Delkredereprovision. Schließt der eingesetzte Insolvenzverwalter dagegen anstelle des Unternehmers ein solches Geschäft mit dem Dritten ab, so entsteht der Anspruch auf Leistung der Delkredereprovision als Masseforderung i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, weil es auf einer Tätigkeit des Insolvenzverwalters beruht.

N. Beweislast Jede Partei muss die für sie günstigen Voraussetzungen des § 86b darlegen und beweisen. 40 Nimmt der Unternehmer den HV aufgrund seiner Haftungserklärung in Anspruch, muss er alle TB-Voraussetzungen des § 86b beweisen, d. h. wirksames Delkredereversprechen, rechtswirksames, jedoch nicht erfülltes Kundengeschäft sowie den erfolglos gebliebenen Versuch, den Kunden zur Erfüllung zu bewegen.283 Verlangt der HV von dem Unternehmer Delkredereprovision, so hat er die rechtswirksame Delkrederevereinbarung, den Abschluss des Kundengeschäfts sowie die Höhe der geschuldeten Provision nachzuweisen.284 Die Voraussetzungen des Abs. 3 muss derjenige beweisen, der sich auf diese Ausnahme beruft.

O. Kartellrecht Es ist umstritten, ob die Übernahme der Delkrederehaftung dazu führt, dass der HV „unechter 41 HV“ i. S. d. Leitlinien zur GVO 330/10 wird. Sofern das der Fall sein sollte, bedürfte er der Freistellung nach der GVO 330/10. Dazu s. Kommentierung zu Vor § 84. Um dieses Risiko zu minimieren, kann es angebracht sein, die Delkrederehaftung der Höhe nach auf die auf das Einzelgeschäft jeweils entfallende Gesamtprovision (etwa Vermittlungs-, Delkredere- oder sonstige Provision) zu beschränken, sofern im Einzelfall kein erheblicher Verstoß gegen die Bonitätsprüfungspflicht des HV vorgelegen hat. Sonst trägt der HV mehr als das Provisionsrisiko, mit der Folge, dass er ein von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasster „unechter“ HV sein könnte.285 Damit wird allerdings die Delkrederehaftung sehr entwertet.

P. Die Delkrederevereinbarung als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 KWG? Die gewerbsmäßige Bürgschaft sowie ein Garantie- oder Gewährleistungsgeschäft sind gem. § 1 42 Abs. 1 Nr. 8 KWG i. V. m. § 32 Abs. 1 S. 1 KWG grds. erlaubnispflichtig. Eine Ausnahme i. S. d. § 2 Abs. 1 KWG greift nicht ein.286 Die Delkrederevereinbarung eines HV, der eine Vielzahl von Verträgen vermittelt, erschöpft sich auch nicht in seiner singulären Inanspruchnahme, sondern wird während der Vertragslaufzeit fortwährend virulent. Gleichwohl stellt eine solche Delkrederehaftung kein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 KWG dar.287 Dies wird 283 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 56; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 32; Oetker/Busche3 § 86b Rn 25. 284 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 56; Ebenroth/Löwisch3 § 86b Rn 32; Oetker/Busche3 § 86b Rn 25. 285 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (209). 286 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (210). 287 Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (210). 853

Emde

§ 86b

1. Buch. Handelsstand

man allenfalls für einen gewerblichen Kreditvermittler befürworten können.288 Jener wird i. d. R. für mehrere Darlehensgeber tätig. Zumindest im Regelfall eines Einfirmenvertreters dürfte kein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft vorliegen, da eine Einstandspflicht nur im Verhältnis zwischen einem Unternehmer und dessen Agenten vorliegt. Dritte werden in dieser Konstellation niemals auf die Delkrederehaftung des HV vertrauen289 Es besteht wegen des Dauerschuldverhältnisses in Form des HV-Vertrages und der gesteigerten gegenseitigen Treupflichten kein Bedürfnis dafür, das Delkredere des HV staatlicher Aufsicht zu unterwerfen.290 Anderes soll u. U. für den Fall des Mehrfirmenvertreters gelten, der nicht nur gegenüber einem, sondern gegenüber mehreren Unternehmen das Delkredere übernimmt.291 Gleiches gilt, falls der HV zugunsten Dritter eine Einstandspflicht übernimmt, z. B. zwischen Unternehmer und Kunden.292

288 289 290 291 292

Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (210). Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (210). Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (210). Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (210) Fn 38. Valdini ZVertriebsR 2016, 207 (210) Fn 38.

Emde

854

§ 87 [Provisionspflichtige Geschäfte] (1)

1

Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. 2Ein Anspruch auf Provision besteht für ihn nicht, wenn und soweit die Provision nach Abs. 3 dem ausgeschiedenen Handelsvertreter zusteht. (2) 1Ist dem Handelsvertreter ein bestimmter Bezirk oder ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen, so hat er Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Bezirkes oder seines Kundenkreises während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen sind. 2Dies gilt nicht, wenn und soweit die Provision nach Abs. 3 dem ausgeschiedenen Handelsvertreter zusteht. (3) 1Für ein Geschäft, das erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen ist, hat der Handelsvertreter Anspruch auf Provision nur, wenn 1. er das Geschäft vermittelt hat oder es eingeleitet und so vorbereitet hat, dass der Abschluß überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist, und das Geschäft innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen worden ist oder 2. vor Beendigung des Vertragsverhältnisses das Angebot des Dritten zum Abschluß eines Geschäfts, für das der Handelsvertreter nach Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 Anspruch auf Provision hat, dem Handelsvertreter oder dem Unternehmer zugegangen ist. 2 Der Anspruch auf Provision nach Satz 1 steht dem nachfolgenden Handelsvertreter anteilig zu, wenn wegen besonderer Umstände eine Teilung der Provision der Billigkeit entspricht. (4) Neben dem Anspruch auf Provision für abgeschlossene Geschäfte hat der Handelsvertreter Anspruch auf Inkassoprovision für die von ihm auftragsgemäß eingezogenen Beträge.

Schrifttum Ahle Provision und Ausgleichsanspruch das Handelsvertreters bei Einsatz eines Nachfolgers, DB 1964, 611; v. Blomberg Rückzahlungsklauseln in Provisionsgarantievereinbarungen, VersR 1968, 328; v. Brunn Weitere Zweifelsfragen zum neuen Recht der Handelsvertreter, NJW 1954, 56; Eberstein Zehn Jahre Rechtsprechung zum neuen Handelsvertreterrecht, BB 1964, 271; Ehlers Die Aktivierung von Provisionsforderungen eines Handelsvertreters, DB 1963, 1440; Evers Die Nichtigkeit von Handelsvertreterverträgen wegen zu geringer Verdienstmöglichkeiten und ihre Rückabwicklung, BB 1992, 1365; Glaser Vergütungsfragen des Handelsvertreterrechts, DB 1956, 297; Höft Die provisionsrechtlichen Sonderregelungen für die Versicherungswirtschaft – Gründe und Unverzichtbarkeit, VersR 1976, 205; Hoffstadt Rechtsstellung des Handelsvertreters im Konkurs des vertretenen Unternehmens, DB 1983, 645; Holling Die Aktivierung von Provisionsforderungen und Aufwendungen für schwebende Rechtsgeschäfte der Handelsvertreter, DB 1954, 521; ders. Die rechtliche Stellung des Handelsvertreters im Konkurs des von ihm vertretenen Unternehmens, DB 1957, 349; Killinger Die Provisionsschuld des Geschäftsherrn gegenüber dem Handelsvertreter, BB 1981, 1925; Klinger Zur Bemessung und Gestaltung der Vertreterprovision, DB 1957, 975; Knütel Die Provisionsteilung bei Mitwirkung mehrerer Makler oder Handelsvertreter, ZHR 144 (1980), 289; Koch Der Kundenschutz des Vermittlers, DB 1957, 85; Kollke Die Mehrwertsteuer des Handelsvertreters, BB 1968, 1076; Krüger Der Anspruch mehrerer Handelsvertreter auf Provision, DB 1964, 1399; Maier Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters bei Bestellungen von verbundenen Unternehmen oder Zweigniederlassungen, BB 1970, 1327; Peterek Zur Bedeutung und zum Umfang allgemeiner Kundenschutzvereinbarungen, BB 1966, 351; Reinicke Auslegungsfragen zum neuen Recht der Handelsvertreter, NJW 1953, 1609; Schmidt Vertragsfreiheit und EG-Handelsvertreterrichtlinie, ZHR 156 (1992), 512; Schnitzler, Provision für Eigengeschäfte des Handelsvertreters, DB 1965, 463; Schröder Kundenschutz und Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, BB 1962, 738; ders. Gesetzlicher und vertraglicher Provisionsanspruch des Handelsvertreters, BB 1963, 567; ders. außerbezirkliche Geschäfte des Handelsvertreters, DB 1963, 541; Schweizer/Heldrich Überhangprovision des Handelsvertreters für sogenannte gestorbene Geschäfte, WRP 1976, 25; Siber Zur Aktivierung der Forderungen von Handels-

855 https://doi.org/10.1515/9783110558401-007

Emde

§ 87

1. Buch. Handelsstand

vertretern und Maklern, BB 1956, 916; Stötter Zur Anwendung des § 87 a Abs. 3 HGB auf die ProvisionsvorschussRückgewähransprüche der Versicherungen in den sog. Stornofällen, MDR 1981, 269; Theis Wann muss der Handelsvertreter seine Provisionsforderungen aktivieren? DB 1958, 1255; Thume Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters, BB 2012, 975; Wauschkuhn/Fröhlich Der nachvertragliche Provisionsanspruch des Handelsvertreters, BB 2010, 524; Wessel Provisionsanspruch des Bezirksvertreters bei Sitzverlegung eines Kunden in einen anderen Bezirk, BB 1962, 473; Westphal Provisionskollisionen durch Zusammenwirken mehrerer Handelsvertreter für einen Geschäftsabschluss, BB 1991, 2027.

Übersicht 1

A.

Europarechtliche Präformation

B.

Gesetzgebungsgeschichte

C.

Die Provision

D.

Provision und vertraglicher Leistungsum5 fang

E.

Gläubiger und Schuldner des Provisionsan6 spruchs

2

3

I.

Gläubiger

6

II.

Schuldner

7

F.

Analoge Anwendung auf handelsvertreter8 ähnliche Vertriebsmittler

G.

Erfüllungsort

H.

Form des Provisionsversprechens

I.

Geltungsdauer, Änderung und Aufhebung 11 von Provisionsabreden

J.

Widerruf gezahlter Provision

K.

Abweichende Vereinbarungen und weitere 14 Vergütungsformen

I.

Beispiele abweichender Vertragsregelun15 gen

II.

3. 4.

Beispiele abweichender Vergütungsfor17 men Nicht erfolgsorientierte Vergütungsfor18 men Erfolgsorientierte Vergütung (Leitbild: Provi19 sion) 22 Vergütungsabreden mit Dritten 23 Folgen der Vergütungsvereinbarung

L.

Poolabreden

1. 2.

Emde

9

25

10

13

26

M.

Vergütungsanspruch aus § 354

N.

Vergütungsanspruch aus § 812 BGB

O.

Abtretbarkeit

29

P.

Pfändbarkeit

31

Q.

Systematik der §§ 87 ff

R.

Die Provisionsanwartschaft des § 87 Abs. 1 42 und Abs. 2

I.

Einführung

II. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

46 § 87 Abs. 1 47 Während des Vertragsverhältnisses 52 Geschäftsabschluss 55 Wirksames Geschäft 64 „Dritter“ 65 Fehlende Provisionsanwartschaft 67 Rahmenverträge über Teilleistungen 68 a) Sukzessivlieferungsvertrag b) Bezugs-, Liefer- oder Rahmenver69 träge 74 Eigengeschäfte? 75 Die verschiedenen Provisionsarten a) Tätigkeitsprovision gemäß § 87 Abs. 1 S. 1 75 Alt. 1 76 aa) Kausalität (1) Identität des Gegenstandes des Abschlusses mit dem 82 der Vermittlung 83 (2) Beweislast bb) Abweichende Vereinbarun84 gen b) Folgeprovision gemäß § 87 Abs. 1 S. 1 85 Alt. 2 aa) Während des Vertragsverhältnis89 ses 90 bb) Geworbene Kunden 92 cc) Geschäfte der gleichen Art 94 dd) Dispositivität 95 ee) Beweislast

7. 8.

28

34

42

856

§ 87

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

c)

Abs. 1 S. 2 Provisionsvorrang des ausge96 schiedenen HV 96 aa) Überblick 99 bb) Zwingende Natur

10. 11.

100 § 87 Abs. 2: Bezirksprovision 101 Wer ist Bezirksvertreter? 104 Tätigkeit außerhalb des Bezirkes? 105 Während des Vertragsverhältnisses 106 Beteiligung des Unternehmers 107 Provisionspflicht 107 a) Synallagmatische Hauptpflicht 108 b) Inhalt des Provisionsversprechens 112 c) Belegenheit des Kunden 123 d) Höhe der Provision 124 Beweislast Schlechterfüllung der Bezirksbetreuung/Gegen125 rechte des Unternehmers Schlechterfüllung des Bezirksvertreterverspre132 chens durch den Unternehmer § 87 Abs. 2 S. 2: Provisionsvorrang des ausge133 schiedenen HV 134 Dispositivität 135 Alleinvertreter

S.

Allgemein: Provisionskollisionen

T.

Nachvertragliche Provision (§ 87 145 Abs. 3)

I.

Überblick

II.

Zweck

III.

Abgrenzung zur Überhangprovision

IV.

Erste Alternative der nachvertraglichen Provision: Tätigkeitsprovision nach Abs. 3 151 Nr. 1

III. 1. 2. 3. 4. 5.

6. 7. 8. 9.

136

1.

2.

V.

1. 2. 3.

VI.

150

Zweite Alternative der nachvertraglichen Provision: Angebotseingang vor Vertragsbeendigung 163 (§ 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 2) 164 Europarechtliche Präformation 165 Zweck 166 Voraussetzungen 166 a) Allgemeines 168 b) Zugang § 87 Abs. 3 S. 2: Provisionsteilung aufgrund von 169 Billigkeitserwägungen 172

VII. Rechtsfolgen VIII. Derogation

173 174

IX.

Beweislast

U.

§ 87 Abs 4 – Inkassoprovision

V.

Umgehungstatbestände/Konzerngeschäfte/ 182 Durchgriff

W.

Verwirkung

X.

Beweislast

Y.

Verfahrensrecht

Z.

Steuer- und Bilanzrecht

145 148

Tätigkeitsbezogene Komponente: überwiegende Vermittlung oder Einleitung und Vorberei152 tung 154 a) Vermittelt 155 b) Eingeleitet und vorbereitet 156 c) Überwiegende Verursachung Geschäftsabschluss innerhalb angemessener 160 Frist (zeitliche Komponente)

175

183 184 186 187

A. Europarechtliche Präformation Der Begriff der Provision und das Provisionsrecht sind europarechtlich determiniert. § 87 Abs. 1 1 S. 1 entspricht Art. 7 Abs. 1 RL, § 87 Abs. 1 S. 2 Art. 9 RL. § 87 Abs. 2 füllt eine der Wahlmöglichkeiten aus, die Art. 7 Abs. 2 RL den Mitgliedstaaten eingeräumt hat. Danach konnte der nationale Gesetzgeber wählen, ob er die in § 87 Abs. 2 eingefügte tätigkeitsunabhängige Provision an die Alleinvertretung für einen bestimmten Bezirk oder Kundenkreis oder nur die Zuweisung eines solchen Bezirkes oder Kundenkreises anknüpfte, wobei das HGB die 2. Alt. wählte. Die Teilung der Provision zwischen dem ausgeschiedenen und dem nachfolgenden HV wurde infolge der RL in das deutsche Recht eingeführt (§ 87 Abs. 1 und 2 am Ende; Abs. 3 S. 2). Gem. Art. 8 lit. a RL hat der HV Anspruch auf nachvertragliche Provision, wenn der Geschäftsabschluss überwiegend auf die Tätigkeit zurückzuführen, die er während des Vertragsverhältnisses ausgeübt hat, und innerhalb einer angemessenen Frist nach dessen Beendigung erfolgt ist. Der Wortlaut des § 87 Abs. 3 Nr. 1 weicht hiervon ab, weil statt der Worte „Tätigkeit …, die er während des Vertragsverhältnis857

Emde

§ 87

1. Buch. Handelsstand

ses ausgeübt hat“ die Worte „er das Geschäft vermittelt hat oder es eingeleitet und so vorbereitet hat“ Verwendung finden. Die von der RL verwendeten Worte sind breiter als die enumerativ wirkende Aufzählung des § 87 Abs. 3 Nr. 1, so dass jedenfalls Fälle denkbar sind, in denen nach der RL ein Provisionsanspruch gegeben ist, nicht jedoch nach dem HGB. Das spricht für einen Umsetzungsfehler. Außerdem weicht der in Art. 8 lit. b verwendete Begriff des Eingangs der Kundenbestellung von dem Zugangsbegriff nach deutschem Verständnis ab1 (dazu unten). Gem. Art. 9 RL hat ein Nachfolge-HV keinen Anspruch auf Provision, sofern sie dem Vorgänger zusteht, es sei denn, dass die Umstände eine Provisionsteilung zwischen den HV rechtfertigen. Nach § 87 Abs. 3 S. 2 steht die Provision dem nachfolgenden HV anteilig zu, wenn wegen „besonderer“ Umstände eine Teilung der Provision der Billigkeit entspricht. Die „besonderen Umstände“ des § 87 Abs. 3 S. 2 mit der weiteren Voraussetzung der „Billigkeit“ stellen für den Nachfolger schwerer zu überwindende Voraussetzungen an die Teilung als die „einfachen“ Umstände ohne das Billigkeitserfordernis des Art. 9 RL. Hier dürfte ein Umsetzungsfehler vorliegen. Nach Art. 6 Abs. 2 RL ist Provision jeder Teil der Vergütung, der nach Zahl oder Wert der Geschäfte schwankt. Jene Definition wurde nicht in das HGB übernommen. Dies begründet zwar einen Umsetzungsfehler, der aber ausgeglichen werden kann, indem die Definition von Gerichten zu beachten ist und in das HGB „hineingelesen“ wird. Ohnehin trifft das HGB keine von der RL abweichende Regelung. Art. 7 (Tätigkeits-, Folge- und Bezirksprovision),2 Art. 8 (Provision nach Beendigung des Vertragsverhältnisses) und Art. 9 RL (Provisionsrecht des Vorgängers) sind dispositiv.3 Vorlageverfahren nach Art. 267 AEUV sind daher möglich.4

B. Gesetzgebungsgeschichte 2 § 87 stammt aus der Zeit der großen Novelle 1953. Mittels des Gesetzes 1989 wurden in Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 die Worte „und soweit“, durch eine Neufassung des Abs. 3 dessen jetziger S. 1 Nr. 2 und S. 2 eingefügt. Vorgängervorschriften enthielten die §§ 88, 89 a. F. § 87 wollte ihnen immanente Zweifelsfragen klären.5

C. Die Provision 3 Der HV entfaltet seine Tätigkeit gegen Entgelt; der HV-Vertrag ist ein Leistungsaustauschgeschäft, ein gegenseitiger Vertrag im Sinne der §§ 320 ff. BGB. Die wichtigste, für den HV typische und als solche neben der Ausgleichsvergütung vom Gesetz allein geregelte Form des Entgeltes ist die Provision; sie stellt eine Erfolgsvergütung dar, ist Hauptleistung des Unternehmers für die werbenden Bemühungen des HV und auch als alleinige Vergütungsform gesetzeskonform sowie nach den §§ 305 ff. BGB nicht zu beanstanden.6 Die Berechnung der Provision erfolgt in aller Regel als Prozentsatz des Geldgegenwertes für das einzelne vermittelte Geschäft (Einoder Verkaufspreis, Prämie, Mietzins usw.) – davon geht das Gesetz in § 87b aus, oder – seltener – des dadurch erzielten Geschäftsgewinns.7 Der Begriff der Provision wird in §§ 87 ff. nicht nach den TB-Voraussetzungen, sondern nur 4 nach der Rechtsfolge definiert. Hingegen enthält Art. 6 Abs. 2 RL eine Definition. Danach ist 1 2 3 4 5 6

Siehe Walter NJW 2019, 959. Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (354). Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 72 f. Hopt § 87 Rn 1. Oetker/Busche5 § 87 Rn 4. BAG v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NZA 2010, 877; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.11.2012 – 8 Sa 230/12, BeckRS 2013, 67822. 7 RG LZ 1921, 20. Emde

858

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 87

jeder Teil der Vergütung (Obergruppe), der nach Zahl oder Wert der Geschäfte schwankt, Provision (Untergruppe). Auf die Bezeichnung als Provision kommt es nicht an.8 Es muss sich inhaltlich lediglich um eine Gegenleistung für die Tätigkeit des HV oder HV-ähnlicher Mittler handeln.9 Provision ist also eine vom Gesetz oder Vertrag erfolgsabhängig, etwa anhand von Umsatz oder Stückzahl,10 gestaltete Vergütung, d. h. eine irgendwie nach dem Umfang vergütungspflichtiger Bemessungsgrundlagen ermittelte Zahlung als Gegenleistung für die Arbeit des HV.11 Eine konkrete Ursächlichkeit für einen Geschäftsabschluss oder gar eine Tätigkeit des HV ist nicht Bedingung der Provisionspflicht.12 Dies zeigt die Existenz nicht tätigkeitsbezogener Provisionen, etwa der Bezirksprovision (§ 87 Abs. 2).13 Für Zusatzleistungen können ergänzende „Sonderprovisionen“ gezahlt werden, etwa die Delkredereprovision (§ 86b), Inkassoprovision (§ 87 Abs. 4) oder Provisionen für besondere Markt- oder Kundenpflege, z. B. für die Führung eines Konsignationslagers.14

D. Provision und vertraglicher Leistungsumfang Dem HV-Vertrag bleibt vorbehalten, näher zu regeln, welche Leistungen des HV durch die 5 Provision als abgegolten zu gelten haben. Dies erlangt zum einen Bedeutung im Hinblick auf Aufwendungen des Vertreters (s. § 87d), sodann für die besonders beim Versicherungsvertreter, aber auch bei anderen Vertretern wichtige Frage, inwieweit der gewährte Provisionssatz zugleich die Inkasso- und sog. Verwaltungsprovision mit umfasst. Zum anderen ist es von Bedeutung für die Frage, ob durch die auf die einzelnen Geschäftsabschlüsse entfallende Provision zugleich mit entgolten sein soll, dass der HV durch seine erfolgreiche Tätigkeit dem Unternehmer neue, bleibende Kunden zugeführt und damit die Geschäftschancen des Unternehmers allgemein gesteigert hat, was eine in der Praxis kaum bedeutsame Vorauserfüllung des Ausgleichsanspruchs (s. Kommentierung zu § 89b) wäre. Eine Provision soll nicht gewährt werden müssen für Leistungen, für die der Vertriebsmittler von seinen Kunden ein Serviceentgelt verlangen kann.15 Letztlich wird es auf das (ggf. stillschweigend) Vereinbarte ankommen.

E. Gläubiger und Schuldner des Provisionsanspruchs I. Gläubiger Aktivlegitimiert ist der HV. Zum Begriff § 84. Auch der Untervertreter hat einen Provisionsan- 6 spruch nach § 87. Entscheidend für das Entstehen seiner gegen den Hauptvertreter gerichteten Provisionsanwartschaft ist der Vertragsschluss zwischen Kunde und Unternehmer16 (vgl. auch § 87a Rn 55, 105). Eine Provision kann aber nicht nur HV versprochen werden: Sie kann vielmehr auch in Arbeitsverträgen vereinbart werden.17 8 Koch ZIP 2011, 1752 (1755). 9 Enger: Koch ZIP 2011, 1752 (1755). 10 Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 279. 11 Westphal I, Rn 430; Hopt § 87 Rn 2. 12 Hopt § 87 Rn 2. 13 Hopt § 87 Rn 2. 14 Hopt § 87 Rn 3. 15 LG Frankfurt/M., Urt. v. 15.6.2016 – 2-06 O 79/16, NZKart 2016, 389. 16 BGH, Urt. v. 20.6.1984 – I ZR 62/82, BGHZ 91, 370 = NJW 1984, 2881; OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/ 08, MDR 2009, 703 = NJW-RR 2009, 1699; Ebenroth/Löwisch3 § 84 Rn 120, § 87 Rn 33; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 21. 17 BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 8 A ZR 242/11, DB 2012, 1876 = NZA 2012, 1307. 859

Emde

§ 87

1. Buch. Handelsstand

II. Schuldner 7 Provisionspflichtig ist der Unternehmer, nicht der Vertragspartner des vermittelten Geschäfts. Eine Überwälzung der Provisionspflicht vom Unternehmer auf den Kunden ist durch Vereinbarung zwischen beiden nach § 415 BGB zulässig.18

F. Analoge Anwendung auf handelsvertreterähnliche Vertriebsmittler 8 § 87 ist auf Kommissionsagenten,19 Vertragshändler20 und Franchisenehmer21 nicht ohne besondere Begründung analog anwendbar.22 Eine vorsichtige Analogie zu Abs. 1, 2 kann möglich sein, wenn dem handelsvertreterähnlichem Mittler eine Abs. 1 vergleichbare Provision oder ein Abs. 2 vergleichbarer Bezirks- oder Kundenschutz eingeräumt wurde.23 Auch Abs. 3 – insb. S. 1 Nr. 2 – kann ausnahmsweise zugunsten des Kommissionsagenten, Vertragshändlers24 und Franchisenehmer25 Anwendung finden, falls eine vergleichbare Situation vorliegt,26 z. B. bei weitgehender Einleitung des Geschäfts durch den Händler und zögernder Annahmerklärung des Kunden. Solche Geschäfte müssen auch in die Ausgleichsberechnung einbezogen werden.

G. Erfüllungsort 9 Der Erfüllungsort der Provisionszahlungspflicht liegt nach h. M. am Sitz des Unternehmers.27 Siehe i. E. zum Erfüllungsort Vor § 84.

H. Form des Provisionsversprechens 10 Die Provisionsvereinbarung ist formfrei (§ 85): Insbesondere bleibt eine konkludente Vereinbarung möglich.28 Obwohl Schweigen keine Erklärung beinhaltet,29 soll die jahrelange widerspruchslose Entgegennahme geringerer als der vertraglich vereinbarten Provisionen durch einen VV und dessen rügelose Entgegennahme der monatlichen Abrechnung entsprechend dem Rechtsgedanken des § 362 als Annahme eines Antrags des Versicherers zu werten sein, die ur-

Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 6, 16; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 4a. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 103; aA Oetker/Busche5 § 87 Rn 41. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 144 ff.; Oetker/Busche5 § 87 Rn 41. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 154 ff.; Oetker/Busche5 § 87 Rn 41. BGH, Urt. v. 9.2.1984 – I ZR 226/81, NJW 1984, 2411; OLG Köln BB 1975, 8; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 81; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 10; aA Alff Rn 110; für Abs. 3 Nr. 1: Peterek BB 1966, 351 (354). 23 BGH, Urt. v. 18.11.1963 – VIII ZR 33/62, NJW 1964, 151; v. 30.3.1975 – I ZR 143/74, WM 1975, 1107; Ebenroth/ Löwisch3 § 87 Rn 81; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer vor § 84 Rn 11; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 30a, 39a; § 84 Rn 20; Peterek BB 1966, 351 (353); aA für Vertragshändler und Franchisenehmer: BGH NJW 1984, 2411; für Vertragshändler Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 143; Hopt § 87 Rn 29; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 72. 24 AA Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 146. 25 AA Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 156. 26 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 103. 27 BGH NJW 1988, 966; 1466; OLG Celle, Urt. v. 29.11.2001 – 11 U 344/00; ausführlich Emde RIW 2003, 505; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 61; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 43b. 28 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 77; Oetker/Busche5 § 87 Rn 40; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 8, 56. 29 Oetker/Busche5 § 87 Rn 40.

18 19 20 21 22

Emde

860

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 87

sprünglich vereinbarten Provisionssätze zu kürzen.30 Auch Ansprüche des HV auf Folge- und Stehprovisionen können konkludent ausgeschlossen werden.31

I. Geltungsdauer, Änderung und Aufhebung von Provisionsabreden Mangels abweichender Regelung gelten Provisionsabreden vom Vertragsbeginn bis zum Ver- 11 tragsende. Vereinbarte Provisionssätze und Provisionsbemessungsabreden dürfen weder einseitig aufgehoben (Rn 12) noch durch Weisung oder Teiländerungskündigung abgeändert werden.32 Ein entsprechender Änderungsvorbehalt in AGB ist regelmäßig unwirksam (Zu AGB Vor § 84 Stichwort „Änderungsvorbehalt“), es sei denn, die Änderung bleibt beschränkt auf besonders schwerwiegende, im Einzelnen genau festgelegte und die Interessen des Vertragspartners angemessen berücksichtigende Fälle.33 Auch individualvertraglich dürfte ein Änderungsvorbehalt i. d. R. an § 138 BGB scheitern, weil dem HV auf diese Weise ein Vertrag mit völlig anderem Inhalt und abweichendem Leistungs-Gegenleistungs-Verhältnis aufgezwungen werden könnte.34 Bei Bezirksvertreterabreden erfordert etwa der Austausch des geschützten Bezirks oder Personenkreises den beidseitigen Konsens.35 Ebenso kann die durch Kundenschutzvereinbarung begründete Rechtsstellung nicht durch Handelsbrauch eingeschränkt oder beseitigt werden.36 Allerdings hat der BGH37 einen VV im Einzelfall für verpflichtet gehalten, sich einer angemessenen neuen Provisionsregelung im Hinblick auf die vertraglichen Beziehungen nicht zu verschließen. Befristung und/oder Beschränkung der Höhe einer Provisionsabrede oder der Bestellung als Bezirksvertreter sind aber in sachlicher oder zeitlicher Hinsicht zulässig.38 Bei unberechtigter fristloser Kündigung besteht die Provisionspflicht bis zum ordentlichen Vertragsende fort. An das einmal abgegebene Provisionsversprechen hat sich der Unternehmer zu halten. Eine 12 „automatische“ Anpassung der Provisionsabrede oder des Provisionssatzes findet nicht statt. So das OLG München39: hat der Versicherer einen bestimmten Provisionssatz für alle KfzVersicherungen zugesagt, gilt dieser auch bei der Neueinführung eines besonders günstigen und wettbewerbsfähigen Kfz-Tarifs. Ein neues Produkt werde nur dann nicht von einer bestimmte Produkte betreffenden Provisionsvereinbarung erfasst, sofern mehr als unerhebliche Änderungen maßgeblicher Leistungsinhalte oder sonstiger Parameter vorgenommen wurden.40 Weder eine Gesetzesänderung noch ein nicht kostendeckendes oder verlustreiches Kundengeschäft führt zum Verlust oder zur Anpassung der Provision. Das Urteil des OLG München lädt dazu 30 LG Mannheim, Urt. v. 10.12.2004 – 23 O 89/04, VersR 2005, 1532. Dem soll auch eine vertraglich vereinbarte Schriftformklausel nicht entgegenstehen, weil sie durch konkludentes Verhalten abgeändert werden kann Dieses Judiz dürfte im Spannungsverhältnis zur Rspr. betreffend die zwingende Natur der Kontrollrechte (§ 87c Abs. 5) stehen, weil der HV mit der konkludenten Einigung über das Hauptrecht auch seinen Anspruch auf die nach dieser Vorschrift zwingenden Hilfsrechte verliert. 31 OLG Brandenburg, Urt. v. 21.12.2000 – 6 O 250/99, NJW-RR 2002, 1401 zu den Provisionen von Mobilfunkvermittlern. 32 BGH, Urt. v. 24.10.1955 – II ZR 216/54; DB 1955, 1085; OLG Stuttgart BB 1965, 926; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 79; aA für Teilkündigung, OLG Bamberg NJW 1958, 1830 mit abl. Anm. Thiede NJW 1959, 1444. 33 BGH, Urt. v. 6.10.1999 – VIII ZR 125/98, ZIP 2000, 138 (144, 145) = BB 2000, 59 m. Anm. Emde. 34 AA Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 62; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 77; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 31a. 35 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 62; Hopt § 87 Rn 25; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 31a. 36 OLG Celle BB 1961, 1341; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 62; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 40. 37 VersR 1992, 233 ff. 38 Peterek BB 1966, 351 (354). 39 OLG München, Urt. v. 6.2.2008 – 3993/07, NJW-RR 2009, 458 = VersR 2008, 1212 = r+s 2008, 357 – Allianz. 40 OLG München, Urt. v. 6.2.2008 – 3993/07, NJW-RR 2009, 458 (459 unter II 1) = VersR 2008, 1212 = r+s 2008, 357 – Allianz. 861

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ein, separate Verträge über jedes Produkt zu schließen und neue Produkte nicht automatisch vom Vertrag erfassen zu lassen. Regelmäßig ist auch keine Anpassung der Provision oder des Vertrages nach den Grundsätzen des WGG geschuldet.41 Das gilt auch dann, wenn Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen – etwa eine Verringerung der Höchstlaufzeit von Versicherungsverträgen – zu einer Verschiebung der Vergütungsgrundlagen führt – pacta sunt servanda. Solche Änderungen erfordern keinen Gleichlauf mit den Provisionsbestimmungen, das Risiko von Gesetzesänderungen trägt grds. der Unternehmer. Ein Handelsbrauch kann einen lückenhaften HV-Vertrag ergänzen, eine gesetzliche oder vertragliche Provisionsregelung aber grundsätzlich nicht abdingen oder ändern.42 Nur sofern sich die Höhe der Provision nach § 87b bestimmt, passt sie sich im Falle der Marktgerechtigkeit automatisch der Höhe nach an.

J. Widerruf gezahlter Provision 13 Wurde im Vertrag dem Unternehmer das Recht vorbehalten, die Provision oder einen Teil der Vergütung zu widerrufen, so ist im Wege der Auslegung der Umfang dieses Rechts zu ermitteln. Im Allg. wird der Widerruf nur nach billigem Ermessen erfolgen darf.43 Solche Widerrufsklauseln müssen insb. als AGB hinreichend transparent sein. Zudem darf der Widerruf keine erhebliche Kündigungsbeschränkung darstellen (dazu Kommentierung zu § 89).

K. Abweichende Vereinbarungen und weitere Vergütungsformen 14 Die Provisionsvorschriften sind innerhalb der allgemeinen Grenzen (§§ 138, 226, 242 BGB)44 zumindest individualvertraglich dispositiv,45 wie auch Art. 6 Abs. 3 RL zeigt.46 Teilweise wird dies für die völlige Derogation der Vermittlungsprovision verneint: es dürfe nur die Höhe der Vermittlungsprovision vereinbart werde.47 Andere befürworten ein Derogationsverbot zumindest für unter die RL fallende HV48 unter Hinweis auf Artt. 8, 9 RL und in Hinblick auf § 87 Abs. 3: Artt. 8, 9 RL sähen die Derogation nicht ausdrücklich vor.49 Dies ließe auf ein Derogationsverbot schließen, und zwar wegen der einheitlichen Umsetzung der RL im HGB nach deutschem Recht für alle HV (überschießende Umsetzung) wohl auch für HV, die nicht unter die RL fallen. Zutreffend ist wohl die umgekehrte Argumentation: Da die RL es regelt, falls eine Vorschrift zwingend sein soll, was

41 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 28; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 7. 42 OLG Celle BB 1961, 1341; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 77; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 9; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 40, 55 a; aA wohl Hopt § 87 Rn 48.

43 BAG, Urt. v. 16.3.1982, AP HGB § 87a Nr. 5. 44 Thume MDR 2011, 703. 45 BGH, Beschl. v. 24.4.2014 – VII ZR 163/13, NJW 2014, 1735 = DB 2014, 1428 = WM 2014, 1196 Rn 11 f. (für Bezirksprovision); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 18.9.2012 – 5 U 101/09, BeckRS 2014, 11259 (für Abs. 1 und AGB); OLG Oldenburg, Urt. v. 25.2.2014 – 13 U 86/13, BeckRS 2014, 05367 zu III 1; OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.2.2009 – 7 U 219/07, BeckRS 2010, 16911; Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (354); Thume BB 2012, 975 (977); Thume MDR 2011, 703; Krämer VersR 2010, 1647; Eberstein S. 77; Schröder BB 1963, 567; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 77; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 87 Rn 4; Oetker/Busche5 § 87 Rn 39; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 55; aA wegen der erforderlichen Konformität mit der RL Schmidt ZHR 156 (1992), 512 (519). 46 Wortlaut: „Die Artikel 7 bis 12 gelten nicht, soweit der Handelsvertreter nicht ganz oder teilweise in Form einer Provision vergütet wird“. 47 Küstner in: Küstner/Thume II, 8. Aufl., Kap. VIII Rn 193 zum VV. 48 Reiff VersR 2012, 645 (653). 49 J. Schmidt ZHR 1992, 512 (517, 519); Westphal Diss. Münster 1994, S. 72 ff. Dieser Auffassung ist nach Ansicht von Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (354) jetzt der Boden entzogen worden. Emde

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bei Artt. 8 und 9 nicht geschah, ist davon auszugehen, dass abweichende Parteivereinbarungen möglich bleiben sollten,50 s. a. Art. 6 Abs. 3 RL. Die Derogation ist innerhalb der Grenzen der §§ 305 ff. BGB grundsätzlich auch mittels AGB möglich,51 und zwar – wohl trotz § 87b Abs. 1 – zumindest hinsichtlich der Höhe der zu gewährenden Provision bereits deshalb, weil reine Preisvereinbarungen nach § 307 Abs. 3 BGB kontrollfrei sind (Einzelheiten Vor § 84 zu AGB). Die Parteien können am besten die Angemessenheit der Hauptleistung bestimmen. Der gesetzgeberische Grund ist der gleiche, der auch § 307 Abs. 2 BGB zugrunde liegt. Die Höhe der Provision darf also weitgehend frei bestimmt werden. Erst das Schicksal der entstandenen Provisionsanwartschaft ist nach § 87a Abs. 5 teilweise der Vertragsfreiheit entzogen.52 Ein Provisionsrecht „nach Absprache“ schließt den gesetzlichen Provisionsanspruch nicht aus;53 sie ist nur als Absprache zur Höhe der Provision zu verstehen.54 Eine wirksame Provisionsvereinbarung verstößt auch nicht gegen die zwingende Natur des Ausgleichsanspruchs (§ 89b Abs. 4), weil nur unmittelbar gegen den Ausgleichsanspruch gerichtete und nicht ihn lediglich mittelbar reduzierende Abreden § 89b Abs. 4 widersprechen55 (s. Kommentierung zu § 89b). Vertragliche Regelungen sind namentlich deshalb angezeigt, weil das Gesetz die Fälle von Provisionskonkurrenzen nur im Blick auf die Nachfolge in der Vertreterstellung regelt, während es Fälle von gleichgearteten Überschneidungen beim Kundenschutz oder von Überlagerungen beim Tätigwerden verschiedener HV für das gleiche Vermittlungsvorhaben außer Betracht gelassen hat und hier die Gefahr einer doppelten Provisionspflicht für den Unternehmer entsteht. Insoweit kann nur eine aufeinander abgestimmte Regelung in den Verträgen mit den beteiligten Vertretern eine sinnvolle Lösung bringen.

I. Beispiele abweichender Vertragsregelungen 15 Insbesondere dürfen geregelt werden: – Anforderungen an das Herbeiführen des Kundengeschäfts;56 – Aufteilung der Provision unter beteiligten HV,57 insb. für Fälle der Provisionskollision; – Provisionsausschluss und Vereinbarung einer anderen Vergütungsform (der vollständige Ausschluss jeder Vergütung wäre sittenwidrig); – Außerordentliche Kündigung: Ausschluss der Provision nach berechtigter fristloser Kündigung des Unternehmers für danach ausgeführte Geschäfte;58 dies ergibt sich schon aus dem Vertragsende;

50 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 92. 51 Thume MDR 2011, 703 (709) – jedenfalls soweit dem Leitbild der HV-Provision nicht erheblich widersprochen wird (wohl zu eng, siehe etwa die Möglichkeit einer Festvergütung); zweifelnd mglw. BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, DB 2009, 2652 (2654) Rn 21 – zumindest für Überhangprovision; für ein Derogationsverbot in AGB wohl Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 77; streng auch OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, MDR 2009, 703 = NJWRR 2009, 1699; gegen die Derogation mittels AGB (sofern vom gesetzlichen Leitbild bgewichen wird) Thume BB 2019, 835 (839). 52 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 77. 53 OLG Frankfurt/M. MDR 1997, 1139. 54 Oetker/Busche5 § 87 Rn 39. 55 BGH, Urt. v. 21.5.2003 – VIII ZR 57/02, DB 2003, 1568 (1569) = MDR 2003, 1122 = WM 2003, 2110; Ebenroth/ Löwisch3 § 89b Rn 174, § 87 Rn 77; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 89b Rn 194; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 57a. 56 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 78. 57 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 78. 58 OLG München OLGZ 1966, 27. 863

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Ausschluss oder Einschränkung der Abs. 1 S. 1 2. Alt.59 (Folgeprovision),60 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 261 Abs. 3 S. 1 und 262 sowie Abs. 4;63 – Bedingungen für das Entstehen der Provision:64 Zu prüfen ist aber immer, ob die Provisionsentstehungsvoraussetzungen mglw. intransparent i. S. d. § 307 BGB geregelt sind, da es sich bei Vertriebsverträgen meistens um AGB handelt. Dies dürfte nur im Ausnahmefall anzunehmen sein; – Bezirksvertreter: Erweiterung, Einschränkung oder Ausschluss des Kunden- und Bezirksschutzes;65 – Nichtverprovisionierung von Direktgeschäften (nur bei Bezirksgeschäften praktisch, da nach Abs. 1 ohnehin kein Provisionsrecht für Direktgeschäfte); – Entstehen der Provisionsanwartschaft, insb. die Verschiebung der Entstehung des Provisionsanspruches auf den Zeitpunkt des Eingangs der Kundenleistung66 bzw. engere67 oder weitere Voraussetzungen für die Begründung der Provision. So begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, Provisionsansprüche zur Werbung von Zeitschriftenabonnements nur für den Fall zu versprechen, dass die Bezugszeit zwölf Monate beträgt;68 – Höhe des Provisionssatzes; – Mitursächlichkeit als Vorbedingung des Provisionstatbestandes, etwa Anknüpfung der Provisionsanwartschaft an die ausschließliche oder überwiegende Herbeiführung des Geschäfts;69 – Zahlungspflicht des Kunden statt des Unternehmers (s. Rn 22). 16 Macht der Unternehmer den Abschluss des geworbenen Geschäfts von dessen tatsächlicher Ausführung abhängig, greift zwingend § 87a Abs. 3 ein und der Unternehmer entgeht der Provisionspflicht nur, wenn er nachweist, dass die Nichtausführung des Kundengeschäfts von ihm nicht zu vertreten ist.70 –

II. Beispiele abweichender Vergütungsformen 17 Die Vorschriften über die Provision sind nur soweit zwingend, als dies ausdrücklich im Gesetz angeordnet (s. o.) und wenn und soweit eine Provision vereinbart wurde.71 Die Provision ist vom Gesetz nicht als einzige Entgeltform vorgesehen worden.72 Dies zeigt insb. Art. 6 Abs. 3 RL, der den Ausschluss der Provision zulässt sowie der gesamte Art. 6 RL, der neben der in Art. 6 Abs. 2 RL genannten „Provision“ als Untergruppe der „Vergütung“ in seinen Abs. 1, 2 andere Vergütungsformen zulässt. Damit ist anerkannt, dass die Provision nicht die einzig zulässige Vergütungsart darstellt. Die Parteien können jede andere Vergütung allein oder neben der Provisi-

Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 78; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 57; aA Schmidt ZHR 156 (1992), 512 (519). MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 66. Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 78; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 61. BGHZ 33, 92 (94); BGH, Urt. v. 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, MDR 1998, 354; Westphal I Rn 452. OLG Nürnberg VersR 1959, 801; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 61a. Vgl. Dänekamp/Kölln NJW 2015, 3126 (3129). BGH, Urt. v. 9.6.1978 – I ZR 136/76, WM 1978, 982; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 102 f.; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 99; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 40, 58a, b, 59, 60; aA J. Schmidt ZHR 156 (1992), 512 (519). 66 Westphal I Rn 455. 67 LAG Hamm DB 1959, 236. 68 AG Schwerin, Urt. v. 2.3.2006 – 16 C 2711/04, BeckLSK 2007, 070308. 69 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 65; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 56. 70 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 78. 71 Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 279. 72 Westphal I Rn 435; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 1; Hopt § 87 Rn 5; Oetker/Busche5 § 87 Rn 8.

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on vereinbaren und verschiedene Formen kombinieren,73 sofern die Grenze der Sittenwidrigkeit nicht überschritten wird. So darf etwa neben oder an Stelle der Provision eine abweichende Vergütungsform vereinbart werden, z. B. eine feste Vergütung. Jedoch ist hier zu prüfen, ob der HV alsdann nicht in Wahrheit Angestellter ist (§ 84 Abs. 2). Ist der HV eine Gesellschaft und werden einzelne Mitarbeiter für die Tätigkeit eingesetzt und dieser Aufwand nach Stundensätzen oder ähnlicher fester Vergütung abgegolten, so ist zu prüfen, ob eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Innerhalb eines Konzerns liegt auch dann keine Arbeitnehmerüberlassung vor, wenn einzelne Mitarbeiter überwiegend für die Tätigkeit als HV für die Konzerngesellschaft eingesetzt werden, solange sie daneben auch für Dritte oder den eigenen Arbeitgeber tätig sind und nicht nur zum Zweck der Überlassung an die Konzerngesellschaft eingestellt wurden. Die erfolgsabhängige Provision bleibt aber die Regelvergütung des HV. Deshalb ging der Regierungsentwurf zu § 8774 davon aus, die übliche Vergütung des HV sei die Provision.

1. Nicht erfolgsorientierte Vergütungsformen Beispiele abweichender, in Abgrenzung zur Provision nicht erfolgsorientierter Vergütungsfor- 18 men bilden etwa: – eine betriebliche Altersversorgung; – ein Fixum, d. h. ein festes Entgelt, welches unabhängig vom Vermittlungserfolg des HV geleistet wird.75 Ob daneben zusätzlich Provision gezahlt wird, ist Vereinbarungsfrage. Selbst bei ausschließlicher Vereinbarung eines Fixums kann ein HV-Vertrag vorliegen. Die Gewährung einer Provision ist nicht TB-Voraussetzung sondern Rechtsfolge der §§ 84 ff. Häufig wird die Zahlung eines Fixums zusätzlich zur Provision vereinbart, um einerseits einen Tätigkeitsanreiz für den HV zu schaffen,76 andererseits dem HV aber ein verlässliches Mindestentgelt zu sichern. Nicht selten ist die Koppelung von Fixum (mitunter nur Bezeichnung für einen pauschalierten Kostenersatz) und daneben versprochener Provision. Das Fixum ist grundsätzlich auch zu leisten, wenn der HV nach Ansicht des Unternehmers seine Aufgaben vernachlässigt,77 angeblich aber nicht bei völliger Untätigkeit78 (aber das wäre ein Fall der §§ 320, 273 BGB). Nicht anders als im Falle der Untätigkeit eines Bezirksvertreters (siehe die Paralleldiskussion bei den Ausführungen unten zum Bezirksvertreter) kann der Unternehmer zudem mit einer Schadenersatzforderung aufrechnen79 oder nach Abmahnung außerordentlich kündigen. Wird der HV überhaupt nicht tätig, darf die Einrede des § 320 BGB erhoben werden.80 Der Anspruch des HV auf die monatliche Fixprovision ist Arbeitseinkommen nach § 850 Abs. 2 ZPO, wenn es sich um die einzige Tätigkeit des HV handelt.81 Ein Indiz für Unselbständigkeit muss das Fixum nicht notwendigerweise geben.82

73 Hopt § 87 Rn 5; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 12; Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 279.

74 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches vom 15.11.1952, Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949, BT-Drucks. Nr. 3856/S. 21. 75 OLG Oldenburg, Urt. v. 25.2.2014 – 13 U 86/13, BeckRS 2014, 05367; OGH Österreich, Entsch. v. 24.10.2018 – 8 Ob 23/18t, ZVertriebsR 2019, 198 (199); Thume BB 2012, 975, 977; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 13; Westphal I Rn 435; Hopt § 87 Rn 5; Oetker/Busche5 § 87 Rn 8; nach Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 77 kann es wegen der Leitbildfunktion der erfolgsabhängigen Vergütung nur individualvertraglich vereinbart werden. 76 Westphal I Rn 435. 77 Hopt § 87 Rn 5; Oetker/Busche5 § 87 Rn 8. 78 Oetker/Busche5 § 87 Rn 8. 79 Hopt § 87 Rn 5. 80 OLG Braunschweig DB 1956, 794; Hopt § 87 Rn 5. 81 BayObLG NJW 2003, 2181. 82 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 13. 865

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Wird ein Fixum gewährt, sollen die §§ 87–87d unanwendbar sein.83 Eine Vereinbarung, bei der feste Zahlungen erfolgen und eine Schlussabrechnung vorgenommen wird, ist keine Vereinbarung eines Fixum, sondern bildet einen Provisionsvorschuss.84 Dies gilt jedenfalls, wenn am Ende ein Debetsaldo auszugleichen ist; fixe Entgelte für die Betreuung und Pflege eines dem HV übertragenen Kundenbestands85 (in Abgrenzung zur o. g. Verwaltungs- oder Bestandspflegeprovision); Entgelte für Verhandlungen zur Abwehr von Mängelrügen;86 Kostenzuschüsse für Aufbau87 und Unterhalt von HV-Unternehmen, Büro oder Fahrzeug, für Reisekosten (Kilometergelder)88 oder Einstellung von Mitarbeitern;89 für die Einrichtung und Unterhalt eines Konsignations- oder Auslieferungslagers90 sowie für den Warenverkauf aus einem solchen.

2. Erfolgsorientierte Vergütung (Leitbild: Provision) 19 Das gesetzliche Leitbild erfolgsorientierter Vergütung, der Provision nach den §§ 87 ff., kann übernommen oder variiert werde. Provision kann insbesondere geleistet werden: 20 – für die Stellung eines Akkreditivs durch den Kunden;91 – für das Anwerben, Leiten, Überwachen und Betreuen von Untervertretern eine an deren Provisionseinkommen ausgerichtete Leitungs- oder Superprovision;92 – für die Übernahme des Delkredere nach § 86b; – als Einmalprovision;93 – als Garantie- oder Mindestprovision: Treffender ist die Apostrophierung als Mindestprovision.94 Sie erhöht sich durch Vermittlungserfolge des HV. Der Unterschied zum o. g. Fixum besteht darin, dass das Fixum „fest“ ist, also grundsätzlich – eine abweichende Vereinbarung darf getroffen werden – durch erfolgreiche oder weniger erfolgreiche Vertriebsbemühungen und die Provisionen weder erhöht noch reduziert wird.95 Etwas anderes gilt, wenn ein Fixum zusätzlich zur Provision gezahlt werden soll. Im Zweifel ist im Verhältnis zwischen Fixum und Garantieprovision von einer Garantieprovision auszugehen,96 es bedarf ggf. der Auslegung des Vertrages, auf welchen Zeitraum die Provisionsgarantie sich beziehen soll und ob innerhalb des Garantiezeitraums ein Ausgleich zwischen schwankenden 83 84 85 86 87 88 89 90

OLG Oldenburg, Urt. v. 25.2.2014 – 13 U 86/13, BeckRS 2014, 05367. LG Osnabrück, Urt. v. 25.7.2014 – 15 O 486/13, ZVertriebsR 2015, 312 (314). Thume BB 2012, 975 (976). BGH, Urt. v. 3.10.1962 – VIII ZR 231/61, BB 1962, 1345. Ein solcher Zuschuss lag etwa dem Urt. des LG Mühlhausen v. 8.6.2018 – 6 O 751/13 zugrunde. LAG Stuttgart DB 1970, 164. BGH, Urt. v. 16.3.1989 – I ZR 162/87, ZIP 1989, 632 mit Anm. v. Hoyningen-Huene EWiR 1989, 693. BGH, Urt. v. 28.4.1988 – I ZR 66/87, NJW-RR 1988, 1061 (1062); Westphal I Rn 262, 263; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 7. 91 BGH, Urt. v. 19.11.1956 – II ZR 110/55, WM 1957, 213. 92 BGH, Urt. v. 4.5.1959 – II ZR 81/57, BGHZ 30, 98 (104) = NJW 1959, 1430; v. 24.6.1971 – VII ZR 223/69, BGHZ 56, 290 = NJW 1971, 1610; v. 22.6.1972 – VII ZR 36/71, BGHZ 59, 87 = NJW 1972, 1662; v. 6.7.1972 – VII ZR 75/71, BGHZ 59, 125 = NJW 1972, 1664; BAG, Urt. v. 28.7.1981 – 1 ABR 56/78, DB 1981, 2031; OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.2.2009 – 7 U 219/ 07, BeckRS 2010, 16911; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 11; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 7; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87Rn 14; Höft VersR 1976, 205 (207). 93 Thume BB 2019, 835; Thume BB 2015, 387; Thume BB 2012, 975 (977); Thume MDR 2011, 703 (707). 94 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 15. 95 S. OLG München, Urt. v. 23.12.2009 – 7 U 3582/09 m. abl. Anm. Evers VW 2010, 288. 96 OLG München, Urt. v. 23.12.2009 – 7 U 3582/09 m. abl. Anm. Evers VW 2010, 288; OLG Nürnberg BB 1964, 866; Westphal I Rn 437; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 17. Emde

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Provisionseinnahmen stattzufinden hat.97 Im Zweifel sind nur Mindest- und Garantieprovision auf die im selben Abrechnungszeitraum verdiente variable Provision anzurechnen, nicht aber ein Fixum sowie sonstige Zuschüsse oder feste Zahlungen.98 Die Regelung „Herr Y erhält von … bis … nachträglich monatlich eine Provisionsgarantie von X EUR, ab dem … eine Provisionsgarantie von Y EUR nachträglich monatlich“ soll nach dem OLG München99 dem HV die geleistete „Provisionsgarantie“ nur dann in voller Höhe belassen, wenn er mit den daneben monatlich gezahlten variablen Provisionen nach § 87 die „Provisionsgarantie“ betragsmäßig nicht erreicht. Für Monate, in denen die variable Provision die „Provisionsgarantie“ übersteigt, ist sie zurückzuerstatten. Dafür spricht: die Reduzierung der „Garantie“ nach Ablauf der bestimmten Zeitdauer sowie ihr Wegfall nach dem 2. Jahr (kein dauerhaftes „Festgehalt“), die nachträgliche monatliche Auszahlung (beim „Festgehalt“ hätte eine Leistung zum 1. des Monats nahe gelegen), dass ein Fixum von den gesetzlichen Vorstellungen abweicht und es hierfür bestimmter Anhaltspunkte bedarf sowie die Zweckbestimmung der Überweisungen als „Provisionsvorschuss“ (ein Vorschuss wird verrechnet100). Nicht gegen diese Auslegung soll sprechen, dass während der Zahlungsdauer von 2 Jahren keine Verrechnung stattfand und der Vertrag keine Verrechnungsklausel enthielt. Eine Rückforderung der Spitze zwischen verdienter Provision und Mindestprovision ist regelmäßig ausgeschlossen, selbst wenn sich ein „Unterverdienst“ ergibt.101 Die Provisionsgarantie ist damit nicht zu verwechseln mit dem – festen – Provisionsvorschuss, bei welchem eine Rückzahlung nicht erreichter Provisionen stattfindet, während die Provisionsgarantie dem HV das garantierte Minimum in jedem Falle belässt.102 Die garantierte Mindestprovision wird regelmäßig gewährt, sofern die Parteien erwarten, dass die Garantieprovision die übliche Provision zumindest für einen mittelfristigen Zeitraum unterschreitet. Hier wie beim Provisionsvorschuss kann sich das bei § 89 Stichwort „Kündigungserschwernisse“ behandelte Problem stellen, ob die Rückforderung überzahlter Mindestprovisionen nach einer Vertragskündigung eine der zwingenden Natur der §§ 89, 89a widersprechende Wirkung zeitigt. Dazu dort. Nicht anders als bei Fixum und Bezirksprovision kann der Anspruch auf Garantieprovision entfallen, wenn der HV untätig bleibt. Regelmäßig wird die Garantieprovision für einen bestimmten Zeitabschnitt zugesichert. Deshalb ist es ausgeschlossen, Unterverdienste in einem Zeitabschnitt (etwa einem Monat) mit Überverdiensten in einem anderen Zeitabschnitt (z. B. in einem anderen Monat) zu saldieren.103 Die Zusage eines Mindestverdienstes wäre nämlich wertlos, sofern der Bezugszeitraum nicht bestimmt wird und so langfristig bemessen ist, dass alle Mehrverdienste irgendwann einmal zum Ausgleich von Minderverdiensten herangezogen werden könnten. Außerdem spricht die Verpflichtung zur monatlichen Abrechnung (§§ 87a Abs. 4, 87c Abs. 1 Satz 1) für diese Deutung.104 Ohne eine dahingehende Abrede ist der Unternehmer nicht verpflichtet, einem HV eine „Unterdeckung“ aus dem laufenden Vertrag auszugleichen, und zwar auch dann nicht, wenn der Unternehmer umfangreiche wirtschaftliche Berechnungen bzw. Planrechnungen ausführt. Denn damit ist keine Garantieübernahme verbunden;105 für das Inkasso nach Abs. 4;

97 S. OLG München, Urt. v. 23.12.2009 – 7 U 3582/09 m. abl. Anm. Evers VW 2010, 288. 98 BAG, Urt. v. 22.9.1975 – 3 AZR 114/75; VersR 1976, 1188; OLG München, Urt. v. 23.12.2009 – 7 U 3582/09 m. abl. Anm. Evers VW 2010, 288; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 65, 65a. 99 OLG München, Urt. v. 23.12.2009 – 7 U 3582/09 m. abl. Anm. Evers VW 2010, 288. 100 Daum VersR 2014, 1430. 101 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 19. 102 LAG Baden-Württemberg DB 1959, 1404. 103 BAG, Urt. v. 22.9.1975; zit. n. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 22, 23. 104 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 24. 105 OLG Hamm, Urt. v. 29.7.2013 – 18 U 169/12, IHR 2014, 231 (235). 867

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als Provisionsvorschuss.106 Siehe auch § 87a Rn 31 ff., insb. zum Rückzahlungsanspruch. Der Provisionsvorschuss darf vertraglich vereinbart werden107 und ist gem. § 87a Abs. 1 S. 2 vorgeschrieben, sobald der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. Auch regelmäßig bewilligte Vorschüsse sind nicht zu beanstanden, nur weil sie nicht allein der Anschubfinanzierung der ersten Monate des Vertragsverhältnisses dienen, sondern zeitlich darüber hinausgehen und/oder keine zeitliche Begrenzung haben.108 Ein Vorschuss stellt weder ein Fixum noch eine Garantieprovision dar, weil er in der Höhe zurückzuzahlen ist, in der er nicht durch verdiente Provision abgedeckt wird.109 Näheres, auch zur Rückzahlung § 87a Rn 31 f. Abgrenzungsschwierigkeiten treten insb. zur Garantieprovision ein.110 Die Bezeichnung der Parteien ist für die Abgrenzung irrelevant,111 wobei die Nutzung des Wortes Vorschusses jedoch einen Hinweis auf die Einordnung als solcher gibt.112 Von einem nicht rückzahlbaren Provisionsfixum bzw. einem Mindestverdienst soll auszugehen sein, wenn eine Vorschussvereinbarung über den 6 zunächst monatigen Zeitraum auf 24 Monate verlängert wird, obwohl die Parteien erkannt haben, dass es dem HV unmöglich ist, monatlich Provisionen in Höhe des Vorschusses zu verdienen.113 Zudem soll ein Mindestverdienst vorliegen, wenn die Parteien die Verrechnung der Vorschüsse mit den verdienten Provisionen geregelt haben, nicht aber die Verpflichtung zur Rückzahlung unverdienter Vorschüsse.114 Selbst eine „Aufbauhilfe“ kann einen Vorschuss darstellen,115 ebenso die Zahlung auf eine „Provisionsabrechnung“;116 als Verwaltungs- oder Bestandspflegeprovision: Sie wird für die Verwaltung eines bereits geworbenen Bestandes an Verträgen gewährt und ist insb. in der Versicherungswirtschaft häufig. Mglw., aber nicht zwingend, bildet sie eine leistungsabhängige Vergütung für verwaltende und nicht werbende Tätigkeit i. S. d. Ausgleichsrechts. Eine Verwaltungsprovision ist nur dann zusätzlich zur erfolgsabhängigen Provision zu zahlen, wenn dies ausdrücklich vereinbart wird.117 Fehlt eine Vereinbarung, ist davon auszugehen, dass die verwaltenden Tätigkeiten des HV durch die erfolgsabhängige Vergütung vergütet werden; es entsteht also kein zusätzlicher Anspruch auf Zahlung einer Verwaltungsprovision. Vielmehr enthält die erfolgsabhängige Provision einen sog. „Verwaltungsanteil“, der nach h. M. bei der Ausgleichsberechnung nicht einzubeziehen ist (s. Kommentierung zu § 89b). Die Relation zwischen erfolgsabhängiger, ausgleichspflichtigem Vergütungsanteil und dem verwaltenden Anteil der Provision kann nicht beliebig frei vereinbart werden, weil sonst der zwingende Ausgleich des § 89 b ausgehöhlt würde. Deshalb muss die Relation angemessen sein, was

106 OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.8.2013 – I-16 U 183/12, BeckRS 2014, 06492; OLG Oldenburg, Urt. v. 24.7.2012 – 13 U 118/11, IHR 2013, 79; Daum VersR 2014, 1430; Schipper NJW 2010, 3067 (ausführlicher in NJOZ 2010, 2096). 107 OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.8.2013 – I-16 U 183/12, BeckRS 2014, 06492. 108 OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.8.2013 – I-16 U 183/12, BeckRS 2014, 06492. 109 OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.8.2013 – I-16 U 183/12, BeckRS 2014, 06492; LAG Hamm, Urt. v. 3.11.2009 – 14 Sa 1690/ 08, BeckRS 2010, 67194; v. 3.2.2009 – 14 Sa 361/08, NZA-RR 2009, 632 = r+s 2010, 85; Westphal I Rn 440. 110 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 21, 28. 111 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 41; LAG Baden-Württemberg BB 1971, 354. („Verrechnungsgarantie“); v. Blomberg VersR 1968, 328 („Provisionspauschale“, „Provisionsgarantie“). 112 BAG VersR 1977, 188. 113 OLG Hamburg OLGR 2000, 466. Im zu entscheidenden Fall war die Vorschussvereinbarung zunächst für 6 Monate getroffen und sodann auf 24 Monate verlängert worden. 114 LG Frankfurt/M. HVuHM 1975, 1058. 115 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, BeckRS 2010, 70532 Rn 36 ff. 116 OLG Düsseldorf WM 1984, 1287. 117 AA Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 9; Oetker/Busche5 § 87 Rn 7, die § 87 nur als Gegenleistung für die nach §§ 84, 86 gesetzestypisch gegebenen Vertriebspflichten ansehen. Das ist zwar richtig; es besteht jedoch eine Vermutung, dass die vertraglich vereinbare Provision alle Vertragstätigkeiten honoriert – Äquivalenzvermutung. Emde

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ein Richter ggf. gemäß § 287 ZPO schätzen kann.118 Diskutiert wird, ob für vertraglich vereinbarte Verwaltungsprovisionen die §§ 87 ff. einschließlich ihrer zwingenden Normen gelten. Das wird z. T.119 mit der Begründung abgelehnt, die §§ 87 ff. stellten allein auf HVtypische Vergütung ab, so dass zwischen Unternehmer und VV die Entstehungs-, Zahlungsund Fälligkeitsvoraussetzungen verwaltender Provisionsteile frei und damit abweichend von den zwingenden Teilen des Provisionsrechts vereinbart werden könnten. Es handele sich um Tätigkeiten, die eigentlich dem Unternehmer oblägen, der sie aber abweichend von dem gesetzlichen Leitbild an seine VV delegiert habe. Gegen diese Auffassung spricht, dass auch die gesetzestypischen Provisionen einen verwaltenden Anteil enthalten. Die im VVVertrag vorgenommene Unterteilung in werbende und verwaltende Provision ändert nichts daran, dass der nun gesondert ausgewiesene Verwaltungsanteil Provision i. S. d. §§ 87 ff. bleibt.120 Allerdings darf im VV-Vertrag die Tätigkeitsprovision nicht völlig oder überwiegend zugunsten nicht ausgleichspflichtiger (§ 89b) Verwaltungsprovisionen zurückgedrängt werden, sondern nur insoweit, wie der Anteil der Verwaltungsprovision wirtschaftlich dem Anteil verwaltender Tätigkeit des VV entspricht. Klauseln, die das Verhältnis unangemessen und den wirtschaftlichen Gegebenheiten widerstreitend regeln, sind gemäß § 89b Abs. 4 HGB, § 307 BGB unwirksam (s. Kommentierung zu § 89b). Erfolgsorientierte Vergütungsformen dürfen aber auch in einer Gestalt vereinbart werden, die 21 nicht der klassischen Provision entspricht, nämlich: – Als am Leistungserfolg des HV ausgerichtete Gratifikation,121 Leistungs- und Treueprämie, Boni122: Für hervortretende Leistungen, beispielsweise hohe Verkaufs- bzw. Umsatzzahlen oder die Schaffung langfristiger Geschäftsverbindungen können besondere feste Zahlungen/Gratifikationen vereinbart werden. Häufig ist diese Gestaltung in Kfz-Vertragshändlerverträgen, z. B. als Zulassungs-, Werbekosten- oder Corporate-Identity-Bonus. Im Gegensatz zur Provision beteiligen Boni den HV meist nicht am einzelnen Geschäft, sondern an der Gesamtheit der Geschäfte, etwa am Umsatz, dem Unternehmenserfolg oder hohen Verkäufen. Im Zweifel entfällt der Bonus mit Vertragsbeendigung,123 sofern nicht ausdrücklich nachvertragliche Leistungen erfasst sind. In AGB können Boni als freiwillige (Haupt)Leistungen weitgehend frei vereinbart werden;124 – als Prämie, die beim Vertrieb sog. „Prepaid-Bundles“ nach Freischaltung der SIM-Karten vom Hauptvertriebspartner an den Untervertriebspartner gezahlt wird125; – Als Umsatz- oder Gewinnbeteiligung126: Der HV kann statt am einzelnen Geschäft auch am Umsatz oder Gewinn des Unternehmers, etwa in Form einer Tantieme oder eines Bonus, beteiligt werden;127 – als allgemeine Ertrags- oder Umsatzprovision: sie knüpft in der Berechnung nicht nur an die eigene Leistung des HV sondern an das Akquisitionsergebnis aller Mitarbeiter der Beklagten128 oder den Umsatz des Unternehmers an.

Vgl. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 12. Küstner/Thume I5 Kap. V Rn 290; Oetker/Busche5 § 87 Rn 7; § 87a Rn 3. OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.5.1979; BB 1980, 226 (zu Treueprämien). Thume BB 2012, 975 (976). BAG, Urt. v. 14.11.1966 – 3 AZR 158/66, BB 1967, 501; BB 1982, 1486; OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 = MDR 2009, 703; Thume BB 2012, 975 (976); OLG Karlsruhe BB 1980, 226; Ebenroth/ Löwisch3 § 87 Rn 8; Hopt § 87 Rn 5. 123 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 16. 124 OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 = MDR 2009, 703. Wahrscheinlich ergab sich die Kontrollunfähigkeit bereits aus dem Hauptleistungscharakter. 125 OLG Oldenburg, Urt. v. 12.7.2011 – 13 U 16/11, MMR 2011, 733. 126 Thume BB 2012, 975 (976). 127 Hopt § 87 Rn 5. 128 LAG Thüringen, Entsch. v. 21.7.2009 – 1 Sa 211/08, BeckRS 2010, 72333; Thume BB 2012, 975 (976).

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3. Vergütungsabreden mit Dritten 22 Insbesondere bei Nettopolicen der Versicherungswirtschaft129 lässt sich der HV vom Kunden bezahlen. Dies bildet eine deutliche Abweichung von den §§ 87 ff. und könnte Schule machen. Der Unternehmer könnte es der Vergütungsvereinbarung zwischen Kunden und HV überlassen, wie der HV honoriert wird. Im Versicherungsvertrieb wird dies z. T. sogar empfohlen, um die Transparenz der Vertriebskosten zu erhöhen.130 Das HV-Recht interessiert in erster Linie die Auswirkungen im Verhältnis zum Unternehmer, nicht das Schicksal der Vergütungsabrede mit dem Dritten.131 Die zwingenden Vorschriften zur Provision (etwa § 87a Abs. 2, 3, 5) dürften im Verhältnis zwischen HV und Unternehmer nicht entgegenstehen.132 Denn sie setzen voraus, dass überhaupt Provision versprochen wurde.133 Fraglich könnte jedoch sein, ob der HV-Vertrag wegen fehlender Provision oder Verdienstmöglichkeit nach § 138 BGB unwirksam ist, so dass wg. des Verbots kostenloser Tätigkeit jedenfalls ein hilfsweises Eintreten des Unternehmers geregelt sein muss (s. Kommentierung zu § 87b), zumal auch im – jedoch häufig investitionsintensiveren und damit in dieser Frage empfindlicheren – Vertragshändlerrecht hinreichende Verdienstmöglichkeiten des Händlers gefordert werden.134 Jene Bedenken sind nur von der Hand zu weisen, wenn sich mit statistischer Wahrscheinlichkeit die Gewährung einer Vergütung durch die Kunden erwarten lässt. Ob der Ausschluss der Provision aus Sicht des Unternehmers klug erscheint, ist eine andere Frage. Das Interesse des HV verschiebt sich dann maklerähnlich (wenngleich der Vertriebsvertrag ein HV-Vertrag bleibt,135 bloße Vertragswidrigkeiten verändern nicht die Rechtsnatur) in Richtung des Kunden, woraus mögliche Unwirksamkeitsfolgen resultieren können. Es ist zwar nicht grds. ausgeschlossen, dass der HV136 und auch ein VV137 (selbst nach der Umsetzung der den Versicherungsvertrieb betreffenden IDD138) sich eine Vergütung von Dritten versprechen lässt. Rechtsbeziehungen des HV zu Dritten sind nicht ausgeschlossen, wie die Beratungspflichten des VV gegenüber dem VN gem. §§ 59 Abs. 1, 60 Abs. 2, 61, 62 VVG139 und der Anlageberatungsvertrag zeigen. Da dem VV ohnehin aus den genannten VVG-Vorschriften Beratungspflichten obliegen, können jene auch Gegenstand einer Entgeltvereinbarung werden.140 Der Vertrag mit dem Dritten bildet aber eine Verletzung der jedenfalls in ihrem Kernbe-

129 Hierzu Reiff VersR 2012, 645 ff. 130 Siehe Versicherungsvertrieb 2/2013, S. 12. 131 Zu deren Schicksal erging die die Wirksamkeit der Honorarabrede mit dem Kunden billigende Leitentscheidung BGH, Urt. v. 12.12.2013 – III ZR 124/13, NJW 2014, 1655 = WM 2014, 159 = DB 2014, 176 = EWiR 2014, 283 (Emde) m. Anm. Förster JA 2014, 389: keine Nichtigkeit der Vergütungsabrede, weder nach § 307 BGB noch nach § 134 BGB. Ebenso OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.3.2016 – 12 U 144/15, VersR 2016, 856, s. a. Emde EWiR 2014, 283. 132 I. E. auch Reiff VersR 2016, 757 (758). 133 LG Marburg, Urt. v. 16.8.2011 – 5 S 19/11; Reiff VersR 2012, 645 (653). 134 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15 – wobei HV und Vertragshändler immer nur eine Verdienstchance besitzen. 135 BGH, Urt. v. 6.11.2013 – I ZR 104/12, NJW-RR 2014, 669 = WRP 2014, 57 Rn 20; Reiff VersR 2012, 645 (652). 136 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 78. 137 BGH, Urt. v. 25.9.2014 – III ZR 440/14, VersR 2014, 1328 = BeckRS 2014, 19132; LG Marburg, Urt. v. 16.8.2011 – 5 S 19/11; LG Karlsruhe, Urt. v. 19.5.2011 – 7 O 224/10; AG Andernach, Urt. v. 21.3.2011 – 61 C 1057/09; Grundmann/ Wahl VW 2009, 1584 (1586); Schwintowski ZfV 2011, 134 (137); VersR 2009, 1333 (1336); aA; AG Karlsruhe, Urt. v. 1.4.2011 – 4 C 527/10; v. 8.4.2011 – 12 C 536/10; Leithoff ZfV 2011, 235 (239) zur Honorarberatung eines VV. 138 Werber VersR 2019, 321 (324); Reiff VersR 2018, 193 (194). 139 BGH, Urt. v. 12.12.2013 – III ZR 124/13, NJW 2014, 1655 = WM 2014, 159 = DB 2014, 176 = EWiR 2014, 283 (Emde) Rn 14 m. Anm. Förster JA 2014, 389; v. 6.11.2013 – I ZR 104/12, NJW-RR 2014, 669 = DB 2013, 2797 = WRP 2014, 57 Rn 21; Reiff VersR 2012, 645 (649, 652). 140 BGH, Urt. v. 25.9.2014 – III ZR 440/14, VersR 2014, 1328 = BeckRS 2014, 19132; v. 5.6.2014 – III ZR 557/13, DB 2014, 2465 = WM 2014, 1273 Rn 12. Emde

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reich141 zwingenden Interessenwahrungspflicht des HV-Vertrages142 (Folge: § 280 BGB), wenn und soweit die Abrede mit dem Dritten auf eine die Interessen des Unternehmers berührende Willensbeeinflussung des HV gerichtet ist. Beispiel: der HV lässt sich vom Dritten Honorar dafür zahlen, dass Einfluss auf die Konditionen des Geschäfts genommen wird. Dann kann der Unternehmer wie bei Bestechungsgelder Herausgabe nach §§ 670, 667 BGB fordern. Der Unternehmer darf dann nicht mehr auf die unbeinflusste Tätigkeit des HV vertrauen, so dass die Abrede gem. § 86 Abs. 1, 4 HGB, 134 BGB unwirksam sein mag. Sofern der Unternehmer die Vergütungsabrede mit dem Dritten duldet oder – wie bei der Nettopolice – herausfordert, sind aber strenge Anforderungen an eine Verletzung der Interessenwahrungspflicht zu stellen.143 Völlig auf sie verzichten kann der Unternehmer wg. ihrer zwingenden Natur nicht. Falls sich der HV Provision von beiden Seiten versprechen lässt, agiert er gegenüber dem Dritten oft als Makler. Da der HV trotz der Vergütungsabrede mit dem Kunden dem Unternehmer gegenüber als Interessenswahrer aus dem zwingenden § 86 Abs. 1 verpflichtet bleibt, soll er vom Kunden kein Honorar fordern dürfen.144 Sofern der HV seine Bindung an den Unternehmer nicht offenbart und sich gleich einem Makler unabhängig geriert, verletzt er Aufklärungspflichten gegenüber dem Kunden145 und macht sich ihm gegenüber schadenersatzpflichtig. Ein HV hat auf mögliche Nachteile einer Nettopolice hinzuweisen. Anderenfalls trägt er den kausalen Schaden.146 Ein VV, der eine Netto-Police vermittelt, ist verpflichtet, den VN deutlich darauf hinzuweisen, dass dieser auch zur Zahlung der Vergütung verpflichtet bleibt, wenn der Versicherungsvertrag nach kurzer Zeit beendet, etwa gekündigt, wird.147 Denn durch die Kündigung des Versicherungsvertrages wird eine separate Honorarvereinbarung mit dem Kunden grds. nicht berührt.148 Nicht ausreichend soll der Hinweis sein, dass der Kunde wegen der rechtlichen Unabhängigkeit der Vergütungsvereinbarung vom Versicherungsvertrag auch bei dessen vorzeitiger Beendigung zur Zahlung der Vergütung verpflichtet sei. Denn daraus ergebe sich nicht, dass der Kunde auch im Falle der Beendigung des Versicherungsvertrages kurze Zeit nach dem Abschluss auf Zahlung der vollen Vergütung haftet und damit schlechter gestellt wird als bei der Bruttopolice.149 Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Belehrung, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sich 141 Wegen der Begrenzung der zwingenden Natur auf den Kernbereich sieht Reiff VersR 2012, 645 (649) keine Verletzung der Interessenwahrungspflicht. Zudem dürfe der HV die Vor- und Nachteile des Produkts wahrheitsgemäß darstellen (was aber mglw. schon zu wenig ist, um der Interessenwahrungspflicht zu genügen. Jedoch wird der Unternehmer auf diese Rechtsfolgen der Interessenwahrungspflicht ebenso verzichten dürfen wie auf ein Wettbewerbsverbot des HV). 142 LG Dessau-Rosslau, Urt. v. 14.10.2011 – 3 O 38/11 (aufgehoben durch OLG Naumburg, Urt. v. 24.5.2012 – 9 U 218/11, NJW-RR 2012, 1174 = VersR 2012, 1035 und BGH, Urt. v. 6.11.2013 – I ZR 104/12, NJW-RR 2014, 669 = DB 2013, 2797 = WRP 2014, 57); AG Karlsruhe, Urt. v. 1.4.2011 – 4 C 527/10; v. 8.4.2011 – 12 C 536/10, die daraus die Unwirksamkeit der Vergütungsabrede mit dem Kunden herleiten. Auch Leithoff ZfV 2011, 235 (239) verneint zur Honorarberatung eines VV die Zulässigkeit einer solchen selbständigen Vergütungsabrede. Der BGH, Urt. v. 6.11.2013 – I ZR 104/ 12, NJW-RR 2014, 669 = DB 2013, 2797 = WRP 2014, 57 Rn 21, 28 problematisiert jene Frage in seiner wettbewerbsrechtlichen Entscheidung nicht näher. Gem. Rn 28 betrifft die Interessenwahrungspflicht lediglich das Innenverhältnis zwischen HV und Unternehmer und hat damit für einen UWG-Anspruch keine Relevanz. 143 S. Emde EWiR 2014, 283 f. Das OLG Naumburg, Urt. v. 24.5.2012 – 9 U 218/11, NJW-RR 2012, 1174 = VersR 2012, 1035 m. Anm. Grams FD-VersR 2012, 335001 (1037) und Grüger GRUR-Prax 2012, 466 verneinen deshalb eine Verletzung der Interessenwahrungspflicht, wenn der Unternehmer mit der Zahlung durch den Kunden einverstanden ist. I. E. (ohne eingehende Begründung) wohl auch Nastold ZVertriebsR 2014, 146 (148). 144 BGH, Urt. v. 23.11.1973 – IV ZR 34/73, NJW 1974, 137. 145 OLG Naumburg, Urt. v. 24.5.2012 – 9 U 218/11, NJW-RR 2012, 1174 = VersR 2012, 1035 m. Anm. Grams FD-VersR 2012, 335001 (1037) und Grüger GRUR-Prax 2012, 466. 146 LG Düsseldorf, Urt. v. 2.4.2014 – 23 S 150/13, BeckRS 2014, 18.224; AG Düsseldorf, Urt. v. 25.4.2013 – 37 C 3979/ 12, BeckRS 2014, 18241. 147 OLG München, Beschl. v. 5.7.2016 – 20 O 1011/16, VersR 2017, 616; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.3.2016 – 12 U 144/ 15, VersR 2016, 856 (857); Werber VersR 2019, 321 (324). 148 Werber VersR 2019, 321 (324). 149 OLG München, Beschl. v. 5.7.2016 – 20 O 1011/16, VersR 2017, 616. 871

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der Kunde nicht für eine Nettopolice entschieden hätte.150 Dieser Hinweis unterliegt der besonderen Dokumentationspflicht des § 61 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 62 VVG.151 Der Vergütungsanspruch besteht grds. auch dann, wenn der VV seine Belehrungspflicht verletzt hat.152 Diskutiert werden könnte, ob der Vermittler analog § 654 BGB seinen Honoraranspruch gegenüber dem Kunden verliert. Im Verhältnis zum Kunden hilft ggf. eine ergänzende Vertragsauslegung dazu, welches Schicksal sein Vergütungsanspruch bei Storno oder vorzeitiger Beendigung des vermittelten Vertrages hat. Im Einzelfall kann über eine Unwirksamkeit der Vergütungsabrede gem. §§ 134, 138, 307 BGB nachgedacht werden.153 Lässt sich ein VV, der seine Agenturbindung gegenüber dem VN offen legt, für die Beratung und die Vermittlung einer Netto-Police vom VN eine vom VN zu leistende Vergütung versprechen, verstößt dies nicht gegen § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 34d Abs. 1 GewO. Eine Irreführung über den Status des Vermittlers fehlt.154 Die Vergütungsabrede mit dem Dritten steht nicht im Widerspruch zu einem gesetzlichen Leitbild. Soweit insoweit auf §§ 87a Abs. 2 und 92 Abs. 4 verwiesen wird, betrifft dies lediglich das Rechtsverhältnis zwischen dem VV und dem Unternehmer und nicht zwischen VV und Kunden.155 Der Schicksalteilungsgrundsatz (§§ 87a Abs. 2, 3, 92 Abs. 4 i. V. m. § 307 BGB) des Versicherungsvertriebs steht einer Vergütungsabrede zwischen VV und VN gleichfalls nicht entgegen, auch nicht die wirtschaftlichen Nachteile bei Kündigung des Versicherungsvertrages.156 Wegen der Dispositivität der Provisionsregelungen kann die Unwirksamkeit der Vergütungsabrede mit dem Kunden auch nicht dem § 87 entlehnten Grundsatz entnommen werden, der HV werde regelm. vom Unternehmer entlohnt,157 zudem betrifft diese Regelung nur das Verhältnis zwischen HV und Unternehmer.158 Insoweit könnte schon bemerkt werden, dass die §§ 87, 87a, wie sich bereits aus Art. 6 Abs. 3 RL ergibt, unanwendbar sind, sofern keine Provision versprochen wurde159 (s. o.). Zwar kann sich der VN wegen der Nichtanwendbarkeit des § 87a Abs. 2 und 3 (Schicksalsteilungsgrundsatz) deutlich schlechter stellen als bei einer Bruttopolice, weil die Vergütungsabrede mit dem Dritten auch bestehen bleibt, wenn der vermittelte Versicherungsvertrag nach kurzer Zeit beendet wird. Hierfür gewinnt der VN aber den Vorteil der regelmäßig preisgünstigeren Gestaltung einer Netto-

150 151 152 153

OLG München, Beschl. v. 5.7.2016 – 20 O 1011/16, VersR 2017, 617. OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.3.2016 – 12 U 144/15, VersR 2016, 856 (857). Reiff VersR 2016, 858 (860). AG Karlsruhe, Urt. v. 1.4.2011 – 4 C 527/10; v. 8.4.2011 – 12 C 536/10; AG Trier, Urt. v. 11.2.2011 – 32 C 378/10, BeckRS 2011, 21570; Leithoff ZfV 2011, 235 (239); aA BGH, Urt. v. 12.12.2013 – III ZR 124/13, NJW 2014, 1655 = WM 2014, 159 = DB 2014, 176 = EWiR 2014, 283 (Emde) m. Anm. Förster JA 2014, 389; Reiff VersR 2012, 645 (650). 154 BGH, Urt. v. 6.11.2013 – I ZR 104/12, NJW-RR 2014, 669 = DB 2013, 2797 = WRP 2014, 57. 155 BGH, Urt. v. 5.6.2014 – III ZR 557/13, DB 2014, 2465 = WM 2014, 1273 Rn 13; v. 12.12.2013 – III ZR 124/13, NJW 2014, 1655 = WM 2014, 159 = DB 2014, 176 Rn 15 = EWiR 2014, 283 (Emde) m. Anm. Förster JA 2014, 389; aA LG Heilbronn, Urt. v. 28.6.2013 – 8 S 7/12 Ka, BeckRS 2014, 13082 (von BGH, Urt. v. 5.6.2014 – III ZR 557/13, DB 2014, 2465 = WM 2014, 1273 aufgehoben), das die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung mit dem Kunden dem aus § 87 hergeleiteten Grundsatz entnehmen will, der HV werde regelm. vom Unternehmer entlohnt. 156 BGH, Urt. v. 25.9.2014 – III ZR 440/14, VersR 2014, 1328 = BeckRS 2014, 19132; v. 12.12.2013 – III ZR 124/13, NJW 2014, 1655 = WM 2014, 159 = DB 2014, 176 = EWiR 2014, 283 (Emde) m. Anm. Förster JA 2014, 389; LG Düsseldorf, Urt. v. 4.9.2013 – 23 S 384/12, BeckRS 2014, 19149; Reiff VersR 2012, 645 (650); aA Darmstadt, Urt. v. 27.3.2013 – 21 S 208/12, BeckRS 2013, 09399; LG Stuttgart, Urt. v. 13.3.2013 – 4 S 258/12; BeckRS 2014, 01074; AG Karlsruhe, Urt. v. 1.4.2011 – 4 C 527/10; v. 8.4.2011 – 12 C 536/10; AG Trier, Urt. v. 11.2.2011 – 32 C 378/10, BeckRS 2011, 21570; aA LG Heilbronn, Urt. v. 28.6.2013 – 8 S 7/12 Ka, BeckRS 2014, 13082; offen gelassen v. OLG Naumburg, Urt. v. 24.5.2012 – 9 U 218/11, NJW-RR 2012, 1174 = VersR 2012, 1035 m. Anm. Grams FD-VersR 2012, 335001 (1037) und Grüger GRURPrax 2012, 466, das jedenfalls keine Benachteiligung des Verbrauchers (Kunden) nach § 307 BGB sah. 157 AA LG Heilbronn, Urt. v. 28.6.2013 – 8 S 7/12 Ka, BeckRS 2014, 13082 (von BGH, Urt. v. 5.6.2014 – III ZR 557/13, DB 2014, 2465 = WM 2014, 1273 aufgehoben). 158 Vgl. BGH, Urt. v. 25.9.2014 – III ZR 440/14, VersR 2014, 1328 = BeckRS 2014, 19132. 159 LG Marburg, Urt. v. 16.8.2011 – 5 S 19/11; Reiff VersR 2012, 645 (653); in diese Richtung auch LG Düsseldorf, Urt. v. 4.9.2013 – 23 S 384/12, BeckRS 2014, 19149. Emde

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police.160 Allerdings muss der VV auf die Schlechterstellung hinsichtlich des Schicksalsteilungsgrundsatzes hinweisen.161 Zum Teil wird jedoch die Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs gegenüber dem Kunden abgelehnt.162 Unter Umständen kann die Vergütungsabrede mit den Kunden wegen eines Widerrufsrechts nach § 355 BGB widerrufen werden.163 Die Vergütungsvereinbarung erfüllt auch bei VV-Verträgen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 S. 2 VVG.164 Rechtsfolge ist die Erstreckung der Folgen eines Widerrufs der Versicherung auf die Vergütungsvereinbarung.165 Zum Verstoß gegen den Mindestrückkaufswert und das Abzugsverbot des § 169 VVG im Versicherungsvertrieb (nicht von der Hand zu weisen), s. Reiff VersR 2012, 645 (654).

4. Folgen der Vergütungsvereinbarung Für die vorgenannten Vergütungen gelten die §§ 87, 87a und § 87b nur, soweit sie eine erfolgsab- 23 hängige Entlohnung vorsehen.166 Das ist z. B. beim Fixum meist nicht der Fall. Insbesondere darf der HV für diese variablen Vergütungsformen die Kontrollrechte nach § 87c fordern. Sofern die Vergütungen unabhängig von dem konkreten Erfolg des HV bei seiner Vermittlungsund Abschlusstätigkeit versprochen werden, bilden sie keine Provisionen. §§ 87 bis 87c sind auf sie unanwendbar.167 Erfolgt eine Anrechnung der Vergütung auf die Provision, müssen sich Grund und Höhe der Anrechnung aus Abrechnung und Buchauszug nach § 87c Abs. 1, 2 ergeben.168 Der HV darf keine Gleichbehandlung mit anderen HV fordern, falls der Unternehmer Provisionen oder die vorgenannten, nicht leistungsangelehnten Vergütungen anderen HV gewährt.169 Durch die Vereinbarung derartiger Vergütungen wird der HV nicht verpflichtet, wie ein fest angestellter Mitarbeiter laufend während der üblichen Arbeitszeit für den Unternehmer tätig zu sein.170 Unzureichende Tätigkeit bzw. Untätigkeit des HV schließen das Recht auf diese feste Vergütung nicht aus171 und sind im Zweifel wie die unten bei den Ausführungen zum Bezirksvertreter benannten Fälle der Schlechtbetreuung des Bezirks durch den Bezirksvertreter zu behandeln: Bei Verschulden des HV kommen Schadensersatzansprüche des Unternehmers aus § 280 BGB in Betracht,172 nicht jedoch bei unverschuldeter Untätigkeit, etwa infolge von Krankheit,173 Wehrdienst174 oder bei Untätigkeit gegenüber einzelnen Kunden, z. B. aufgrund

160 BGH, Urt. v. 25.9.2014 – III ZR 440/14, VersR 2014, 1328 = BeckRS 2014, 19132; v. 12.12.2013 – III ZR 124/13, NJW 2014, 1655 = WM 2014, 159 = DB 2014, 176 = EWiR 2014, 283 (Emde) Rn 16 m. Anm. Förster JA 2014, 389. 161 BGH, Urt. v. 25.9.2014 – III ZR 440/14, VersR 2014, 1328 = BeckRS 2014, 19132; v. 12.12.2013 – III ZR 124/13, NJW 2014, 1655 = WM 2014, 159 = DB 2014, 176 = EWiR 2014, 283 (Emde) Rn 16 m. Anm. Förster JA 2014, 389. 162 AG Karlsruhe, Urt. v. 1.4.2012 – 4 C 527/2010; v. 8.4.2011 – 12 C 536/10; AG Trier, Urt. v. 11.2.2011 – 32 C 378/10, BeckRS 2011, 21570. 163 BGH, Urt. v. 5.6.2014 – III ZR 557/13, DB 2014, 2465 = WM 2014, 1273 Rn 19; v. 12.12.2013 – III ZR 124/13, NJW 2014, 1655 = WM 2014, 159 = DB 2014, 176 = EWiR 2014, 283 (Emde) Rn 18 ff. m. Anm. Förster JA 2014, 389. 164 VersR 2016, 757 (761 ff.). 165 VersR 2016, 757 (764). 166 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 7; zu Unrecht gibt Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 8 für Verwaltungs- und Bestandspflegeprovisionen kein Informationsrecht aus § 87c. 167 OLG Schleswig VersR 1977, 1002; OLG Karlsruhe BB 1966, 1169; OLG Naumburg HVR Nr. 1108; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 8; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 16; Hopt § 87 Rn 5; Höft VersR 1976, 205 (206). 168 AA wohl Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 8. 169 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 65. 170 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 11. 171 BGH, Urt. v. 9.4.1964 – VII ZR 123/62, BGHZ 41, 292 (295) = NJW 1964, 1622; OLG Braunschweig BB 1956, 226; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 97; aA für gänzliche Untätigkeit: Hopt § 87 Rn 5 und 33, vgl. aber auch Rn 31; OLG Hamm BB 1959, 682; im Erg. ebenso: Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 37, 65b. 172 Hopt § 87 Rn 32; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 12; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 97. 173 Dazu OLG Braunschweig NJW-RR 1994, 34 = BB 1993, 2113; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 11. 174 RGZ 109, 254 (257); OLG Braunschweig NJW-RR 1994, 34 (35); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 11. 873

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eines Hausverbotes.175 Mit diesem Schadenersatzanspruch kann gegen den Vergütungsanspruch aufgerechnet werden. Zudem darf sich der Unternehmer auf § 320 BGB berufen. 24 Ob die genannten Vergütungsbestandteile bei der Berechnung des Rohausgleiches zu berücksichtigen sind, ist im Einzelfall zu bestimmen.176 Das gilt insb., nachdem seit 2009 die Unternehmervorteile die Grundlage der Ausgleichsberechnung bilden und der Verlust von Provision nicht mehr Ausgleichsvoraussetzung ist. Sollen feste Vergütungsbestandteile werbende Bemühungen vergüten, sind sie ausgleichspflichtig. Bei einem Fixum mit Provisionsspitze kann die das Fixum übersteigende Provisionsspitze ausgleichspflichtig sein. Treueprämien stellen regelmäßig keine ausgleichspflichtige Provision dar.

L. Poolabreden 25 Sogenannte Pool- oder Topfvereinbarungen177 betreffen nicht das Rechtsverhältnis zwischen Unternehmer und HV sondern sind interne Provisionsverteilungsabreden unter HV. Sie werden zwischen HV getroffen, die ihre Verdienste sammeln, um sie nach einem internen Schlüssel zu verteilen. In der Sache handelt es sich dabei um eine GbR in Form einer Innengesellschaft oder eine oHG.178 Derartige Abreden sind zulässig. Denn es ist Sache des Vertreters, wie er seinen internen Geschäftsbetrieb organisiert und seinen Gewinn verteilt. Die eigene Unternehmensorganisation obliegt ihm. Eine Unzulässigkeit kann sich nur selten ergeben, etwa sofern die Nivellierung der unternehmerischen Risiken, präziser: des Provisionsrisikos, zu einer Gefährdung des mit der Erfolgsvergütung erstrebten Anreizes zum Vertrieb führt oder im Rahmen der Gewinnverteilung unzulässig Geschäftsgeheimnisse des Unternehmers (§ 90) offenbart werden. Zudem wird keiner der Partner des Pools bereit sein, einen HV über längere Zeit mitzutragen, der nicht unternehmerisch denkt. Schließlich schützen den Unternehmer auch die kurzen Kündigungsfristen des § 89.

M. Vergütungsanspruch aus § 354 26 In der Regel ist mit der Provisionszahlung die gesamte Leistung des HV abgegolten (siehe auch § 87d). Auch § 354 gewährt grundsätzlich keinen zusätzlichen Vergütungsanspruch, und zwar bereits deshalb, weil die recht ausdifferenzierten §§ 87 ff. eine weitgehend abschließende Sonderregelung darstellen und der HV-Vertrag die Vermutung der Vollständigkeit der Vergütungsabreden und die Äquivalenzvermutung in sich trägt. Deshalb kann ein HV rglm. keinen Anspruch aus § 354 für HV-typische Tätigkeit geltend machen, welche einen Provisionsanspruch nach §§ 87 ff. (noch) nicht entstehen lässt.179 Nur im Ausnahmefall, für den der HV beweispflichtig ist, gilt Abweichendes. Daran ist zu denken, falls der HV nicht durch die Provision abgedeckte, HV-untypische Leistungen oder solche, die nach dem Vertrag nicht geschuldet werden, erbringt.180 Der Unternehmer muss aber erkennen, dass die Tätigkeiten gerade für ihn geleistet werden.181 Dazu bedarf es allerdings nicht in jedem Fall eines gültigen Vertrages, sofern keine Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vermittlungsgeschäftes wegen Einigungs- oder WillensEbenroth/Löwisch3 § 87 Rn 11. Vgl. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 10. BAG, Urt. v. 3.6.1998 – 5 AZR 552/97, zit. n. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 31. AA BAG, Urt. v. 3.6.1998 – 5 AZR 552/97, zit. nach Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 31. Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 12; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 16; aA wohl BGH, Urt. v. 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180. 180 BGH, Urt. v. 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 16. 181 Vgl. zum Maklerrecht BGH WM 1966, 621; BGHZ 95, 393 (398); Urt. v. 7.7.2005 – III ZR 397/04, NJW–RR 2005, 1572 (1574).

175 176 177 178 179

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mängeln (§ 145 ff., 104 ff., 116 ff. BGB) bestehen oder die Vorschrift, aus der sich die Nichtigkeit ergibt, nicht den Schutz einer Vertragspartei im Blick hat.182 So kann § 354 eingreifen, wenn der HV-Vertrag unwirksam ist183 und die Grundsätze des faktischen Vertrags nicht helfen. Selbst wenn zeitraubende und mit erheblichen Kosten verbundene Vermittlungsbemühungen erfolglos bleiben, entsteht grds. kein Vergütungsanspruch aus § 354, sofern nichts Abweichendes vereinbart wurde.184 Eine Sondervergütung scheidet aus, sofern der HV zu der Tätigkeit verpflichtet war, etwa aufgrund seiner Treuepflicht.185 Die Geringfügigkeit schließt den Vergütungsanspruch nicht ohne weiteres aus.186 Nur bei völlig ungewöhnlichen Belastungen mag § 354 einen über die §§ 87 ff. hinausgehenden Vergütungsanspruch gewähren. Alle diese Fälle haben gemeinsam, dass der Unternehmer die Dienste des HV, wie § 354 voraussetzt, entgegengenommen hat. Deshalb entsteht keine Provisionsberechtigung des § 354, wenn der HV seine Zuständigkeit eigenmächtig überschritten hat. Praktisch kann dies werden, wo der HV unzulässigerweise außerhalb des ihm zugewiesenen Bezirks Abschlüsse tätigt.187 27 Beispielsweise kann sich ein zusätzlicher Vergütungsanspruch aus § 354 ergeben: – für vermittelte Ersatzteilgeschäfte, falls nachträglich vereinbart wird, dass sich die Verkaufsbemühungen auch auf die Ersatzteile erstrecken sollen188 (aber dann wäre mglw. auch ein Provisionsanspruch gegeben); – Für die Vermittlung eines außerhalb der Vertragsverpflichtung liegenden Geschäfts,189 z. B. wenn ein VV Produkte außerhalb seiner Produktbeschränkung vermittelt190 oder ein Warenvertreter dem Unternehmer ein Geschäft anderer Art (Miete eines Geschäftslokals) vermittelt; – falls das Ergebnis der Vermittlungstätigkeit des HV sich zunächst nur in einem Zwischenergebnis niederschlägt (etwa: vermittelt war ein „Bezugsvertrag“ als Rahmenabkommen, wonach der Kunde sich verpflichtete, seinen Bedarf vorkommendenfalls bei dem Unternehmer zu decken, die daraufhin vorgenommene Bestellung erfolgte, nachdem der HV aus den Diensten des Unternehmers ausgeschieden war; aber wohl Spezialität des Abs. 3 Nr. 1);191 – sofern ein Einsatz des HV nach Abschluss des Geschäfts das billigerweise zu fordernde Maß überschreitet (Beispiel: außergewöhnlich umfangreiche Verhandlungen zur Abwehr von Mängelrügen);192 – nach übermäßiger Inanspruchnahme durch verwaltende und vertreteruntypische Tätigkeiten. Beispiele aus dem Versicherungsvertrieb: die Durchführung der fallabschließenden Schadensbearbeitung,193 Gestaltung von Versicherungsbedingungen,194 Kalkulation der Prämie195 oder das Underwriting,196 also die Übernahme von Pflichten wie ein Assekura-

182 183 184 185 186 187 188 189

BGH, Urt. v. 7.7.2005 – III ZR 397/04, NJW–RR 2005, 1572 (1574) zum Maklerrecht. Vgl. RG JW 1929, 113111. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 4. Evers VW 3/2018, 66. Evers VW 3/2018, 66. Schröder DB 1963, 542; Krüger S. 1399. OLG Düsseldorf HVR Nr. 104. BGH, Urt. v. 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180 = BGHZ 62, 71 (74); BGH, Urt. v. 28.1.1993 – I ZR 292/90, NJW-RR 1993, 802 = VersR 1993, 878 = WM 1993, 1261; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 19; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 6, 64; aA Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 7; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 6. 190 OLG München, Urt. v. 4.2.1998 – 7 U 5715/97, VersR 2000, 360. 191 BGH, Urt. v. 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180. 192 BGH, Urt. v. 3.10.1962 – VIII ZR 231/61, BB 1962, 1345; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 16; Hopt § 87 Rn 4. 193 Evers VW 3/2018, 66. 194 Evers VW 3/2018, 66. 195 Evers VW 3/2018, 66. 196 Evers VW 3/2018, 66. 875

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deur.197 Inkassoleistungen,198 etwa im Moped-Versicherungsgeschäft, begründen auch im Versicherungsvertrieb keine Sonderprovision, ebenso wenig die bloße Hilfe oder Mitwirkung bei der Schadensbearbeitung.199

N. Vergütungsanspruch aus § 812 BGB 28 Für einen Vergütungsanspruch aus § 812 BGB müssen – außer der Kaufmannseigenschaft des tätig gewordenen Vermittlers – dieselben Voraussetzungen wie für den Anspruch nach § 354 gegeben sein.200 Im Maklerrecht hat der BGH201 einen Vergütungsanspruch aus § 812 BGB für zweifelhaft gehalten und dies mit der Risikoverteilung des § 652 BGB begründet: Die Privatrechtsordnung kenne grundsätzlich keine Pflicht zur Vergütung ungefragt überlassener Informationen. Diese Begründung wird sich auf die Vermittlung aufgrund eines unwirksamen HVVertrages übertragen lassen. Im HV-Recht wird ein nichtiger Vertrag bis zur Entdeckung der Nichtigkeit als wirksam behandelt, so dass sich in diesem Fall der Vergütungsanspruch aus den §§ 87 ff. selbst ergibt (s. Kommentierung zu § 84).

O. Abtretbarkeit 29 Der HV darf über seine Provision grundsätzlich frei verfügen.202 Insbesondere ist der Provisionsanspruch, auch als künftige Forderung bereits vor ihrem unbedingten Entstehen, abtretbar,203 es sei denn, wegen der infolge der Abtretung als Hilfsrechte nach §§ 402 BGB mit übergehenden Informationsrechten des § 87c stehen vertragliche oder gesetzliche Geheimhaltungspflichten entgegen. Für eine wirksame und bestimmte Abtretung genügt die Abtretung der Ansprüche aus „Leistungen“.204 Die Abtretung von Provisionsansprüchen sowie der Informationsrechte des § 87c eines Versicherungsvertreters, der Personenversicherungen vermittelt, ist wegen der mit der Abtretung verbundenen Pflicht der § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB unterworfenen Zedenten und des Versicherers, dem Zessionar nach § 402 BGB die zur Geltendmachung der abgetretenen Forderung nötigen, jedoch der Geheimhaltung unterworfenen Auskünfte zu erteilen, nach § 134 BGB nichtig.205 Die Abtretung ist gem. § 400 BGB unwirksam, soweit sie sich auf den Teil der Provisionsansprüche des HV erstreckt, die den Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO unterliegen (dazu Rn 33 ff.) und sie den unpfändbaren Teil nicht ausnimmt.206 Hinsichtlich ihres weitergehenden Inhalts bleibt sie gem. § 139 BGB wirksam. Der nicht pfändbare Teil der Provision kann von den weitergehenden Zahlungsansprüchen getrennt werden, notfalls im Wege ergän197 198 199 200 201 202 203

Evers VW 3/2018, 66. Evers VW 3/2018, 66. Evers VW 3/2018, 66. BGH, Urt. v. 7.7.2005 – III ZR 397/04, NJW–RR 2005, 1572 (1574) zum Maklerrecht. BGH, Urt. v. 7.7.2005 – III ZR 397/04, NJW–RR 2005, 1572 (1574) zum Maklerrecht. Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 40. OLG Hamm, Urt. v. 5.10.2009 – 18 U 104/08, BeckRS 2010, 05592; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 16; Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 15. 204 OLG Hamm, Urt. v. 5.10.2009 – 18 U 104/08, BeckRS 2010, 05592. 205 BGH, Urt. v. 10.2.2010 – VIII ZR 53/09, NJW 2010, 2509; im Anschluss an BGHZ 115, 123 (124 ff.) (Zahnarzt); 122, 115 (117 ff.) (Rechtsanwalt vor Inkrafttreten des § 49b Abs. 4 BRAO); v. 5.12.1995 – X ZR 121/93, NJW 1996, 775 (Zahnarzt); v. 17.10.1996 – IX ZR 37/96, NJW 1997, 188; v. 11.11.2004 – IX ZR 240/03, NJW 2005, 507 (jeweils zur Abtretung von Honoraransprüchen eines Rechtsanwalts vor Inkrafttreten des § 49b Abs. 4 BRAO); ferner Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 62/04, NJW 2005, 1505 (Arzt); Köpke Die Bedeutung des § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB für private Krankenversicherer, insb. bei der innerorganisatorischen Geheimnisweitergabe, 2003, S. 27: aA Evers/Eikelmann VW 2009, 529 f. 206 BAG – 5 AZR 77/61, NJW 1962, 1221; OLG Hamm, Urt. v. 5.10.2009 – 18 U 104/08, BeckRS 2010, 05592; Hopt § 87 Rn 49 f.; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 136. Emde

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zender Vertragsauslegung.207 Die Abtretbarkeit von Provisionsansprüchen kann – auch durch AGB208 – ausgeschlossen werden, wobei aber meist § 354a entgegensteht. § 48b VAG209 (früher: § 298 Abs. 4 VAG, § 81 Abs. 2 S. 4 VAG a. F) i. V. m. der VO des 30 Reichsaufsichtsamtes für das Versicherungswesen vom 4.6.1934 und des BAV vom 17.8.1982) gestattet es dem BaFin, Versicherungsvertretern die Abgabe oder die offene Abtretung eines Teils der Provision an den Versicherungsnehmer zu untersagen (Provisionsabgabeverbot). So sind nach § 1 der VO über das Verbot von Sondervergütungen und Begünstigungsverträgen in der Schadensversicherung vom 17.8.1982210 insb. Provisionsabgaben an den Versicherungsnehmer untersagt. Ein gleichartiges Verbot gilt für den Bereich der Lebensversicherung aufgrund der Anordnung des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung vom 8.3.1934.211 Der Unternehmer darf deshalb dem HV eine Provisionsweitergabe an den Kunden untersagen212 (zum Provisionsabgabeverbot s. Kommentierung zu § 92).

P. Pfändbarkeit Die Frage, ob die Provisionsansprüche des HV der Pfändung gemäß den Vorschriften über 31 die Vollstreckung in Arbeitseinkünfte nach den §§ 850 ff. ZPO unterliegen, ist in früherer Zeit kontrovers beantwortet worden. Sie wurde bald von der überwiegenden Meinung bejaht.213 Die Zweifel, die sich an den Begriff „Arbeitseinkommen“ in § 850 Abs. 1 ZPO anknüpften, da die Provisionseinkünfte des HV als eines selbständigen Kaufmanns nicht hierunter begriffen werden könnten214 sind durch BAG NJW 1962, 1121 ausgeräumt. Was Arbeitseinkommen i. S. d. Forderungs-Pfändungsvorschriften ist, bestimmt § 850 Abs. 2 ZPO selbständig. Dazu zählen (neben Gehalt, Lohn, Versorgungsbezügen) auch „sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen“. Es muss sich also um die Vergütung für persönliche Dienstleistungen handeln: ob jene im abhängigen Arbeitsverhältnis oder in einem Dienstverhältnis nach allg. Dienstvertragsrecht des BGB (wie beim HV) erbracht werden, spielt keine Rolle. Erforderlich ist nur, dass die Dienste die ausschließliche oder wesentliche Erwerbstätigkeit des Dienstleistenden ausmachen.215 Für den Einfirmenvertreter ist das unproblematisch. Aber auch für den Mehrfirmenvertreter ergeben sich keine Probleme, solange nur die HV-Tätigkeit als Ganzes die Erwerbstätigkeit des HV ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nimmt.216 Denn auch bei einem abhängigen Arbeitnehmer geht das Lohn- und Gehaltspfändungsrecht von der Möglichkeit aus, dass er seine Einkünfte aus Beschäftigungen bei verschiedenen Arbeitgebern bezieht; es findet dann nach § 850e Nr. 2 ZPO eine Zusammenrechnung statt. Erst wenn der HV neben seiner Vertretertätigkeit für einen oder mehrere Unternehmer 207 208 209 210 211 212

OLG Hamm, Urt. v. 5.10.2009 – 18 U 104/08, BeckRS 2010, 05592. AA Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 16. BGBl. 1993 I, S. 2. BGBl. 1982 I S. 1243. Vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1984 – I ZR 181/82, BGHZ 93, 177 (179) = NJW 1985, 3018; OLG Celle VersR 1994, 856. Ulmer/Habersack ZHR 159 (1995), 109 (131 ff.), und zwar nicht nur mittels Individualvertrag (aA Ebenroth/ Löwisch3 § 87b Rn 40). 213 BGH, Urt. v. 21.12.1989 – IX ZR 66/89, NJW 1990, 1665; BAG, Urt. v. 10.2.1962 – 5 AZR 77/61, NJW 1962, 1221; OLG Hamm BB 1956, 668; 1972, 855; LG Dortmund MDR 1957, 750; LG Hamburg MDR 1961, 856; Flohr/Wauschkuhn/ Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 133; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 16; Hopt § 87 Rn 50; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 28; Oetker/Busche5 § 87 Rn 37; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 119, 220; Schlegelberger/ Schröder § 87 Rn 1; Westphal I Rn 270, 271; Roellecke BB 1957, 1159; Treffer MDR 1998, 384; aA LG Bochum BB 1957, 1158; Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 15a. 214 Schlegelberger/Schröder § 87b, 15a. 215 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 133. 216 Hopt § 87 Rn 50; Oetker/Busche5 § 87 Rn 37. 877

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noch eine nicht unwesentliche Erwerbstätigkeit anderer (selbständiger) Art ausübt, wird § 850 ZPO unanwendbar und unterliegen seine Provisionsansprüche den allgemeinen Vorschriften über die Forderungspfändung.217 Maßgebend für die Höhe der Einkünfte ist bei dem Mehrfirmenvertreter dessen Gesamteinkommen.218 Der Anspruch eines HV auf monatliche Fixprovision ist zumindest Arbeitseinkommen nach § 850 Abs. 2 ZPO, sofern es sich um dessen einzige Tätigkeit handelt.219 Provisionsvorschüsse dürfen ebenfalls gepfändet werden.220 Voll unpfändbar können gem. § 850a Nr. 3 ZPO ggf. Aufwendungsentschädigungen des HV,221 etwa Spesenbeträge,222 Erstattungen für Auslagen und Aufwendungen,223 Übernachtungen224 oder Mehraufwendungen für Verpflegung und Kleidung225 sein. 32 Der Streit über den Anwendungsbereich des § 850 ZPO dürfte an Schärfe verloren haben, seit zum 1.7.2010 § 850i ZPO novelliert wurde. § 850i ZPO gewährt nun allen Einkünften eines Schuldners Pfändungsschutz wie Arbeitseinkommen. Da jede Änderung des Pfändungsschutzes auf die Massezugehörigkeit (§ 36 InsO) und Abtretbarkeit (§ 400 BGB) einer Forderung einwirkt und gegen unpfändbare Forderungen nicht aufgerechnet werden darf (§ 394 BGB), entfaltet die Regelung über das Zwangsvollstreckungsrecht hinausgehende Wirkungen.226 Die erst in Zukunft entstehenden Provisionsforderungen sind als solche nach § 832 ZPO 33 pfändbar,227 mögen sie dem § 850 ZPO unterfallen228 oder nicht.229 In diesen Fällen kann bei einem zum Inkasso berechtigten HV die Frage auftauchen, ob eine zwischen ihm und dem Unternehmer im voraus getroffene Abrede, dass die Provision von den eingezogenen Geldern einbehalten werden dürfe, der später erfolgten Pfändung der Provisionsansprüche gegenüber den Vorrang genießt. Das wäre dann der Fall, wenn die Abrede eine Voraus-Aufrechnung beinhaltete, die die Provisionsforderung im Augenblick des Inkasso als kraft eben jener Aufrechnung getilgt erscheinen lassen müsste. Der Gläubiger wäre dann auf eine Pfändung der einbehaltenen Provision bei dem HV (Bargeld- oder Kontenpfändung) verwiesen. Im Ergebnis besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass ein solcher Vorrang der Einbehaltungsberechtigung gegenüber Pfändungen nicht anzuerkennen ist.230 Die Begründung ist unterschiedlich und in ihrer Unsicherheit wenig befriedigend. Am ehesten überzeugt noch das Argument, dass die „Abrede“ gar keine echte Vorausaufrechnung darstelle, sondern im Zweifel nur eine Feststellung, dass der Unternehmer die Entnahme der Provision aus den eingezogenen Geldern dulden wolle.231 Jedenfalls müssten die Anforderungen an eine förmliche Aufrechnungsvereinbarung schon streng gehalten sein; es würde gefordert werden müssen, dass sie u. a. klarstellt, für welche Zeit sie gelten solle und ferner, ob und unter welchen Umständen sie vom Unternehmer widerrufen werden könne. Schon daran wird es meist fehlen und damit die Abrede auf jene schlichte Duldungsübereinkunft reduziert. Mit einem ähnlichen Gesichtspunkt arbeitet RAG 6, 204 (207). Komplizierter wäre es, die Widerruflichkeit der Duldungsüberein217 OLG Hamm BB 1972, 855 und (in einem obiter dictum) BGH Rpfl. 1978, 54; Roellecke BB 1957, 1159; Rewolle DB 1962, 936. Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 16; Hopt § 87 Rn 50. BayObLG, Beschl. v. 6.3.2003 – 5 StR 18/03, NJW 2003, 2181. Treffer MDR 1998, 384 (385); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 16. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 134. OLG Hamm BB 1956, 668; Hopt § 87 Rn 50. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 134. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 134. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 134. Meller-Hannich WM 2011, 529. Oetker/Busche5 § 87 Rn 37; aA Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 16; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 28; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 121. 228 LG Berlin VersR 1962, 217; Hopt § 87 Rn 50. 229 RGZ 134, 227. 230 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 135. 231 So etwa LG Hamburg MDR 1961, 856.

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kunft in den Vordergrund zu stellen und zu empfehlen, außer dem Provisionsanspruch auch das Recht des HV auf Widerruf zu pfänden und sich zur Einziehung überweisen zu lassen, was ohnehin nicht immer helfen kann. Wiederum andere Meinungen operieren mit § 392 BGB232 und dem Gedanken, dass die „Vorausaufrechnung“ ohnehin erst im Augenblick des Inkasso wirken könne, weshalb dem die Pfändung mit dem Verfügungsverbot an den Schuldner zuvorkomme.233 Doch ist das gerade die Frage, die es zu untersuchen gilt. Dass die Rechtsprechung sich mit unterschiedlich begründeten Lösungen behilft, mag den Bedürfnissen der Praxis genügen.

Q. Systematik der §§ 87 ff § 87 eröffnet die Reihe der eigentlichen Bestimmungen über die Provision. Die §§ 87–87d sind 34 grds. nur anwendbar, sofern eine Provision i. S. e. erfolgsbezogenen Vergütung vereinbart wurde. § 86b über die Delkredereprovision ist atypisch gelegen, was damit zusammenhängt, dass die Regelung der Delkredereprovision einen Annex der Bestimmung über das Delkredereversprechen des HV bildet und sie damit in den Kontext der Bestimmungen der §§ 86 ff. zu den Hauptpflichten passt. In den §§ 87 ff. waren zunächst die tatbestandlichen Voraussetzungen des Provisionsanspruchs näher zu bestimmen. Der Unterschied zwischen HV und Makler liegt darin, dass die Provision nicht schon mit dem Abschluss des vermittelten Geschäfts verdient sein soll. Das Gesetz macht sie grundsätzlich noch von dessen Erfüllung abhängig. Das wiederum erfordert Detailregelungen für Fälle von Leistungshindernissen, aber auch (weil das HV-Verhältnis im Gegensatz zum Maklerauftrag noch mehr ein Dauerrechtsverhältnis ist) für die zeitliche Abgrenzung, wenn der Vertretervertrag während der Vermittlungsbemühungen vor Abschluss des Geschäfts endet. Schließlich waren Fragen des Kundenschutzes und des Bezirksschutzes – für den Bezirksvertreter – zu entscheiden. Dies alles ging über den normalen Umfang eines einzigen Paragraphen hinaus. Der Gesetzgeber hat sich deshalb entschlossen, die Voraussetzungen des Provisionsanspruchs aufzuspalten; er hat hierbei die Zäsur in den Abschluss des Geschäfts gelegt, welches er als provisionspflichtig anerkennt. Dessen Tatbestand und seine zeitliche Bezogenheit ist der Inhalt des § 87. § 87a regelt den Einfluss des weiteren Schicksals des Geschäfts im Fortgang seiner Erfüllung auf den Provisionsanspruch und zugleich den Zeitpunkt der Fälligkeit. Weil der Provisionsanspruch endgültig erst mit der Erfüllung des Geschäfts oder einem zugelassenen Erfüllungs-Ersatztatbestand begründet sein soll, ist das Verhältnis von § 87 zu § 87a dahin zu bestimmen, dass bei Gegebensein der Voraussetzungen des § 87 der Anspruch zunächst aufschiebend bedingt,234 als Provisionsanwartschaft, entstanden ist, während die weiteren Voraussetzungen des § 87a Abs. 1 die Bedingung darstellen, mit deren Eintritt der Anspruch sich zum unbedingten verfestigt. § 87 bestimmt damit, wofür der HV Provision erhält. Die Norm bezeichnet den Rechtsgrund 35 des Provisionsanspruches. Gem. Abs. 1 hat der HV entweder Anspruch auf Provision für von ihm vermittelte Geschäfte oder sog. Folgegeschäfte. Abs. 2 ordnet den Provisionsanspruch des Bezirksvertreters. Abs. 3 trifft eine Sonderbestimmung für nachvertragliche Provision. Abs. 4 regelt die Inkassoprovision. § 87a regelt, wann der Provisionsanspruch entsteht und wann er entfällt. Nach Abs. 1 hat 36 der HV Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. Gem. Abs. 2 entfällt der Provisionsanspruch, wenn feststeht, dass der Kunde nicht leistet. Abs. 3 regelt das Schicksal des Provisionsanspruches bei wirtschaftlicher Disparität zwischen 232 LG Dortmund MDR 1957, 750. 233 RAG 5, 136 (139). 234 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde); v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388; BFH, Urt. v. 28.10.2009 – I R 28/08, IStR 2010, 103 = BeckRS 2009, 25015828; BFHE 107, 426, BStBl II 1973, 212; BFHE 109, 33, BStBl II 1973, 481. 879

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abgeschlossenem und ausgeführtem Vertrag. Abs. 4 bestimmt die Fälligkeit des Provisionsanspruches. § 87b führt aus, wie viel Provision der HV erhält. Dabei bestimmt Abs. 1 die Höhe des Provisionssatzes, Abs. 2 und 3 klären die Bemessungsgrundlage, auf deren Basis der Provisionssatz errechnet wird. Daran schließt § 87c betreffend die Kontrollrechte des HV an, mit denen der HV Grund und Höhe der nach den §§ 87 ff. geschuldeten Provision überprüfen darf. § 87d regelt den Aufwendungsersatz. § 92a ermöglicht die Festsetzung einer Mindestprovision. Normadressat ist jedoch der VO-Geber, weshalb die Vorschrift sich nicht direkt in den Reigen der Provisionsvorschriften einordnet. Die Entstehung des Provisionsanspruches vollzieht sich in mehreren Stadien.235 Gem. § 87 Abs. 1 entsteht eine Tätigkeits- oder Folgeprovision aufschiebend bedingt auf den Fall, dass die Voraussetzungen des § 87a Abs. 1 eintreten, d. h. sobald und soweit der vertretene Unternehmer (§ 87a Abs. 1 Satz 1) oder der vorleistende Dritte (§ 87a Abs. 1 Satz 3) das abgeschlossene Geschäft ausgeführt hat.236 Ab diesem Zeitpunkt ist der Anspruch entstanden; er steht nach Grund und Berechnungsfuß237 fest und ist als solcher – nicht nur als zukünftiger – abtretbar und pfändbar.238 Unterbleibt die Ausführung, so entsteht der Provisionsanspruch gleichwohl, es sei denn, dass in § 87a Abs. 3 S. 2 abschließend geregelte Voraussetzungen erfüllt sind, bei denen ausnahmsweise die Nichtausführung die unbedingte Entstehung des Provisionsanspruches hindert.239 Gleichwohl ist hiermit der Provisionsanspruch noch immer nicht absolut sicher. Denn es muss ein weiteres Stadium durchschritten werden. Der Provisionsanspruch kann nämlich (vom Unternehmer zu beweisende Ausnahme) entfallen, wenn feststeht, dass der Dritte nicht leistet (§ 87a Abs. 2). Die Fälligkeit des Provisionsanspruches tritt dann am letzten Tag des Monats ein, in dem der Unternehmer über den Provisionsanspruch abzurechnen hat (§ 87a Abs. 4). Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 40 bilden folgendes Beispiel: 1. Stadium: Das Geschäft wird abgeschlossen Folge: Der HV erwirbt einen bedingten Anspruch auf Provision (Provisionsanwartschaft). Der Anspruch ist aufschiebend bedingt auf die Ausführung des Geschäftes durch den Unternehmer, gleichzeitig aber auch auflösend bedingt infolge der Nichteinlösung durch den Dritten. 2. Stadium: Der Unternehmer führt das Geschäft aus Folge: Die aufschiebende Bedingung entfällt, die auflösende Bedingung bleibt bestehen. 3. Stadium: Der Dritte (Kunde) leistet Folge: Der Provisionsanspruch wird dadurch zu einem unbedingten Anspruch, der nicht mehr mit Unsicherheitsfaktoren belastet ist. 4. Stadium: Die Fälligkeit Folge: Die Fälligkeit des unbedingten Anspruches tritt am letzten Tag des Monats ein, in dem über den Anspruch abzurechnen ist. Das alles ist hinreichend kompliziert und noch dazu verklausuliert, indem der Kunde eher fernliegend als „Dritter“ apostrophiert wird. Ein Beispiel für Verständlichkeit wird nicht gegeben. Es mag ferner bemängelt werden, dass die Provisionsvorschriften zersplittert sind. Zumindest § 87 und § 87a hätten in einer Vorschrift gefasst werden können.

235 BGH NJW-RR 1999, 868; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 40. 236 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde); Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 37. 237 Vorbehaltlich § 87b Abs. 2 S. 1, vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde). 238 Eberstein9 S. 86. 239 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 37. Emde

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R. Die Provisionsanwartschaft des § 87 Abs. 1 und Abs. 2 I. Einführung § 87 Abs. 1 und 2 regeln, wofür, d. h. unter welchen Umständen, der HV Provision erhält. Die 42 Norm regelt also, welche Geschäfte provisionspflichtig sind.240 Sind die TB-Voraussetzungen der Norm erfüllt, erwirbt der HV einen aufschiebend bedingten Provisionsanspruch241 bzw. eine sog. Provisionsanwartschaft.242 Eine zeitliche Begrenzung des Provisionsrechts eines HV, der ein Dauerschuldverhältnis vermittelt hat, besteht grds. nicht243: Wenn der HV ein Dauerschuldverhältnis vermittelt hat, erwirbt er hierdurch einen bedingten Provisionsanspruch für die vollständige Dauer des vermittelten Vertrages.244 Wie der Rückschluss aus § 87a Abs. 1 offenbart, ist mit dem Eintritt der Voraussetzungen des § 87 die Provision noch nicht endgültig verdient. Vielmehr ist weiter die Ausführung des Geschäftes durch den Unternehmer erforderlich. Erst dann erstarkt der Anspruch zu einem unbedingten Provisionsanspruch.245 Gem.§ 87 Abs. 1 hat der HV Anspruch auf Provision für alle während des Vertretervertrages 43 abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind (Tätigkeitsprovision) oder mit Dritten abgeschlossen werden, welche er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat (Folgeprovision). Nach der Gesetzeskonzeption handelt es sich bei der Tätigkeitsprovision und auch der Folgeprovision um die Grundtatbestände der Provision und statistisch gesehen dürfte dies die häufigste Provisionsform bilden. Allerdings werden im Interesse des Unternehmers nicht selten die Folgeprovisionen ausgeschlossen, was zulässig ist, da § 87 Abs. 1 nicht zwingend ist. § 87 Abs. 2 regelt die Provisionsanwartschaft des Bezirksvertreters (Bezirksprovision). 44 Rechtstatsächlich wird diese Provisionsform häufig gewählt, weil sie Streitigkeiten über die Tätigkeit des Unternehmers im Gebiet des HV vermeidet. Wird Bezirksprovision vereinbart, ist der Unternehmer nämlich auch für solche Direktgeschäfte provisionspflichtig. Eine Bezirksprovision wird nur geschuldet, wenn der HV ausdrücklich oder konkludent als Bezirksvertreter eingesetzt wurde. Ist dem HV ein bestimmter Bezirk oder ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen worden, so hat er Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Bezirkes oder seines Kundenkreises während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen sind. Diesen seinen Bezirk oder Kundenkreis soll der HV ständig betreuen und sich auf ihn konzentrieren. In Anerkennung solcher spezifischen Betreuungsleistungen wird bestimmt, dass dem Bezirksvertreter für alle Geschäfte mit bezirksansässigen Kunden, mag er sie vermittelt haben oder nicht, die Provision so zusteht, als wenn er selbst vermittelnd tätig geworden wäre. Seine Zuständigkeit soll sich nicht mit provisionssparendem Effekt durch Direktabschlüsse des Unternehmers ausschalten lassen. Durchgehend sind sodann in HV-Verträgen Regelungen über die Abgrenzung der Provisionsberechtigung für den Fall vorgesehen, dass ein HV nach erfolgversprechender Anbahnung einer Vermittlung aus dem Vertreterverhältnis ausscheidet und das Geschäft erst im Zeichen seines Nachfolgers zum Abschluss gelangt (Abs. 3).

240 Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 281. 241 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde); v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde); v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388; BFH, Urt. v. 28.10.2009 – I R 28/08, IStR 2010, 103 = BeckRS 2009, 25015828; v. 19.10.1972 – I R 50/70, DB 1973, 363; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 87 Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 3; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 1. 242 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde); Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 36. 243 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, DB 2009, 2652 Rn 31 f. 244 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, DB 2009, 2652 Rn 31. 245 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 41. 881

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Systemfremd im Aufbau des § 87 ist die Bestimmung in Abs. 4 über die Berechtigung zur Inkassoprovision. Sie ist unechte Provision, nicht erfolgsbedingt, eine Vergütung für reine Verwaltungstätigkeit, die nicht einmal zu den wesenseigenen Aufgaben des HV gehört und die bestenfalls stellvertretend für mancherlei Verwaltungsprovisionen anderer Art, wie sie beim HV auch vorkommen können (Lagerhaltung, Regulierung von Reklamationen), ihren Ort gefunden hat.

II. § 87 Abs. 1 46 Die Anwartschaft setzt voraus, dass ein Geschäft zwischen dem Unternehmer und dem Kunden während der Laufzeit eines bestehenden HV-Vertrages abgeschlossen wird. Weiter muss das Geschäft entweder auf die Tätigkeit des HV zurückzuführen sein („Tätigkeitsprovision“) oder es muss sich um ein Folgegeschäft („Folgeprovision“) handeln.

1. Während des Vertragsverhältnisses 47 Provision nach § 87 erhält der HV grds. – von den beiden Ausnahmen des Abs. 3 S. 1 abgesehen – nur für Kundengeschäfte, welche während des Bestehens des HV-Vertragsverhältnisses abgeschlossen werden.246 Vom HV vor oder nach Vertragsende zustande gebrachte Geschäfte sind grds. nicht nach § 87247 (bestenfalls analog), u. U. jedoch nach § 354 provisionspflichtig (s. o.). Für § 87 Abs. 1 1. Alt. bedeutet dies, dass der HV Provision nur verlangen kann, wenn die Vermittlung während eines wirksamen248 oder von beiden Parteien faktisch249 in Vollzug gesetzten HV-Vertrags erfolgte.250 Gemeint ist der – wirksame251 (Rn 52 ff.) – Abschlusstatbestand als solcher, auch als aufschiebend bedingter.252 Wann dann die Bedingung oder die Erteilung der Genehmigung bei schwebend unwirksamem Kundenvertrag253 eintritt, ist für den Provisionsanspruch ohne Belang. Tritt die Bedingung/Genehmigung nach Vertragsende ein, so ist es ebenfalls provisionspflichtig254 und muss ggf. nachverprovisioniert werden. 48 Ebenso unerheblich ist es, ob das Kundengeschäft erst nach Vertragsende ausgeführt wird. Ist der Abschluss während des HV-Vertrages erfolgt, berührt es die Provisionsberechtigung des HV nicht, falls die einzelnen Erfüllungsakte, terminlich oder auf Abruf, erst nach Ende desselben geschehen.255 Bedeutung hat das namentlich für Sukzessivlieferungsgeschäfte (Rn 68). Deshalb ist es irrelevant, ob das abgeschlossene Geschäft während der Vertragslaufzeit auch abgewickelt wird.256 Allein entscheidend ist der Abschluss des Geschäfts. Gem. § 87 Abs. 1 Alt. 1 sind folglich auch Geschäfte provisionspflichtig, die während des bestehenden HV-Vertrags ab-

246 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde); Hopt § 87 Rn 7; Oetker/Busche3 § 87 Rn 14. 247 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 43; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 11. 248 BGH, Urt. v. 21.12.1973 – IV ZR 158/72, BGHZ 62, 71, 73 = NJW 1974, 852; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 19. 249 Westphal I Rn 276; Evers BB 1992, 1365 (1370, 1371); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 19. aA wohl Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 7; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 6, 20; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 4. 250 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 43. 251 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 30. 252 Hopt § 87 Rn 7. 253 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 43; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 28. 254 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde); v. 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, NJW-RR 1998, 629 unter II 1; BAG DB 2008, 761 – sog. Überhangprovisionen. 255 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (527). 256 Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 282. Emde

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geschlossen werden, jedoch erst nach Vertragsschluss erfüllt werden,257 was insb. bei der Provisionspflichtigkeit von Dauerschuldverhältnissen relevant sein kann258 (s. Rn 67 ff.). Die Provision ist grds. auch nach Beendigung des HV-Vertrages bis zur Beendigung des 49 vermittelten Vertrages zu leisten; eine Einmalprovision sieht das Gesetz nicht als Regelfall vor. Jeder der Erfüllungsakte löst nach Maßgabe des § 87a Abs. 1 die nachträglich zu berechnende Teilprovision aus. Eine Nachverprovisionierung nach Vertragsende anfallender Ausführungsoder Teilausführungsakte des Geschäfts kann jedoch – soweit der Anwendungsbereich des zwingenden § 89a Abs. 5 nicht berührt wird259 – ausgeschlossen werden und wird nicht selten vertraglich derogiert (zur Provisionsverzichtsklausel, die insb. im Versicherungsvertrieb häufig ist s. Kommentierung zu § 89b). Bei unwirksamen, jedoch faktisch in Verzug gesetzten Verträgen gelten die Regeln über den 50 faktischen Vertrag.260 Der Vertrag ist also nur mit ex-nunc-Wirkung nichtig. Für die Vergangenheit bereits entstandene Provisionsansprüche können nach wie vor gefordert werden.261 Wollte man dem nicht folgen, kann eine Vergütung nach § 354 oder § 812 BGB geschuldet sein (s. o.).262 Insbesondere bei Sittenwidrigkeit des vermittelten Vertrags ist die Vermittlungsleistung ohne Wert und nicht zu vergüten.263 Für Geschäfte, die nach Ende des HV-Vertrages geschlossen werden, besteht hingegen grundsätzlich kein Provisionsanspruch.264 Eine Ausnahme bildet die nachvertragliche Provision (siehe dazu unten). Der HV behält selbst bei schweren, von ihm zu verantwortenden Vertragsverletzungen 51 seinen einmal verdienten Provisionsanspruch.265 Der Unternehmer darf aber mit Schadenersatzforderungen aufrechnen. Eine bereits ausgesprochene ordentliche Kündigung bleibt für das Provisionsrecht ebenso unerheblich266 wie das Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine fristlose Kündigung, solange diese nicht erklärt ist.267 Ausnahmen können über § 242 BGB gebildet werden.

2. Geschäftsabschluss Die Anwartschaft nach § 87 Abs. 1 setzt weiter voraus, dass zwischen Unternehmer und dem 52 Kunden des Unternehmers (der „Dritte“) ein „Geschäft“ abgeschlossen wird. Der Begriff des Geschäftes soll dem in § 84 entsprechen.268 Ein Anspruch auf Provision erwächst dem HV auf Grund seiner Vermittlung nur, wenn sie zum Erfolge führt, nämlich zum Abschluss von Verträgen. Die Provision ist damit nicht tätigkeits-, sondern erfolgsbezogen: selbst bei größter Mühe bleibt sie aus, wenn das Geschäft nicht geschlossen wird.269 Der Abschlussvertreter führt diesen Abschluss selbst herbei; der Vermittlungsvertreter bleibt unterhalb dieser Schwelle. Nicht immer wird es sich so fügen, dass der HV seinem Unternehmer den mit dem Kunden ausgehandelten Vertrag abschlussreif präsentiert; immer aber muss auch seine Tätigkeit in den Vertragsab-

Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 282. Oetker/Busche5 § 87 Rn 14. BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde); Oetker/Busche5 § 87 Rn 14. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 19. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 19. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 19. BGH, Beschl. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, BeckRS 2011, 01059. Westphal I Rn 459. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 69; Hopt § 87 Rn 49; aA wohl Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 25. Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 43; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 12; Hopt § 87 Rn 37; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 28. 267 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 43; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 12; Hopt § 87 Rn 37. 268 Thume BB 2019, 835. 269 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 7.

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schluß als ihren Enderfolg eingegangen sein. Wer von den Parteien des Geschäftsschlusses im vertragstechnischen Sinne Offerent, wer Akzeptierender nach §§ 145 ff. BGB ist, spielt für den Provisionsanspruch keine Rolle. 53 Die Provisionsanwartschaft setzt voraus, dass es sich um ein Geschäft handelt, welches der Vertreter nach dem ggf. konkludent erweiterten HV-Vertrag zu vermitteln hatte.270 Welche „Geschäfte“ Provision begründeten und auf welchen Zeitpunkt es für sie ankomme, ist angesichts der Dispositivität des § 87 Abs. 1 S. 1 durch Auslegung der Vergütungsabrede zu bestimmen.271 Insbesondere begründen die Provisionsanwartschaft nur Geschäfte, die zu dem nach dem HV-Vertrag vorausgesetzten wirtschaftlichen Vorteil des Unternehmers führen. Das muss nicht notwendigerweise eine Gegenleistung in Geld sein.272 Wenn der Unternehmer den nach dem HV-Vertrag vorausgesetzten oder einen vergleichbaren wirtschaftlichen Vorteil erhält, genügt dies (§ 87a Rn 48). Unerheblich bleibt, ob das Geschäft für den Unternehmer gewinnbringend ist.273 54 Der Unternehmer ist bezüglich der Entscheidung frei, ob er ein vom HV vermitteltes Geschäft annimmt oder ablehnt274 (zu seinem Dispositionsrecht s. Kommentierung zu § 86a). Er darf das Geschäft allerdings nicht ohne vernünftigen Grund oder gar willkürlich ablehnen und nicht nur, um den HV um seine Provision zu bringen (§ 162, 242, 226 BGB).275 Ein Verstoß führt zur Schadenersatzpflicht des Unternehmers in Höhe des entgangenen Rohgewinns des HV. Außerdem besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht des HV.276 Spätestens in der Auslieferung der Ware liegt die – konkludente – Willenserklärung des Unternehmers zum Abschluss des Geschäftes. Ob das Geschäft wirksam wird, hängt dann davon ab, ob es eine korrespondierende Willenserklärung des Kunden gibt. Auf die Zusendung unbestellter Ware braucht der Kunde nicht zu antworten, so dass sein bloßes Schweigen keine entsprechende Willenserklärung wäre.

3. Wirksames Geschäft 55 Das Geschäft mit dem Kunden muss wirksam und rechtsverbindlich zustande gekommen sein.277 Dazu muss der Vertrag zwischen Kunden und Unternehmer endgültig und rechtswirksam278 zustande gekommen sein279 (§ 145 ff. BGB). Ein Provisionsanspruch entsteht nur, sofern der Unternehmer aus dem geschlossenen Geschäft erfolgreich auf Erfüllung klagen könnte. Ein wirksames Geschäft setzt den Zugang der letzten Willenserklärung zum Vertragsschluss voraus. Bei einem Vermittlungsvertreter gibt der Unternehmer die für ihn wirkende Willenserklärung ab. Bei dem Abschlussvertreter darf auch der HV die Willenserklärung abgeben.

270 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 9; Oetker/Busche5 § 87 Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 22; Hopt § 87 Rn 7; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 5.

271 BGH, Urt. v. 22.1.2015 – VII ZR 87/14, IHR 2015, 107 = ZVertriebsR 2015, 171 = BB 2015, 1230 = NJW 2015, 1107 = WM 2015, 531 = EWiR 2015, 413 (Emde) m. Anm. Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173. Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173 (174) rät deshalb zu sorgsamer Formulierung der Provisionsabrede. 272 AA wohl Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 28. 273 OLG Köln, Urt. v. 2.8.2002 – 19 U 152/01 VersR 2002, 1374 = OLGR 2002, 440. 274 Hopt § 87 Rn 8. 275 Hopt § 87 Rn 8 f.; Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 283. 276 Hopt § 87 Rn 10. 277 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 30; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 20; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 87 Rn 10; Oetker/Busche5 § 87 Rn 11. 278 Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 283. 279 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 23; Westphal I Rn 461; Hopt § 87 Rn 7. Emde

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Keine Provision kann entstehen, falls das Geschäft von Anfang an nichtig280 ist, etwa infolge 56 von Formnichtigkeit gem. § 125 BGB,281 Gesetzwidrigkeit nach § 134 BGB282 oder Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB283 bzw. nach §§ 119, 123 BGB anfechtbar und mit Rückwirkung (§§ 142, 143 BGB) angefochten wurde,284 es sei denn, es wird tatsächlich durchgeführt (worin meist eine Bestätigung des nichtigen Geschäfts zu finden sein dürfte). Denn ein unwirksames, jedoch durchgeführtes Geschäft begründet die Provisionsanwartschaft, wenn es von den Parteien wie ein wirksames Geschäft behandelt wird: Nur muss der HV erhaltene Provision ggf. zurückzahlen, sofern eine Rückabwicklung des Geschäftes, etwa nach §§ 812 ff. BGB, erfolgt. Ist diese Rückabwicklung absehbar, braucht der Unternehmer vorerst nicht zu leisten („dolo petit“; § 242 BGB). Hat der Unternehmer die Unwirksamkeit zu vertreten, etwa das Anfechtungsrecht geschaffen, konkurriert mit dem Schadenersatzanspruch des HV ein Provisionsrecht nach §§ 162, 242 BGB, § 87a Abs. 3 analog.285 So soll auch nach Ansicht des OLG München286 ein HV, der gem. vertraglicher Vereinbarung dem Unternehmer Kunden zugeführt hat, gegen diesen gem § 87a Abs. 3 analog, § 242 BGB einen rechtswirksamen Provisionsanspruch auch dann innehaben, wenn das von dem Unternehmer betriebene Anlagemodell – vom Kunden und dem HV unerkannt – wegen Betreibens eines „Schneeballsystems“ sittenwidrig ist und ein wirksamer Kundenvertrag daher nicht zustande gekommen ist. Der BGH287 widersprach dem im Ergebnis: Der HV müsse gem. §§ 143 Abs. 1, 134 InsO Provisionen zurückerstatten, die durch die Einbeziehung der Scheingewinne entstanden. Diese seien „unentgeltlich“ geleistet worden und nach § 134 InsO anfechtbar. Den Betreuungsleistungen des HV komme kein objektiver Wert zu. Auf eine fehlerhafte Abrechnung von Kundenverträgen, an die sich der Unternehmer selbst nicht gehalten habe, dürfe er sich (und im vom BGH entschiedenen Fall auch nicht der HV) analog § 654 BGB nicht berufen.288 Ist das Geschäft anfechtbar, aber noch nicht angefochten, so soll dem Unternehmer ge- 57 genüber dem Provisionsanspruch des HV unter analoger Heranziehung des § 770 BGB eine aufschiebende Einrede gegeben sein,289 sofern das Geschäft schon soweit ausgeführt ist, dass der Provisionsanspruch überhaupt durchsetzbar ist (§ 87a Abs. 1): eine billigenswerte Einschränkung. Wird in der Insolvenz angefochten (§§ 129, 143 InsO) und muss der Unternehmer deshalb das Erlangte herausgeben, so ist die Provision nicht geschuldet.290 Bereits geleistete Provision ist u. U. nach § 143 InsO zurückzugewähren, vorbehaltlich § 242 BGB291 oder § 818 Abs. 3 BGB bei Verwendung der Provision für den Lebensunterhalt.292 Bedarf das zwischen dem Unternehmer und dem Kunden vereinbarte Geschäft zur Wirksamkeit einer behördlichen Genehmigung, so kann es – für die Provision und die Begründung des Anspruchs hierauf – erst von

280 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 23; Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 283; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 23; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87b Rn 8; Hopt § 87 Rn 7; Oetker/Busche5 § 87 Rn 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 25; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 9. 281 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 23. 282 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 23. 283 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 23. 284 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 23; Hopt § 87 Rn 7; Oetker/Busche3 § 87 Rn 11; Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 11. Aufl. 2011, § 87 Rn 8. 285 Canaris § 15 Rn 57; Oetker/Busche5 § 87 Rn 11. 286 OLG München, Urt. v. 19.10.2010 – 5 U 5250/09, WM 2011, 167 m. krit. Anm. Baumert FD-InsR 2011, 313542; OLG München, Urt. v. 5.10.2010 – 5 U 4438/09, WM 2011, 164. 287 BGH, Urt. v. 22.9.2011 – IX ZR 209/10, ZIP 2011, 2264 = WM 2011, 2237 = EWiR 2012, 93 (Ludwig); ebenso OLG Koblenz, Zwischenurt. v. 24.3.2011 – 2 U 97/10, BeckRS 2012, 20058. 288 BGH, Urt. v. 22.9.2011 – IX ZR 209/10 Rn 19, ZIP 2011, 2264 = WM 2011, 2237 = EWiR 2012, 93 (Ludwig). 289 Schmidt-Rimpler S. 118 (mit Reichel Die Maklerprovision [1913] S. 27); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 23. 290 Schmidt-Rimpler a. a. O.; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 24. 291 OLG München, Urt. v. 19.10.2010 – 5 U 5250/09, WM 2011, 167 m. krit. Anm. Baumert FD-InsR 2011, 313542; OLG München, Urt. v. 5.10.2010 – 5 U 4438/09, WM 2011, 164. 292 OLG München, Urt. v. 5.10.2010 – 5 U 4438/09, WM 2011, 164. 885

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deren Erteilung an als zustande gekommen gelten (arg. § 87a: weil auch die Bewirkung der Leistung, wenn und solange die Genehmigung aussteht, rechtsgrundlos wäre). Wird ein Geschäft nachträglich im Gefolge von Leistungsstörungen rückgängig gemacht, beurteilt sich die Frage, ob ein Provisionsanspruch besteht, nach § 87a Abs. 2 u. 3.293 Eine auflösende Bedingung lässt das Geschäft rückwirkend entfallen. Die Provisionsanwartschaft entfällt korrespondierend.294 Die aufschiebende Bedingung führt zunächst zur Provisionsanwartschaft. Ein endgültiger Provisionsanspruch entsteht jedoch nur, wenn neben den TB-Voraussetzungen des § 87a Abs. 1 auch die Bedingung eintritt.295 Es liegt eine zweifach gestufte Bedingung vor. Wird vor Eintritt der Bedingung für den Abschluss das Geschäft rückgängig gemacht, kann der Provisionsanspruch nur unter den Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 BGB Bestand behalten (für dessen Anwendung dann im Hinblick auf § 87a die Ausführung des Geschäfts im Zweifel unterstellt werden muss). So insbesondere, wenn die Ausübung des Rücktritts bei Geschäftsabschluss vorbehalten worden war, etwa bei der Klausel „freibleibend“.296 Bei auflösender Bedingung des Geschäfts ist der Entstehungsgrund für die Provision zunächst gegeben; das Endgültigwerden des Provisionsanspruchs hängt aufschiebend bedingt von einem der Tatbestände des § 87a ab. Tritt vor oder nach dem letzteren Zeitpunkt die auflösende Bedingung für den Geschäftsabschluss ein, kommt dem HV allenfalls § 162 Abs. 2 BGB zugute, sonst ist der Provisionsanspruch hinfällig geworden. Anders nur bei Gebrauchsüberlassungs- oder Nutzungsverträgen, die bei Eintritt der auflösenden Bedingung bereits in Vollzug gesetzt gewesen waren, weil die auflösende Bedingung nur ex nunc wirkt (§ 158 Abs. 2 BGB) und die bis dahin erbrachten Leistungen mit Rechtsgrundlage erbracht bleiben. Mit dem vertraglich vorbehaltenem297 oder gesetzlichen Rücktritt wandelt sich das Geschäft nach § 346 BGB in ein Rückgewährschuldverhältnis um, so dass die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind. Es kann damit keine Grundlage für einen Provisionsanspruch des HV bilden.298 Sofern eine Kündigung des Geschäfts zulässig ist, wird sie erst mit Zugang wirksam. Die bis dahin ausgetauschten Leistungen sind provisionspflichtig,299 die danach ausgetauschten, wenn sie von beiden Parteien akzeptiert werden (konkludente oder ausdrückliche Vertragsfortsetzung). Wird die Ungültigkeit später – ohne Durchbrechung des ursächlichen Zusammenhangs des Geschäfts mit der Tätigkeit des HV – behoben (Heilung nach § 311b Abs. 1 S. 2 BGB, formgerechter Neuabschluss), entsteht der Provisionsanspruch erst300 mit tatsächlicher Durchführung (soweit sich der Kunde nicht später wirksam auf die Unwirksamkeit beruft), mit wirksamen Vergleich301 (soweit der Provisionsanspruch nicht bereits vorher entstanden war302) oder mit Heilung,303 je nachdem, welcher Zeitpunkt eher eintritt. Bei unterschiedlichen Beträgen aus den jeweiligen Heilungsschritten werden jene jeweils zum Zeitpunkt der Durchführung fällig. Hat der Unternehmer die Nichtigkeit verursacht und liegt hierin eine Pflichtwidrigkeit gegenüber dem HV, schuldet er ihm Schadenersatz,304 sofern der Grund der Nichtigkeit es zulässt. § 87 Abs. 3 (analog) ist anzuwenden, falls die Wirksamkeit erst nach Vertragsende eintritt.305 293 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 25; Hopt § 87 Rn 7; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 10. 294 BGH WM 1991, 76; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 150; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 25; Westphal I Rn 467; Hopt § 87 Rn 7. 295 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 24; Westphal I Rn 467; Oetker/Busche5 § 87 Rn 11. 296 OLG Hamburg Recht 1923, Nr. 530. 297 Hopt § 87 Rn 7. 298 Westphal I Rn 465; Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 283. 299 Westphal I Rn 466. 300 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 30. 301 OLG Köln NJW-RR 1992, 226. 302 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 24. 303 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 24; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 29. 304 Hopt § 87 Rn 7. 305 Canaris § 15 Rn 57. Emde

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Bei teilweiser Nichtigkeit eines Vertrages kommt es darauf an, ob der gültige Teil nach 63 § 139 BGB Bestand hat. Die Provision ist dann allein aus dem gültigen Teil zu berechnen306 (bei Verstoß gegen Preisvorschriften etwa von dem gesetzlich zugelassenen Preis ohne Rücksicht darauf, was wirklich gezahlt worden ist307).

4. „Dritter“ Der Vertrag muss zwischen dem Unternehmer und einem „Dritten geschlossen worden sein. 64 Der „Dritte“ ist der Kunde des Unternehmers. Der Begriff des Dritten ist im denkbar weitesten, wirtschaftlichen Sinne308 zu verstehen. Dritter kann grundsätzlich jeder sein, ungeachtet seiner Rechtsnatur, etwa natürliche oder juristische Personen309 und auch rechtlich unselbstständige Filialen oder Zweigniederlassungen.310 Eine rechtliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit zu einem Dritten ist grundsätzlich irrelevant,311 es sei denn, es liegt ein Eigengeschäft (dazu Rn 74) vor. Dass auch Filialen „Dritte“ i. S. d. § 87 sein können, wird insb. für die Provision des Bezirksvertreters (dazu unten) bedeutsam.

5. Fehlende Provisionsanwartschaft Kein Provisionsrecht rechtfertigen Geschäfte, die den Abschluss verbindlicher Kundenverträge 65 erst in Aussicht stellen oder vorbereiten,312 ohne dass er sicher ist. Dies ist eine Frage der Klagbarkeit, nicht erst der nachfolgenden hinreichenden Kausalität zwischen Werbung des HV und Einzelgeschäft. Das setzt eine hinreichende Bestimmtheit des vermittelten Geschäftes voraus: Eine Provisionsanwartschaft entsteht nur hinsichtlich der Geschäfte, die bereits in den Einzelheiten festgelegt sowie verbindlich und allenfalls – wenn ein fester Liefertermin nicht vereinbart ist – noch abzurufen sind, so dass es keiner weiteren Vertragsverhandlungen bedarf und die Handlung des HV „automatisch“ zur Gegenleistung des Unternehmers führt.313 Der Vorbehalt einer Preisanpassung bei künftigen Lieferungen ist wegen § 315 BGB unbeachtlich.314 66 Keine Provisionsanwartschaft begründen etwa: – „Aufbauverträge“ im Versicherungsrecht,315 soweit sich die Versicherungssumme nicht automatisch erhöht; – aufschiebend bedingte Geschäfte. Das für die Vermittlung eines aufschiebend bedingten Geschäfts Gesagte trifft auch für die Vermittlung einer Option zu,316 insoweit diese als perfekter Vertragsabschluß unter einer Bedingung (der Ausübung der Option) angesehen werden kann; – „freibleibende Abschlüsse“, bei denen die Provision, und zwar auch die Provisionsanwartschaft, erst mit Ausführung des Kundengeschäfts entsteht;317 306 307 308 309 310

Westphal I Rn 464; Hopt § 87 Rn 7; Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 11. Aufl. 2011, § 87 Rn 8. OLG Düsseldorf MDR 1957, 168 [L]. Oetker/Busche5 § 87 Rn 13. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 28; Oetker/Busche5 § 87 Rn 13. BGH, Urt. v. 14.12.1959, NJW 1960, 433; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 28; Oetker/Busche5 § 87 Rn 13. 311 Oetker/Busche5 § 87 Rn 13. 312 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 8a. 313 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26. 314 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26. 315 BAG, Urt. v. 28.2.1984 – 3 AZR 472/81, VersR 1984, 897; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26. 316 OLG Köln, Urt. v. 21.3.2014 – 19 U 104/13, IHR 2014, 197 = BeckRS 2014, 10869; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.3.1997 – 16 U 82/96, OLGR 1997, 146; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 66; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26. 317 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 10. 887

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Listungen bei Einzelhandelsketten, mit welchen der Kunde den Unternehmer durch Eintragung in „Listen“ in den Kreis seiner Lieferanten aufnimmt;318 Vorverträge319 durch die das provisionspflichtige Umsatzgeschäft noch nicht verbindlich abgeschlossen wird.320 Zur Erfüllung der Anwartschaft reicht der Abschluss eines bloßen Vorvertrages nicht aus,321 und zwar selbst dann nicht, wenn er zum Abschluss des Hauptvertrages verpflichtet,322 es sei denn, er besitzt bereits die einem endgültigen Vertrag vergleichbare bindende Wirkung323 und führt daher quasi „automatisch“ zum Abschluss des Einzelgeschäfts (s. o.). Zwar liegt ggf. schon eine Verpflichtung des Kunden vor, demnächst den Hauptvertrag auf Lieferung abzuschließen. Dennoch ist der Güterumsatz noch nicht in der Weise effektuiert, wie das nach dem Inhalt des HV-Vertrages und der darin festgelegten Tätigkeitspflichten des HV vorausgesetzt ist. Der Unternehmer „hat“ noch nicht das, was er endgültig haben soll, vielmehr muss er Weiteres aufwenden, um zu einem durchsetzbaren Liefergeschäft zu gelangen. Der Unterschied zeigt sich, wenn es bei Beendigung des HVVerhältnisses noch nicht zum Einzelabschluss (beim Rahmenvertrag) oder zum Abschluss des Hauptvertrages (beim Vorvertrag) gekommen ist. Erfolgen diese Abschlüsse erst nach Vertragsende, sind sie nicht mehr provisionspflichtig.324 Allenfalls Provisionsansprüche aus § 354 können im Einzelfall begründet sein,325 wobei heute § 87 Abs. 3 jedoch die Anwendung des § 354 BGB mittels Spezialität ausschließen dürfte.326

6. Rahmenverträge über Teilleistungen 67 Bei Rahmenverträgen,327 die die Lieferung von Teilleistungen regeln, zu deren Ausführung jedoch noch Einzelverträge geschlossen werden müssen, liegt eine für die Provisionsanwartschaft hinreichende Klagbarkeit des Einzelgeschäfts nur vor, falls der Rahmenvertrag bereits verbindlich die Einzellieferungen nach Grund und Höhe regelt und deshalb bei Abschluss des Rahmenvertrages der Umfang der Einzellieferungen feststeht.328 Die Kontrollfrage lautet: Führt der Rahmenvertrag automatisch zum Einzelgeschäft, welches dem Unternehmer den erstrebten wirtschaftlichen Vorteil generiert? Nur wenn diese Frage mit „Ja“ zu beantworten ist, entsteht die Provisionsanwartschaft des HV. Die bloße Vermittlung eines Rahmenvertrages mit Bezugsrechten des Kunden, die erst später durch Einzelabschlüsse umgesetzt werden müssen, begründet noch keinen Provisionsanspruch, es sei denn, gerade solche Rahmenabkommen oder der

318 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26. 319 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 8. 320 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 10; Hopt § 87 Rn 7; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 62. 321 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 65; Schmidt-Rimpler 117, Hopt § 87 Rn 7; Schlegelberger/ Schröder § 87 Rn 8. Bei v. Gamm NJW 1979, 2492 wird eine Entscheidung des BGH vom 30.8.1964 – VII ZR 83/62 – für das Gegenteil zitiert, ohne dass jedoch die Begründung erkennbar wird (Vorvertrag „kann“ genügen). 322 Westphal I Rn 462; Hopt § 87 Rn 7. 323 Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 283. 324 OLG Koblenz, Urt. v. 26.4.2007 – 6 U 529/06, BeckRS 2007, 17218. 325 BGH, Urt. v. 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180. 326 § 87 Abs. 3 war nach dem in BGH, Urt. v. 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180 angewendeten Recht noch nicht existent. Folglich wurde § 354 in BGH, Versäumnisurt. v. 22.1.2015 – VII ZR 87/14, IHR 2015, 107 = ZVertriebsR 2015, 171 = NJW 2015, 1107 = WM 2015, 531 = DB 2015, 611 m. Anm. Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173 noch nicht einmal geprüft sondern auf § 87 Abs. 3 verwiesen. 327 Zu ihnen Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 ff. 328 Thume BB 2019, 835 (837). Emde

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Serienbelieferungsvertrag329 – und nicht bloß (noch nicht zustande gekommene) Einzelgeschäfte – sind nach dem HV-Vertrag das zu vermittelnde Objekt.330 Im Einzelnen:

a) Sukzessivlieferungsvertrag. Ein Sukzessivlieferungsvertrag verpflichtet den Kunden, über 68 einen bestimmten Zeitraum bereits bei Vertragsschluss nach Umfang und Menge spezifizierte Leistungen des Unternehmers in Raten abzunehmen, wobei die Leistungsmenge von vornherein bestimmt oder bestimmbar ist oder durch den Kunden im Rahmen der Gesamtmenge nach Bedarf festgelegt wird.331 Der Vertrag ist als einheitliches Rechtsgeschäft gewollt.332 Meist wird auch die Leistungszeit bestimmt. Zwingend ist dies nicht, solange die abzurufende Menge sicher ist. Denn der Abruf mag ggf. flexibel durch den Kunden gewünscht werden.333 Es bedarf hier keiner weiteren Vertragsverhandlungen,334 damit das Geschäft „steht“. Unbeachtlich ist der zeitliche Abstand zwischen Abschluss und Lieferung.335 Da es sich um einen einheitlichen Kaufvertrag mit mehreren Teillieferungen handelt, entsteht die Provisionsanwartschaft bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in voller Höhe336 und bezieht sich auf sämtliche Teilleistungen während der von vornherein vereinbarten festen Vertragsdauer, unbestimmten und fortdauernden Vertragslaufzeit oder mangels Kündigung eintretenden automatischen Vertragsverlängerungen des Dauerschuldverhältnisses, auch auf solche Teilleistungen, die erst nach Beendigung des HV-Vertrages zur Ausführung gelangen.337 Das gilt auch dann, wenn die Lieferung auf Abruf erfolgen soll,338 solange das „Ob“ des Abrufs sicher ist. Beispiele sind der Bezugsvertrag über Loseblattsammlungen339 oder der Vertrag über eine Aufbauversicherung, bei der sich die Versicherungssumme in regelmäßigen Zeitabständen erhöht.340 Mitursächlichkeit des HV genügt 329 Thume BB 2019, 835 (838): Anders jedoch, wenn der Serienbelieferungsvertrag so allg. gehalten wurde, dass die Vertragspartner bei den späteren Bestellungen deren Liefermodalitäten erst noch detailliert aushandeln müssen. 330 BGH, Versäumnisurt. v. 22.1.2015 – VII ZR 87/14, IHR 2015, 107 = ZVertriebsR 2015, 171 = NJW 2015, 1107 = WM 2015, 531 = DB 2015, 611 m. Anm. Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173; v. 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180 (das letztgenannte Urt. kennzeichnet allerdings einen Extremfall, weil der HV zur Vermittlung des fraglichen Produkts nicht verpflichtet war, deshalb wurde ein Anspruch aus § 354 gewährt; heute gibt es hierfür den seinerzeit noch nicht existenten § 87 Abs. 3 als Spezialvorschrift, von dessen Spezialität offenbar auch BGH, Versäumnisurt. v. 22.1.2015 – VII ZR 87/14, IHR 2015, 107 = ZVertriebsR 2015, 171 = NJW 2015, 1107 = WM 2015, 531 = DB 2015, 611 m. Anm. Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173 ausgeht – ablehnend nach Prüfung die Vorinstanz OLG Köln, Urt. v. 21.3.2014 – 19 U 104/13, IHR 2014, 197 = BeckRS 2014, 10869, wegen der unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen); OLG Köln, Urt. v. 21.3.2014 – 19 U 104/13, IHR 2014, 197 = BeckRS 2014, 10869; OLG Koblenz, Urt. v. 26.4.2007 – 6 U 529/06, BeckRS 2007, 17218; Thume BB 2019, 835 (837); Drossart IHR 2016, 7 (13); Thume MDR 2011, 703 (706); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26; Hopt § 87 Rn 7; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 6, anders freilich 11a; s. a. BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, NJW 2010, 298 = MDR 2010, 35 Rn 38 zum Telefonvertrag. 331 OLG München, Beschl. v. 18.6.2018 – 34 SchH 7/17, ZVertriebsR 2019, 188 Rn 65; Thume BB 2019, 835 (836); Thume MDR 2011, 703 (705); Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 251; Westphal I Rn 468; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 59. Zum Recht Österreichs Breiter IHR 2015, 45 (46). 332 Thume BB 2019, 835 (836). 333 Thume MDR 2011, 703 (705). 334 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26. 335 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (527); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 59. 336 BGH, Urt. v. 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180 = DB 1957, 1222; OLG Köln, Urt. v. 21.3.2014 – 19 U 104/13, IHR 2014, 197 = BeckRS 2014, 10869; Thume BB 2019, 835 (836); Thume MDR 2011, 703 (705); Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (527); Döpfer in: FS Thume, S. 35 (38); Hopt § 87 Rn 38; Oetker/Busche5 § 87 Rn 14; MünchKomm HGB/ v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 59. 337 Döpfer in: FS Thume, S. 35 (38); MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 59. 338 MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 59. 339 MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 60. 340 MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 61; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26. 889

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auch hier für den Vertragsschluss.341 Allerdings entsteht die Anwartschaft aufschiebend bedingt auf die Ausführung des Geschäftes durch den Unternehmer.342 Die Provisionsanwartschaft wird jeweils dann zum Provisionsanspruch, wenn eine Einzellieferung erfolgt;343 die Ausführung des Kundengeschäftes (vor oder nach dem Ende des HV-Vertrages) hat also nur für die Fälligkeit der Provision Bedeutung.344 Wird der HV-Vertrag beendet, ehe der Sukzessivliefervertrag in vollem Umfang ausgeführt ist, liegt kein nachvertraglicher Geschäftsabschluss nach § 87 Abs. 3 vor345 und es sind dem ausgeschiedenen HV alle in der Zeit nach der Vertragsbeendigung erfolgenden Einzellieferungen als Überhangprovision zu verprovisionieren,346 sofern keine wirksame347 Provisionsverzichtsklausel vereinbart wurde.348

69 b) Bezugs-, Liefer- oder Rahmenverträge. In Abgrenzung zum Sukzessivliefervertrag handelt es sich bei Bezugs- und Lieferverträgen um bloße Rahmenverträge, zu deren Ausführung noch einzelne Kaufverträge abgeschlossen werden müssen und aus denen die Provisionsanwartschaft nicht „automatisch“ entsteht.349 Ein Rahmenvertrag enthält i. d. R. bereits das Grundgefüge der Rechtsbeziehung zwischen Käufer und Verkäufer hinsichtlich der erst künftig abzuschließenden Einzelkaufverträge. Der Sinn des Vertrages liegt darin, den Parteien die Neuverhandlung bestimmter, bereits im Rahmenvertrag übereinstimmend festgelegter Konditionen bei jedem einzelnen Ausführungsgeschäft zu ersparen.350 Es mag bei Abschluss des Rahmenvertrages eine Berechtigung des Kunden zum Bezug351 bestehen. Jedoch mangelt es zu diesem Zeitpunkt an einer verbindlichen Bestellung.352 Die Provisionsanwartschaft nach § 87a entsteht gem. § 87a Abs. 1 erst, wenn einer der Vertragspartner den Einzelvertrag ausführt.353 70 Typische Klauseln eines Rahmenliefervertrages ohne automatische Abnahmepflicht bilden allgemeine Regelungen wie „Die Parteien streben eine langfristige Zusammenarbeit an“,354 „Der Lieferant garantiert eine jährliche Mindestproduktionskapazität …“, „Der Käufer teilt dem Lieferanten monatlich einen forecast für einen Zeitraum von 6 Monaten mit und informiert über eventuelle Gründe, die einer Lieferung der entsprechenden Mengen entgegenstehen …“355 oder der HV-Vertrag regelt, dass der HV die Provision vom Rechnungsbetrag für alle Geschäfte erhält, die mit benannten Abnehmern abgeschlossen wurden.356 Vom Vertragstyp betrachtet sind übli-

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OLG Köln, Urt. v. 21.3.2014 – 19 U 104/13, IHR 2014, 197 = BeckRS 2014, 10869. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 251; Westphal I Rn 471. Thume BB 2019, 835 (837); Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 252; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 8a. Thume BB 2019, 835 (837); Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (527). Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (527). Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (527). Hierzu BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde). BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde); Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 253; Westphal I Rn 471. 349 BGH, Urt. v. 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180 = DB 1957, 1222; Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37; Thume BB 2019, 835 (837); Thume MDR 2011, 703 (705); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26; Hopt § 87 Rn 41; Flohr/Wauschkuhn/ Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87 Rn 62 f.; Oetker/Busche5 § 87 Rn 12. 350 OLG München, Beschl. v. 18.6.2018 – 34 SchH 7/17, ZVertriebsR 2019, 108 Rn 64. 351 Döpfer in: FS Thume, S. 35 (39). 352 BGH, Beschl. v. 11.5.2016 – VII ZR 64/15, ZVertriebsR 2016, 242 Rn 2: Belieferung mit Serien- und Ersatzteilen; OLG Koblenz, Urt. v. 26.4.2007 – 6 U 529/06, BeckRS 2007, 17218; Thume BB 2019, 835 (836); Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173 (174) zu Zulieferverträgen der Kfz-Industrie; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26. 353 BGH, Beschl. v. 11.5.2016 – VII ZR 64/15, ZVertriebsR 2016, 242 Rn 21; Döpfer in: FS Thume, S. 35 (39). 354 Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (39). 355 Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (39). 356 BGH, Beschl. v. 11.5.2016 – VII ZR 64/15, ZVertriebsR 2016, 242 Rn 21. Emde

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cherweise Bedarfsdeckungsverträge357 (z. B.Versorgungs-358 [Gas, Strom,359 Wasser etc.360] und Entsorgungsverträge361), bei denen die beabsichtigte Deckung des Bedarfs des Kunden bei dem Unternehmer angekündigt oder der Kunde sogar zum ausschließlichen Bezug beim Unternehmer verpflichtet362 wird, Rahmenbezugsverträge.363 Typisches Beispiel solcher Verträge sind auch die oft mit einer Laufzeit von 10–15 Jahren364 versehenen Verträge von Kfz-Zulieferern365 (oft Serienbelieferungsverträge366 genannt). Bei den in dieser Branche tätigen HV handelt es sich meist um erfahrene, technisch versierte Ingenieure, die mit dem jeweiligen Kfz-Hersteller und dem Zulieferer gemeinsam über Jahre hinweg das Zulieferprodukt für ein neues Modell planen, entwickeln und so bis zur Serienreife mitgestalten.367 Weitere Beispiele bilden Vertragshändler-,368 Bierlieferverträge,369 das Einräumen einseitiger Bezugsrechte zugunsten des Kunden,370 „Kundenkarten“ bspw. der Mineralölunternehmen (ihre Vermittlung ohne die von Einzelgeschäften begründet, soweit keine anderen Unternehmervorteile ersichtlich sind, auch keinen Ausgleichsanspruch371), Betriebsvereinbarungen oder Abrufscheine.372 Der entscheidende Unterschied zum Sukzessivlieferungsvertrag ist, dass es bei den Bezugs- oder Lieferverträgen an der Festlegung einer mengenmäßigen Bindung des Kunden fehlt,373 weil sich die Menge nach dem Bedarf des Abnehmers richtet. Auch fallen hierunter Sachverhalte, in welchen dem Kunden einseitig das Recht zum Bezug eingeräumt wird, ohne ihn zu verpflichten.374 Dieser Rahmenvertrag ist nach Abs. 1 provisionsrechtlich unbeachtlich. Zur Ausgleichs- 71 pflicht s. Kommentierung zu § 89b. Eine Provisionsanwartschaft entsteht erst aufschiebend bedingt375 mit Abschluss des jeweils in Ausführung des Rahmenvertrages geschlossenen Einzelgeschäftes,376 sofern der HV dessen Abschluss mitursächlich förderte und der HV-Vertrag zu diesem Zeitpunkt noch besteht. Dabei reicht nach Ansicht des OLG Saarbrücken377 ein Rest an Überzeugungsarbeit für die Mitursächlichkeit aus. Da es keine feste Bindung im Hinblick auf die einzelnen Lieferungen gibt, steht dem HV grundsätzlich auch keine nachvertragliche Provision zu.378 Für die erst nach Ende des HV-Vertrages in Ausführung des Bezugsvertrages geschlossenen Einzelgeschäfte kann aber ein Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 3 Nr. 1 entstehen, Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 26; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 11a. Thume MDR 2011, 703 (707). Thume MDR 2011, 703 (707). Thume MDR 2011, 703 (707). Thume MDR 2011, 703 (707). Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (527 f.). BGH Urt. v. 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180 = DB 1957, 1222; Hopt § 87 Rn 7. Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173. OLG Koblenz, Urt. v. 26.4.2007 – 6 U 529/06, BeckRS 2007, 17218; in der Sache (obwohl die rechtliche Einordnung offen gelassen wird) auch BGH, Versäumnisurt. v. 22.1.2015 – VII ZR 87/14, IHR 2015, 107 = ZVertriebsR 2015, 171 = NJW 2015, 1107 = WM 2015, 531 = DB 2015, 611 m. zust. Anm. Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173; hierzu Döpfer in: FS Thume, S. 35 ff.; Thume BB 2019, 835 (838); Thume MDR 2011, 703 (705). Angeblich anders (Abnahmeverpflichtung) bei Kleinserien, etwa für Oldtimer, s. Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173 (174). 366 Thume BB 2019, 835 (838). Döpfer in: FS Thume, S. 35 (47) sieht Serienbelieferungsverträge der Kfz-Branche als dem Sukzessivlieferungsvertrag nahe (analoge Anwendung?). 367 Thume BB 2019, 835 (838). 368 Budde/Geks ZVertriebsR 2012, 37 (40). 369 Thume MDR 2011, 703 (705). 370 MünchKomm/HGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 60. 371 BGH, Urt. v. 12.2.2003 – VIII ZR 130/01, NJW-RR 2003, 821 = WM 2003, 2095; Ebenroth/Löwisch3 § 89b Rn 74 f. 372 OLG Saarbrücken NJW–RR 2003, 900 (901). 373 Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 8a. 374 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 60. 375 Thume MDR 2011, 703 (706). 376 Thume MDR 2011, 703 (706); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 60. 377 NJW–RR 2003, 900 (901). 378 AA Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 254.

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sofern die Einzelgeschäfte innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen wurden (Rn 160 ff.), weil der HV die Geschäfte vermittelt, sie eingeleitet oder so vorbereitet hat, dass der Abschluss überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist.379 Nach Ansicht von Thume 380 führen auf Dauer ausgerichtete Nutzungsverträge, grds. zu Überhangprovisionen, sofern keine wirksame Provisionsverzichtsklausel (dazu bei § 89b) vereinbart ist. Das gilt insb. für Energielieferverträge (Strom, Gas, Wärme), für Wasserversorgungs– und Abfallbeseitigungsverträge, aber auch für Telefonverträge.381 Der Serienbelieferungsvertrag begründet noch keine Provisionsanwartschaft, wenn er so 72 allgemein gehalten ist, dass die Vertragspartner bei den späteren Bestellungen deren Modalitäten erst noch detailliert aushandeln müssen.382 Ein typisches Beispiel bildet der Fall BGH, Urt. v. 22.1.2015 – VII ZR 87/14383: Der Kläger war HV der Beklagten, die Teile für Kfz-Hersteller lieferte. Die Provisionsvereinbarung sah vor: „Der HV erhält von dem Unternehmen eine Provision von … % bis zu einem Jahresumsatz von … und … % von dem … Mio. EUR Jahresumsatz übersteigenden Betrag.“ Der Kfz-Hersteller, höchst anonym als „B.AG“ bezeichnet, richtete zunächst Anfragen an die Beklagte, auf deren Basis sie ein Angebot erstellte. Das war Grundlage einer von der B.AG erteilten Serienbestellung, die Angaben zum Festpreis, Bedarfsort, Versand, Zahlungsbedingungen, aber keine Stückzahlen, enthielt. Nach den AGB der B.AG bildeten Anfragen und Angebote unverbindliche Orientierungswerte und begründeten keine Pflicht, jene Mengen zu bestellen. Die Menge wurde erst durch separate Lieferabrufe konkretisiert. Die Vorinstanz OLG Köln384 hatte dem HV Überhangprovision zugesprochen: Das die Vermittlungsprovision nach § 87 Abs. 1 auslösende „Geschäft“ sei die Serienbestellung und nicht der nachfolgende, einzelnen Lieferabruf. Zwar stehe die genaue Abnahmemenge im Zeitpunkt der Serienbestellung nicht fest. Ihr seien aber erhebliche Vorplanungen vorausgegangen, so dass der Lieferabruf nur als für Höhe und Fälligkeit des Provisionsanspruchs maßgeblich angesehen werden könne und kein eigenständiges „Geschäft“ begründe. Der BGH sah dies anders. Er verneinte einen Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 1, hielt jedoch – ohne dies abschließend zu prüfen – einen Anspruch auf nachvertragliche Provision gem. den strengeren Bedingungen385 des § 87 Abs. 3 für möglich. Welche „Geschäfte“ Provision begründeten und auf welchen Zeitpunkt es für sie ankomme, sei angesichts der Dispositivität des § 87 Abs. 1 S. 1 durch Auslegung der Vergütungsabrede zu bestimmen. Nach ihr sei das Provision auslösende „Geschäft“ nicht die jeweilige Serienbestellung sondern der spätere Lieferabruf: Provisionsbemessungsgrundlage sei der Jahresumsatz. Damit bildeten die ihn auslösenden Einzelliefergeschäfte und nicht die vorhergehenden Serienbestellungen die Grundlage des Provisionsrechts, da nur sie Umsatz generierten. Die Beklagte wolle kaum zum Zeitpunkt der Serienbestellung unabhängig vom Fortbestand des HVVertrages eine Provisionsverpflichtung für alle bis zum Abschluss der Serienproduktion folgenden und in ihrer Größenordnung ungewissen Lieferabrufe übernehmen. Sonst würde die Beklagte ein unverhältnismäßig hohes wirtschaftliches Risiko tragen. Sie müsse befürchten, sowohl dem ausscheidenden HV wie seinem Nachfolger verpflichtet zu sein. Auf die Qualifizierung der Serienbestellungen als Rahmen-, Bezugs- oder Sukzessivliefervertrag komme 379 BGH, Beschl. v. 11.5.2016 – VII ZR 64/15, ZVertriebsR 2016, 242 Rn 23 – Mehrjahresvertrag; Urt. v. 22.1.2015 – VII ZR 87/14, IHR 2015, 107 = ZVertriebsR 2015, 171 = BB 2015, 1230 = NJW 2015, 1107 = WM 2015, 531 = EWiR 2015, 413 (Emde) m. zust. Anm. Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173; OLG Koblenz, Urt. v. 26.4.2007 – 6 U 529/06, BeckRS 2007, 17218; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.1.1977 – 23 U 82/76, DB 1977, 817; Thume BB 2019, 835 (836); Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (528); Döpfer in: FS Thume, S. 35 (40); Westphal I Rn 472. 380 Thume BB 2019, 835 (836). 381 Thume BB 2019, 835 (836). 382 Thume BB 2019, 835 (838). 383 ZVertriebsR 2015, 171 = BB 2015, 1230 = NJW 2015, 1107 = WM 2015, 531 = EWiR 2015, 413 (Emde) m. Anm. Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173. Vorinstanz OLG Köln, Urt. v. 21.3.2014 – 19 U 104/13, IHR 2014, 197. I. E. auch OLG Koblenz, Urt. v. 14.6.2007 – 6 U 529/06. Krit. zum Urt. des BGH Thume BB 2019, 835 (839). 384 OLG Köln, Urt. v. 21.3.2014 – 19 U 104/13, IHR 2014, 197. Zustimmend Thume BB 2019, 835 (838). 385 Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173 (174). Emde

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es nicht an. Ein Grundsatz, dass im Falle der Beendigung des HV-Vertrages durch fristlose Kündigung Provisionen für die Zeit nach Beendigung des Vertrages nicht geschuldet werden, sei nicht anzuerkennen. Der BGH bestimmte mittels Auslegung, welches „Geschäft“ des § 87 Abs. 1 provisionsrelevant war. Die Kategorien Rahmen-, Bezugs- oder Sukzessivliefervertrag interessierten ihn nicht, weil sie weder vom Vertrag (vorrangig zu prüfen) noch vom Gesetz als Ordnungsfaktoren vorgesehen waren.386 Im Ergebnis judizierte der BGH so, wie es unter den o. g. Kategorien geschieht: Ein provisionspflichtiges Geschäft begründet nur ein Vertrag, der den Kunden zur Zahlung verpflichtet. Von jener Grundregel sah der streitgegenständliche Vertrag (Auslegung!) keine Abweichung vor. Ohne eine Zahlungspflicht des Kunden gibt es nichts, aus dem Provision geleistet werden könnte. Auch bei einem Rahmenvertrag erwirbt der HV jedoch einen Provisionsanspruch, und zwar auch für die in Ausführung dieses Vertrages geschlossenen Einzelgeschäfte, wenn die Vermittlung solcher Rahmenverträge Aufgabe des HV war.387 Das aus § 87 Abs. 3 hergeleitete Provisionsrecht besteht für eine angemessene Zeit während 73 der gesamten Vertragsdauer des vermittelten Dauerschuldvertrages. Eine zeitliche Begrenzung ist insb. bei automatischer Verlängerung infolge fehlender Kündigung des vermittelten Rahmenvertrages interessant.388 In einem solchen Fall kann nach Beendigung des HV-Vertrages eine Frist von 4 Jahren angemessen sein, innerhalb derer die auf Grund des Rahmenvertrages erfolgten Bestellungen einen Provisionsanspruch des HV nach § 87 Abs. 3 Nr. 1 auslösen.389 Außerdem soll ein Anspruch aus § 354390 denkbar sein.

7. Eigengeschäfte? Ob Eigengeschäfte des HV provisionspflichtig sind, ist umstritten. § 87 Abs. 1 Alt. 1 fordert ledig- 74 lich ein Geschäft, welches auf eine Tätigkeit des HV zurückzuführen ist. Das spricht für eine Provisionspflicht.391 Deshalb wird vertreten, ein Eigenvertrag sei provisionspflichtig, sofern das Provisionsrecht nicht ausgeschlossen wurde.392 Andererseits lässt Abs. 1 bei den Folgegeschäften der Alt. 2 erkennen, dass das Geschäft mit einem „Dritten“ abgeschlossen werden muss, ebenso § 87a Abs. 2. Wie § 84 Abs. 1 zeigt, liegt nur dann HV-Tätigkeit vor, wenn der Mittler Geschäfte vermittelt oder im Namen des Unternehmers abschließt, wofür ebenfalls die Existenz eines Dreipersonenverhältnisses Voraussetzung ist. Dem HV wird seine Provision für die Vermittlungsbemühungen gezahlt, an der es mglw. mangelt, falls ein Insichgeschäft vorliegt.393 Nach diesem Verständnis der Provision als Erfolgsvergütung für geleistete Tätigkeit wird vorausgesetzt, dass die Tätigkeit an einen Dritten geleistet sein muss, der als Kunde für jenes Geschäft gewonnen wurde. Nur so soll die Gleichheit der Betrachtungsebene mit der 2. Alt. des Abs. 1 S. 1 hergestellt werden. Systematisch sprechen viele Gründe gegen eine Provisionspflicht,394 auch die Gesetzessystematik: Während § 403 für den Kommissionär regelt, dass dieser bei 386 387 388 389 390

Nach Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173 (174) werden sie damit obsolet. Thume BB 2019, 835 (837). OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.1.1977 – 23 U 82/76, DB 1977, 817; Döpfer in: FS Thume, S. 35 (40). OLG Koblenz, Urt. v. 26.4.2007 – 6 U 529/06, BeckRS 2007, 17218; Döpfer in: FS Thume, S. 35 (43). BGH, Urt. v. 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180; abl. Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (528) und Flohr/ Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 64 – Spezialität des § 87 Abs. 3; der BGH wandte das vor 1953 geltende Recht an, welches Abs. 3 noch nicht enthielt. 391 Für die Provisionspflicht von Eigengeschäften deshalb OLG Hamburg, OLGE 36, 258; Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 11. Aufl. 2011, § 87 Rn 7. 392 LG Frankfurt/M., Urt. v. 25.5.2018 – 2-05 O 222/16, ZVertriebsR 2018, 252 Rn 50. 393 So OLG Celle, Urt. v. 14.11.1969 – 13 U 116/69, BB 1970, 51 = DB 1970, 582; Giedinghagen NJW-Spezial 2011, 655; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 23; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 7. 394 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 143; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 21; Oetker/Busche5 § 87 Rn 9; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 7. 893

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Selbsteintritt in das Austauschgeschäft zur gewöhnlichen Provision berechtigt ist, ist eine solche Regelung dem HV-Recht fremd.395 Dem kann – so Schnitzler396 – nicht entgegenhalten werden, dass der HV grds. jeden, also auch sich selber, als Kunden werben darf. Das mag zwar richtig sein, beantwortet aber nicht die Frage der Provisionspflicht. Eben so wenig ist es per se fragwürdig, dem HV bei Vermittlung seines Ehegatten als Kunden Provision zuzugestehen, bei einer Eigenvermittlung jedoch nicht.397 Es fragt sich jedoch, ob diese systematischen Argumente nicht hinter einer aus der Treupflicht entspringenden Pflicht des Unternehmers zurücktreten müssen, die ersparte Provisionszahlung an den HV weiterzugeben, zumal der Unternehmer den Vorteil des Geschäftsschlusses hat (§§ 812 BGB, 354 HGB). Nach vielfach bestätigtem Handelsbrauch wird dem HV aber Provision zugestanden, sofern er nicht zu einem besonderen Preis bezieht und keine sonstigen Vergünstigungen erhält, z. B. auf die von ihm als Kunde bezogene Ware.398 Es schließt sich die Folgefrage an, wie der Fall der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen HV und Kunden zu beurteilen ist. Ich neige hier zu einer formalen Betrachtungsweise, die allein auf die rechtliche Selbständigkeit des Kunden abstellt und dem HV seine Provision sichert (s. Kommentierung zu § 84). Dafür spricht, dass der Unternehmer die Vorteile des Geschäfts erhält. In jedem Fall besteht ein Provisionsanspruch, wenn dies vereinbart wurde399 oder aus einem dahingehenden Handelsbrauch als üblich abgeleitet wird.400 Problemlos sind daher die Fälle, in welchen der Unternehmer von der Verbindung zwischen Kunden und HV weiß und dennoch Provision zahlt. Hier wird meist eine (konkludente) Provisionsabrede vorliegen.

8. Die verschiedenen Provisionsarten 75 a) Tätigkeitsprovision gemäß § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 1. Gem. § 87 Abs. 1 S. 1 1. Alt. erwirbt der HV eine Provisionsanwartschaft, falls der Geschäftsabschluss während des HV-Vertrages auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist. Diese Tätigkeitsprovision ist eine von drei der häufigsten Provisionsalternativen des § 87 Abs. 2, 3 und der typische401 Grundtatbestand des Provisionsrechts, der rechtstatsächlich häufig durch die Bezirksprovision des Abs. 2 ersetzt wird. Neben ihr kennt § 87 in seinem Abs. 1, 2. Alt. die Folgeprovision und § 87 Abs. 2 die Bezirksprovision (siehe unten).

76 aa) Kausalität. Die Tätigkeit des HV muss ursächlich für den konkreten Geschäftsabschluss sein.402 Sie liegt beim Abschlussvertreter unproblematisch vor, da er das Geschäft zustandebringt. Beim Vermittlungsvertreter muss sie genauer geprüft werden.403 Erste Bedingung hierfür ist Kausalität i. S. d. Äquivalenztheorie: Die Tätigkeit darf i. S. e. conditio sine qua non404 nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Abschluss des Geschäftes entfällt405 oder

395 Giedinghagen NJW-Spezial 2011, 655. 396 BB 1965, 463. 397 Dieses Argument nennt Giedinghagen NJW-Spezial 2011, 655 (656), der im Ergebnis jedoch eine Provisionspflicht ablehnt.

398 OLG Hamburg OLGE 36, 258, IHK Berlin 1926 Nr. 126, 1930 Nr. 124; Gutachten der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin, Neue Sammlung I S. 35 Nr. 47, S. 64 Nr. 23, 24; MünchKomm/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 23 m. w. N. 399 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 27; Oetker/Busche5 § 87 Rn 9. 400 Giedinghagen NJW-Spezial 2011, 655. 401 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 5. 402 Oetker/Busche5 § 87 Rn 16. 403 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 37; Oetker/Busche5 § 87 Rn 16. 404 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 33. 405 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 44, 47. Emde

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zumindest zweifelhaft wäre.406 Ausreichend ist jede auch mittelbare oder geringe407 objektive Mitursächlichkeit,408 die das Zustandekommen des jeweiligen Geschäftes zu den abgeschlossenen Bedingungen409 (wobei geringfügige Abweichungen irrelevant sind, es kommt auf den Kern des Geschäfts410 an) gefördert, mitbewirkt bzw. den Kunden motiviert hat. Das ergibt bereits der Gegenschluss aus Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 3. Eine überwiegende Kausalität ist nur bei Geschäften erforderlich, die erst nach Beendigung des HV-Vertrags abgeschlossen wurden (§ 87 Abs. 3).411 Der HV muss den Kunden in irgendeiner Weise – durch Hervorrufen des Entschlusses zum Vertrag, Beeinflussung des Kunden im Interesse des Unternehmers412 oder Beseitigung von Widerständen – zum Vertragsschluss motiviert413 und diesen dadurch gefördert haben.414 Das so geförderte Geschäft wird dann regelmäßig dem Unternehmer mitgeteilt415 (Vermittlungsvertreter) oder selbst geschlossen (Abschlussvertreter). Kenntnis des Unternehmers von der Tätigkeit des HV ist keine Anspruchsvoraussetzung.416 Es genügt, dass die Bestellung direkt vom Kunden an den Unternehmer gesandt wird.417 Der Provisionsanspruch setzt – anders als der Ausgleichsanspruch – nicht voraus, dass der HV den Kunden für den Unternehmer neu geworben hat.418 Der Abschluss braucht nicht das alleinige Verdienst des HV sein (derartiges wäre auch, zumal bei dem schwer abzuschätzenden Faktor einer hinzukommenden unternehmenseigenen Werbung oder Sogwirkung der Marke, kaum je annähernd sicher festzustellen). Der Unternehmer darf zum Beispiel einzelne Teile für eine zu liefernde Sache selbst beschaffen, wenn der HV das Geschäft über eine Gesamtsache gefördert hat.419 Es bedarf auch keiner persönlichen Tätigkeit des HV,420 diejenige seiner Beauftragten, Angestellten oder Untervertreter ist ihm als Mitverursacher zuzurechnen.421 Auf das Maß der Mühewaltung des HV kommt es nicht an. Es genügt, wenn ein Händler auf einer insgesamt siebenstufigen Vertriebsstufe die 6. Stufe einnimmt und in erster Linie verwaltende Aufgaben wahrnimmt, so dass die eigentlichen Vertragsschlüsse durch Mitglieder seiner Struktur erfolgen.422 Der Unternehmer braucht, wenn er selbst den Abschluss perfekt macht, nicht zu wissen, dass und in 406 Westphal I Rn 474; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 30; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 33. 407 OLG Saarbrücken NJW–RR 2003, 900 (901). 408 BGH, Urt. v. 5.4.2006 – VIII ZR 384/04, BB 2006, 1300 Rn 13 = WM 2006, 1358; BAG, Urt. v. 4.11.1968 – 3 AZR 276/67, DB 1969, 266; v. 22.1.1971 – 3 AZR 42/70, DB 1971, 779; OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166 Rn 42; OLG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 19 U 51/13, BeckRS 2014, 10199; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 34 f.; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 30; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 18; Oetker/Busche5 § 87 Rn 17; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 31; Hopt § 87 Rn 11; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 16; Westphal I Rn 284. 409 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 29. 410 OLG Hamburg NJW-RR 1996, 869. 411 BAG BB 1971, 492 = DB 1971, 779; OLG Nürnberg BB 1959, 391; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 35; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 45; Hopt § 87 Rn 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 34; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 16. 412 LAG Mannheim DB 1971, 1016; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 15. 413 LAG Mannheim DB 1971, 1016; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 30; Oetker/Busche5 § 87 Rn 17; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 18; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 13. 414 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 30; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 33. 415 Zwingend ist diese Mitwirkungshandlung nicht, es genügt auch jede andere Mitursächlichkeit. 416 OLG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 19 U 51/13, BeckRS 2014, 10199. 417 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 22. 418 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 32. 419 OLG Braunschweig DB 1956, 794; Hopt § 87 Rn 12. 420 BFH, Urt. v. 10.6.1999 – VR 10/98, DB 1999, 1988; OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166 Rn 42; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 30, 33; Hopt Rn 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 31; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 21. 421 BFH, Urt. v. 10.6.1999 – VR 10/98, DB 1999, 1988; OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166 Rn 42; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 30, 33; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 21. 422 OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2016 – 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, 166 Rn 42. 895

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welcher Weise sein HV vermittelnd vorgearbeitet hat,423 es genügt der Direktabschluss des Unternehmers bei bestehender Mitkausalität des HV,424 wobei der HV aber für die Kausalität beweispflichtig ist. Selbst wenn der Unternehmer den HV ausschaltet und den Abschluss selbst herbeiführt kann bei Kausalität des HV für das Geschäft Tätigkeitsprovision geschuldet sein.425 Der HV braucht nicht einmal mit dem Kunden gesprochen oder verhandelt zu haben, wenn das auch in der Rspr. gelegentlich als wesentlich herausgestellt wird.426 Die Art der Mitursächlichkeit ist also grundsätzlich unerheblich.427 Das OLG Saarbrücken428 hat etwa „einen Rest an Überzeugungsarbeit“ genügen lassen, wobei richtigerweise noch nicht einmal Überzeugungsarbeit als solche erforderlich sein dürfte. Der Unternehmer kann sogar selbst oder durch Mitarbeiter zum Geschäftserfolg beigetragen haben,429 solange nur der HV ebenfalls mitursächlich war. Gleiches gilt für die Tätigkeit eines angestellten Reisenden, oder dritter Personen.430 Auf die Provisionshöhe hat das ebenfalls keinen Einfluss. Es wäre schwer möglich, solche zusammentreffenden Ursächlichkeiten rechnerisch gegeneinander abzugrenzen. Nicht einmal eine überwiegende Ursächlichkeit der eigenen Tätigkeit des Unternehmers oder der von ihm eingeschalteten Dritten würde den Provisionsanspruch berühren (arg. Abs. 3). Wenn der Unternehmer Provisionen als Erfolgsvergütungen zusagt, soll der Erfolg auch dann honoriert werden, falls Zufall oder die Tätigkeit anderer mit oder sogar in erster Linie zum Erfolg beigetragen hat.431 Bloßer Nachweis für die Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages genügt nicht;432 der HV ist nicht Nachweismakler. Ebenso fehlt bei einem bereits vom Kauf überzeugten Kunden eine Mitursächlichkeit des Vertreters.433 Allerdings werden in einem zweiten Schritt bestimmte Fallgruppen im Wege einer werten77 den Typenkorrektur, vergleichbar der Einschränkung der Äquivalenz – durch die Adäquanztheorie von der Kausalität, ausgenommen. Das gilt insb. für Fälle der mittelbaren Kausalität. Die Tätigkeit muss in Ausführung des HV-Vertrages erbracht worden sein, d. h. zu den ver78 traglich geschuldeten Tätigkeiten des HV gehören,434 wofür bei Verursachung während eines laufenden HV-Vertrages eine Vermutung sprechen dürfte. Aus einer dem HV nicht übertragenen, vertragsfremden, die Vollmacht überschreitenden, ihm untersagten oder in sonstiger Weise nicht vertragsgemäßen Tätigkeit, mit der der Unternehmer nicht einverstanden ist, kann ein Provisionsanspruch nach § 87 nicht entstehen,435 ebenso wenig – Typenkorrektur – die Verursachung durch eine rechtswidrige Drohung, wobei man es hier wohl dem Kunden überlassen sollte, ob er gem. § 123 BGB anficht. Wie der Umkehrschluß aus Abs. 1 Alt. 2 (Folgegeschäfte) als gesonderter Provisions-TB zeigt, ist die Mitursächlichkeit am Vorgeschäft regelm. zu fern, um eine Tätigkeitsprovision nach Abs. 1 Alt. 1 zu verdienen. Auch begrenzt sich die Ursächlichkeit auf das, was relevant ursächlich ist. Der Provisionsanspruch ist zumindest begründet, wenn sich der HV soviel betätigt hat, wie von ihm nach seinen Vertragsbedingungen an Mitar-

423 Oetker/Busche5 § 87 Rn 17. 424 BAG, Urt. v. 22.1.1971, BB 1971, 492; v. 4.11.1968, DB 1969, 266; OLG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 19 U 51/13, BeckRS 2014, 10199; OLG Nürnberg BB 1959, 391; Hopt § 87 Rn 11; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 38; Oetker/Busche5 § 87 Rn 17. 425 RG HRR 33, 940; Hopt § 87 Rn 12. 426 BAG DB 1969, 266 – für den angestellten Reisenden. 427 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 47. 428 OLG Saarbrücken NJW–RR 2003, 900 (901). 429 BGH VersR 1971, 460; BAG BB 1971, 492 = DB 1971, 779; Hopt § 87 Rn 11. 430 BAG DB 1971, 779; OLG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 19 U 51/13, BeckRS 2014, 10199. 431 BAG BB 1971, 492 = DB 1971, 779. 432 LAG Hamm DB 1959, 236. 433 OLG Saarbrücken NJW–RR 2003, 900 (901). 434 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 38; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 31; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 35; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 13; Westphal BB 1991, 2027 (2028). 435 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 31. Emde

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beit erwartet werden kann.436 Die Mitverursachung wird allerdings nicht dadurch ausgeschlossen, dass der HV weniger tut, als er nach dem Vertrag schuldet.437 Nicht ausreichend soll es sein, wenn der Vertrag ihn verpflichtet, die Kunden nicht nur zu werben, sondern auch eingehend zu beraten und demnächst eine annahmefähige Offerte vorzulegen, er sich aber darauf beschränkt hat, einen Interessenten lediglich anzuschreiben und ihn auf Referenzen zu verweisen, daraufhin alles weitere aber ohne seine (des HV) Mitwirkung ablaufen zu lassen. Eine starke Sogwirkung der Marke438 schließt die Mitursächlichkeit nicht ohne Weiteres aus. In einem solchen Fall wird regelmäßig die Provision besonders niedrig liegen. Welche Art der Tätigkeit ausreichend ist, beurteilt sich nach Vertragsinhalt,439 Branche und 79 Vermittler unterschiedlich. Auch kann an die Mitursächlichkeit eines Abschlussvertreters möglicherweise höhere Anforderungen zu stellen sein, als an die eines Vermittlungsvertreters.440 Ausreichende, ggf. mittelbare Mitursächlichkeit liegt in folgenden Fällen vor: 80 – Abschluss des Kundenvertrages durch den Abschlussvertreter;441 – Beseitigung des Widerstandes gegen einen Geschäftsabschluss;442 – Beratung des Kunden beim Abschluss des Geschäfts, selbst wenn der Kunde bereits zum Kauf entschlossen war;443 – Veranlassung der zum Abschluss führenden Verhandlungen persönlich durch den HV;444 – Mitwirkung an einer Ausschreibung, sofern die Tätigkeit des HV für die Auftragserteilung mitursächlich war;445 – Veranstaltung einer Ausstellung durch den HV, um Kaufanreize zu schaffen; – Bei einem Direktgeschäft zwischen Unternehmer und Kunde z. B., wenn sich der Kunde auf Veranlassung des HV,446 seine Empfehlung,447 aufgrund der Vermittlungstätigkeit des HV gegenüber einem dritten Kunden, auf eine Werbemaßnahme des HV oder seine Beratung448 unmittelbar an den Unternehmer wendet; – Kontaktaufnahme des Kunden aufgrund einer vom HV organisierten oder mitbetreuten Ausstellung;449 – Mitwirkung des HV in einem Team von Messebetreuern, von denen derjenige, der gerade frei war, die jeweiligen Interessenten bediente;450 – Offenhalten des Ladenlokals durch einen stationären HV; – Selbständige Bestellungen von Filialen, die vom HV nicht betreut worden waren, wenn die Hauptniederlassung ständig besucht und betreut wurde.451 Man wird hier aber eine

436 437 438 439 440 441 442 443 444

BAG DB 1971, 779. Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 31; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 36; aA wohl Westphal I Rn 287. Küstner/Thume in: Küstner/Thume II, 8. Aufl., Kap. VI Rn 57. BAG BB 1971, 492 = DB 1971, 779; Hopt § 87 Rn 11. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 56. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 37; Oetker/Busche5 § 87 Rn 16. OLG Köln BB 1971, 103. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 38. OLG Köln BB 1971, 103; BAG AP Nr. 5 zu § 65 HGB = BB 1969, 178; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 43; Hopt § 87 Rn 11. 445 BGH, Urt. v. 8.2.1980, NJW 1980, 1793. 446 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 36; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 19a. 447 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 18; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 36; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 14a; Westphal I Rn 286; einschränkend Hopt § 87 Rn 13; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 37. 448 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 36; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 38; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 14a. 449 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 48; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 40; Westphal I Rn 477; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 14a. 450 KG BB 1969, 1062 = HVR Nr. 397. 451 BGH NJW 1960, 433= DB 1960, 85; Westphal I Rn 478. 897

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Kausalität der Betreuung der Hauptfiliale für die Bestellung der anderen Filiale fordern müssen; Falls der HV einen Abschluss mit der Hauptniederlassung des Kunden vermittelt hat und die Hauptniederlassung die Ware für den Bereich aller Niederlassungen ausmustert, mit der Berechtigung an die Zweigstellen, daraufhin unmittelbar beim Unternehmer zu bestellen: die Bestellungen der Zweigniederlassungen sind dann provisionspflichtig452 (Fall des Abs. 1 S. 1 1. Alt., nicht 2. Alt., weil die selbständig ordernden Zweigstellen nicht mit „dem“ früher geworbenen Kunden identisch sind – von Bedeutung, wenn der Provisionsanspruch aus Nachbestellungen nach Abs. 1 S. 1, 2. Alternative vertraglich ausgeschlossen ist); Vermittlung von Untervermittlern: Soll ein HV Vermittler für den Unternehmer werben, hat er mit deren Vermittlung während der Vertragslaufzeit das für einen Provisionsanspruch Nötige getan.453 Die Provisionsforderung entsteht aufschiebend bedingt bereits mit Abschluss des vermittelten Vertrages zwischen Unternehmer und Kunden. Eine anschließende Beendigung des HV-Vertrages beeinträchtigt sie nicht mehr. Die Fortdauer der Vergütungspflicht für während der Vertragslaufzeit verdiente Provisionen müsste abbedungen werden, was zumindest individualvertraglich möglich ist. Dies hätte der Unternehmer zu beweisen;454 Wachrufen des Entschlusses zum Geschäftsabschluss;455 Sofern der Unternehmer dem HV Adressen potentieller Kunden mit der Weisung bekannt gibt, diese Kunden zu besuchen. Der Interessent wird erst dann Kunde, wenn es zum Geschäftsabschluss kommt. Der Besuch und die Werbung durch den HV sind ausreichende mitverursachende Handlungen.456 Wird das Geschäft nach Kontaktaufnahme des HV geschlossen, besteht zudem die Vermutung, es sei auf dessen Tätigkeit zurückzuführen.457 Die Mitursächlichkeit wird nicht durch Preisgabe des Kundenstamms oder von Kundenlisten durch den Unternehmer ausgeschlossen, damit ist der Kunde noch nicht für das konkrete provisionspflichtige Geschäft geworben;458 Vermittlung eines Aufbauvertrages, in dem Ausweitungen der Leistungen bereits vorgesehen oder vereinbart sind, es sei denn, dass für die Provisionspflicht eine zeitliche Begrenzung vereinbart wurde;459 Bestellung beim Unternehmer nach einem auf Veranlassung des HV erfolgten Musterkauf;460 Tätigkeit des HV trotz Belistung der Ware bei einem bestimmten Verband oder Abnehmer. Die Listung alleine schließt die Tätigkeitsprovision nicht aus, weil Mitursächlichkeit des HV für die Bestellung ausreicht;461

452 453 454 455 456 457 458 459

BGH NJW 1960, 433. OLG Köln, Urt. v. 22.8.2014 – 19 U 177/13, BeckRS 2015, 02080. OLG Köln, Urt. v. 22.8.2014 – 19 U 177/13, BeckRS 2015, 02080. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 43. Küstner/Thume in: Küstner/Thume II, 8. Aufl., Kap. VI Rn 49 f. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 51. Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 32. BAG BB 1984, 1687 (Versicherung); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 36; Hopt § 87 Rn 12; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 61. 460 OLG Düsseldorf DB 1956, 376; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 48; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 40; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 38; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 14a; vgl. auch BGH, Urt. v. 14.10.1957 – II ZR 129/56, DB 1957, 1068. 461 OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.2.1988, zit. n. Küstner/Thume in: Küstner/Thume II, 8. Aufl., Kap. VI Rn 62; Küstner/ Thume/Thume I5 Kap. V Rn 54. Emde

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Regaldienst des HV, wenn sich seine Tätigkeit darauf erstreckt, dass bestehende Fehlbestände durch Nachbestellungen wieder aufgefüllt werden oder veraltete durch neue Ware ersetzt wird;462 – Weitergabe der auf den Abschluss des Geschäftes gerichteten Willenserklärungen des Kunden durch den HV,463 selbst wenn der Kunde bereits zum Kauf entschlossen war;464 – Falls Kunde und Unternehmer ihren geschlossenen Vertrag durch einen neuen ersetzen. Der HV erwirbt eine Provisionsanwartschaft unter den Voraussetzungen des Abs. 1 S. 1 1. Alt., andernfalls greift § 87a ein.465 81 Nicht ausreichend ist (Typenkorrektur): – Geschäftsabschluss lediglich aufgrund der Empfehlung eines durch den HV geworbenen Kunden466 (Begrenzung des Grundsatzes, dass mittelbare Kausalität genügt). Dies ist regelmäßig auch kein Fall des Durchgriffs, weil etwa eine Beherrschung oder so enge Verbundenheit zwischen dem Altkunden des HV und dem Drittkunden besteht, dass beide i. S. d. HV-Vertrags gleichzusetzen sind und deswegen die Bestellung/der Vertrag des Drittkunden als vom HV mitverursacht anzusehen ist, indem er zuvor den Altkunden für derartige Geschäfte geworben hatte,467 etwa im Falle der Bestellung durch ein mit dem Erstkunden zusammen arbeitendes Unternehmen.468 Etwas anderes soll gelten, falls der HV die Empfehlung bei dem von ihm geworbenen Kunden veranlasst hatte.469 Auch sonst sind Ausnahmefälle denkbar,470 nämlich wenn die Kausalität der Erstwerbung fortwirkt; – Eigenbestellungen des HV471 oder Bestellungen eines rechtlich oder wirtschaftlich von einem durch den HV geworbenen Kunden abhängigen Unternehmen, etwa einer Tochtergesellschaft472 (ebenfalls ungenügende mittelbare Kausalität, s. o. zu Eigengeschäften), außer der HV hätte gerade diesen Gang der Bestellungen bei dem von ihm selbst geworbenen Kunden, der beherrschenden Firma, veranlasst;473 – Wenn der Kunde als omnimodus facturus bereits zur Bestellung entschlossen war474 (Problem: Beweisbarkeit und Unsicherheiten bei Dauerkunden475). Beispiel: Angeblich, falls der HV gegenüber einem schon zum Vertrag entschlossenen Dritten tätig wird, etwa weil der Unternehmer ihn veranlasst hat, ein Angebot nach Formular vom Dritten aufzunehmen, oder weil der Dritte sich nur deshalb an den HV wendet, um einige zusätzliche Auskünfte zu erhalten oder um das schriftliche Angebot bei ihm zur Weiterleitung an den Unternehmer abzugeben. Doch kommt es immer auf den Grad der Mitwirkung (= Mitursächlichkeit) des HV an. Mitursächlichkeit liegt vor, wenn der HV andere, nach obigen Maßstäben genügende Handlungen erbringt; bereits in der Weiterleitung kann ein mitursächliches Verhalten

462 463 464 465 466

Küstner/Thume in: Küstner/Thume II, 8. Aufl., Kap. VI Rn 48. Hopt § 87 Rn 11; Oetker/Busche5 § 87 Rn 17. Oetker/Busche5 § 87 Rn 17. Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 36; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 10. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 39; Westphal I Rn 479; Hopt § 87 Rn 13; Oetker/Busche5 § 87 Rn 17. 467 So aber Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 37; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 11. 468 Hopt § 87 Rn 13. 469 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 39; Westphal I Rn 479. 470 Hopt § 87 Rn 13. 471 Hopt § 87 Rn 15; aA OLG Hamburg OLGE 36, 258 (sofern er nicht Sonderkonditionen erhält). 472 OLG Celle, Urt. v. 14.11.1969 – 13 U 116/69, BB 1970, 51 = DB 1970, 582; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 49; Westphal I Rn 479; Hopt § 87 Rn 13. 473 Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 14b. 474 Canaris § 15 Rn 62; Westphal I Rn 480; nach Hopt § 87 Rn 15 Grenzfall; aA MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 87 Rn 32. 475 Hopt § 87 Rn 15. 899

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liegen.476 Auch kann in solchen Fällen ein Anspruch auf Auslagenersatz aus § 354 oder, nach Handelsbrauch, aus § 87d begründet sein; Lediglich mittelbare Unterstützung, etwa bloße Schreib-477 oder Übersetzungshilfe478 des HV für den die Verhandlungen selbst führenden Unternehmer (mangelnde Zielgerichtetheit werbender Bemühung); Vermittlung eines Rahmenvertrages über die Anfertigung eines Werkzeuges, mit dessen Hilfe der Unternehmer später Produkte für den Kunden herstellen soll. Beispiel ist etwa ein Werkzeug für die Herstellung von Formteilen im Spitzgussverfahren, deren der Kunde im großen Umfang bedarf, etwa im Kfz-Gewerbe, wo zahlreiche Formteile benötigt werden. Es ist hier keinesfalls sicher, dass die einzelnen Teile tatsächlich geordert werden.

82 (1) Identität des Gegenstandes des Abschlusses mit dem der Vermittlung. Die Kausalität für den Vertragsschluss bleibt bestehen, wenn das Geschäft im Anschluss an den kausalen Beitrag des HV abgeändert wird, so lange die Identität des wirtschaftlichen Kerns besteht.479 Während beim Abschlussvertreter die Identitätsfrage nicht auftaucht, weil er den Abschluss perfekt macht, kann es beim Vermittlungsvertreter vorkommen, dass er ein Geschäft vermittelt, dessen Inhalt bis zum Abschluss dann noch in der einen oder anderen Richtung abgewandelt wird. Schröder480 bildet das Beispiel, dass statt der Bezahlung in Geld ein Tauschentgelt vereinbart wird. Die sehr strengen Anforderungen an die wirtschaftliche Identität im Maklerrecht481 brauchen nicht in allen Fällen übertragen zu werden. So wird auch in der Praxis verfahren. Denn die Problematik spielt – anders als im Maklerrecht – im HV-Recht eine untergeordnete Rolle. Die engeren Treupflichten des HV-Vertrages sowie die dort geltenden geringeren Anforderungen an die Mitursächlichkeit können dies Ergebnis begründen. Sogar für einen Maklervertrag entschied der BGH, es reiche aus, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise in persönlicher und inhaltlicher Hinsicht Kongruenz bestehe.482 Die wirtschaftliche Identität könne etwa bestehen, wenn zwischen dem Maklerkunden und Dritten besonders enge persönliche oder ausgeprägte wirtschaftliche Beziehungen beständen.483 Bei Preisabweichungen zugunsten des Unternehmers, also bei einem Geschäft mit für ihn günstigen Bedingungen, sei nicht regelmäßig von wirtschaftlicher Identität auszugehen.484 Preisnachlässe von bis zu 15 % stellten die wirtschaftliche Kongruenz im Allgemeinen nicht in Frage. Bei Preisnachlässen von mehr als 50 % sei sie regelmäßig zu verneinen.485 Meist wird der Unternehmer durch die Annahme des Geschäfts dieses genehmigt haben.486 Handelt es sich um einen Bezirksvertreter, schuldet der Unternehmer ohnehin Provision auf alle Geschäfte, also auch wirtschaftlich ungleichwertige. Eine inhaltliche Änderung der Sachleistungspflicht ist unschädlich, solange das Geschäft in seiner endgültig zustande gekommenen Gestalt noch auf die Vermittlungstätigkeit des HV rückführbar bleibt. Wenn die beiden Geschäftspartner zwar von dem vermittelten Objekt absehen, aber die

476 Oetker/Busche5 § 87 Rn 17. 477 OLG Köln DB 1971, 327 = BB 1971, 103; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 57; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 41; Hopt § 87 Rn 15; Oetker/Busche5 § 87 Rn 17.

478 LAG Baden-Württemberg DB 1971, 1016; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 57; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 41; Hopt § 87 Rn 15; Oetker/Busche5 § 87 Rn 17.

479 OLG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 19 U 51/13, BeckRS 2014, 10199; OLG Hamburg NJW-RR 1996, NJW-RR Jahr 1996 Seite 869; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 29; Westphal I Rn 481. 480 Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 5. 481 Fischer DB 2009, 887; Staub5 § 93 Rn 100. 482 BGH, Urt. v. 3.7.2014 – III ZR 530/13, WM 2014, 1920 Rn 18. 483 BGH, Urt. v. 3.7.2014 – III ZR 530/13, WM 2014, 1920 Rn 19. 484 BGH, Urt. v. 3.7.2014 – III ZR 530/13, WM 2014, 1920 Rn 20. 485 BGH, Urt. v. 3.7.2014 – III ZR 530/13, WM 2014, 1920 Rn 21. 486 Staub § 93 Rn 103. Emde

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Gelegenheit, miteinander in Kontakt gekommen zu sein, dazu benutzen, um ein ganz anderes Geschäft zu schließen, würde das einen Provisionsanspruch nicht mehr begründen können.

(2) Beweislast. Den Beweis für die Tätigkeit und (Mit)ursächlichkeit hat der HV zu führen.487 83 Zum Beweis des ersten Anscheins genügt es jedoch, sofern er nachweist, dass er sich in Richtung auf den vertragsgemäßen Geschäftsschluss betätigt hat, z. B. durch einen abgestatteten Kundenbesuch (Anscheinsbeweis).488 Der Anscheinsbeweis kann durch eine „Zäsur“ zwischen dem Kontakt des HV mit dem Kunden erschüttert werden, was allerdings der Unternehmer beweisen muss.489 Nach Ansicht von Fröhlich genügt, dass der HV eine Tätigkeit nachweist, die nach allgemeiner Erfahrung mitursächlich für den Abschluss gewesen sein kann.490

bb) Abweichende Vereinbarungen. § 87 Abs. 1 S. 1 1. Alt. ist zumindest individualvertrag- 84 lich,491 aber wohl auch mittels AGB,492 dispositiv. Abweichende Vereinbarungen sind daher zulässig.493 Problematisch sind die häufigen Regelungen, denen zufolge ein Geschäft nur dann provisionspflichtig ist, wenn es nicht nur abgeschlossen ist, sondern darüber hinaus auch vom Unternehmer ausgeführt wurde oder nur solche Geschäfte provisionspflichtig sind, die vom Kunden durch Zahlung des Kaufpreises erfüllt werden.494 Denn sie widersprechen § 87 Abs. 2 und 3.495

b) Folgeprovision gemäß § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2. Die Werbung eines Kunden durch den HV 85 stellt darauf ab, ihn wo immer möglich als Stammkunden für den Unternehmer zu gewinnen. Ob dieses Ziel erreicht ist, zeigt sich an Folgeaufträgen (Nachbestellungen). § 87 Abs. 1 S. 1 2. Alt. will dem HV hierfür eine Gegenleistung gewähren: Er erwirbt auch ohne eine Tätigkeit, eine Mitverursachung oder eine Kausalität seiner Vermittlungsbemühungen eine Provisionsanwartschaft, falls das Geschäft mit einem Kunden abgeschlossen wird, den der HV für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Ein Handelsmakler besitzt hingegen keinen Anspruch auf Folgeprovision.496 Die Folgeprovision honoriert dreierlei. Zum einen die kausale Nachwirkung des vermitteln- 86 den Erstauftrages, der letztlich auch für den Folgeauftrag mitursächlich war.497 Das Gesetz unterstellt in Abs. 1 S. 1 2. Alt. eine solche fortwirkende oder mittelbare498 Ursächlichkeit der

487 488 489 490 491

OLG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 19 U 51/13, BeckRS 2014, 10199; Hopt § 87 Rn 16. OLG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 19 U 51/13, BeckRS 2014, 10199; OLG Nürnberg BB 1959, 391; Hopt § 87 Rn 16. OLG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 19 U 51/13, BeckRS 2014, 10199. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 132. BGH, Versäumnisurt. v. 22.1.2015 – VII ZR 87/14, IHR 2015, 107 = ZVertriebsR 2015, 171 = WM 2015, 531 m. Anm. Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173 Rn 12; Grünvogel ZVertriebsR 2015, 173 (174). 492 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 18.9.2012 – 5 U 101/09, BeckRS 2014, 11259; der BGH hat in seinen Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07 Rn 21, VersR 2010, 249 = NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. von Bodungen/Hesse = EWiR 2010, 119 (Emde); NJW-RR 1998, 629 (unter II 1 b) offen gelassen, ob ein Ausschluss mittels AGB zulässig ist. AA Thume BB 2019, 835 (839), sofern von wesentlichen Grundgedanken abgewichen wird. 493 BGH, Urt. v. 11.7.1960, BB 1960, 955; OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.2.2009 – 7 U 219/07, BeckRS 2010, 16911; Thume MDR 2011, 703; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 67; Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 284. 494 Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 285. 495 Thume BB 2012, 975 (977). 496 LG Berlin, Urt. v. 24.11.2011 – 93 O 29/11. 497 Oetker/Busche5 § 87 Rn 19. 498 Hopt § 87 Rn 17. 901

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Bemühungen des HV, die zu dem Erstauftrag geführt haben.499 Zum zweiten die Werbung eines Stammkunden, der für den Unternehmer besonders wichtig ist.500 Zum dritten besteht die Vermutung, dass ein Stammkunde mit der Betreuung – auch durch den HV – besonders zufrieden ist, und seine Werbung einen über die Werbung des Einmalkunden hinausgehenden Einsatz fordert, der vergütet werden soll. 87 Es handelt sich bei § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 um einen gesetzlichen Fall des provisionsrechtlichen Kundenschutzes. Die näheren Umstände, unter denen die Nachbestellung zustande gekommen ist, haben auf die Provisionspflichtigkeit zugunsten des HV keinen Einfluss. Insbesondere muss keine Mitursächlichkeit des HV für das Folgegeschäft existieren,501 sie wird unwiderleglich502 vermutet. Die Tatsache einer Nachbestellung als solche entscheidet; mag selbst der Kunde die weitere Zusammenarbeit mit dem HV mittlerweise ablehnen. Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist es unerheblich, ob der Kunde die späteren Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung, im eigenen oder fremden Namen abschließt; entscheidend ist, dass er die rechtsgeschäftliche Willensentschließung trifft. Das schließt nicht aus, dass der HV sich seinerseits um die Folgeaufträge aktiv bemüht hat. Dann hat er die Provision nicht aus der 2., sondern aus der 1. Alt. des Abs. 1 S. 1 verdient.503 Derartiges kann für ihn vorteilhaft sein, wenn im Vertrag die Provision für die Folgeaufträge nach der 2. Alt. anders und ungünstiger festgesetzt ist, beispielsweise niedriger oder zu sonst nachteiligeren Bedingungen (Beweislast des HV für die nachwirkende Ursächlichkeit der Erstvermittlung, Provisionsteilung mit einem mitbeteiligten HV) oder auf diese Provisionsart überhaupt im Voraus verzichtet worden ist. 88 Um die Folgeprovisionen zu erlangen müssen drei Voraussetzungen gegeben sein. Es muss sich um während des HV-Vertrages geschlossene (aa) Geschäfte mit vom HV geworbenen Kunden (bb) handeln. Diese Kunden haben Nachbestellungsaufträge zu erteilen, welche sich auf Geschäfte der gleichen Art (cc) beziehen müssen.

89 aa) Während des Vertragsverhältnisses. Die Nachbestellungen müssen in die Zeit des HVVerhältnisses fallen. Auf das oben Gesagte kann verwiesen werden. Bedingte Abschlüsse aus der Zeit vor Eingehung des HV-Verhältnisses (etwa solche mit demnächst „mitgebrachten“ Kunden), bei denen erst die Bedingung in der Vertragszeit eintritt, bleiben außer Betracht.

90 bb) Geworbene Kunden. Die Folgeprovision entsteht nur für Geschäfte mit vom HV neu geworbenen Kunden. Es handelt sich um eine Paralleldiskussion zu § 89b, siehe dort zu neu geworbenen Kunden. Die dortigen Ausführungen können sinngerecht übernommen werden. Geworben ist ein Kunde, wenn er zu Beginn des HV-Vertrages mit dem Unternehmer noch nicht in Geschäftsverbindung bezüglich identischer oder substituierbarer Produkte stand,504 der Bezug andersartiger Produkte vom Unternehmer ist unerheblich.505 Neu geworben ist auch derjenige Kunde, den der HV in das Vertreterverhältnis mit dem Unternehmer eingebracht, d. h. aus seiner früheren Vertretertätigkeit „mitgebracht“ hat.506 Denn entscheidend ist, ob der Kunde für den 499 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 48. 500 Westphal I Rn 484. 501 BGH, Urt. v. 17.11.1960 – VII ZR 242/59, BB 1960, 1354 (1355); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 38; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 40. 502 BGH, Urt. v. 17.11.1960 – VII ZR 242/59, BB 1960, 1354 (1355); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 30; Hopt § 87 Rn 17; Oetker/Busche5 § 87 Rn 19. 503 Vgl. Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 20; OLG Düsseldorf DB 1956, 376. 504 Westphal I Rn 488; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 39; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene Rn 46; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 24. 505 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 39; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 45; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 23 a, 24. 506 Oetker/Busche5 § 87 Rn 19. Emde

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Unternehmer neu ist.507 Nachbestellungen von Altkunden, welche der HV übernommen hat und deren Erstbestellungen vor seiner Zeit liegen, lösen keine Folgeprovision (allenfalls bei Mitursächlichkeit Tätigkeitsprovision) aus.508 Altkunden sind Kunden, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des HV-Vertrages bereits in solchen geschäftlichen Beziehungen zum Unternehmer standen, für die der HV jetzt Folgeprovisionen fordert.509 Eine Ausnahme besteht, sobald der HV die Geschäftsverbindung zu dem Altkunden so ausgeweitet hat (Daumenregel nach bisher h. M. mindestens 100 % gegenüber dem Zustand bei Übernahme des Vertretervertrages510), dass dies wirtschaftlich der Werbung eines Neukunden entspricht.511 Folgegeschäfte sind ab dann solche mit einem neu geworbenen Kunden. § 89b Abs. 1 S. 2 muss hier entsprechend anwendbar sein.512 Hat der HV sich für eine von solchen Nachbestellungen seinerseits aktiv eingeschaltet, steht ihm die Provision nach Abs. 1 S. 1, 1. Alt. zu; die dann folgenden weiteren Nachbestellungen sind für ihn provisionspflichtige Folgeaufträge im Sinne der 2. Alt. des Abs. 1 S. 1 – also ohne erneute Tätigkeit – nur, sofern sein vorausgegangener eigener Einsatz den Nachbestellentschluss des Altkunden selbständig gefördert, d. h. aufrechterhalten hatte. Das wird etwa anzunehmen sein, wenn bei jener Gelegenheit die weiteren Nachbestellungen fest ins Auge gefasst wurden.513 Ist der Kunde einmal über einen nicht ganz unbedeutenden Zeitraum (Daumenregel: ein Jahr) zu einem solchen „erweiterten“ Altkunden geworden, verliert er diese Gleichstellung mit einem geworbenen Kunden auch fortan nicht.514 Ebenso wird ein Altkunde zu einem „geworbenen Kunden“, falls er für erhebliche Zeit seine 91 Bestellungen unterbrochen hatte (Daumenregel: vier Jahre) und aufgrund einer Werbung des Vertreters die Kundenbeziehung wieder aufnimmt. Denn auch in diesem Fall steht er wirtschaftlich einem neu geworbenen Kunden gleich.515 Welche Zeiträume im Einzelfall angemessen sind, bestimmt sich nach der Natur der Geschäfte. Nicht anders als im Ausgleichsrecht kommt es auf den Nachbestellzyklus an. Keine Neuwerbung nach Unterbrechung liegt vor, wenn der Kunde innerhalb des üblichen Bestellzyklus ordert. Soweit etwa Waren nur im mehrjährigen Rhythmus bestellt werden, kann von einer Unterbrechung der Kundenbeziehung nur nach einem erheblich längeren Zeitraum ausgegangen werden. Deshalb treffen die oben genannten Daumenregeln allenfalls den Geschäftstypus, bei dem regelmäßig in kürzeren Intervallen nachbestellt wird. Auch bei der Frage der Neukundeneigenschaft können Durchgriffserwägungen eingreifen.516 Regelmäßig kommt es nur darauf an, ob der Bestellende Wiederholungskäufer ist. Für wessen Rechnung er handelt, ist unerheblich.517 Wirtschaftliche Fragen sollen bei der an Hand der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 87 ff. zu prüfenden Provisionsberechtigung keine Rolle spielen. Bestellt ein Neukunde im Namen eines Kunden, für dessen Bestellung keine Folgeprovision zu leisten wäre, kann ein Anspruch auf Folgeprovision entstehen, wenn der HV nachweist, dass der bestellende Kunde vorgeschoben wurde, um den Anspruch auf Folgeprovision zu vereiteln.518

Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 39; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 23a. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 67. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 68. Westphal I Rn 489; aA Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 39. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 69; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 39; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 19; Oetker/Busche5 § 87 Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 44; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 23b. 512 Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 23b. 513 Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 20. 514 AA Westphal I Rn 490. 515 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 68. 516 AA Eberstein9 S. 78 unter Hinweis auf OLG Celle, Urt. v. 14.11.1969 – 13 U 116/69, BB 1970, 51 = DB 1970, 582 für den Fall der Beherrschung und finanziellen Abhängigkeit. 517 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 39. 518 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 39.

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92 cc) Geschäfte der gleichen Art. Der HV muss den Kunden in Ausführung des HV-Vertrages – berechtigt – für Geschäfte gleicher Art geworben haben, wie sie nunmehr in den Nachbestellungen ihre Fortsetzung finden. Damit soll ein Rest von Kausalität zwischen der Kundenwerbung und späteren Nachbestellungen gewahrt werden,519 wobei auch hier Mitkausalität i. S. d. 1. Alt. des § 87 Abs. 1 genügt. Da der HV Provision nur für vertragsgemäße Tätigkeit erhält, muss sich sein Vertriebsrecht auf diese gleichartigen Geschäftsabschlüsse erstrecken.520 Die Folgegeschäfte müssen sich nicht notwendig auf den gleichen Artikel beziehen; es genügt, dass sie sich innerhalb des vom HV vertriebenen Sortiments bewegen.521 Auch der Preis braucht nicht übereinzustimmen,522 wie bereits die fortschreitende Inflation und allgemein Preisveränderungen zeigen (etwa Preisreduzierung bei manchen elektronischen Produkten). Der Begriff des „Geschäfts der gleichen Art“ ist wirtschaftlich zu verstehen und weit auszulegen.523 Maßgeblich ist – wie sich bereits aus der Amtlichen Begründung ergibt – die Verkehrsauffassung.524 Änderungen der Vertrags- und Geschäftsbedingungen sind solange unerheblich, als wirtschaftlich noch ein Geschäft der gleichen Art vorliegt.525 Denn die Identität des Geschäfts bestimmt sich in erster Linie anhand des verkauften Gegenstandes oder Produktes, welcher oder welches das Geschäft prägt. Die Konditionen des Geschäfts, insb. der der Inflation unterliegende Preis, sind weniger bedeutend. Weniger oder fast nicht entscheidend ist damit die Höhe der Gegenleistung, jedenfalls sofern es sich um eine Geldzahlung handelt. Denn ob der Käufer ein gutes oder ein schlechtes Geschäft macht, darf für das Entstehen der Provisionsanwartschaft des HV kaum eine Rolle spielen. Vollkommene Identität des Geschäfts ist nicht erforderlich, auch Nachbestellungen mit veränderten Konditionen können Geschäfte der gleichen Art darstellen, solange der wirtschaftliche Kern des Geschäfts erhalten bleibt. Geschäfte über weiterentwickelte oder Nachfolgeprodukte, welche aus der Sicht der beteiligten Verkehrskreise die vertriebenen Produkte ergänzen, ersetzen oder fortentwickeln, sind meist mit denen über vorher verkaufte Ausgangsprodukte wirtschaftlich identisch, solange der Verwendungszweck der gleiche bleibt.526 Wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Erst- und Folgegeschäft besteht, ist ein Folgegeschäft mit einem Produkt der ausgeweiteten Produktpalette des Unternehmers provisionspflichtig.527 Das ist insb. anzunehmen, falls der Kunde bereits zuvor Abnehmer der gesamten Produktpalette des Unternehmers in einem bestimmten Bereich war.528 93 Schon der zweite Vertragsschluss über ein gleichartiges Geschäft lässt die Provisionsanwartschaft entstehen.529 Die Möglichkeit, Folgeprovision zu erzielen beginnt, sobald das erste vom HV vermittelte Geschäft zwischen Kunde und Unternehmer zustande gekommen ist. Fraglich ist, ob zwischen Erst- und Zweitgeschäft ein bestimmter Zeitraum zu fordern ist, nach dessen Ablauf keine Folgeprovision mehr geschuldet ist. Das Gesetz sieht eine solche Frist nicht vor. Es muss daher, anders als bei der Prognose des § 89b, kein überschaubarer Zeitraum zwischen Erst- und Zweitgeschäft vorliegen. Allenfalls in Extremfällen – Vermittlung durch eine 519 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 70. 520 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 40. 521 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 49; Oetker/Busche5 § 87 Rn 20; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 47.

522 Oetker/Busche5 § 87 Rn 20. 523 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 49; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 40; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 48. 524 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 22; Eberstein S. 78; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 49; Westphal I Rn 492; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 40; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 19; Hopt § 87 Rn 18; Oetker/Busche5 § 87 Rn 20; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 47; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 25. 525 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 40; Oetker/Busche5 § 87 Rn 20; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 25. 526 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 49; Westphal I Rn 291; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 40; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 25. 527 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 48. 528 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 40. 529 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 41. Emde

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juristische Person mit einer Zeitspanne von vielleicht 40–50 Jahren zwischen Erst- und Zweitgeschäft – wird man die vom Gesetz vermutete Ursächlichkeit zwischen Erst- und Zweitgeschäft als widerlegt ansehen müssen, bei einem Zeitraum von mehr als 10 Jahren ist die Frage zu prüfen (Beweislast für Provisionsausschluss wegen Verfristung beim Unternehmer). Der einmal begründete provisionsrechtliche Kundenschutz nach S. 1 2. Alt. dauert grundsätzlich fort, bis das Vertragsverhältnis zwischen HV und Unternehmer beendet wird. Erfolgreiche Vermittlungstätigkeiten Dritter können die Folgeprovision gleichfalls nicht zum Erlöschen bringen.530

dd) Dispositivität. § 87 Abs. 1 Alt. 2 ist zumindest individualvertraglich531 dispositiv.532 Die 94 Folgeprovision kann ganz ausgeschlossen oder inhaltlich konkretisiert werden, etwa dergestalt, dass im Hinblick auf bestimmte Kunden nur für die Dauer einer bestimmten Zeitspanne Folgeprovisionen gezahlt werden.533 Solange kein ausdrücklicher Ausschluss der Folgeprovision vereinbart wurde, tritt die Provisionspflicht für Folgebestellungen auch dann ein, wenn der HV-Vertrag zu dieser Provisionspflicht schweigt, sofern er sie nicht eindeutig ausschließt.534 Der Anspruch steht nicht dem Versicherungsvertreter zu, § 92 Abs. 3 S. 1.

ee) Beweislast. Der HV braucht lediglich geworbenes Erst- und ein Zweitgeschäft nachzuwei- 95 sen,535 zudem die Zugehörigkeit der Geschäfte zur gleichen Art. Die mittelbare Mitursächlichkeit des HV für das Folgegeschäft wird unwiderlegbar vermutet. Der Gegenbeweis ist also unzulässig.536 Sobald der HV Erstgeschäfte mit bestimmten Kunden benannt und bewiesen hat, muss der Unternehmer konkret darlegen, dass die vom HV bezeichneten Kunden bereits vor Abschluss des fraglichen Geschäfts ganz bestimmte, im einzelnen bezeichnete, gleichartige Geschäfte mit ihm getätigt haben537 und dies auch beweisen.538 Nur der Unternehmer kann hierzu vortragen. Den Provisionsausschluss nach Abs. 1 S. 2 hat der Unternehmer zu beweisen.539

c) Abs. 1 S. 2 Provisionsvorrang des ausgeschiedenen HV aa) Überblick. § 87 enthält an mehreren Stellen Regelungen über die Provisionsteilung zwi- 96 schen dem ausscheidendem Vertreter und seinem Nachfolger. Dazu zählt der dispositive540 § 87 Abs. 1 S. 2: Der Anspruch auf die Provision wird dann ausgeschlossen, wenn nach Abs. 3 dem Vorgänger des HV die Provision deshalb – und zwar ihm allein – zustehen soll, weil der Abschluss des Geschäfts überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist und der Abschluss angemessene Zeit nach Beendigung des HV-Vertrages des Vorgängers erfolgt ist (dazu 530 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 41. 531 Thume BB 2019, 835 (838). Der BGH hat in seinen Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07 Rn 21, VersR 2010, 249 = NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. v. Bodungen/Hesse = EWiR 2010, 119 (Emde); NJW-RR 1998, 629 (unter II 1 b) offen gelassen, ob ein Ausschluss mittels AGB zulässig ist. Gegen den Ausschluss mittels AGB Thume BB 2019, 835 (839), sofern von wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken abgewichen wird. 532 OLG Düsseldorf, Hinweise v. 9.1.2020 – I-16 U 6/19; OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.2.2009 – 7 U 219/07, BeckRS 2010, 16911; Thume MDR 2011, 703; Hopt § 87 Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 65. 533 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 63. 534 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 42; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 20. 535 Baumgärtel § 87 Rn 3; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 23c. 536 Hopt § 87 Rn 17. 537 Baumgärtel § 87 Rn 3; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 23c. 538 AA (Beweislast insoweit beim HV) Baumgärtel § 87 Rn 3; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 82; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 23c. 539 Baumgärtel § 87 Rn 3; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 82. 540 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 18.9.2012 – 5 U 101/09, BeckRS 2014, 11259 (AGB); Hopt § 87 Rn 22. 905

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Rn 160 ff.). Abs. 1 S. 2 gilt für beide Alt. des S. 1.541 Da Mitursächlichkeit des HV für die Vermittlung genügt, um Tätigkeits- oder Folgeprovision auszulösen, müsste der Unternehmer ohne eine gesetzliche (oder vertragliche) Regelung jeden HV voll bezahlen und damit für einen Erfolg vielfach leisten.542 Die Vorschrift greift nicht ein, wenn der Nachfolger keine Tätigkeit mehr entfaltet.543 Darüber, wann die TB-Voraussetzungen des Abs. 3 vorliegen, s. u. Rn 151 ff. Abs. 3 setzt voraus, dass der HV, in dessen Vertragszeit der Abschluss fällt, der Nachfolger, nicht Rechtsnachfolger,544 des ausgeschiedenen HV ist, dem die Provision – zumindest anteilig – zusteht und der Nachfolger die Vermittlung dann nur noch zu Ende führt. An sich wäre er nach dem zu Rn 76 ff. Gesagten als mitverursachend ebenso provisionsberechtigt. Gleichwohl soll nicht (auch) er Provision beanspruchen dürfen, sondern allein der Vorgänger. Wenn teilweise dem Nachfolger die Provision (neben der dem Ausgeschiedenen zustehenden) unter der Voraussetzung zugebilligt wird,545 dass seine Tätigkeit bei einer gedachten Fortsetzung des Vertragsverhältnisses des Vorgängers als mitursächlich und damit provisionsberechtigend würde angesehen werden können, so erscheint das überspitzt und mit dem Gesetz nicht vereinbar. Es wäre, in der vorgeschlagenen Abgrenzung – Provisionsberechtigung des Nachfolgers nach Abs. 1 S. 2 ausgeschlossen dann, wenn er das Geschäft nur zum Abschluss gebracht hat –, zudem wenig praktikabel. Soweit der Nachfolger hiernach von der Provision für den Abschluss ausgeschlossen ist, besitzt er auch keinen Provisionsanspruch aus § 354. Der Zweck des Gesetzes, den Unternehmer nicht als Folge eines ihm vielleicht aufgenötigten Vertreterwechsels die Provision zweimal zahlen zu lassen, würde sonst allzu leicht umgangen. Eine zwischenzeitliche Nichtbesetzung des Vertriebsgebietes schadet ebenso wenig wie die zeitweilige Tätigkeit eines anderen HV als Interimsnachfolger des ausgeschiedenen HV.546 Die darin liegende und nicht zu leugnende Benachteiligung des Nachfolgevertreters 97 nimmt das Gesetz in Kauf. Hier können nur vertragliche Regelungen Abhilfe schaffen. Fehlen sie, so nötigt das dazu, den Ausschluss der Provision – wie die meisten Ausschlüsse – eng auszulegen. Er beschränkt sich, dem Wortlaut des Gesetzes entsprechend, auf den Fall, dass dem Vorgänger die Provision nach Abs. 3 wirklich zusteht. Ist sie für den Vorgänger vertraglich für solche Fälle ausgeschlossen (was nicht ganz selten geschieht) oder ist schon der TB des Abs. 3 nicht gegeben, weil der Anteil des Vorgängers am Vermittlungserfolg aus welchem Grunde auch immer nicht überwiegend geworden ist oder der Abschluss des Geschäfts nicht mehr innerhalb angemessener Zeit nach Beendigung des Vertreterverhältnisses mit dem Vorgänger erfolgt ist, so kommt das dem Nachfolger zustatten. Er erhält die Provision, falls es ihm gelingt, an dem in dem endgültigen Abschluss sich darstellenden Erfolg noch irgend mitursächlich beteiligt zu sein. Der Unternehmer kommt dann also nicht etwa in den Genuss einer provisionsfreien Vermittlung. Im Gegenteil muss er unter Umständen nun doch doppelt zahlen; dann nämlich, wenn der Vorgänger ein angestellter Reisender gewesen war und dieser über § 65 Anspruch auf die Provision für die von ihm überwiegend geleistete Vermittlungstätigkeit hat.547 Denn hier ist der Tatbestand des Abs. 1 S. 3 nicht gegeben – kein ausgeschiedener HV, kein Provisionsanspruch nach Abs. 3. 98 Andererseits gilt Abs. 1 S. 2 nur im Vorgänger-Nachfolger-Verhältnis. Sind auf der Vorgängerebene mehrere HV nebeneinander provisionsberechtigt geworden und hätte einer von ihnen die überwiegende Vermittlungstätigkeit geleistet, um dann auszuscheiden, so schließt Abs. 1 S. 2, wenn daraufhin dessen Nachfolger die Vermittlung zu Ende führt, nur den Provisi-

541 542 543 544 545 546 547

Hopt § 87 Rn 22. Hopt § 87 Rn 21. Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 52. Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 50. Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 49. Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 50. Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 28.

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onsanspruch dieses Nachfolgevertreters aus. Die Ansprüche der übrigen, in der „Endrunde“ nicht mehr tätig gewordenen HV bleiben unberührt.548

bb) Zwingende Natur. Vertragliche Abbedingungen gehen nicht selten vor in der Richtung, 99 dass Provisionsansprüche aus Geschäften, die zwar noch vor Beendigung des HV-Verhältnisses abgeschlossen worden waren, aber erst nachher zur Ausführung kommen und damit entsprechend der Regel des Abs. 1 noch zugunsten des ausgeschiedenen HV nachträglich zu verprovisionieren wären, ausgeschlossen sein sollen (zur Provisionsverzichtsklausel s. Kommentierung zu § 89b). Das ist zulässig; § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 hat gerade solche Fälle im Auge. Doch hat die Abdingbarkeit ihre Grenze in § 87a Abs. 3 (Abs. 5)549: Der Unternehmer kann den HV seiner Provision nicht dadurch verlustig gehen lassen, dass er (der Unternehmer) die Ausführung des Geschäfts entgegen der vertraglichen Fälligkeit über das Ende des HV-Verhältnisses hinauszögert und dadurch den Provisionsverzichtsfall schafft. Er hat das Geschäft „nicht so ausgeführt, wie es abgeschlossen worden war“ (§ 87a Abs. 3 S. 1), und ein Verzicht auf eine solchermaßen zu gefährdende Provision bliebe nichtig schon wegen Verstoßes gegen § 87a Abs. 5.550 An dem Eintritt des Provisionsverzichtsfalles und seiner wirksamen Statuierung ändert es nichts, wenn der Unternehmer seine Leistung nach Ende des Vertragsverhältnisses termingemäß, aber mangelhaft erbringt und der Kunde daraufhin wandelt. Ohne den Provisionsverzicht würde der Anspruch auf die Provision dadurch zwar nicht beeinträchtigt (§ 87a Abs. 3 S. 1), und selbst eine entgegenstehende Abrede wäre nach § 87a Abs. 5 unwirksam. Doch soll damit nur sichergestellt sein, dass der HV für seine Ansprüche nicht schlechter gestellt wird, als hätte der Unternehmer vertragsgemäß erfüllt: gerade dies unterstellt, wäre wiederum der Provisionsverzichtsfall gegeben.

III. § 87 Abs. 2: Bezirksprovision Die in Abs. 2 geregelte, sog. Bezirksprovision bildet neben der Folgeprovision den zweiten Fall 100 einer Provision, die jedenfalls bezogen auf das konkrete Einzelgeschäft tätigkeitsunabhängig551 ist, wie der EuGH552 zu Art 7 RL bestätigte. Bezirks- oder Kundenschutzprovision erhält ein HV, dem vom Unternehmer vertraglich provisionsrechtlicher Kundenschutz für einen bestimmten räumlich abgegrenzten Bezirk oder persönlich umgrenzten Kundenkreis zugesagt worden ist, und zwar für alle Kundengeschäfte mit Vertragsprodukten, welche mit vom Bezirk oder Kundenkreis erfassten Kunden wirksam während des Bestehens der Kundenschutzzusage zustande gekommen (Abs. 2 S. 1) oder dem Unternehmer angeboten worden sind (Abs. 3 S. 1 Nr. 2), sofern die Provision nicht ausnahmsweise ganz oder teilweise dem Vorgänger des Bezirksvertreters zusteht (Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 2).553 Typisch für den Bezirksvertreter ist die Zuweisung eines Bezirks, weshalb sich der schlagwortartige Terminus „Bezirksvertreter“ durchgesetzt hat. Bezirksvertreterprovision ist grds. für den Unternehmer ungünstig, da der HV auch Provision erhält, wenn er für ein Geschäft nicht kausal war. Dies kann zu einer gewissen Träg-

548 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 50; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 16a, 28. 549 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, VersR 2010, 249 = NJW 2010, 298 = EWiR 2010, 119 (Emde). 550 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, VersR 2010, 249 = NJW 2010, 298 = EWiR 2010, 119 (Emde); BGHZ 33, 92.

551 Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 19; aA Oetker/Busche5 § 87 Rn 21, weil der Bezirksvertreter den Bezirk betreuen muss. Aber die Zahlung der Provision für das konkrete Geschäft bleibt tätigkeitsunabhängig.

552 EuGH, Urt. v. 12.12.1996 – C-104/95, „Kontogeorgas/Kartonpak“, EuGHE 1996 I, 6643, Rn 16–19 = EuZW 1997, 248 m. Anm. Klauer, St. Galler Europarechtsbriefe 1997, 27; Habersack/Martínez Sanz EWS 1997, 289; Fock ZEuP 1998, 354. 553 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 54. 907

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heit des HV führen. Dem steht der Vorteil vereinfachter Abrechnung gegenüber. Der Nachteil kann zudem durch geringere Provisionssätze ausgeglichen werden.

1. Wer ist Bezirksvertreter? 101 Bezirksvertreterprovision ist nur zu zahlen, wenn der HV Bezirksvertreter ist. Das ist zumindest der Fall, wenn er mit hinreichender Klarheit554 vertraglich – im Ursprungsvertrag oder auch später555 – als solcher benannt ist, ihm also für alle Geschäfte seines „Bezirks“ oder „Kundenkreises“ Provision zugesagt wurde. Meist muss tatsächlich in dieser Weise – wenig systematisch – von der Rechtsfolge (Provisionspflicht) auf den TB (Bezirkszuweisung) zurückgeschlossen werden.556 Wenn einem als „Bezirksvertreter“ bezeichneten HV nach dem Inhalt des Vertrages keine Bezirksprovision zu zahlen ist, ist er in Wahrheit kein Bezirksvertreter. Die Regelung der konkreten Rechtsfolge – etwa die Vereinbarung, dass Provision nur für Geschäfte zu leisten ist, die auf die Tätigkeit des HV zurückzuführen sind – hat meist Vorrang vor der bloßen Bezeichnung als Bezirksvertreter.557 Möglich ist aber auch die spiegelbildliche Herangehensweise, nach der der TB der Bezirks- oder Kundenzuweisung entscheidend ist und der Ausschluss der Bezirksprovision anhand §§ 138, 307 BGB zu prüfen wäre. Der Wortlaut des Abs. 2 lässt die Zuweisung des Bezirkes oder Kundenkreises genügen, um als Rechtsfolge die Verpflichtung zur Zahlung einer Bezirksvertreterprovision herzustellen. Gibt es also keine klare Provisionsregelung, wird man nach dem Wortlaut des Abs. 2 und trotz des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen Abs. 1 (Regel) und Abs. 2 (Ausnahme) die Zuweisung als ausreichend ansehen müssen, damit Bezirksvertreterprovision zu gewähren ist. Gegenstück zum Bezirk ist die bloße Zuweisung eines Gebietes, welches zu bearbeiten ist und für dessen Bearbeitung lediglich Tätigkeitsoder Folgeprovision nach Abs. 1 für vermittelte Geschäfte versprochen wurde. Der auch von Art. 7 Abs. 2 RL verwendete Begriff der „Zuweisung“ ist missverständlich. Bezirksvertreter wird man nicht durch die einseitige Zuweisung,558 sondern durch konsensuale Einigung über diese Bestellung.559 Eine einseitige Benennung des Unternehmers oder Zuweisung eines geschützten Gebiets bzw. Kundenkreises an den HV kann aber ein Angebot auf Abschluss eines Bezirksvertretervertrages bilden, welches der HV im Zweifel als für sich günstig nach § 151 BGB annimmt,560 sofern es sich um das bereits bearbeitete Gebiet handelt (weil es sich dann lediglich um eine verbesserte Provisionsabrede handelt, bei nur geringfügig erhöhten Pflichten). Bei namentlicher Benennung als „Bezirksvertreter“ ist der HV meist ein solcher,561 es sei denn, es ergibt sich mit der gleichen Klarheit aus dem Vertrag, meist der Provisionsklausel, dass die Parteien etwas anderes meinten. Eindeutig liegt der Sachverhalt auch, wenn der HV zwar nicht als Bezirksvertreter benannt wurde, ihm jedoch eine Provision für alle mit den Kunden seines Bezirkes geschlossenen Geschäfte zugesichert wurde, selbst wenn der Bezirk nicht ausdrücklich als solcher, sondern etwa als Gebiet oder Erfassungsraum apostrophiert wurde. Ausreichend sollen die Gewährung von „Bezirks-“, „Kunden-“ oder „Projektschutz“,562 das Provisionsversprechen für alle „direkten und indirekten“,563 für „alle fakturierten Geschäfte innerhalb des

554 555 556 557 558 559 560 561 562 563

Thume BB 2012, 975 (981). Oetker/Busche5 § 87 Rn 22. In diese Richtung OLG Hamm, Urt. v. 21.4.1994 – 18 U 140/93, VersR 1995, 779. OLG Karlsruhe BB 1971, 1123. Oetker/Busche5 § 87 Rn 22. Hopt § 87 Rn 25. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 76. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 76. OLG Düsseldorf NJW 1982, 1231. RGZ 109, 254 (255); BGH, Urt. v. 20.10.1955 – II ZR 75/54, DB 1956, 157 = BB 1956, 95; Flohr/Wauschkuhn/ Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 76; Hopt § 87 Rn 25. Emde

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Vertragsgebietes“.564 „mittelbare und unmittelbare“ Geschäfte565 sowie die Regelung „exklusiv und somit in jedem Fall verprovisionierungspflichtig“566 sein. Ergibt sich die Einordnung als Bezirksvertreter nicht aus anderen Umständen, soll trotz des Wortlautes des Abs. 2 in der Zuweisung eines bloßen „Gebiets“ keine Bestellung als Bezirksvertreter zu sehen sein,567 weil eine bloße Arbeits- oder Tätigkeitsbegrenzung gewollt sein kann.568 Oft werden die Begriffe „Gebiet“ und „Bezirk“ verwechselt. Meist lässt sich erst aus der Provisionsklausel entnehmen, was gewollt war.569 Die Bezeichnung als „Generalvertreter“570 oder „Alleinvertreter“571 ist nicht hinreichend eindeutig, da § 87 Abs. 2 in Ausübung des dem nationalen Gesetzgebers in Art. 7 Abs. 2 S. 2 RL eingeräumten „Auswahlermessens“ bewusst das Provisionsrecht nur an die Zuweisung eines Bezirkes oder eines Kundenkreises und nicht die zusätzliche Einräumung einer Alleinvertretung angeknüpft hat. Ein Hauptvertreter kann seinem Untervertreter nur dann wirksam Bezirksschutz versprechen, wenn der Bezirk oder Kundenkreis innerhalb des Vertriebsgebietes des Hauptvertreters liegt.572 Anderenfalls ist er schon an der Abrechnung und der Gewährung der Kontrollrechte des § 87c gehindert, schuldet aber ggf. Erfüllung bzw. Schadenersatz, wobei die Beweislast für beide Rechte beim HV liegen dürfte (Gegenansicht vertretbar, weil dem Unternehmer die Kontrollrechte aus § 87c obliegen). Die Bezirksvertreterabrede bleibt wirksam. Der Unternehmer darf den Vertrag mit dem Hauptvertreter dann gem. § 89a kündigen. Die Bestellung als Bezirksvertreter setzt die vertragliche Zuweisung eines bestimmten geo- 102 grafischen Bezirks oder eines bestimmten Kundenkreises voraus.573 Ob dies der Fall ist und wie der Bezirk umgrenzt ist, muss dem Vertretervertrag entnommen werden.574 Trotz des Wortlautes „bestimmten“ genügt auch hier Bestimmbarkeit, schon um den HV zu schützen, der meist Verwendungsgegner der vom Unternehmer formulierten Verträge ist. Einem Formgebot unterliegt die Bezirksvertreterabsprache nicht, sofern der Vertrag nicht insgesamt der Schriftform unterworfen ist.575 Deshalb darf die Abrede auch konkludent576 und durch lange einverständliche Übung getroffen werden, etwa indem über längere Zeit eine Bezirksvertreterprovision für alle getätigten Geschäfte in einem Bezirk oder mit einem bestimmten Kundenkreis gewährt wird und beide Parteien die Vorstellung haben, dass die Zahlungen in Erfüllung einer Bezirksvertreterabrede geleistet sein sollen.577 Auch eine Bestellung mittels kaufmännischen Bestätigungsschreibens ist möglich.578 Wird eine Beurkundung des Vertragsinhaltes nach § 85 verlangt, so sind die Angaben zum Bezirk in die Urkunde aufzunehmen. Darüber, wann eine Bezirksvertretung als übertragen gilt, s. im allgemeinen OLG Frankfurt LZ 1930, 64. Nach einem Gutachten der IHK Berlin 1926 Nr. 256 ist, wer in

564 OLG München, Urt. v. 9.12.2015 – 7 U 1163/15, ZVertriebsR 2016, 31 = BeckRS 2015, 20352. 565 BGH DB 1956, 157; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 76; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 74. 566 OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.11.2014 – 9 U 58/14, NJW-RR 2015, 290 = BB 2015, 786 m. Anm. Ayad = BeckRS 2014, 22685 Rn 19. Jedoch wird hiermit kein „Alleinvertrieb“ zugesichert. 567 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 76; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 59. 568 BGH, Urt. v. 31.3.1982 – IVa 298/80, WM 1982, 635; OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.5.2005 – 8 U 242/04, HVR Nr. 1156; Thume BB 2012, 975 (981); Hopt § 87 Rn 23; MünchKomm/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 75. 569 Vgl. Thume BB 2012, 975 (981). 570 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 76; Hopt § 87 Rn 25; Oetker/Busche5 § 87 Rn 22. 571 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 22; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 59. 572 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 81. 573 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 60. 574 Hopt § 87 Rn 26. 575 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 59; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 23; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 73. 576 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.7.1967, DB 1968, 611; Thume BB 2012, 975 (981): Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 75; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 59; Oetker/Busche5 § 87 Rn 22. 577 RG LZ 1911, 937; BGH, Urt. v. 15.12.1960 – VII ZR 212/59, VersR 1961, 270 (271); OLG Düsseldorf DB 1968, 611; Evers BB 1992, 1365 (1371); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 59; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 31. 578 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 59. 909

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Berlin zum Agenten bestellt wird, nach Handelsbrauch mangels gegenteiliger Vereinbarung Bezirksvertreter. Das dürfte heute nicht mehr gelten, wie das Regel-Ausnahme-Verhältnis der Abs. 1 und 2 zeigt. In HV-Verträgen aus der Zeit vor der Wiedervereinigung bezieht sich die Bezirkszuweisung „Inland“, „Deutschland“ oder „Bundesrepublik“ im Zweifel nicht auf das Gebiet der neuen Bundesländer.579 Jedoch darf der Unternehmer bei vertraglich zugesprochener Zuweisung eines bestimmten Bezirkes den HV nicht einfach in einen anderen Bezirk versetzen, etwa in Form des Rotationsvertriebs.580 Soll die Bezirksvertreterabrede rückgängig gemacht werden, gelten für diesen actus contrarius die für die Begründung der Bezirksabrede geltenden Regeln in gleicher Weise; es bedarf einer Vereinbarung.581 Das Schweigen des HV auf ein dahingehendes Angebot des Unternehmers bildet keine Zustimmung, etwa auf die Mitteilung des Unternehmers, er werde auf Direktgeschäfte mit bestimmten Kunden keine Provision mehr leisten.582 Im Hinblick auf den HV mit zugewiesenem Kundenkreis gelten die für den Bezirksvertreter 103 dargestellten Grundsätze entsprechend. Der Kundenkreis kann nach beliebigen Gesichtspunkten abgegrenzt und mit einem geographischen Bezirk verbunden sein; z. B. Endverbraucher eines bestimmten Bezirks, Zwischenhändler innerhalb eines solchen; Abgrenzung nach fachlicher Zugehörigkeit, Fabrikaten bestimmter Art usw. Der Wortlaut des § 87 Abs. 2 fordert zwar, dass „ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen“ wurde. Auch hier genügt aber die Bestimmbarkeit des Kundenkreises. Trotz des auf abstrakt-generelle Kriterien zur Ermittlung des Kundenkreises abstellenden Wortlautes wird es für die Tätigkeit als „Kundenkreisvertreter“ genügen, wenn nach Einzelnamen benannte Kunden zugewiesen wurden. Zwar könnte man dann darüber diskutieren, ob der Zuweisung eine Beschränkung der Tätigkeit auf jene Einzelkunden zu entnehmen ist und aufgrund der fehlenden Verpflichtung zur Werbung weiterer Kunden ein HV-Vertrag fehlt. Jedoch wird es für einen HV-Vertrag genügen, falls der Mittler verpflichtet ist, bei den zugewiesenen Einzelkunden die Geschäfte auszuweiten und um weitere Geschäfte mit jenen Kunden zu werben.

2. Tätigkeit außerhalb des Bezirkes? 104 Dem Bezirksvertreter ist eine Betätigung außerhalb des zugewiesenen Bezirks oder Kundenkreises nicht ohne weiteres verwehrt.583 Bezirksvertreterprovision steht dem HV aber bei Tätigkeit außerhalb seines Bezirks nicht zu, allenfalls Provision nach Abs. 1. Die Provisionspflicht für eine außerbezirkliche Tätigkeit darf ausgeschlossen,584 jedoch auch vereinbart585 werden. Der Unternehmer kann frei entscheiden, ob er den aus ihr herrührenden Auftrag annimmt.586 Im Zweifel587 – insb., wenn mit Kenntnis des HV das gesamte Vertriebsgebiet in Bezirke aufgeteilt und mit Bezirksvertretern besetzt wurde588 – wird sich ein solches Verbot aber aus dem Wesen des

579 LAG Düsseldorf ZIP 1992, 647; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 60; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 85. Schlegelberger/Schröder § 86 Rn 15. Hopt § 87 Rn 25. OLG Nürnberg BB 1957, 560; Hopt § 87 Rn 25. BGH, Urt. v. 5.4.2006 – VIII ZR 384/04, BB 2006, 1300 Rn 13 = WM 2006, 1358; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 93; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 77; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 56; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 22; Oetker/Busche5 § 87 Rn 23; Westphal BB 1991, 2027; s. a. BGH, Urt. v. 15.2.1971 – VII ZR 122/69, WM 1971, 563; Peterek BB 1966, 351; Hopt § 87 Rn 28; aA Wessel BB 1962, 473 (474). 584 BGH, Urt. v. 5.4.2006 – VIII ZR 384/04, BB 2006, 1300 (1301) Rn 17 = WM 2006, 1358; Flohr/Wauschkuhn/ Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 78. 585 Eberstein9 S. 51. 586 BGH, Urt. v. 5.4.2006 – VIII ZR 384/04, BB 2006, 1300 (1301) Rn 17. 587 Wessel BB 1962, 473. 588 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 78; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 56; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 87 Rn 22; Hopt § 87 Rn 28.

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Bezirksvertretervertrages ergeben,589 schon damit der Unternehmer für das selbe Geschäft nicht zweifach Provision leisten muss – einmal an den außerhalb seines Bezirks tätigen HV, ein anderes Mal an den Bezirksvertreter, in dessen Bezirk der andere Bezirksvertreter bezirksfremd tätig ist. Gegen unzulässige Einbrüche in den eigenen Bezirk durch andere HV kann der zuständige Bezirksvertreter vom Unternehmer verlangen, geschützt zu werden. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass diesem Bezirksvertreter ein Provisionsanspruch nach Abs. 2 gebührt. Denn die Tätigkeit des bezirksfremden HV kann ihn von seinem Kundenkreis separieren. Man mag hier insoweit von Bezirksschutz sprechen. Für einen solchen Abwehranspruch wird es eines erheblichen Einbruchs bedürfen, da die Bezirksabrede den HV nicht notwendigerweise vor der Tätigkeit des Unternehmers oder Dritter schützt. Besteht ein Abwehranspruch, dürfen sich die Bezirksvertreter nicht gegenseitig durch Einbruch in fremde Bezirke Konkurrenz machen.590 Der HV, der einer solchen Begrenzung zuwiderhandelt, hat keinen Anspruch auf Provision für außerbezirklich vermittelte Geschäfte,591 die Provision fällt vielmehr dem zuständigen HV als Bezirksprovision an. Ein Bezirksvertreter, der außerhalb seines Bezirks in einem fremden Bezirk tätig war kann aber Tätigkeitsprovision verdienen, sofern ihm die Tätigkeit außerhalb seines Bezirks nicht ausdrücklich, stillschweigend oder aufgrund seiner Interessenwahrungspflicht oder den Treupflichten innerhalb des Vertriebssystems verboten war (auch dann kann in der Annahme des Auftrages aber dessen zur Provisionspflicht führende Billigung liegen), und zwar selbst dann, wenn in dem anderen Bezirk ebenfalls ein Bezirksvertreter tätig ist. I. d. R. gewinnt ein Bezirksvertreter, der mit Zustimmung des Unternehmers außerhalb seines Bezirks bzw. des ihm zugewiesenen Kundenkreises tätig wird, auch für Geschäfte mit Kunden den vollen Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 1, die außerhalb des zugewiesenen Bezirks oder Kundenkreises liegen.592 Folgeprovision scheidet nur aus, sofern ein außerhalb eines Bezirks getätigtes Geschäft kein „Geschäft der gleichen Art“ darstellt. Folgeprovision ist in diesem Fall nicht ausgeschlossen, weil § 87 Abs. 2 den § 87 Abs. 1 Alt. 2 über die Folgeprovision im Wege der Konkurrenz ausschließt,593 sondern da § 87 Abs. 1 Alt. 2 tatbestandlich nicht eingreift. Der Unternehmer darf die Tätigkeit außerhalb des Bezirks gestatten.594 Akzeptiert der Unternehmer eine solche Tätigkeit, kann darin eine stillschweigende Erweiterung des Bezirks bzw. Kundenkreises liegen.595

3. Während des Vertragsverhältnisses Voraussetzung der Bezirksvertreterprovision ist, ebenso wie bei der Tätigkeits- oder Folgeprovi- 105 sion, dass ein Geschäft zwischen Unternehmer und Kunden während des Bestehens der Bezirksvertreterabrede596 zustande kam (s. o., Rn 100 ff.). Auf nachvertragliche Nachbestellungen erstreckt sich das Bezirksprovisionsrecht nach Abs. 2 damit nicht.597 Maßgeblich für die Abgrenzung ist – wie auch sonst – das wirksame Vertragsende, nicht der Zeitpunkt der Kündi-

Oetker/Busche5 § 87 Rn 23; aA wohl Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 93. Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 31b. OLG Düsseldorf WM 1970, 1284. BGH, Urt. v. 5.4.2006 – VIII ZR 384/04, BB 2006, 1301 Rn 17 = WM 2006, 1358 im Anschluss an BGH, Urt. v. 15.2.1971 – VII ZR 122/69, WM 1971, 563. 593 So aber Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 179 ff. 594 BGH, Urt. v. 5.4.2006 – VIII ZR 384/04, BB 2006, 1301 = WM 2006, 1358; WM 1971, 564; Flohr/Wauschkuhn/ Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 77; Hopt § 87 Rn 28; Oetker/Busche5 § 87 Rn 23. 595 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 77. 596 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 88. 597 BGH BB 1957, 1086; Hopt § 87 Rn 37; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 63; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 34.

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gungserklärung.598 Ein Abschluss vor diesem Wirksamwerden genügt.599 Eine Ausnahme gilt, wenn diese Geschäfte i. S. d. Abs. 3 vom HV vorbereitet wurde.600

4. Beteiligung des Unternehmers 106 Art. 7 Abs. 2, 1. Spiegelstrich RL über die Bezirksprovision ist so auszulegen, dass ein HV, dem ein bestimmter Bezirk zugewiesen ist, keinen Anspruch auf Provision für ein Geschäft hat, welches ein Kunde, der jenem Bezirk angehört, mit einem Dritten abgeschlossen hat, ohne dass der Unternehmer unmittelbar oder mittelbar an dem Geschäft beteiligt war.601 Der HV erhält keine Provision für Geschäfte, an welchen der Unternehmer unbeteiligt war. Ob eine solche Beteiligung vorliegt, haben die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des Schutzgedankens der RL sowie Treu- und Glaubens zu bestimmen.602

5. Provisionspflicht 107 a) Synallagmatische Hauptpflicht. Die Bezirksprovision ist Erfolgsprovision nur noch in einem sehr mittelbaren Sinne, insofern, als sich davon ausgehen ließe, dass die Pflege des Bezirks sich mitursächlich in Kaufanreizen und in der Abschlussgeneigtheit auch solcher Kunden niederschlägt, bei denen der HV nicht selbst den Abschluss vermittelt hat. Im Eigentlichen aber ist die Bezirksprovision eine synallagmatische Gegenleistung, die für die fortlaufende Betreuung und Pflege des Bezirks, Auf- und Ausbau des Marktes für den Unternehmer, die Förderung seines Absatzes sowie die Wahrnehmung seiner Interessen im besonderen Maße sowie bei entsprechender Vereinbarung für das Unterlassen des Vertriebs außerhalb des Bezirks oder Kundenkreises gewährt wird.603 Hier tritt der Charakter des gegenseitigen Vertrages bei der Bestellung zum Bezirksvertreter deutlicher hervor als bei sonstigen, nicht bezirklich eingesetzten HV. Deshalb sind die Bestimmungen der §§ 320 ff. BGB direkt anwendbar.604 Die Bezirksprovision wird aber unabhängig von einer tatsächlichen Ursächlichkeit des HV für einen Geschäftsabschluss gewährt und unabhängig von einer Tätigkeit des HV zu einer bestimmten Zeit oder an einem bestimmten Ort,605 weshalb es im Grundsatz auch irrelevant ist, weshalb die Ursächlichkeit fehlt,606 solange nicht Gegenrechte des Unternehmers (z. B. Schadenersatz, Einrede nach § 320 BGB) bestehen. Zur Schlechterfüllung der Bezirksbetreuung s. u., Rn 125 ff.

108 b) Inhalt des Provisionsversprechens. Für die Hauptpflicht zur kontinuierlichen Pflege des Bezirks wird die Bezirksvertreterprovision als Gegenleistung gewährt. Sie braucht als Rechtsfolge der Bestellung als Bezirksvertreter nicht ausdrücklich vereinbart zu werden, sondern

598 599 600 601

BGH, Urt. v. 27.2.1976, NJW 1979, 2492; Hopt § 87 Rn 37. BGH, Urt. v. 27.2.1976, NJW 1979, 2492; Hopt § 87 Rn 37. Hopt § 87 Rn 37. EuGH, Urt. v. 17.1.2008 – Rs. C-19/07, EWS 2008, 151 = NJW 2008, 1211; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 90; krit. Oetker/Busche5 § 87 Rn 24. 602 EuGH, Urt. v. 17.1.2008 – Rs. C-19/07, EWS 2008, 151 Rn 22 = NJW 2008, 1211. 603 BGH BB 1957, 9; BB 1976, 1530; BGHZ 41, 292 = BB 1964, 698 = NJW 1964, 1622; Hopt § 87 Rn 28; Oetker/Busche5 § 87 Rn 21. 604 BGH, Urt. v. 18.6.1959 – II ZR 121/57, NJW 1959, 1490; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 72; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 55; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 69; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 37. 605 Hopt § 87 Rn 31. 606 Hopt § 87 Rn 31. Emde

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ergibt sich als automatische Folge dieser Bestellung.607 Inhaltlich richtet sie sich darauf, dass der Bezirksvertreter für alle vertragsbegleitenden, in seinem Bezirk und in sein Vertriebsrecht fallenden Geschäfte mit den ihm zum Absatz übertragenen Produkten608 auch ohne Tätigkeit und Mitursächlichkeit609 und selbst nach zeitweiser Unterbrechung der Geschäftsverbindung,610 mag der HV dabei vermittelnd tätig geworden sein oder nicht, mag er für Nachbestellungen provisionsberechtigt geworden sein oder nicht, die Provision so erhält, als habe er vermittelt oder als sei er provisionsberechtigt aus den Nachbestellungen gewesen. Es handelt sich um einen weiteren Fall des provisionsrechtlichen Kundenschutzes. Der Bezirk wird dem HV provisionsmäßig, nicht rechtlich vorbehalten.611 Im Zweifel erfasst der Bezirksschutz sämtliche, auch zukünftige Kunden des Bezirks.612 Die Provisionspflicht tritt, wie bei jeder Provisionsart, ohne dahingehende Abrede kraft Gesetzes ein. Für die Höhe gilt § 87b. Falls sich der Unternehmer das Recht vorbehalten hat, im Bezirk des HV selbst tätig werden zu können und nicht festgelegt wurde, wie solche Direktgeschäfte zu verprovisionieren sind, sind solche Geschäfte im Zweifel wie andere Bezirksgeschäfte bezirksprovisionspflichtig.613 Ein Ausschluss der Bezirksprovision darf in diesen Fällen vereinbart werden.614 Auch die erfolgreiche Vermittlungstätigkeit eines anderen HV615 kann die Bezirksprovision nicht beeinträchtigen. Sie fällt dem Bezirksvertreter automatisch an. Der Bezirksvertreter hat sogar dann Anspruch auf Provision, wenn der Unternehmer über eine rechtlich selbständige, jedoch von ihm beherrschte Gesellschaft Geschäfte mit Abnehmern des Bezirks des Bezirksvertreters tätigt.616 Ebenso besteht i. d. R. der Anspruch auf Bezirksprovision, falls sich der Unternehmer das Recht vorbehalten hat, im Bezirk tätig zu werden und nicht ausdrücklich festgelegt ist, wie auf diese Weise zustande gekommene Geschäfte provisionsmäßig zu behandeln sind.617 Extremfälle betreffen die Verpflichtung zur Leistung der Bezirksprovision nach ungerechtfertigter Kündigung des Unternehmers und nachfolgender Tätigkeitseinstellung des HV (ohne Abzüge nach § 615 S. 2 BGB)618 oder im Falle des früheren Wehrdienstes.619 In solchen Fällen sind die Grundsätze zur Schlechterfüllung oder des nicht erfüllten Vertrages zu prüfen (Rn 125 ff.). Sie greifen vor allem dann nicht ein, wenn der HV schuldlos untätig bleibt.620 Ein Rangverhältnis der Bezirksprovision zur Tätigkeits- oder Folgeprovision besteht 109 nicht.621 Vor Zubilligung einer Bezirksprovision muss also nicht geprüft werden, ob der Tatbestand der Tätigkeits- oder Folgeprovision erfüllt ist. Soweit der Bezirksvertreter in seinem Bezirk eigene Vermittlungstätigkeit ausübt, hat er die Provision bereits nach Abs. 1 S. 1 in der einen oder anderen Alt. zu beanspruchen.622 Eine zusätzliche Bezirksvertreterprovision wird da-

607 Oetker/Busche5 § 87 Rn 21. 608 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 59. 609 EuGH, Urt. v. 12.12.1996 – C-104/95, „Kontogeorgas/Kartonpak“, EuGHE 1996 I, 6643, Rn 16–19 = EuZW 1997, 248 m. Anm. Klauer St. Galler Europarechtsbriefe 1997, 27; Habersack/Martínez Sanz EWS 1997, 289; Fock ZEuP 1998, 354. 610 BGH BB 1978, 1137; Hopt § 87 Rn 31. 611 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 56; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 22. 612 OLG Nürnberg MDR 1982, 324; Hopt § 87 Rn 26; Oetker/Busche5 § 87 Rn 22. 613 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 86; Oetker/Busche5 § 87 Rn 24. 614 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 86; Oetker/Busche5 § 87 Rn 24; aA Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 59, der im Zweifel die Provisionspflicht nicht auf Direktgeschäfte des Unternehmers erstrecken will: Aber das Provisionsrecht gilt umfassend, Abgrenzungsschwierigkeiten sollen durch die Bezirksabrede gerade vermieden werden. 615 EuGH, Urt. v. 12.12.1996, EuZW 1997, 248 (249); BGH, Urt. v. 18.11.1957, NJW 1959, 180; Hopt § 87 Rn 35; Oetker/ Busche5 § 87 Rn 24; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 89. 616 BGH, Urt. v. 30.1.1981 – I ZR 17/79, NJW 1981, 1785; Ensthaler/Genzow § 87 Rn 13. 617 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 86. 618 BGH BB 1992, 1162; Hopt § 87 Rn 31. 619 OLG Hamm HVR Nr. 964; Hopt § 87 Rn 31. 620 Siehe BGHZ 41, 295; OLG Braunschweig BB 1993, 2113; Hopt § 87 Rn 31. 621 AA Westphal I Rn 493. 622 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 73. 913

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neben nicht fällig; es gibt keine Kumulation beider Provisionen.623 Der Unterschied hat nach Ansicht derjenigen, welche die Ausgleichspflicht der Bezirksvertreterprovision ablehnen, Bedeutung für den Ausgleichsanspruch, zudem bei differierenden Provisionssätzen.624 Die Auslösung des Anspruchs auf Bezirksprovision ist jedoch regelmäßig am leichtesten feststellbar. Deshalb kann der HV seinen Anspruch auf § 87 Abs. 2 stützen, muss dies jedoch nicht. Er darf sich auch nachträglich auf den konkurrierenden Anspruch berufen. 110 Der mit der Bezirksvertretung gewährte Provisionsschutz endet nach seinem Zweck dort, wo nicht Geschäfte auf dem freien, der Vermittlungstätigkeit des HV geöffneten Markt in Rede stehen. Deshalb ist eine Warenabgabe des Unternehmers an Belegschaftsmitglieder – Beispiel Jahreswagen – nicht provisionspflichtig,625 soweit sie der persönlichen Bedarfsdeckung der Mitarbeiter dient und ohne Zwischenschaltung von Groß-, Zwischen- oder Einzelhändler durchgeführt wird.626 Auch hat das RG627 die Bezirksprovision versagt in einem Falle, im welchem der Unternehmer, der in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, Notverkäufe zur außergerichtlichen Schuldenabwicklung abgeschlossen hatte. Hierbei muss es sich um einen Ausnahmefall handeln. 111 Der Unternehmer darf, wenn der Bezirksvertreter durch einen von dritter Seite verschuldeten Unfall ausfällt, nicht etwa vom Bezirksvertreter Abtretung der Ersatzansprüche gegen den Schädiger im Umfange der gezahlten Bezirksprovisionen verlangen: die Bezirksprovision ist auch unter diesem Gesichtspunkt tätigkeits- und „unfallunabhängig“.628

112 c) Belegenheit des Kunden. Um die Provisionspflicht auszulösen, muss der bestellende Kunde seinen Geschäftssitz im Bezirk des HV haben.629 Das soll in erster Linie wirtschaftlich zu verstehen sein.630 Gemeint ist die Bezirksansässigkeit des Kunden, also des Rechtsträgers, für den der Bestellende handeln will.631 Der Leistungs- und Erfüllungsort sind hingegen ebenso irrelevant632 wie die Eigentümer- oder Gesellschafterstellung beim Besteller.633 Wo und von wem die Vertragsverhandlungen geführt worden sind,634 wer das Kundengeschäft herbeigeführt hat,635 wo der Vertrag abgeschlossen worden ist,636 der Unternehmer zu erfüllen und wo-

623 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 73. 624 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 73; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 70. 625 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 101; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 68; Oetker/Busche5 § 87 Rn 25; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 95; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 35a. 626 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 68. 627 RGZ 140, 80. 628 BGHZ 41, 292. 629 BGH DB 1976, 2152; NJW 1958, 180 (zusammenfassend mit Nachweisung der vorangegangenen Rechtsprechung) Eberstein9 S. 80; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 82; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 83. 630 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 22/23. 631 Vgl. BGH, Urt. v. 26.11.1956 – II ZR 219/55, DB 1957, 19; v. 29.11.1956 – II ZR 241/55, BB 1957, 9; WM 1976, 1193; v. 9.6.1978 – I ZR 136/76, WM 1978, 982; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 66; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 25; Hopt § 87 Rn 27, 30; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 90, 91; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 32, 34a; vgl. auch Maier BB 1970, 1327 (1328). 632 BGH NJW 1958, 180; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 83. 633 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 85. 634 Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 32. 635 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 63; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 36; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 96. 636 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 23; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 114; Eberstein9 S. 80; Ebenroth/ Löwisch3 § 87 Rn 63; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 25; Hopt § 87 Rn 26. Emde

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hin er zu liefern hat,637 oder für wen die Lieferung, etwa bei einem Streckengeschäft, bestimmt ist,638 hat damit allenfalls indizielle Bedeutung.639 Der Abschlussort ist also grds. unerheblich: es können unter die Provisionspflicht auch Geschäfte fallen, die an dem nicht im Bezirk gelegenen Niederlassungsort des Unternehmers mit dem etwa zufällig anwesenden Kunden oder auch durch Briefwechsel zwischen dem Kunden und dem Unternehmer zustande kommen. Umgekehrt mag ein Geschäft im Bezirk geschlossen sein, und dann mit einem außerbezirklichen Kunden. Es ist dann für den Bezirksvertreter am Abschlussort nicht provisionspflichtig. Die verbindliche Weisung eines im Bezirk ansässigen Kunden an seine nicht bezirksangehörigen Niederlassungen, Betriebsteile oder beherrschte Unternehmen, ein Geschäft abzuschließen, reicht als TB-Voraussetzung der Provisionspflicht aus, falls der Angewiesene keine Entscheidungsfreiheit besitzt und nur die vorgegebenen Produkte bestellen darf.640 Das bleibt jedoch noch sehr allgemein. Da ein Rechtsträger z. B. nur einen Sitz weltweit haben 113 kann, wäre es ungerecht, dem HV nur aus diesem Grund für alle weltweiten Geschäfte Bezirksvertreterprovision zuzubilligen. Präziser und möglicherweise abweichend vom juristischen Sitz des Rechtsträgers kommt es daher letztlich darauf an, ob die Entscheidung zum Abschluss eines provisionspflichtigen Geschäfts üblicherweise im Bezirk getroffen wird, sich der HV, wenn er Tätigkeitsprovision verdienen wollte, also an diese Geschäftsstelle wenden würde. Dieser Ort des geschäftlichen Auftretens gegenüber dem HV dürfte gemeint sein, wenn ausgeführt wird, der Ort der tatsächlichen geschäftlichen Tätigkeit sei maßgeblich.641 Wird diese an verschiedenen Orten ausgeübt oder wird der HV in mehreren Hoheitsgebieten tätig, so können für die Feststellung des Schwerpunktes des vorgenommenen Geschäfts andere Elemente, namentlich der Ort, an dem die Verhandlungen mit dem HV erfolgt sind oder normalerweise hätten erfolgen müssen, der Ort, an den die Ware geliefert worden ist sowie der Ort der Niederlassung, die die Bestellung aufgegeben hat, berücksichtigt werden.642 Nur im Zweifel kommt es auf den Hauptsitz des Kunden an, bei juristischen Personen auf deren Sitz. Sofern dieser Sitz in einem öffentlichen Register eingetragen wird, ist für einen Zweifelsfall jene Eintragung maßgeblich. Bei Bestellungen für Unternehmensgruppen ist der Sitz desjenigen Unternehmens maßgeblich, welches als Besteller nach außen aufgetreten ist und für die Unternehmensgruppe handeln darf,643 bei selbständig abschließenden Filialen – diese brauchen nicht notwendig rechtlich selbständig zu sein – ist der bezirksgelegene Sitz der Filiale vorrangig, soweit der Bestellende wirtschaftlich besehen eine Bestellung für diese Filiale tätigen will.644 Bei Behördenaufträgen kommt es auf den Sitz der wirtschaftlich für den Abschluss maßgebenden Stelle und nicht auf den formellen Sitz der Behörde an.645 Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses (letzte Willenserklärung). Der Bezirksprovisionsanspruch besteht auch bei Abschluss mit einem bezirkszugehörigen Kunden, wenn die Liefe-

637 BGH WM 1976, 1193 = BB 1976, 1530 = DB 1976, 2152; NJW 1958, 180; OLG Düsseldorf WM 1970, 1284; Küstner/ Thume/Thume I, Kap. V Rn 81; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 63; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 25; Hopt § 87 Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 83, 90; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 32. 638 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 63. 639 Über die Auslegung einer Provisionsabrede hinsichtlich aller „für den Bezirk und aus dem Bezirk“ abgeschlossenen Geschäfte OLG Braunschweig LZ 1924, Sp. 4795. 640 OLG Stuttgart BB 1960, 753; Schröder DB 1963, 541 (543); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 66. 641 EuGH, Urt. v. 12.12.1996 – C-104/95, „Kontogeorgas/Kartonpak“, EuGHE 1996 I, 6643 = EuZW 1997, 248 Rn 25– 30 m. Anm. Klauer St. Galler Europarechtsbriefe 1997, 27; Thume IHR 2018, 231 (235); Habersack/Martínez Sanz EWS 1997, 289; Fock ZEuP 1998, 354. 642 EuGH, Urt. v. 12.12.1996 – C-104/95, „Kontogeorgas/Kartonpak“, EuGHE 1996 I, 6643 = EuZW 1997, 248 Rn 25– 30 m. Anm. Klauer St. Galler Europarechtsbriefe 1997, 27; Thume IHR 2018, 231 (235); Habersack/Martínez Sanz EWS 1997, 289; Fock ZEuP 1998, 354; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 83; Hopt § 87 Rn 26. 643 BGH, Urt. v. 18.6.1976 – I ZR 14/73, BB 1976, 1530 = DB 1976, 2152; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 82. 644 So schon BGH LM § 87 HGB Nr. 1; auch OLG Düsseldorf WM 1970, 1284; Eberstein9 S. 81; aA wohl OLG Stuttgart BB 1960, 753. 645 Eberstein9 S. 81. 915

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rung an irgendeinen Ort außerhalb des Bezirkes geht.646 Beim „Streckengeschäft“, bei welchem der Besteller den Lieferanten veranlasst, die Ware unmittelbar an seinen Kunden mit Sitz außerhalb des Bezirkes zu liefern, kommt es somit allein auf die Belegenheit des Bestellers an.647 Hingegen reicht es für die Bezirksprovision nicht aus, dass ein Kunde mit Sitz außerhalb des Bezirks die Ware unverzüglich an einen geschützten Kunden im Bezirk des HV weiterveräußert, auch wenn der Unternehmer dies weiß.648 Diese Anknüpfung ausschließlich an den Besteller und damit leicht feststellbare äußere Merkmale dient der Praktikabilität649 und der Rechtsklarheit.650 Bei nur vorübergehendem Aufenthalt des Kunden im Bezirk651 ist zu unterscheiden: Unterhält der Kunde während des Abschlusses und der Ausführung des Kundengeschäfts eine selbständig agierende Filiale im Bezirk, entsteht eine Bezirksvertreterprovision, anderenfalls nicht. Es kann aber Tätigkeitsprovision des vermittelnden HV verdient sein. 114 Dagegen fallen regelmäßig nicht unter Abs. 2 Geschäfte, die zwar räumlich in dem Bezirk, aber nicht mit Kunden aus dem Bezirk geschlossen werden;652 weiter nicht Geschäfte, die von einem im Bezirk wohnenden Kommissionsagenten653 des Unternehmers im eigenen Namen, aber für Rechnung des Unternehmers mit Kunden, die außerhalb des Bezirks wohnen, vereinbart werden;654 das Gleiche gilt für Geschäfte, für deren Abschluss der Partner seinerseits durch einen im Bezirk residierenden HV für einen außerbezirklichen Kunden vertreten ist. Mit Verlegung des Sitzes eines Bezirkskunden an einen Ort außerhalb des Bezirks endet die Provisionspflicht nach Abs. 2 für danach geschlossene Geschäfte.655 Gleiches gilt, falls der Kunde dazu übergeht, Bestellungen zentral durch eine außerhalb des Bezirks ansässige Person aufzugeben.656 Eine abweichende Vereinbarung darf getroffen werden; Korrekturen nach § 242 BGB können angebracht sein. 115 Schwierigkeiten bereiten etwa Messegeschäfte.657 (1) Nach einer Ansicht soll unerheblich sein, wer das Geschäft herbeigeführt hat und in wessen Bezirk die Messe veranstaltet wird658: Anspruch auf Provision für während einer Messe vermittelte oder abgeschlossene Geschäfte habe der Bezirksvertreter, zu dessen Bezirk oder Kundenkreis der Messekunde gehört,659 selbst wenn er messeabwesend ist.660 Zwar habe grds. auch der vermittelnde HV Anspruch auf Tätigkeitsprovision nach Abs. 1. Diese sei jedoch meist stillschweigend ausgeschlossen. Das gemeinsame Tätigwerden der HV auf dem Messestand trage im Zweifel die stillschweigend getroffene Übereinkunft in sich, dass bei Abschlüssen mit von der Bezirksabrede geschützten Kunden die Provision in voller Höhe dem nach Abs. 2 berechtigten HV zustehen soll.661 So soll es nach

646 Westphal I Rn 496. 647 BGH, Urt. v. 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180 = HVR Nr. 175; OLG Bamberg, Urt. v. 17.12.1999 – 6 U 41/ 99, HVR Nr. 936; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 83. 648 BGH, Urt. v. 11.7.1960 – VII ZR 225/59, BB 1960, 956; Hopt § 87 Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 84; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 32. 649 Westphal I Rn 496. 650 BGH, Urt. v. 18.6.1976 – I ZR 14/73, BB 1976, 1530 = DB 1976, 2152; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 82. 651 Vgl. hierzu Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 64; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 32. 652 Schröder DB 1963, 543 für den Fall, dass der Bezirksvertreter eine Ausstellung von Mustern veranstaltet und bezirksfremde Ausstellungsbesucher bei ihm bestellen. 653 RGZ 69, 363; vgl. auch den spiegelbildlich gelagerten Fall LG Bochum BB 1958, 895. 654 RG Recht 1924 Nr. 659. 655 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 67. 656 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 67. 657 Siehe KG BB 1969, 1062 = HVR Nr. 397; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 134 ff. 658 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 65. 659 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 98; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 65; Hopt § 87 Rn 21; Oetker/ Busche5 § 87 Rn 26 – stillschweigende Abrede; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 93. 660 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 98; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 65. 661 KG BB 1969, 1062 = HVR Nr. 397; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 98; Hopt § 87 Rn 35 (Teamvereinbarung); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 65; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 93, 94. Emde

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einem Gutachten der IHK Düsseldorf662 im Bereich der Kammer üblich sein, dass Ausstellungsund Messeaufträge einen Provisionsanspruch für den HV begründen, in dessen Bezirk der Kunde seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hat. Ein Gutachten der IHK Essen663 kam gleichfalls zu dem Ergebnis, dass – sofern nichts Gegenteiliges vereinbart sei – der Provisionsanspruch davon abhänge, ob der Abnehmer im Bezirk des Bezirksvertreters sein Geschäftsitz habe. (2) Man könnte aber auch eine stillschweigende Teilungsabrede annehmen, nach der dann, wenn ein HV Geschäfte mit Kunden aus dem Bezirk eines anderen Bezirksvertreters aufgrund der mehrseitigen Abrede zwischen Vertretern und Unternehmer tätigt, derjenige HV, der gerade auf dem Messestand beschäftigt ist, den jeweiligen Interessenten bewirbt und Tätigkeitsund Folgeprovision gewinnt.664 Auch ausgleichsrechtlich hat der werbende HV diesen Kunden als Neukunden geworben. Letztlich wird es auf den Einzelfall ankommen. Die Bezirksgebundenheit der Provision kann zu Provisionskonkurrenzen führen.665 Der Grundsatz ist auch hier, dass jeder HV, der einen Provisions-TB erfüllt, die volle, ungekürzte Provision erhält, sofern es keine ausdrückliche oder stillschweigende Teilungsabrede gibt. Das gilt auch im Verhältnis mehrerer Bezirksvertreter zueinander.666 Dies lässt sich wie folgt exemplifizieren: aa) In einem Konzern können die verbundenen, rechtlich selbständigen Unternehmen unabhängig voneinander das gleiche Interesse an einem bestimmten Produkt besitzen, für das sie von je ihrem zuständigen Bezirksvertreter gewonnen worden sind; die Bestellungen und die Entscheidung über diese Bestellung erfolgen zentral durch das von der Konzernleitung dafür bestimmte Tochterunternehmen, welches seinen Sitz in dem Bezirk eines anderen Bezirksvertreters hat (das Beispiel lässt sich auch auf Filialunternehmen mit alleiniger Bestellzuständigkeit der Zentrale umdenken). Bei Bestellung von Unternehmensgruppen ist auf den Sitz des Unternehmens abzustellen, welches als Besteller nach außen hin aufgetreten ist.667 Wird außerhalb des Bezirks bestellt, jedoch an Filialen im Bezirk geliefert, so ist lediglich der HV, in dessen Bezirk die bestellende Hauptniederlassung ihren Sitz hat, als Bezirksvertreter ungekürzt provisionsberechtigt.668 Eberstein669 diskutiert für diesen Fall eine Provisionsteilung mit dem Bezirksvertreter der Zentrale. bb) Werden die Bestellungen aber von selbständig über den Geschäftsabschluss entscheidungsberechtigten Filialen aufgegeben, entsteht ein ungekürzter Bezirksprovisionsanspruch des HV, zu dessen Bezirk die Filiale gehört.670 Dabei spielt es keine Rolle, dass Vertragspartner der Unternehmensträger671 ist und bspw. die Aufträge „im Namen und für Rechnung der Hauptniederlassung“ erteilt werden. Denn es bleibt dabei, dass die Tätigkeit der Zweigniederlassung für den Auftrag kausal wurde.672 Der HV hätte sich an die Filiale, nicht die Hauptniederlassung, gewandt, wenn er Tätigkeitsprovision hätte verdienen wollen. cc) Der Kunde verlegt seinen Sitz in den Bezirk eines anderen Bezirksvertreters. Beim ersten HV entsteht Bezirksvertreterprovision für bis zum Sitzwechsel abgeschlossene Geschäfte,

662 663 664 665 666 667 668

Urt. v. 1.9.1959, HVR Nr. 228. Urt. v. 29.1.1950, HVR Nr. 19. Zu solchen Fällen Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 134 ff.; s. a. Hopt § 87 Rn 21. Vgl. Schröder DB 1963, 541 ff. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 92. BGH LM § 87 HGB Nr. 5; OLG Stuttgart BB 1960, 753; Westphal I Rn 497; Schröder DB 1963, 541 ff. BGH BB 1957, 1250; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 116; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 93. 669 9. Aufl., S. 82. 670 BGH BB 1957, 9; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 117; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 93; Westphal I Rn 497. 671 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 93. 672 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 117. 917

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beim zweiten für alle nach dem Sitzwechsel geschlossenen Geschäfte.673 War der Kunde von dem HV seines früheren Bezirks geworben worden, so soll nach einer Ansicht für Nachbestellungen aus dem neuen Bezirk nunmehr beiden Vertretern die volle Provision zustehen, dem ersten als Folgeprovision, dem zweiten als Bezirksvertreterprovision.674 Es liegt nahe, dass in dieser Konstellation mit geringem Aufwand eine Teilungsabrede gefunden werden kann, notfalls analog § 87 Abs. 3 S. 2. 120 dd) Der Bezirksvertreter wechselt seinen Bezirk (zum Rotationsvertrieb s. o. und Kommentierung zu § 89b). Sofern der Bezirkswechsel nicht ausdrücklich vereinbart war, lösen sich diese Fälle durch die Einordnung als eines (partiellen) Erlöschens des HV-Verhältnisses für den alten und der Begründung eines anderweitigen für den neuen Bezirk675 bzw. eines Vertragswechsels, was zumindest eine konkludente Vereinbarung des Wechsels voraussetzt. Ob regelmäßig stillschweigend vereinbart ist, dass der einen Bezirk wechselnde Bezirksvertreter erworbene Provisionsanwartschaften nach Abs. 1 S. 1 verliert, soweit der Unternehmer dem Nachfolger im Bezirk für diese Geschäfte Provision nach Abs. 2 zu leisten hat, erscheint entgegen Staub/Brüggemann 4. Aufl. und weiteren Stimmen676 zweifelhaft. Der Ausgleichsanspruch aus § 89b bietet keine Kompensation. Richtigerweise würde ein solches Verständnis zwei Bedingungen voraussetzen: Zum ersten einen zulässigen Bezirkstausch, was zumindest eine vertragliche Regelung voraussetzt, und zum zweiten eine dahingehende ausdrückliche Vereinbarung. Ansonsten bleibt es bei einem Anrecht des Wechselnden auf Folgeprovision nach Abs. 1 S. 1 Alt. 2.677 121 ee) Der Bezirksvertreter veranlasst einen bezirksansässigen Kunden, er möge bei seinem bezirksauswärtigen Zulieferer darauf hinwirken, dass jener gewisse, zum Fertigungsprogramm desselben Unternehmers gehörige Artikel beim Unternehmer unmittelbar bestellt. Letzteres geschieht. Nach Schröder678 soll alsdann die Provision sowohl dem Bezirksvertreter für den Kunden wie dem Bezirksvertreter für den Zulieferer zustehen, da die Tätigkeit des ersteren mitursächlich für die Bestellung geworden sei. Hier hat der Bezirksvertreter, was die Bestellung des Zulieferers anlangt, sich außerhalb seines Bezirks betätigt, so dass eine Provision nach den Rn 101 gebildeten Maßstäben nur anfällt, wenn der HV außerhalb seines Gebietes tätig werden durfte. 122 ff) Ändert sich die Bestellpraxis eines Konzerns dahingehend, dass statt der Filialen nur noch eine im Bezirk eines HV ansässige Filiale oder Niederlassung bestellt, kann es unter dem Gesichtspunkt der wechselseitig in einem Vertriebssystem bestehenden Treupflichten die Pflicht des HV sein, einem neuen Verteilungsschlüssel zu Gunsten der anderen HV zuzustimmen.

123 d) Höhe der Provision. Angaben zur Höhe des Provisionssatzes muss der Bezirksvertretervertrag nicht beinhalten. § 87b gilt auch hier. Im Zweifel gibt die vereinbarte Höhe der Folgeprovision als ähnlich kausalitätsunabhängige Vergütung ein Indiz zur Höhe der gewollten Bezirksvergütung, hilfsweise die Höhe des für die Tätigkeitsprovision vereinbarten Provisionssatzes.679 Mangels abweichender Vereinbarung ist die Bezirksprovision für Geschäfte mit sämtlichen als Abnehmer in Betracht kommenden potentiellen Kunden des zugewiesenen Bezirks oder Kundenkreises zu gewähren, unabhängig davon, wer diese Kunden geworben hat680 und ob es

673 OLG Nürnberg BB 2001, 1169; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 94; Hopt § 87 Rn 35; Oetker/ Busche5 § 87 Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 92; für Teilung LG Düsseldorf HVR Nr. 16. 674 Schröder DB 1963, 541 gegen Wessel BB 1962, 473; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 94; Hopt § 87 Rn 35; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 92; für Teilung LG Düsseldorf HVR Nr. 16. 675 Ähnlich Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 14a. 676 So Schröder DB 1963, 541; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 69. 677 Hopt § 87 Rn 35. 678 Schröder DB 1963, 543. 679 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 61; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 39. 680 Schröder DB 1962, 378 (379); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 60. Emde

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sich um Endabnehmer, Zwischenhändler oder weiterverarbeitende Betriebe handelt,681 sofern nicht einzelne Kunden oder Personengruppen ausdrücklich ausgenommen wurden.682 Der tatsächliche Umsatz mit den geschützten Kunden im anspruchsbegründenden Zeitraum bleibt auch dann Bemessungsgrundlage der Provision, wenn der Unternehmer, seine Angestellten oder andere HV zu diesem Umsatz (wesentlich oder ausschließlich) beigetragen haben.683

6. Beweislast Auch weil es sich bei der Bestellung zum Bezirksvertreter um eine Ausnahme von der Regel 124 handelt, muss sie derjenige, der sich auf die Bestellung beruft, beweisen. Gleiches gilt für die Provisionshöhe. Bei verbleibenden Unklarheiten spielt auch eine Rolle, wer den Vertrag formuliert hat und damit das Formulierungsrisiko trägt.

7. Schlechterfüllung der Bezirksbetreuung/Gegenrechte des Unternehmers Die Zuweisung des Bezirks oder des Kundenkreises verpflichtet den HV, dem zugewiesenen Be- 125 reich die besondere und kontinuierliche vertreterische Pflege angedeihen zu lassen684 und seinen Teil der Gegenleistung zu erbringen (s. o.), da nur diese besondere Betreuung eine Bezirksvertreterprovision rechtfertigt. Daraus folgt, dass der Bezirksvertreter jene Dienste auch tatsächlich erbringen muss.685 Die Nichterbringung führt aber nicht ipso iure zum Wegfall der Verpflichtung, Bezirksprovision zu leisten.686 Vielmehr muss der Unternehmer die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) erheben oder es entsteht ein Gegenanspruch auf Schadenersatz nach § 280 BGB.687 Beide Ansprüche sind vom Unternehmer (der Schadenersatz etwa im Wege der Aufrechnung gegen die Provisionsforderungen) geltend zu machen und zu beweisen. Eine mangelnde Bezirksbetreuung kann verschuldet oder unverschuldet sein, ersteres etwa 126 bei mangelnder Pflichterfüllung, letzteres z. B. im Falle einer behördlichen Anordnung (Corona), Krankheit, Arbeitsunfähigkeit oder eines Unfalls.688 Unsicher ist, welche Folgen das hat. Teilweise wird davon ausgegangen, der HV verliere gem. § 320 BGB,689 §§ 275, 323 BGB,690 § 326 BGB, §§ 162, 242 BGB691 oder im Wege der Aufrechnung mit einem Schadenersatzanspruch nach § 280 BGB den Anspruch auf Bezirksprovision.692 Dabei soll die Einrede des nicht erfüllten Vertrages dem Provisionsanspruch nur entgegengehalten werden können, wenn der Bezirksvertreter jedwede Tätigkeit unterlassen hat, nicht aber schon dann, wenn dessen Bemühungen nicht ausreichten. Daran ist richtig, dass die Einrede nach § 320 BGB, schon um die Unabhängigkeit der Provisionspflicht von einer konkreten Tätigkeit, den Abstand zur Provision nach Abs. 1 und das Verschuldenserfordernis eines zur Aufrechnung gestellten Schadenersatzanspruchs nicht zu sehr zu negieren, in erster Linie in Evidenzfällen eingreift. Daher werden Lösungen weniger über die 681 OLG Nürnberg MDR 1982, 324 = VersR 1982, 1099. 682 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 60. 683 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 61; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 96; aA.OLG Düsseldorf NJW 1959, 52.

684 685 686 687 688 689 690

OLG München NJW-RR 2003, 401 (402). AA wohl Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 91. Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 26. Hopt § 87 Rn 32. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 94. OLG Stuttgart BB 1970, 1112. Hiergegen OLG Braunschweig, Urt. v. 17.6.1993 – 2 U 36/93, NJW-RR 1994, 34 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 9.4.1964 – VII ZR 123/62, BGHZ 41, 292 (295); Röhricht/Graf v. Westphalen/Küstner2 § 87 Rn 21. 691 OLG Hamm NJW 1959, 677. 692 OLG Nürnberg BB 1969, 933. 919

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Einrede nach § 320 BGB gesucht werden können (sie ist aber nicht ausgeschlossen und kann es angesichts ihrer gesetzlichen Normierung auch nicht), als über den angesichts der einzelfallbezogenen Höhe gerade bei der Teileinstellung und fehlendem Verschulden passendere Lösungen bietenden Schadenersatzanspruch nach § 280 BGB. Ersparte Aufwendungen muss sich der HV regelm. nicht anrechnen lassen.693 Daraus ergibt sich, dass die Bezirksvertreterprovision in erster Linie bei verschuldeter Untätigkeit entfällt, nämlich infolge einer Aufrechnung mit dem Schadenersatzanspruch – die allerdings erklärt werden muss, notfalls konkludent. Ein Schadenersatzanspruch setzt Verschulden voraus, während Vertretenmüssen weder im Rahmen des § 320 BGB noch der §§ 162, 242 BGB ein anspruchsbegründender Umstand wäre. Die schuldhafte Schlechterfüllung der Bezirksbetreuung ist eine Vertragsverletzung, die gem. § 280 BGB zum Schadenersatz berechtigt.694 Eine verschuldete Pflichtverletzung liegt auch nach lang anhaltender Erkrankung vor, sofern der HV nicht für die geeignete Wahrnehmung der Agenturgeschäfte durch eine geeignete Vertretung sorgt,695 was seine Vertragspflicht wäre. Eine nicht genügend sorgfältige Betreuung des Bezirks berührt den Anspruch auf die Bezirksprovision hingegen auch bei Verschulden wohhl noch nicht.696 Eine unverschuldete Untätigkeit lässt die Bezirksprovision im Zweifel697 zumindest bei vorübergehender Untätigkeit698 bestehen. Das gilt etwa bei krankheitsbedingter Schlechterfüllung.699 Die vorübergehende Unterbrechung der Tätigkeit (Unfall, zeitweilige Erkrankung) berührt den Anspruch gleichfalls nicht.In der Bezirksprovision steckt ja stets ein Stück Abgeltung für vorgetane Arbeit. Je nach getroffener Abrede (Recht des Bezirksvertreters auf Exklusivität? Alleinvertreterabrede?, s. u.) nur nach Zustimmung des HV oder nach außerordentlicher Kündigung des Vertrages darf der Unternehmer selbst für eine anderweitige Betreuung des Bezirks Sorge tragen und möglicherweise die Interimsvertretung einem HV des Nachbarbezirks übertragen, er wird diesem je nach Vereinbarung Provision nach § 87 Abs. 1 oder Bezirksprovision schuldig, die eine Schadensposition bildet. Direktgeschäfte und damit ein direktes Eingreifen des Unternehmers sind zulässig, sofern sie nicht vertraglich ausgeschlossen sind. Ausnahmsweise kann der Anspruch auf Bezirksprovision nach § 242 BGB entfallen (Verwirkung).700 Dieser Anspruch konkurriert mit den eigentlich sachnäheren §§ 320, 280 BGB. Beispiele: Der HV verwirkt den Anspruch auf die Bezirksprovision, wenn er der Weisung des Unternehmers, sich um ein bestimmtes Geschäft mit einem bezirkseingesessenen Interessenten angemessen zu kümmern, nicht nachkommt und der Unternehmer daraufhin gezwungen ist, das Geschäft direkt abzuschließen;701 der HV arglistig Mühe und Kosten auf den Unternehmer abschiebt, weil er die Provision ohnehin erhält702 und schließlich, wenn er jede Tätigkeit für den Unternehmer (zumindest grundlos703) unterlässt, nicht jedoch schon bei unzureichenden Bemühungen.704 Da die Bezirksprovision eine einheitliche Gegenleistung für die vom HV ge693 BGH, Urt. v. 12.3.1992, NJW-RR 1992, 1059 (1060); v. 18.6.1959, NJW 1959, 1490; OLG Köln, Urt. v. 30.6.1981, HVR Nr. 565; Oetker/Busche5 § 87 Rn 24. 694 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 96; Hopt § 87 Rn 32; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 28. 695 Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 38. 696 BGHZ 41, 292 (295); BGH BB 1970, 1112. 697 OLG Stuttgart BB 1970, 1112. 698 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 96. 699 BGH, Urt. v. 9.4.1964, NJW 1964, 1622 (1623); OLG Braunschweig BB 1993, 2113 = NJW-RR 1994, 34 (35); Flohr/ Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 96; Oetker/Busche5 § 87 Rn 24. 700 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 96; Oetker/Busche5 § 87 Rn 24. 701 OLG Hamm NJW 1959, 677; Hopt § 87 Rn 33. 702 RGZ 109, 256; Hopt § 87 Rn 33. 703 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 96. 704 OLG Stuttgart BB 1970, 1112; Hopt § 87 Rn 33. Emde

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schuldeten Bemühungen bildet, ist eine Aufteilung der Gegenrechte nach unpassenden Zeitabschnitten oder einzelnen Kunden grundsätzlich unzulässig und willkürlich705 und muss auch bei Untätigkeit des HV ausscheiden.706 Die nachhaltige Untätigkeit ermöglicht – auch ohne Verschulden, weil hier die Unzumut- 131 barkeit genügt – nach ergebnisloser Abmahnung (§ 314 BGB) eine außerordentliche Kündigung des Gesamtvertrages707 und in Ausnahmefällen a maiore ad minus wohl auch eine eigentlich unzulässige Teilkündigung der Bezirksvertreterabrede. Erfolgt die Kündigung nicht wegen schuldhaften Verhaltens des HV, begründet die (Teil)Kündigung einen Ausgleichsanspruch gem. § 89b. Die Berechnung des nach einer solchen Teilkündigung entstehenden Ausgleichs ist nicht unkompliziert, weil die verbleibenden Vorteile durch Tätigkeiten und Folgeprovision zu berücksichtigen sind. Am sinnvollsten ist die Berechnung auf der Basis der Bezirksprovision des letzten Vertragsjahres mit neu geworbenen Stammkunden und erweiterten Altstammkunden, abzüglich von Tätigkeitsprovisionen und Folgeprovisionen. Eine Schätzung nach § 287 ZPO wird zulässig sein, zudem ein Billigkeitsabschlag für die verbleibenden Vorteile infolge der Fortsetzung des Vertrages als „normaler“ HV-Vertrag.

8. Schlechterfüllung des Bezirksvertreterversprechens durch den Unternehmer Sperrt der Unternehmer dem Bezirksvertreter vertragswidrig den Bezirk, z. B. indem er ihm die Tä- 132 tigkeit unmöglich macht (Rundschreiben an die Kunden), so wird er dem HV nach § 280 BGB schadensersatzpflichtig; der Schadensersatz besteht mindestens in den entgehenden Bezirksprovisionen. Der Anspruch steht in Konkurrenz zu dem aus § 87 Abs. 2; der Unternehmer schuldet die Bezirksprovision für tatsächlich getätigte Geschäfte. Eine auf die „Sperrung“ oder mangelnde Information folgende Untätigkeit des HV kann ihm nicht vorgeworfen werden. Nach OLG Düsseldorf NJW 1959, 52 soll dann freilich der HV nur Anspruch auf diejenigen Provisionen haben, die sich bei normaler Betreuungsarbeit im Bezirk ergeben hätten; eine außergewöhnliche Steigerung durch einen zwischenzeitlich eingesetzten Nachfolgevertreter könne ihm nicht wohl zugute kommen. Dies ist eine Frage der Vertragsauslegung sowie des § 242 BGB. An die Bezirksvertreterprovision mögen sich Unternehmer häufig nicht erinnern, wenn die Geschäfte gut laufen. Dann werden Direktgeschäfte am HV vorbei getätigt, was als Vertragsverletzung708 nicht nur zur Provisionspflicht, sondern auch zu Ansprüchen aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB führt.

9. § 87 Abs. 2 S. 2: Provisionsvorrang des ausgeschiedenen HV In gleicher Weise wie bei Abs. 1 S. 2 (s. o) ist die Bezirksprovision insoweit ausgeschlossen, als 133 sie einem ausgeschiedenen HV nach Abs. 3 zusteht. Auch insoweit zeigt sich der Vorrang des Provisionsanspruches des Vorgängers, was Ausdruck einer generellen Regel ist. Die Regelung bezieht sich hauptsächlich auf Fälle, in denen der ausgeschiedene Bezirksvertreter die Vermittlung eines Geschäfts durch persönliche Tätigkeit bis zu seinem Ausscheiden überwiegend gefördert hatte und unter der Ära seines Nachfolgers in der Bezirksvertretung der Unternehmer das Geschäft direkt abschließt. Dann soll die Provision nicht dem Nachfolger als Bezirksprovision zustehen, sondern nur dem Vorgänger als Tätigkeitsprovision nach Abs. 1 S. 1, 1. Alt. (würde der Nachfolger sich in der Endphase in die Vermittlung persönlich eingeschaltet haben, stünde ihm die Provision gleichfalls nicht zu). Denkbar sind aber auch Fälle, die so 705 BGHZ 41, 292 (295, 296); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 13. 706 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 13. 707 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 96; Hopt § 87 Rn 32; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 28. 708 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 80. 921

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liegen, dass der früher tätig gewordene HV ein bezirklich nicht gebundener gewesen war oder dass der frühere HV in seinem Bezirk tätig geworden war und der Abschluss des Geschäfts infolge Umgliederung der Bezirke in den neu gebildeten Bezirk fällt. Diese letztgenannte Fallgruppe der Bezirksumgliederung einschließlich des Bezirkstausches unterfällt ebenfalls der Regelung des Abs. 3; sie zeigt aber die Besonderheit, dass der früher zuständig gewesene und als solcher tätig gewordene Bezirksvertreter, dem nur im Fall einer überwiegend gewordenen Beteiligung an den Vermittlungsbemühungen die Provision nach Abs. 3 zustünde, immer berechtigt (wenn auch nicht verpflichtet) bleiben muss, trotz des Zuständigkeitswechsels die alte Vermittlung zu Ende zu führen. Überall gilt: Wo schon der Nachfolger trotz eigener Tätigkeit die Provision im Verhältnis zum Vorgänger und angesichts dessen überwiegender Vorarbeiten nicht mehr soll verdienen können (Abs. 1 S. 2), kann ihm die Provision angesichts einer solchen Vorarbeit des Vorgängers erst recht nicht als reine Bezirksprovision zufallen. Hingegen kommt er in den Genuss der Provision als Bezirksprovision, sobald die Voraussetzungen eines Vorrangs des Vorgängers nach Abs. 3 nicht gegeben sind und der Vorgänger damit als provisionsberechtigt überhaupt ausfällt.

10. Dispositivität 134 Auch § 87 Abs. 2 ist dispositiv.709 Aus Art. 7 Abs. 2 RL folgt nichts Abweichendes.710 Das ergibt auch ein Umkehrschluss aus der Entstehungsgeschichte der RL. In Art. 35 des Vorschlags einer RL711 war die Regelung noch zwingend ausgestaltet. In der endgültigen RL entfiel diese Regelung und es wurde lediglich in einzelnen Bestimmungen die zwingende Natur statuiert.712

11. Alleinvertreter 135 Von der Bezirksvertretung ist die Alleinvertretung oder der Alleinvertrieb zu unterscheiden.713 Zu den beiden letztgenannten Vertragstypen s. Kommentierung zu § 84. Die Einräumung einer Bezirksvertretung bedeutet noch nicht die Einräumung eines Alleinvertretungsrechts für den Bezirk714 (das eine schließt das andere nicht zwingend aus715) sondern muss zumindest stillschweigend und hinreichend deutlich vereinbart werden.716 Umgekehrt muss der Alleinvertreter nicht immer Bezirksvertreter sein, ist es jedoch oft. Einzelheiten s. Kommentierung zu § 84.

S. Allgemein: Provisionskollisionen 136 Provisionskollisionen können in mannigfaltiger Hinsicht, auch zwischen zeitgleich agierenden HV desselben Vertriebssystems, eintreten, von denen keiner ausscheidet. Insoweit ist auf § 87 709 BGH, Beschl. v. 24.4.2014 – VII ZR 163/13, NJW 2014, 1735 = DB 2014, 1428 = WM 2014, 1196 Rn 11 f.; Meyer ZVertriebsR 2014, 352 (354); MünchKomm HGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 99; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 102; Hopt § 87 Rn 48; Roth in: Koller/Roth/Morck, § 87 Rn 3. 710 BGH, Beschl. v. 24.4.2014 – VII ZR 163/13, NJW 2014, 1735 = DB 2014, 1428 = WM 2014, 1196 Rn 12. 711 ABl. 1977 C 13, 2. 712 ABl. 1977 C 13, 2. 713 BGH DB 1961, 601; Hopt § 87 Rn 24; Oetker/Busche5 § 87 Rn 23. 714 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 22; Schröder BB 1962, 738 (739); Peterek BB 1966, 351; Flohr/Wauschkuhn/ Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 79; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 56; Oetker/Busche5 § 87 Rn 23; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 80; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 31d. 715 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 79; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 81. 716 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 56. Emde

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Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 (hierzu s. o.) und Abs. 3 zu verweisen. Hierin liegt ein stark umstrittenes Problem. Provisionskollisionen können nur enstehen, wenn jeder der beteiligten HV seine Tätigkeit im Verhältnis zum Unternehmer befugt entfaltet hat. Es scheiden etwa Fallgegebenheiten aus, in denen ein Bezirksvertreter sich unzulässigerweise außerhalb seines ihm zugewiesenen Bezirks oder Kundenkreises oder des ihm zur Vertretung ausschließlich zugewiesenen Sortiments vermittelnd betätigt hat. Beispiele solcher Provisionskonkurrenzen bilden das bereits oben, unter Rn 115 ff., dargestellte Zusammenwirken mehrerer HV bei der Herbeiführung eines Geschäftes,717 z. B. Mitursächlichkeit bei der Herbeiführung des Geschäftsabschlusses.718 Oder der Unternehmer lässt eine Mehrzahl nicht bezirklich oder ressortmäßig gebundener HV konkurrierend tätig werden: Der Unternehmer lässt z. B. neben einem HV für den zugewiesenen Bezirk oder Kundenkreis auch bezirklich oder ressortmäßig ungebundene HV tätig werden, und einer jener hat das Geschäft mit dem bezirksansässigen oder kundenkreiszugehörigen Kunden vermittelt. So kann die Tätigkeitsoder Bezirksprovision des einen HV für den anderen ein Folgegeschäft darstellen, da er den Kunden vorher für Geschäfte der gleichen Art geworben hatte. Oder die Bezirksprovision eines HV mag die Tätigkeitsprovision eines anderen darstellen.719 Auch kann auf einem Messestand des Unternehmers ein HV Geschäfte mit Kunden tätigen, die im Bezirk eines anderen Bezirkvertreters ansässig sind (dazu Rn 115 ff.). Schließlich können Geschäftsabschlüsse mit Hauptniederlassung und deren Filialen ebenfalls zu Provisionskollisionen führen.720 Beispiele s. o., Rn 115 ff. Endlich können zwei nicht tätigkeitsgebundene Provisionsansprüche konkurrieren, nämlich solche aus Nachbestellungen mit Bezirksprovisionen. Beispiel: In dem Bezirk bzw. Kundenkreis eines hierfür eingesetzten HV fallen Geschäfte mit bezirksansässigen oder kundenkreisgehörigen Kunden an, die sich als reine Nachbestellungen darstellen, nachdem der zugrundeliegende Erstauftrag von einem anderen, für diesen Bezirk (Kundenkreis) nicht zuständigen, aber damals zuständig gewesenen HV (Sitzverlegung des Kunden, nicht allerdings Bezirkswechsel des HV), abgeschlossen gewesen war – Konkurrenz von Provisionsansprüchen aus Abs. 1 S. 1, 2. Alt. und aus Abs. 2. Den Nachbestellungen der letztgenannten Fallgruppe werden Bestellungen gleichzustellen sein, die i. S. d. Abs. 1 S. 1, 1. Alt. als noch unmittelbar ursächlich mit einer Stammorder zusammenhängend einzugruppieren sind. Braucht daraufhin der Unternehmer die Provision gleichwohl nur einmal zu zahlen und muss die Provision zwischen den beteiligten HV geteilt werden, oder aber kann ein jeder von ihnen die volle Provision beanspruchen? Das Gesetz entscheidet die Frage nicht. Denkbar sind folgende Lösungswege: Zum einen kann jedem HV der volle Provisionsanspruch zustehen.721 Ebenso ist denkbar, dass die Provision nach Köpfen oder nach anderen Maßstäben aufzuteilen ist, wobei allerdings der Maßstab der Aufteilung schwer zu bestimmen ist. Begründet wird diese Ansicht mit einer analogen Anwendung des § 660 Abs. 1 S. 1 BGB, nach dem der Auslobende, wenn mehrere am Erfolg mitgewirkt haben, die Belohnung unter Berücksichtigung des Anteils eines jeden an dem Erfolg nach billigem Ermessen aufzuteilen hat.722 Auch an eine Analogie zu Abs. 3 S. 2 wäre zu denken. Eine generelle Regel dahingehend, dass der Gesetzgeber eine doppelte Provisionsbelastung des vertretenen Unternehmers vermeiden wollte, wird man Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 sowie Abs 3 nicht entnehmen können.723 Denn es handelt sich um Ausnahmen, die nicht verallgemeinert 717 Siehe etwa KG BB 1969, 1062 = HVR Nr. 397. 718 Westphal I Rn 525; Oetker/Busche5 § 87 Rn 18, zu regelungsbedürftigen Punkten siehe Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 113. 719 Westphal I Rn 525. 720 Westphal I Rn 526. 721 Höft VersR 1967, 529; Knütel ZHR 144 (1980), 289 (295). 722 Knütel ZHR 144 (1980), 289 (295). 723 Oetker/Busche5 § 87 Rn 18; aA Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 175; wohl auch Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 17 (für VV). 923

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werden können. Eine dogmatische Begründung für eine Provisionsteilung lässt sich mithin schwer finden. Genannt werden Billigkeitsgesichtspunkte oder Treu und Glauben. Die Teilungslösung muss das Kriterium der Mitursächlichkeit eliminieren, und bei Mitbeteiligung einer Bezirksprovision sich darüber hinwegsetzen, dass diese als vertragliche Gegenleistung für die Betreuung des Bezirks gewährt wird. Ihre Vertreter operieren mit § 87 Abs. 3: aus ihm ergebe sich, dass der Unternehmer die Provision bei Beteiligung mehrerer HV nur einmal zu zahlen brauche. Das Argument ist jedoch aus mehrfachen Gründen nicht triftig. Zum einen stellt Abs. 3 vom Grundsatz her gar nicht auf die Provisionskonkurrenz zwischen mehreren HV ab.724 Nur im Ausnahmefalls („wenn und soweit“, Abs. 1 S. 2 sowie Abs. 2 S. 2) ist eine Teilung der Provision zwischen Vorgänger und Nachfolger vorgesehen (Rn 141 ff.). Zum anderen gibt es ohnehin keinen Grundsatz, dass der Unternehmer bei Beteiligung mehrerer Geschäftsmittler stets nur einmal Provision zu zahlen habe: das Beispiel des ausgeschiedenen angestellten Reisenden, der ein Geschäft erfolgversprechend eingeleitet hat und dessen Bemühungen nach seinem Ausscheiden durch einen nunmehr eingesetzten HV zu Ende geführt werden, beweist es. Endlich würde die Heranziehung des § 87 Abs. 3 doch allenfalls soviel ergeben, dass der Unternehmer nur einmal zu leisten brauche, nicht aber, dass die Provision unter den mehreren HV zu teilen sei. Die Lage im Falle des § 87 Abs. 3 ist eine andere, als sie hier vorausgesetzt ist. Dort schließen, wenn ein Vorgänger und ein Nachfolger in der Vermittlung ein und desselben Geschäfts tätig geworden sind, beide in ihrem Tätigwerden aneinander an. Die Tätigkeit des Vorgängers ist abgeschlossen und überblickbar. Der Nachfolger weiß, dass ein Vorgänger bereits in der Angelegenheit gearbeitet hat und hat sich darauf einzustellen, unter Umständen ohne eigenen Provisionsanspruch die Vermittlung zu Ende zu führen. In den hier behandelten Fallgestaltungen ist entweder ein Bezirksvertreter mit einer Bezirksprovision beteiligt: deren Kürzung braucht er aus den oben angedeuteten Gründen ohnehin nicht hinzunehmen; und genau das hat der BGH725 richtig gesehen. Oder aber es werden mehrere HV nebeneinander tätig. Vielfach wird keiner zuverlässig wissen, wie weit der andere schon mit seinen Bemühungen gediehen ist und bis zur Abschlussreife noch gedeihen wird. Möglicherweise weiß er nicht einmal, dass ein anderer HV neben ihm tätig ist. Aber: jeder von ihnen trägt zum Erfolg ursächlich bei, in Gestalt einer nachwirkenden Ursächlichkeit auch bei Folgeaufträgen. Eine Ausnahme dahingehend, dass ihm daraufhin nur eine Teilprovision zustehe, hat das Gesetz nicht festgesetzt. Auch der Hinweis auf § 420 BGB schlägt nicht durch: denn es ist gerade die Frage, ob die mehreren HV zusammen „eine“ teilbare Leistung zu fordern haben. Schließlich: Wie sollte, wenn § 420 BGB nicht anwendbar ist, ein zuverlässiger Verteilungsmaßstab gefunden werden? 141 Vielmehr lautet die Grundregel, dass jeder bei alleiniger Tätigkeit provisionsberechtigte HV auch in dieser Konstellation Anspruch auf Provision besitzt.726 Denn das Gesetz geht davon aus, dass bei Erfüllung der TB-Voraussetzungen der §§ 87 ff. grundsätzlich ein Provisionsrecht besteht, auch und obwohl weitere HV für das jeweilige Geschäft ebenfalls Provision beanspruchen können.727 Zum Ausschluss der Provision bedürfte es gegenteiliger Regeln. Sie fehlen jedoch. Es besteht volle „Provisionskonkurrenz“.728 Eine Aufteilung der Provision unter mehreren HV wird – von der Ausnahme des Abs. 3 S. 2 abgesehen – nicht vorgesehen, auch nicht durch Abs. 1 S. 2 oder Abs. 2 S. 2,729 obwohl bei der Novelle 1989 Gelegenheit zur Klarstellung bestanden hätte, falls eine Provisionsteilung dem gesetzgeberischen Willen entsprochen hät724 Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 43. 725 BGH DB 1957, 1222. 726 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 105; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 54, 57; Oetker/ Busche5 § 87 Rn 18; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 57.

727 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 49; Oetker/Busche5 § 87 Rn 18; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 57; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 2a, 16 a, 49, 61c; Westphal I Rn 302; Maier BB 1970, 1327; Westphal BB 1991, 2027 (2028); krit. Hopt Rn 21; s. a. LAG Hamm BB 1993, 2236; Krüger DB 1964, 1399. 728 Ebenroth/Löwisch2 § 87 Rn 34; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 89. 729 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 57. Emde

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te.730 Der BGH731 hat inzident ausgesprochen, dass jedenfalls dem Bezirksvertreter die Provision aus einem Geschäft mit einem bezirkseingesessenen Kunden nicht deshalb gekürzt werden könne, weil noch ein anderer HV bei dem Abschluss mitgewirkt habe. Das Gegenstück hierzu bildet die Entscheidung BGH VersR 1971, 464: Wird ein Bezirksvertreter außerhalb seines Bezirks mit Zustimmung des Unternehmers tätig und vermittelt er ein Geschäft, so steht ihm hieraus auch die Provision für die Folgeaufträge zu, und zwar ungekürzt. Hält man beide Entscheidungen zusammen, so würde sich ergeben, dass der BGH eine Doppelung des Provisionsanspruchs (des Bezirksvertreters und des „anderen“ Vertreters) als Konsequenz hinnimmt. Der Unternehmer, der in solchen Fällen eine Mehrfachzahlung vermeiden will, hat es in 142 der Hand, dem durch vertragliche Abmachungen mit seinen mehreren HV vorzubeugen.732 Die Gefahr der Mehrfachzahlung mag hierfür ein heilsamer Zwang sein. Schon die Amtl. Begr. zu § 87733 hat ihn auf diesen Weg gewiesen. Sie erbringt allerdings nur den gewünschten Erfolg, wenn der Unternehmer sie mit jedem seiner HV abschließt.734 Derartige Abreden können auch stillschweigend vereinbart sein.735 Wird diese Folgerung nicht gezogen, so gilt: Das Mehrfachzahlenmüssen ist das Risiko des Unternehmers, der sein Vertriebssystem nicht so gestaltet hat, dass Überschneidungen mit unerwünschten Folgen für die Provisionspflicht vermieden werden. Führt man den Gedanken ins Feld, nach Treu und Glauben müsste den mehreren HV, die nebeneinander und um ihr Nebeneinander wissend sich bemühen, im Wege der Vertragsauslegung je die stillschweigende Einzelabrede unterstellt werden, mit einer Provisionsteilung einverstanden zu sein, so kann dieser im Einzelfall greifen,736 läuft aber in seiner Verallgemeinerung auf gewagte Zweckkonstruktionen hinaus und schiebt die Folgen einer unterlassenen Vorsorge des Unternehmers für eine zweckmäßige Disposition seines Vertriebsnetzes allzu leicht auf die beteiligten HV ab, zu Lasten des nach dem Gesetz zu beanspruchenden Lohnes ihrer Mühewaltung. Eine stillschweigende Teilungsabrede ist nur anzunehmen, wenn der Unternehmer die 143 HV von vornherein und für jeden deutlich erkennbar in einem Vertriebssystem so einsetzt, dass mitursächliche Beiträge vom System her angelegt sind und deshalb eine Teilung zu erwarten war.737 Der Wille der Parteien muss aber so klar erkennbar sein, dass er eine regelmäßig erforderliche ausdrückliche (teilweise) Verzichtsabrede ersetzt. Bei fehlender Kenntnis eines HV von der Tätigkeit des anderen scheidet eine Teilungsabrede rglm. aus.738 Zweifel gehen zu Lasten des Unternehmers. Allein der Umstand, dass das Vertriebsgebiet des Unternehmers in zahlreiche geschützte Bezirke aufgeteilt ist739 oder ein HV von der Tätigkeit des anderen im Vertriebssystem weiß,740 reicht für die Annahme einer stillschweigenden Verzichtsvereinbarung meist nicht aus. Arbeitet der vor dem Ausscheiden stehende HV seinen Nachfolger ein und überlässt ihm Vermittlungsaufgaben, soll im Zweifel stillschweigend vereinbart sein, dass der 730 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 54; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 49. 731 BGH DB 1957, 1222 = BB 1960, 1250 = HVR 175. 732 BGH, Urt. v. 11.7.1960 – VII ZR 225/59, BGHZ 33, 92 (96, 97) = NJW 1960, 1996; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 110; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 55; Westphal I Rn 527; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 49; Hopt § 87 Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 55, 57; Maier BB 1970, 1327 (1328); Klinger DB 1957, 975. 733 BT-Drucks. Nr. I/3856 S. 24. 734 Westphal I Rn 528. 735 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 55. 736 Oetker/Busche5 § 87 Rn 18. 737 OLG Celle BB 1956, 61 (62); Knütel ZHR 144 (80) 295; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 111; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 49; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 20; Hopt § 87 Rn 21; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 87 Rn 56. 738 Canaris § 17 Rn 64. 739 Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 32a. 740 AA Canaris § 17 Rn 64, Oetker/Busche5 § 87 Rn 18; die hier eine stillschweigende Teilungsabrede nach Tatbeiträgen, hilfsweise nach Köpfen, annehmen. 925

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Nachfolger nur als Erfüllungsgehilfe für den Ausscheidenden tätig werden soll.741 Eine stillschweigende Regelung, dass dem Ausscheidenden alle Provisionsansprüche zustehen sollen, soll anzunehmen sein, wenn der Unternehmer dem Nachfolger für die Einarbeitungszeit eine zusätzlich zu der Provision des Ausscheidenden zu leistende feste Vergütung oder Erfolgsvergütung verspricht.742 144 Ist eine Teilung ausnahmsweise zulässig, erfolgt die Teilbarkeit nach Verursachungsbeiträgen zum Geschäft, mangels Feststellbarkeit nach Köpfen, analog § 420 BGB.743 Hierbei handelt es sich jedoch um Evidenzfälle. Fehlt es an dieser Evidenz, kann die Teilung nicht aus § 420 BGB744 und auch nur in Ausnahmefällen aus § 242 BGB folgen.745

T. Nachvertragliche Provision (§ 87 Abs. 3) I. Überblick 145 Zum Regeltatbestand des Provisionsanspruchs gehört, dass der Abschluss des Geschäfts in die Vertragszeit des HV fällt. Deshalb müsste der Provisionsanspruch des HV entfallen, wenn er das Geschäft zwar angebahnt hat, jedoch vor Abschluss desselben durch den Unternehmer – oder vor Abschlussreife, soweit der HV als Abschlussvertreter selbst hätte abschließen können – das Vertretungsverhältnis endet. Diesem Ergebnis, wie es dem im HGB geschriebenen Rechtszustand vor der HV-Novelle 1953 entsprach746 war eine Prämie für allerdings schon gem. §§ 162, 242 BGB unzulässige Verschleppungstaktiken des Unternehmers. Ihnen wird durch Abs. 3 vorgebeugt. Sofern der HV den von ihm geschuldeten Teil, und zwar den überwiegenden, an dem demnächstigen Zustandekommen des Abschlusses geleistet hatte, soll ihm der Lohn hierfür verbleiben;747 er wird so gestellt, als sei der Abschluss noch in der Zeit seines Vertragsverhältnisses erfolgt. Mit dieser Maßgabe wird ihm die Provision belassen. Ihr endgültiges Schicksal entscheidet sich allerdings erst durch die Entwicklung nach dem Ende des Vertragsverhältnisses. Ausnahmsweise kann der ausgeschiedene HV also Provision verdienen, wenn der HV-Vertrag bereits beendet war. Diese nachvertragliche Provision ist in § 87 Abs. 3 geregelt. Fälle, in denen sie relevant werden könnte, sind etwa die Vermittlung eines Geschäftes durch den Vorgänger, falls das Geschäft für den Nachfolger ein Bezirksgeschäft darstellt oder der Nachfolger ebenfalls Tätigkeitsprovision verdient hat. Besondere Bedeutung hat die Vorschrift bei Dauerverträgen.748 146 Gemäß § 87 Abs. 3749 erhält der HV für ein Geschäft, welches erst nach Beendigung des HVVertrages abgeschlossen worden ist, nachvertragliche Provision, sofern er das Geschäft vermittelt oder es eingeleitet und so vorbereitet hat, dass der Abschluss überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist, und das Geschäft innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsende abgeschlossen worden ist oder vor Vertragsende das Angebot des Kunden zum Abschluss des Geschäftes, für welches dem HV Provision zusteht, zugegangen ist. Jedoch steht der Provisionsanspruch gem. dem letzten Satz des Abs. 3 ausnahmsweise (Beweislast!) dem nachfolgenden HV anteilig zu, wenn wegen besonderer Umstände eine solche Teilung der Billigkeit entspricht.

Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 49. Ahle DB 1964, 611; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 49. Hopt § 87 Rn 21; Oetker/Busche5 § 87 Rn 18; Canaris § 17 Rn 64. Oetker/Busche5 § 87 Rn 18. Hopt § 87 Rn 21; Oetker/Busche5 § 87 Rn 18. RGZ 78, 252 ff. Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 23. Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (525); zum österreichischen Recht bei der Vermittlung von Dauerverträgen Breiter IHR 2015, 45 ff. 749 Zum Recht Österreichs Breiter IHR 2015, 45 (47/48).

741 742 743 744 745 746 747 748

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Um zu verhindern, dass der Unternehmer wegen Abs. 3 sowohl an den Nachfolger wie den Vorgänger zahlen muss, regeln § 87 Abs. 1 S. 2 und § 87 Abs. 2 S. 2 einen in Wechselwirkung mit Abs. 3 stehenden Provisionsausschluss. Der Nachfolgevertreter erhält keine Provision, sofern dem ausgeschiedenen HV nach § 87 Abs. 3 nachvertragliche Provision zusteht. Das Gesetz unterstellt also die Priorität des Provisionsanspruchs des Vorgängers. Auf weitere Merkmale kommt es nicht an. Das Gesetz ist abschließend. Insbesondere entfällt der Anspruch nicht, wenn der HV bereits während der Vertragsdauer Provisionen für unter dem Dauervertrag geschlossene Einzelverträge erhielt.750 Die nachvertragliche Provision scheint in der Wechselbeziehung von ausscheidendem HV 147 und Nachfolgevertreter zu stehen. Dem leisten die Bestimmungen in Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 Vorschub. Gleichwohl ist es nicht richtig. Abs. 3 setzt nicht voraus, dass ein Nachfolger die bis dahin überwiegend geleistete Arbeit eines Vorgängers fortsetzt und zu Ende führt. Das wird zwar oft der Fall sein – und eben hierauf bezieht sich die Regelung in Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 –, aber es muss nicht so sein. Der Unternehmer kann sich entschließen, die weitere Vorbereitung des Abschlusses selbst in die Hand zu nehmen, auch ohne einen Nachfolger zu bestellen. Er kann einen Angestellten hiermit betrauen. Das Unternehmen kann gleichzeitig mit dem Ausscheiden des HV zum Erliegen kommen, der Vertrieb eingestellt werden und ein Liquidator oder Insolvenzverwalter das Geschäft endgültig zum Abschluss bringen. Auch dies sind Fälle des Abs. 3, in denen der ausgeschiedene HV, wenn er die überwiegende Vermittlungsarbeit geleistet hatte, demnächst die nachvertragliche Provision erhält. Übrigens kann auch ein Abschlussvertreter in ihren Genuss kommen, falls er die Vermittlungsarbeit überwiegend geleistet hatte, es aber nicht mehr zu dem ihm an sich gestattet gewesenen Abschluss gekommen ist.

II. Zweck Der nachvertragliche Provisionsanspruch wird gewährt, weil der HV bis zum letzten Tag des 148 Vertrages seine Hauptpflichten zur Vermittlung und zum Abschluss sowie die Nebenpflichten zu erfüllen hat. Da kaum wahrscheinlich ist, dass alle Geschäfte, für die der HV durch seine Tätigkeit seine Pflichten erfüllt hat751 ohne die Sonderregel des § 87 Abs. 3 vor Vertragsende provisionspflichtig würden, hätte der HV seinen Teil der synallagmatischen Pflicht erfüllt,752 ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Diese bis 1953 bestehende (bis dahin erhielt der HV nur Provision für Geschäfte, die während des HV-Vertrages geschlossen wurden) Benachteiligung753 soll durch § 87 Abs. 3 verhindert werden. Der HV hat keinen Einfluss, wann das Geschäft geschlossen wird.754 Auf der anderen Seite berücksichtigt die Vorschrift auch das Interesse des Unternehmers. Der HV hätte nämlich kein Interesse an einer Tätigkeit nahe dem Vertragsende, wenn er hierfür keine Gegenleistung erhielte. Daher wären bei absehbarem Vertragsende die Geschäfte des Unternehmers und die Kontinuität des Kundenstammes gefährdet, eine Gefahr, die § 87 Abs. 3 reduziert. Da die Vorschrift auch der schnellen und sicheren Abwicklung des Vertrages dient, hilft sie beiden Parteien.755 Schließlich soll ausgeschlossen werden, dass der Unternehmer den Abschluss von Geschäf- 149 ten in die Zeit nach Vertragsbeendigung hinauszögert, um den Provisionsanspruch zu umge-

750 751 752 753 754 755 927

Zum Recht Österreichs Breiter IHR 2015, 45 (48). Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 178. Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 23. Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (525). Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 23. Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (525); Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 175. Emde

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hen,756 wobei jedoch ggf. die unter Rn 160 ff. genannte zeitliche Grenze eingreift, die dazu dienen soll, innerhalb angemessener Frist klare Verhältnisse zu schaffen.757

III. Abgrenzung zur Überhangprovision 150 Der nachvertragliche Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 3, gelegentlich auch mit dem Begriff „unechte Überhangprovision“ gekennzeichnet, ist von der sog. Überhangprovision – „echte Überhangprovision“ – zu unterscheiden. Bei der echten Überhangprovision erfolgt der Geschäftsabschluss vor Ende des Vertretervertrages, die Ausführung des Geschäftes (zumindest partiell) erst nach Beendigung des Vertretervertrages,758 etwa bei Versicherungsverträgen759 (dort wird der Anspruch aus Abs. 3 meist durch eine Provisionsverzichtsklausel ausgeschlossen,760 s. Kommentierung zu § 89b). Insofern war der Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 1 oder Abs. 2 bereits (bedingt) entstanden; es hatte lediglich die Bedingung des § 87a hinzuzukommen, um ihn endgültig auszulösen. Das Ausscheiden des HV konnte ihm also den so begründeten Provisionsanspruch nicht mehr entziehen, vielmehr vollendete dieser sich durch Eintritt der Bedingung des § 87a ohne Rücksicht auf das Ausscheiden. Der ausgeschiedene HV hat lediglich die Bedingung abzuwarten, um den Provisionsanspruch geltend machen zu können.761 Das gilt hier auch für die Ansprüche des Bezirksvertreters, des HV mit zugewiesenem Kundenkreis und für die Ansprüche aus Nachbestellungen, falls die entsprechenden Abschlüsse als solche noch in der Vertragszeit geschehen sind (Sukzessivliefervertrag). Nachvertragliche Provision wird also für ein gegenüber der Überhangprovision „späteres“ Geschäft gewährt, weil bei der nachvertraglichen Provision nicht nur die Ausführung des Geschäftes nach Vertragsende liegt sondern auch der Geschäftsabschluss selbst.762 Der Provisionsanspruch entsteht in den Fällen des Abs. 3 überhaupt erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses, er hängt also nicht „über“.763

IV. Erste Alternative der nachvertraglichen Provision: Tätigkeitsprovision nach Abs. 3 Nr. 1 151 Bei der Alternative des Abs. 3 Nr. 1 muss der HV das Geschäft vermittelt haben oder es eingeleitet und so vorbereitet haben, dass der Abschluss überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen und das Geschäft innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen worden ist. Ob nachvertragliche Geschäfte gem. § 87 Abs. 3 Nr. 1 provisionspflichtig sind, hängt daher von zwei Voraussetzungen ab, nämlich einer tätigkeitsbezogenen und einer zeitlichen.764 Zu einem möglichen Umsetzungsfehler s. o., Rn 1 und sogleich.

756 Westphal I Rn 508. 757 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 175. 758 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (525); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 105; zu einem solchen Fall BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde). 759 BGH, Urt. v. 20.12.2018 – VII ZR 69/18, BB 2019, 850; Thume BB 2019, 835; Thume MDR 2011, 703 (704). 760 Thume BB 2019, 835 f. 761 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde). 762 BGH BB 1998, 391 (392); Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (525); Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 176; Westphal I Rn 509. 763 Hiergegen Staub/Brüggemann 4. Aufl.: Der „Überhang“ könne sich genausogut darauf beziehen, dass der Abschluss nach Beendigung des Vertragsverhältnisses noch „hing“ und insofern ein Überhang einschließlich der Provisionschancen über die Vertragsbeendigung hinaus gegeben sei. 764 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 174. Emde

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1. Tätigkeitsbezogene Komponente: überwiegende Vermittlung oder Einleitung und Vorbereitung Abs. 3 S. 1 Nr. 1 hat eine tätigkeitsbezogene Provision zum Gegenstand. Vorausgesetzt wird, 152 dass der ausgeschiedene HV persönlich beim Abschluss des konkreten Geschäfts tätig geworden ist. Die nachvertragliche Provision soll dem HV den Lohn für persönliche Bemühungen um dieses abschlussfähige Geschäft sichern. Es soll sich um einen selbstverständlichen Grundsatz handeln.765 Die bloße Werbung des Kunden ohne Werbung des einzelnen Geschäfts ist daher ungenügend.766 Nach h. M. soll die Provision dem Bezirksvertreter oder dem HV mit zugewiesenem Kundenkreis aus nachträglich geschlossenen Geschäften, für welche nach Abs. 2 ohne Mitwirkung dieses HV Provision zu zahlen gewesen wäre, nicht zustehen.767 Ebenso wenig soll die Alternative für Nachbestellungen und Folgeaufträge gelten, die gem. Abs. 1 S. 1, 2. Alt. ohne erneute Tätigkeit des ausgeschiedenen HV folgeprovisionspflichtig gewesen wären und deren Abschluss in die Zeit nach seinem Ausscheiden fällt.768 Daran könnte gezweifelt werden. Denn wie unter Rn 1 ausgeführt, hat der HV gem. Art. 8 lit. a RL Anspruch auf nachvertragliche Provision, wenn der Geschäftsabschluss überwiegend auf die Tätigkeit zurückzuführen, „die er während des Vertragsverhältnisses ausgeübt hat“. Der Wortlaut des § 87 Abs. 3 Nr. 1 weicht hiervon ab, weil statt der Worte „Tätigkeit …, die er während des Vertragsverhältnisses ausgeübt hat“ die Worte „er das Geschäft vermittelt hat oder es eingeleitet und so vorbereitet hat“ Verwendung finden. Die von der RL verwendeten Worte sind breiter als die enumerativ wirkende Aufzählung des § 87 Abs. 3 Nr. 1 und erfassen auch den Fall, dass die „ Tätigkeit“ des Bezirksvertreters für den nachvertraglichen Geschäftsabschluss ursächlich war. Man wird das Ergebnis der h. M. auch nicht mit dem Argument aufrechterhalten können, Art. 8 lit. a RL und § 87 Abs. 3 Nr. 1 setzten ausdrücklich eine „Tätigkeit“ des HV voraus: Der Bezirksvertreter erbringe keine Tätigkeit, so dass keine nachvertragliche Bezirksprovision geschuldet werde, höchstens – bei Erfüllung der TB-Voraussetzungen – Provision nach Abs. 1 i. V. m. Abs. 3.769 Denn es genügt jede Tätigkeit, die der HV während des Vertragsverhältnisses ausgeübt hat, also auch eine ggf. mittelbare, mitursächliche Tätigkeit als Bezirksvertreter, etwa dessen durch Tätigkeit erworbener guter Ruf oder seine Bekanntheit. Tritt an Stelle des ausgeschiedenen Vertreters ein anderer Bezirksvertreter, so fallen die Provisionsansprüche aus solchen Geschäften (auch) ihm zu, soweit sie getätigt werden zu einer Zeit, da der Vertrag mit dem Nachfolger in Kraft getreten ist. Die nach der RL nicht vorgesehenen (RL-konforme Auslegung = Ausblenden dieser TB?) 153 beiden Alternativen „vermitteln“ einerseits sowie „einleiten und vorbereiten“ andererseits drücken ein Rangverhältnis aus. „Vermitteln“ ist die stärkste Form der Tätigkeit, „einleiten“ und „vorbereiten“ sind etwas weniger.

a) Vermittelt. Vermittelt ist das bis Ende des Vertragsverhältnisses durch Übermittlung des 154 Angebots des Kunden770 an den Unternehmer (Zugang771) zur Abschlussreife gebrachte Geschäft, so dass nur noch die bindenden Vertragserklärungen von Kunde und Vertragspartner 765 Oetker/Busche5 § 87 Rn 29. 766 Hopt § 87 Rn 42. 767 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (525); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 114 (für Alt. 2); Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 32; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 110. 768 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (525); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 114 (für Alt. 2); Hopt § 87 Rn 42. 769 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (525); Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 179; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 32. 770 Amtl. Begründung, BT-Drucks. 1/3856, S. 23. 771 BT-Drucks. I/3856, S. 23; Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (525). 929

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ausstehen772 – schon deshalb setzt Abs. 3 das Tätigwerden eines Nachfolgers nicht notwendig voraus. Der Zugang des Angebots kann beim Unternehmer oder HV eintreten. Vermittelt hat der HV ein Geschäft, sofern es im Wesentlichen nur noch der Annahme des von ihm herbeigeführten Vertragsangebotes bedarf, wobei auch hier Mitverursachung ausreicht.773 Nach h. M. soll die 1. Alt. kaum eigenständige Bedeutung haben, weil, wenn das Angebot dem Unternehmer zugehen muss, dieser Fall auch durch die 2. Alt. erfasst wird, die 1. Alt. jedoch strengere Voraussetzungen an die erforderliche Tätigkeit sowie den zeitlichen Rahmen des Geschäftsabschlusses stellt.774 Die Regelung in einem HV-Vertrag, derzufolge nachvertragliche Provision „for orders which were procured by the agent’s activities prior to the termination but which are only bindingly placed by the clients after the termination of the agreement, as long as the products were delivered as series made products“ geschuldet wurde, ist von einem ICC-Schiedsgericht775 so verstanden worden, dass nur Provisionen geschuldet sind, die vom HV dergestalt vermittelt wurden, dass er überwiegend für die Vermittlung einer “lifetime series order” (Serienbestellung) verantwortlich war.

155 b) Eingeleitet und vorbereitet. Der HV erhält auch dann nachvertragliche Provision, wenn er das Geschäft „eingeleitet und vorbereitet“ hat. Da beide Begriffe durch das Wort „und“ im Gegensatz zu dem „vermittelt“ sowie „eingeleitet“ trennenden „oder“ verbunden sind, genügt weder einleiten noch vorbereiten allein. Das Einleiten muss durch ein Vorbereiten ergänzt werden.776 An die Art der Handlung sind keine qualifizierten Anforderungen zu stellen.777 Angesichts der weiten Definition der Vermittlung, bei der Mitursächlichkeit ausreicht, haben diese Alternativen heute nur noch einen geringen Anwendungsbereich.

156 c) Überwiegende Verursachung. Entscheidend ist das auch von Art. 8 lit. a RL genutzte Wort „überwiegend“. Eine überwiegende Verursachung muss sowohl bei der Alternative „Vermittlung“ wie der „Einleitung und Vorbereitung“ festzustellen sein. Eine gleichstarke Verursachung genügt nicht.778 Allerdings wird sie entgegen Staub/Brüggemann 4. Aufl. bei der Vermittlung regelmäßig vorliegen, weil der HV hierdurch seine Vertragspflicht erfüllt hat und die Leistung des Nachfolgers meist zurücktreten muss. Nur durch die überwiegende Tätigkeit rechtfertigt sich der Vorrang der nachvertraglichen Provision des Vorgängers vor dem Provisionsanspruch des Nachfolgers. Auch gleiche Mitverursachung im Verhältnis zu anderen Beteiligten ist nicht ausreichend.779 Rechnerisch gesehen muss der Verursachungsanteil des HV bei mehr als etwa 60 % liegen.780 Der Verursachungsanteil des HV hat die zusammengefassten Verursachungsbeiträge der nach ihm tätig Gewordenen, d. h. seines Nachfolgers, des Unternehmers oder sonstiger Dritter, erheblich zu übersteigen781, was durch einen unter Beachtung der Verkehrsauffassung durchzuführenden782 Vergleich der zum Vertragsschluss führenden Gründe

772 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 45; Hopt § 87 Rn 41; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 45. 773 Westphal I Rn 512. 774 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (525); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 109; Hopt § 87 Rn 41; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 107. 775 Urt. v. 18.1.2016 – ICC case no. 20508/GFG/FS. 776 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 111. 777 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 111. 778 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526); Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 33; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 108. 779 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 181. 780 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 112; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 45. 781 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 112. 782 Westphal I Rn 513. Emde

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zu ermitteln ist.783 Besondere Bemühungen des Unternehmers oder Nachfolgers, den Kunden zum Vertragsschluss zu bewegen, dürfen nicht mehr erforderlich sein.784 Abschlussreife des Geschäftes ist nicht erforderlich. Da kein Nachfolger bestellt zu werden braucht, um die nachvertragliche Provision auszulö- 157 sen, bezieht sich das „überwiegend“ als Vergleich darauf, dass der Abschluss im Gesamtbild der zu seiner Vorbereitung geleisteten Arbeit vorwiegend auf die Tätigkeit des ausgeschiedenen HV zurückzuführen ist. Das Ergebnis wäre z. B., dass die Provision, wenn es demnächst zum Abschluss gekommen ist, dem Nachfolger, gegebenenfalls einem Bezirksvertreter zufällt, nicht aber über Abs. 3 dem ausgeschiedenen HV. Der Versuchung, die – wiederum in dem Beispielfalle – für den Unternehmer darin liegen könnte, den Abschluss über das Ende des Vertragsverhältnisses mit dem Vorgänger hinauszuzögern, lässt sich mit einer analogen Anwendung des § 162 Abs. 1 BGB entgegentreten. Auch hier hat der Gedanke auszuscheiden, Abs. 3 stelle ab auf eine Provisionskonkurrenz zwischen dem ausgeschiedenen HV und einem für das gleiche Geschäft noch bis zum Abschluss tätig gewordenen Nachfolger, und im Verhältnis zu diesem müsse die Vermittlungstätigkeit des ausgeschiedenen sich als die überwiegende darstellen. Beispielsweise könnten die – beachtlichen – Vermittlungsbemühungen des ausgeschiedenen HV in der Zeit seines Vertragsverhältnisses sich mit einer Aktivität des Unternehmers, der sich in die Anbahnung des Geschäfts zusätzlich und mit ebenso beachtlichem Aufwand eingeschaltet hatte, die Waage halten in einer Weise, dass dem Nachfolger nur noch ein unbedeutender Rest zu tun übrig geblieben war. Verglichen mit diesem hat der ausgeschiedene HV zwar überwiegend gearbeitet. Gleichwohl ist das hier nicht das Entscheidende. Fehlt eine überwiegende Verursachung, wird wegen der verdrängenden Spezialität der § 87 ff. meist auch ein Vergütungsanspruch aus § 354 ausscheiden.785 Ob eine stillschweigende Vergütungsabrede eingreift786 ist Tatfrage. Eine überwiegende Einleitungs- und Vorbereitungshandlung liegt etwa vor 158 – bei einem Musterverkauf vor Vertragsbeendigung, der für den endgültigen Geschäftsabschluss (ggf. einen Großauftrag) aufgrund der gelieferten Muster nach Vertragsbeendigung ursächlich wird.787 Denn ein derartiger Musterverkauf ist von vornherein auf die Veräußerung größerer Mengen gerichtet. Der HV hat die Bestellungen durch den vorausgegangenen Verkauf der Muster so „überwiegend eingeleitet und vorbereitet“, dass ihm die Provision hieraus als nachvertragliche Provision zusteht;788 – Veranlassung der Listung der Produkte in einem Versandhauskatalog für die aufgrund der Bestellung der Versandhauskunden zustande gekommenen Geschäfte;789 – Veranlassung der Mitglieder eines Wirtschaftsverbandes, die Produkte eines vertretenen Unternehmens bevorzugt zu beziehen, für die hierdurch zustande gekommenen nachvertraglichen Geschäfte;790 – Falls der HV einen Rahmenvertrag vermittelt, auf dessen Grundlage der Unternehmer während der Laufzeit des Vertrages auf jeweilige Bestellung des Kunden liefert, ohne dass eine Bezugsverpflichtung bereits aus dem Rahmenvertrag entsteht (Beispiel: Belieferungs-

783 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 45; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 109; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 47a. 784 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 45; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 15. 785 AA Hopt § 87 Rn 41. 786 Vgl. Hopt § 87 Rn 41. 787 BGH BB 1957, 1087 = DB 1957, 1068 = NJW 1958, 180; OLG Düsseldorf DB 1956, 376; Westphal I Rn 513; Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 113; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 47; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 15; Hopt § 87 Rn 41; Oetker/Busche5 § 87 Rn 31; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 109; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 47a. 788 BGH BB 1957, 1087 = DB 1957, 1068; Hopt § 87 Rn 41. 789 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 184; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 113. 790 OLG Düsseldorf HVuHM 1988, 298; LG Hamburg VersR 1991, 1240; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 185. 931

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verträge der Kfz-Branche791). Dann entstehen Provisionsansprüche erst auf Grund der jeweiligen Einzelbestellungen. Durch die Vermittlung des Rahmenvertrages erwirbt der HV noch keinen Provisionsanspruch; jener kann sich erst auf Grund der nachfolgenden Einzelbestellungen ergeben.792 Der HV erwirbt jedoch gem. § 87 Abs. 3 Nr. 1 Anspruch auf Provision für die Geschäfte, die innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen wurden793 (siehe Rn 160 ff.). Eine Frist von 4 Jahren kann angemessen sein, innerhalb derer die auf Grund des Rahmenvertrages erfolgten Bestellungen einen Provisionsanspruch des HV nach § 87 Abs. 3 Nr. 1 auslösen.794 Auf § 354 braucht wegen § 87 Abs. 3 nicht zurückgegriffen werden.795 Handelt es sich bei dem Dauerschuldvertrag um einen Gebrauchsüberlassungs- oder Nutzungsvertrag i. S. d. § 87b Abs. 3, ist zusätzlich diese Norm zu berücksichtigen. Danach differiert die Berechnung je nachdem, ob es sich bei dem vermittelten Dauerschuldvertrag um einen Vertrag mit bestimmter oder unbestimmter Dauer handelt: Bei unbestimmter Dauer ist die Provision vom Entgelt bis zu dem Zeitpunkt zu berechnen, zu dem der Kunde erstmals hätte kündigen könnte. Der HV hat jedoch Anspruch auf weitere Provisionen, wenn der Vertrag trotz der Kündigungsmöglichkeit fortbesteht. I. E. ist daher auch bei den von § 87b Abs. 3 erfassten Verträgen für eine angemessene Zeit Provision zu leisten, solange der vermittelte Vertrag fortbesteht. Der Anspruch ist nach Beendigung des HV-Vertrages auch nicht grundsätzlich auf den Termin zu befristen, zu dem erstmals vom Kunden hätte gekündigt werden können.796 Dagegen spricht das Leitbild des § 87b Abs. 3. Es handelt sich bei der Fortsetzung nicht um einen dem provisionsrechtlich unbeachtlichen nachvertraglichen Neuabschluss gleichstehenden Sachverhalt, da der Altvertrag fortgesetzt wird.797 159 Nicht ausreichend ist: – Die Vermittlung eines Auftrages zur Herstellung von Werkzeug für später damit durchzuführende Aufträge.798

2. Geschäftsabschluss innerhalb angemessener Frist (zeitliche Komponente) 160 Als zeitliche Komponente muss die Vermittlung, Einleitung oder Vorbereitung zu einem Geschäftsabschluss in Einklang mit Art. 8 lit. a RL „innerhalb angemessener Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses“ führen.799 Die zeitliche Einschränkung beruht ausweislich der Amtl. Begr. auf Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und soll zur raschen Abwicklung des Vertragsverhältnisses beitragen.800 Härten für den HV sollen hingenommen werden.801 Wieso freilich, verrät die Amtl. Begr. nicht: der ausgeschiedene HV hat auf den Gang der Dinge keinen Einfluss mehr, und der Unternehmer kann an der raschen Abwicklung nur deshalb, weil gerade sie die Provision noch dem ausgeschiedenen (und nicht etwa dem Nachfolger) zukommen ließe, nicht sonderlich interessiert sein. Auch hier kommt es auf die im Lichte der vorgenannten Be791 Döpfer in: FS Thume, S. 35 (43). 792 Hopt § 87 Rn 41. 793 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 47; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 109; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 11a, 49a. OLG Koblenz, Urt. v. 26.4.2007 – 6 U 529/06, BeckRS 2007, 17218; Döpfer in: FS Thume, S. 35 (43). Für die Anwendung des § 354: BGH, Urt. v. 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180; Hopt § 87 Rn 41. So aber Hopt § 87b Rn 17; hiergegen Döpfer in: FS Thume, S. 35 (40). Döpfer in: FS Thume, S. 35 (40). Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 113; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 108. 799 Vgl. Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 46; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 16; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 111; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 48. Zum Recht Österreichs Breiter IHR 2015, 45 (47/48). 800 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 24. 801 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 24.

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denken zu bestimmenden Umstände des Einzelfalls,802 Art, Inhalt und Bedeutung des Geschäfts,803 die Verkehrssitte und -anschauung sowie die Branchengebräuche an, welche Frist als angemessen anzusehen ist.804 Eine feste zeitliche Grenze fehlt.805 Andere Länder haben eine solche Frist normiert, Spanien eine recht knappe Dreimonatsfrist, Belgien eine Sechsmonatsfrist.806 Oft wird man leitbildartig an eine Sechsmonatsfrist denken können. Wird das Geschäft üblicherweise schnell durchgeführt, so ist die angemessene Frist kürzer.807 Die Frist kann geräumig sein, wenn üblicherweise ein langer Zeitraum zwischen Vermittlung und Einzelgeschäft liegt808 oder langwierige Vertragsverhandlungen üblich sind.809 Je „verdichteter“ und „konkreter“ der Vertrag war, den der HV vermittelte, umso länger wird die Zeitspanne anzusetzen sein.810 Extreme sind auf der einen Seite der Thekenverkauf von Ware, etwa bei Tankstellenvertretern, und auf der anderen Seite die Vermittlung von Kfz-Verkäufen bei Kfz-Vertretern, von Geschäftsabschlüssen über komplexe Anlagen mit erheblicher Planungszeit oder Lieferverträgen von Zulieferern während der Produktionszeit eines Kfz-Modells (je nach den Umständen des Einzelfalls mglw. trotz jährlicher Preisverhandlungen und Planungsgespräche).811 Bei einem Rahmenvertrag maßgebend ist das rechtswirksame Zustandekommen des Rahmenvertrages einerseits und des Vertrags mit dem Kunden andererseits.812 Erfolgt der Geschäftsschluss des Einzelgeschäfts unter einer auflösenden Bedingung, genügt der zeitige Abschluss. Das unter einer aufschiebenden Bedingung stehende Geschäft ist hingegen noch nicht wirksam zustande gekommen und reicht nicht.813 Bei einem schwebend unwirksamen Vertrag muss die Wirksamkeit noch binnen angemessener Frist eintreten, die Abgabe der Vertragserklärungen in angemessener Frist genügt auch hier nicht.814 Ausreichend ist es, wenn das Geschäft nach Insolvenz vom Insolvenzverwalter abgeschlossen wird.815 161 Beispiele: – Der Abschluss über Saisonware darf nicht später als das Erscheinen der Muster für die neue Saison erfolgen.816 Bis dahin aber kann die Orderfrist ausgeschöpft werden. – Bei sofort lieferbarer Stapelware wird die Frist kürzer bemessen sein dürfen als bei der Lieferung einer Maschine mit Spezialanfertigung, für die schon der Abschluss eine längere Vorlaufzeit hat.817

802 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 24; Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 115; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 46; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 111. 803 Hopt § 87 Rn 43. 804 Thume MDR 2011, 703 (708); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 46; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 16; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 111. 805 Döpfer in: FS Thume, S. 35 (43); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 46; Hopt § 87 Rn 43; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 111. 806 Westphal EWS 1996, 43 (46). 807 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526); Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 187; Hopt § 87 Rn 43; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 111. 808 Döpfer in: FS Thume, S. 35 (43); Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 48. 809 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526). 810 Breiter IHR 2015, 45 (48) zum Recht Österreichs. 811 Döpfer in: FS Thume, S. 35 (44). 812 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 46. 813 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 14; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 11; aA Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 47. 814 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 46. 815 Westphal I Rn 516. 816 Thume MDR 2011, 703 (708); Westphal I Rn 514; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 46; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 87 Rn 111; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 48. 817 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 115. 933

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Für den Abschluss über die Erstellung einer Beregnungsanlage hat der BGH818 einen Zeitraum von 2 Jahren noch als angemessen erachtet. Die Dauer der Frist kann auch vertraglich festgesetzt werden. – Der Vertrag betreffend die Fertigung einer Aktenförderanlage (Auftragswert 1 Mio. DM) rechtfertigte einen Zehnmonatszeitraum.819 – Im Falle der Einzelabschlüsse aus einem Rahmenvertrag wurde für den Provisionsanspruch aus den Einzelverträgen eine vierjährige Frist als angemessen angesehen.820 162 Die Frist ist ab dem Datum der Beendigung des HV-Vertrages zu berechnen.821 Die Ansicht, derzufolge die Frist mit der letzten Vermittlungs- bzw. Vorbereitungshandlung beginnen soll,822 widerspricht dem Wortlaut der Art. 8 lit. a RL, § 87 Abs. 3823 und verhindert auch keine schnelle und sichere Abwicklung,824 weil § 87 gerade eine solche binnen angemessener Zeit verlangt. So i. E. auch der BGH,825 wonach die „angemessene Frist“ nicht vor dem Ende des HV-Verhältnisses beginnen soll. Keine Begründung für die gegenteilige Ansicht sind die sog. gestorbenen Geschäfte, Vermittlungsbemühungen, die vor längerer Zeit zum Erliegen gekommen waren, von den Beteiligten als „gestorben“ betrachtet wurden, und auf die der Kunde später, kurz nach Ende des HV-Vertrages, unvermutet zurückkommt. Die nachvertragliche Provision soll dem HV nicht den Lohn für seine Bemühungen gegen die Gefahr absichern, dass er gerade und nur durch die Beendigung des Vertreterverhältnisses außerstande gesetzt werde, auf den weiteren Gang der Abschlussbemühungen Einfluss zu nehmen, so dass eine nachvertragliche Provision für das gestorben gewesene Geschäft nicht verdient sei. Die nachvertragliche Provision soll dem HV vielmehr die Provision sichern, die er ohne das Vertragsende verdient haben würde. Das aber wäre auch im Falle des scheinbar „gestorbenen“ Geschäfts der Fall, sobald der Kunde auf die früheren Vermittlungsbemühungen zurückkommt und deren Ursächlichkeit damit wieder aktiviert. Die zur Stützung der gegenteiligen Ansicht angeführte Entscheidung BGH DB 1957, 1068 besagt nicht das, wofür sie zitiert wird.826 Sollte der Unternehmer die Annahme des Geschäfts verzögern, ist die Fristwahrung gem. §§ 242, 162, 826 BGB zu fingieren. –

V. Zweite Alternative der nachvertraglichen Provision: Angebotseingang vor Vertragsbeendigung (§ 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 2) 163 Gemäß § 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 steht dem HV weiter nachvertragliche Provision zu, wenn das Angebot des Kunden zum Geschäftsabschluss vor Beendigung des HV-Vertrages beim HV oder Unternehmer zugegangen ist. 818 Urt. v. 30.1.1964 – VII ZR 83/62, zit. bei v. Gamm NJW 1979, 2492, n. v.; Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526); Westphal I Rn 514. 819 Der BGH nahm die Revision gegen das Berufungsurteil nicht an, s. BGH, Beschl. v. 25.2.1977 – I ZR 84/76, zit. bei von Gamm NJW 1979, 2492. 820 OLG Koblenz, Urt. v. 26.4.2007 – 6 U 529/06, BeckRS 2007, 17218 – Autozubehörbranche; Thume MDR 2011, 703 (708); Döpfer in: FS Thume, S. 35 (43); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 115. 821 BGH, Urt. v. 14.10.1957, DB 1957, 1068 (1069); Westphal I Rn 515; Hopt § 87 Rn 43; Oetker/Busche5 § 87 Rn 29. 822 So Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526); Schweizer/Heldrich WRP 1976, 25 (30 f.); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 116. 823 Westphal I Rn 515; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 188; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 46; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 16; Hopt § 87 Rn 43; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 111; aA Schweizer/ Heldrich WRP 1976, 25 (30 f.). 824 AA Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526). 825 BGH DB 1957, 1068. 826 Ihr Leitsatz könnte zwar dazu verleiten. Indessen war gerade dort die Überhangprovision für Saisonartikel ein Vierteljahr nach Ende des Vertreterverhältnisses beansprucht worden, so dass der Abschluss ebenfalls innerhalb dieser Frist erfolgt sein musste: das aber wäre gerade der Schulfall einer Wahrung der „angemessenen Frist“ gewesen. Emde

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1. Europarechtliche Präformation Die Regelung beruht auf Art. 8 lit. b RL und wurde im Verlauf der Novelle 1989 Teil des § 87. Zur 164 RL-konformen Auslegug s. u., 3 b.

2. Zweck § 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 soll verhindern, dass der Unternehmer die Annahme eines Kundenangebots 165 auf die Zeit nach Beendigung des HV-Vertrages verschiebt, um den Provisionsanspruch zu vermeiden.827 Die Regelung beruht auf Art. 8 lit. b RL und wurde im Verlauf der Novelle 1989 Teil des § 87.

3. Voraussetzungen a) Allgemeines. Der Provisionsanspruch gem. § 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 setzt zunächst voraus, dass 166 der HV nach § 87 Abs. 1 S. 1 oder Abs. 2 S. 2 Anspruch auf Provision besitzt, also die dort genannten TB-Voraussetzungen vorliegen. Nicht erforderlich ist ein überwiegendes oder mitursächliches Tätigwerden, eine überwiegende Verursachung828 bzw. überhaupt eine Verursachung829 des Geschäfts durch den HV, ebenso wenig irgendeine Tätigkeit830 des HV. Nr. 2 gilt damit im Gegensatz zur h. M. zu Nr. 1 auch für Kundengeschäfte, für welche dem HV Folgeprovision nach Abs. 1 S. 1 Alt. 2831 oder Bezirksprovision832 nach Abs. 2 zusteht. Nicht wird verlangt, dass – wie gem. § 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 – das Geschäft innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geschlossen wird,833 wobei § 147 Abs. 2 BGB der Annahme Grenzen setzt. Die Annahmeerklärung muss – deren rechtzeitige, fristungebundene Annahme dann Sache 167 des Unternehmers ist834 – bei Beendigung des HV-Vertrags noch ausstehen und die Annahmefrist darf noch nicht verstrichen sein. Für einen nach § 150 Abs. 1 BGB zustande kommenden Kundenvertrag greift Nr. 1 ein.835 Auch bei Abs. 3 S. 1 Nr. 2 reicht es aus, wenn das Angebot nach Vertragsbeendigung geringfügig modifiziert angenommen wird,836 solange die Änderung nicht unter § 150 Abs. 2 BGB fällt.837 Weitere Verhandlungen in Hinblick auf Einzelheiten vor Abschluss des Vertrages sind also unschädlich.838 Willkürliche Modifikationen zur Umgehung des Provisionsrechts wären schon gem. §§ 242, 162, 826 BGB unbeachtlich.839 827 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526); Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 193; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 117; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 48; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 16a; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 104. 828 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 194; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 119. 829 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 48; Oetker/Busche5 § 87 Rn 32. 830 Hopt § 87 Rn 44. 831 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 16a; Hopt § 87 Rn 44; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 104. 832 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526); Hopt § 87 Rn 44; Oetker/Busche5 § 87 Rn 32. 833 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526); Westphal I Rn 518. 834 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 48; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 105. 835 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 48. 836 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 119; Westphal I Rn 519; Hopt § 87 Rn 45; Oetker/Busche5 § 87 Rn 32. 837 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 48. 838 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 195. 839 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526) – die den Angebotsbegriff im wirtschaftlichen Sinne verstehen wollen; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 48; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 105; wohl auch Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 16a. 935

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168 b) Zugang. Für den Zugang allein maßgeblich soll nach h. M. der Zugang des verbindlichen Angebotes (bloßes Interesse genügt nicht840) beim HV oder Unternehmer gem. §§ 130 ff.,841 145 ff. BGB vor Vertragsende sein. Nach aA ist der Angebotsbegriff nicht i. S. d. BGB sondern „im wirtschaftlichen Sinne“ zu verstehen.842 Nach wohl zutreffender Auffassung soll die bisher h. M. zu § 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 mit Art. 8 lit. b RL unvereinbar sein.843 Eine Bestellung i. S. d. Art. 8 lit. b RL bzw. ein Angebot i. S. d. § 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ist damit eingegangen/zugegangen, falls die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist. Kenntnisnahme oder fiktive Kenntnisnahme ist nicht erforderlich.844 Gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB hingegen gilt eine Willenserklärung erst als zugegangen, falls sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrer Kenntnisnahme zu rechnen ist.845 Gelangt eine Erklärung außerhalb der allgemeinen Geschäftszeiten zum Empfänger, erfolgt nach h. M. der Zugang frühestens mit Beginn des nächsten Geschäftstags.846 Folglich stände dem HV kein Provisionsanspruch zu, sofern das Angebot am letzten Tag des HV-Vertrages etwa um 23:00 h per Fernkopie eingeht.847 Art. 8 RL lit. b stellt jedoch auf den „Eingang“ der Bestellung ab. Insbes. der Schutzzweck, dem HV seine Provision zu erhalten spricht dafür, dass die bisherige Ansicht nicht zu halten ist.848 Einer von § 130 Abs. 1 S. 1 BGB abweichenden Auslegung steht der Wortlaut des § 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 nicht entgegen. Zwar verwenden beide Normen den Begriff „zugegangen“. Doch ist ein einheitliches Verständnis nicht zwingend. Vielmehr ist die Frage nicht nach der lex causae sondern autonom zu bestimmen. Eine lex causae-Anknüpfung würde zur Uneinheitlichkeit und zu Wertungswidersprüchen führen.849 Denn die lex causae stellt sie auf das dem HVVertrag fremde Recht des Kundengeschäfts ab.850 Ein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers ist nicht erkennbar.851

VI. § 87 Abs. 3 S. 2: Provisionsteilung aufgrund von Billigkeitserwägungen 169 Ausnahmsweise steht dem nachfolgenden HV der Anspruch auf Provision nach Abs. 3 S. 2 anteilig zu, falls eine solche Teilung wegen besonderer Umstände der Billigkeit entspricht, etwa wenn der Abschluss des Kundengeschäfts auch auf die mitwirkende Tätigkeit des Nachfolgers zurückzuführen ist.852 Ihrem Zweck nach soll die Regelung einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des ausgeschiedenen HV und dessen Nachfolger ermöglichen,853 präziser: eine Billigkeitskontrolle. Ein Beispiel bietet bildet der Fall, in welchem der nachfolgende HV im Rahmen des § 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 noch erhebliche Änderungen an dem Angebot des Kunden verhandeln musste.854 Auch kann eine billigkeitsgemäßere Aufteilung gerechtfertigt sein, sofern der Nachfolger die Ausführung des Geschäftes betreuen muss.855 Hingegen wird die Teilung 840 Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 36; Hopt § 87 Rn 44; aA Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 195. 841 BGHZ 67, 275; Hopt § 87 Rn 44. 842 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 119. Das Ergebnis ist meistens dasselbe, da auch nach h. M. geringfügige Modifikationen des Angebots irrelevant bleiben. 843 Walter NJW 2019, 959 (960). 844 Walter NJW 2019, 959 (960). 845 BGH NJW 2014, 1010 (1011); NJW-RR 2011, 1184 (1185); NJW 2004, 1320. 846 Nachweise bei Walter NJW 2019, 959. 847 Nachweise bei Walter NJW 2019, 959. 848 Walter NJW 2019, 959 (961). 849 Walter NJW 2019, 959 (963). 850 Walter NJW 2019, 959 (963). 851 Walter NJW 2019, 959 (964). 852 Ensthaler/Genzow § 87 Rn 24; Hopt § 87 Rn 46. 853 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 51; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 113. 854 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 122. 855 Westphal I Rn 523. Emde

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meist ausscheiden, falls der nachfolgende HV bloß unwesentlich beim Abschluss des Geschäftes mitgewirkt hat.856 § 87 Abs. 3 S. 2 spricht von der „Teilung“ der Provision. Das bedeutet nicht notwendig eine hälftige Teilung.857 Entsprechend dem Grad der Tätigkeit und der Verursachung kommen andere Teilungsmaßstäbe in Betracht;858 selbst bei klar überwiegender Verursachung eines Teils ist Abs. 3 S. 2 anwendbar.859 Die Diskussion zu § 426 BGB findet hier eine Parallele. Da das Gesetz vom Vorrang der Provision des Vorgängers ausgeht, wird der Vorgängervertreter in der Regel den größeren Anteil erhalten. Das ergibt sich im Fall des § 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 aus dem Gesetzeswortlaut, indem Anspruchsvoraussetzung wurde, dass das Geschäft „überwiegend“ auf die Tätigkeit des Vorgängervertreters zurückzuführen sein muss.860 Ist der Provisionsanspruch des Vorgängervertreters begründet, weil vor Beendigung des Vertragsverhältnisses das Angebot des Kunden zuging, bleibt die Teilung meist ausgeschlossen, da es zum Abschluss nur noch der Annahme des Angebotes bedarf und keine Tätigkeit des Nachfolgevertreters entfaltet wird.861 Bei der Vermittlungsprovision nach Abs. 1 S. 1 kann eine Teilung nur in Betracht kommen, 170 wenn trotz der als TB-Voraussetzung vorgesehenen überwiegenden Herbeiführung des Kundenvertrags durch den ausgeschiedenen HV (Abs. 3 S. 1 Nr. 1) die Mitursächlichkeit der Tätigkeit des Nachfolgers so erheblich ist, dass ein völliger (weitgehender) Ausschluss einer Vergütung für ihn der Billigkeit widerspricht.862 Entscheidend sind auch hier sämtliche Umstände des Einzelfalls.863 Mitverursachende Beiträge des Unternehmers, seines Personals oder Dritter sind dem Nachfolger schon nach dem Wortlaut der Vorschrift bei der Billigkeitsprüfung nicht zuzurechnen; es bleibt regelm. beim vollen Provisionsanspruch des ausgeschiedenen HV.864 Zugunsten der Bezirksprovision nach Abs. 2 S. 1 bleibt für eine Billigkeitskorrektur kaum Raum, weil die Bezirksprovision ohne konkrete Vermittlungstätigkeit verdient wird und der Ausgeschiedene nur unter den engen Voraussetzungen des Abs. 3 S. 1 Nr. 2 – mithin der vollständigen Vorbereitung des Kundengeschäfts während seiner Vertragszeit – Anspruch auf eine „nachvertragliche“ Bezirksprovision erwerben kann.865 Aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen den normalen Provisionstatbeständen der 171 Abs. 1, 2 sowie Abs. 3 S. 2 (2) folgt die Beweislast: Wer sich auf die Ausnahmebestimmung866 des Abs. 3 S. 2 beruft, muss den Beweis der Ausnahme führen.

VII. Rechtsfolgen Wenn und soweit eine nachvertragliche Provision entsteht, verdrängt sie die etwaige Provisi- 172 onsberechtigung eines anderen Vertreters, Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2. Die Betonung liegt auf dem Wort „soweit“. Es lässt auch eine nur partielle „Teilverdrängung“, d. h. eine Provisionsteilung, zu, sollte sie angemessen sein. Der verdrängte HV kann sowohl ein gewöhnlicher HV nach 856 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (526); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 121; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 114; aA Hopt § 87 Rn 46. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 121; Westphal I Rn 523; Oetker/Busche5 § 87 Rn 33. Westphal I Rn 523. Hopt § 87 Rn 46; aA MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 114. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 197; Westphal I Rn 523. Westphal I Rn 523. Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 51; Ensthaler/Genzow § 87 Rn 24; Hopt § 87 Rn 46; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 87 Rn 113. 863 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 51; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 16b; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 113. 864 Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (527); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 123; Ebenroth/ Löwisch3 § 87 Rn 51; Ensthaler/Genzow § 87 Rn 24; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 16b; Hopt § 87 Rn 46. 865 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 51. 866 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 52.

857 858 859 860 861 862

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Abs. 1 sein (der dann bei der Vermittlung des Geschäfts sich gleichfalls betätigt hätte, etwa als Nachfolger-Vertreter), oder aber im Fall des Abs. 3 Nr. 2 ein Bezirksvertreter bzw. ein HV mit zugewiesenem Kundenkreis nach Abs. 2 (namentlich sofern er den Bezirk bzw. den Kundenkreis von dem ausgeschiedenen HV übernommen hat). Nur im ersteren Falle käme es darauf an, wessen Tätigkeit für den Abschluss überwiegend ursächlich geworden ist. Unabhängig hiervon und in beiden Fällen fällt die Provision dem Nachfolger zu, wenn der Geschäftsabschluss erst nach unangemessen langer Frist erfolgt oder es (aus welchen Gründen immer) an dem Merkmal „überwiegende Tätigkeit“ des ausgeschiedenen HV fehlt. Beansprucht der Nachfolger des HV die dem Vorgänger nach Abs. 3 ausbezahlte Provision für sich, so kann er diesen Anspruch nur gegenüber dem Unternehmer, nicht gegen den Vorgänger selbst geltend machen.

VIII. Derogation 173 § 87 Abs. 3 ist nicht zwingend. Die Parteien dürfen also Abweichendes vereinbaren,867 wohl auch in AGB.868 So können nachvertragliche Provisionen völlig ausgeschlossen oder begrenzt werden.869 In der Praxis geschieht das vielfach, etwa durch Einmalprovisionen870 (zu Provisionsverzichtsklauseln s. Kommentierung zu § 89b), Provisionsverzichte871 oder geringeren nachvertraglichen Provisionen als von § 87 vorgesehen.872 Die nachvertragliche Provision gem. § 87 Abs. 3 Nr. 1 darf auch auf die Fälle der überwiegenden oder ausschließlichen Tätigkeit des HV begrenzt oder ausgeschlossen werden.873 Wird die nachvertragliche Provision oder die Überhangprovision derogiert, ist sie daraufhin ausgleichsfähig nach § 89b (§ 89b Rn 148). Weiter können die Parteien die Frist, in der der Geschäftsabschluss gem. § 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 nach Vertragsbeendigung getätigt werden muss, bestimmen,874 ebenso die Frist, innerhalb derer das Angebot des § 87 Abs. 3 Nr. 2 eingehen muss. Die zwingenden Vorschriften, insb. § 87a Abs. 5, müssen aber beachtet werden.875 Unwirksam wegen des Ausschlusses des Provisionsrechtes für vertragswidrig verspätet ausgeführte Geschäfte (§ 87a Abs. 3, 5) ist daher die Klausel: „Für Verträge, die während der Vertragszeit abgeschlossen werden, die aber erst nach Vertragsbeendigung ausgeführt werden, erhält der HV Provision nur dann, wenn die Ausführung des Auftrags innerhalb von 6 Monaten nach Ausscheiden des HV erfolgt“.876

IX. Beweislast 174 Die Beweislast für die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des Abs. 3 trifft denjenigen, der sich auf sie beruft. 867 OLG Nürnberg BB 1963, 203; Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (528); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 126; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 189; Ensthaler/Genzow § 87 Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 115. 868 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 126; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 77; zweifelnd Graf v. Westphalen Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Handelsvertreterrecht Rn 34; referierend Wauschkuhn/Fröhlich BB 2010, 524 (528); offen gelassen von BGH, Urt. v. 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, NJW-RR 1998, 629 = MDR 1998, 354 – Überhangprovision; v. 21.10.2009 –VII ZR 286/07, NJW 2010, 298 = MDR 2010, 35; für eine rigide Inhaltskontrolle beim Ausschluss von Überhangprovisionen Thume MDR 2011, 703 (708). 869 OLG Nürnberg BB 1963, 203; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 127. 870 Thume BB 2015, 387; Thume BB 2012, 975 (977); Thume MDR 2011, 703 (707). 871 Thume MDR 2011, 703 (707). 872 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 127. 873 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 190. 874 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 190; Westphal I Rn 524. 875 BGH, Urt. v. 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, NJW-RR 1998, 629 (630). 876 BGH, Urt. v. 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, NJW-RR 1998, 629. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 87

U. § 87 Abs 4 – Inkassoprovision Die Einziehung des von dem Kunden zu zahlenden Entgeltes gehört nicht zu den durch die Ver- 175 mittlungsprovision vergüteten Aufgaben eines HV.877 Deshalb ist auch ein zum Geschäftsabschluss bevollmächtigter HV zum Inkasso grundsätzlich nicht verpflichtet oder befugt.878 Wird ihm jedoch ein besonderer Inkassoauftrag nach § 55 Abs. 3879 erteilt, so steht ihm für die auftragsgemäß eingezogenen Beträge Anspruch auf eine zusätzlich zur Provision nach Abs. 1–3 zu leistende,880 besondere Vergütung, die sog. Inkassoprovision, zu.881 Sie ist Verwaltungsprovision882 und soll deshalb bei der Rohausgleichsberechnung nicht einbezogen werden, nur bei der Bestimmung der Ausgleichshöchstgrenze.883 Dabei wird es – sofern Verwaltungsprovisionen nicht ohnehin für ausgleichsfähig gehalten werden – aber darauf ankommen, ob die werbende Tätigkeit ohne das Inkasso unmöglich war – dann Einbeziehung auch in die Rohausgleichsberechnung. Ggf. ist der Anteil der Inkassoprovision an einer Gesamtprovision zu schätzen.884 Der Anspruch auf Inkassoprovision setzt eine hinreichend klare Verpflichtung des HV zum Inkasso voraus, für welche derjenige beweispflichtig ist, der sich auf die Vorteile der Vereinbarung beruft.885 Der Inkassovertrag kann gegenständlich, räumlich, persönlich und zeitlich begrenzt werden.886 Er muss sich nicht auf Kunden des HV oder von ihm vermittelte Geschäfte gem. Abs. 1 und 2 beziehen.887 Der Anspruch entsteht auch, wenn ein Provisionsrecht nach diesen Absätzen nicht entstanden ist.888 Eine stillschweigende Erteilung des Inkassoauftrages bzw. der -Vollmacht ist möglich,889 etwa durch wiederholte, widerspruchslose Entgegennahme der von den Kunden an den HV geleisteten Zahlungen,890 längere Zahlung einer Inkassoprovision, Aushändigung einer Quittung gem. § 370 BGB oder durch Hinweise in den Bestellscheinen auf die Möglichkeit der Zahlung an den HV.891 In Abwesenheit einer abweichenden Vereinbarung entsteht der Anspruch auf Inkassoprovi- 176 sion, wenn, soweit und sobald der HV vertragsgemäß eine Inkassotätigkeit vornimmt,892 also spätestens mit der tatsächlichen Entgegennahme einer für den Unternehmer bestimmten Leistung.893 Die Höhe der Vergütung bemisst sich mangels besonderer Festsetzung oder Handelsbrauchs894 nach §§ 87b,895 87d.896 Wurde eine Einheitsprovision bestimmt, hat der Unterneh877 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 128; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 70; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 27; Oetker/Busche5 § 87 Rn 34; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 116; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 50. 878 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 71; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 51. 879 Hopt § 87 Rn 47; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 116. 880 Hopt § 87 Rn 47. 881 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 128; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 70; Oetker/Busche5 § 87 Rn 34. 882 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 131; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 43. 883 Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 43. 884 Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87 Rn 43. 885 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 71; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 27. 886 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 71. 887 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 71; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 118; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 52. 888 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 118. 889 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 71. 890 Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 8a. 891 Schlegelberger/Schröder § 91 Rn 8b. 892 Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 51. 893 OLG Hamburg VersR 1963, 626; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 72; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 118; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 50b. 894 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 118. 895 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 130; Hopt § 87 Rn 47. 896 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 73; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 27; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 87 Rn 118; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 53. 939

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§ 87

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mer die ausreichende Vergütung für die Inkassotätigkeit zu beweisen. Er besitzt meist die Formulierungshoheit. Bei eingezogenen Teilbeträgen ist ein entsprechender Teil der Inkassoprovision zu zahlen.897 177 Der mit dem Inkasso beauftragte HV muss gem. §§ 675, 676 BGB i. V. m. den Regelungen des HV-Vertrages898 über die eingezogenen Beträge innerhalb der vereinbarten oder üblichen Fristen abrechnen und die Beträge auskehren (siehe auch Kommentierung zu § 86 zur Rechenschaftspflicht). Einigkeit besteht über die Pflicht zur regelmäßigen Auskehrung.899 Hilfsweise gelten die Abrechnungsfristen des § 87c Abs. 1 analog, also im Zweifel unverzüglich.900 Für die Abrechnung gilt § 87c Abs. 1. Die Fälligkeit des Anspruchs des Unternehmers auf Auszahlung eingezogener Beträge tritt mangels abweichender, vorrangiger Vereinbarung gem. § 87a Abs. 4 spätestens mit der erforderlichen Abrechnung ein, bei unterlassener Abrechnung mit dem Ende des Zeitraums, zu dem der HV hätte abrechnen müssen, ohne Abrechnungspflicht ebenfalls unverzüglich. Bis zur Auskehrung hat der HV im Zweifel die eingenommenen Beträge getrennt von eigenen Geldern zu verwahren.901 Die verzögerte Weiterleitung führt zu einer Haftung aus § 288 BGB,902 insb. wenn eine zu spät eingeleitete Vollstreckung gegen den Schuldner fruchtlos bleibt,903 zudem ggf. zur Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB. Denn der Inkasso-HV unterliegt einer Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 StGB. So obliegt einem IATA-HV gegenüber der Fluggesellschaft, deren Leistungen er vertreibt, hinsichtlich der von ihr eingezogenen Gegenleistung (Entgelte) eine Vermögensbetreuungspflicht.904 Denn die Verpflichtung zur Einziehung der Entgelte und ihre Abführung begründet eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Fluggesellschaft. Das gilt auch dann, wenn erlangtes Geld nicht getrennt vom sonstigen Vermögen treuhänderisch aufzubewahren ist.905 Der Unternehmer, der von seinem Inkasso-HV Herausgabe der Kassenbestände fordert, braucht lediglich nachzuweisen, dass er eine funktionstüchtige EDV bereitgestellt hat, in welche die einzuziehenden Beträge einzugeben waren. Weitere Darlegungen zur Richtigkeit der einzelnen Buchungen und Geschäftsvorfälle sind nicht erforderlich, weil der HV die Geschäftsvorfälle in das System einzugeben hat und der Unternehmer daher auf die Richtigkeit der vorgenommenen Eingaben vertrauen und sich jener zu einer schlüssigen Darlegung und zum Nachweis eines zu seinen Gunsten resultierenden Endsaldos bedienen darf.906 Sache des HV ist es, den Verbleib des Kassenbestandes darzutun und sich wegen etwaiger Fehlbestände zu entlasten.907 Das vom HV eingenommene Geld ist auch herauszugeben, wenn es nicht mehr vorhanden, aber nicht bestimmungsgemäß verwendet worden ist, wobei der HV die bestimmungsgemäße Verwendung zu beweisen hat.908 Der Einwand einer Überforderung mit einem EDV-System ist unbeachtlich, falls es Einweisung, Handbuch und Hotline gab.909 Auch der nicht näher substantiierte Hinweis auf allgemeine Sicherheitsprobleme entlastet den HV nicht.910

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Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 72. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 7.7.2010 – 4 U 25/06, BeckRS 2010, 19018. Ebenroth/Löwisch3 § 86 Rn 46, § 87 Rn 72; Hopt § 86 Rn 17; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 86 Rn 56. Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 54a. Vgl. Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 54a. Vgl. Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 54. Vgl. Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 54. BGH, Urt. v. 24.4.2018 – VI ZR 250/17, VersR 2018, 943 Rn 16. BGH, Urt. v. 24.4.2018 – VI ZR 250/17, VersR 2018, 943 Rn 19. OLG Köln, Urt. v. 21.11.2008 – 19 U 72/08, BeckRS 2009, 27270. OLG Köln, Urt. v. 21.11.2008 – 19 U 72/08, BeckRS 2009, 27270. OLG Köln, Urt. v. 21.11.2008 – 19 U 72/08, BeckRS 2009, 27270. OLG Köln, Urt. v. 21.11.2008 – 19 U 72/08, BeckRS 2009, 27270. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 7.7.2010 – 4 U 25/06, BeckRS 2010, 19018 zum EPOS-System der Postagenturen.

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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Bei der Tätigkeit eines Inkasso-HV erwirbt der Unternehmer Eigentum an den von dem HV 178 eingenommenen Inkassogeldern, indem der Inkasso-HV als Besitzmittler des Unternehmers die Gelder entgegennimmt.911 Sofern sich eigene Gelder des HV in dieser Kasse befinden, werden sie gem. §§ 948 Abs. 1, 947 Abs. 1 BGB zu Miteigentum vermischt.912 Der Kasseninhaber erwirbt nicht nach §§ 948 Abs. 1, 947 Abs. 2 BGB Alleineigentum an dem Gesamtbestand, weil anderenfalls der Regelfall einer Geldvermischung entgegen dem Grundgedanken des Gesetzes gerade in der Insolvenz des Kasseninhabers mit einem dinglichen Rechtsverlust verbunden wäre.913 Zu den Folgen in der Insolvenz des Inkasso-HV (dort: Tankstellen-HV), insb. auch zur dortigen Ablehnung eines Bargeschäfts i. S. d. § 142 InsO siehe BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 ff. = BB 2010, 2721 m. Anm. Wilhelm. Die vertragswidrige Einziehung von Beträgen trotz eines Inkassoverbots kann eine Straf- 179 barkeit des HV nach § 266 StGB begründen914 (allg. s. Kommentierung zu § 86). Eine Inkassoprovision entsteht für die eigenmächtig eingezogenen Beträge nicht,915 ebenso wenig ein Anspruch aus § 354.916 Der Unternehmer kann die Einziehung aber genehmigen.917 Damit löst er den Anspruch des HV auf Inkassoprovision aus.918 Die bloße Forderung nach Herausgabe übt lediglich das Herausgaberecht nach §§ 681, 667 BGB aus und bildet keine Genehmigung der Einziehung.919 Im Falle einer Genehmigung bisher vollmachtslosen Verhaltens kommt es auf den Inhalt der Genehmigung an, ob diese auch für die Zukunft gelten soll, was im Zweifel auszuschließen ist.920 Ob der HV berechtigt ist, sich wegen seiner Provisionsforderungen aus den eingezogenen Geldern zu befriedigen, bestimmt sich nach dem Inhalt des Vertrages, soll aber im Zweifel zu verneinen sein.921 Insoweit wird auch auf die Kommentierung zu § 88a verwiesen. Die Inkassoabrede endet spätestens – im Zweifel922 – mit dem HV-Vertrag.923 Ein Anspruch auf 180 Inkassoprovision kann dann vorbehaltlich einer Genehmigung nicht mehr entstehen, selbst wenn noch nachhängende Vermittlungsprovisionen, etwa auf Grund von Sukzessivlieferungsgeschäften aus der Vertragszeit, anfallen sollten.924 Ob die Abrede teilgekündigt werden darf, ist Auslegungsfrage. Regelmäßig ist eine Teilkündigung des HV-Vertrages unzulässig. Möglicherweise wird man angesichts des besonderen, mit dem Inkasso verbundenen Vertrauensverhältnisses eine Teilkündigung der Inkassoabrede zulassen müssen,925 wofür die Regeln über den Entzug der nach außen wirkenden Vollmacht sprechen. Die Ansprüche an den wichtigen Grund i. S. d. § 89a dürften hier zudem geringer liegen als bei der Kündigung des HV-Vertrages selbst. Jedenfalls wird der jederzeitige Widerruf der Inkassoabrede vereinbart wirden dürfen, auch in AGB.

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BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 (2010) Rn 12. BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 (2010) Rn 13. BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 (2010) Rn 13. BGH, Urt. v. 29.10.1991 – 1 StR 513/91, wistra 1992, 60. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 129; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 117. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 129. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 129. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 117; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 51. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 129. Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 71. OLG Düsseldorf OLGR 2000, 382 (384); OLG Hamm HVR Nr. 973; NJW-RR 1994, 158 (159), Flohr/Wauschkuhn/ Fröhlich Vertriebsrecht § 88a Rn 9; Ebenroth/Löwisch3 § 88a Rn 4; Oetker/Busche5 § 88a Rn 4; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 88a Rn 6; Hopt § 88a Rn 1; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 88a Rn 10; Schlegelberger/ Schröder § 87 Rn 54a; aA OLG Köln VersR 1970, 53 (54); MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 88a Rn 7. 922 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 74. 923 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 117; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 51. 924 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 117. 925 Dafür Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 74. 941

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Auch die Regelung zur Inkassoprovision ist nicht zwingend, sie kann abgeändert oder derogiert werden.926 So wird sie häufig im Tankstellengeschäft ausgeschlossen.927 Folglich entsteht der Anspruch auf Inkassoprovision bei Existenz einer Inkassoabrede nur, wenn er entweder vertraglich vereinbart oder nicht derogiert wurde.

V. Umgehungstatbestände/Konzerngeschäfte/Durchgriff 182 Gibt der Unternehmer das Geschäft an ein mit ihm wirtschaftlich oder rechtlich verbundenes Unternehmen oder einen Dritten weiter und führt dieses oder dieser – und nicht der Unternehmer – das Geschäft aus, so besteht zwar kein HV-Vertrag zwischen Ausführendem und dem HV. Der Unternehmer verstößt jedoch gegen die Treupflichten des HV-Vertrages sowie gegen seine Leistungstreuepflicht, wenn er auf diese Weise die Kausalität und die Entstehung der Provisionsanwartschaft verhindert (s. a. Kommentierung zu § 86a). Folge ist eine Schadensersatzverpflichtung nach § 280, § 826 BGB, wobei der Schaden in Höhe der entgangenen Provision netto valutiert.928 Das gilt insb., falls der HV nachweist, dass der Unternehmer das Geschäft mit Drittunternehmen oder Drittkunden in der Absicht vorgenommen hat, den Provisionsanspruch des HV zu umgehen oder zu vereiteln.929 Letztlich kommt es auf objektive Durchgriffserwägungen an, und nicht auf den Umgehungswillen des Unternehmers930 oder gar des Kunden; letzterer braucht noch nicht einmal Kenntnis des Umgehungstatbestandes zu haben. Unternehmer und verbundenes Unternehmen handeln als Mittäter i. S. d. § 840 BGB und sind folglich Gesamtschuldner. Ein gegen den Unternehmer gerichteter Provisionsanspruch aus §§ 242, 162 BGB, 87a Abs. 3 (analog) i. V. m. § 87 HGB lässt sich ebenfalls begründen931 und hat den Vorteil, dass ein Verschulden nicht erforderlich ist: Kommt das vom HV mitverursachte Kundengeschäft mit einem mit dem Unternehmer verbundenen (etwa den Unternehmer beherrschendes932) oder von ihm rechtlich oder wirtschaftlich beherrschtes933 Drittunternehmen zustande, soll eine Provisionsanwartschaft entstehen, sofern die Vermittlungstätigkeit bei redlicher und vernünftiger Auslegung noch vom HV-Vertrag gedeckt ist, wobei es auch hier auf den objektiven Umgehungstatbestand, insb. die wirtschaftliche Identität oder Einheit,934 und nicht die subjektive Umgehungsabsicht ankommt.935 Typischerweise sind auch Geschäfte mit Konzernunternehmen provisionspflichtig.936 Jedenfalls besteht die Provisionspflicht im Falle der wirtschaftlich selbständigen Entscheidung des Kunden,937 z. B. beim Abschluss durch ein in Produktion und Vertrieb selbständiges Schwesterunternehmen.938 Bei derartigen Näheverhältnissen besteht die Vermutung, dass das Geschäft letztlich mittelbar auch dem Unternehmer zugute kommt. 926 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 131; Hopt § 87 Rn 47. 927 Steinhauer BB 2009, 2386 (2387 f.). 928 Im Ergebnis BGH, Urt. v. 30.1.1981 – I ZR 17/79, NJW 1981, 1785; v. 4.12.1986 – I ZR 101/85, NJW-RR 1987, 547; Eberstein9 S. 79; Ebenroth/Löwisch2 § 87 Rn 22; Hopt § 87 Rn 14; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 24, wobei z. T. ein Provisions- und kein Schadenersatzanspruch zugebilligt wird. 929 BGH, Urt. v. 29.9.1976 – IV ZR 202/75, WM 1976, 1194; RG HRR 1933 Nr. 940; OLG Celle, Urt. v. 14.11.1969 – 13 U 116/69, BB 1970, 51 = DB 1970, 582 (dort Provisionsanspruch verneint). 930 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 29. 931 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 37; Oetker/Busche5 § 87 Rn 13. 932 BGH WM 1987, 546; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 29; Hopt § 87 Rn 14. 933 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 29. 934 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 29. 935 BGH NJW 1981, 1785; OLG Köln HVR Nr. 526; OLG München HVR Nr. 1103; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. IV Rn 111; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 37; Hopt § 87 Rn 14. 936 Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 11. Aufl. 2011, § 87 Rn 2. 937 Hopt § 87 Rn 14. 938 LG Münster MDR 1983, 673 (dort Anspruch wegen fehlender Gesellschafteridentität und Näheverhältnisses verneint); Hopt § 87 Rn 14; zur Verlagerung im Konzern Maier BB 1970, 1327. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

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W. Verwirkung Das Provisionsrecht kann wie jedes Recht gem. § 242 BGB verwirkt werden.939 Zu denken ist 183 etwa an Fälle, in denen der HV das Vermittlungs- oder Abschlussrecht entgegen seiner Interessenwahrungspflicht ausübt, etwa einen Altvertrag zunichte macht.

X. Beweislast Jede Partei trägt die Beweislast für die für sie günstigen Voraussetzungen einer Norm. Der HV als 184 Anspruchsteller muss Grund, Höhe und Berechnungsgrundlagen seines Provisionsanspruchs darlegen und beweisen.940 Vom gesetzlichen Regelfall abweichende Umstände muss beweisen, wer sich auf sie beruft.941 Es soll keine Treuwidrigkeit darin liegen, wenn einerseits der in eine Abrechnung eingestellte Guthabenbetrag geltend gemacht wird, bestimmte Belastungsbuchungen aus derselben Abrechnung jedoch bestritten werden.942 Das gilt jedenfalls, wenn nicht willkürlich ein besonders günstiger Abrechnungszeitraum gewählt wird, es sich um eine unmittelbar vor der Kündigung vom Unternehmer gefertigte Abrechnung handelt, der Unternehmer den HV vom Onlinesystem getrennt und Auszahlungen unterbunden hat.943 Im Einzelnen s. zur Beweislast bei den jeweiligen Provisions-TB. 185 Damit trägt der HV die Beweislast für folgende Umstände: – Entstehen seines Provisionsanspruchs;944 – Abschluss des Kundengeschäfts;945 – Beim Bezirksvertreter: Bezirksabrede und Kundengeschäft;946 – Folgegeschäft und Vorkauf sind vom HV zu beweisen. Näheres s. Rn 92; – Ursächlichkeit der Vermittlungsbemühung für das Kundengeschäft i. S. d. Abs. 1 S. 1 1. Alt. Hierfür soll der Nachweis einer Tätigkeit reichen, die nach allgemeiner Erfahrung mitursächlich für einen solchen Abschluss sein kann.947 Dem Unternehmer obliegt der Gegenbeweis einer ernsthaften anderen Möglichkeit; – Vereinbarte Provisionshöhe;948 – Für die TB-Voraussetzungen des Abs. 3 S. 1949 und 2 der anspruchsstellende HV;

939 BGH, Urt. v. 31.1.1957 – II ZR 281/55, HVR Nr. 143; RGZ 109, 256; OLG München BB 1955, 714; OLG Hamm NJW 1959, 677 = BB 1959, 682; OLG Stuttgart BB 1970, 1112; OLG Koblenz BB 1973, 866; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 74; zweifelnd Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 79, der die Verwirkung jedoch anerkennt, sofern es dem Unternehmer wegen groben Fehlverhaltens des HV unzumutbar ist, an den vertragsuntreuen HV eine Leistung zu erbringen. 940 BGH, Urt. v. 16.6.2010 – VIII ZR 62/09, BeckRS 2010, 16879 Rn 34 ff. zu einer Provisionsabrede; OLG Hamm, Urt. v. 26.10.2009 – 18 U 212/08, BeckRS 2009, 87054; LG Bonn, Urt. v. 15.12.2009 – 11 O 52/09, BeckRS 2010, 04041; Dänekamp/Kölln NJW 2015, 3126 (3127); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87 Rn 132; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 49. 941 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 82; aA OLG Hamm, Urt. v. 26.10.2009 – 18 U 212/08, BeckRS 2009, 87054: Vom Unternehmer behauptete gegenteilige Vereinbarungen muss der HV auch dann ausräumen, wenn sie von der dispositiven gesetzlichen Regelung des § 87b Abs. 2 abweichen. 942 OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (382) m. Anm. Lost - VV. 943 OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (382) m. Anm. Lost - VV. 944 OLG Hamm, Urt. v. 26.10.2009 – 18 U 212/08, BeckRS 2009, 87054. 945 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 82. 946 Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 82. 947 Baumgärtel § 87 Rn 2; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 82; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 49, 50; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 19b, 27. 948 OLG Hamm, Urt. v. 26.10.2009 – 18 U 212/08, BeckRS 2009, 87054. 949 OLG Düsseldorf OLGZ 1999, 453; Baumgärtel § 87 Rn 5; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 47a. 943

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1. Buch. Handelsstand

Grund und Höhe der Inkassoprovision sowie vertragsgemäße Entgegennahme einer vom Inkassoauftrag erfassten Leistung;950 Dass ein vom Unternehmer gezahlter Geldbetrag nicht auf einen erfolgsunabhängigen Provisionsanspruch geleistet und anzurechnen ist951 (zwh.). Der Unternehmer trägt die Beweislast für folgende Tatsachen: Erfüllung des Provisionsanspruchs; Unwirksamkeit des Geschäfts;952 Bedingter Abschluss des Kundengeschäfts; Provisionsausschluss nach Abs. 1 S. 2 oder Abs. 2 S. 2953 oder nach § 242 BGB (Treu und Glauben); Gegenrechte aus § 320 BGB, falls der HV zuvor konkret Art und Umfang seiner Tätigkeit dargelegt hat;954 Gegenrechte aus § 280 BGB.

Y. Verfahrensrecht 186 Die Klagschrift muss die Mindestvoraussetzungen des § 253 Abs. 2 ZPO erfüllen.955 So hat der BGH956 die Klage eines HV für nicht hinreichend bestimmt gehalten, bei der eine Forderung auf Zahlung restlicher Provisionen nur als Summe eingeklagt wurde, ohne dass der Kläger hinreichend präzisiert hatte, welche Einzelforderungen offen standen. Ist die Provisionsentstehung von vielen Voraussetzungen abhängig, erfordert die Darlegung u. U. einen erheblichen Begründungsaufwand.957 Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag unterstützen. Es entspricht zwar nicht dem Idealbild der Prozessführung im Anwaltsprozess, wenn wesentliche Details des Sachverhaltes, insb. Provisionsforderungen sowie deren Entfallen nach § 87a Abs. 3, durch Anlagen präsentiert werden, die die Parteien selbst gefertigt haben. Betreffen sie jedoch eine so große Anzahl von Einzelpositionen, dass es angebracht erscheint, keine ausführlichen schriftsätzlichen Darlegungen zu fordern und sind sie übersichtlich gestaltet, ist dies hinzunehmen.958 Die Anlagen müssen aus sich heraus verständlich sein.959 Sie brauchen jedoch nicht sämtliche Anspruchsvoraussetzungen zu belegen, weil dies auch schriftsätzlich geschehen kann.960 Auch im Berufungsrechtszug darf der HV von einer Feststellungsklage zu einer bezifferten Provisionsklage wechseln.961 Die Provisionsansprüche dürfen nach Abtretung durch den Zedenten für den Zessionar im Wege der Prozessstandschaft eingeklagt werden.962

Z. Steuer- und Bilanzrecht 187 Zum Steuerrecht der Versicherungsvertreter s. Kommentierung zu § 92. Auch Vergütungen, die ein Vermittler von Beteiligungen an Personengesellschaften von einem Dritten für die Zeich950 951 952 953 954 955 956 957 958 959 960 961 962

Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 82. OLG Nürnberg BB 1964, 866; Baumgärtel § 87 Rn 1; Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 2. Schlegelberger/Schröder § 87 Rn 19b; aA Beweislast bei HV: Baumgärtel § 87 Rn 2. Baumgärtel § 87 Rn 3; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 82. Baumgärtel § 87 Rn 4. Dänekamp/Kölln NJW 2015, 3126 (3127). NJW-RR 1997, 441. Dänekamp/Kölln NJW 2015, 3126 (3129). LG München, Urt. v. 24.5.2007 – 4 HKO 1124/00. Dänekamp/Kölln NJW 2015, 3126 (3127). AA mglw. Dänekamp/Kölln NJW 2015, 3126 (3127). BGH, Beschl. v. 8.12.2009 – VIII ZR 92/07. OLG Hamm, Urt. v. 5.10.2009 – 18 U 104/08, BeckRS 2010, 05592.

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 87

nung eigener Beteiligungen an diesen Gesellschaften erhält sowie Vergütungen, die der Mittler erhält, weil er Dritten Anteile an solchen Publikums-KG vermittelt, an denen er auch selbst beteiligt ist, sind Betriebseinnahmen.963 Der Provisionsanspruch des HV ist erst zu aktivieren, wenn der Zahlungsanspruch entstanden ist,964 d. h. meist, wenn der Unternehmer das vom HV vermittelte Geschäft ausgeführt hat.965 Solange der Provisionsanspruch noch unter der aufschiebenden Bedingung der Ausführung des Geschäfts steht, ist er nicht zu aktivieren.966 Dem entspricht es spiegelbildlich, dass der Geschäftsherr vor Ausführung des Liefergeschäfts keine Rückstellung für die künftige Forderung des HV auf Provision bilden darf.967 Beides beruht darauf, dass der Provisionsanspruch zwar gem. § 87 Abs. 1 S. 1 mit dem erfolgreichen Abschluss der Vermittlung entsteht, die Provision aber gem. § 87a Abs. 1 S. 1 erst verdient ist, sobald und soweit der Geschäftsherr das Geschäft ausgeführt hat. Die teilweise Aktivierung der Provisionsforderungen als „unfertige Leistungen“ (§ 266 Abs. 2 lit. B. Nr. I. 2.) kommt nicht in Betracht.968 Die am Bilanzstichtag noch nicht abgerechneten Provisionszahlungen sind wie folgt zu bilanzieren969: Der HV hat den offenen Betrag als „Forderung an Provisionserlöse/USt“ zu buchen. Der Unternehmer hat demnach eine Forderung zu aktivieren, wenn er seine Leistung erbracht hat.970 Der Unternehmer hat hierfür eine Rückstellung zu bilden („Provisionsaufwand an Rückstellungen“).971 Wird jedoch vereinbart, dass der Provisionsanspruch erst mit Ausführung des Geschäfts bedingt entsteht, kann vor Eintritt der Bedingung keine Forderung beim Provisionsberechtigten gebucht oder eine Rückstellung beim Geschäftsherrn gebildet werden. Provisionsvorschüsse sind beim Empfänger als „erhaltene Anzahlung“ zu passivieren. Aufwendungen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Provisionsvorschüssen stehen, sind nicht als „unfertige Leistungen“ zu aktivieren, wenn kein Wirtschaftsgut entstanden ist.972 Insbesondere vertraglich vereinbarte Provisionsvorschüsse mit Kreditcharakter führen nicht zu einer Gewinnrealisierung und sind als erhaltene Anzahlungen unter den sonstigen Verbindlichkeiten zu passivieren.973 Gem. § 4 Nr. 8 lit. a und f UStG sind u. a. Provisionen für die Vermittlung von Krediten 188 und Gesellschaftsanteilen umsatzsteuerfrei. Die Steuerfreiheit für die Vermittlung von Gesellschaftsanteilen nach § 4 Nr. 8 lit. f UStG 1993 erfordert keine unmittelbare Beauftragung durch eine der Parteien des vermittelten Vertrages.974 Sie setzt eine Tätigkeit voraus, die einzelne Vertragsabschlüsse fördert.975 Zweck einer Vermittlungstätigkeit ist es, das Erforderliche zu tun, damit 2 Parteien einen Vertrag schließen, an dessen Inhalt der Vermittler kein Eigeninteres-

963 BFH, Urt. v. 14.3.2012 – X R 24/10, DStRE 2011, 444; zu VV ebenso BGH, Urt. v. 14.3.2012 – X R 24/10, BB 2012, 1337 = DB 2012, 1075; v. 14.3.2012 – X R 29/11, EFG 2011, 2156 = BeckRS 2012, 95765; BFHE 186, 256; BStBl. II 1998, 618. 964 BFH, Urt. v. 9.10.2013 – I R 15/12, BeckRS 2014, 94838. 965 BFH, Urt. v. 15.1.1963 – I 259/61 S, BFHE 76, 699 = BStBl III 1963, 256; v. 17.1.1963 IV 335/59 S, BFHE 76, 702 = BStBl III 1963, 257; v. 03.05.1967 – I 111/64, BFHE 88, 498 = BStBl III 1967, 464; v. 28.10.2009 – I R 28/08, IStR 2010, 103 = BeckRS 2009, 25015828. 966 BFH, Urt. v. 26.4.2018 – III R 5/16, DB 2018, 1703. 967 BFH, Urt. v. 19.10.1972 – I R 50/70, BFHE 107, 426 = BStBl II 1973, 212; v. 22.2.1973 IV R 168/71, BFHE 109, 33 = BStBl II 1973, 481; v. 20.1.1983 IV R 168/81, BFHE 137, 489 = BStBl II 1983, 375; v. 28.10.2009 – I R 28/08, IStR 2010, 103 = BeckRS 2009, 25015828. 968 BFH, Urt. v. 28.10.2009 – I R 28/08, IStR 2010, 103 = BeckRS 2009, 25015828. 969 Thurow BC 2010, 437. 970 Thurow BC 2010, 437. 971 Thurow BC 2010, 437. 972 BFH, Urt. v. 26.4.2018 – III R 5/16, DB 2018, 1703. 973 Weiland DStR 2011, 2213. 974 BFH, Urt. v. 20.12.2007 – V R 62/06, ZIP 2008, 505 = DB 2008, 620 = DStR 2008, 403; Abweichung von BFH, Urt. v. 9.10.2003 – V R 5/03, BFHE 203, 295 = ZIP 2004, 259 = EWiR 2004, 357 (Naujok). 975 BFH, Urt. v. 20.12.2007 – V R 62/06, ZIP 2008, 505 = DB 2008, 620 = DStR 2008, 403; Abweichung von BFH, Urt. v. 9.10.2003 – V R 5/03, BFHE 203, 295 = ZIP 2004, 259 = EWiR 2004, 357 (Naujok). 945

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1. Buch. Handelsstand

se hat.976 Es fehlt eine steuerfreie Leistung, falls der Betroffene nach der Art der von ihm erbrachten Leistung keine Vermittlungstätigkeit ausübt.977 Insb. mangelt es an den TB-Voraussetzungen der Steuerfreiheit, sofern sich die Leistungen auf den Aufbau,978 die Führung,979 Schulung980 und die (geschäftsführende) Leitung981 eines Außendienstes beziehen und somit nicht auf die wesentlichen und spezifischen Funktionen einer Mittlertätigkeit in Form des Nachweises der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages, Kontaktaufnahme mit der anderen Partei oder das Verhandeln über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen, um hiermit einen Vertragsschluss zu erreichen.982 Darüber hinausgehend gibt es keine über die Vermittlung von Einzelabschlüssen hinausgehende Steuerfreiheit für Vertriebstätigkeiten allgemeiner Art.983 Damit Steuerfreiheit eintritt, muss es sich um Tätigkeiten handeln, die sich zumindest auch auf einzelne Geschäftsabschlüsse beziehen. Nach dem Urt. des EuGH v. 21.6.2007984 fordert der Begriff der Vermittlung allerdings nicht unbedingt, dass der Vermittler als Untervertreter eines Hauptvertreters in unmittelbarem Kontakt mit den Vertragsparteien steht, um alle Klauseln des Vertrages auszuhandeln. Auch ist nicht erforderlich, dass der HV den durch Untervertreter vermittelten Abschluss selbst prüft.985 Voraussetzung ist jedoch, dass sich seine Tätigkeit nicht auf die Übernahme eines Teils der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit beschränkt. Hiervon weicht der 5. Senat des BFH986 nach Ansicht von Loritz/Wagner987 ab, wenn er verlangt, dass sowohl Haupt- als auch Untervermittler selbst den Nachweis der Abschlussgelegenheit führen müssten, wozu eine Kontaktaufnahme und ein Verhandeln mit einer Partei des Vertrages erforderlich sei. Schulung und Betreuung müssten als umsatzsteuerfreie Nebenleistung qualifiziert werden.988 Die Steuerfreiheit der Kreditvermittlung i. S. d. § 4 Nr. 8 lit. a UStG setzt kein Vertragsverhältnis zwischen dem Erbringer der Vermittlungsleistung und einer der Parteien des Kreditvertrages voraus. Es genügt, dass die Tätigkeit nicht auf die Übernahme eines Teils der Sache beschränkt ist, sondern zum Abschluss eines Kreditvertrages beiträgt und ein Dritter diese Tätigkeit als eigenständige Vermittlungstätigkeit vergütet.989 Die Auszahlung eines Gewinns, den ein HV im Rahmen einer Wettbewerbsauslosung seines Lieferanten erzielt hat, ist auch ohne Entgeltcharakter betrieblich veranlasst i. S. d. §§ 4 Abs. 4, 8 Abs. 1 EStG, selbst wenn die statistische Wahrscheinlichkeit auf einen Gewinn bei 1:16000 liegt.990 Sind für einen Unternehmer HV tätig, denen der Unternehmer Kfz überlässt, ist die Überlassung als steuerrechtliche Beistellung anzusehen, wenn die HV die Fahrzeuge nur für Zwecke der HV-Tätigkeit, nicht aber für private 976 EuGH, Urt. v. 13.12.2001 – C-235/00, CSC, Slg. 2001, I-10237, BFH/NV Beil. 2002, 35, UR 2002, 84 Rn 39 zu Art. 13 Teil B lit. d Nr. 5 RL 77/388/EWG; BFH/NV Beil. 2007, 398, UR 2007, 617 Rn 23; BFH, Urt. v. 30.10.2008 – V R 44/07, BStBl II 2009, 554; FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.3.2011 – 6 K 2456/09, BeckRS 2011, 95472. 977 BFH, Urt. v. 20.12.2007 – V R 62/06, ZIP 2008, 505 = DB 2008, 620 = DStR 2008, 403; FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.3.2011 – 6 K 2456/09, BeckRS 2011, 95472. 978 BFH, Urt. v. 20.12.2007 – V R 62/06, ZIP 2008, 505 = DB 2008, 620 = DStR 2008, 403; Niedersächsisches FG, Urt. v. 11.12.2008 – 5 K 330/07, DStRE 2010, 43. 979 BFH, Urt. v. 20.12.2007 – V R 62/06, ZIP 2008, 505 = DB 2008, 620 = DStR 2008, 403. 980 Niedersächsisches FG, Urt. v. 11.12.2008 – 5 K 330/07, DStRE 2010, 43. 981 BFH, Urt. v. 20.12.2007 – V R 62/06, ZIP 2008, 505 = DB 2008, 620 = DStR 2008, 403; Abweichung von BFH, Urt. v. 9.10.2003 – V R 5/03, BFHE 203, 295 = ZIP 2004, 259 = EWiR 2004, 357 (Naujok); FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.3.2011 – 6 K 2456/09, BeckRS 2011, 95472. 982 BFH, Urt. v. 20.12.2007 – V R 62/06, ZIP 2008, 505 = DB 2008, 620 = DStR 2008, 403. 983 FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.3.2011 – 6 K 2456/09, BeckRS 2011, 95472. 984 EuGH, Urt. v. 21.6.2007 – C-453/05, DStR 2007, 1160, zust. Niedersächsisches FG, Urt. v. 11.12.2008 – 5 K 330/ 07, DStRE 2010, 43. 985 Niedersächsisches FG, Urt. v. 11.12.2008 – 5 K 330/07, DStRE 2010, 43. 986 BFH, Urt. v. 20.12.2007 – V R 62/06, ZIP 2008, 505 = DB 2008, 620 = DStR 2008, 403; v. 30.10.2008 – V R 44/ 907, DStR 2008, 2474. 987 Loritz/Wagner DStR 2009, 666 (668). 988 Loritz/Wagner DStR 2009, 666 (669). 989 FG Münster, Urt. v. 4.9.2007 – 15 K 6100/04 U, BeckRS 2007, 26024182. 990 FG Niedersachsen, Urt. v. 13.2.2007 – 15 K 349/04, BeckRS 2007, 26023776. Emde

946

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 87

Zwecke verwenden dürfen, und dieses Verbot auch in geeigneter Weise tatsächlich überwacht wird.991 Einigen sich die Parteien eines durch Kündigung beendeten HV-Verhältnisses im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs, sind die vom ehemaligen HV vereinnahmten Zahlungen -unabhängig von der Bezeichnung als Schadenersatz- als Gegenleistung im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustausches zu werten, wenn mit der Vereinbarung einer Abgeltungsklausel ein Anspruchsverzicht auf Gegenleistungsbasis erklärt wird.992 Dagegen sind die Zahlungen aufgrund des erst fünf Jahre nach beidseitiger Kündigung zustandegekommenen gerichtlichen Vergleichs als nicht umsatzsteuerbarer Schadensersatz zu beurteilen, wenn die Durchsetzbarkeit der zunächst beanspruchten Restprovisionen und des Handelsvertreterausgleichs aufgrund des jahrelangen Prozessverlaufs sehr zweifelhaft erscheint und das Fallenlassen der Verfolgung dieser Anspruchsgrundlagen nachvollziehbar und glaubwürdig ist.993 Zur ertrags- und umsatzsteuerlichen Auswirkung der Fahrzeugüberlassung an den HV s. a. Altenbeck/Heinrich/Meyer BB 2010, 1887 ff.; zu den steuerlichen Fragen der Wahl der inländischen Kapitalgesellschaft als Vertriebsmittler im internationalen Konzern Port/Schnorberger/ Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 ff. Die mit einer gesellschaftsrechtlich verbundenen Vertriebsgesellschaft getroffenen Abreden müssen einem Fremdvergleich standhalten994 und sollten zur Kontrolle schriftlich gefasst werden. Dazu zählt etwa die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsfristen,995 möglicherweise sogar längerer Kündigungsfristen, wenn nur dann ein angemessener Return auf das eingesetzte Kapital zu erwarten ist.996

991 992 993 994 995 996 947

BFH, Urt. v. 12.5.2009, V R 24/08, BeckRS 2009, 24003832. FG München, Urt. v. 19.4.2012 – 14 K 1967/09. FG München, Urt. v. 19.4.2012 – 14 K 1967/09. Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 (22). Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 (22). Port/Schnorberger/Wauschkuhn ZVertriebsR 2012, 17 (23). Emde

§ 87a [Entstehen und Fälligkeit der Provision] (1)

(2) (3)

(4) (5)

1

Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. 2Eine abweichende Vereinbarung kann getroffen werden, jedoch hat der Handelsvertreter mit der Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer Anspruch auf einen angemessenen Vorschuss, der spätestens am letzten Tag des folgenden Monats fällig ist. 3Unabhängig von einer Vereinbarung hat jedoch der Handelsvertreter Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Dritte das Geschäft ausgeführt hat. Steht fest, dass der Dritte nicht leistet, so entfällt der Anspruch auf Provision; bereits empfangene Beträge sind zurückzugewähren. 1 Der Handelsvertreter hat auch dann einen Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. 2Der Anspruch entfällt im Falle der Nichtausführung, wenn und soweit diese auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Der Anspruch auf Provision wird am letzten Tag des Monats fällig, in dem nach § 87c Abs. 1 über den Anspruch abzurechnen ist. Von Absatz 2 erster Halbsatz, Absätze 3 und 4 abweichende, für den Handelsvertreter nachteilige Vereinbarungen sind unwirksam.

Schrifttum Erhard/Rinne Rechtsnatur pauschalierter Provisionsvorschüsse im Handelsvertreterrecht – zivilrechtliche und bankaufsichtsrechtliche Überlegungen, ZVertriebsR 2013, 214; Glaser Vergütungsfragen des Handelsvertreterrechts DB 1965, 297; Hans Die Provision des Handelsvertreters – insbesondere des Versicherungsvertreters – bei Nichtausführung des vermittelten Geschäfts, BB 1957, 1060; Höft Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters bei Nichtausführung des abgeschlossenen Geschäfts durch das vertretene Unternehmen, DB 1960, 79; Schröder Gesetzlicher und vertraglicher Provisionsanspruch des Handelsvertreters, BB 1963, 567; Sundermann Die Provision des Versicherungsvertreters bei Nichtausführung des vermittelten Geschäfts, BB 1958, 542.

Übersicht 1

33 Gesetzlicher Vorschussanspruch Vorschuss aufgrund vertraglicher Vereinba35 rung 36 Rückzahlung des Vorschusses

a) b)

A.

Übersicht

B.

Genese

C.

Europarechtliche Präformation

D.

Geltungsbereich

E.

Abs. 1

I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

17 Satz 1 17 Handelsvertreter 18 Anspruch auf Provision 19 Geschäftsausführung 26 Leistung durch Dritten 27 Teilleistungen 28 Erfüllungssurrogate

II. 1.

Satz 2: Vorschuss 31 Überblick

11 2. 12 III.

Satz 3: Provision bei Ausführung durch den Drit39 ten = Kunden

F.

Entfallen des Provisionsanspruches (§ 87a 43 Abs. 2, 3)

I. 1. 2. 3. 4. 5.

44 § 87a Abs. 2: Nichtleistung des Kunden 44 Anwendungsbereich 45 Grundsatz und Reichweite 46 Verhältnis zu Abs. 3 48 Nichtleistung Die Evidenz der Nichtleistung (TB-Merkmal 49 „steht fest“)

15

17

31

Emde https://doi.org/10.1515/9783110558401-008

948

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

6.

7. 8. 9.

II. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

7.

949

Setzt das Feststehen der Nichtleistung eine Pflicht zur gerichtlichen Durchsetzung der For52 derung voraus? Rückzahlung der Provision im Falle der Nicht54 leistung 55 Untervertretung Besonderheiten der Rechtslage, wenn das Endgültigwerden der Provision vertraglich an die Leistung des Dritten geknüpft worden 56 war § 87a Abs. 3: Nichtausführung durch den Unter61 nehmer 61 Verhältnis zu Abs. 2 62 Zweck 64 Die Regelungssystematik 67 „Das Geschäft“ 68 Zeitpunkt der Nichtausführung 69 Der Regelfall des Abs. 3 S. 1 a) Ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist = 70 Nicht- oder Andersausführung aa) Erster Unterfall: Die Nichtausführung des Geschäfts durch den Unterneh72 mer („nicht … ausführt“) 72 (1) Grundsätzliches (2) Beispiele für eine Nichtausfüh74 rung bb) Zweiter Unterfall: Die nicht vertragsgemäße Erfüllung des Geschäfts durch den Unternehmer („nicht …so 75 ausführt“) 75 (1) Grundsätzliches (2) Beispiele für eine Teil- oder An80 dersausführung 81 b) Feststeht 82 c) Fälligkeit d) Konkurrierender Schadenersatzan83 spruch Ausnahme: § 87a Abs. 3 S. 2: Keine Provision bei Nichtvertretenmüssen des Unterneh84 mers 84 a) Generelles b) Beispiele für Vertreten- und Nichtvertreten87 müssen aa) Einzelbeispiele für ein Vertretenmüs87 sen des Unternehmers bb) Einzelbeispiele für ein Nichtvertreten88 müssen des Unternehmers cc) Sonderfall: Nachbearbeitung und Stornogefahrmitteilun89 gen 89 (1) Problemstellung (2) Wahlrecht des Unternehmers zwischen eigener Nachbearbei-

8. 9.

§ 87a

tung und Weitergabe von Storno90 gefahrmitteilungen (3) Personeller Geltungsbe91 reich (4) Inhalt der Pflicht des Unterneh92 mers (a) Eigene Nachbearbeitungsmaßnahmen des Unterneh92 mers (b) Stornogefahrmitteilun93 gen (5) Verpflichtung des HV zur Nach95 bearbeitung? (6) Wegfall der Obliegenheit zur Nachbearbeitung und zu Storno96 gefahrmitteilungen (7) Besonderheiten im Versiche98 rungsvertrieb (8) Fälligkeit der Nachbearbeitungs99 pflicht 102 (9) Beweislast (10) Vertragliche Regelungen zur Nachbearbeitungs103 pflicht (a) Begründung einer Nachbe103 arbeitungspflicht (b) Verzicht auf Nachbearbei104 tung c) Vertretenmüssen im Verhältnis Untervertre105 ter/Hauptvertreter d) Einschränkung des § 87a Abs. 3 S. 2 durch § 242 BGB oder ergänzende Vertragsausle107 gung 108 e) Teilausführung des Geschäfts 109 Rückzahlungspflicht Analoge Anwendung des § 87a Abs. 3 auf den 110 Makler 111

G.

Fälligkeit der Provision (§ 87a Abs. 4)

H.

Verjährung

I.

Provisionsansprüche in der Insol115 venz

I. 1.

116 Insolvenz des Unternehmers Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Vertrags118 schluss a) Geschäftsausführung unterbleibt endgül119 tig 120 b) Notgeschäftsführung c) Insolvenzverwalter schließt Vertrag 121 ab 122 d) Geschäftsführung ohne Auftrag Verfahrenseröffnung nach Vertrags123 schluss

2.

114

Emde

§ 87a

1. Buch. Handelsstand

a)

6.

Insolvenzverwalter lehnt Vertragsausfüh124 rung ab b) Insolvenzverwalter wählt Erfül125 lung Insolvenzeröffnung erfolgt nach Vertragsschluss 129 und -durchführung Insolvenzeröffnung nach vollständiger Vertragsabwicklung zwischen Unternehmer und Drit133 ten Abschließende Betrachtung des Provisionsan134 spruchs im Insolvenzverfahren 135 § 25

II.

Insolvenz des Handelsvertreters

III.

Insolvenz des Kunden

J.

§ 87a Abs. 5: Zwingendes Recht und abwei144 chende Vereinbarung

3. 4.

5.

I.

Absatz 1

147

II.

Absatz 2

150

III.

Absatz 3

151

IV.

Absatz 4

154

K.

Beweislast

I.

Absatz 1

155

II.

Absatz 2

158

III.

Absatz 3

159

IV.

Absatz 4

161

155

136

137

A. Übersicht 1 § 87a regelt, wann die Provisionsanwartschaft des § 87 zu einem endgültigen, nicht mehr aufschiebend bedingten Provisionsanspruch erstarkt1. Das ist der Fall, wenn der Unternehmer das Geschäft ausführt (§ 87a Abs. 1 S. 1).2 Etwas versteckt offenbart § 87 Abs. 1 S. 3, dass ein fester Anspruch darüber hinaus entsteht, sobald der Kunde („Dritter“) das Geschäft ausführt. Das Verhältnis von § 87 zu § 87a ist das von Grundlegung des Anspruchs und Liquidierbarkeit des Anspruchs. Der Begründungstatbestand des § 87 legt den Provisionsanspruch nach Grund und Berech2 nungsfuß fest. Das ist von Bedeutung, falls in der Zeit bis zum Eintritt der Bedingung, d. h. des den Anspruch zum unbedingten verfestigenden Tatbestandes des § 87a, der Provisionssatz des HV-Vertrages geändert wird; die Änderung ergreift, sofern nichts anderes vereinbart wird, nicht die Provision aus dem bereits abgeschlossenen Geschäft. Die andere Auswirkung zeigt sich darin, dass die Provisionsberechtigung des HV für das während der Dauer des HV-Vertrages zum Abschluss gelangte Geschäft nicht dadurch beeinträchtigt wird, dass in der Zeit zwischen Abschluss und Ausführung das HV-Verhältnis endet: der Eintritt der Bedingung, die Ausführung des Geschäfts oder die Schaffung eines ihr gleichstehenden Ersatztatbestandes nach § 87a, macht ihn lediglich ab jetzt durchsetzbar und lässt damit die mit der Durchsetzbarkeit verbundenen Rechte und Pflichten der Beteiligten aus § 87c insoweit nachträglich wieder aufleben. 3 Die Regelung, die § 87a im Einzelnen getroffen hat, ist verwickelt, und das noch ganz unnötig. Denn der Gesetzgeber konnte sich nicht dazu entschließen, die Vermittlung des Geschäftes als Entstehungstatbestand des Provisionsanspruchs genügen zu lassen.3 § 87a gibt für das Unbedingtwerden des Provisionsanspruchs in Abs. 1 zwei mögliche gestaffelte Anknüpfungen, die Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer und die Ausführung durch den Dritten, von denen die erstere wirklichkeitsfremd ist und in der Praxis keine Rolle spielt. Dem muss eine differenzierte Regelung des Einflusses von Leistungsstörungen durch den einen oder den anderen Partner des Geschäfts auf den Provisionsanspruch entsprechen; das Ganze wird sodann noch zusätzlich kompliziert durch eine unterschiedliche Ausgestaltung der Abdingbarkeit. 1 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 2. 2 BGH, Urt. v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, WM 2007, 1669 (1671) Rn 19. 3 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 24/25. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 87a

Erst § 87a Abs. 1 zeigt, dass der Provisionsanspruch mit Erfüllung der in § 87 geregelten Voraussetzungen noch nicht endgültig entstanden ist, sondern als weitere Voraussetzung die in § 87a Abs. 1 genannte Ausführung des Geschäftes durch den Unternehmer erfordert.4 § 87 ist insoweit missverständlich.5 Mit der in § 87a Abs. 1 niedergelegten Grundregel, dass der Provisionsanspruch endgültig entsteht, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat, hat es jedoch kein Bewenden. Gemäß § 87a Abs. 2 entfällt der Provisionsanspruch wieder, wenn feststeht, dass der Dritte nicht leistet („Hin und Her“). Bereits empfangene Beträge sind zurückzugewähren. Die Provision steht deshalb unter der aufschiebenden Bedingung der Ausführung des Geschäftes durch den Unternehmer (§ 87a Abs. 1, vorher nur Anwartschaft) und unter der auflösenden Bedingung des Feststehens der Nichtleistung durch den Dritten (§ 87a Abs. 2).6 § 87a Abs. 3 enthält einen weiteren Entfallenstatbestand: Der HV behält seinen Provisionsanspruch lediglich dann, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen wurde. Der Anspruch entfällt im Falle der Nichtausführung nur, wenn und soweit jene auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Anders gewendet: Hat der Unternehmer die Nichtdurchführung des Geschäfts zu vertreten, geht dies auf seine eigenen Kosten. Der HV erhält Provision als sei das Geschäft durchgeführt worden. Mit der Geschäftsausführung durch Unternehmer oder Kunden entsteht also der Provisionsanspruch, jedoch nur bedingt. Je nachdem, ob der Unternehmer oder der Kunde seine Leistung zuerst erbringt, ist zu unterscheiden7: – Führt der Unternehmer das Geschäft aus, entsteht der Provisionsanspruch unter der auflösenden Bedingung, dass der Dritte (Kunde) seine Leistung nicht erbringt.8 – Führt der Dritte (Kunde) das Geschäft aus, entsteht der Provisionsanspruch unter der auflösenden Bedingung, dass der Unternehmer seine Leistung erbringt. Unterbleibt die Geschäftsausführung aus Gründen, die der Unternehmer zu vertreten hat, entsteht hingegen ein unbedingter Provisionsanspruch des HV.9 Die Nichtleistung des Dritten lässt mithin den Provisionsanspruch regelmäßig verfallen, während die Nichtleistung des Unternehmers den Provisionsanspruch nur auflöst, wenn er die Nichtausführung nicht zu vertreten hat.10 In allen Fällen – spätestens und insoweit unabdingbar – ist der Provisionsanspruch also entstanden mit der Leistung des Dritten (Abs. 1 S. 3). Damit ist für den Unternehmer jener wirtschaftliche Erfolg eingetreten, dessentwegen er sich des HV bedient; nunmehr ist seine Provisionsschuld als unbedingte begründet (mag sie auch noch nicht fällig sein, Abs. 4). Die Tatsache der Leistung des Dritten entscheidet. Erbringt er sie vorzeitig, entsteht der Provisionsanspruch endgültig mit diesem Zeitpunkt, falls der Unternehmer die vorzeitige Erbringung nicht zurückweist und dazu berechtigt ist; weist er sie ohne triftige Gründe zurück, gilt der Provisionsanspruch über § 162 BGB als mit dem Leistungsanerbieten des Dritten unbedingt geworden und wäre damit durchsetzbar. Eine verspätete Leistung des Dritten lässt den Provisionsanspruch erst mit entsprechender Verzögerung endgültig werden. Einen Verzugszinsanspruch oder sonstigen Verzugsschadensanspruch kann der HV gegen den säumigen Kunden nicht herleiten, weil er zu ihm in keinem Vertragsverhältnis steht; doch kann der Unternehmer den Verzugsschaden seines

4 Hopt § 87a Rn 1. 5 Hopt § 87a Rn 1. 6 BGH NJW 1990, 1665; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 230, 239; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 3; Hopt § 87a Rn 1; Oetker/Busche5 § 87a Rn 16.

7 Westphal I Rn 531. Für die Irrelevanz der Unterscheidung Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 25. 8 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 239; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 3. 9 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 240. 10 Westphal I Rn 532. 951

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§ 87a

1. Buch. Handelsstand

HV als sogenanntes transitorisches Interesse gegen den Dritten geltend machen und der HV die Abtretung des dem Unternehmer insoweit zustehenden Anspruchs verlangen. 10 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass folgende Grundregel in § 87a Abs. 1 Ausdruck gefunden hat: Die Provision entsteht, wenn der Unternehmer oder der Kunde das Geschäft ausführt. Diese Grundregel gilt gem. § 87a Abs. 3 S. 1 sogar, falls das Geschäft ganz oder teilweise nicht so ausgeführt wird, wie es abgeschlossen worden ist. Die Ausnahmen von der Grundregel bilden die § 87a Abs. 2 und § 87a Abs. 3 S. 2. Gemäß § 87a Abs. 2 entfällt als Ausnahme von der Grundregel der Provisionsanspruch, sofern der Dritte nicht leistet. § 87a Abs. 3 S. 2 lässt den Provisionsanspruch auch entfallen, wenn das Geschäft durch den Unternehmer nicht ausgeführt wird, ohne dass er dies zu vertreten hat.

B. Genese 11 § 87a stammt als so genannter „Buchstabenparagraph“ aus der Zeit der Novelle 1953. Durch die Novelle 1990 sind Abs. 1 S. 4 a. F. („Der Anspruch auf Teilprovision für ein nur teilweise ausgeführtes Geschäft kann ausgeschlossen werden, wenn vereinbart ist, dass der Unternehmer dem Handelsvertreter Provision für das ganze Geschäft gewährt, sobald dieses in bestimmtem Umfange ausgeführt ist“) gelöscht worden. Abs. 3 S. 2 a. F. („Dies gilt nicht, wenn und soweit die Ausführung des Geschäfts unmöglich geworden ist, ohne dass der Unternehmer die Unmöglichkeit zu vertreten hat, oder die Ausführung ihm nicht zuzumuten ist, insbesondere weil in der Person des Dritten ein wichtiger Grund für die Nichtausführung vorliegt“) wurde neu gefasst sowie in Abs. 5 die Worte „Absatz 2 erster Halbsatz“ eingefügt und die Formulierung „können nicht getroffen werden“ durch die Worte „sind unwirksam“ ersetzt.

C. Europarechtliche Präformation 12 § 87a setzt Art. 10 und 11 RL um. RL und HGB sind trotz unterschiedlicher Formulierungen inhaltlich scheinbar deckungsgleich.11 Aufgrund Art. 10 Abs. 1 b und Art. 11 Abs. 1 2. Spiegelstrich RL wurde § 87a Abs. 3 im Zuge der Novelle 1990 novelliert: Die Provision steht dem HV jetzt auch zu, wenn das Geschäft vom Unternehmer selbst vereitelt wurde. Jedoch bestimmt Art. 11 Abs. 2 RL, dass bei Erlöschen des Provisionsanspruchs vom HV bereits empfangene Provision zurückzuzahlen ist. Diese Regelung wurde vom HGB nur für einen Teilbereich, nämlich § 87a Abs. 2, übernommen. Da der HV die Provision jedoch nicht verdient hat, ergibt sich die Rückzahlungspflicht auch aus § 812 BGB. Ein Umsetzungsfehler besteht nur insoweit, als § 812 BGB entgegen Art. 11 Abs. 3 kein zwingendes Recht darstellt. 13 In seiner Entscheidung v. 17.5.2017 – C-48/1612 – hat der EuGH umfassend zu Bedeutung und Inhalt der Art. 10, 11 RL ausgeführt. Der EuGH führte aus: Gemäß Art. 11 Abs. 1 RL erlischt der Provisionsanspruch nur, „wenn und soweit“ feststeht, dass der vermittelte Vertrag nicht ausgeführt wird. Die Verwendung des Ausdrucks „soweit“ macht deutlich, dass für die Feststellung, ob der Provisionsanspruch erloschen ist, berücksichtigt werden muss, in welchem Ausmaß der Vertrag nicht ausgeführt worden ist. Somit lässt sich aus diesem Ausdruck schließen, dass sich Art. 11 Abs. 1 erster Gedankenstrich RL sowohl auf Fälle der vollständigen als auch der teilweisen Nichtausführung des Vertrages bezieht. Aus Art. 10 Abs. 1 RL, demzufolge der Anspruch auf Provision besteht, „sobald und soweit“ das Geschäft ausgeführt worden ist oder hätte ausgeführt werden sollen, kann hinsichtlich des Wortes „soweit“ keine Schlussfolgerung gezogen werden. Denn dieser Ausdruck findet sich nicht in allen Sprachfassungen der RL. Jedoch ergibt sich aus einer Zusammenschau der Art. 7 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 RL, dass der HV 11 Siehe Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 61. 12 EuGH, Urt. v. 17.5.2017 – C-48/16, BB 2017, 1420 m. Anm. Zipse. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 87a

für Geschäfte, die der Unternehmer mit den akquirierten Kunden abschließt, zwar Anspruch auf Provision hat. Dieser Anspruch konkretisiert sich jedoch erst, sobald die fraglichen Geschäfte ausgeführt worden sind oder hätten ausgeführt werden sollen. Daraus lässt sich folgern, dass der Provisionsanspruch nach und nach mit dieser Ausführung entsteht, die bei sukzessive durchzuführenden Dauerschuldverhältnissen zeitlich gestaffelt ist. Wenn aber der Provisionsanspruch erst in dem Maße entsteht, in dem die Geschäfte ausgeführt werden, entfällt er spiegelbildlich, soweit die Geschäfte nicht ausgeführt worden sind. Aus Art. 10 Abs. 1 RL ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Entstehung des Provisionsanspruchs von der Ausführung des Vertrages statt von dessen Abschluss abhängig machen wollte. Eine Auslegung des Art. 11 Abs. 1 RL, dass sich diese Norm ausschließlich auf Fälle der vollständigen Nichtausführung des Vertrages bezieht, liefe dem Zweck der genannten Bestimmungen sowie der RL zuwider, wenn bei Dauerschuldverhältnissen dem HV schon mit Beginn der Ausführung dieser Verträge seine gesamte Provision garantiert wäre, ohne dass ggf. eine teilweise Nichtausführung dieser Verträge berücksichtigt würde. Art. 11 Abs. 1 erster Gedankenstrich RL ist damit dahin auszulegen, dass er sich nicht nur auf Fälle der vollständigen Nichtausführung des Vertrages zwischen Unternehmer und Kunden bezieht, sondern auch auf Fälle der teilweisen Nichtausführung dieses Vertrags, wie etwa das Nichterreichen des vertraglich vorgesehenen Geschäftsumfangs oder der vorgesehenen Laufzeit. Art. 11 Abs. 2 und 3 RL sind ferner dahin auszulegen, dass eine Klausel des HV-Vertrages, 14 wonach der HV im Falle der teilweisen Nichtausführung des Vertrages zwischen dem Unternehmer und dem Kunden zur anteiligen Rückzahlung seiner Provision verpflichtet ist, keine Abweichung zum Nachteil des HV i. S. d. Art. 11 Abs. 3 RL darstellt, wenn der der Rückzahlungspflicht unterliegende Anteil der Provision im Verhältnis zum Ausmaß der Nichtausführung des Vertrags steht und diese Nichtausführung nicht auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind. Denn nach Art. 11 Abs. 1 RL erlöscht der Provisionsanspruch des HV auch in diesem Fall. Außerdem sind nach Art. 11 Abs. 2 RL bereits empfangene Provisionen zurückzuzahlen, falls der Provisionsanspruch erloschen ist. Daraus folgt, dass der HV schon nach der RL verpflichtet sein kann, bereits bezahlte Provisionen zurückzuerstatten, soweit der Kundenvertrag nicht ausgeführt worden ist. Die Verpflichtung zur Rückzahlung muss aber strikt im Verhältnis zum Ausmaß der Nichtausführung des Vertrages stehen. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zur anteiligen Rückzahlung der Provision widerspräche Art. 11 Abs. 3 RL. Eine Vertragsklausel, wonach der Provisionsanspruch auch dann erlischt, wenn die Nichtausführung des Vertrages auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind, ist mit Art. 11 Abs. 3 RL unvereinbar. Der Begriff „Umstände, die vom Unternehmer zu vertreten sind“ wird in der RL nicht definiert. Art. 11 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich RL ist in manchen Sprachfassungen, u. a. in der französischen, neutral formuliert und stellt nur darauf ab, dass die Nichtausführung des Vertrages mit dem Kunden nicht dem Unternehmer zugerechnet werden kann. In anderen Sprachfassungen der RL, u. a. der slowakischen, bezieht sich diese Vorschrift hingegen auf ein schuldhaftes Verhalten des Unternehmers. Die Voraussetzung, dass die Nichtausführung nicht auf Umständen beruhen darf, die vom Unternehmer zu vertreten sind und dass die Beziehung zwischen HV und Unternehmer Treu und Glauben unterliegen soll, trägt zur Verwirklichung dieser Ziele bei, indem sie verhindert, dass der Unternehmer von seiner Verpflichtung zur Zahlung der Provision an den HV befreit wird, obwohl er die Nichtausführung dieses Geschäftes verursacht hat. Eine enge Auslegung des Begriffs „Umstände, die vom Unternehmer zu vertreten sind“, die nur auf Rechtsgründe abstellt, welche unmittelbar zur Beendigung des Vertrages geführt haben, unabhängig von den rechtlichen und tatsächlichen Umständen, die das Eintreten dieser Beendigung erklären, würde diesen Zielen nicht entsprechen. Nach einer solch engen Auslegung wäre es nämlich weder möglich zu beurteilen, ob der Unternehmer die Beendigung des Kundenvertrages verursacht hat, noch ob er die Nichtausführung des Kundenvertrages zu vertreten hat. Es gäbe also Situationen, in denen der Unternehmer der Provisionszahlung entgehen könnte, obwohl diese Beendigung Folge seines eigenen Verhaltens ist. Daraus folgt, dass sich der Begriff „Umstände, die vom 953

Emde

§ 87a

1. Buch. Handelsstand

Unternehmer zu vertreten sind“ in Art. 11 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich RL nicht nur auf Rechtsgründe beziehen kann, die unmittelbar zur Beendigung des Kundenvertrages geführt haben, sondern sich auch auf die Ursachen dieser Beendigung bezieht, welche das nationale Gericht auf Grundlage aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände zu würdigen hat.13 Nach Ansicht von Zipse14 bestätigt der EuGH die bisherige deutsche Rspr. zum Entfallen des Provisionsanspruchs. Denn diese hätten bereits in der Vergangenheit für ein Vertretenmüssen, auf den den Unternehmer gegenüber dem HV obliegenden Pflichtenkatalog abgestellt, wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien.

D. Geltungsbereich 15 § 87a gilt schon angesichts des nicht differenzierenden Wortlauts für alle Provisionen, auch für die Verwaltungsprovisionen15 (Inkasso-, Lagerhaltungs-, Bestandspflegeprovisionen16) und für die Delkredereprovision.17 § 87a macht keinen Unterschied zwischen Vermittlungs- und Abschlussvertreter und auch keinen Unterschied zwischen Provisionen, die tätigkeitsbezogen, und solchen, die es nicht sind (Bezirksprovisionen nach § 87 Abs. 2, Provisionen für Folgegeschäfte, § 87 Abs. 1 S. 1, 2. Alt.). Die Vorschrift regelt auch das Verhältnis von Hauptund Untervertreter.18 Für Versicherungs- und Bausparkassenvertreter gilt die Sonderregelung in § 92 Abs. 4 und 5.19 Über § 65 ist § 87a auch auf den Handlungsgehilfen anwendbar. Auf handelsvertreter16 ähnliche Vertriebsmittler, die selbst als Vertragspartner gegenüber dem Kunden auftreten, etwa Vertragshändler20 oder Franchisenehmer,21 ist § 87a grds. nicht anwendbar, da sie das Risiko des Kundengeschäfts tragen müssen. Etwas anders gilt, sofern der Unternehmer in diesen Vertragsverhältnissen Zahlungen an den Mittler leisten muss, etwa im Falle eines Forderungseinzuges durch den Unternehmer (sonst wäre statt Abs. 4 jedenfalls § 271 BGB anwendbar). Auf im wirtschaftlichen Interesse des Unternehmers handelnde Kommissionsagenten findet § 87a Anwendung.22 Der Rechtsgedanke des Abs. 3 gilt über §§ 162, 242 BGB aber im Recht vertreterähnlicher Vertriebsmittler dann, wenn der Unternehmer den Erfolg eines Geschäftes verhindert (i. Ü. § 280 BGB).

13 14 15 16

EuGH, Urt. v.17.5.2017 – C-48/16, BB 2017, 1420 Rn 59 m. Anm. Zipse. BB 2017, 1424. AA Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 4. AA OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.2015 – I-16 U 182/13, ZVertriebsR 2016, 100 = VersR 2016, 1374 m. krit. Anm. Evers VW Heft 5/2016, 58. 17 OLG Karlsruhe BB 1980, 226 für bestimmte Treueprämien; aA OLG Schleswig VersR 1977, 1002; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 4; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 2; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 5; Staub/Brüggemann 4. Aufl., § 87 Rn 3. Begründung der gegenteiligen Ansicht Brüggemanns: Bei ihnen fehle das für die Vermittlungsprovision kennzeichnende Gefälle von bedingtem Entstehungstatbestand und unbedingt gewordener Durchsetzbarkeit. Diese Provisionsansprüche entstünden unter den vertraglich festgelegten Modalitäten; sie seien allenfalls für die Abrechnung befristet. 18 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030, m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde); OLG Köln, Urt. v. 9.9.2005 – 19 O 174/04, VersR 2006, 71, so auch OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 1188 (1189); OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.5.2005 – 8 U 288/04. 19 BGH VersR 1983, 371; OLG Frankfurt/M. VersR 1981, 480; 1986, 461. 20 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87a Rn 94; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 59; Oetker/Busche5 § 87a Rn 31. 21 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87a Rn 95; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 59; Oetker/Busche5 § 87a Rn 31. 22 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 93 ff. (für Abs. 4 und 5, nicht für Abs. 1–3); Oetker/Busche5 § 87a Rn 31; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 5; aA Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 59. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 87a

E. Abs. 1 I. Satz 1 1. Handelsvertreter Anspruchsberechtigt ist der HV. Dazu § 84.

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2. Anspruch auf Provision Gemeint ist jede vertraglich versprochene oder gesetzlich geschuldete Provision.

18

3. Geschäftsausführung Die Provision nach § 87a Abs. 1 S. 1 ist verdient, sobald und soweit der Unternehmer das Ge- 19 schäft ausgeführt hat (aufschiebende Bedingung),23 spätestens jedoch, wenn der Dritte das Geschäft ausführt (Abs. 1 S. 3; dazu unten). Der Begriff der Geschäftsausführung in beiden Sätzen ist, abgesehen von den notwendigen, durch den Vertrag vorgegebenen Unterschieden der Leistung durch den Unternehmer oder Kunden, identisch. Es bedürfte guter Gründe, so nah beieinander liegende, identische Begriffe unterschiedlich auszulegen. Ausführung bedeutet Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung, im Grund- 20 satz einerlei, welcher Art sie ist, ob sie schon fällig ist, ob sie Mängel hat,24 es sich um eine unzulässige Teilleistung oder eine andersartige Leistung (aliud) handelt oder ob eine andere als die vertraglich bedungene Ware (vgl. § 378) geliefert wird. Es genügt die Leistungshandlung.25 Der Leistungserfolg braucht nicht eingetreten zu sein. Der Vertrag mit dem Dritten (Kunden) regelt, wie und wann der Unternehmer die Leistungshandlung zu erbringen hat.26 So ist mit dem Absenden nach § 447 BGB bei einem Versendungskauf,27 der Übergabe der unter EV verkauften Sache28 oder der Herstellung des bestellten Werks das Geschäft ausgeführt.29 Bei der Geschäftsausführung durch den Unternehmer nach Abs. 1 S. 1 handelt es sich um 21 eine Vorleistung. Doch ist diese Möglichkeit abdingbar (Abs. 1 S. 2). Ihre Derogation ist sogar die Regel; praktisch wird fast immer ausgemacht, dass die Provision mit der Leistung des Kunden zur Entstehung kommen soll.30 Kein Unternehmer wird die Provision ohne Not zuerkennen wollen, ehe er den Erfolg des vermittelten Geschäfts in den Händen hält. Immerhin tritt, und dies wiederum unabdingbar, ein Anspruch auf Vorschuss in die Lücke. Der Provisionsanspruch entsteht auch, falls der nicht vorleistungspflichtige Unternehmer als erster leistet.31 Zahlt etwa der Kunde vor der Lieferung, entsteht der Provisionsanspruch aufgrund der Ausführung des Geschäfts durch ihn.32 Etwas anderes gilt, wenn der Kunde die Leistung nicht vor Fälligkeit 23 BGH, Urt. v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, WM 2007, 1669 (1671) Rn 19; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 7; Hopt § 87a Rn 5.

24 Hopt § 87a Rn 5. 25 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 8; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 6; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 87a Rn 7; Hopt § 87a Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 7. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 6. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 9. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 9. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 9; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 6; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 3. 30 Oetker/Busche5 § 87a Rn 15. 31 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 243; Westphal I Rn 537. 32 Westphal I Rn 537.

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erbringen durfte und der Unternehmer die Leistung berechtigt zurückweist;33 es sei denn, der Unternehmer nimmt die Leistung als vertragsgemäß an.34 22 Bei nicht vertragsgemäßer Leistung des Unternehmers liegt eine Ausführung des Geschäfts nach Abs. 1 S. 1 vor, falls der Dritte (= Kunde) die Leistung uneingeschränkt als Erfüllung annimmt.35 Dem ist gleichzusetzen der Tatbestand, dass der Dritte eine ihm obliegende kaufmännische Rüge (§ 377) verabsäumt und daraufhin die Gewährleistungsansprüche oder auf andere Weise Gegenrechte verloren hat. Deshalb fehlt es an der Ausführung, falls der Kunde die Leistung des Unternehmers berechtigt zurückweist36, z. B. mangels Fälligkeit,37 als nicht vertragsgemäß,38 als Teilleistung (§ 266 BGB)39 oder er die Lieferung der i. S. v. § 378 anderen als der bedungenen Ware beanstandet – als Kaufmann im beiderseitigen Handelskauf mit unverzüglicher Rüge, als Nichtkaufmann auch ohne die scharfe Befristung – und daraufhin nicht zahlt, angeblich sogar wenn die Zurückweisung unberechtigt erfolgt40 (in Wahrheit liegt eine Ausführung vor und der Provisionsanspruch entfällt nur bei Nichtleistung des Kunden: der Provisionsanspruch des HV ist nicht mehr aus Abs. 1, sondern nunmehr aus Abs. 3 begründbar). Die Existenz von Gewährleistungs- oder Ersatzansprüchen schließt einen Provisionsanspruch nach Abs. 1 S. 1 solange aus, als jene durchsetzbar sind, der Kunde auf sie also nicht verzichtet hat, sie begründen bereits zu diesem Zeitpunkt einen Provisionsanspruch nach Abs. 3.41 23 Bei Dauerschuldverhältnissen, etwa Sparverträgen, ist schon der Beginn der Erfüllung des Vertrages, etwa durch die Bank (Kunde), aber auch durch den Unternehmer, als Ausführung i. S. d. § 87a Abs. 1 anzusehen.42 Bei einem Sukzessivlieferungs- oder Ratenlieferungsvertrag entsteht die Provision nach Abs. 1 S. 1 mit der vereinbarungsgemäß erbrachten Einzellieferung43. Bei einem Gebrauchsüberlassungsvertrag i. S. d. § 87b Abs. 3 Nr. 1 liegt die Ausführung bereits in der ersten Gebrauchsüberlassung, nicht erst bei ihrem Abschluss zum Vertragsende.44 Das Vertragsende vor Abschluss eines vermittelten Dauervertrages berührt den Provisionsanspruch des HV i. S. d. Merkmals nicht, da die Ausführung i. S. d. § 87a mit dem Beginn des Vertrages abgeschlossen ist. Bei einem Dauervertrag mit unbestimmter Dauer erhält der Vertreter die Provision bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem erstmals von dem Dritten gekündigt werden kann.45 24 Der Provisionsanspruch des echten Untervertreters entsteht, sobald und soweit der (Haupt-)Unternehmer (der Auftraggeber des Hauptvertreters) das vom Untervertreter vermittelte oder abgeschlossene Geschäft ausgeführt hat (§ 87a Abs. 1 S. 1)46 bzw. im Falle der vom

33 Westphal I Rn 537. 34 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 244. 35 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 12; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 9; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 44, 45; HK/Ruß § 87a Rn 2; aA Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 3; Hopt § 87a Rn 5. 36 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 11. 37 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 11. 38 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 11. 39 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 11. 40 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 9; Hopt § 87a Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 9 für berechtigte Verweigerung. 41 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 9; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 45; HK/Ruß § 87a Rn 2. 42 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.1.2007 – 4 U 34/06, NJOZ 2007, 1478 (1479); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 28. 43 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 29. 44 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 30; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 6; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 87b Rn 14; Hopt § 87a Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 20. 45 Hopt § 87b Rn 17; aA OLG Düsseldorf DB 1977, 817. 46 BGH, Urt. v. 20.6.1984, BGHZ 91, 370 (372) = NJW 1984, 2881; OLG Brandenburg, Urt. v. 10.1.2013 – 5 U 54/11, BeckRS 2013, 01597; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.12.1993, DB 1993, 733; Oetker/Busche5 § 87a Rn 9. Emde

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(Haupt-)Unternehmer zu vertretenden Nichtausführung.47 Er entfällt (auflösende Bedingung), wenn feststeht, dass entweder der Endabnehmer nicht an den Unternehmer des Hauptvertreters zahlt oder dieser Unternehmer, mag er auch seinerseits vom Kunden Zahlung erlangt haben, den Provisionsanspruch des Hauptvertreters nicht erfüllt (§ 87a Abs. 2).48 Damit entsteht der Provisionsanspruch des Untervertreters grds. in gleicher Weise wie der Provisionsanspruch des Hauptvertreters gegen den Unternehmer durch Ausführung des Kundengeschäfts zwischen Kunden und Hauptunternehmer (Abs. 1 S. 1),49 steht jedoch unter den vorgenannten auflösenden Bedingungen. Rechtstechnisch wäre es zwar korrekt, auf die Ausführung – Vermittlungsleistung – durch den Hauptvertreter als Vertragspartner des HV abzustellen, denn dieser ist für den Untervertreter „Unternehmer“ i. S. d. § 87a Abs. 1 (vgl. § 84 Abs. 3). Betrachtet man die Dinge jedoch wirtschaftlich, bleibt der Erfolg der Vermittlung erst gesichert, wenn der an der „Vermittlungsspitze“ stehende Unternehmer das Geschäft ausführt. Das wirtschaftliche Risiko des Hauptvertreters wäre bei einer gegenteiligen Ansicht zu groß. Aus dem Untervertretungsvertrag ist der Hauptvertreter gegenüber dem Untervertreter verpflichtet, seinen Provisionsanspruch gegen den Unternehmer im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren geltend zu machen und notfalls zwangsweise durchzusetzen. Bei zu vertretender Verletzung dieser Pflicht entsteht der Provisionsanspruch des Untervertreters (Abs. 3 S. 1 und 2 analog).50 Eine Regelung, wonach von dem Unternehmer des Hauptvertreters zurückgeforderte Provisionen auch durch den Hauptvertreter vom Untervertreter zurückgefordert werden darf, widerspricht § 87a Abs. 5, soweit hierin eine Erweiterung der Rechte nach § 87a Abs. 2 und 3 liegen könnte.51 Unrechtmäßige Stornierungen, die der Partner des Hauptgeschäfts vornimmt, muss der Untervertreter nicht gegen sich gelten lassen, wenn er keine Möglichkeit hat oder ihm keine Möglichkeit eingeräumt worden ist, bei dem Kunden nachzubessern.52 Siehe auch Rn 46 f. zum Entfallen des Provisionsanspruchs sowie Rn 80 zum Vertretenmüssen im Verhältnis des Haupt- zum Untervertreter. Der HV hat gegenüber dem Unternehmer keinen Anspruch auf den Geschäftsabschluss 25 (§ 86a Rn 102, Stichwort „Abschluss oder Nichtabschluss des Geschäfts) oder die vertragsgemäße Leistung an den Kunden. Eine das Dispositionsrecht des Unternehmers (§ 86a Rn 37 ff.) überschreitende Nichtleistung begründet aber einen Schadenersatzanspruch.53 Auch eine Abnahme durch den Kunden, zu dem der HV nicht in vertraglichen Beziehungen steht, kann der Vertreter nicht fordern.54 Ihm stehen aber die Rechte aus Abs. 3 zu.

4. Leistung durch Dritten Im Rahmen der §§ 267, 268 BGB kann auch mit gleicher Wirkung für den Provisionsanspruch 26 ein anderer erfüllen.55 Beispiele sind die Leistung des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO nach

47 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 58. 48 BGH, Urt. v. 20.6.1984 – I ZR 62/82, BGHZ 91, 370 = NJW 1984, 2881; OLG Oldenburg, Urt. v. 12.7.2011 – 13 U 16/ 11, MMR 2011, 733; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1188 = DB 1993, 733; LG Saarbrücken VersR 2000, 761; Heymann/ Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 3; Hopt § 87a Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 21; aA es muss sowohl kumulativ Kundengeschäft wie – aufschiebende Bedingung – Leistung des Unternehmers an den Hauptvertreter vorliegen: Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 58. 49 BGH, Urt. v. 20.6.1984 – I ZR 62/82, BGHZ 91, 370 = NJW 1984, 2881; OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/ 08, MDR 2009, 703 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 58; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 21. 50 OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514 = BeckRS 2009, 15934; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 58. 51 OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514 = BeckRS 2009, 15934. 52 OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514 = BeckRS 2009, 15934. 53 AA Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 7; Hopt § 87a Rn 23. 54 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 9. 55 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 6, 8; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 13. 957

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Ausübung des Wahlrechts56 oder einer mit dem Unternehmer verbundenen Gesellschaft;57 auch Leistung durch einen Bürgen steht die Leistung durch den Dritten gleich. Besteht keine Pflicht des Kunden zur Entgegennahme der Drittleistung, ist das Geschäft gleichwohl ausgeführt, wenn der Kunde die Drittleistung akzeptiert.

5. Teilleistungen 27 Der Provisionsanspruch erstarkt gem. § 87a Abs. 1 anteilig „soweit“ der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat.58 Eine Teilausführung durch den Unternehmer lässt daher eine entsprechende Teilprovision endgültig werden, sofern der Unternehmer in Teilen erfüllen durfte, anderenfalls (§ 266 BGB), wenn der Dritte sie als Teilerfüllung entgegengenommen hat.59 Provision ist in beiden Fällen zu leisten.60 Das gilt auch bei periodisch wiederkehrenden Leistungen. Auch hier liegt eine Teilausführung für die betreffende Periode vor.61 Bei der Teilprovision handelt es sich im Verhältnis zum HV nicht um eine Teilzahlung i. S. d. § 266 BGB,62 da die zu diesem Zeitpunkt fällige Provision vollständig geleistet wird. Diese Regelung über Teilleistungen geht einher mit § 87a Abs. 3 („teilweise“ Nichtausführung, s. u.), wobei der Regelungsbereich des Abs. 3 enger ist: Er meint lediglich den Fall vertragswidriger Teilleistung durch den Unternehmer. Nach Teilleistung des Unternehmers entsteht der Teilprovisionsanspruch unter der auflösenden Bedingung des Feststehens der Nichtleistung durch den Dritten (§ 87a Abs. 2). Endgültig ist die (Teil)Provision also erst durch eine dem Vertrag wirtschaftlich entsprechende Leistung des Dritten verdient.63 Hinsichtlich des nicht teilgeleisteten Teils bleibt es bei der Provisionsanwartschaft nach § 8764 und wird das Provisionsrecht des HV entweder nach vollständiger, späterer Leistung nach Abs. 165 oder gem. den Abs. 2 und 3 begründet. Die Ansprüche auf Teilprovision nach Abs. 1 und nach Abs. 3 sind rechtlich voneinander unabhängig.

6. Erfüllungssurrogate 28 Eine von der vertraglich vereinbarten Leistung abweichende Geschäftsausführung kann provisionsbegründend wirken. Das ist zumindest der Fall, wenn sie wertmäßig der geschuldeten Leistung gleichsteht, also wirtschaftliche Identität und Vollwertigkeit der Ersatzleistung vorliegt.66 Liegt keine Vollwertigkeit vor, entsteht der Provisionsanspruch in Höhe des Werts, welcher der Ersatzleistung entspricht,67 angeblich jedoch nur, sofern es dem Unternehmer nicht ausnahmsweise auf den Erhalt der vereinbarten Kundenleistung ankommt.68

56 BGH NJW 1990, 1665; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 8; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 3. 57 BGH, Urt. v. 30.1.1981 – I ZR 17/79, NJW 1981, 1785 (1786); v. 4.12.1986 – I ZR 101/85, BB 1987, 1417; Ebenroth/ Löwisch3 § 87a Rn 8; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 8.

58 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 14; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 8; Hopt § 87a Rn 5; Oetker/ Busche5 § 87a Rn 7. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 14. Oetker/Busche5 § 87a Rn 8. OGH Österreich, Urt. v. 24.3.2014 – 8 ObA20/14w, ZVertriebsR 2014, 200 (204). Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 8. Hopt § 87a Rn 6. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 15. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 15. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 16, 18; Hopt § 87a Rn 11. BGH NJW-RR 1991, 156 (159); OLG Hamm BB 1979, 442; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 18; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 12; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 13. 68 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 18; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 12.

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Beispiele sowohl bei der Geschäftsausführung des Unternehmers wie des Dritten (s. u., 29 Rn 39 ff.) sind: – die Aufrechnung (§ 389 BGB);69 – eine einvernehmliche Vertragsaufhebung unter Abschluss eines neuen Vertrages über eine andere, jedoch wirtschaftlich gleichartige Leistung;70 – die Leistung erfüllungshalber (etwa Hingabe von Wechseln und Schecks71); hier zählt allerdings erst die Einlösung (§ 364 Abs. 2 BGB);72 – eine Leistung an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1 BGB)73: Hier tritt die Geschäftsausführung mit der Realisierung des erfüllungshalber übertragenen Rechts74 ein. Ist bei ihr die Surrogatleistung nicht vollwertig, nimmt aber der Unternehmer sie gleichwohl als vollwertig hin, so ist die Provision in voller Höhe geschuldet. Wechsel und Schecks gelten im Zweifel nur als erfüllungshalber hingegeben (§ 364 Abs. 2 BGB); hier tritt die Wirkung des Abs. 1 S. 3 erst mit der Einlösung ein. Immerhin wird der Unternehmer im Verhältnis zum HV als verpflichtet anzusehen sein, für gehörige Einziehung zu sorgen. Unterlässt er das schuldhaft, so muss er sich provisionsrechtlich so behandeln lassen, als sei die Einlösung zu dem gehörigen Zeitpunkt erfolgt, wenn Zahlung damals erreichbar gewesen wäre. Vgl. auch RGZ 121 (125), wo zwischen dem Verkäufer und dem Käufer – ohne Mitwirkung des HV – vereinbart worden war, dass der Kaufpreis mit bestimmten Effekten beglichen werden solle, für welche aber bei ihrer alsbaldigen Veräußerung durch den Käufer ein geringerer Erlös als der Fakturenbetrag erzielt wurde, aus welchem die Provision des HV zu berechnen war: Das Urteil befand, dass der Wert der in Zahlung erhaltenen Stücke die Ansprüche des HV nicht beeinflusse; er könne nicht als an dem Risiko von Verlusten in der Verwertung beteiligt angesehen werden, da derartiges nicht zwischen dem Unternehmer und dem Vertreter vereinbart worden sei; habe der Unternehmer dem Käufer gegenüber die empfangenen Stücke – infolge falscher Kalkulation oder vielleicht auch Spekulation – für gut und zur Deckung des Kaufpreises ausreichend gehalten, so müsse er dies auch dem HV gegenüber gelten lassen und sich so behandeln lassen, als wäre der Fakturenbetrag voll eingegangen – eine Erfüllung durch Devisenschecks;75 – der Erhalt eines Ersatzanspruches, etwa die Herausgabe des Ersatzes nach § 285 BGB,76 ein Schadensersatz statt der Leistung77 oder eine Ersatzleistung nach § 649 BGB,78 auch wenn das Geschäft nicht zur Ausführung gelangt. Unerheblich ist, ob der Schadenersatz nach dem Vertrag79 oder auf Grund einer Ausfallversicherung80 gewährt wird. Bei teilweisem Schadensersatz oder im Falle der Unterversicherung mindert sich die Provision entsprechend (s. o.). Auch eine Ersatzleistung in Form von Auszahlungen aus der HermesKreditversicherung gilt als Substitut des geschuldeten Kaufpreises. Sie tritt anstelle der geschuldeten Leistung, soweit sie das ursprüngliche Erfüllungsinteresse deckt und der Unternehmer die Ersatzleistung von Hermes als Erfüllung annimmt;81 69 70 71 72 73

Hopt § 87a Rn 11. AA Hopt § 87a Rn 11. Oetker/Busche5 § 87a Rn 6. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 19; Hopt § 87a Rn 11; Oetker/Busche5 § 87a Rn 6. OLG Nürnberg, Urt. v. 26.4.1963, BB 1963, 1313 – Inzahlungnahme von Ware; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 17; Hopt § 87a Rn 11; Oetker/Busche5 § 87a Rn 6. 74 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 12. 75 BGHZ 85, 134 (138) = NJW 1983, 629 (630); Hopt § 87a Rn 11; Oetker/Busche5 § 87a Rn 6. 76 Hopt § 87a Rn 11; Oetker/Busche5 § 87a Rn 6. 77 BGH DB 1957, 185; WM 1991, 199; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 18. 78 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 18. 79 BGH DB 1957, 185; Holling DB 1960, 79 (80). 80 LAG Dresden ARS 29, 68. 81 OLG Köln, Urt. v. 2.8.2002 – 19 U 152/01 VersR 2002, 1374 = OLGR 2002, 440; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.2.1991, NJW-RR 1991, 674 (677); Oetker/Busche5 § 87a Rn 6. 959

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Voller Ersatz durch eine Versicherung oder andere Dritte,82 selbst wenn der Unternehmer die Versicherung selbst bezahlt;83 – die Hinterlegung (§ 378 BGB);84 – die Inzahlunggabe eines Gebrauchtwagens bei Neukauf;85 – ein Selbsthilfeverkauf durch den Dritten bei Annahmeverzug des Unternehmers (§ 373 Abs. 2 u. 3).86 30 Ein Teilersatz ist wie eine Teilausführung (Rn 27) zu behandeln.87 Der Ersatz von Verzugsschäden substituiert die Leistung nicht, weil er diese nicht ersetzt.88 –

II. Satz 2: Vorschuss 1. Überblick 31 Außer in den Fällen des Abs. 1 S. 2 und des nur ausnahmsweise anwendbaren § 669 BGB (s. zu § 669 BGB die Kommentierung zu Vor § 84) besteht ein Anspruch auf Vorschuss nur bei entsprechender Vereinbarung. Zur Abgrenzung gegen ähnliche Vergütungsformen vgl. § 87 Rn 19 ff. Zu unterscheiden ist der zwingende gesetzliche Vorschussanspruch nach Abs. 1 S. 2 32 und ein auf vertraglicher Vereinbarung beruhender Vorschussanspruch. Für beide Vorschussarten gilt: Durch die Vorschusszahlung leistet der Unternehmer auf ein oder mehrere, später zu verprovisionierende Kundengeschäfte einen festen oder etwa prozentual an der künftigen Provision ausgerichteten Abschlag.89 Die Zahlung braucht nicht auf ein konkretes Geschäft zu erfolgen, es genügt, dass sich die Parteien zu einem späteren Zeitpunkt die Bestimmbarkeit vorbehalten. Der Vorschuss kann z. B. der Deckung der Kosten und laufenden Verbindlichkeiten des HV dienen.90 Ob eine Vorschussabrede einen Darlehensvertrag oder lediglich eine Vorfälligkeitsabrede (§§ 362, 271 Abs. 2 BGB) bildet, bestimmt sich unter Auslegung des Parteiwillens.91 Regelmäßig liegt nur dann ein Darlehensvertrag vor, wenn sich erkennbar aus der Warte zum Zeitpunkt der Abrede vermuten lässt, dass keine Provisionen im Umfang der Provisionsvorschüsse erwirtschaftet werden können.92 Meist wird lediglich eine Vorfälligkeitsabrede vorliegen.93 Besteht ein Vorschussanspruch des HV nach § 87a Abs. 1 S. 2 Hs. 1, liegt ein fälliger Anspruch und keine Darlehensgewährung vor.94 Die Frage dürfte sich daher nur bei vereinbarten Vorschusszahlungen stellen. Die Gewährung pauschalierter Provisionsvorschüsse ist nach der Entscheidungspraxis des BaFin erlaubnisfrei, wenn die Höhe des Vorschusses einen durchschnittlichen Monatslohn des HV nicht übersteigt und als Schuldgrund die Bevorschussung künftiger Provisionsforderungen vereinbart ist. Der durchschnittliche Monatslohn ist auf der Basis der letzten 3 Monatslöhne zu bestimmen. Bei Berufseinsteigern ist der Durchschnitt zu

82 BGH WM 1991, 76; OLG Frankfurt/M. WM 1991, 867; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 18. 83 AA Hopt § 87a Rn 11. 84 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 16; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 7; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 14. Hopt § 87a Rn 11. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 16. Hopt § 87a Rn 11. BGH DB 1957, 185 f.; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 18. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 41. Eberstein, 9. Aufl., S. 88; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 14/15. Erhard/Rinne ZVertriebsR 2013, 214 (215). Erhard/Rinne ZVertriebsR 2013, 214 (215). Erhard/Rinne ZVertriebsR 2013, 214 (215). Erhard/Rinne ZVertriebsR 2013, 214 (216).

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schätzen.95 Eine erlaubnispflichtige Gewährung von Gelddarlehen nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 KWG dürfte auch wegen mangelnder Bankmäßigkeit des Geschäftsbetriebs fehlen. Selbst wenn eine bankaufsichtsrechtliche Erlaubnis erforderlich sein sollte, wäre bei ihrem Fehlen die Vorschussvereinbarung nicht unwirksam. Denn das einzelne Geschäft bleibt wirksam.96 Ebenso wenig würde das Fehlen einer bankaufsichtsrechtlichen Genehmigung den HV von seiner Verpflichtung zur Rückzahlung überzahlter Vorschüsse befreien (§ 817 S. 2 BGB).97 Bei Eintritt eines Schadens wäre es denkbar, einen eventuellen Erlaubnispflichtverstoß (§ 32 Abs. 1 S. 1 KWG i. V. m. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 KWG) dem Unternehmer nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. diesen Normen entgegenzuhalten.98 Fehlt eine Regelung im HV-Vertrag oder können die Parteien keine Einigung über die Höhe des Vorschusses erzielen, steht dem HV das Recht zu, dessen Höhe zu bestimmen (§ 316 BGB),99 vorbehaltlich einer gerichtlichen Nachprüfung (§ 315 BGB).

a) Gesetzlicher Vorschussanspruch. Gem. Abs. 1 S. 2 kann das grundsätzlich mit Ausfüh- 33 rung des Geschäftes des Unternehmers entstehende Provisionsrecht des HV ausgeschlossen werden. Dementsprechend darf z. B. vereinbart werden, dass der Provisionsanspruch nicht schon mit der Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer, sondern erst mit der Zahlung des Kunden entsteht.100 In der Praxis geschieht dies häufig, da dies für den Unternehmer günstig ist und meist er den Vertrag vorgibt. Eine derartige Regelung verhindert, dass der Unternehmer die Provision bereits entrichten muss, obwohl der Kunde – etwa aufgrund längerer Zahlungsziele – selbst noch nicht geleistet hat. Abs. 1 S. 2 bestimmt dennoch, dass der HV trotz einer solchen Vereinbarung zwingend Anspruch auf einen angemessenen Vorschuss hat, sobald der Unternehmer das Geschäft ausführt101 (zur zwingenden Natur unten). Die Doppelbelastung des Unternehmers (Geschäftsausführung und Vorschusspflicht) ist hinnehmbar. Denn der Unternehmer hat es meist in der Hand, nur Zug-um-Zug gegen Zahlung das Kundengeschäft auszuführen. Eine weitere Verzögerung des Zahlungszeitpunkts, als sie in Abs. 1 S. 2 vorgesehen wurde, ist unzulässig, da mit der Erfüllungsleistung des Kunden der mit dem Geschäft für den Unternehmer bezweckte wirtschaftliche Erfolg eingetreten ist.102 Der Anspruch auf Vorschuss wird fällig und pfändbar,103 sobald der Unternehmer seine Handlungen zur Ausführung des Kundengeschäfts beendet hat, selbst wenn er zu einem früheren Zeitpunkt hierzu verpflichtet gewesen wäre,104 gem. § 87a Abs. 1 S. 2 zwingend spätestens am letzten Tage des folgenden Monats,105 abweichend von der Fälligkeit des Provisionsanspruchs nach Abs. 4. Hat der Unternehmer lediglich Teilleistungen ausgeführt, entsteht der Vorschussanspruch nur in Höhe des Teilbetrages.106 Falls der HV am Geschäft, etwa als Bezirksvertreter, nicht mitgewirkt hat und

95 BaFin, Merkblatt vom 8.1.2009, Hinweise zum Tatbestand des Kreditgeschäfts (Stand: Januar 2009), Nr. 1 a) bb) (5), www.bafin.de; hierzu Erhard/Rinne ZVertriebsR 2013, 214. Erhard/Rinne ZVertriebsR 2013, 214 (217). Erhard/Rinne ZVertriebsR 2013, 214 (217). Erhard/Rinne ZVertriebsR 2013, 214 (218). Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 315; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 32; Westphal I Rn 552; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 42; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 22; Oetker/Busche5 § 87a Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 25; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 15. 100 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 236, 262. 101 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220; Thume BB 2012, 975 (977); Küstner/Thume/Thume I5Kap. V Rn 263; Hopt § 87a Rn 9. 102 BGH DB 1983, 446; Westphal I Rn 50. 103 Treffer MDR 1998, 384 (385); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 32. 104 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 42. 105 Oetker/Busche5 § 87a Rn 15. 106 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 18; Küstner/ Thume/Thume I5 Kap. V Rn 264.

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keine Auslagen hatte, mag ein geringerer Betrag angemessen sein.107 Eine vertragswidrige und unabgesprochene Ausführung des Geschäfts durch den HV anstelle des Unternehmers lässt den Anspruch nicht entstehen.108 Ein Vorschussrecht besteht nicht, falls der Kunde seine Leistung vor der Geschäftsausführung durch den Unternehmer erbringt, da bereits zu diesem Zeitpunkt die aufschiebende Bedingung eintritt und die Voraussetzung für die Zahlung eines „Vorschusses“ entfällt.109 Ebenso besteht kein Vorschussrecht, wenn – vom Unternehmer zu beweisen – feststeht, dass der Kunde seine Leistung nicht erbringen wird, da dann der Provisionsanspruch auch bei Geschäftsausführung durch den Unternehmer entfallen würde.110 Denn bei Vorliegen der TB-Voraussetzungen des Abs. 2 entfällt auch der Vorschussanspruch.111 Die Parteien dürfen die Höhe des Vorschusses nach Abs. 1 S. 2 innerhalb der Grenze der 34 von Abs. 1 S. 2 vorgegebenen Angemessenheit oder höher bestimmen.112 Eine generalisierende, abstrakte und in einem Durchschnittsfall angemessene Regelung ist schwierig zu fassen. Sie darf individualvertraglich vereinbart werden. In AGB wird eine abstrakt-generalisierende Regel besonders schwer zu finden sein.113 Gewährt eine Vereinbarung weniger als die angemessene Vergütung, ist sie unwirksam und wird auf die angemessene Höhe heraufgesetzt. § 87a Abs. 1 S. 2 mit der Angemessenheitsgrenze dürfte einer Anwendung des § 87b vorgehen. Was angemessen ist, muss im Einzelfall entschieden werden,114 die Höhe des Vorschusses ist unter Abwägung der Interessen beider Parteien festzusetzen.115 Zu berücksichtigen ist auf Seiten des Unternehmers, welchen Vorschuss er zahlen kann und auf Seiten des HV, wann116 und mit welcher Sicherheit mit der Kundenleistung zu rechnen ist, seine wirtschaftliche Lage,117 welche Aufwendungen für die Vermittlung des Geschäftes er vorfinanzieren muss, welche Mittel der HV vorschussweise benötigt, um seinen Lebensunterhalt und seine Geschäftsbedürfnisse zu sichern118 und welche Kosten er für die Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebes und seines Lebensunterhaltes aufzuwenden hat.119 Je ferner der Zeitpunkt liegt, zu dem der Kunde voraussichtlich erfüllen wird, je größer die Gefahr, dass der Dritte nicht oder nur teilweise leisten wird, umso geringer wird der Vorschuss sein.120 Andererseits muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass der Vorschuss zurückzuzahlen ist, sofern der Dritte nicht leistet. Keinesfalls darf der Vorschuss so hoch festgesetzt werden, dass er den Unternehmer schädigt,121 etwa indem bei langfristigen Zahlungsterminen, z. B. im Großanlagengeschäft, das Kreditrisiko des Unternehmers unberücksichtigt bleibt.122 Steht die abschließende Provisionszahlung kurz bevor, soll ein geringerer Betrag angemessen sein.123 Andererseits mag ein der Provision fast entsprechender 107 Vgl. Eberstein9 S. 88. 108 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 32; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 42; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 14b. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 265. Westphal I Rn 553. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 42; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 14c. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 32; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 42; Hopt § 87a Rn 9; Oetker/Busche5 § 87a Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 25. 113 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 32. 114 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 25; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 263; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 32; Westphal I Rn 551; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 42. 115 Westphal I Rn 551. 116 Oetker/Busche5 § 87a Rn 15. 117 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 25. 118 Oetker/Busche5 § 87a Rn 15. 119 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 263; Westphal I Rn 551; v. Brunn NJW 1954, 56 (58); Schröder BB 1963, 567 (570); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 42; Hopt § 87a Rn 9; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 14c. 120 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 25. 121 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 25. 122 Eberstein9 S. 88. 123 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 42.

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Betrag angemessen sein, wenn mit einer Leistung des Kunden auf längere Sicht nicht zu rechnen ist.124 Die Begr. z. RegE vertritt wieder, der Vorschuss könne seiner Höhe nach dem Provisionsanspruch entsprechen, wenn zu erwarten sei, dass der Kunde in Kürze seiner Leistungspflicht voll nachkommen werde.125 Härten werden durch § 315 f. BGB, eine ergänzende Vertragsauslegung oder § 242 BGB (Treu und Glauben) ausgeglichen. Die Prüfung der Angemessenheit ist nach den zum Zeitpunkt der Fälligkeit geltenden Maßstäben vorzunehmen. Die Bemessung mit einem hälftigen Provisionsanspruch als Regelfall126 kann einen Anhalt geben und begründet bei einem Individualvertrag eine widerlegliche Vermutung ihrer Wirksamkeit.

b) Vorschuss aufgrund vertraglicher Vereinbarung. Er ist im Gegensatz zu dem Vorschuss 35 nach Abs. 1 S. 2 nicht zwingend. Zur Höhe des vertraglich vereinbarten Vorschusses besteht – anders als beim Vorschuss des Abs. 1 S. 2 – weitgehende Vertragsfreiheit.127 Eine Angemessenheitsprüfung findet nicht statt,128 auch nicht nach § 307 BGB (Hauptleistung und fehlendes gesetzl. Leitbild – nur Transparenzprüfung nach § 307 Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB).129 Mglw. kann aber zu Lasten des HV bei unangemessen hohem Vorschuss ausnahmsweise eine Angemessenheitsprüfung stattfinden.130 Übersteigt der vertraglich vereinbarte Vorschuss erheblich die Höhe der späteren Provisionen, wird aber durch die Kosten der Vermittlungstätigkeit verbraucht, ist dies ein Fall der „Hungerprovision“. Geschuldet wird dann nach § 87b ein angemessener Provisionssatz (nicht ein angemessener Vorschuss), der Vorschuss ist in diesem Fall nicht automatisch als Fixum oder eine Mindestvergütung einzuordnen.

2. Rückzahlung des Vorschusses Ausgezahlte Vorschüsse muss der HV zurückzahlen, sobald – ebenso vom Unternehmer zu 36 beweisen – ihre unberechtigte Zahlung, etwa die Nichtleistung des Kunden, feststeht. Der Rückzahlungsanspruch ergibt sich auch ohne ausdrückliche Abrede131 aus § 87a Abs. 2 analog,132 der Vorschussvereinbarung,133 aus einer – zulässigen – Rückzahlungsklausel134 sowie

124 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 42; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 25; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 15. 125 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 25. 126 Westphal I Rn 551. 127 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 43. 128 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 43. 129 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, BeckRS 2010, 70532 Rn 44. 130 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 43. 131 Im Ergebnis BGH, Urt. v. 12.11.1962 – VII ZR 259/61, BB 1963, 8; BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, BeckRS 2010, 70532 Rn 41; v. 20.6.1989, 3a ZR 504/87, AP HGB § 87 Nr. 8; v. 16.2.1962 – 5a ZR 201/61, AP HGB § 87a Nr. 1; v. 11.7.1961 – 3a ZR 216/60, AP BGB § 614 Gehaltsvorschuss Nr. 2; v. 31.3.1960 – 5a ZR 441/57, AP BGB § 394 Nr. 5; v. 10.3.1960 – 5a ZR 426/58, AP BGB § 138 Nr. 2; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700; LAG München, Urt. v. 30.9.2008 – 8 Sa 697/07; LG Koblenz, Urt. v. 28.9.2009 – 15 O 190/08; Daum VersR 2014, 1430. 132 Erhard/Rinne ZVertriebsR 2013, 214 (217). 133 BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, NJW 2015, 2364 Rn 21; v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, BeckRS 2010, 70532 Rn 41; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.2015 – I-16 U 182/13, ZVertriebsR 2016, 100 (105) = VersR 2016, 1374 m. krit. Anm. Evers VW Heft 5/2016, 58; OLG Jena, Beschl. v. 28.4.2009 – 2 U 698/08, VersR 2010, 1645; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700; LAG Hamm, Urt. v. 3.11.2009 – 14 Sa 1690/08, BeckRS 2010, 67194; LG Darmstadt, Urt. v. 13.8.2009 – 27 O 142/09, VersR 2010, 1646; Erhard/Rinne ZVertriebsR 2013, 214 (217). 134 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.11.2012 – 8 Sa 230/12, BeckRS 2013, 67822; LAG Hamm, Urt. v. 3.2.2009 – 14 Sa 361/08, NZA-RR 2009, 632 = r+s 2010, 85. 963

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aus § 812 BGB.135 Da der HV um die mögliche Pflicht zur Rückzahlung weiß, steht er – außer bei Rechtsirrtum – gem. § 819 Abs. 1 BGB dem bösgläubigen Empfänger gleich. Auf § 818 Abs. 3 BGB (Entreicherung) kann er sich also nicht berufen.136 Mit Fälligkeit schuldet der HV Fälligkeitszinsen in Höhe von 5 %,137 ab Verzug Verzugszinsen. Hierdurch wird das Vorschussrecht nicht entgegen seiner zwingenden Natur unangemessen beschnitten. Die Abrechnung ist Aufgabe des Unternehmers (§ 87c Abs. 1), eine schlüssige Rückzahlungsforderung setzt eine solche Abrechnung voraus.138 Bei der Rückzahlung von Provisionsvorschüssen soll es sich nicht um Entgeltforderungen i. S. d. § 288 Abs. 2 BGB handeln.139 Eine Rückzahlungssperre ist nur im Ausnahmefall nach allgemeinen Grundsätzen denk37 bar.140 Regelm. sind Rückzahlungsansprüche, außer im Sonderfall gem. § 817 S. 2 BGB, nicht wegen Sittenwidrigkeit der Rückzahlungsklausel ausgeschlossen.141 Sie widersprechen ohne weiteres auch nicht § 242 BGB142 oder den Rücksichtnahmepflichten des Unternehmers, etwa wenn der vom Unternehmer übertragene Kundenstamm wirtschaftlich wenig werthaltig war. Denn der HV unterliegt einer Bemühenspflicht, die ihn verpflichtet, neue Kunden zu werben.143 Verstößt der Unternehmer jedoch signifikant gegen die ihm obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme und Förderung, mag nach Treu und Glauben144 oder wegen Verwirkung ein Anspruch auf Rückzahlung des Provisionsvorschusses ausscheiden.145 Das Gleiche gilt, falls eine längere Aufbauphase Vertragsgrundlage war.146 Unangemessen hohe Rückforderungen bei niedrigen Provisionseinnahmen können gem. § 134 BGB (Verstoß gegen das zwingende Recht zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung,147 siehe dazu bei §§ 89, 89a) sowie §§ 138, 307 BGB unwirksam sein,148 was vor allem bei vertraglich versprochenen Vorschüssen praktisch werden kann. Beispiel für eine Sittenwidrigkeit: Es verbleibt eine sittenwidrig niedrige Vergütung.149 Nur weil der Unternehmer erkennt, dass die Provisionen die Vorschüsse nicht decken und gleichwohl die Rückforderung zunächst unterlässt, ist sein Rückforderungsrecht nicht ausgeschlossen.150 Das gilt bei im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung insb., sofern der

135 LAG Hamm, Urt. v. 3.2.2009 – 14 Sa 361/08, NZA-RR 2009, 632 = r+s 2010, 85; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.12.2006 – 11 Sa 686/06; LG Hamburg, Urt. v. 17.8.2010 – 330 O 310/09, VersR 2011, 73 = NJW 2011, 1590; aA BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, NJW 2015, 2364 Rn 21; Daum VersR 2014, 1430. 136 BGH VersR 2007, 1232 = WM 2006, 1194 (1198); WM 2004, 620 (623); BB 1963, 8, BAG MDR 2000, 818; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.2.2010 – 1 U 113/09, VersR 2011, 526 (527); Erhard/Rinne ZVertriebsR 2013, 214 (217); Sieg VersR 1993, 1198; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 44; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 15. 137 BGH BB 1963, 8. 138 OLG Düsseldorf OLGR 1993, 197; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 44. 139 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.2015 – I-16 U 182/13, ZVertriebsR 2016, 100 = VersR 2016, 1374 Rn 75; OLG Oldenburg, Urt. v. 30.3.2015 – 13 U 71/14, NJW-RR 2015, 1071 = VersR 2015, 1291 Rn 25. 140 BAG, Urt. v. 20.6.1989 – 3 AZR 504/87, DB 1989, 2385 = BB 1989, 2333; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 44. 141 OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.2.2010 – 1 U 113/09, VersR 2011, 526 (527). Nur im Einzelfall ist dies denkbar, s. BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364 Rn 35 (dort abgelehnt). 142 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.11.2012 – 8 Sa 230/12, BeckRS 2013, 67822. 143 LG Bielefeld, Beschl. v. 13.1.2010 – 5 O 303/10, BeckRS 2013, 06820. 144 OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.8.2013 – I-16 U 183/12, BeckRS 2014, 06492 (dort Ausschluss des Rückforderungsrechts abgelehnt). 145 LAG Hamm, Urt. v. 3.2.2009 – 14 Sa 361/08, NZA-RR 2009, 632 = r+s 2010, 85. 146 OLG Hamm BeckRS 2010, 20949. 147 OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.2.2010 – 1 U 113/09, VersR 2011, 526 (527) = BeckRS 2010, 20728 (Provisionsvorschüsse von 23.445,80 EUR bei Vertragsdauer von ca. 20 Mon. sowie Provisionseinnahmen von 695,80 EUR); LG Karlsruhe BB 1990, 1504 (1505); Schipper NJW 2010, 3067 – ausführlicher in NJOZ 2010, 2096. 148 OLG Naumburg, Beschl. v. 12.2.2010 – 6 U 164/09, zust. Evers VW 2010, 444; OLG Hamburg OLGR 2000, 466 (Negativsaldo von 83.000 DM); LG Osnabrück BeckRS 2010, 20977 (Negativsaldo 30.442,82 EUR); aA OLG Celle, Urt. v. 29.10.2009 – 11 U 36/09, n. v. 149 BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364 Rn 35. 150 OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.8.2013 – I-16 U 183/12, BeckRS 2014, 06492. Emde

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HV die monatlichen Vorschüsse gleichwohl anfordert.151 Der BGH hat zu Lasten des Unternehmers eine Verwirkung angenommen, wenn die Provisionsvorschüsse 2 Jahre ohne Verrechnung mit verdienten Provisionsansprüchen bezahlt wurden und binnen eines Jahres nach Beendigung des HV-Vertrages nicht zurückgefordert wurden.152 Der Entscheidung begegnen Bedenken, da innerhalb der 3jährigen Regelverjährungsfrist eine Verwirkung grundsätzlich kaum vorstellbar ist und im entscheidenden Fall wohl abzulehnen war. Ein neben dem Vorschuss vom Unternehmer – ggf- ratierlich – geleistetes, übliches Darlehen (vergleichbar einem Arbeitgeberdarlehen) ist auch bei Unwirksamkeit der Rückforderung zurückzuzahlen.153 Auch nach Vertragsende sind nicht verdiente Vorschüsse grds. zurückzuzahlen. Streit be- 38 steht insoweit insb. über die Pflicht zur Rückzahlung von Bestandspflegeprovision oder anderen zweckgebundenen Provisionsarten. Das OLG Düsseldorf154 befürwortet eine Rückzahlungspflicht der Vorschüsse für nicht erbrachte Zeiten der Bestandspflege. Andere Gerichte verneinen sie.155 Derjenige, so das OLG Düsseldorf, der Geld als Vorschuss annehme, verpflichte sich, den Vorschuss dem Vorschussgeber zurückzuzahlen, wenn und soweit die Vorschussrückforderung entstehe. Werde der Vertrag beendet, sei der Vorschuss auszugleichen.156 Wurden Bestandspflegeprovisionen ursprünglich mit Rechtsgrund geleistet, so bleibe für die Anwendung des § 812 Abs. 1 BGB kein Raum.157 An der Rückzahlungspflicht solle sich auch nichts ändern, wenn dem VV Bestandspflegeprovision erst ab dem 2. Vertragsjahr zustehe, er also im 1. Jahr für die Bestandspflege kein Entgelt erhalte.158 Andere Gerichte waren gegenteiliger Ansicht159: Auch wenn die Parteien vereinbart haben, dass mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses „jeglicher Anspruch des Vertreters auf Vergütung und Provision erlischt“, stehe dem HV ein Anspruch auf Bestandsprovision zu, sobald der Jahresbeitrag bzw. der entsprechende unterjährige Beitrag, namentlich ein Halb- oder Vierteljahresbeitrag oder der monatliche Beitrag, gezahlt wurde, selbst wenn die weitere Pflege und Betreuung der Kundenbeziehung nach diesem Zeitpunkt nicht mehr erfolgt.160 Die Vertragsbeendigung führe nicht dazu, dass der Anspruch anteilig zu kürzen wäre.161 Seine Leistungen habe der HV schon erbracht, indem die Kunden Verträge nicht kündigten oder die fällige Prämie bezahlten. Damit sei der Erfolg, für den er die Bestandsprovision erhalten solle, eingetreten. Deshalb werde dem Nachfolger des HV auch keine Bestandspflegeprovision geleistet. Es komme also nicht zu einer Doppelzahlung.162 Auch ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB bestehe nicht. Den rechtlichen Grund der Leistung bilde das Vertragsverhältnis.163 Richtigerweise kommt es auf eine Vertragsauslegung an. Grds. scheint die Position des OLG Düsseldorf richtig, nach der überzahlte Vorschüsse rückzuzahlen sind und der Bestandspflegerfolg immer nur pro rata temporis für die Zeit der Tätigkeit 151 152 153 154

OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.8.2013 – I-16 U 183/12, BeckRS 2014, 06492. BGH, Urt. v. 30.1.1964 – VII ZR 83/62. OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.2.2010 – 1 U 113/09, VersR 2011, 526. OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.2015 – I-16 U 182/13, ZVertriebsR 2016, 100 = VersR 2016, 1374 m. krit. Anm. Evers VW Heft 5/2016, 58. 155 OLG Köln, Urt. v. 24.6.2016 – 19 U 181/15; LG Köln, Urt. v. 30.6.2015 – 4 O 355/14, ZVertriebsR 2016, 111; ebenso Czaja IHR 2018, 1 (6). 156 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.2015 – I-16 U 182/13, ZVertriebsR 2016, 100 (105) = VersR 2016, 1374 m. krit. Anm. Evers VW Heft 5/2016, 58. 157 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.2015 – I-16 U 182/13, ZVertriebsR 2016, 100 (105) = VersR 2016, 1374 m. krit. Anm. Evers VW Heft 5/2016, 58. 158 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.2015 – I-16 U 182/13, ZVertriebsR 2016, 100 = VersR 2016, 1374 Rn 59 m. krit. Anm. Evers VW Heft 5/2016, 58. 159 OLG Köln, Urt. v. 24.6.2016 – 19 U 181/15; LG Köln, Urt. v. 30.6.2015 – 4 O 355/14, ZVertriebsR 2016, 111; ebenso Czaja IHR 2018, 1 (6). 160 LG Köln, Urt. v. 30.6.2015 – 4 O 355/14, ZVertriebsR 2016, 111. 161 LG Köln, Urt. v. 30.6.2015 – 4 O 355/14, ZVertriebsR 2016, 112. 162 LG Köln, Urt. v. 30.6.2015 – 4 O 355/14, ZVertriebsR 2016, 112. 163 LG Köln, Urt. v. 30.6.2015 – 4 O 355/14, ZVertriebsR 2016, 112. 965

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eintritt. Wird aber wie hier dem Nachfolger trotz der Übernahme des Altbestandes und der damit einhergehenden Pflegeverpflichtung im 1. Jahr keine Bestandspflegeprovision geleistet, spricht dies i. S. d. LG Köln eher dafür, dass sie dem Ausscheidenden verbleiben solle.

III. Satz 3: Provision bei Ausführung durch den Dritten = Kunden 39 Sobald und soweit der Dritte (= Kunde) das Geschäft ausführt, hat der HV auf jeden Fall, also zwingend ohne die Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung, nach § 87a Abs. 1 S. 3 die vertraglich versprochene oder ihm gesetzlich zustehende Provision verdient. Dies bildet den spätesten Zeitpunkt, in welchem der Provisionsanspruch zum unbedingten wird – durch die Leistung des Dritten. Die zwingende Natur dieses Anspruchs ergibt sich aus den Worten „unabhängig von einer Vereinbarung“ (Abs. 1 S. 3), nämlich einer solchen aus Abs. 1 S. 2, die das Endgültigwerden des Provisionsanspruchs zufolge Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer bis zur Zahlung der Provision abweichend regeln kann. Es erschien dem Gesetzgeber ungerecht, die Entstehung des Provisionsanspruches trotz des wirtschaftlichen Erfolges an einen später eintretenden Umstand zu knüpfen.164 40 Für den Begriff der Geschäftsausführung, der Erfüllungssurrogate165 und zu Beispielen wird auf die Ausführungen oben verwiesen. Ob es hier abweichend von S. 1166 auf den Leistungserfolg und nicht auf die Leistungshandlung ankommt,167 ist angesichts des identischen Wortlauts („ausführen“) zweifelhaft. Beide Sätze sollten einheitlich ausgelegt werden. Die mangelhafte Leistung ist auch im Rahmen des Satzes 3 eine Ausführung, wenn und soweit der Unternehmer die Leistung als Erfüllung der Kundenschuld annimmt;168 es sei denn, sie steht wirtschaftlich einer Nichtleistung gleich. Weist der Unternehmer die Leistung zurück, z. B. wegen vorzeitiger, verspäteter, mangelhafter oder unvollständiger Leitung, liegt keine Ausführung i. S. d. Abs. 1 S. 3 vor. Der Provisionsanspruch bestimmt sich vielmehr nach Abs. 3.169 Die unberechtigte Verweigerung der Annahme der Kundenleistung löst allerdings gem. §§ 162, 242 BGB die Rechtsfolge des Abs. 1 S. 3 aus.170 Abs. 3 bedarf es insoweit nicht. Die Leistung eines Dritten ist Ausführung des Geschäfts und lässt den Provisionsanspruch entstehen, falls der Dritte nach §§ 267, 268 BGB zur Leistung berechtigt war171 bzw. der Unternehmer die Leistung annimmt.172 Die Vorausleistung des Dritten genügt.173 Der Unternehmer braucht noch nicht geleistet zu haben.174 Deshalb kann nicht wirksam vereinbart werden, dass der Bedingungseintritt ausgeschlossen ist, sobald und soweit der Dritte das provisionspflichtige Geschäft durch Vorleistung ausführt.175 Vereinbart werden darf hingegen, dass kein Provisionsanspruch entsteht, wenn der HV-Vertrag zwischen Geschäftsabschluss und dem für die Entstehung des Provisions-

Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 268. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 27. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 8; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 7. So BGH, Urt. v. 20.10.1982 – I ZR 99/81, BGHZ 85, 134 (138) = NJW 1983, 629; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 20; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 11; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 12, Hopt § 87a Rn 10; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 17. 168 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 14; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 16; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 12. 169 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 23; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 14. 170 BGH NJW 1990, 1665 (1666); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 11; HK/Ruß § 87a Rn 4. 171 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 25; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 11; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 16. 172 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 25; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 11. 173 BGHZ 85, 138; Hopt § 87a Rn 10. 174 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 11; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 12; Hopt § 87a Rn 8. 175 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 268.

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anspruchs maßgeblichen Umstand endet.176 Dann muss die gesamte Geschäftsabwicklung während des bestehenden Vertrages erfolgen.177 Regelmäßig schließt eine solche Klausel auch nachvertragliche Provisionsansprüche gemäß § 87 Abs. 3 aus.178 Der HV hat – nicht anders als bei der Teilleistung des Unternehmers (Rn 27)179 – auch nach 41 einer Teilleistung des Kunden den unabdingbaren Anspruch180 auf eine ggf. gem § 87b zu bestimmende181 anteilige Provision („soweit“).182 Ob der Kunde zur Teilleistung berechtigt war oder nicht (§ 266 BGB), bleibt ohne Belang, solange sie der Unternehmer angenommen hat.183 Lehnt der Unternehmer die Teilleistung befugtermaßen (unbefugte Ablehnung: § 87a Abs. 3 HGB, §§ 162, 242 BGB,184 s. o.) ab, ist die Wirkung des Abs. 1 S. 3 damit noch nicht eingetreten.185 Die bewirkte Teilerfüllung seitens des Dritten macht die Teilprovision aber nicht, wenn sie daraufhin zur Zahlung durch den Unternehmer heransteht, zur Teilleistung auf die Gesamtprovision i. S. d. § 266 BGB, die der HV zurückweisen dürfte: sie ist „die“ in diesem Zeitpunkt geschuldete Provision. Vereinbart werden darf, dass die Zahlung des Teilprovisionsanspruches des § 87a Abs. 1 S. 3 nach teilweiser Ausführung des Unternehmers erst zum Zeitpunkt der Kundenleistung erfolgt. Bei fehlender Geschäftsausführung besitzt der HV wegen seines eventuellen Provisionsaus- 42 falls regelmäßig keinen Schadenersatzanspruch gegen den Kunden,186 weder aus §§ 311, 280 (fehlender Vertrag)187 noch aus Delikt, außer – kaum vorstellbar – aus § 826 BGB oder nach den Grundsätzen des direkten Eingriffs in den eingerichteten oder ausgeübten Gewerbebetriebs. Es kann aber aus Abs. 3 ein Anspruch gegen den Unternehmer gegeben sein.

F. Entfallen des Provisionsanspruches (§ 87a Abs. 2, 3) § 87a Abs. 2, 3 regeln das Schicksal des Provisionsanspruches, wenn das abgeschlossene Ge- 43 schäft nicht vertragsgemäß ausgeführt wird. Der Grundsatz ist hier, dass Umstände aus dem Verantwortungsbereich des Unternehmers zu keinem Entfallen des Provisionsanspruches führen (Rechtsgedanke der §§ 162, 242 BGB). Das Gesetz geht davon aus, der Unternehmer als Geschäftsherr stehe dem Geschäft näher als der HV und die Nichtausführung des Geschäfts falle regelmäßig in seinen Verantwortungsbereich. Der HV erhält nach diesem Grundsatz auch dann seine Provision, wenn das Geschäft nicht wie vertraglich vereinbart ausgeführt wird. Denn er hat mit seiner nach den §§ 84, 86 geschuldeten Tätigkeit das seinerseits Geschuldete getan.

I. § 87a Abs. 2: Nichtleistung des Kunden 1. Anwendungsbereich § 87a Abs. 2 gilt für HV-Verträge. Die Vorschrift ist bei Rückabwicklung von Leistungen, die als 44 Folge einer wirksamen Anfechtung eines Maklervertrages erbracht wurden und nach § 812 BGB Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 269. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 269. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 269. Dänekamp/Kölln NJW 2015, 3126 (3130); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 13. Dänekamp/Kölln NJW 2015, 3126 (3130). Dänekamp/Kölln NJW 2015, 3126 (3130). Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 26; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 13; Hopt § 87a Rn 10; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 16. 183 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 26. 184 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 26. 185 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 26. 186 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 23. 187 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 23; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 14.

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zurückgefordert werden könnten, nicht anwendbar. Hier gibt es kein Vorleistungsrisiko, welches durch § 87a Abs. 2 ausgeglichen wird.188 § 87a Abs. 2 kann aber im Einzelfall analog angewandt werden.189 Zu denken ist daran etwa in Fällen, in denen ein vermittelter Kunde des Telefonunternehmens nicht telefoniert und deshalb die Provisionen entfallen.190

2. Grundsatz und Reichweite 45 Abs. 2 bestimmt, dass der gem. Abs. 1 S. 1 entstandene Provisionsanspruch „entfällt“, d. h. nachträglich untergeht, wenn und soweit feststeht, dass der Dritte (= Kunde) seine vertraglich geschuldete Leistung nicht erbringt, obwohl er uneingeschränkt zur Leistung verpflichtet ist. Es handelt sich um eine auflösende Bedingung des Provisionsanspruchs.191 Die Vorschrift setzt damit voraus, dass der bis zur Nichtleistung des Kunden fortbestehende Provisionsanspruch als solcher bereits – als unbedingter – zur Entstehung gelangt ist. Gesetzestypisch kann der Provisionsanspruch vor der Leistung des Dritten (Abs. 1 S. 3) nur in der Ausführung des Geschäfts seitens des Unternehmers begründet sein. Deshalb zielt der Fall des Abs. 2 ausschließlich auf den des Abs. 1 S. 1.192 Er kommt damit in der Praxis ebenso selten zum Zuge wie jener. Was außerdem wegfiele, wäre allenfalls die unabdingbare Vorschussberechtigung aus Abs. 1 S. 2. Wo dagegen, wie meist vereinbart, der Provisionsanspruch erst mit der Leistung des Kunden zur Entstehung gelangen soll, ist für einen „Wegfall“ bei Nichtleistung des Dritten in unmittelbarer Anwendung des Abs. 2 kein Raum: Ist der Provisionsanspruch noch nicht entstanden, gibt es keinen Anspruch, der aufzulösen ist. Vielmehr bleibt die Kundenleistung auf Dauer aus, so dass der Provisionsanspruch erst gar nicht entsteht. Abs. 2 betrifft diesen Fall nicht.193 Hier wie in dem gesetzlichen Fall der Bindung des Provisionsanspruchs an die Leistung des Dritten – Abs. 1 S. 3 – würde das Gesetz, hätte es in Abs. 2 nur einen Ausfall der Bedingung bezeichnen wollen, etwas Selbstverständliches gesagt haben.

3. Verhältnis zu Abs. 3 46 Das Verhältnis zwischen Abs. 2 und 3 ist nicht dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen. Abs. 3 betrifft ausschließlich Fallgestaltungen, in denen die Nichtausführung aus der Sphäre des Unternehmers herrührt, also entweder von ihm zu vertreten oder zurechenbar veranlasst wurde.194 Nicht alle, aber viele Fälle des Abs. 2 erfasst der Merksatz, Abs. 2 gehe davon aus, dass der Dritte gegen den Willen des Unternehmers nicht leiste195: Falls der Unternehmer ohne Zwang auf die Leistung des Dritten verzichte, sei dies nicht nach Abs. 2, sondern nach Abs. 3 zu beurteilen. Um den Anwendungsbereich des Abs. 3 zu eröffnen, muss die Nicht- oder Andersausführung damit bei wertender Betrachtung eine solche des Unternehmers sein, nicht des Kunden (sonst: Abs. 2, außer wenn diese wiederum auf den Unternehmer zurückgeht196). Inso188 189 190 191

BAG NJW 2000, 2372 (2373). OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514 = BeckRS 2009, 15934. OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514 = BeckRS 2009, 15934. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 14; Oetker/Busche5 § 87a Rn 16; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene § 87a Rn 27. 192 BGH MDR 1961, 312; Hopt § 87a Rn 13. 193 Hopt § 87a Rn 13. 194 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 (Hilgard) = EWiR 2008, 559 (Emde); OLG Oldenburg, Urt. v. 12.7.2011 – 13 U 16/11, MMR 2011, 733; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 36. 195 Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 28. 196 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 (Hilgard) = EWiR 2008, 559 (Emde); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 16; Hopt § 87a Rn 21; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 28. Emde

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weit ist Abs. 3 vorrangige lex specialis.197 Leistet etwa der Dritte nach geschehener Vorausleistung des Unternehmers deshalb nicht, weil er Rücktrittsrechte nach § 323 BGB geltend macht, ist Abs. 2 nicht einschlägig, sondern allein Abs. 3, weil dann die Leistungsstörung auf Seiten des Unternehmers das Primäre ist.198 Gleiches gilt, falls der Kunde die Zahlung verweigert, weil der Unternehmer aus ganz oder teilweise von ihm zu vertretenden Gründen das Geschäft anders als vereinbart ausführt199 oder der Unternehmer das Geschäft nicht ausführt und der Kunde die vermittelten Verträge, z. B. Darlehensverträge, gem. §§ 700 Abs. 1 i. V. m. § 490 fristlos kündigt.200 Greifen sowohl die TB-Voraussetzungen des Abs. 2 als auch des Abs. 3 ein (was nur vor der Leistung des Dritten möglich ist), bleibt Abs. 3 in den Fällen der Verantwortlichkeit des Unternehmers für die Nichtleistung des Dritten vorrangig und allein anwendbar, um dem HV in von ihm nicht zu verantwortenden Fällen mangelnder Vertragskonformität der Geschäftsausführung seine Provision zu sichern (teleologische Reduktion bzw. Vorrang des Spezialgesetzes). Wie zu Rn 46 ausgeführt, kann Abs. 2 nur in Fällen eingreifen, in welchen der Dritte noch 47 nicht geleistet hat.201 Nur dann kann feststehen, dass der Dritte (= Kunde) nicht leistet. Hat der Dritte bereits geleistet, werden diese Fälle des Scheiterns des vermittelten Geschäfts, z. B. infolge einer Nichtleistung oder nicht vertragsgemäßen Leistung von Kunde oder Unternehmer – unabhängig von ihren Gründen – ausschließlich durch Abs. 3 erfasst.202 Das gilt auch, falls die Leistung des Kunden aus Gründen unterbleibt, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind,203 oder es nach der Leistung des Kunden an den Unternehmer – Abs. 1 S. 3 – zu Leistungsstörungen kommt und das Kundengeschäft zwischen Kunde und Unternehmer rückabgewickelt wird. Nach der Leistung des Kunden ist kein Raum für Abs. 2, selbst wenn die vom Kunden erbrachte Leistung an ihn zurückzugewähren ist. Steht fest, dass beide Parteien das Kundengeschäft nicht ausführen werden, soll nicht Abs. 2, sondern nur Abs. 3 zur Anwendung kommen. Denn Abs. 2 setze voraus, dass der Provisionsanspruch des HV bereits gem. Abs. 1 S. 1 aufgrund der Ausführung durch den Unternehmer unbedingt entstanden ist.204 Steht die Nichtleistung beider Parteien fest, ist zu entscheiden, ob der Unternehmer die Nichtleistung des Dritten zu vertreten hat.205

4. Nichtleistung Das Gesetz stellt nur auf die Tatsache der Nichtleistung ab. Der Begriff der Nichtleistung des 48 Kunden in Abs. 2 1. Hs entspricht der Nichtausführung des Geschäfts in Abs. 3 S. 1,206 auf die dortigen Ausführungen (Rn 61 ff.) wird verwiesen. Der Provisionsanspruch nach Abs. 2 entfällt, falls der Dritte die von ihm geschuldete Leistung nicht oder nicht in vertragsgemäßer Weise erbringt oder der Unternehmer die nicht vertragsgemäße Leistung zurückweist, z. B. die Leistung unmöglich wird (§ 275 BGB;207 auch die Unternehmerleistung entfällt, § 326 Abs. 1 BGB). 197 198 199 200

Thume BB 2012, 975 (976); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 47. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 36. Thume BB 2012, 975 (977). BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 (Hilgard) = EWiR 2008, 559 (Emde). 201 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 36. 202 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 36, 59; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 5; Stötter MDR 1981, 269 (270), aA MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 50. 203 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 36; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 5; aA MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 50. 204 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich § 87a Rn 60. 205 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich § 87a Rn 60. 206 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 34. 207 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 38; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 31. 969

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Erlangt jedoch der Unternehmer ein Surrogat (z. B. die Versicherungsentschädigung, Abtretung des dem Dritten gegen einen anderen zustehenden Schadensersatzanspruches, Vergütungsanspruch nach § 649 BGB208), so gilt dieses Surrogat, falls es geleistet wird, als Leistung des Dritten.209 Das Gleiche gilt, wenn der Kunde seine Leistung durch eine Leistung an Erfüllung statt210 oder erfüllungshalber211 ersetzt; ebenso, wenn die Kündigung des Unternehmers den Vergütungsanspruch des Kunden bestehen lässt.212 Die Leistung des Versicherungsnehmers nach §§ 33 ff. VVG ist als Leistungserbringung einzuordnen213 (s. Kommentierung zu § 92). Nur wenn der Wert des Surrogats hinter der Kundenleistung zurückbleibt, liegt in der Höhe der Differenz eine Nichtleistung vor. Der Provisionsanspruch entfällt ferner, soweit (!) der Dritte von seiner Leistung befreit wird, z. B. durch richterliche Vertragshilfe, einen erforderlichen Vergleich im (gerichtlichen oder außergerichtlichen) Vergleichsverfahren oder Zwangsvergleich im Insolvenzverfahren. Selbst bei rechtswidriger Leistungsverweigerung entfällt der Anspruch, wenn Erfüllung oder Schadensersatz endgültig undurchsetzbar sind. Er entfällt weiter, sofern der Tatbestand der Nichtleistung des Dritten sich dadurch verwirklicht, dass der Unternehmer zufolge Anfechtung des Geschäfts in der Insolvenz des Dritten etwas von diesem Geleistetes wieder herausgeben muss. Dass ein Erlass der Forderung von Seiten des Unternehmers, soweit sie durchsetzbar gewesen wäre, den Provisionsanspruch nicht berühren kann, bedarf keiner Begründung. Auch ein Teilverzicht, etwa aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs, lässt den Provisionsanspruch unter diesen Umständen nicht entfallen.214

5. Die Evidenz der Nichtleistung (TB-Merkmal „steht fest“) 49 Der Erlöschenstatbestand für den Provisionsanspruch ist vom Gesetz korrekt normiert: nicht das Negativum der Nichtleistung, sondern, dass die Nichtleistung positiv „feststeht“. Was feststehen muss, ist gerade die Tatsache der Nichtleistung. Solange erst feststeht, dass der Dritte nur verspätet leisten werde, ist der Erlöschenstatbestand des Abs. 2 nicht gegeben. Einbegriffen ist hier andererseits auch der Fall, dass schon vor Fälligkeit der Leistungspflicht des Dritten feststeht, dieser werde ihr nicht nachkommen.215 Was dies genau bedeutet, ist nicht ganz sicher. In einem ersten Schritt wird gefordert, dass 50 objektive Anhaltspunkte aus der Warte eines Dritten es als weitgehend sicher erscheinen lässt, dass der Kunde seiner Verpflichtung aus dem Geschäft endgültig nicht nachkommen wird.216 Dass als zweiter Schritt die gerichtliche Durchsetzung gefordert wird (dazu unter Ziff. 6), entspricht h. M. Für den ersten Schritt, die objektive Nichtleistung, bedeutet dies: Sie muss sich als endgültiges Faktum darstellen. Die Nichtleistung muss objektiv feststehen,217 für den ersten Schritt jedoch nicht durch (Zwischen)feststellungsurteil rechtskräftig festgestellt sein.218 Nicht ausreichend ist trotz des notwendig prognostischen Elements die ohne objektive Feststellung gebildete subjektive Ansicht des Unternehmers oder eines Dritten, die Forderung sei unein-

Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 39. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 34; Oetker/Busche5 § 87a Rn 18; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 14. Oetker/Busche5 § 87a Rn 18. Oetker/Busche5 § 87a Rn 18. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 39; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 15; Hopt § 87a Rn 14; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 32. 213 Christoph/Effenberger VersR 2007, 593. 214 Westphal I Rn 563. 215 Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 27. 216 Westphal I Rn 558; Hopt § 87a Rn 14. 217 OLG Karlsruhe BB 1974, 904; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 39; Westphal I Rn 558; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 35; Oetker/Busche5 § 87a Rn 19. 218 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 35.

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bringlich219 oder die kalkulatorischen Erwägungen des Unternehmers, der die Forderung als uneinbringlich abzuschreiben geneigt ist oder schon abgeschrieben hat.220 Die buchmäßige Behandlung kann aber ein Indiz bilden.221 Die Gründe der Nichtleistung sind unerheblich, können aber einen Anhalt für das Feststehen der Nichtleistung geben.222 Erforderliche Mitwirkungshandlungen des Dritten, z. B. den Abruf bestellter Ware223 muss der Unternehmer herbeizuführen versuchen.224 Eine feststehende Nichtleistung des Kunden kann sicher angenommen werden, falls eine 51 gegen den Kunden gerichtete Klage unzumutbar oder erfolglos geblieben225 (dazu Ziff. 6), nach den Umständen des Einzelfalls zudem, wenn der Kunde nicht leistet, die Nichtleistung definitiv angekündigt wurde, nicht nur vorübergehend unmöglich ist,226 eine Titulierung oder Zwangsvollstreckung wegen Zahlungsunfähigkeit227 bzw. Insolvenz des Kunden auf absehbare Zeit aussichtslos ist,228 bei Insolvenz der Verwalter eine Erfüllung ablehnt oder der Kunde seine Rechtsfähigkeit verloren hat.229 Die Kündigung des Werkvertrages durch den Kunden nach § 649 BGB soll nicht ausreichen, da der Kunde zur Leistung verpflichtet bleibt.230 Generelle Regeln wird man nicht aufstellen können. Ob der Nachweis der Nichtleistung durch die Auskunft einer anerkannten Auskunfts- oder Kreditschutzorganisation über die fehlende Liquidität des Dritten als geführt anzusehen sein wird,231 ist erneut eine Frage des Einzelfalls. Es spricht einiges gegen eine solche Ansicht, weil die Auskunft nicht die gleiche Sicherheit wie Klage und Vollstreckung aufweist. Wo immer möglich, muss der Unternehmer den Versuch gemacht haben, durch ein zumutbares Ersatzgeschäft den Belangen des Kunden entgegenzukommen,232 aus welchem der HV dann provisionsberechtigt bleiben würde. Der HV kann in diesem Fall nur aus dem ersten (§ 87a Abs. 3) oder zweiten Geschäft provisionsberechtigt sein, nicht aus beiden (§ 242 BGB).

6. Setzt das Feststehen der Nichtleistung eine Pflicht zur gerichtlichen Durchsetzung der Forderung voraus? Es fragt sich, ob der Unternehmer gegen den Dritten gerichtlich vorgehen muss (die erfolgrei- 52 che Vollstreckung eines obsiegenden Urteils würde dem HV seinen Provisionsanspruch endgültig sichern), ehe die Nichtleistung feststeht, oder aber ob der Unternehmer von einer Klage absehen und das Geschäft abschreiben darf, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, er habe nicht alles Erforderliche zur Durchsetzung einer ordnungsmäßigen Vertragsabwicklung getan. Diese Frage kann nicht ausschließlich aus dem Vertragsverhältnis zwischen HV und Unternehmer 219 OLG Celle BB 1972, 594; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 39; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 35; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 15; Hopt § 87a Rn 15; Oetker/Busche5 § 87a Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 33; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 27. 220 OLG Celle BB 1972, 594; OLG Karlsruhe BB 1974, 904; LAG Baden-Württemberg DB 1955, 682. 221 Oetker/Busche5 § 87a Rn 14 (zu Abs. 3). 222 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 35. 223 BGH NJW-RR 1991, 156 (159); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 6. 224 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25. 225 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 37. 226 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 40; Oetker/Busche5 § 87a Rn 19. 227 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 40. 228 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 37; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 15; Oetker/Busche5 § 87a Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 35. 229 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 37. 230 BGH, Urt. v. 17.11.1983, DB 1984, 716; OLG Köln, Urt. v. 27.11.1992, BB 1993, 606; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 38; Oetker/Busche5 § 87a Rn 19. 231 So Eberstein9 S. 91; Westphal I Rn 560. 232 BGH LM § 87a HGB Nr. 2. 971

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beantwortet werden; im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung darf der Unternehmer auch das eigene wohlverstandene Interesse ins Spiel bringen. Damit die Nichtleistung des Kunden feststeht, müssen im Zweifelsfalle alle Möglichkeiten einer zwangsweisen Realisierung ausgeschöpft sein, es sei denn, eine gerichtliche Durchsetzung ist unzumutbar,233 insb. offensichtlich sinnlos (was der Unternehmer zu beweisen hätte). Die bloße Erfüllungsverweigerung des Kunden ist also nicht ausreichend.234 Der RegE235 spricht davon, es sei dem Unternehmer nicht in jedem Fall zuzumuten, einen Prozess zu führen, nur um dem HV nachweisen zu können, dass der Kunde nicht leiste, so z. B. nicht, wenn voraussichtlich eine Vollstreckung doch nicht zum Ziele führen würde oder die Aufwendungen in keinem Verhältnis zu dem erstrebten oder erreichbaren Erfolg stünden. Andererseits werde der Unternehmer aber, sofern ein Prozess Aussicht auf Erfolg verspreche, gegen den Kunden zunächst auf Leistung klagen müssen, bevor er von dem HV die Provision zurückverlangen könne. Wenn in Deutschland eine Klage zumutbar sein sollte, bedeutet dies noch nicht, dass sie dem Unternehmer auch im Ausland zumutbar wäre. Dabei sind nicht nur die Erschwernisse und Risiken der Geltendmachung in einem Land, das dem HV als dort tätigemVermittler vertraut sein mag (nicht jedoch dem Unternehmer) zu berücksichtigen. Vielmehr entstehen in vielen Ländern, etwa Großbritannien, prohibitiv hohe Prozesskosten. Möglicherweise gelten deshalb dort andere Maßstäbe. 53 Bei der gerichtlichen Durchsetzung handelt sich rglm. nicht um eine einklagbare,236 nach Unterlassen zum Schadenersatz leitende Nebenpflicht des Unternehmers.237 Der HV ist durch den Bestand seiner Provision nach Abs. 2 hinreichend geschützt. Vielmehr liegt eine provisionsrechtliche Obliegenheit238 des Unternehmers vor. Sie besteht generell in allen HV-Verträgen zwischen HV und Unternehmer, auch zwischen Haupt-/Untervertreter239 (Ziff. 8), und fordert die gerichtliche Durchsetzung und Zwangsvollstreckung240 bzw. die Anmeldung bei der Insolvenztabelle (§§ 174 ff. InsO).241 Das gilt auch im Versicherungsvertrieb242 und in der Sachversicherung,243 jedoch nicht hinsichtlich der Durchsetzung der Erstprämie der Lebensversicherung (wegen § 37 Abs. 1 VVG).244 Für § 87a Abs. 3, und nicht zu Abs. 2, hat der BGH zwar entschieden, dass dem Versicherer eine Klage gegen den VN unzumutbar ist.245 Ob diese Rspr. auf Abs. 2 zu übertragen ist, könnte zumindest diskutiert werden.246 Dann hätte Abs. 2 im Versicherungsvertreterrecht und damit in einem wesentlichen und in § 92 hervorgehobenen Teil des HV-Rechts kaum einen Anwendungsbereich. Andererseits wird sich eine unter-

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Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 26. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 41. Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 26. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25. AA wohl OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514 = BeckRS 2009, 15934: Schadenersatzpflicht aus § 280 BGB. 238 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25. 239 OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514 = BeckRS 2009, 15934. 240 Holling DB 1960, 79 (80); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 41; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25, 36; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 15; Hopt § 87a Rn 15, 26; Oetker/Busche5 § 87a Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 34 f., 54; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 27. 241 BGH NJW-RR 1991, 156 (159). 242 Diffenzierend Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 39: Klagepflicht nur bei wirtschaftlichen sinnvollen Forderungen und erfolgversprechenden Prozessen. 243 OLG Frankfurt/M. VersR 1986, 462; Hopt § 87a Rn 29. 244 BAG NJW 1968, 518; OLG Frankfurt/M. VersR 1981, 480; OLG Karlsruhe VersR 1982, 267; Fleischmann VersR 1957, 9; Sundermann BB 1958, 542 (544, 546); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25; Hopt § 87a Rn 29; aA Hans BB 1957, 1060 (1061); BB 1958, 544 (546). 245 BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09 Rn 15; v. 25.5.2005 – VIII ZR 279/04, NJW-RR 2005, 1196 unter II 2, VIII ZR 237/04 Rn 11. 246 So führen Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 36; Hopt § 87a Rn 16 aus, es könnten strengere Maßstäbe an die Feststellung der Nichtleistung nach Abs. 2 als an die Feststellung des Nichtvertretenmüssens nach Abs. 3 zu stellen sein. Emde

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schiedliche Handhabung innerhalb der Abs. 2 und 3 kaum begründen lassen. Nach bisheriger Rspr. vor den Urteilen des BGH führte ein Unterlassen von Klage und Vollstreckung – auch beweisrechtlich – zur Behandlung analog Abs. 3 S. 2,247 162 BGB. Nur in extremen Fällen ist der HV unter dem Gesichtspunkt der Treu- und Interessenwahrnehmungspflicht gehalten, sich an dem Ausfall des Unternehmers durch Verzicht auf die Provision zu beteiligen: Haben außergewöhnliche Umstände den Dritten erfüllungssäumig werden lassen, so kann es im Interesse der weiteren Geschäftsbeziehungen, und damit sowohl des Unternehmers wie des HV, ausnahmsweise angezeigt sein, von gerichtlichen Schritten abzusehen.248 Das gilt insb., wenn zu befürchten steht, der Dritte werde die Geschäftsverbindung abbrechen (z. B., sofern es sich um einen wichtigen Kunden handelt),249 falls seinem geäußerten und wegen Veränderung der Verhältnisse gerechtfertigtem Wunsch nach Streichung des Auftrages nicht entsprochen wird,250 die durch die Maßnahmen zu erwartenden Kosten in keinem Verhältnis zum Umfang der Kundenleistung stehen,251 gegen eine Vielzahl säumiger Kunden geringe Beträge einzuklagen wären252 und der Prozess deshalb angesichts der Geringfügigkeit des Objekts in keinem Verhältnis zum möglichen Erfolg stehen würde, dem Unternehmer mithin auch unter Berücksichtigung des Provisionsinteresses des HV schlechthin unzumutbar ist (etwa bei Zeitschriftenabonnements253), die Rechtslage unsicher oder die Klage erkennbar aussichtslos ist,254 der Unternehmer den Anspruch nicht sicher beweisen kann,255 das geschäftliche Renommé des Unternehmers bei seinen übrigen Kunden durch ein Gerichtsverfahren erheblich gefährdet werden würde, eine Titulierung wegen voraussichtlich dauerhafter Leistungsunfähigkeit oder Erlöschens der Rechtsfähigkeit des Kunden keine Vorteile verspricht, die Vollstreckung auf unabsehbare Zeit aussichtslos ist,256 angeblich sogar wenn der durch den Prozess zu erlangende Betrag im Wesentlichen nur dem HV als Provision zustehen würde,257 wohl aber nicht, sofern der Unternehmer (Versicherer, Unternehmer mit breitem Abnehmerkreis, Versandhaus) Gefahr läuft, in den Ruf eines „notorischen Prozessierers“ zu gelangen.258 In all diesen Fällen besteht eine Unzumutbarkeit von Klage und/oder Vollstreckung. Sucht der Unternehmer keinen gerichtlichen Rechtschutz, darf er sich regelmäßig nicht auf § 87a Abs. 2 berufen, und zwar auch dann nicht, wenn er Klage und Zwangsvollstreckung unterlässt, um den Kunden nicht zu verlieren.259 Muss der Unternehmer die Leistung des Kunden gerichtlich durchsetzen, darf er die Pro247 Differenzierend Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 36; Hopt § 87a Rn 16: Die Rpsr. zu Abs. 3 S. 2 lasse sich nicht in jedem Fall übertragen, denn nicht jede Nichtleistung des Dritten mangels zumutbarer Klagerhebung nach Abs. 3 S. 1 sei für den Unternehmer unvertretbar. 248 BGH VersR 1960, 1109. 249 BGH Urt. v. 13.7.1959 – II ZR 189/57; DB 1959, 940 = BB 1959, 864, 865; VersR 1960, 1109 (1110); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 41. 250 BGH LM § 87a Nr. 2. 251 Westphal I Rn 558; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25; Hopt § 87a Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 35; Hans BB 1958, 544 (546): Dieser Fall ist allerdings kaum vorstellbar, da die Gebühren der Gerichte und Rechtsanwälte feststehen und damit im Verhältnis zur Klagforderung immer im gleichen, angemessenen Verhältnis stehen. 252 BGH, Urt. v. 21.10.1971 – VII ZR 54/70, BB 1971, 1430; OLG Hamm BB 1979, 442; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 41; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 15; Hopt § 87a Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 35. 253 OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2017 – I-16 U 32/16, ZVertriebsR 2017, 191 = MDR 2017, 467 (468); AG Schwerin, Urt. v. 2.3.2006 – 16 C 2711/04, BeckLSK 2007, 070308. 254 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25; Hopt § 87a Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 35. 255 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25; Hopt § 87a Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 35. 256 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25; Oetker/Busche5 § 87a Rn 19; aA OLG Köln NJW-RR 1994, 226 („hinreichender Insolvenzverdacht nötig“). 257 Oetker/Busche5 § 87a Rn 19, zweifelhaft, denn diese Entscheidung kann den Unternehmer nicht von seiner Provisionspflicht befreien. 258 AA Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25; Hopt § 87a Rn 15; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 35. 259 Westphal I Rn 558. 973

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vision des HV nicht um die Kosten der Rechtsverfolgung kürzen.260 Hat der Unternehmer Grund, von einem gerichtlichen Vorgehen abzusehen, so soll der HV unter Treupflichtgesichtspunkten verlangen dürfen, dass ihm in Höhe seiner Provision die Ansprüche gegen den Kunden abgetreten werden, damit er selbst gegen den Kunden, auf den er vielleicht keinen Wert mehr legt, klagbar werden kann. Das kann aber nur richtig sein, soweit schutzwürdige Belange des Unternehmers (etwa Gefahr des Kundenverlustes) dem nicht entgegenstehen.261 Häufig wird der verklagte Kunde die Klage des HV mit einer solchen des Unternehmers gleichsetzen (besonders beim Alleinvertrieb durch den HV). Dann würden bei gerichtlicher Durchsetzung durch den HV die gleichen negativen Folgen eintreten wie im Fall der Klage durch den Unternehmer. Beweispflichtig für den Ausnahmefall fehlender Klageobliegenheit ist der Unternehmer.262

7. Rückzahlung der Provision im Falle der Nichtleistung 54 Liegt eine Nichtleistung i. S. d. § 87a Abs. 2 vor, hat der HV gem. § 87a Abs. 2 Hs. 2 (gleichlautend Art. 11 Abs. 2 RL) bereits geleistete Provision zurückzuzahlen, bei Teilerlöschen entsteht ein Teilrückzahlungsanspruch.263 Der Rückgewähranspruch hat seine Rechtsgrundlage im Vertrag. Es handelt sich um einen eigenständigen vertraglichen Anspruch,264 der ein Rückgewährschuldverhältnis auslöst, auf welches die §§ 346 ff. BGB anwendbar sind.265 Die Rückgewähr ist eine Nebenpflicht des HV-Vertrags.266 Der Rückgewähranspruch ist daher nach den §§ 353, 354 Abs. 2 zu verzinsen.267 § 812 BGB konkurriert.268 Gezahlten Provisionen stehen geleistete Vorschüsse (Abs. 1 S. 2) gleich269 (dazu Rn 31 ff.). Der Unternehmer kann mit dem Rückgewähranspruch gegen die Provision aufrechnen,270 sofern dies vertraglich nicht ausgeschlossen wurde. Verjährung: § 195 BGB.271 Es zählt zur ordnungsgemäßen Begründung des Rückforderungsanspruchs durch den Unternehmer, die Gründe des Rückzahlungsrechts darzulegen und zu beweisen.272 Bei Gefahr einer Nichtrückzahlung wegen schlechter Vermögenslage darf der Unternehmer nach Vertragsende fällige Provisionen zurückhalten, § 321 BGB.273 Eine Klage auf Rückzahlung kann wegen eines Zurückbehaltungsrechts des HV derzeit unbegründet sein, wenn der Unternehmer einen Buchauszug noch nicht erteilt hat und Provisionszahlungen des HV aus diesem Buchauszug zu erwarten sind.274 Haben Versicherer und VV sich in einem Aufhe-

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Westphal I Rn 559. Holling DB 1960, 80. AA Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25. v. Brunn NJW 1954, 56 (59); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 40; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 26. BGH, Urt. v. 5.11.1962, BB 1963, 8; Oetker/Busche5 § 87a Rn 20. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 43; Oetker/Busche5 § 87a Rn 20. Westphal I Rn 565. BGH NJW 1963, 1201 = BGH BB 1963, 8 („grundsätzlich“, womit wohl angedeutet sein soll, dass die handelsrechtliche Verzinsung nicht verlangt werden kann von einem Unternehmer, der Nichtkaufmann ist); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 43; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 40; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 17; Hopt § 87a Rn 19; Oetker/Busche5 § 87a Rn 20; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 37; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 26. 268 BGH BB 1963, 8; BAG, Urt. v. 14.3.2000 – 9 AZR 855/98, MDR 2000, 818; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 43; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 40; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 17; Hopt § 87a Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 37; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 26. 269 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 40; Oetker/Busche5 § 87a Rn 20. 270 Westphal I Rn 564. 271 BGH DB 1963, 29 zu § 88; Westphal I Rn 565. 272 Vgl. OLG Köln VersR 2003, 459. 273 BGH WM 1975, 181. 274 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.01.13 – I-16 U 89/11, BeckRS 2013, 14364; OLG Naumburg, Urt. v. 22.11.1995 – 8 U 16/ 95, NJW-RR 1996, 993. Emde

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bungsvertrag darauf geeinigt, dass der VV neben seinem Ausgleichsanspruch eine Abfindung von 11.000 EUR erhält und alle weiteren Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Agenturverhältnis nicht mehr bestehen, so sind damit Ansprüche des Versicherers auf Rückzahlung nicht verdienter Provisionsvorschüsse ausgeschlossen.

8. Untervertretung lm Falle einer Untervertretung bezieht sich der Begriff des Unternehmers bei der Anwendung 55 des § 87a im Grundsatz auf den Geschäftspartner des Hauptgeschäfts (Hauptunternehmer) und nicht auf den Hauptvertreter (s. Rn 105). Leistet daher der Endkunde nicht an den Hauptunternehmer, entfällt der Provisionsanspruch nach Abs. 2.275 In konsequenter Anwendung des § 87a Abs. 2 entfällt der Provisionsanspruch des Untervertreters gegen den Hauptvertreter aber nicht nur dann, wenn feststeht, dass der Endkunde nicht an den Hauptunternehmer zahlt, sondern gleichfalls, wenn in der „Zahlungskette“ der Hauptunternehmer den Provisionsanspruch des Hauptvertreters nicht erfüllt.276 Das soll auch dann gelten, wenn der Hauptunternehmer die ihm zustehende Vergütung vom Kunden erhalten hat.277 Aus dem Umstand, dass der Untervertreter dem Hauptvertreter rechtlich gleichgestellt ist, folgt, dass der mit der Ausführung der Aufträge durch den Hauptunternehmer entstandene Provisionsanspruch des Untervertreters keinen Bestand haben kann, wenn der Hauptvertreter vom Hauptunternehmer keine Provision erhält, mag auch der Kunde des Hauptunternehmers seine Verpflichtungen diesem gegenüber erfüllt haben. Denn erhält der Hauptvertreter seinerseits keine Provision, wäre es sachlich nicht gerechtfertigt, dem Untervertreter gegen den Hauptvertreter einen Provisionsanspruch nur deshalb zuzusprechen, weil der Kunde seinen Verpflichtungen gegenüber dem Hauptunternehmer und Auftraggeber des Hauptvertreters genügt hat.278 Erhält der Hauptvertreter keine Vergütung, fehlt es ihm an den Mitteln, aus denen er gegenüber dem Untervertreter dessen Provisionsanspruch bestreiten soll.279 Der Untervertreter soll nicht mehr Provision erhalten, als sie der Hauptvertreter erhalten hat.280 Auch der Hauptunternehmer wird von seiner Provisionsverpflichtung gegenüber dem Hauptvertreter frei, wenn der Kunde den Kaufpreis nicht zahlt (§ 87a Abs. 2). In keiner anderen Situation befindet sich der Hauptvertreter gegenüber dem Untervertreter, wenn sein Auftraggeber die ihm zustehende Vergütung nicht leistet. Erweitert man die übliche Kette HV – Unternehmer – Kunde um ein weiteres Glied, nämlich hin zu der Kette Untervertreter – Hauptvertreter – Unternehmer – Kunde, so stellt sich die Nichtzahlung des Hauptunternehmers an den Hauptvertreter für das Verhältnis zwischen Hauptvertreter und Untervertreter genauso dar, als hätte im gewöhnlichen dreigliedrigen Modell der Kunde nicht an

275 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde) (zu Abs. 3); OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514 = BeckRS 2009, 15934; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.1.2007 – 4 U 34/06, NJOZ 2007, 1480 = DB 2007, 2199; Flohr/ Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 84. 276 BGH DB 1984, 2299; OLG Oldenburg, Urt. v. 12.7.2011 – 13 U 16/11, MMR 2011, 733; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.1.2007 – 4 U 34/06, NJOZ 2007, 1480; OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514 = BeckRS 2009, 15934; LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 84; Westphal I Rn 561; Oetker/Busche5 § 87a Rn 18. 277 BGH, Urt. v. 20.6.1984, 1 ZR 62/82, NJW 1984, 2881; LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491; Oetker/Busche5 § 87a Rn 18. 278 LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491. 279 OLG Oldenburg, Urt. v. 12.7.2011 – 13 U 16/11, MMR 2011, 733; OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514; LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491. 280 BGHZ 91, 370 (372); OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1188 = DB 1993, 733; Westphal I Rn 561; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 58. 975

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den Unternehmer bezahlt.281 Der Hauptvertreter muss aber seinen Provisionsanspruch gegenüber dem Hauptunternehmer durchsetzen, s. o., Rn 24.

9. Besonderheiten der Rechtslage, wenn das Endgültigwerden der Provision vertraglich an die Leistung des Dritten geknüpft worden war 56 Abs. 2 geht aus von einer Vorleistung des Unternehmers282 (s. o.). Ist die Anknüpfung der endgültigen Entstehung des Provisionsanspruchs an die Ausführung des Geschäfts durch den vorleistenden Unternehmer – wie meist – vertraglich ausgeschlossen oder bleibt der Kunde nach dem Vertrage vorleistungspflichtig, so ist das Unbedingtwerden der Provision allein auf die Leistung des Kunden gestellt (Abs. 1 S. 3). Die Frage, welchen Einfluss die Nichtleistung des Kunden in diesem Falle auf den Provisionsanspruch hat, regelt das Gesetz nicht. Es bedurfte dessen aber auch nicht. Der Provisionsanspruch ist mit dem Abschluss des Geschäfts bedingt entstanden. Die Bedingung ist in der hier behandelten Fallgestaltung die Leistung des Dritten (Abs. 1 S. 3). Leistet er nicht, bleibt der Provisionsanspruch deshalb zunächst in der Schwebe. Wann dieser Schwebezustand beendet wird, ergibt sich aus den allgemeinen Lehren des bürgerlichen Rechts: er endet auch hier, wenn feststeht, dass der Kunde nicht leisten wird. Denn dann ist die Bedingung ausgefallen. Der Provisionsanspruch kann endgültig nicht mehr entstehen. Darüber, unter welchen Voraussetzungen feststeht, der Dritte werde nicht mehr leisten, wird das zu Rn 42 Gesagte entsprechend zu gelten haben. Die Nichtausführung des Geschäfts ist auch dergestalt denkbar, dass beim Kauf durch Kundenfinanzierung eine Rückbelastung des Verkäufers eintritt, wenn der Käufer die Darlehensraten gegenüber dem Finanzierungsinstitut nicht einhält und dieses die Kaufsache auf Grund Sicherungseigentums an sich nimmt.283 Auch hier ist die gleiche Einschränkung zu machen wie zu Rn 46 f. Wenn der Dritte des57 halb endgültig nicht leistet, weil auf Seiten des Unternehmers eine durchgreifende Leistungsstörung vorliegt, wird der Provisionsanspruch ausschließlich aus Abs. 3 beurteilt und gegebenenfalls nach den dortigen Regeln gewährt. Denn daraufhin liegt wiederum die Quelle der Leistungsstörung, als das Primäre, beim Unternehmer. Dieser Fall kann auch dann eintreten, falls Zug um Zug zu leisten gewesen wäre. Ist allerdings der Dritte vorleistungspflichtig und hat er keinen Grund zur Seite, sein endgültiges Nichtleisten mit einer Vertragsverletzung durch den Unternehmer (etwa weil dieser schon im Voraus seinen mangelnden Erfüllungswillen oder seine fehlende Erfüllungsfähigkeit hat offenbar werden lassen) zu rechtfertigen, so käme es nicht auf Erörterungen darüber an, wieweit der Unternehmer seiner eigenen Leistungspflicht demnächst würde nachkommen können = zumutbar nachkommen müssen oder nicht; der Provisionsanspruch wäre bereits erloschen.284 Denn der Unternehmer würde das Ausbleiben der Leistung des – vorleistungspflichtigen – Dritten stets zum Anlass nehmen dürfen, seinerseits nicht erfüllen zu brauchen; das ergibt sich aus § 320 BGB, und mehr ist ihm nicht zuzumuten. Hier wiederum im Zug-um-Zug-Leistungsverhältnis muss der Unternehmer mindestens erfüllungsbereit gewesen sein, wenn die (endgültige) Nichtleistung des Dritten den Provisionsanspruch zum Erlöschen bringen soll, arg. § 756 ZPO. Setzt der erfüllungsbereite Unternehmer dem zunächst erst im Verzug befindlichen Dritten die Frist aus § 323 BGB, so steht die Nichtleistung des Dritten aus Rechtsgründen fest, sobald er die Frist verstreichen lässt und der Unternehmer daraufhin vom Vertrag zurücktritt; wählt der Unternehmer dagegen den Schadensersatz, so entfällt der Provisionsanspruch erst, wenn feststeht, dass auch der Schadensersatz, soweit er an die Stelle der Leistung des Dritten tritt, nicht zu realisieren ist. Hat der Dritte sich schon vor jegli281 LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491. 282 Oetker/Busche5 § 87a Rn 17. 283 AA, auf die formale Erfüllung des Kaufvertrages abstellend und deshalb wenig überzeugend: LG Wuppertal NJW 1958, 423. 284 Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 32. Emde

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cher Durchführung des Vertrages von seiner Verpflichtung losgesagt, braucht der Unternehmer erst recht weder aus § 323 Abs. 1 BGB vorzugehen (s. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB) noch seine eigene Leistung bereitzuhalten. Der Anspruch auf die Provision ist endgültig dahin.285 Leistet schließlich der vorleistungspflichtige Dritte nicht, weil ihm eine Einrede aus § 321 58 BGB zu Gebote steht, wird man von einer endgültigen Weigerung noch nicht sprechen können, sondern erst dann, wenn der zur Einrede berechtigende Tatbestand des § 321 BGB sich auf unabsehbare Zeit verfestigt hat. Dann freilich wäre auch hier der Provisionsanspruch nicht mehr gegeben; anders nur, sofern die Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des vorleistungspflichtigen Unternehmers von diesem i. S. des Abs. 3 zu vertreten ist. Liegt eine bloße Schlechtleistung des (sachleistungspflichtigen) Dritten vor, so ist die gesetz- 59 liche Bedingung für das Endgültigwerden des Provisionsanspruchs (hier: des Einkaufsvertreters) eingetreten, wenn der Unternehmer die Leistung nicht von vornherein zurückweist. Ungerechtfertigte Zurückweisung wegen angeblicher Schlechtlieferung lässt den Provisionsanspruch gleichwohl endgültig entstehen. Gerechtfertigte Zurückweisung der angedienten mangelhaften Ware a limine belässt das Leistungsangebot des Dritten im Stadium des bloßen Erfüllungsversuchs; ob er wiederholt werden kann, hängt vom Recht zur zweiten Andienung ab. Danach und ggf. an deren Schicksal entscheidet sich, wieweit von einer echten Nichterfüllung (Nichterfüllbarkeit) der Leistung des Dritten als feststehend gesprochen werden kann, sofern der Unternehmer nicht nach § 323 BGB (s. o.) vorgegangen ist. Erfolgreicher Rücktritt nach geschehener Annahme als Erfüllung versetzt den Erfüllungsakt des Dritten zurück in den Stand der Nichterfüllung. Sie entzieht einer etwa schon gezahlten Provision den Rechtsgrund. Gegenüber dem Anspruch auf noch nicht gezahlte Provision verteidigt der Unternehmer sich nunmehr aus Abs. 3. Nach erfolgreicher Durchsetzung eines Minderungsverlangens nach § 441 BGB muss die Leistung des Dritten für die Provision im Umfang der Reduktion der Gegenleistung als nicht erbracht behandelt werden. Bloße Mangelfolgeschäden aus der geschehenen Schlechtlieferung des Dritten, wenn sie später auftreten und geltend gemacht werden, berühren den Provisionsanspruch jedoch nicht (der Unternehmer kann die gezahlte Provision als Teil seines Schadens liquidieren). Wie ausgeführt muss der Unternehmer aber vertragsgemäß, und damit zum vertraglich vor- 60 gesehenen Zeitpunkt, erfüllen. Nimmt er keine solche Erfüllung vor, schuldet er gem. Abs. 3 die Provision, und zwar ab dem Zeitpunkt, zu dem er gegenüber dem Dritten hätte erfüllen müssen. Weiter ist der Unternehmer gem. §§ 162, 242 BGB so zu behandeln, als habe er vertrags- und damit zeitgemäß erfüllt, mit der Folge der Provisionsberechtigung des HV.

II. § 87a Abs. 3: Nichtausführung durch den Unternehmer 1. Verhältnis zu Abs. 2 Zum Verhältnis zu Abs. 2 siehe Rn 46 f.

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2. Zweck Störungen in der Abwicklung des Geschäfts bergen Risiken für den Unternehmer, wenn es nicht 62 gelingt, sie durch Schadensersatzansprüche oder durch Eintritt von außenstehender Seite abzufangen. Der Gesetzgeber hatte zu entscheiden, inwieweit an solchen Risiken der HV für seine Provision zu beteiligen sei. Dabei ergibt sich, dass die Kopplung der positiven und negativen Provisionschancen mit den allgemeinen Unternehmerchancen hier, wo die Vermittlungsbemühungen des HV ihren Erfolg in dem Abschluss des Geschäfts gefunden haben, nicht mehr in gleichem Maße gerechtfertigt ist. Der Provisionsanspruch ist bereits bedingt, auch weil der HV 285 BGH MDR 1961, 312. 977

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die Ausführung des Kundengeschäfts nicht erzwingen kann.286 Er kann in seinem Fortbestand nicht mehr mit allen Risiken aus der Durchführung des Geschäfts belastet bleiben, nur weil es die Risiken des Unternehmers sind. Liegen sie in der generell beherrschbaren Sphäre des Unternehmers, geht das Risiko des Provisions-Zahlen-Müssens auf ihn über. Der Unternehmer ist aus dem zwischen ihm und dem Kunden geschlossenen Geschäft gegenüber dem Kunden zur Ausführung verpflichtet. Gegenüber dem HV besteht eine solche Verpflichtung nicht,287 die Ausführung oder Nichtausführung unterfällt im Grundsatz seiner Dispositionsfreiheit. Der Unternehmer kann das Geschäft deshalb entweder ganz unausgeführt lassen, nur zum Teil ausführen oder anders ausführen, als es abgeschlossen wurde. Die Folgen dieses Verhaltens sind für den HV (auf das einzelne Geschäft bezogen) grundsätzlich irrelevant. Denn in allen drei Fällen der Nicht-, Teil- oder Andersausführung durch den Unternehmer bleibt das Provisionsrecht des HV jedoch erhalten.288 Er hat die wesentliche Nicht-, Teil- oder Andersausführung des Unternehmers nicht zu verantworten, so dass ihm sein Provisionsanspruch erhalten bleiben soll. In die zugunsten des HV entstandene Provisionsanwartschaft darf der Unternehmer nur unter den Voraussetzungen des Abs. 3 S. 2 eingreifen.289 Nachträgliche abweichende Vereinbarungen zwischen Unternehmer und Dritten berühren den Provisionsanspruch des HV290 ebenso wenig wie nach den §§ 162, 242 BGB, deren Rechtsgedanken Abs. 3 ausdrückt291 (und die subsidiär anwendbar wären). Wenngleich es keine gegenüber dem HV bestehende Pflicht des Unternehmers zur Ausführung des Kundengeschäftes gibt, hätte sich der Rechtsgedanke des Abs. 3 auch aus §§ 162, 242, 280 BGB entwickeln lassen. Er ist auch in § 87b Abs. 2 S. 1 zum Ausdruck gekommen. Damit der HV die Provisionsabrechnung prüfen kann, sind die Gründe der Nichtausführung im Buchauszug nach § 87c Abs. 2 mitzuteilen (s. Kommentierung zu § 87c). 63 Der Dispositionsfreiheit des Unternehmers, soweit sie sich in der Freiheit seiner Reaktion auf Leistungsstörungen von Seiten des Dritten äußert, kann nach Abschluss des durch den HV geworbenen Vertrages mit dem Dritten – anders als bei der Entschließung über Annahme oder Ablehnung des Geschäftsabschlusses oder über Produktionseinstellung und Betriebsstilllegung (s. Kommentierung zu § 86a) – ein Einfluss auf das Schicksal des Provisionsanspruchs nur mehr begrenzt zugebilligt werden. Jetzt entscheidet nicht mehr die zum Schadensersatz aus § 280 BGB leitende verschuldete, insb. eine „willkürliche“, „schikanöse“ oder „unsachliche“, Disposition, sondern allein Abs. 3 über die Provision. Im Verhältnis zum HV engt der Entschließungsspielraum des Unternehmers sich ein auf das, was er angesichts der Leistungsstörung als ihm nicht mehr zumutbar ablehnen darf.292 Canaris293 will dem HV nach dem Rechtsgedanken des Abs. 3 Provision auch im Falle der vom Unternehmer zu vertretenden Unwirksamkeit des Vertrages zubilligen. Nach h. M. folgt dies aus den Grundsätzen des faktischen Vertrages (s. Kommentierung zu § 84).

3. Die Regelungssystematik 64 Gemäß § 87a Abs. 3 hat der HV auch dann Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. Dies ist die Grundregel. Eine Ausnahme von dieser Grundregel bildet § 87a OLG Koblenz BB 1973, 866 (867); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 16. OLG Koblenz BB 1973, 866; Hopt § 87a Rn 20. Hopt § 87a Rn 20. OLG Celle NJW 1972, 879; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 4; Hopt § 87a Rn 13. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 4; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 9; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 42. 291 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 16; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 39. 292 Siehe dazu die (leicht verkürzende) Formel des BGH NJW 1972, 629 (636). 293 Canaris § 17 Rn 57.

286 287 288 289 290

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Abs. 3 S. 2. Danach entfällt ausnahmsweise der Provisionsanspruch im Falle der Nichtausführung durch den Unternehmer, wenn und soweit sie auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Hier manifestiert sich besonders augenfällig der Grundsatz, dass Umstände aus dem Verantwortungsbereich des Unternehmers nicht zum Entfallen des Provisionsanspruches führen. Bei der Nichtausführung durch den Unternehmer besteht aber eine Vermutung dafür, dass sie aus von dem Unternehmer zu verantwortenden Gründen geschieht. Die Sätze 1 und 2 des § 87a Abs. 3 begründen also ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Grund- 65 sätzlich bleibt die Provisionspflicht des Unternehmers im Falle der Nichtausführung des Geschäftes durch den Unternehmer bestehen, es sei denn, jene Nichtausführung beruht auf Umständen, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Greift der Regelfall ein, hat der HV einen unentziehbaren294 Anspruch auf Provision. Gemeint ist die vertragsgemäß bedungene Provision, bei Fehlen einer solchen die Provision, deren Höhe nach § 87b bestimmt wird. Aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis und dem Grundsatz der Beweislastverteilung nach Gefahrensphären295 ergibt sich auch die Allokation der Beweislast: Die Ausnahme des § 87a Abs. 3 S. 2 – Entfallen des Provisionsanspruchs – hat der Unternehmer darzulegen und zu beweisen.296 Dieser Beweis ist regelmäßig schwer zu führen. Leistet der Unternehmer ein Surrogat,297 akzeptiert der Dritte dies und fehlt deshalb ein 66 Provisionsnachteil des HV, entsteht die Provision nach Abs. 1, 2 und auf Abs. 3 kommt es nicht an. Soweit der Unternehmer infolge der Nichtausführung oder der nicht vertragsgemäßen Ausführung die Gegenleistung erhalten bleibt,298 etwa im Fall des § 649 BGB,299 oder er ein Surrogat gewinnt, bestimmt sich das Provisionsrecht des HV nach Abs. 1 S. 3. Abs. 3 greift nur insoweit ein, als die als Provisionsbemessungsgrundlage dienende Leistung entfällt.

4. „Das Geschäft“ Voraussetzung dafür, dass der HV die Provisionen behalten kann, ist zunächst, dass ein wirksa- 67 mes Geschäft zwischen Unternehmer und Dritten (Kunden) zustande gekommen ist.300 Ist der vermittelte Vertrag nichtig, etwa wegen Formmangels nach § 125 BGB oder infolge einer Anfechtung, fehlt ein solches Geschäft.301

5. Zeitpunkt der Nichtausführung Der Zeitpunkt der vom Vertrag abweichenden Ausführung ist im Grundsatz irrelevant; logischer- 68 weise muss er nach Vermittlung und Abschluss des Kundengeschäftes liegen und – da der HV sonst keine Provision verdient haben kann – auch nach Beginn des HV-Vertrages (sonst wäre der Anwendungsbereich der §§ 84 ff. nicht eröffnet). Eine Analogie ist in vergleichbaren

BGHZ 33, 92 (95); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 16. So von OGH Österreich, Urt. v. 24.3.2014 – 8 ObA20/14w, ZVertriebsR 2014, 200 (201) begründet. OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2017 – I-16 U 32/16, ZVertriebsR 2017, 191 = MDR 2017, 467. Vgl. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 17. BGH, Urt. v. 17.11.1983 – I ZR 201/83, NJW 1984, 1455; OLG Köln NJW-RR 1994, 226 (227); OLG Koblenz NJW-RR 1994, 295 = MDR 1993, 1187; LG Bückeburg MDR 1998, 665; Wolf/Ungeheuer NJW 1994, 1497; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer § 87a Rn 19. 299 Da der Besteller von vornherein das Kündigungsrecht nach § 649 BGB hat, liegt streng genommen kein Fall der nicht vertragsgemäßen Ausführung vor, vgl. Hopt § 87a Rn 21. 300 OLG Köln, Urt. v. 9.8.2013 – 19 U 149/12, IHR 2014, 103 = BeckRS 2013, 16283; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 49; Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2013, § 87a HGB Rn 13. 301 OLG Köln, Urt. v. 9.8.2013 – 19 U 149/12, IHR 2014, 103 = BeckRS 2013, 16283; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 49.

294 295 296 297 298

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Situationen denkbar. Aber die Andersausführung kann sogar nach Beendigung des HV-Vertrages liegen und etwa Überhangprovisionen betreffen.302 Gerade nach Beendigung des HV-Vertrages mögen solche Unregelmäßigkeiten nahe liegen.303

6. Der Regelfall des Abs. 3 S. 1 69 Der Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer – Fall des Abs. 1 S. 1 – soll nach Abs. 3 S. 1 die Tatsache der Nichtausführung durch den Unternehmer gleichstehen; genauer: die ganze oder teilweise Nichtausführung des Geschäfts oder seine Nicht-so-Ausführung, wie es abgeschlossen worden ist. Die „Nicht-so-Ausführung“, d. h. die nicht vertragsgemäße Ausführung, ist ein Unterfall („Minus“) der Nichtausführung, was wegen der fehlenden Nennung der nicht vertragsgemäßen Ausführung in S. 2 bedeutend ist. Der HV soll seiner Anwartschaft auf die durch den Abschluss verdiente Provision nicht dadurch verlustig gehen, dass die Ausführung in der Sphäre des Unternehmers unterbleibt. Gesetzgeberisch ist damit ein Negativum zur Auffangbedingung für das Unbedingtwerden des Provisionsanspruchs304 erhoben; der Eintritt dieser Auffangbedingung ist in die Form gekleidet, dass „feststehen“ muss, der Unternehmer werde nicht (nicht „so“) ausführen. Die Gründe für die nicht vertragsgerechte Leistung des Unternehmers sind für Abs. 3 S. 1 unerheblich,305 etwa wegen „Rücknahme“ (= Storno) des Angebotes des Dritten, einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung,306 mangelnder Wirtschaftlichkeit des Geschäfts,307 Insolvenz des Unternehmers,308 die Nichtleistung des Dritten auf einer Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) oder einem Rücktritt nach § 323 BGB beruht oder weil sich der Dritte nicht vertragskonform verhält und der Unternehmer deshalb berechtigt vertragliche oder gesetzliche Gestaltungsrechte ausübt. Es ist also keine Unmöglichkeit i. S. d. § 275 BGB309 oder Unzumutbarkeit der Ausführung des Geschäfts für den Unternehmer erforderlich.310 Gleichfalls ist unerheblich, ob nach Abschluss des Kundenvertrags der Provisionssatz geändert worden ist.311 Die Gründe der Nichtausführung gewinnen erst für Abs. 3 S. 2 als zweiten Prüfungsschritt Bedeutung. Für Abs. 3 S. 1 als ersten, vorrangigen Prüfungsschritt kommt es lediglich auf die nicht vertragsgemäße Ausführung des Kundengeschäfts auf der Grundlage des ursprünglich vereinbarten Vertragsinhalts an.312 Dabei ist das vertraglich Intendierte (der Vertragsinhalt) mit dem abgewickelten Vertrag zu vergleichen. Obwohl auch die Ausübung vertraglicher Gestaltungs- oder Gewährleistungsrechte Rechte aus dem abgeschlossenen Geschäfts sind, müssen sie bei der Prüfung des Inhalts eines „Abschlusses“ (der Vertragskonformität) ausgeblendet werden. Anderenfalls würde man zu dem Zirkelschluss gelangen, dass bei Ausübung solcher Rechte durch den Kunden, etwa wegen eines Fehlers der Ware, der Provisionsanspruch nicht nach Abs. 3 bestände sondern nach Abs. 2 entfiele, weil z. B. der Rücktritt des Kunden keine Nichtausführung entgegen dem abgeschlossenen Vertrag bildete. 302 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. von Bodungen/Hesse = DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde) Rn 25.

303 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. von Bodungen/Hesse = DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde) Rn 25.

304 BGH MDR 1961, 312. 305 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 50; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 19; Hopt § 87a Rn 21; Oetker/Busche5 § 87a Rn 21; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 41; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 31. 306 BGH HVR (56) Nr. 119; Grund: Keine Einigung zu Lasten des HV; vgl. Hopt § 87a Rn 21. 307 LG Bielefeld HVR (58) Nr. 178; sogar eigene Vertragsuntreue des Unternehmers, Hopt § 87a Rn 21. 308 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde); RGZ 63, 69 ff. 309 Hopt § 87a Rn 25. 310 Hopt § 87a Rn 25. 311 Hopf § 87a Rn 25. 312 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 19. Emde

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a) Ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden 70 ist = Nicht- oder Andersausführung. Sie setzt voraus, dass das Geschäft überhaupt wirksam ist und der Unternehmer dem Dritten gegenüber verpflichtet ist.313 Gemeinsam ist beiden nachfolgend genannten Alternativen, dass die Vertragsausführung „vertragswidrig“314 vom Ursprungsvertrag abweicht, dort also nicht angelegt war. Was vertragsgemäß ist, bestimmt sich also nach dem Inhalt des Ursprungsvertrages.315 Denn mit der Ausrichtung auf ihn ist der Provisionsanspruch bedingt entstanden. Der Unternehmer entscheidet über den Inhalt des Kundenvertrages. Er bestimmt, welche Regelungen er dort trifft und er darf vor dem Abschluss des Kundengeschäftes auch Änderungen hineinverhandeln. Den so geschlossenen Vertrag muss der HV hinnehmen. Schließlich könnte der Unternehmer den Vertragsschluss ganz ablehnen (Rückschluss aus § 86a Abs. 2 S. 2).316 Was im Ursprungsvertrag nicht vereinbart war, darf der Unternehmer dem Provisionsanspruch nur unter den derogationsfesten Voraussetzungen des § 87a Abs. 3 entgegenhalten, es sei denn, der HV hat sich damit einverstanden erklärt.317 Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des Abs. 3, weil auch spätere Vertragsänderungen „abgeschlossen“ wurden. Es handelt sich aber um eine verständige Auslegung der Norm nach Sinn und Zweck, notfalls um eine teleologische Reduktion. „Übersetzt“ würde der Gesetzestext also lauten „wie es ursprünglich abgeschlossen wurde…“. War ein Grund zur „Andersausführung“ bereits wirksam im Ursprungsvertrag vereinbart, fehlt eine vom Ursprungsvertrag abweichende Ausführung und das Provisionsrecht entfällt (Rn 69). Steht der Kundenvertrag von vornherein unter einem Widerrufs- (§ 355 BGB),318 Änderungsvorbehalt,319 einer auflösenden Bedingung320 oder einem vertraglichen Rücktrittsvorbehalt,321 liegt keine von Abs. 3 erfasste nachträgliche Änderung vor. Der HV muss dann die Ausübung der Änderungsoption durch den Kunden akzeptieren und darf keine Provision nach der vom Kunden nicht gewählten Alternative fordern. Jedoch ist eine Pflicht des Unternehmers anzunehmen, dem HV diese Umstände als erforderliche Maßnahmen i. S. d. § 86a Abs. 2 S. 2 zur Kenntnis zu geben.322 71 Im Einzelnen:

aa) Erster Unterfall: Die Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer („nicht … ausführt“) (1) Grundsätzliches. Es handelt sich um die vollständige Nichtausführung des Geschäfts 72 durch den Unternehmer, im Gegensatz zu der teilweisen Nichtausführung oder der gegenüber dem Vertrag abweichenden Ausführung nach der zweiten, unter bb) genannten Alternative. Wie sich aus dem systematischen Ort der Bestimmung ergibt, hat sie unmittelbare Bedeutung für den Fall, dass das Unbedingtwerden des Provisionsanspruchs auf die Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer gestellt ist und gerade von ihr abhängt (Abs. 1 S. 1; weil er vorleistungspflichtig ist). Weit bedeutsamer aber ist die mittelbare Verknüpfung, die dort sichtbar wird, wo 313 314 315 316 317 318 319 320

Hopt § 87a Rn 21. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 22. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 467; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 52. Emde EWiR 2014, 452. Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 30. Evers VW Heft 9/2018, S. 90. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 18, 22; aA Hopt § 87a Rn 20. BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 = EWiR 2014, 451 (Emde) Rn 18; v. 11.10.1990 – I ZR 6/89, NJW-RR 1991, 155 unter I 1; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87a Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 27. 321 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 33, 445; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 11; Ebenroth/ Löwisch3 § 87a Rn 26; Oetker/Busche5 § 87a Rn 11; offen gelassen von BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 = EWiR 2014, 451 (Emde) Rn 11. 322 Evers VW Heft 9/2018, 90. 981

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der Dritte gerade nicht leistet, weil der Unternehmer seinerseits nicht leisten kann oder nicht leisten will oder (bei Stornierung des Auftrags323) nicht leisten soll. Die Leistung des Dritten (= Kunden) ist in Abweichung von Abs. 1 S. 1 ganz überwiegend vertraglich vorgeschriebene Bedingung für das Entstehen des Provisionsanspruchs. Steht die Nichtleistung des Dritten fest, so würde damit die Bedingung endgültig ausgefallen sein. Hier nun gelangt die Auffangfunktion des Abs. 3 S. 1 zur Wirkung. Die Nichtleistung des Dritten, wenn und weil der Unternehmer nicht leistet, ist provisionsrechtlich unschädlich. 73 Erbringt der vorleistungspflichtige Unternehmer seine Leistung nicht und wäre das Unbedingtwerden des Provisionsanspruchs durch unternehmerseitige Ausführung des Geschäfts vertraglich abbedungen, so kann der HV die Provision gleichwohl nicht beanspruchen, sofern feststeht, dass auch der Dritte ganz unabhängig hiervon seine Leistung nicht erbracht haben würde, etwa weil er vor Fälligkeit derselben in Vermögensverfall geriet. Beweispflichtig hierfür wäre allerdings der Unternehmer, wie sich aus Abs. 3 S. 2 und aus den Beweisgrundsätzen zur alternativen bzw. hypothetischen Kausalität ergibt. Hat dagegen der vorleistungspflichtige Dritte (= Kunde) seine Leistung erbracht, obwohl feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft nicht ausführen wird, etwa weil der Dritte bereits die Gefahr der zufälligen Unmöglichkeit der Unternehmerleistung zu tragen hatte, so ist der Provisionsanspruch bereits zum unbedingten, zwingend und spätestens mit der Leistung des Dritten erstarkt. Hätte der Dritte nach eigener Vorleistung wegen ausgebliebener Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer Rücktrittsrechte und macht er von ihnen Gebrauch, so steht damit zwar seine Nichtleistung fest, aber zugunsten des HV greift Abs. 3 S. 1 ein.

74 (2) Beispiele für eine Nichtausführung. Die Leistung des Unternehmers ist objektiv unmöglich;324 – Der Unternehmer wird insolvent;325 – Das Kundengeschäft wird einvernehmlich rückgängig gemacht;326 – Der Unternehmer leistet nicht,327 etwa mangels Wirtschaftlichkeit;328 – Der Unternehmer weigert sich auszuführen und der Kunde fügt sich dem und tritt deswegen vom Geschäft zurück.329 – Ein vermitteltes Dauerschuldverhältnis wird vorzeitig beendet;330 – Der Unternehmer muss zufolge Anfechtung des Geschäfts in der Insolvenz des Dritten das von jenem Geleistete wieder herausgeben; – Der Unternehmer erlässt die Forderung, etwa aus „Kulanz“, obwohl sie durchsetzbar gewesen wäre;331

323 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. v. Bodungen/Hesse = DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde) Rn 25. 324 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 51; Hopt § 87a Rn 22. 325 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. von Bodungen/Hesse = DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde) Rn 25; v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde); RGZ 63, 69 ff.; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 51. 326 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) in Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 51. 327 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 51. 328 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 51. 329 Hopt § 87a Rn 22. 330 Hopt § 87b Rn 16; Oetker/Busche5 § 87a Rn 12 (analoge Anwendung). 331 BGH MDR 1963, 312 zum alten Recht. Emde

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Das Geschäft wird storniert;332 Der Unternehmer übt ein nicht bereits im Ursprungsvertrag geregeltes Gestaltungsrecht aus, etwa ein Kündigungsrecht.333

bb) Zweiter Unterfall: Die nicht vertragsgemäße Erfüllung des Geschäfts durch den Unternehmer („nicht …so ausführt“) (1) Grundsätzliches. Sie ist entweder eine mangelhafte (einschließlich der aliud-Lieferung), 75 eine teilweise334 oder eine verspätete335 Ausführung (Fallgruppen unter bbb). Erforderlich ist immer, dass deshalb der Kunde nicht wie vertraglich vorgesehen leistet und infolgedessen der HV ohne Abs. 3 einen Provisionsnachteil erleiden würde (weil sonst ein Provisionsrecht nach Abs. 1 S. 3 entstehen würde). Wird die mangelhafte Lieferung vom Dritten von vornherein zurückgewiesen, so liegt 76 noch keine Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer vor.336 Daher ist der Fall, dass damit die nicht vertragsgemäße Leistung „feststeht“ (Rn 81) nur gegeben, wenn die ordnungsgemäße Leistung nicht mehr möglich ist,337 etwa: bei Gattungsware wegen Untergangs des Restes der Gattung und gleichzeitiger Nichtbehebbarkeit des Mangels der angebotenen Lieferung; bei Spezieslieferung wegen Nichtbehebbarkeit des Mangels des angebotenen Gegenstandes; in beiden Fällen auch wegen nachträglichen finanziellen Leistungsunvermögens des Unternehmers, den Mangel zu beheben und damit eine vertragsgerechte Lieferung nachzuholen. Sonst aber muss grundsätzlich abgewartet werden, ob es noch zu einer mangelfreien Lieferung kommt; wenn ja, gelten die Grundsätze über verspätete Lieferung (s. u.). Hat der Dritte die mangelhafte Leistung zunächst entgegengenommen, verlangt er aber 77 Rücktritt, so hat der Unternehmer das Geschäft zwar „ausgeführt“. Aber auf Grund des Rücktritts wird sein Erfüllungshandeln in den Stand der Nichterfüllung zurückversetzt.338 Verlangt der Dritte Minderung, so ist es für die Provision so anzusehen, als habe der Unternehmer teilweise erfüllt339: für den erfüllten Teil (und den ihm entsprechenden, dem Unternehmer verbleibenden Teil der Gegenleistung des Dritten) ist der Provisionsanspruch schon nach Abs. 1 S. 1, 3 gegeben, und im Ausmaß der Reduzierung des Kaufpreises nach Abs. 3 S. 1;340 der HV erhält seine Provision zum vollen Betrag. – Verlangt der Dritte Schadensersatz im Wege der Differenzrechnung, ist die Leistung des Unternehmers nur noch Rechnungsposten in der Schadensrechnung; sie wird nicht mehr erbracht und wird als nicht erbringungsfähig behandelt. Das ist dann der Fall der 1. Alt. Der HV hat ein volles Provisionsrecht. Anders liegt es, wenn der Unternehmer das Geschäft verspätet ausführt. Sieht man von 78 den Fällen des Fixgeschäfts ab (früher: § 361 BGB, § 376 HGB), bei denen die nicht termingerechte Erfüllung Nichterfüllung bedeutet und deshalb der Dritte ohne weiteres zurücktreten kann, so wird (und muss) der Dritte – sofern er nicht inzwischen den Mechanismus des § 323 BGB in Gang gesetzt hat – die wenngleich verspätete Leistung annehmen und ist auf die Geltendmachung des Verspätungsschadens beschränkt. Die aus Abs. 3 S. 1 sich provisionsrechtlich ergebende Folge ist die, dass der Provisionsanspruch in dem Augenblick zum unbedingten

332 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. v. Bodungen/Hesse = DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde) Rn 25. 333 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 51; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 19. 334 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) in Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07. 335 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 52. 336 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 53. 337 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 53. 338 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 53. 339 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 53. 340 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 53. 983

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erstarkt ist, in welchem der Unternehmer das Geschäft hätte vertragsgemäß, d. h. termingerecht ausführen müssen.341 Ob der Dritte die Verspätung hinnimmt, ohne Ansprüche hieraus herzuleiten (vielleicht hat er keinen spezifischen Verspätungsschaden), spielt keine Rolle. Dass die Provision schon in dem Zeitpunkt unbedingt und damit liquidierbar wird, in welchem der Unternehmer termingemäß hätte ausführen müssen, hat Bedeutung für die Fälligkeit (Abs. 4) und über die Fälligkeit auch für eine etwaige Verzinsung (§§ 353, 354 Abs. 2, ggf. Verzugszins nach BGB). 79 Beiden Fallgruppen ist Folgendes gemeinsam: Trifft die mangelhafte oder verspätete Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer auf einen Dritten, der unabhängig hiervon ohnedies nicht geleistet haben würde, so nützt auch Abs. 3 S. 1 dem HV nichts. Es bewendet bei Abs. 2; der Anspruch auf Provision ist hinfällig. Hierfür ist der Unternehmer beweispflichtig.

80 (2) Beispiele für eine Teil- oder Andersausführung. – Die Leistung des Unternehmers erfolgt als Minderleistung,342 vorzeitig,343 andersartig,344 unvollständig,345 mangelhaft346 oder verspätet347 und der Kunde leistet aus diesem Grunde nicht oder teilweise; – Bei vom HV vermittelten Sparverträgen liegt eine teilweise Nichtausführung vor, sobald die als Unternehmer tätige Bank aufgrund Bescheid der BaFin gehindert ist, die genannten Verträge weiter auszuführen;348 – Eine mindestens teilweise Nichtausführung des Geschäfts liegt vor, sofern bei der Vermittlung von Sparverträgen die solche Kundenverträge schließende Treuhandkommanditistin aufgrund eines Bescheides der BaFin gehindert ist, die vermittelten Sparverträge weiter auszuführen, da die KG, deren Anteile die Treuhandkommanditistin halten sollte, aufgrund des Bescheides liquidationslos vollbeendigt wurde und folglich die geschuldete Leistung, für den jeweiligen Treugeber eine Kommanditbeteiligung während der Vertragslaufzeit von 10 Jahren zu verwalten und sie treuhänderisch im Interesse des Treugebers zu halten, nicht mehr erbringen kann;349 – Es liegt eine zwischen Unternehmer und Kunden nachträglich getroffene Abrede vor, wonach die Kundenzahlung auf andere Forderungen des Unternehmers verrechnet werden soll350 (aber dann dürfte Abs. 1 S. 3 eingreifen); – Der Unternehmer ändert die Tarifstufe des vermittelten Finanzprodukts.351

341 342 343 344 345

Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 54. Oetker/Busche5 § 87a Rn 12. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 17. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 17. BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) in Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07; OGH Österreich, Urt. v. 24.3.2014 – 8 ObA20/14w, ZVertriebsR 2014, 200 (202); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 17. 346 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 17. 347 BGHZ 33, 95; BGH WM 1998, 723; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 17; Hopt § 87a Rn 21. 348 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) Rn 49 in Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07; Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, IHR 2008, 201, Rn 14; vgl. ferner BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, IHR 2010, 65 Rn 24 ff. zur teilweisen Nichtausführung von Telefondienstverträgen seitens eines als Unternehmer einzustufende Telekommunikationsgesellschaft. 349 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) Rn 52 in Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07. 350 OLG Nürnberg BB 1963, 1313 (Verrechnung auf die Kosten einer vom Dritten zusätzlich übernommenen Montage des Kaufgegenstandes; anders bei Verrechnung auf die Kosten der Teilfinanzierung des Kaufpreises). 351 OLG Köln, Urt. v. 9.8.2013 – 19 U 149/12, IHR 2014, 103 = BeckRS 2013, 16283. Emde

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b) Feststeht. Nicht anders als unter Abs. 2 (TB-Merkmal dort: „steht fest“) muss auch unter 81 Abs. 3 objektiv feststehen,352 dass eine vollständige oder teilweise Nicht- oder Andersausführung wider die vertraglichen Bestimmungen vorliegt. Die subjektive Einschätzung des HV, eine hohe Wahrscheinlichkeit oder die Erfüllungsverweigerung des Unternehmers genügen nicht.353 Dies kennzeichnet die Beweislast und bestimmt zugleich den Zeitpunkt der Fälligkeit. Es gilt das zu Abs. 2 Gesagte (Rn 49), auch dazu, ob der Unternehmer die Forderung einklagen muss, damit die Tatsachen „feststehen“ (Rn 49). Dass eine vertragsgemäße Ausführung unmöglich ist, steht etwa fest, sofern die Leistung des Unternehmers objektiv unmöglich geworden oder das Kundengeschäft einvernehmlich aufgehoben oder rückgängig gemacht worden ist.354 Gleiches gilt, wenn der Unternehmer die Ausführung des Kundengeschäfts verweigert und sich der Dritte dagegen nicht zur Wehr setzt.355 Zur Beweislast s. u.

c) Fälligkeit. Spätestens im Moment des Feststehens tritt, wie der Wortlaut des Abs. 3 S. 1 zeigt, 82 auch die Fälligkeit ein,356 wahrscheinlich bereits zu dem Zeitpunkt, zu welchem der Unternehmer vertragsgemäß hätte leisten müssen.357 Denn der Unternehmer soll durch die Andersausführung, die aus seiner Sphäre herrührt, keine Vorteile gewinnen, auch nicht beim Fälligkeitszeitpunkt. Entscheidend ist der ausbleibende Leistungserfolg, nicht die Leistungshandlung des Unternehmers.358

d) Konkurrierender Schadenersatzanspruch. Auch wenn der Unternehmer aus dem konkre- 83 ten Geschäft nur seinem Kunden verpflichtet ist, kann die Nichtausführung eine Pflichtverletzung gegenüber dem HV darstellen. Zwar wird gerade vor dem Hintergrund des § 87a Abs. 3 S. 1 insoweit dem Unternehmer ein weites Ermessen zugebilligt, weil der HV durch die Nichtausführung regelmäßig keinen wirtschaftlichen Schaden erleidet. Zumindest aber dann, wenn es für die Nichtausführung des Geschäfts aus der Warte eines objektiven Dritten keine nachvollziehbaren Gründe gibt, konkurriert mit dem Provisionsanspruch aus Abs. 3 ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB;359 der bedeutsam wird, wenn ein über das Provisionsinteresse hinausgehender Schaden existiert. Es lässt sich sogar diskutieren, ob nicht in jeder zu vertretenden Nichtausführung eine solche Pflichtverletzung liegt, oder – das gegenteilige Extrem – ob Abs. 3 insoweit eine abschließende Spezialregel bildet und außerhalb ihrer Rechtsfolge das Dispositionsrecht des Unternehmers weitergehende Ersatzansprüche ausschließt. Ein über das Provisionsinteresse liegender Schaden kann etwa in entgangenen Geschäften der Zukunft liegen, falls eine laufende Geschäftsbeziehung durch die Nichtausführung des Unternehmers unterbrochen oder verhindert wird, insb. falls der Unternehmer in einer Vielzahl von Fällen Kundenverträge aufhebt und der HV hierdurch der Kundenbeziehungen verlustig geht. Der Schadensersatzanspruch existiert nicht nur bei entsprechender Vereinbarung oder sittenwidriger Schädigung.360 Beweispflichtig für alle Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs ist der HV. 352 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 18; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 55; Oetker/Busche5 § 87a Rn 14. 353 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 55; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 18; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 10; Oetker/Busche5 § 87a Rn 14; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 46. 354 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht3 § 87a Rn 55; Oetker/Busche5 § 87a Rn 14; Hopt § 87a Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 46. 355 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht3 § 87a Rn 55; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 46. 356 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 17. 357 So Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 30. 358 BGH VersR 1983, 371 (372). 359 OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514 = BeckRS 2009, 15934; aA OLG Koblenz BB 1973, 866; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 57; Hopt § 87a Rn 2. Der Schadenersatzanspruch ist allerdings meist überflüssig, weil das Provisionsrecht nicht entfällt. 360 So aber Hopt § 87a Rn 23. 985

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7. Ausnahme: § 87a Abs. 3 S. 2: Keine Provision bei Nichtvertretenmüssen des Unternehmers 84 a) Generelles. Die Novelle 1989 brachte die Einführung des § 87a Abs. 3 S. 2. Der Provisionsanspruch entfällt ausnahmsweise nur dann, wenn und soweit die Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Im Zweifel bleibt also das Provisionsrecht des HV bestehen.361 Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Ausführung sind seit der Novelle 1989 nicht mehr entscheidend. Betrifft die Nichtausführung nur einen Teil des Geschäfts, bleibt ein anteiliger Provisionsanspruch erhalten („soweit“).362 Ausreichend ist auch im Rahmen des Abs. 3 S. 2, dass der Unternehmer das Geschäft tat85 sächlich nicht ausführt. Nach dem Wortlaut des Abs. 3 (ebenso Art. 11 Abs. 1 RL) scheint S. 2 im Gegensatz zu S. 1 nur bei der Nichtausführung und nicht bei nicht vertragsgemäßer Ausführung möglich zu sein.363 Unter die Nichtausführung fällt jedoch auch die nicht vertragsgemäße Ausführung gem. Abs. 3 S. 1 Alt. 2 als Unterfall der Nichtausführung, so dass der Regelungsgehalt des S. 2 den des S. 1 spiegelt.364 Es wäre a maiore ad minus nicht einzusehen, warum im schwerwiegenden Fall des totalen Vertragsbruchs, der Nichtausführung, der Entlastungsbeweis zulässig sein soll, nicht jedoch im Fall des bloßen „nicht so Ausführens“ als schlechtestenfalls partiellen Vertragsbruchs. 86 Entscheidend ist allein das Nichtvertretenmüssen des Unternehmers. Ein Vertretenmüssen i. S. d. § 87a Abs. 3 S. 2 setzt kein persönliches Verschulden voraus. Es kommt deshalb nicht immer – was allerdings regelmäßig genügt365 – auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit366 des Unternehmers oder seiner Erfüllungsgehilfen (§§ 276, 278 BGB) an367 oder auf ein Einstehenmüssen bei der Gattungsschuld (§ 279 BGB). Vielmehr genügt wie im gesamten Handelsrecht (worauf es angesichts der europarechtlichen Präformation in Art. 11 Abs. 1 RL allerdings nicht ankommt; der Begriff ist europarechtskonform auszulegen368) Einstehenmüssen für zurechenbare Risiken im Lichte des vertraglich Versprochenen.369 Mit Vertretenmüssen ist alles gemeint, was in die unternehmerische, vertriebliche oder betriebliche Risikosphäre des Unternehmers fällt.370 Diese Risikosphäre ist

Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 23. Hopt § 87a Rn 24. So auch Hopt § 87a Rn 20. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 22; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 61; Oetker/Busche5 § 87a Rn 21; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 51; aA Thume BB 2012, 975 (976) nach dem sich der Unternehmer – nach Abs. 5 zwingend – bei vorzeitiger, mangelhafter, unvollständiger, verzögerter und verspäteter Teil- und Gesamtausführung niemals darauf berufen kann, dass dies auf von ihm nicht zu vertretenden Umständen beruht. 365 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 62; Oetker/Busche5 § 87a Rn 22. 366 Fahrlässigkeit genügt, s. BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. v. Bodungen/Hesse = DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde) Rn 25. 367 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) Rn 54 in Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07; v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 = EWiR 2014, 451 (Emde) Rn 13; v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, IHR 2008, 201 Rn 18; OLG Köln, Urt. v. 9.8.2013 – 19 U 149/12, IHR 2014, 103 = BeckRS 2013, 16283; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.1.2007 – 4 U 34/06, NJOZ 2007, 1481. 368 Canaris § 17 Rn 69. 369 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) Rn 54 in Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07; v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde); Holling DB 1960, 79; Ebenroth/ Löwisch3 § 87a Rn 23; Hopt § 87a Rn 26; Oetker/Busche5 § 87a Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 53. 370 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) Rn 54 in Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07; v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 = EWiR 2014, 451 (Emde) Rn 13; v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, NJW 2010, 298 = BB

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weit zu verstehen.371 Mitverursachung oder Mitverschulden des Unternehmers genügt. Maßgeblich ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter angemessener Berücksichtigung der wirtschaftlichen Gegebenheiten.372 Da die Zuweisung zum Risikobereich des Unternehmers genügt, kommt es personell nicht darauf an, ob der Unternehmer selbst „schuldhaft“ handelte. So kann als Unternehmer im Verhältnis zum HV nicht der Vertragspartner des HV-Vertrages sondern eine vertragsausführende Treuhandkommanditistin einzustufen sein, welcher die Ausführung der Geschäfte gegenüber den Kunden (Treugebern) oblag.373 Die Praxis ist bei der Frage der Zurechnung richtigerweise streng, so dass ein Nichtvertretenmüssen selten vorliegen dürfte374: der Tätigkeit des HV, die zum Abschluss des Geschäfts geführt hat, entspricht die ungeminderte Einstandspflicht des Unternehmers für seine Sphäre, wenn es um die Ausführung geht. Nichtvertretenmüssen kommt in erster Linie bei solchen Umständen oder Verhaltensweisen in Betracht, die auf Zufall,375 höherer Gewalt376 oder ausschließlich dem vom Unternehmer nicht zu beeinflussenden Risikobereich des Kunden beruhen.377 Deshalb entlastet den Unternehmer auch eine fehlerhafte rechtliche Beratung nicht. Er muss ggf. Schadenersatz beim Berater suchen.

b) Beispiele für Vertreten- und Nichtvertretenmüssen aa) Einzelbeispiele für ein Vertretenmüssen des Unternehmers. Der Unternehmer hat 87 folgende Risiken zu vertreten: – Mangelnder Abruf des Kunden bei einem Kaufvertrag auf Abruf;378 – Abspringen des Kunden wegen Lieferversäumnis des Unternehmers;379 – Nicht im Ursprungsvertrag vereinbarte nachträgliche Änderung, Rückgängigmachung, inhaltliche Änderung oder Aufhebung des Vertrages;380 – Arbeitskräftemangel in seinem Unternehmen,381 wohl auch bei generellem Arbeitskräftemangel; – Auflösung oder Änderung des Kundengeschäftes wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage, soweit der Grund aus der Sphäre des Unternehmers stammt;382

2010, 533 m. Anm. von Bodungen/Hesse = DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde) Rn 25: Einstehenmüssen für „übernommenes Risiko“; OLG Köln, Urt. v. 9.8.2013 – 19 U 149/12, IHR 2014, 103 = BeckRS 2013, 16283; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.1.2007 – 4 U 34/06, NJOZ 2007, 1481; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 461; Flohr/Wauschkuhn/ Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 62; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 37. 371 Ayad BB 2017, 2193. 372 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) Rn 54 in Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07; v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 = EWiR 2014, 451 (Emde) Rn 13; Beschl. v. 10.10.2013 – VII ZR 228/12 Rn 11; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 23; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 53. 373 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) Rn 48; v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, IHR 2008, 201 Rn 13; v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, IHR 2010, 65 Rn 24. 374 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 461. 375 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 62; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 53. 376 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 62. 377 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 62; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 23. 378 BGH, Urt. v. 11.10.1990, NJW-RR 1991, 155 (158); Oetker/Busche5 § 87a Rn 11. 379 BGH BB 1961, 147. 380 OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1990, 356; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 64; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 26; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 19; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 18, 41; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 30. 381 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 27; Hopt § 87a Rn 27. 382 Canaris § 17 Rn 69. 987

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Unterbliebene Ausführung des Vertrages, weil der Unternehmer bei dem Geschäft wegen fehlerhafter oder irriger Kalkulation383 bzw. wegen inzwischen veränderter Marktlage seine Rechnung nicht mehr findet.384 Das Gleiche gilt bei Unterlassen der Ausführung des Geschäfts infolge Einstellung des Betriebes oder der Produktion.385 Der Provisionsanspruch bleibt insb. erhalten, falls der Unternehmer den Betrieb aufgibt, nachdem er in der Erfüllung gegenüber dem leistungsbereiten Kunden säumig geworden war und das wiederholte Drängen des HV unbeachtet gelassen hatte;386 Falls der Unternehmer die ihm zumutbare gerichtliche Durchsetzung eines Anspruchs gegen den Kunden unterlässt (dazu oben), außer es handelt sich um die Erstprämie in der Lebensversicherung (wegen § 37 Abs. 1 VVG);387 anders in der Sachversicherung.388 Es geht zwar streng genommen nicht um einen Fall des Abs. 3, weil die vom Unternehmer unterlassene gerichtliche Durchsetzung der Gegenleistung nicht zur Vertragsausführung zählt. Die Konstellation wird aber – auch hinsichtlich der Beweislastverteilung – analog Abs. 3 behandelt. Wird eine Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt, bestimmt § 38 VVG, welche Maßnahmen ein Versicherer zu treffen hat. Es genügt nach Ansicht von Mecklenbrauck in einem Provisionsstreit mit dem VV, wenn der Versicherer nachweist, dass er die in § 38 VVG vorgesehenen Maßnahmen ergriffen hat;389 Verschulden von Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB);390 Hinnahme des vertragswidrigen Abspringens von Kunden ohne übliche, aussichtsreiche und zumutbare Maßnahmen zur Durchsetzung des Anspruchs;391 Insolvenz des Unternehmers392 (dazu unten), insb. als Hauptvertreter gegenüber dem Untervertreter.393 Kampf394 will § 87a Abs. 3 S. 2 im Falle der Erfüllungsbereitschaft, jedoch faktischer Erfüllungsunmöglichkeit analog anwenden. Denn die unmittelbare Anwendung setze voraus, dass der InsV die volle Rechtsmacht zur Erfüllung des Geschäfts habe. Das dürfte abzulehnen sein. Die Norm gilt auch gegenüber dem InsV; Kündigung des Kunden durch den Unternehmer nach § 649 BGB;395 Eigene Leistungsunfähigkeit;396

383 Hopt § 87a Rn 26. 384 OLG Dresden OLGE 22, 1; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 28; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 6. 385 LAG Düsseldorf BB 1960, 1075; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 64; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 28; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 41, 54; aA LAG Stuttgart BB 1950, 674 = NJW 1951, 374 m. Anm. Reinicke. 386 LAG Stuttgart DB 1964, 1379. 387 BAG NJW 1968, 518; OLG Frankfurt/M. VersR 1981, 480; OLG Karlsruhe VersR 1982, 267; Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1160); Fleischmann VersR 1957, 9; Sundermann BB 1958, 542 (544, 546); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25; Hopt § 87a Rn 29; aA Hans BB 1957, 1060 (1061); BB 1958, 544 (546). 388 OLG Frankfurt/M. VersR 1986, 462; Hopt § 87a Rn 29. 389 Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1160). 390 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 62. 391 Hopt § 87a Rn 26. 392 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 64; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 23; Hopt § 87a Rn 26; Oetker/Busche5 § 87a Rn 11; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene § 87a Rn 54; aA RGZ 63, 71 bei „schuldloser“ Insolvenz; AG Bonn, Urt. v. 10.6.2010 – 103 C 470/09; BeckRS 2011, 04575 (obiter dictum – nach den Umständen des Falles). Aber wie Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 53 zutreffend ausführt, kommt es bei der Verschuldensprüfung auf die Nichtausführung und nicht die Insolvenz an. 393 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde). 394 Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 51. 395 OLG Koblenz DB 1994, 208. 396 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 28. Emde

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Lieferschwierigkeiten des Vorlieferanten,397 insb. Probleme des Bezugs und Transports der Rohstoffe398 oder mangelnde Rohstoffe.399 Der Unternehmer, der Grund hat, an der Leistungsfähigkeit seines Lieferanten zu zweifeln, muss sich über die Warenmenge, auf die er rechnen kann, Gewissheit verschaffen; konnte er nicht mit ausreichender Sicherheit auf die Beschaffung z. B. der zu verkaufenden Ware rechnen, so durfte er dem HV keine Verkaufsaufträge erteilen, und dieser hat aus den vermittelten Geschäften die volle Provision zu beanspruchen.400 Ganz allgemein hat der Unternehmer es zu vertreten, sofern Schwierigkeiten in der Rohstoffbeschaffung, betriebliche Überlastung oder Lieferschwierigkeiten bei den Vorlieferanten auftreten und daraufhin die Ausführung des Geschäfts unterbleibt;401 erst recht, wenn eine Überlastung der eigenen Kapazitäten den Grund hierfür abgibt;402 Mangelnde Policierung eines bereits abgeschlossenen Versicherungsvertrages;403 Nachbearbeitung und Stornogefahrmitteilungen – zu diesem Sonderfall nachfolgend Rn 89 ff.; Produktionsengpässe oder -schwierigkeiten im eigenen Unternehmen, auch durch zu hohe Auftragseingänge;404 Rücknahme von Materialresten unter Herabsetzung der Kaufpreises oder bei Anrechnung, sofern sie nicht bei Vertragsschluss vereinbart war;405 Fehlen rechtzeitiger Vorschläge zur Weiterführung notleidender Verträge;406 nachträgliche Risikoerhöhung, z. B. bei einem Versicherungsvertrag;407 bei im Kundenvertrag nicht vorgesehener Rücknahme der Ware aus Kulanz,408 etwa weil sie der Kunde nicht absetzen kann.409 Abweichendes kann ausnahmsweise bei langjährigen Kunden oder Großabnehmern gelten, die mit einem Abbruch der Geschäftsverbindung drohen und dem Unternehmer deshalb ein Beharren auf die Erfüllung des Vertrags unzumutbar ist;410 Stornierung (Aufhebung) des Geschäfts;411 insb. wenn diese Stornierung auf einem Verhalten des Unternehmers beruht;412 Schwierigkeiten im eigenen Betrieb oder bei der eigenen Finanzierung;413 insb. technische Schwierigkeiten des Betriebs;414 Eigenes Verschulden;415

397 BGH DB 1959, 940; Oetker/Busche5 § 87a Rn 11. 398 Eberstein9 S. 94 („Garantiehaftung“); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 64; Hopt § 87a Rn 26. Oetker/Busche5 § 87a Rn 11. BGH DB 1959, 940; LAG Bremen DB 1960, 1212. BGH DB 1959, 940; LAG Düsseldorf DB 1960, 813. LAG Bremen DB 1960, 1212. Platz VersR 1985, 621; Westphal I Rn 672. RGZ 74, 167; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 24; Oetker/Busche5 § 87a Rn 11. BGH, Urt. v. 11.10.1990, NJW-RR 1991, 155 (156); Oetker/Busche5 § 87a Rn 12. BAG VersR 1968, 166; Westphal I Rn 680. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 28. Canaris § 17 Rn 69. BGH NJW-RR 1991, 156; Urt. v. 7.5.1998 – III ZR 319/96, NJW-RR 1998, 1561 (1562); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 26; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 6. 410 BGH, Urt. v. 13.7.1959 – II ZR 189/57, BB 1959, 864 (865); v. 13.10.1960 – VII ZR 224/59, VersR 1960, 1109; BAG, Urt. v. 9.12.1966 – 3 AZR 241/66, NJW 1967, 846; OLG Köln VersR 1978, 511; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 26; Hopt § 87a Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 54. 411 BGH MDR 1963, 312 zum alten Recht; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 64. 412 OGH Österreich, Urt. v. 24.3.2014 – 8 ObA20/14w, ZVertriebsR 2014, 200 (203/204). 413 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 24; Hopt § 87a Rn 26. 414 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. von Bodungen/Hesse = DB 2009, 2652 = EWiR 2010, 119 (Emde) Rn 25. 415 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 62.

399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409

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Wegfall des Interesses an dem Kundengeschäft aus anderen Ursachen;416 Weigerung des Kunden, Ware wegen zu hohen Ausschusses abzunehmen;417 Mangelnde Wirtschaftlichkeit des Geschäftes;418 Eigene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.419 Das ergibt die Wertung, derzufolge ein Geldmangel generell zu vertreten ist.

88 bb) Einzelbeispiele für ein Nichtvertretenmüssen des Unternehmers. Der Unternehmer hat folgende Risiken nicht zu vertreten: – dem Unternehmer ist die Änderung oder Einstellung des Betriebs eines Kunden420 oder dessen drohende oder tatsächliche Insolvenz421 nicht zurechenbar.422 So hat ein Reiseveranstalter, für den ein Reisebüro als HV vermittelt, die Insolvenz der eine Kreuzfahrt ausführenden Reederei nicht zu vertreten, sofern der Veranstalter diese Insolvenz nicht selbst herbeigeführt hat. Dies gilt insb., wenn der Unternehmer mit der Reederei in ständiger Geschäftsbeziehung stand; die Insolvenz unvorhersehbar war und der Unternehmer im Zeitpunkt der Reisebuchung keinen Anlass zu der Annahme gehabt hatte, die Reise würde wegen Schwierigkeiten der Reederei mglw. nicht durchgeführt werden.423 Anderes würde im Falle der Vorhersehbarkeit der Insolvenz gelten;424 – falls der HV selbst das Geschäft aufhebt, ohne durch Umstände aus der Risikosphäre des Unternehmers hierzu veranlasst worden zu sein; – Umstände, die in der Kautelarjurisprudenz als höhere Gewalt bezeichnet werden425 oder die Vertragsanpassung oder -beendigung im Falle des WGG,426 zufällige Unmöglichkeit,427 Eingriffe von hoher Hand,428 wie Material-, Transport-, Änderungen der Rechtslage, z. B. Export- oder Importsperre,429 Herstellungsverbote nach dem Abschluss,430 es sei denn, diese Eingriffe sind vorhersehbar und Ausweichmaßnahmen möglich,431 unvorhersehbare Betriebsstörungen, Überschwemmung432 bzw. sonstige Verkehrshindernisse,433 Streiks beim Unternehmer oder Vorlieferanten,434 mglw. aber nicht bei Aussperrung, unvermeidbare Transportschwierigkeiten, ganz erhebliche, völlig außer Verhältnis stehende Verteuerung, so dass eine kostendeckende Herstellung unmög-

416 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 28; Hopt § 87a Rn 26. 417 BGHZ 58, 140. 418 BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 = EWiR 2014, 451 (Emde) Rn 15; LG Bielefeld HVR Nr. 178; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 6. 419 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.1.2007 – 4 U 34/06, NJOZ 2007, 1481. 420 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 65. 421 OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 (1702) – Untervertretervertrag; Flohr/ Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 65. 422 Hans BB 1957, 1060 (1061); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 29; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 a Rn 55. 423 AG Bonn, Urt. v. 10.6.2010 – 103 C 470/09, BeckRS 2011, 04575. 424 AG Bonn, Urt. v. 10.6.2010 – 103 C 470/09, BeckRS 2011, 04575. 425 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 66. 426 Hopt § 87a Rn 28. 427 Oetker/Busche5 § 87a Rn 22. 428 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) Rn 54 in Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07; Beschl. v. 10.10.2013 – VII ZR 228/12 Rn 11; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 66; Oetker/Busche5 § 87a Rn 22. 429 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 66. 430 LAG Düsseldorf BB 1960, 1075; Hopt § 87a Rn 28; aA OLG Frankfurt/M. WM 1991, 867. 431 OLG München BB 1995, 1559; Hopt § 87a Rn 28; Oetker/Busche5 § 87a Rn 22. 432 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 66; Hopt § 87a Rn 28. 433 OLG Hamburg LZ 1915, 45510; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 66. 434 Hopt § 87a Rn 28; Oetker/Busche5 § 87a Rn 22. Emde

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lich wird und die Geschäftsgrundlage entfällt,435 rechtskräftige Verurteilung zum Unterlassen der Lieferung436 (soweit nicht vom Unternehmer verschuldet) oder falls ein Außenstehender die Lieferung (etwa aufgrund von Schutzrechten) verbietet;437 als Sonderfall des Eingriffs von hoher Hand, falls bei der Vermittlung von Sparverträgen die solche Kundenverträge schließende Treuhandkommanditistin aufgrund eines Bescheides der BaFin gehindert ist, die vermittelten Sparverträge weiter auszuführen, da die KG, deren Anteile die Treuhandkommanditistin halten sollte, aufgrund des Bescheides liquidationslos vollbeendigt wurde und folglich die geschuldete Leistung, für den jeweiligen Treugeber eine Kommanditbeteiligung während der Vertragslaufzeit von 10 Jahren zu verwalten und sie treuhänderisch im Interesse des Treugebers zu halten, nicht mehr erbringen kann. Das gilt selbst dann, wenn die Bescheide der BaFin materiell rechtswidrig waren. Auch ein rechtswidriges behördliches Einschreiten, mit dem ein bereits praktiziertes Geschäftsmodell des Unternehmers zum Scheitern gebracht wird, stellt einen Umstand dar, der nicht seinem unternehmerischen oder betrieblichen Risikobereich zuzuordnen ist. Der Fall ist anders zu beurteilen als der des BGH v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde), in dem gegenüber einer in wirtschaftlicher Schwierigkeit geratenen Bank ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot erlassen wurde, so dass Sparverträge nicht weiter ausgeführt werden konnten. Die Zahlungsschwierigkeiten der Bank lagen in dem Fall des Jahres 2008 in deren Risikobereich;438 sofern die Ausführung des Kundengeschäfts zu einer Straftat, einer nicht gerechtfertigten Verletzung von Rechten Dritter oder der Rechte oder Pflichten des Unternehmers (Schutzrechte)439 leitet, etwa bei Gefahr eines unberechtigten Weiterverkaufs durch den Kunden,440 bzw. zu einem Verstoß gegen ein dem Unternehmer obliegendes Unterlassungsverbot, hat der Unternehmer die Nichtausführung des Kundengeschäfts nicht zu vertreten.441 Der Unternehmer hätte das betreffende Geschäft nicht schließen dürfen, so dass dem HV auch aus jenem Grunde kein Schaden erwächst und er keinen Schadenersatzanspruch geltend machen kann. Der Unternehmer muss aber einen Sekundäranspruch, etwa einen Schadenersatzanspruch in gleicher Weise wie den Erfüllungsanspruch durchsetzen, um dem HV die Provision aus der Ersatzleistung zahlen zu können;442 falls der VN sich direkt an den Versicherer mit der Bitte um Stundung oder Beitragsreduzierung wendet und der Versicherer hierauf eingeht, soll nach Ansicht von Mecklenbrauck443 kein Verschulden des Versicherers vorliegen. Jener Wunsch genüge. Auch eine Nachbearbeitung bzw. die Übermittlung einer Stornogefahrmitteilung soll dann unnötig sein. Dies ist zweifelhaft, weil der Versicherer zur Vertragsänderung oder -aufhebung nicht gehalten ist und ein derart freiwilliges Verhalten in den Kernbereich des § 87a Abs. 3 fällt. Nur wenn der VN die Nichtdurchführung des Lebensversicherungsvertrages aus guten Gründen wünscht, etwa weil der abzusichernde Immobilienkauf nicht zustande gekommen war, so handelt es sich angesichts der Schutzpflichten gegenüber VN um einen nicht in die Risikosphäre des Unternehmers fallenden Nichtausführungsgrund;444

435 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 66; Hopt § 87a Rn 28; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 28; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 37; s. a. OLG Köln VersR 1974, 287. 436 Hopt § 87a Rn 28; Oetker/Busche5 § 87a Rn 22. 437 Hopt § 87a Rn 28; Oetker/Busche5 § 87a Rn 22. 438 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) Rn 58 in Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07. 439 Oetker/Busche5 § 87a Rn 22. 440 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 30; Hopt § 87a Rn 28. 441 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 30; Hopt § 87a Rn 28. 442 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 29. 443 Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1160). 444 OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267. 991

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das Unterlassen weiterer Rechtsmittel neben einem erhobenen Widerspruch gegen die Ausführung des Geschäftes hindernde materiell-rechtswidrige Bescheide. Das gilt jedenfalls, sofern Rechtsbehelfe die Nichtausführung des Geschäftes nicht verhindern können;445 eine Vermögensverschlechterung des Kunden mit Gefährdung der Kaufpreisforderung (§ 321 BGB). § 321 BGB entlastet den Unternehmer auch im Verhältnis zu seinem HV;446 im Falle der berechtigten Ausübung vertraglicher oder gesetzlicher Rechte durch den Unternehmer wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Dritten,447 etwa Zurückbehaltungs-,448 Mangelgewährleistungsrechte des einen Einkaufsvertreter beauftragenden Unternehmers, berechtigt ausgeübte vertragliche oder gesetzliche Kündigung oder berechtigt ausgeübter Rücktritt,449 der gesetzlich vorgesehene Widerruf, etwa bei Ratenzahlung, Abschluss im Fernabsatz oder außerhalb der Geschäftsräume (§ 355 BGB)450 sowie die Ausübung des dem Kunden in dem vom HV herbeigeführten Kundenvertrag vorbehaltenen Rücktrittsrechts. Ebenso darf der Unternehmer, ohne provisionspflichtig zu bleiben, ein Rücktrittsrecht ausüben, welches ihm bereits in dem vom HV herbeigeführten Kundenvertrag vorbehalten ist.451 Richtigerweise könnte man argumentieren, der Vertrag werde nicht vertragswidrig ausgeführt (dazu oben, Rn 64 ff.), weil der Unternehmer ein vertragliches Recht in Anspruch nimmt; falls – wie es das Gesetz vor der Novelle 1990 ausdrückte – „in der Person des Dritten ein wichtiger Grund für die Nichtausführung vorliegt“, etwa der Verdacht eines rechtswidrigen, zum Beispiel patentverletzenden Gebrauchs des zu Liefernden.452 Die hierzu ergangene Rspr. kann vorsichtig übernommen werden.453 Nicht verschuldet hat der Unternehmer deshalb Umstände aus der Risikosphäre des Dritten (= Kunden), welche der Unternehmer durch eigene zumutbare Maßnahmen, etwa die unten genannte Nachbearbeitung, nicht beeinflussen kann.454 Ist z. B. der Vertrag nicht zustande gekommen, weil der Kunde eine notwendige Erklärung nicht abgegeben hat, so steht fest, dass den Unternehmer kein Verschulden am Nichtzustandekommen des Vertrages trifft;455 wenn eine Mindestteilnehmerzahl für das Zustandekommen einer vermittelten Reise mit dem Kunden vereinbart war und jene Mindestzahl nicht erreicht wird.456 Richtigerweise

445 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) Rn 59 in Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07. 446 BGH, Urt. v. 9.12.1974 – VII ZR 82/73, WM 1975, 181; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 65; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 29; Hopt § 87a Rn 28; Oetker/Busche5 § 87a Rn 22; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 55. 447 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 65. 448 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 65: nach Ansicht des OLG München, Urt. v. 24.5.2007 – 4 HKO 1124/00 sowie Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 65 bestehen aber Einschränkungen: Ein ZBR gegenüber dem Kunden rechtfertigt nicht in jedem Fall die Nichtauslieferung. Voraussetzung soll eine objektiv feststehende Zahlungsunfähigkeit oder ein berechtigter Insolvenzverdacht sein. Das ist zweifelhaft, weil ein ZBR ein dem Unternehmer aus dem Ursprungsvertrag zustehendes, vertragliches Recht ist. 449 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 65; Oetker/Busche5 § 87a Rn 22. 450 OLG Celle OLGR 2001, 267 (268); OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 1274; Evers VW Heft 9/2018, S. 90; Rewolle DB 1964, 467 (469); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87a Rn 65; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 29; Heymann/ Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 6,19; Oetker/Busche5 § 87a Rn 22. 451 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 33, 445; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 11; Ebenroth/ Löwisch3 § 87a Rn 26; Oetker/Busche5 § 87a Rn 11; offen gelassen von BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 = EWiR 2014, 451 (Emde) Rn 11. 452 Hopt § 87a Rn 28. 453 OLG Oldenburg, Urt. v. 12.7.2011 – 13 U 16/11, MMR 2011, 733; Hopt § 87a Rn 28. 454 Kempfler NJW 1963, 524 zu unterbliebenen, notwendigen Mitwirkungshandlungen des Bestellers bei Werkverträgen; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 29. 455 OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267. 456 BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 = EWiR 2014, 451 (Emde); aA LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 30.10.2012 – 2 HKO 4186/12, BeckRS 2014, 05075 („fällt ohne Zweifel in die Risikosphäre des Unternehmers“). Emde

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handelt es sich um eine bereits im vermittelten Ursprungsvertrag enthaltene auflösende Bedingung oder ein vertragliches Rücktrittsrecht,457 so dass der Vertrag nicht abweichend vom Ursprungsvertrag ausgeführt wurde. Diskussionswürdig ist die Hilfsbegründung des BGH, aufgrund der vereinbarten Mindestteilnehmerzahl sei für den HV von Anfang an deutlich gewesen, dass die Reise ungewiss sei. Das Nichtzustandekommen der Reise unterfalle damit nicht dem Risikobereich des Unternehmers.458 Das lässt sich so generell nicht sagen, zumal auch die schlechte Qualität des Angebots (die der Unternehmer zu vertreten hätte) ursächlich sein kann und nicht nur, wie der BGH meint,459 die nicht ausreichende Vermittlung durch die HV. Da die Hilfsbegründung eine zumindest konkludente Risikozuweisungsabrede nahe legen könnte, dürfte sie auch im Widerspruch zum Unabdingbarkeitsgrundsatz des § 87a Abs. 5 stehen.

cc) Sonderfall: Nachbearbeitung und Stornogefahrmitteilungen (1) Problemstellung. Um ein Vertretenmüssen i. S. d. § 87a Abs. 3 S. 2 zu vermeiden, muss der 89 Unternehmer von der Beendigung („Stornierung“) bedrohte und im Bestand gefährdete Verträge (meist Dauerschuldverhältnisse460), hinreichend nachbearbeiten, d. h. sich um ihre Durchführung und Aufrechterhaltung („Stornoabwehr“) kümmern. Diese Obliegenheit besteht nur bei einer nach den Bestimmungen des vermittelten Ursprungsvertrags nicht vertragskonformen Bestandsbedrohung (Rn 69) und wird insb. im Versicherungsvertrieb relevant461 (s. Kommentierung zu § 92). Die Problematik ist aber nicht auf diese Branche beschränkt.462 Das gilt jedenfalls, soweit dort die Nachbearbeitung erwartet werden kann, etwa bei längerfristigen Dauerschuldverhältnissen.

(2) Wahlrecht des Unternehmers zwischen eigener Nachbearbeitung und Weitergabe 90 von Stornogefahrmitteilungen. Der Unternehmer kann, jedenfalls wenn beide Maßnahmen den gleichen Erfolg versprechen, wahlweise eigene geeignete Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen („eigene Nachbearbeitung“)463 oder sich darauf beschränken, dem HV durch an ihn gerichtete Stornogefahrmitteilungen Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag nachzubearbeiten.464 Er kann auch beide Wege kombinieren, also erst nachbearbeiten (z. B. Mahnschreiben) und dann die weitere Bearbeitung (z. B. persönlicher Besuch) dem HV überlassen. Beide Parteien müssen sich aber gerade dann über das Geschehene eingehend 457 Offen gelassen von BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 = EWiR 2014, 451 (Emde) Rn 11. 458 BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 = EWiR 2014, 451 (Emde) Rn 15. 459 BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 = EWiR 2014, 451 (Emde) Rn 16. 460 Thume BB 2012, 975 (977); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 27. 461 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen); DB 1983, 2136; OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 618/18, ZVertriebsR 2019, 194; OLG Frankfurt/ M. DB 1983, 1591; VersR 1986, 461; BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364; Knorn BB 1975, 111; Platz VersR 1985, 621; der HV erhält durch den Unternehmer zum Zwecke der Nachbearbeitung Stornogefahrenmitteilung; OLG Köln NJW 1978, 327; OLG Schleswig MDR 1984, 760; Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 37. 462 AA Oetker/Busche5 § 87a Rn 23 – Feststellung im Einzelfall nötig, ob Nachbearbeitungspflicht entsteht. 463 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87) –Versicherer; OLG Schleswig, Urt. v. 4.3.2011 – 14 U 86/10, BeckRS 2011, 28743; LG Leipzig, Urt. v. 29.9.2011 – 7 O 2820/10, BeckRS 2013, 14260; BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700; Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1160). 464 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen); Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09, VersR 2011, 345 = WM 2011, 470 Rn 15 (zum VV); v. 25.5.2005 – VIII ZR 279/04, NJW-RR 2005, 1196 unter II 4, VIII ZR 237/04 Rn 14; OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 993

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unterrichten und dürfen sich nicht schaden oder gegeneinander arbeiten. Diese Wahlmöglichkeit hat der Unternehmer auch nach beendetem HV-Verhältnis.465 Nur ist er dann nicht mehr zur Übermittlung von Stornogefahrmitteilungen verpflichtet. Diese Grundsätze finden auch Anwendung, falls der Unternehmer selbst HV für von ihm vertretene Unternehmer ist.466

91 (3) Personeller Geltungsbereich. Zur Stornoabwehr, also eigener Nachbearbeitung oder Zusendung der Stornogefahrmitteilung, i. S. einer provisionsrechtlichen Obliegenheit gehalten ist der Unternehmer. Mit dem Erhalt der zulässigerweise versandten Mitteilungen trifft den HV die Obliegenheit zur Nachbearbeitung. Die Obliegenheit des Unternehmers besteht bei mehrstufigen Vertretungsverhältnissen, wie sie insb. in der Versicherungsbranche häufig sind, gegenüber jedem VV, der aufgrund des auflösungsgefährdeten Vertrags einen Anspruch gegen den Versicherer auf eine ohne Vertragsstornierung zu leistende Provision erworben hätte,467 im Verhältnis zwischen Haupt- und echtem Untervertreter obliegt die Nachbearbeitung dem Hauptvertreter.468

(4) Inhalt der Pflicht des Unternehmers 92 (a) Eigene Nachbearbeitungsmaßnahmen des Unternehmers. Damit Stornierungen provisionsrechtlich unbeachtlich sind, muss der Unternehmer auflösungsgefährdete Verträge im Rahmen des Zumutbaren469 mit dem Ziel der Vertragsfortführung so nachbearbeiten, dass die Kunden ernstlich und nachdrücklich zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten angehalten werden.470 Art und Umfang der Nachbearbeitung bestimmen sich nach der Verkehrssitte sowie den Umständen des Einzelfalls.471 Dazu kann eine ganze Skala von Möglichkeiten

7 U 618/18, VersR 2019, 941 (942) – VV; v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87) –VV; OLG Schleswig, Urt. v. 4.3.2011 – 14 U 86/10, BeckRS 2011, 28743; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (379) m. Anm. Lost; OLG Brandenburg, Urt. v. 10.1.2013 – 5 U 54/11, BeckRS 2013, 01597; v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; OLG Düsseldorf OLGR 1999, 202; 469 (470); OLG Frankfurt/M. VersR 1997, 875; OLG Karlsruhe VersR 1989, 511 (512); OLG Koblenz VersR 1980, 623 (624); OLG Köln NJW 1978, 327 = VersR 1978, 920; BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700; LAG Hamm VersR 1981, 1054; Bonvie VersR 1986, 121; Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 38 (zum VV); Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 25; Hopt § 87a Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 92 Rn 33; Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 92 Rn 14 f.; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 92 Rn 16; aA OLG Zweibrücken NJW-RR 1996, 285. 465 BGH, Urt. v. 25.5.2005 – VIII ZR 279/04, VersR 2005, 1078 = DB 2005, 1961 = WM 2005, 1487 = NJW-RR 2005, 1196; aA OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87) – VV: Mit einer Stornogefahrmitteilung an den HV genügt der Prinzipal seiner Nachbearbeitungspflicht nur, soweit der HV noch in der Lage ist, Maßnahmen zum Erhalt des notleidenden Versicherungsvertrages zu treffen. Er darf seine HV-Tätigkeit noch nicht eingestellt haben und nicht zu einer anderen Versicherungsgesellschaft gewechselt sein. 466 OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (379) m. Anm. Lost. 467 Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 25. 468 Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 42 zum VV; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 25. 469 So auch OGH Österreich, Urt. v. 24.3.2014 – 8 ObA20/14w, ZVertriebsR 2014, 200 (201 f.). 470 BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09, VersR 2011, 345 = WM 2011, 470 Rn 22 (zum VV); BAG VersR 1968, 166 (169); OLG Köln VersR 1976, 87; LG Itzehoe, Urt. v. 19.10.2012 – 6 O 158/10, BeckRS 2012, 24034. 471 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen); Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09, VersR 2011, 345 = WM 2011, 470 Rn 15 (zum VV); v. 25.5.2005 – VIII ZR 279/04, VersR 2005, 1078 = DB 2005, 1961 = WM 2005, 1487 = NJW-RR 2005, 1196; VersR 1988, 490; 1983, 371; OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 618/18, VersR 2019, 941 (942) – Versicherer; v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87); OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (379) m. Anm. Lost; OLG Brandenburg, Urt. v. 10.1.2013 – 5 U 54/11, BeckRS 2013, 01597; v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364; Krämer VersR 2010, 627. Emde

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gehören472: nachhaltige und mehrfache, an Intensität sich steigernde und an jeden einzelnen Kunden gerichtete473 Mahnungen des Kunden, im Versicherungsvertrieb Vorschläge zur Umstellung des Vertrages auf ein niedrigeres Deckungs- und Prämienniveau, Hinausschieben des Vertragsbeginns oder vorübergehendes Aussetzen der Prämienzahlungen474 u. dgl. Leitbildartig ist Maßstab der Nachbearbeitungspflicht der Aufwand, den ein vernünftiger, objektiv handelnder HV zur Erhaltung seines Provisionsanspruchs betreiben würde, wenn ihm die Nachbearbeitung überlassen würde.475 Der Unternehmer muss im Regelfall aktiv werden und wirksame, ernsthafte, nachdrückliche und zumutbare476 Maßnahmen einleiten, um den Kunden zu seiner Vertragspflicht und zur Zahlung zu veranlassen.477 Im Interesse des HV ist der Unternehmer gehalten, die Gründe für die Nichtzahlung,478 Kündigung479 zu erforschen und – soweit zumutbar – nach einer Lösung gemeinsam mit dem Schuldner zu suchen.480 Mahnschreiben des Unternehmers an die Kunden ohne weitere, sich steigernde Maßnahmen bilden keine ausreichende Nachbearbeitung,481 selbst wenn es einen Hinweis auf die Vorteile des Vertrages enthält.482 Es hilft auch nicht, wenn das Mahnschreiben folgenden Zusatz enthält: „Bedenken Sie die Vorteile einer Lebens- bzw. Rentenversicherung: Versicherungsschutz für den Bezugsberechtigten, steuerliche Vergünstigungen für die gezahlten Beiträge, Beteiligungen an den Überschüssen. Sollten Sie Fragen zu Ihrer Versicherung haben, wenden Sie sich an uns. Wir sind gerne bereit, Sie zu beraten und Ihnen Vorschläge zu unterbreiten“.483 Ungenügend ist also im Regelfall die Organisation sowie Durchführung eines qualifizierten Mahnverfahrens.484 Vielmehr ist ein aktives Tätigwerden sowie ein erfasstes und nachdrückliches Anhalten zur Erfüllung der Vertragspflicht erforderlich.485 Daher hat nach den Umständen des Einzelfalles (zu denen Auf472 OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (379) m. Anm. Lost; LAG Hamm VersR 1981, 1054.

473 Auch wenn mehrere VN unter derselben Adresse ansässig sind, muss gegenüber jedem einzeln gemahnt werden, s. BGH, Urt. v. 8.1.2014 – IV ZR 206/13, WM 2014, 224. 474 OLG Düsseldorf OLGR 1999, 202 (205); 469 (470); OLG Karlsruhe VersR 1989, 511 (512); Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 92 Rn 30; Schlegelberger/Schröder § 92 Rn 9; Bonvie VersR 1986, 121. 475 OLG Schleswig, Urt. v. 4.3.2011 – 14 U 86/10, BeckRS 2011, 28743; OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; v. 9.7.2009 – 12 U 254/08; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.2.2007 – I-16 W 70/06; OLG Köln VersR 2006, 71. 476 Giesler/Nauschütt/Sperrer 2. Aufl. 2011, § 2 Rn 1436. 477 BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09 Rn 22; BAGE 20, 123 (132); BAG NJW 1968, 520; OLG Köln VersR 2006, 71 f.; OLG Düsseldorf OLGR 1999, 202 (205); 469 (470); OLG Koblenz VersR 1980, 624; OLG Frankfurt/ M. VersR 1981, 480; LAG Hamm VersR 1981, 1054; Bonvie VersR 1986, 121; Westphal I Rn 673; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 92 Rn 29. 478 OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.2.2007 – I16 W 70/06; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 27; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 92 Rn 30; offen gelassen von BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09 Rn 22. 479 LG Itzehoe, Urt. v. 19.10.2012 – 6 O 158/10, BeckRS 2012, 24034. 480 OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; Beschl. v. 21.2.2007 – I-16 W 70/06; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 27; offen gelassen von BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09 Rn 22. 481 BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09, VersR 2011, 345 = WM 2011, 470 Rn 22 (zum VV); BAG NJW 1968, 520; OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87) – Versicherer; OLG Köln, Urt. v. 9.9.2005 – 19 O 174/04, VersR 2006, 71; OLG Karlsruhe VersR 1989, 511 (512); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.2.2007 – I-16 W 70/ 06 Rn 12; LG Itzehoe, Urt. v. 19.10.2012 – 6 O 158/10, BeckRS 2012, 24034; Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 38 (zum VV); Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 27; Hopt § 87a Rn 27; vgl. auch BGH, Urt. v. 25.5.2005 - VIII ZR 237/ 04 Rn 17; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene § 92 Rn 28 ff.; aA OLG Frankfurt/M. BB 1977, 1170 (1171), DB 1983, 1592; VersR 1978, 326 (327); VersR 1991, 1135; OLG Schleswig MDR 1984, 760 für den Fall wiederholter Mahnungen und Kündigungsandrohungen. 482 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87) – Versicherungsvertrag. 483 BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09 Rn 22. 484 AA Behrend NJW 2003, 1563 (1566). 485 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (88) – Versicherer. 995

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wand und Nutzen486 sowie die finanzielle Bedeutung zählt) meist eine persönliche487 oder telefonische Kontaktaufnahme mit nachdrücklichem Hinweis auf die negativen Folgen einer Vertragsbeendigung zu erfolgen,488 notfalls, wenn dies dem Unternehmer mit eigenen Kräften zu aufwendig erscheint oder eigene Maßnahmen keinen Erfolg zeigten, nach an ihn gerichteter Stornogefahrmitteilung durch den HV (Rn 93 ff.). In der Regel ist eine zumindest fernmündliche Vorsprache bei dem Kunden erforderlich.489 Sie genügt zumindest, sofern hierbei die Gründe für die Kündigung ermittelt und aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten etwa eines VN die Beitragsfreistellung vereinbart wurde.490 Falls der Kunde Schwierigkeiten macht, muss der Versicherer sich um eine Aufrechterhaltung des Vertrages in geeigneter, den Wünschen und finanziellen Möglichkeiten des VN wie des VV Rechnung tragenden Gestalt bemühten. Nach aA soll eine Kombination von Mahn-, Erinnerungs- und Kündigungsschreiben ausreichen.491

93 (b) Stornogefahrmitteilungen. Sofern der Unternehmer die Nachbearbeitung Vertragsstorno ihm bekannter,492 von der Stornierung gefährdete Verträge nicht selbst vornimmt oder sich entscheidet, von weiteren eigenen Maßnahmen abzusehen, obwohl diese noch nicht die von § 87a Abs. 3 geforderte Intensität aufwiesen, hat er die Nichtausführung i. S. d. § 87a Abs. 3 S. 2 zu vertreten (und die Provision zu zahlen), falls er dem HV nicht Gelegenheit gibt, sie nachzubearbeiten.493 Dem HV soll durch geeignete Schritte beim VN ermöglicht werden, den Vertrag zu retten.494 Der Unternehmer darf also die eigene (weitere) Nachbearbeitung durch Versendung von Stornogefahrmitteilungen an den HV495 oder seinen Nachfolger496 ersetzen, wie es insb. im Versicherungsvertrieb geschieht.497 Mit einer Stornogefahrmitteilung an den HV genügt der Prinzipal seiner Nachbearbeitungspflicht jedoch nur, soweit der HV noch in der Lage ist, Maß486 Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 38 (zum VV). 487 OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 38 (zum VV) – bei nicht nur geringfügigem Provisionsinteresse; aA OLG Schleswig, Urt. v. 24.4.1984 – 3 U 114/82, BeckRS 2010, 06907; offen gelassen von BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09, VersR 2011, 345 = WM 2011, 470 Rn 22 (zum VV). 488 OLG Köln, Urt. v. 9.9.2005 – 19 O 174/04, VersR 2006, 71. 489 OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582 – zum Versicherungsvertrieb; offen gelassen von BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09 Rn 22. 490 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (88) – Versicherer. 491 OLG Schleswig, Urt. v. 24.4.1984 – 3 U 114/82, BeckRS 2010, 06907; OLG Frankfurt/M. VersR 1981, 480; LG Hildesheim VersR 1980, 331. 492 Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 26. 493 BAG VersR 1968, 166 (169); OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (379) m. Anm. Lost; OLG Köln, Urt. v. 9.9.2005 – 19 O 174/04, VersR 2006, 71 (72); VersR 1976, 87; LG Mainz NJW-RR 2000, 915; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700. 494 LAG Hamm VersR 1981, 1054. 495 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 16; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (379) m. Anm. Lost; OLG Köln, Urt. v. 9.9.2005 – 19 O 174/04, VersR 2006, 71; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.3.2004 – I-16 U 64/03; OLG Schleswig, Urt. v. 24.4.1984 – 3 U 114/82, BeckRS 2010, 06907; LAG Hamm, Urt. v. 3.11.2009 – 14 Sa 1690/08, BeckRS 2010, 67194 (Arbeitsrecht); Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1158). 496 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 24 (Versicherer); OLG Schleswig BeckRS 2010, 06907; OLG Brandenburg BeckRS 2009, 15961; OLG Celle OLGR 2001, 267; OLG Düsseldorf OLGR 1999, 469; der Unternehmer soll dann aber nachweisen müssen, welche konkreten Nachbearbeitungsmaßnahmen der Nachfolger erbracht hat, s. BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) Rn 24 (Versicherer); Mecklenbrauck LMK 2012, 337360; LG Itzehoe, Urt. v. 19.10.2012 – 6 O 158/10, BeckRS 2012, 24034. 497 Siehe BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen); Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09, VersR 2011, 345 = WM 2011, 470 mit zahlreiEmde

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nahmen zum Erhalt des notleidenden Versicherungsvertrages zu treffen.498 Mglw. kann sich der Unternehmer deshalb nicht mehr auf die Versendung von Stornogefahrmitteilungen beschränken, falls der HV seine HV-Tätigkeit eingestellt hat499 oder krank ist. Behauptet der HV aber nur pauschal, krank zu sein, z. B. unter Depressionen und/oder Burnout zu leiden, darf der Unternehmer weiterhin Stornogefahrmitteilungen versenden, da es unterschiedliche Schweregrade gibt.500 Dies gilt erst recht, wenn der HV ordentlich gekündigt hat und er den Unternehmer nicht darüber informiert hat, zur Nachbearbeitung nicht mehr in der Lage zu sein501 und auch, wenn Informationen aus dem Außendienstinformationssystem nicht mehr abgerufen werden können.502 Der Unternehmer ist aber nicht verpflichtet, solche Mitteilungen zu versenden, auch nicht nach Scheitern der eigenen Nachbearbeitung.503 Er muss dann aber ggf. die provisionsrechtlichen Folgen nach Abs. 3 tragen. Die Stornogefahrmitteilung hat zwei Funktionen504: Zum einen muss der Unternehmer dem HV die Möglichkeit einräumen, von Stornierung bedrohte und sich somit negativ auf seine Provision auswirkende Verträge durch gezielte Nachbearbeitung „zu retten“.505 Zum anderen soll ihn die Stornogefahrmitteilung warnen, dass er die schon erhaltene Provision ggf. pro rata temporis zurückgewähren muss.506 Um seiner Obliegenheit nachzukommen, hat er Unternehmer den HV unverzüglich507 auf die Gefahr der Stornierung des betroffenen Vertrages mittels Stornogefahrmitteilung hinzuweisen.508 Mit der Absendung der Stornogefahrmitteilung hat der Unternehmer seine Obliegenheit nach § 87a Abs. 3 erfüllt und der Unternehmer braucht – mit Ausnahme der Klageobliegenheit – nicht selbst tätig zu werden.509 Es ist dann provisionsrechtliche Obliegenheit des HV, den gefährdeten Vertrag zu retten und den Unternehmer vom Ergebnis seiner Nachbearbeitung zu unterrichten – und dies zu beweisen.510 Die vom Unternehmer gewählte Maßnahme muss auch insoweit nach Art und Umfang ausreichend sein.511 Möglicherweise ergibt sich außer als Obliegenheit nach § 87a Abs. 3 eine Nachrichtspflicht des Unternehmers – zumindest vertragsbegleitend – aus § 86a Abs. 2 S. 1, nicht jedoch aus § 86a Abs. 2 S. 2,512 da die Stornogefahrmitteilung keine Mitteilung über die Annahme oder Ablehnung eines vom VV vermittelten Geschäfts enthält, sondern lediglich die Gefahr der Stornierung des bereits angenommenen und nicht abgelehnten Geschäfts mitteilt. Die Obliegenheit zur Versendung von Stornogefahrmitteilungen bedeutet einen erheblichen Aufwand.513 Auch deshalb wird ein Erfahrungssatz, dass der Unternehmer besser als der HV zur Nachbearbeitung geeignet sei, z. T. abgelehnt.514 Ergreift der Unterneh-

chen Nachw.; OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 13.11.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02421; Beschl. v. 18.12.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02422; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700. 498 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87) – Versicherer. 499 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87) – Versicherer. 500 OLG Köln, Urt. v. 15.2.2019 – 19 U 135/18, zit. nach Evers VW 5/2019, 92. 501 OLG Köln, Urt. v. 15.2.2019 – 19 U 135/18, zit. nach Evers VW 5/2019, 92. 502 OLG Köln, Urt. v. 15.2.2019 – 19 U 135/18, zit. nach Evers VW 5/2019, 92. 503 Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 40 – zum VV. 504 Giesler/Nauschütt/Sperrer 2. Aufl. 2011, § 2 Rn 1437. 505 Behrend NJW 2003, 1563 (1566). 506 Giesler/Nauschütt/Sperrer 2. Aufl. 2011, § 2 Rn 1436. 507 Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1161). 508 BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09 m. w. N.; Westphal I Rn 675; Giesler/Nauschütt/Sperrer 2. Aufl. 2011, § 2 Rn 1436. 509 Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 40 – zum VV; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 26; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 92 Rn 16. 510 Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 26. 511 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 24 (Versicherer). 512 AA Giesler/Nauschütt/Sperrer 2. Aufl. 2011, § 2 Rn 1437. 513 Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1159). 514 Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1159). 997

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mer, etwa nach Beendigung des HV-Vertrages,515 selbst geeignete Maßnahmen zur Stornoabwehr, braucht er keine Stornogefahrmitteilungen zu versenden. Es ist angesichts der zwingenden Natur des Abs. 3 fraglich, ob die Versendung der Stornogefahrmitteilungen an strukturniedrigere (und nicht den strukturhöchsten) HV genügt und der Strukturhöchste sich deren Untätigkeit zurechnen lassen muss.516 94 Für die Stornogefahrmitteilung ist keine bestimmte Form vorgeschrieben.517 Notfalls reicht eine mündliche Mitteilung.518 Inhaltlich muss der HV die Informationen erhalten, welche er aus objektiver Sicht für eine sachgerechte und erfolgreiche Nachbearbeitung benötigt.519 Die Information muss sie erkennen lassen, dass der Vertrag stornierungsgefährdet520 ist und das Tätigwerden eines vernünftigen HV herauszufordern geeignet sein. Weiter ist die Information über das vom Unternehmer zur Rettung des Vertrags bereits Unternommene sowie dessen Ergebnis erforderlich. Im Einzelfall kann – je nach den Üblichkeiten – die Kopie eines aussagekräftigen Mahnschreibens ausreichen;521 ebenso eine Mitteilung im Rahmen der Provisionsabrechnung.522 Meist reicht ein aussagekräftiges und informatives typisiertes, computermäßiges Schreiben oder die Übermittlung von Inkassonachbearbeitungslisten, auf denen die Daten der gefährdeten Verträge und der Grund der Gefährdung verzeichnet sind.523 Der einzelne Vertragsvorgang muss nicht in Kopie beigefügt werden, es sei denn, die Verständlichkeit erfordert dies. Auch soll die automatisierte Übersendung von Provisionsabrechnungen nebst Wochenblättern und Inkasso-Nachbearbeitungslisten genügen.524 Die bloße Mitteilung über nicht gezahlte Prämien soll hingegen nicht ausreichen, ebenso wenig bloße Besuchsaufträge ohne Nennung des Grundes525 (erst recht wenn sie ohne vertragliche Verpflichtung zum Abruf durch den HV in das EDV-Berichtssystem eingestellt werden526). Bei Erforderlichkeit besteht ein Auskunftsrecht des HV nach ergänzender Information (§ 242 BGB).

95 (5) Verpflichtung des HV zur Nachbearbeitung? Da der HV mit der Vermittlung oder dem Abschluss des Vertrages seine Pflichten erfüllt hat, soll auch nach der Versendung von Stornogefahrmitteilungen keine gesetzliche Verpflichtung des HV bestehen, die Nachbearbeitung zu übernehmen oder an ihr mitzuwirken,527 sofern nicht ausnahmsweise dem HV eine solche 515 BGH, Urt. v. 25.5.2005 – VIII ZR 279/04, VersR 2005, 1078 = DB 2005, 1961 = WM 2005, 1487 = NJW-RR 2005, 1196.

516 So OLG Celle, Beschl. v. 28.12.2000 – 11 U 248/00. Es besteht auch das Problem der Kontrollfähigkeit durch den Strukturhöheren im Rahmen seiner Organisationspflichten. 517 Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 26. 518 Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 40 – zum VV. 519 BGH NJW-RR 1988, 546; OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582 – VV; OLG Karlsruhe VersR 1989, 511 (512); LAG München VersR 1992, 183; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 26. 520 LAG Hamm, Urt. v. 3.11.2009 – 14 Sa 1690/08, BeckRS 2010, 67194 (Arbeitsrecht). 521 OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; AG Karlsruhe, Urt. v. 29.3.2009 – 9 C 126/ 09, VersR 2010, 626; Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 40 – zum VV; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 92 Rn 33. 522 LAG Hamm, Urt. v. 3.11.2009 – 14 Sa 1690/08, BeckRS 2010, 67194. 523 Behrend NJW 2003, 1563 (1566). 524 OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 13.11.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02421; Beschl. v. 18.12.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02422. 525 OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582. 526 OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 40 – zum VV. 527 BGH VersR 1983, 371 (372); aA Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 40 – zum VV; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 16; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 54; differenzierend Knorn BB 1975, 111. Die Ausführungen des BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, NJW 2015, 1754 = VersR 2015, 1027 Rn 24 wird man wohl nicht i. S. e. Verpflichtung zum Tätigwerden des HV verstehen dürfen, da es in der Sache nur um die provisionsrechtliche Obliegenheit des HV zum Tätigwerden ging. Emde

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in höherem Maß als dem Unternehmer möglich und zumutbar bleibt.528 Bei der Nachbearbeitung handele es sich nur um eine provisionsrechtliche Obliegenheit des HV. Dem ist für den nachvertraglichen Zeitraum sicher zuzustimmen. So sollen Stornogefahrmitteilungen nach Ansicht des OLG Köln nur hinsichtlich solcher Verträge als Nachbearbeitungsmaßnahme ausreichend sein, die der HV noch selbst nachbearbeiten kann. Soweit die Provisionen wegen Stornierungen zurückgefordert werden, die erst nach Vertragsende absehbar wurden, soll deshalb eine Stornogefahrmitteilung nicht ausreichend sein.529 Das ist zweifelhaft. Denn der HV braucht nachvertraglich zwar nicht nachzubearbeiten.530 Er hat dann aber die provisionsrechtlichen Folgen nach § 87a Abs. 3 zu tragen. Während der Vertragsdauer entspricht es zumindest dann der Interessenwahrungspflicht des HV, eine zumutbare Nachbearbeitung vorzunehmen, wenn er Bestandspflegeprovision erhält. Zumindest in diesem Fall muss der HV alles tun, um stornierungsgefährdete Verträge zu retten. Auch ohne die Gewährung von Bestandspflegeprovision dürfte die Interessenwahrungspflicht den HV zu leicht möglichen Bestandserhaltungsmaßnahmen verpflichten, etwa einen Telefonanruf, soweit seine werbende Tätigkeit hierunter nicht leidet.

(6) Wegfall der Obliegenheit zur Nachbearbeitung und zu Stornogefahrmitteilungen. 96 Die Obliegenheit zur Nachbearbeitung oder zu Stornogefahrmitteilungen entfällt nach h. M. in einer Reihe von Fallgruppen. Beweispflichtig für diese Ausnahmesituationen wäre der Unternehmer. Genannt werden folgende Fallgruppen: – Wenn Rettungsversuche von vornherein aussichtslos erscheinen, kann von einer Nachbearbeitung oder Stornogefahrmitteilungen abgesehen werden.531 Beispiele sind die Kündigung durch den Kunden, weil er von der Fälschung seiner Unterschrift ausgeht,532 er den Versicherer gewechselt und eine Übertragung des Vertrages auf den neuen Versicherer gewünscht hat,533 ein unbekannter und mit zumutbaren Mitteln nicht aufzuklärender Aufenthalt des Kunden,534 feststehende Zahlungsunfähigkeit,535 Privatinsolvenz,536 Arbeitslosigkeit des Kunden (z. B. verbunden mit der Erklärung sich deswegen die Beiträge nicht mehr leisten zu können)537 oder endgültiges und klares Lossagen vom Vertrag wegen eines evident vorhandenen wichtigen Kündigungs-,538 Rücktritts-,539 Anfechtungs-540 oder Widerrufsgrundes, insb. – aber nicht ausschließlich – wenn dies mit der Bitte um Beitragsfreistellung, bzw. Herabsetzung der Versicherungssumme sowie dem Hinweis auf Unvermögen (wodurch deutlich gemacht wird, dass eine Fortsetzung der jeweiligen Verträge nicht in Betracht kommt) verbunden wird.541 Gleiches soll gelten, falls der Kunde die Bitte äußert,

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Knorn BB 1975, 111. OLG Köln, Beschl. v. 10.5.2012 – 19 U 3/12, BeckRS 2014, 10016. BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364 Rn 53. BAG NJW 1968, 518 (520); OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, NJW-RR 2016, 1315 Rn 54. ArbG Stuttgart, Urt. v. 12.7.2018 – 22 Ca 4139/17; zitiert nach Evers VW 9/2018, 90. ArbG Stuttgart, Urt. v. 12.7.2018 – 22 Ca 4139/17; zitiert nach Evers VW 9/2018, 90. Aber es muss dem HV überlassen bleiben, ob er den Aufenthaltsort ermitteln kann. OLG Schleswig, Urt. v. 4.3.2011 – 14 U 86/10, BeckRS 2011, 28743; LAG München VersR 1992, 183; LAG Frankfurt/M. NJW 1982, 254 (255); Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 28; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 92 Rn 30; Hans BB 1957, 1061. 536 LG Itzehoe, Urt. v. 19.10.2012 – 6 O 158/10, BeckRS 2012, 24034. 537 OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267; ArbG Stuttgart, Urt. v. 12.7.2018 – 22 Ca 4139/17; zitiert nach Evers VW 9/2018, 90 (Hinweis des Kunden auf erhebliche finanzielle Schwierigkeiten). 538 OLG Schleswig, Urt. v. 4.3.2011 – 14 U 86/10, BeckRS 2011, 28743. 539 OLG Schleswig, Urt. v. 4.3.2011 – 14 U 86/10, BeckRS 2011, 28743. 540 BAG NJW 1968, 518; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 28. 541 OLG Schleswig, Urt. v. 4.3.2011 – 14 U 86/10, BeckRS 2011, 28743. 999

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keinen weiteren Kontakt aufzunehmen.542 In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass eine Nacharbeit an den veränderten Fakten nichts ändern würde. Wenn die Nachbearbeitung allein dem HV zugute kommt.543 Eine Stornogefahrmitteilung wird entbehrlich, wenn der HV bereits Kenntnis von der Stornogefährdung hat und deshalb selbst vorgehen kann,544 was im Regelfall der Fall sein wird, wenn der Schriftverkehr mit dem Kunden betreffend die Stornierung über den VV läuft,545 es sich um eigene546 oder von Familienangehörigen abgeschlossene Verträge handelt547 oder der HV für den Kunden eine Beitragsfreistellung beantragt und somit die Nachbearbeitungsmaßnahme bereits eingeleitet hat.548 Angeblich soll eine Nachbearbeitung unnötig sein, falls der Kunde selbst gekündigt hat.549 Falls der HV für die Nachbearbeitung ungeeignet ist, bedarf es keiner Versendung von Stornogefahrmitteilungen. Denn von einem ungeeigneten HV kann keine Rettung der Verträge erwartet werden und sein Auftreten gegenüber dem Kunden wäre sogar schädlich. Praktisch dürfte dieser kaum wahrscheinliche Ausnahmefall nur bei schwerer Krankheit des HV werden. Die Nachbearbeitung wäre unwirtschaftlich. So sollen die Zusendung von Stornogefahrmitteilungen, die Nachbearbeitung durch den HV550 oder eigene Nachbearbeitungsbemühungen bei geringwertigen Beträgen unnötig sein und bräuchten nicht näher dargelegt zu werden. Ein Missbrauch liege weder auf der Hand noch sei er ersichtlich.551 Genannt werden Summen bis 30,552 50553 und 100554 EUR. Ein wirtschaftlich denkender Unternehmer würde in diesem Fall angesichts des zu erwartenden Aufwandes (etwa Hausbesuch beim Kunden) keine Nachbearbeitung vornehmen. Jedenfalls dürfen an die Nachbearbeitung bei Beträgen unter 100 EUR keine übermäßigen Anforderungen gestellt und sie muss in ein angemessenes Verhältnis zum möglichen wirtschaftlichen Erfolg gesetzt werden, Kundenbesuche seien daher nicht erforderlich.555

542 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, NJW-RR 2016, 1315 Rn 54; ArbG Stuttgart, Urt. v. 12.7.2018 – 22 Ca 4139/17; zitiert nach Evers VW 9/2018, 90. 543 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 24. 544 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, NJW-RR 2016, 1315 Rn 54: OLG Frankfurt/M. VersR 1997, 1015; ArbG Stuttgart, Urt. v. 12.7.2018 – 22 Ca 4139/17; zitiert nach Evers VW 9/2018, 90; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 26. 545 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, NJW-RR 2016, 1315 Rn 54. 546 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, NJW-RR 2016, 1315 Rn 54; OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267; ArbG Stuttgart, Urt. v. 12.7.2018 – 22 Ca 4139/17; zitiert nach Evers VW 9/2018, 90. 547 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, NJW-RR 2016, 1315 Rn 54; OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582. 548 ArbG Stuttgart, Urt. v. 12.7.2018 – 22 Ca 4139/17; zitiert nach Evers VW 9/2018, 90. 549 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.12.2010 – 4 U 76/10, VersR 2011, 492 – problematisch und mglw. zu weit. 550 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = VersR 2015, 1027 Rn 24. 551 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 24; MDR 1983, 728; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2017 – I-16 U 32/16, ZVertriebsR 2017, 191 = MDR 2017, 467 (468) – in dem entschiedenen Sonderfall wurde eine Obliegenheit zur Nachbearbeitung aber wegen der Pflege der der Kundenbeziehung befürwortet; OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267; OLG Hamm, Urt. v. 21.1.1999 – 18 U 109/96; LAG Stuttgart, Urt. v. 28.9.2000 – 21 Sa 23/00; Lost ZVertriebsR 2017, 382; Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1159); zweifelnd OLG Köln, v. 24.5.2012 – 19 U 169/11, BeckRS 2012, 16111. 552 AG Karlsruhe, Urt. v. 29.3.2009 – 9 C 126/09, VersR 2010, 626. 553 OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267; OLG Zweibrücken – 8 U 158/08; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700; Behrend NJW 2003, 1563 (1566). 554 OLG Koblenz, Urt. v. 20.5.2010 – 6 U 208/09; LG Hannover, Urt. v. 18.8.2010 – 10 O 15/09, VersR 2011, 1008; LG Koblenz, Beschl. v. 12.3.2008 – 15 O 359/05; Krämer VersR 2010, 627. 555 LG Leipzig, Urt. v. 29.9.2011 – 7 O 2820/10, BeckRS 2013, 14260. Emde

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Gegen die vorgenannten Fallgruppen wird mit berechtigten Argumenten eingewandt, dass sich 97 insb. aus der Geringfügigkeitschwelle kein Entfallen des Provisionsanspruches des HV ergebe556: Wenn und soweit einem Unternehmer die Stornoabwehr bei Kleinststornos lästig sei oder ihm unwirtschaftlich erscheine, möge es darauf verzichten, müsse dann aber dem HV seine verdiente Provision zahlen. Dass diese eindeutige Risikozuordnung bei Kleinststornos nicht gelten soll, ergebe sich aus dem Gesetz nicht.557 Der HV mag zudem wegen Folgegeschäftes ein Interesse an der Stornoabwehr haben.558 Auch wenn ein wirtschaftlich denkender HV in der für die Nachbearbeitung benötigten Zeit mit höherer Erfolgsaussicht versuchen könnte, Neugeschäft zu vermitteln, muss der Unternehmer diese Entscheidung dem HV überlassen und ihm Stornogefahrmitteilungen senden.559

(7) Besonderheiten im Versicherungsvertrieb. Auch im Versicherungsvertrieb besteht grds. 98 eine Obliegenheit zur Nachbearbeitung.560 Die Nachbearbeitung darf ebenfalls nach Wahl des Versicherers zum einen durch die Versendung von Stornogefahrmitteilungen an den HV, zum anderen durch eigene Nachbearbeitung erfolgen.561 Macht ein VN von dem im VVG vorgesehenen Widerrufsrecht nach § 8 VVG Gebrauch, so hat er keinen Anspruch darauf, vom Unternehmer nicht behelligt zu werden; eine Nachbearbeitung ist hier – anders als noch unter dem alten § 5a VVG562 – gleichfalls erforderlich.563 Hat der Versicherer den VN angeschrieben und auf seine Rückfrage vor Annahme des Krankenversicherungsantrages durch den VN keine Antwort erhalten, so dass der Versicherungsvertrag nicht zustande gekommen ist, steht dem Unternehmer ohne weiteres ein Anspruch auf Rückzahlung des an den VV gezahlten Provisionsvorschusses zu; eine weitere Nachbearbeitung ist unnötig.564 Nahm der Versicherer den Versicherungsantrag des VN nicht unverändert an, sondern unterbreitete ein abgeändertes Angebot, auf welches der VN nicht reagierte, trifft den Unternehmer kein Verschulden. Eine Nachbearbeitung ist gleichfalls unnötig.565 Bittet ein VN um eine Beitragsfreistellung, so genügt kein ablehnendes Schreiben des Versicherers. Es sind Maßnahmen erforderlich, den aufgrund des Beitragsfrei-

556 BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364 Rn 54; OLG Köln, v. 24.5.2012 – 19 U 169/11, BeckRS 2012, 16111. 557 OLG Köln, v. 24.5.2012 – 19 U 169/11, BeckRS 2012, 16111; ähnlich für den Versicherungsvertrieb OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2017 – I-16 U 32/16, ZVertriebsR 2017, 191 = MDR 2017, 467 (468). In einer weiteren Entscheidung bestätigte das OLG Köln (OLG Köln, Beschl. v. 10.5.2012 – 19 U 3/12, BeckRS 2014, 10016) seine Skepsis gegenüber festen Wertgrenzen, folgte aber gleichwohl der h. M., derzufolge bei Kleinstbeträgen keine Nachbearbeitungsbemühungen erforderlich seien. 558 OLG Köln, v. 24.5.2012 – 19 U 169/11, BeckRS 2012, 16111. 559 OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 28. 560 OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 618/18, VersR 2019, 941 (942); v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87); OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (379) m. Anm. Lost; Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 37. 561 OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 618/18, VersR 2019, 941 (942); v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87). 562 OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267; Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1160). 563 OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 618/18, VersR 2019, 941 (942): § 87a Abs. 3 S. 2 setzt voraus, dass durch die Vermittlung des HV ein wirksames Geschäft zwischen dem Unternehmer und dem VN zustande gekommen ist. Diese Voraussetzung ist auch im Falle eines später widerrufenen Versicherungsvertrags erfüllt, da nach § 8 VVG, anders als nach dem bis zu 31.12.2007 geltenden § 5a VVG a. F., der Versicherungsvertrag vor Ausübung des Widerrufsrechts durch den VN schwebend wirksam ist. Der Widerruf vernichtet den Vertrag auch nicht ex tunc, sondern nur ex nunc mit der Folge, dass sodann ein Rückabwicklungsschuldverhältnis entsteht. Deshalb besteht auch bei widerrufenden Versicherungsverträgen eine Nachbearbeitungspflicht und fällt der Provisionsanspruch des VV nur bei ausreichender Nachbearbeitung weg. Die zum früheren § 5a VVG ergangene Rspr. ist wegen der Änderung des Gesetzes unmaßgeblich. 564 OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267. 565 OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267. 1001

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stellungsersuchens erkennbar gefährdeten Vertrag zu erhalten566 und den Wunsch nach Beitragsfreistellung zu untersuchen.567 Der Versicherer muss aktiv werden und den VN ernsthaft und nachdrücklich zur Durchführung des Vertrages anhalten.568 Ein allgemeiner Hinweis auf die wirtschaftlichen Nachteile einer Kündigung reicht nicht aus.569 Teilt der VV dem Unternehmer mit, er habe Kenntnis dass der VN die Durchführung des geschlossenen Vertrages nicht wünsche und wurde der VV selbst im Interesse einer solchen Nichtdurchführung für den VN tätig, so steht ihm keine Provision wegen fehlender Nacharbeit zu.570 Ist dem VV bekannt, dass ein Lebensversicherungsvertrag aus krankheitsbedingten Gründen notleidend wurde, besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass den Unternehmer wegen fehlender Nachbearbeitung an der Nichtweiterführung des Vertrages ein Verschulden treffen könnte.571 Darüber, ob schon die Nichtzahlung der ersten Prämie von weiteren Nachbearbeitungspflichten entbindet, herrscht in der Rspr. Streit.572 Auch in den Fällen, in denen es nicht zur Zahlung der Erstprämie gem. § 37 VVG gekommen ist, darf sich der Versicherer nicht auf sein Rücktrittsrecht und den Eintritt der Rücktrittsfiktion zurückziehen und ist eine weitere Nachbearbeitung nicht entbehrlich.573 Zwar knüpft der Anspruch des VV auf Provision nach § 92 Abs. 4 an die Zahlung der Prämie und nicht an die Ausführung des Geschäftes an. Die übrigen Regelungen des § 87a, insb. des Abs. 3, gelten jedoch auch für den VV. Der Versicherer braucht die Erstprämie jedoch nicht einzuklagen (Rn 87). Die Obliegenheiten zu Nachbearbeitung oder zur Versendung von Stornogefahrmitteilungen beschränken sich nur auf das den Provisionsanspruch dem Grunde nach auslösende Vertragsverhältnis.574 Der Versicherer ist nicht verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der Vertrag mit der versicherten Person oder einem anderen VN fortgesetzt wird, da dies den Abschluss eines neuen Vertrages bedeutet.575 Nur wenn der Versicherer darlegt und nachweist, dass eine Nachbearbeitung von vornherein aussichtslos ist, entfällt die Nachbearbeitungspflicht.576 Eine Nachbearbeitungspflicht besteht jedoch, falls der Arbeitgeber u. U. bereit ist, die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung aus eigener Tasche zu bezahlen.577

99 (8) Fälligkeit der Nachbearbeitungspflicht. Der Unternehmer hat, um seiner Obliegenheit zur Nachbearbeitung zu genügen, unverzüglich578 zu handeln und zu entscheiden, ob er selbst nachbearbeitet, welche – effektiven – Nachbearbeitungsmaßnahmen er nutzt und ob er die Nachbearbeitung dem HV überlässt. Im letztgenannten Fall muss er ebenso unverzüglich, nachdem er auf (weitere) eigene Maßnahmen verzichtet, die Stornogefahrmitteilung versenden. Will der Unternehmer zunächst mahnen, ist die rechtzeitige Anmahnung der Prämie erforderlich, bevor er vom Vertrag zurücktritt. Die Nachbearbeitungspflicht ist z. B. verletzt, sofern der Unternehmer den Rückstand erst nach überlanger Zeit und bei hohem Rückstand anmahnt, weil hier erfahrungsgemäß eine finanzielle Überforderung des Kunden zu erwarten ist.579 Eine Stor566 OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 618/18, VersR 2019, 941 (942). 567 OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 618/18, VersR 2019, 941 (942); LG Itzehoe, Urt. v. 19.10.2012 – 6 O 158/10, BeckRS 2012, 24034. 568 OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 618/18, VersR 2019, 941 (942). 569 OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 618/18, VersR 2019, 941 (942). 570 OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267. 571 OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267. 572 Bejahend LAG Hamm VersR 1981, 1054; verneinend OLG Köln VersR 1978, 920. 573 OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 37. 574 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (88). 575 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (88). 576 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (88). 577 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (88). 578 Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1161). 579 Westphal I Rn 674. Emde

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nogefahrmitteilung braucht nicht schon nach dem ersten Scheitern des Prämieneinzuges versandt werden.580 Hierauf darf der Versicherer zunächst mit einem standardisierten Schreiben an den VN reagieren, mit dem er um die Kontrolle der Bankverbindung bittet.581 Erst wenn hierauf binnen angemessener Frist keine Reaktion erfolgt, muss der Unternehmer unverzüglich über Nachbearbeitungsmaßnahmen entscheiden.582 Die Stornogefahrmitteilung muss unverzüglich innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls angemessenen Prüfungs- und Überlegungszeit versandt werden.583 Denn die Aussichten auf Rettung reduzieren sich, je mehr Zeit verstreicht.584 Die Anforderungen an den Unternehmer sollten aber nicht überspannt werden.585 Die Mitteilung braucht daher nicht schon nach dem ersten Scheitern des Einzuges versandt werden.586 Es ist dem Unternehmer gestattet, binnen angemessener Zeit Klarheit über eine Vertragsgefährdung und die Art und Weise der Nachbearbeitung zu gewinnen.587 Ein monatliches Übersenden von Stornogefahrmitteilungen soll zumindest im Massegeschäft als rechtzeitig anzusehen sein.588 Ist dem HV erst 2 Monate nach einer im 8. Monat der Laufzeit eines Versicherungsvertrages erfolgten Kündigung des VN eine Stornogefahrmitteilung zugegangen, so soll dies der Rückforderung der Provision angeblich nicht entgegenstehen. Der HV müsse zeitliche Verzögerungen, die daraus resultieren, dass er in einem Strukturvertrieb tätig geworden ist, hinnehmen. Solche Verzögerungen ergäben sich daraus, dass beim Unternehmer eingehende Schriftstücke des Kunden dort erst sachgerecht bearbeitet und umgesetzt werden müssen, es sei denn, es liege eine absichtliche Verzögerung vor.589 Tatsächlich dürfte eine Bearbeitungszeit des Unternehmers von bis zu 8 Wochen nach Tatsachenkenntnis wohl zu lang sein.590 Eher sind 2 Wochen nach Kenntnis der Stornogefährdung angemessen.591 Insoweit bieten sich Internet und E-Mail-Versand an,592 insb. mit Lesebestätigung. Eine Alternative zur Versendung der Stornogefahrmitteilungen ist die Einrichtung eines geschützten Bereichs im Internet, in welchen sich der HV regelmäßig einzuloggen hat.593 Dann besitzt der HV den gleichen Kenntnisstand wie der Unternehmer. Es spricht nichts dagegen, den HV dazu zu verpflichten,

580 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 20 (Versicherer). 581 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 20 (Versicherer). 582 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 20 (Versicherer). 583 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 19/20 (Begründung: dem Unternehmer obliegende Treuepflicht); LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028; Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1161). 584 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 20 (Versicherer). 585 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 20 (Versicherer). 586 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 20 (Versicherer); LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028 (Versicherer). 587 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 20 (Versicherer). 588 OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 13.11.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02421; Beschl. v. 18.12.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02422 (Versicherer). 589 OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267. 590 Mecklenbrauck LMK 2012, 337360; Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1161); aA OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267. 591 LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028; Mecklenbrauck LMK 2012, 337360; Bangen GWR 2012, 371. 592 Mecklenbrauck VersR 2009, 1157 (1161). Hier soll nach LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028 jedoch der Versicherer den Zugang beweisen müssen. 593 Mecklenbrauck VersR 2009, 1157 (1161). 1003

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periodisch und in kurzen Zeitabständen jene Informationen abzurufen.594 Unterlässt der HV dies, hat er eine Stornierung selbst zu vertreten. In jedem Fall hat der Unternehmer angemessene Organisationsmaßnahmen zur Beschleunigung zu treffen. Ggf. muss der HV, sofern er längere Zeit keine Stornogefahrmitteilung erhalten hat, nachfragen, um herauszufinden, ob es ein Kommunikationsproblem gibt.595 Wird der erfolgreich nachgearbeitete Vertrag später erneut stornogefährdet, entsteht die Obliegenheit des Unternehmers zur Nachbearbeitung erneut.596 Nach h. M. besteht nach Ausscheiden eines HV keine Obliegenheit des Unternehmers zur 100 Übermittlung von Stornogefahrmitteilungen an den ausgeschiedenen HV.597 Der HV hat in diesem Fall kein Recht auf eigene nachvertragliche Nachbearbeitung,598 es sei denn, es wurde vertraglich vereinbart. Dem Unternehmer ist es nicht zuzumuten, dem ausgeschiedenen HV solche Mitteilungen zukommen zu lassen. Es besteht die Gefahr, dass der HV anstelle der Nachbearbeitung des stornogefährdeten Vertrages den Kunden für seinen neuen Dienstherrn abwirbt599 (wozu er diesem gegenüber sogar verpflichtet sein könnte). Der Unternehmer müsste also dem HV mitteilen, bei welchen Kunden sich eine Umdeckung lohnen würde, was einer Einladung zu einem solchen Verhalten gleichkäme. Niemand braucht derart gegen seine Interessen zu agieren. Durch § 90 ist der Unternehmer vor einer nachvertraglichen Verwertung der mittels der Stornogefahrmitteilungen zugeleiteten Informationen nicht hinreichend geschützt.600 Spiegelbildlich trifft den HV nach seinem Ausscheiden keine Verpflichtung zur Erbringung von Arbeitsleistungen und damit zur Nachbearbeitung, so dass die Mitteilung auch deshalb keinen Sinn macht.601 Die auch nachvertragliche Stornogefahrmitteilungen fordernde Minderansicht602 begründet sich mit den Argumenten, der HV erbringe seine Tätigkeit gem. § 86, um Provisionen nach § 87 zu verdienen. Sei der ausgeschiedene HV, was nicht vermutet werden dürfe, weiterhin als HV tätig, ginge er der vom Altunternehmer geschuldeten Provision verlustig, wenn der HV dem Kunden das Produkt eines anderen Unternehmens vermittle, anstatt ihn dazu zu bewegen, die Prämie des bereits geschlossenen Vertrages zu zahlen. Ein solches Interesse dürfe nicht unterstellt werden. Im Fall einer Tätigkeit des HV für einen Wettbewerber verkennt letztgenanntes Argument wohl, dass die Vergütung auch beim Wettbewerber verdient wird, und zwar zu einer höheren Provision, wenn mit langer Vertragslaufzeit umgedeckt wird. Gänzlich versagt die Argumentation der Mindermeinung, wenn eine Provisionsverzichtsklausel vereinbart wurde, wie fast immer im Versicherungsvertrieb. Denn dann besteht kein Provisionsinteresse des HV und damit auch keine Obliegenheit zur Information durch den Unternehmer.603 Außerdem wird eine neue lukrative Kundenverbindung hergestellt, an die der HV allzeit anknüpfen kann. Der Mindermeinung kann nur zugestimmt werden, falls der Unternehmer sicher weiß, dass der ehe594 595 596 597

Mecklenbrauck VersR 2009, 1157 (1161). OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.11.1996 – 16 U 18/96; Mecklenbrauck VersR 2009, 1157 (1161). Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 26. OLG Saarbrücken VersR 2000, 1017; OLG Schleswig, Urt. v. 24.4.1984 – 3 U 114/82, BeckRS 2010, 06907; OLG Karlsruhe VersR 1984, 935 (936); OLG Frankfurt/M DB 1983, 1591 (1592); OLG Köln VersR 1978, 920 mit abl. Anm. Goertz; BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364 Rn 53; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2013 – 8 Sa 485/12, BeckRS 2014, 66700; LAG Frankfurt NJW 1982, 254; LG Hannover, Urt. v. 16.6.2005 – 2 U 356/04, VersR 2006, 545; LG Freiburg/Br. VersR 1980, 329; LG Hildesheim VersR 1980, 330; Emde VersR 2001, 152; Herzog VersR 1979, 797; Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 41; Westphal I Rn 676; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 26; offengelassen von BGH, Urt. v. 25.5.2005 – VIII ZR 279/04, VersR 2005, 1078; aA LG Mainz NJW-RR 2000, 915; Giesler/Nauschütt/Sperrer 2. Aufl. 2011, § 2 Rn 1439; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 92 Rn 32. Deshalb werden nach Vertragsende häufig keine solchen Mitteilungen mehr versandt, s. Lost ZVertriebsR 2017, 382 (383). 598 Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 26. 599 OLG Köln, Urt. v. 9.9.2005 – 19 O 174/04, VersR 2006, 71, OLG Düsseldorf NJW–RR 1993, 1188 (1189); OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.5.2005 – 8 U 288/04. 600 AA MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 92 Rn 32. 601 BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364 Rn 53. 602 Giesler/Nauschütt/Sperrer 2. Aufl. 2011, § 2 Rn 1439. 603 Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 41. Emde

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malige HV nicht für einen Konkurrenten tätig ist. Aber selbst in diesem Fall muss die Stornierungsmitteilung nur übermittelt werden, sofern der Unternehmer von den nötigen Kenntnissen und Fähigkeiten des ausgeschiedenen HV ausgehen muss. Die Übermittlung der Stornogefahrmitteilungen an den Nachfolger des HV ist zulässig.604 Da beim Nachfolger aber zu befürchten steht, dass er vorwiegend dem eigenen Provisionsinteresse dienen und den Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf den Neuabschluss und nicht die Erhaltung des Provisionsinteresses seines Vorgängers legen wird (aber mglw. Bestandsprovisionen), muss der Unternehmer bei der Versendung an den Nachfolger zu dessen konkreten Nachbearbeitungsmaßnahmen vortragen.605 Die bloße Versendung von Stornogefahrmitteilungen an den Nachfolger reicht zur Darlegung der erforderlichen Maßnahmen nicht aus.606 Bei einem ehemaligen HV kann der Unternehmer Stornogefahrmitteilungen auch an dessen frühere Büroadresse senden, sofern er damit rechnen kann, dass sie ihn dort erreicht.607 Grundsätzlich ist auch im Versicherungsvertrieb bei Kleinststorni eine Nachbearbeitung un- 101 nötig.608 Davon macht das OLG Düsseldorf609 in einem Einzelfall eine Ausnahme: So könne von Bedeutung sein, wenn – anders als bei sonstigen Massengeschäften (wie z. B. Zeitschriftenabonnements) – die Kunden mehrere Versicherungsverträge abgeschlossen hatten, weshalb es im Hinblick auf die Pflege der Kundenbeziehung wirtschaftlich Sinn machen könne, einen einzelnen Versicherungsvertrag trotz nur geringer Beiträge zu retten. Falls nicht nur eine Versicherung abgeschlossen wurde sondern über einen VV mehrere Versicherungsverträge mit ganz unterschiedlichen Grundlagen, Kosten und Interessen zustande gekommen seien, obliege es dem Versicherer, vorzutragen, dass er auch in Fällen der Kleinststorni eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung des notleidenden Versicherungsvertrages vorgenommen habe, oder warum trotz der besonderen Kundenbeziehung keine oder nur geringere, konkret benannte Stornoabwehrmaßnahmen geschuldet waren, und zwar für jeden einzelnen Vertrag.

(9) Beweislast. Für die Nachbearbeitung610 und ihre Geeignetheit611 ist der Unternehmer dar- 102 legungs- und beweispflichtig. Das gilt genauso für die Versendung der Stornogefahrmitteilungen, dazu unten. Widersprüchlicher Vortrag bleibt unbeachtlich.612 Der Unternehmer muss für jeden einzelnen Vertrag konkret darlegen und beweisen, dass er entweder rechtzeitige oder vollständige Stornogefahrmitteilungen an die HV versandt hat, damit der HV eine sachgerechte

604 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 24 (VV); OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 618/18, VersR 2019, 941 (942) – VV; OLG Schleswig BeckRS 2010, 06907; OLG Brandenburg BeckRS 2009, 15961; OLG Celle OLGR 2001, 267; OLG Düsseldorf OLGR 1999, 469. 605 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) Rn 24 (Versicherer); Mecklenbrauck LMK 2012, 337360; OLG München, Urt. v. 27.3.2019 – 7 U 618/18, VersR 2019, 941 (942) – VV; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (380) m. Anm. Lost – VV; LG Itzehoe, Urt. v. 19.10.2012 – 6 O 158/10, BeckRS 2012, 24034. 606 OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (380) m. Anm. Lost. 607 OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 13.11.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02421; Beschl. v. 18.12.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02422 (Versicherer). 608 OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2017 – I-16 U 32/16, ZVertriebsR 2017, 191 = MDR 2017, 467. 609 OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2017 – I-16 U 32/16, ZVertriebsR 2017, 191 = MDR 2017, 467 (468). 610 BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09, VersR 2011, 345 = WM 2011, 470 Rn 15; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (380) m. Anm. Lost; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2017 – I-16 U 32/ 16, ZVertriebsR 2017, 191 = MDR 2017, 467 – Versicherer; OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; LG Itzehoe, Urt. v. 19.10.2012 – 6 O 158/10, BeckRS 2012, 24034; BAG, Urt. v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, BeckRS 2015, 67796 = NJW 2015, 2364 Rn 50; Lost ZVertriebsR 2017, 382 (383). 611 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 24 (Versicherer). 612 OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582. 1005

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Nachbearbeitung des Vertrages vornehmen und sich sinnvoll und mit Aussicht auf Erfolg um eine Rettung des Vertrages bemühen kann,613 oder dass der Unternehmer selbst die ihm billigerweise zuzumutenden Maßnahmen der Nachbearbeitung veranlasst und vollständig sowie mit dem nötigen Nachdruck durchgeführt hat.614 Zudem muss für jedes nicht oder nicht vollständig ausgeführte Geschäft dargelegt und bewiesen werden, dass bei erfolglos gebliebener Nachbearbeitung in der nunmehr gegebenen Situation ein klagweises Vorgehen gegen den Kunden unzumutbar war.615 Dieser Beweislast genügt der Unternehmer nicht, wenn er lediglich auf das bei ihm allgemein übliche Verfahren verweist616 oder zur näheren Begründung der von ihm durchgeführten Nacharbeit auf die von seinem beauftragten Mitarbeiter nur nachlässig ausgefüllten Berichtsformulare verweist, ohne seine Ausführungen mit weiterem Vortrag zur konkret erfolgten Nacharbeit oder ihrer Aussichtslosigkeit zu ergänzen.617 Für die Versendung der Stornogefahrmitteilungen trägt der Unternehmer die Beweislast,618 etwa durch Zeugenbeweis.619 Er muss vortragen und beweisen welche Informationen im Hinblick auf eine sinnvolle Nachbearbeitung erteilt wurden.620 Der Unternehmer muss ggf. vortragen und notfalls beweisen, dass die Versendung so rechtzeitig erfolgte, dass eine erfolgversprechende Nachbearbeitung möglich war. Den (rechtzeitigen) Zugang der Stornogefahrmitteilungen soll der Unternehmer jedoch im Falle des Postversands nicht beweisen müssen,621 angeblich jedoch im Fall der Übermittlung per E-Mail.622 Sendet der Unternehmer Stornogefahrmitteilungen durch die Post, so darf er grds. darauf vertrauen, dass die Postsendung ordnungsgemäß befördert wird623 und, wenn sie im Bundesgebiet werktags aufgegeben wird, am folgenden Werktag ausgeliefert wird.624 Geht eine Stornogefahrmitteilung gleichwohl ausnahmsweise auf dem Postweg verloren, so ist dies - und damit ebenso das hierauf zurückzuführende Unterbleiben von Nachbearbeitungsmaßnahmen des VV - ein Umstand, den der Unternehmer nicht i. S. d. § 87a Abs. 3 S. 2 zu vertreten hat. Ob zum Nachweis der Versendung ein computermäßiger Vermerk, aus dem sich ergibt, dass ein Mahnschreiben einer bestimmten Art an den VN versandt wurde, reicht, ist zweifelhaft.625 Nach einer Ansicht soll das pauschale Bestreiten des HV, es sei keine Nachbearbeitung erfolgt, als Sachvortrag „ins Blaue hinein“ unbeachtlich sein.626 Dies erscheint zweifelhaft, weil der HV 613 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 18 (Versicherer); OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (380) m. Anm. Lost; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2017 – I-16 U 32/16, ZVertriebsR 2017, 191 = MDR 2017, 467 – Versicherer; OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582. 614 OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (380) m. Anm. Lost; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2017 – I-16 U 32/16, ZVertriebsR 2017, 191 = MDR 2017, 467; OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; Lost ZVertriebsR 2017, 382. 615 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.3.2004 – I-16 U 64/03; OLGR 1995, 19 (20); s. a. OLG Düsseldorf OLGR 1999, 469 (470); 1999, 202 (203). 616 OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (380) m. Anm. Lost - VV. 617 LAG Hamm, Urt. v. 3.11.2009 – 14 Sa 1690/08, BeckRS 2010, 67194 (Arbeitsrecht). 618 BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09, VersR 2011, 345 = WM 2011, 470 Rn 24 (zum VV); OLG Brandenburg, Urt. v. 10.1.2013 – 5 U 54/11, BeckRS 2013, 01597 (zum VV). 619 OLG Brandenburg, Urt. v. 10.1.2013 – 5 U 54/11, BeckRS 2013, 01597. 620 OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (380) m. Anm. Lost - VV. 621 BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09, VersR 2011, 345 = WM 2011, 470 Rn 24 (zum VV); OLG Brandenburg, Urt. v. 10.1.2013 – 5 U 54/11, BeckRS 2013, 01597; aA OLG Köln, Urt. v. 9.9.2005 – 19 O 174/04, VersR 2006, 71; OLG Hamm NJW-RR 2004, 1266 = OLGR 2004, 267; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 26; kritisch zur Beweislast des Versicherers für den Zugang bereits Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1159). 622 LG Karlsruhe, Urt. v. 8.2.2013 – 6 O 440/10, BeckRS 2013, 07028. 623 LG Itzehoe, Urt. v. 19.10.2012 – 6 O 158/10, BeckRS 2012, 24034. 624 BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09, VersR 2011, 345 = WM 2011, 470 Rn 24 (zum VV); Beschl. v. 21.10.2010 - IX ZB 73/10 Rn 15; v. 20.5.2009 - IV ZB 2/08, NJW 2009, 2379 Rn 8. 625 Das halten BGH MDR 1988, 555; OLG Schleswig MDR 1984, 760; Behrend NJW 2003, 1563 (1566) für ausreichend. 626 OLG Saarbrücken VersR 2000, 1017 (wohl unzulässige Verschiebung der Beweislast zu Lasten des HV). Emde

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keine Kenntnis von Nachbearbeitungsmaßnahmen des Unternehmers zu haben braucht und deshalb nach § 138 ZPO mit Nichtwissen bestreiten darf. Behauptet der HV, während seiner Tätigkeit niemals Stornogefahrmitteilungen erhalten zu haben, so soll er sich auf eine derartige Obliegenheitsverletzung des Unternehmers gem. § 242 BGB nicht berufen können, wenn er rügelos hingenommen habe, dass Vertragsstornierungen erfolgten und Provisionsvorschüsse rückbelastet wurden.627 Der Unternehmer hat auch den Ausnahmefall zu beweisen, in dem weder eigene Nachbearbeitungsmaßnahmen noch die Absendung von Stornogefahrmitteilungen erforderlich sein soll (oben, fff). Versendet der Unternehmer Stornogefahrmitteilungen, ohne dazu nach § 87a Abs. 3 gehalten zu sein, handelt es sich um eine überobligationsmäßige Maßnahme, die provisionsrechtlich unbeachtlich ist. Auf den Beweis der Versendung kommt es dann nicht an.628 Eine Vermutung für einen bestimmten Prozentsatz berechtigter Stornierungen oder eine bestimmte Quote erfolgloser Nachbearbeitung ist kaum anzuerkennen,629 anders wenn konkrete Anhaltspunkte für eine solche Quote vorliegen.630 In der Praxis bereiten die vorgenannten Anforderungen dem Unternehmer Schwierigkeiten, weshalb nach Ansicht von Mecklenbrauck die von der Rspr. angesetzten Maßstäbe überzogen seien.631

(10) Vertragliche Regelungen zur Nachbearbeitungspflicht (a) Begründung einer Nachbearbeitungspflicht. Die Nachbearbeitungspflicht des HV darf 103 vertraglich begründet werden.632 Derartiges widerspricht nicht Abs. 5. Eine in AGB ohne angemessene Gegenleistung vereinbarte Pflicht zur intensiven (über die Interessenwahrungspflicht hinausgehenden) Nachbearbeitung dürfte regelmäßig unzumutbar sein und § 307 BGB widersprechen. Ganz sicher gilt dies für eine Pflicht zur Nachbearbeitung nach Beendigung des HVVertrages. Der HV wird sich mit einer solchen Pflicht oft in Widerspruch zu dem aus einem Nachfolgevertrag entstehenden Wettbewerbsverbot setzen, so dass sogar an eine Unwirksamkeit gem. §§ 242, 138 BGB zu denken wäre. Trifft die Pflicht oder Obliegenheit zur Nachbearbeitung einen Hauptvertreter, hat er sich ein Handeln oder Unterlassen des Hauptunternehmers nach § 278 BGB zurechnen zu lassen.633

(b) Verzicht auf Nachbearbeitung. Wegen der nach § 87a Abs. 5 zwingenden Natur des § 87a 104 Abs. 3 darf der VV vertraglich nur auf Nachbearbeitung verzichten, wenn ihm als Ersatz Stornogefahrmitteilungen zugehen und ihm selbst die Nachbearbeitung möglich bleibt.634 Ohne eine solche Einschränkung ist der Verzicht unzulässig. Es dürfte sich dann nicht mehr um eine zulässige Konkretisierung des § 87a Abs. 3 handeln. Der vereinbarte Ausschluss einer bestimmten, im Einzelfall objektiv gebotenen und zumutbaren Nachbearbeitung ist daher unwirksam,635

627 OLG Saarbrücken VersR 2000, 1017 (zwh., kommt auf Verhältnisse des Einzelfalls an). 628 Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1161); nach BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09, VersR 2011, 345 = WM 2011, 470 Rn 24 ist dieser Beweis ohnehin nicht vom Unternehmer geschuldet. 629 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 27 (Versicherer); OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 37. 630 BGH, Urt. v. 28.6.2012 – 130/11, NJW 2012, 3305 = WM 2012, 1600 = LMK 2012, 337360 (Mecklenbrauck) = GWR 2012, 371 (Bangen) Rn 27 (Versicherer); Urt. v. 19.11.1982, VersR 1983, 371. 631 Mecklenbrauck VersR 2006, 1157 (1159). 632 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 27. 633 OLG Köln, Urt. v. 9.9.2005 – 19 O 174/04, VersR 2006, 71; vgl. auch BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde). 634 Stötter MDR 1981, 269 (271); Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 29; aA BGH VersR 1983, 373; OLG Frankfurt/M. DB 1983, 1592; VersR 1978, 326; OLG Karlsruhe VersR 1982, 267; VersR 1989, 511 (512); Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 29. 635 Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 29. 1007

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nur die Erweiterung der Rechte des VV ist wirksam.636 Schon gar nicht darf der Verzicht mittels AGB erfolgen.637

105 c) Vertretenmüssen im Verhältnis Untervertreter/Hauptvertreter. Abs. 3 gilt auch im Verhältnis von Haupt- und Untervertreter.638 Wie er im dreigliedrigen Verhältnis UnternehmerHauptvertreter-Untervertreter anzuwenden ist, ist jedoch unklar. Rechtstechnisch richtig wäre es, als Unternehmer des Untervertreters nur den Hauptvertreter und nicht dessen Unternehmer anzusehen. Denn der Untervertreter steht nur zum Hauptvertreter in Vertragsbeziehungen. Da jedoch regelmäßig nur der „Hauptunternehmer“ als Vertragspartner des Hauptvertreters das Geschäft wie im dreigliedrigen „Normalfall“ als „Unternehmer“ ausführt, wird wohl überwiegend, ebenso wie im Rahmen des Abs. 2 (Rn 55), als Unternehmer i. S. d. § 87 Abs. 3 im Verhältnis zum Untervertreter nur der (Haupt-)Unternehmer als Auftraggeber des Hauptvertreters und nicht der Hauptvertreter selbst verstanden.639 Der Provisionsanspruch des Untervertreters gegen den Hauptvertreter entfällt wegen Nichtausführung des Geschäfts deshalb als Grundregel, wenn der Provisionsanspruch des Hauptvertreters gegen seinen (Haupt-)Unternehmer entfällt.640 § 87a Abs. 3 gilt entsprechend, falls zwar der Auftraggeber des Hauptvertreters das Geschäft ausführen soll, es aber aufgrund eines Vertretenmüssens des Hauptvertreters anders als vereinbart ausgeführt wird641: In der gewöhnlich dreigliedrigen Kette HV-Unternehmer-Kunde entfällt nach § 87a Abs. 3 der Provisionsanspruch bei Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer nur dann, wenn der Unternehmer die Nichtausführung nicht zu vertreten hat. Schaltet man nun als Zwischenglied einen Hauptvertreter ein, so kann auch der Hauptvertreter zum Unternehmer i. S. d. § 87a Abs. 3 werden. Allein die Erweiterung der dreigliedrigen Kette um ein viertes Glied darf nicht die Folge haben, dass die Frage des Verschuldens nach § 87a Abs. 3 S. 2 im Verhältnis zwischen Haupt- und Untervertreter keine Rolle mehr spielt.642 Klar ist dies, sofern der Hauptunternehmer alle Aufgaben an den Hauptvertreter delegiert. Dann gilt § 87a Abs. 3 unmittelbar für das Vertretenmüssen des Hauptvertreters. Soweit ein auf Provisionszahlung in Anspruch genommener Hauptvertreter vorträgt, die von ihm vertretene Versicherung habe die Nachbearbeitung selbst übernehmen wollen, hat er sich deren Unterlassen nach § 278 BGB zurechnen zu lassen.643 106 Der Provisionsanspruch eines echten Untervertreters entfällt beispielsweise, wenn – feststeht, dass der Unternehmer die Nichtausführung des vom Untervertreter herbeigeführten Geschäfts nicht zu vertreten hat (Abs. 3 S. 2);644 636 Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 29. 637 Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 37; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 29. 638 OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514 = BeckRS 2009, 15934; OLG Köln, Urt. v. 9.9.2005 – 19 O 174/04, VersR 2006, 71, OLG Düsseldorf NJW–RR 1993, 1188 (1189); OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.5.2005 – 8 U 288/04; OGH Österreich, Urt. v. 24.3.2014 – 8 ObA20/14w, ZVertriebsR 2014, 200. 639 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde); BGHZ 91, 370 (372); OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514 = BeckRS 2009, 15934; OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699; OLG Düsseldorf NJWRR 1993, 1188 = DB 1993, 733; OGH Österreich, Urt. v. 24.3.2014 – 8 ObA20/14w, ZVertriebsR 2014, 200 (201); Hopt § 87a Rn 17; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 83; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 58. 640 OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514 = BeckRS 2009, 15934; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.1.2007 – 4 U 34/06, NJOZ 2007, 1480. 641 Emde EWiR 2008, 559 (560). 642 LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491; im Ergebnis auch OLG Brandenburg, Urt. v. 10.1.2013 – 5 U 54/11, BeckRS 2013, 01597. 643 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde); OLG Köln, Urt. v. 9.9.2005 – 19 O 174/04, VersR 2006, 71 (72). 644 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde); BGHZ 91, 370 (372); OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699; OLG Emde

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der Hauptvertreter keinen Anspruch gegen den Unternehmer besitzt. Der Untervertreter kann nicht im weitergehenden Maße provisionsberechtigt sein, als der Hauptvertreter gegenüber dem Unternehmer;645 er teilt das Risiko des Hauptvertreters;646 der Kunde die Provision an den Hauptunternehmer wegen Insolvenz nicht zahlt. Dies schlägt auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Untervertreter und dem Hauptvertreter durch; der Hauptunternehmer Provisionen zunächst an den Hauptvertreter erbringt und diese aufgrund Rückforderung zurückbelastet werden, indem der Hauptvertreter einen vom Hauptunternehmer erhaltenen Betrag zurückzahlt und er somit auf seinen bereits befriedigten Provisionsanspruch gegenüber dem Hauptunternehmer verzichtet.647 Der Umstand, dass der Hauptvertreter bei Nichtausführung des Geschäfts durch den Hauptunternehmer kontroll- und kritiklos seinerseits erhaltene Provisionen zurückzahlt, ohne dass klar wäre, ob die Voraussetzungen des § 87a Abs. 3 S. 2 vorliegen, kann nicht dazu führen, dass nun auch der Untervertreter automatisch erhaltene Provisionen zurückzahlen müsste.648

d) Einschränkung des § 87a Abs. 3 S. 2 durch § 242 BGB oder ergänzende Vertrags- 107 auslegung. Obwohl der Unternehmer die Nichtausführung oder die nicht vertragsgemäße Ausführung zu vertreten hat, kann der HV in besonderen Ausnahmefällen nach § 242 BGB (u. U. Verwirkung) oder den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung verpflichtet sein, auf sein Provisionsrecht zu verzichten.649 Ein Beispiel ist etwa der o. g. Fall drohenden Abbruchs der Geschäftsverbindung. Spiegelbildlich muss der Unternehmer ggf. auf seine Rechte aus § 87a verzichten und Provision leisten, obwohl ein Nichtvertretenmüssen nach § 87a Abs. 3 vorliegt. Letzteres kann etwa anzunehmen sein, wenn der Unternehmer den Vertrag entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben storniert.650 Eine solche Treuwidrigkeit liegt jedoch nicht vor, falls ein Reiseveranstalter sich eine Mindestteilnehmerzahl vorbehält.651 Über allem steht also der Grundsatz von Treu und Glauben, der Raum für Billigkeitserwägungen des Einzelfalls lässt.

e) Teilausführung des Geschäfts. § 87a Abs. 3 S. 2 bestimmt, was im Falle der nicht vertrags- 108 konformen Teilausführung mit dem Provisionsanspruch geschieht: Steht fest, dass der Unternehmer das Geschäft teilweise nicht ausführen wird, entsteht ein anteiliger Provisionsanspruch „soweit“ geleistet wurde, also entsprechend dem Wertverhältnis des gelieferten zum noch zu liefernden Teil.652 Hinsichtlich des vertragskonform ausgeführten Teils s. o., Rn 27: Wird das Geschäft teilweise ausgeführt oder der Kaufpreis gemindert,653 entsteht die Provision (nur) hinsichtlich des nicht ausgeführten Teils nach Abs. 3, hinsichtlich des ausgeführten Teils nach Düsseldorf NJW-RR 1993, 1188 = DB 1993, 733; OGH Österreich, Urt. v. 24.3.2014 – 8 ObA20/14w, ZVertriebsR 2014, 200 (201); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 58; nach OLG Brandenburg, Urt. v. 10.1.2013 – 5 U 54/11, BeckRS 2013, 01597 kommt es auf das Vertretenmüssen des Hauptvertreters an. 645 OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 (1702). 646 OLG Schleswig, Urt. v. 9.1.2009 – 14 U 102/08, MDR 2009, 1055 = OLGR 2009, 514; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.1.2007 – 4 U 34/06, DB 2007, 2199; Canaris § 17 Rn 70; Hopt § 87a Rn 17. 647 LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491. 648 LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491. 649 Vgl. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 26. 650 BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 (99) = EWiR 2014, 451 (Emde) Rn 19; v. 21.11.1991 – I ZR 98, NJW-RR 1992, 868 unter I 2 b) bb). 651 BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 (99) = EWiR 2014, 451 (Emde) Rn 19. 652 Westphal I Rn 546; Hopt § 87a Rn 5. 653 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 17; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 45. 1009

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Abs. 1.654 Führt der Kunde das Geschäft entgegen der Vereinbarung nur teilweise aus, ist der Restprovisionsanspruch nach § 87a Abs. 2 zu beurteilen.655 Wenn der Unternehmer anstelle der nicht erbrachten Teilleistung ein Surrogat erbringt, etwa als Schadensersatz bei verschuldeter Unmöglichkeit der Erfüllung, tritt das Surrogat an die Stelle der Leistung in voller Bedeutung des Abs. 1 S. 1. Erst in Ansehung eines etwaigen Zurückbleibens hinter der ungekürzten Leistungspflicht gilt dann insoweit das in Abs. 3 S. 1 für die quantitative Teil-Nichtausführung Gesagte. Auch falls der Unternehmer eine Teilleistung erbringt, obwohl er zu einer Gesamtleistung verpflichtet ist, ergibt sich der Provisionsanspruch für den nicht ausgeführten Teil aus § 87a Abs. 3. Der HV erhält einen Teilprovisionsanspruch im Verhältnis des Wertes der teilweisen zur vollständigen Ausführung,656 der den Anspruch aus Abs. 3 ergänzt.

8. Rückzahlungspflicht 109 Wegen der fehlenden Provisionspflicht nach Abs. 3 S. 2 nicht geschuldete aber ihm bereits geleistete Provisionszahlungen muss der HV analog Abs. 2 2. HS i. V. m. §§ 346 ff. BGB,657 aus dem Vertrag658 und § 812 BGB659 i. V. m. § 818 Abs. 3 BGB660 zurückgewähren. Zur Beweislast s. u.

9. Analoge Anwendung des § 87a Abs. 3 auf den Makler 110 § 87a Abs. 3 und die Obliegenheit des Versicherers zu Stornogefahrmitteilungen ist auch auf den Makler anwendbar, wenn er eine dem HV ähnliche Rechtsstellung einnimmt.661 Die meisten Entscheidungen zu dieser Frage betreffen den Versicherungsvertrieb. Darauf ist die Analogie jedoch nicht beschränkt. Jedenfalls kann der Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Einzelfall Anlass für eine analoge Anwendung geben.662 Das hängt von den Umständen des

654 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 20; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 7; Hopt § 87a Rn 20; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 31. 655 Westphal I Rn 546. 656 Westphal I Rn 544. 657 BGH, Urt. v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 = NJW 2017, 3521 = BB 2017, 2191 m. Anm. Ayad = EWiR 2017, 593 (Emde) Rn 46; v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07 Rn 15, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht2 § 87a Rn 67; Hopt § 92 Rn 10; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 32; aA Oetker/Busche5 § 87a Rn 24 – keine planwidrige Lücke. 658 OLG München VersR 1975, 150; Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 33; aA Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 92 Rn 15; offenbar auch OLG Köln VersR 1976, 87; 1974, 287; OLG Frankfurt/M. DB 1977, 1170; Hopt § 92 Rn 10: Anspruch aus § 87a Abs. 2 Hs 2 analog. 659 OLG Köln VersR 1974, 287; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 67; aA Ebenroth/Löwisch3 § 92 Rn 33: kein Bereicherungsanspruch. 660 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 67; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 19; aA Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 32. 661 Dafür: OLG Celle, Urt. v. 5.11.2009 – 11 U 119/09, BeckRS 2011, 01178; OLG Hamm, Urt. v. 21.1.1999 – 18 U 109/ 98, BeckRS 2005, 08775 unter I 2b; NJW-RR 1997, 1482 (1483); NJW-RR 1994, 1306 f.; OLG Saarbrücken OLGR 1997, 334 (335 f.); LG Magdeburg, Urt. v. 16.7.2013 – 11 O 306/13, BeckRS 2013, 18238; gegen die Analogie KG, Urt. v. 14.1.1999 – 10 U 7263/97 Rn 7; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 18.4.1997 – 24 U 115/95, r + s 1998, 439; Hopt § 93 Rn 7; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 5; in diesem Sinne auch BGH, Urt. v. 13.6.1951 – II ZR 107/50, BGHZ 2, 281 (283 f.); RGZ 95, 134 (137) m. w. N., jeweils zu § 88 HGB a. F.; tendenziell wohl ebenfalls aA (unanwendbar) BAG NJW 2000, 2372 (2373) OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, NJW-RR 2016, 1315 Rn 47 – aber § 242 BGB. 662 BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09 Rn 17 f; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2016 – I-16 U 187/14, NJW-RR 2016, 1315 Rn 50; OLG Frankfurt/M. OLGR 1997, 133 f; LG Magdeburg, Urt. v. 16.7.2013 – 11 O 306/13, BeckRS 2013, 18238; AG München, Urt. v. 24.3.2004 – 132 C 35109/03, VersR 2005, 1688; Staub/Thiessen § 93 Rn 167. Emde

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§ 87a

Einzelfalls ab und bestimmt der Tatrichter.663 Beispiel: laufende Zahlung von Courtagevorschüssen, Organisationsentgelt und Bestandspflegegeld, Einbindung in die Organisationsstruktur des Unternehmers.664

G. Fälligkeit der Provision (§ 87a Abs. 4) Für Provisionen, auch wenn sie nicht von einer konkreten Tätigkeit abhängen (wie z. B. Be- 111 zirks-, Verwaltungs-665 und Dynamikprovision), einschließlich des nach § 87a Abs. 1 bis 3 verfestigten Provisionsanspruches, Provisionsvorschüsse666 und sonstige vom Unternehmer gewährte Leistungen,667 z. B. Zuschüsse, Boni und Beihilfen,668 gilt: Die Fälligkeit aller im Abrechnungszeitraum entstandenen Ansprüche tritt nach § 87a Abs. 4 im Regelfall am letzten Tag des dem Rechtsgrund der Zahlungspflicht folgenden Monats ein,669 und zwar ipso iure und unabhängig davon, ob tatsächlich abgerechnet wird.670 Haben die Parteien den Abrechnungszeitraum auf die Höchstdauer des § 87c Abs. 1 S. 1 2. Hs. von 3 Monaten verlängert, wird die Fälligkeit bis zum Ende des 4. Monats nach dem Rechtsgrund herausgezögert. Eine im Laufe des Monats Januar nach § 87a endgültig entstandene Provision wird bei monatlicher Abrechnung Ende Februar, bei quartalsmäßiger Abrechnung Ende April fällig. Fälligkeit und Abrechnungszeitpunkt treten folglich zum selben Datum ein.671 Alle in den Abrechnungszeitraum fallenden Einzelprovisionsansprüche werden ohne Rücksicht auf ihr Entstehen einheitlich fällig.672 Diese Koppelung mit dem Abrechnungsturnus ist nach Abs. 5 zwingend; zur Disposition der Parteien steht einzig (§ 87c Abs. 5, § 87a Abs. 1 S. 1 Hs. 2), den Abrechnungsturnus zwischen einem Monat und drei Monaten variieren zu lassen. Es ist also nicht möglich, die Fälligkeit etwa auf jeweils drei Monate nach Entstehen des Anspruchs festzusetzen, weil die Abrechnung auch jene Ansprüche zu umfassen hat, die etwa am letzten Tage der Abrechnungsperiode entstanden sind. Zwar sieht § 87a Abs. 1 vor, dass die Provision begründet wird, sobald und soweit der Unter- 112 nehmer das Geschäft ausgeführt hat. Gem. § 87a Abs. 4 ist der Anspruch jedoch erst am letzten Tag des Monats fällig, in welchem über ihn abzurechnen ist. Fälligkeit nach § 87a Abs. 4 und Anspruchsbegründung nach § 87a Abs. 1 können also differieren. Die Anknüpfung an die in § 87a Abs. 1 genannte „Begründung“ und nicht die Fälligkeit kann bei Begründung im Vorjahr und Fälligkeit gem. § 87a Abs. 4 im Folgejahr zu einer Verkürzung der Verjährungsfrist von einem Jahr führen. Weder dieser Umstand noch die Tatsache, dass die Überschrift des § 87a – nicht der Normtext – für die Begründung des Provisionsanspruchs das § 199 Abs. 1 BGB spiegelnde Wort „Entstehen“ verwendet, zwingen dazu, abweichend von der oben postulierten Grundregel, unter „Entstehen“ i. S. d. § 199 Abs. 1 BGB etwas anderes als den Zeitpunkt der ebenfalls in § 87a (Abs. 4) geregelten Fälligkeit zu verstehen.673 Sonst würde die Provision verjähren, ehe sie gefordert werden darf. Die Verfasser des § 199 Abs. 1 BGB werden bei Fertigung

663 664 665 666 667 668 669 670

BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09 Rn 17 f. BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09 Rn 18. AA Oetker/Busche5 § 87a Rn 25. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 45. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 45. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 45. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 45. Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 27. Undeutlich Löwisch IHR 2017, 192 (194): Mit Erhalt der Abrechnungen werden die Provisionen fällig. 671 Westphal I Rn 620. 672 Hopt § 87b Rn 31. 673 AA Röhricht/Graf v. Westphalen/Thume4 § 87a Rn 33. 1011

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1. Buch. Handelsstand

ihres Entwurfes kaum in die noch dazu vom Text abweichende Überschrift des § 87a gesehen und den Wortlaut des § 199 Abs. 1 BGB auf jene Titulierung bezogen haben.674 113 Eine kalendermäßige Fälligkeit i. S. v. § 284 Abs. 2 BGB wird hierdurch nicht begründet. Dies deshalb nicht, weil der Eintritt der Bedingung für das endgültige Entstehen des Anspruchs nach § 87a – man denke nur an den Tatbestand des Abs. 3 S. 1 –, von welchem ab die Fälligkeit sich allenfalls errechnen ließe, seinerseits kalendermäßig nicht fixiert ist.675 Zur Herbeiführung des Verzuges bedarf es hiernach einer Mahnung.676

H. Verjährung 114 Generell zur Verjährung s. Kommentierung zu Vor § 84. Die Verjährung aller Provisionsansprüche, auch des Anspruchs auf Delkrederprovision,677 richtet sich nach § 195 BGB.678 Vor Kenntnis oder Kennenmüssen der Provisionsansprüche können weder das Hauptrecht noch Informationsansprüche als Hilfsrechte innerhalb der Regelverjährungsfrist verjähren. Denn ohne Kenntnis kann zwar der Lauf der Verjährung nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnen, nicht jedoch der gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Bei Provisionsforderungen als Hauptrecht ist neben dem nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB verjährungsauslösenden Entstehen des Provisionsrechts – es entsteht regelmäßig mit Fälligkeit – Voraussetzung des Verjährungslaufs (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB), dass der HV durch eine Abrechnung679 nach § 87c Abs. 1 vollständig, unmissverständlich und deutlich Kenntnis680 seines Anspruchs erhält.681 Die Verjährung nicht in der Abrechnung genannter Provisionen beginnt nicht zu laufen. Jede andere Kenntnis hervorrufende Information muss sich am Leitbild der Abrechnung messen lassen und eine ähnliche Informationstiefe und Deutlichkeit aufweisen. Fehlt eine solche Information, beginnt die Verjährung erst zum Schluss des Jahres zu laufen, in welchem der HV erstmals Anlass hatte, an der Richtigkeit und Vollständigkeit der übermittelten Abrechnung bzw. Provisionshöhe zu zweifeln („Kennenmüssen“ i. S. d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).682 Wann der Unternehmer von einem abrechnungsfähigen Zustand Kenntnis i. S. d. § 199 BGB erlangt hat, muss er zumindest im Rahmen der sekundären Darlegungslast vortragen. Denn es handelt sich um einen Umstand aus seinem Wahrnehmungsbereich.683 Wird ein Vergütungstatbestand in der Abrechnung genannt, genügt der Hinweis auf diese. Sind dem HV verdiente Provisionen, etwa aufgrund einer Abrechnung, welche einen unrichtigen Provisionssatz nennt, nach ihrem Rechtsgrund bekannt und existiert nur Streit über die Provisionshöhe, so besteht i. d. R. Kenntnis und die Verjährung beginnt zu laufen.684 Der Streit setzt Kenntnis voraus. In dieser Situation könnte der HV zumindest eine Stufenklage, in erster Stufe z. B. gerichtet auf einen Buchauszug, erheben. Etwas anderes mag vertreten werden, falls es für Kenntnis oder Kennenmüssen gerade auf die Provisionshöhe ankommt, sie 674 Emde VersR 2009, 889 (894). 675 BGH, Urt. v. 9.4.1962 – VII ZR 162/60, DB 1962, 699 = BB 1962, 543; OLG Oldenburg NJW 1959, 888 = DB 1959, 138; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 73; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 45; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 20; Hopt § 87a Rn 34; Oetker/Busche5 § 87a Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 60; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 43. 676 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 73. 677 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 86b Rn 39. 678 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 75. 679 Vgl. Klapperich in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht2 2011, § 2 Rn 331. 680 Der HV braucht sich die Existenz seiner Provisionsansprüche nicht zusammenzureimen. 681 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.10.2012 – I-16 U 150/11, ZVertriebsR 2013, 53 m. Anm. Semler = BeckRS 2012, 22930; Emde VersR 2009, 889 (894); Graefe ZVertriebsR 2015, 227 (228). 682 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.10.2012 – I-16 U 150/11, ZVertriebsR 2013, 53 m. Anm. Semler = BeckRS 2012, 22930; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 45. 683 OLG Köln, Urt. v. 15.2.2019 – 19 U 135/18, zit. nach Evers VW 5/2019, 92. 684 Vgl. Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 602. Emde

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§ 87a

führt zur Hemmung der Verjährung (nur) hinsichtlich aller auf zweiter Stufe geltend gemachter Ansprüche (s. Kommentierung zu § 87c). Dass der HV auch ohne Abrechnung theoretisch „auf Verdacht“ Kontrollrechte hätte geltend machen und eine Stufenklage685 erheben können, reicht für Kenntnis noch Kennenmüssen nur aus, wenn der HV entweder sichere Kenntnis der Provisionsentstehung hatte oder mit ihr rechnen musste.686 Zu einer solchen Stufenklage ist der HV nicht verpflichtet und auch nicht i. S. einer Obliegenheit gehalten. Im Gegenteil: bei der unmotivierten Geltendmachung eines Informationsrechts könnte an Rechtsmissbrauch gedacht werden. Besonders strenge Voraussetzungen sind zu Lasten des Unternehmers an Kenntnis oder Kennenmüssen zu stellen, wenn es um dem HV meist unbekannte Provisionsansprüche, etwa Bezirks-687 und Dynamikprovisionen, sowie Provisionen in den Fällen der § 87a Abs. 2 und 3 (Nichtzahlung von Kunden, Nichtausführung von Geschäften, Gutschriften und Stornos) geht. Deshalb beweist die monatliche Provisionsabrechnung nicht immer die erforderliche Kenntnis,688 gerade beim Bezirksvertreter.689 Der Unternehmer könnte im Gebiet bzw. Bezirk des HV eigene Geschäfte abschließen, von denen der HV nicht ohne weiteres Kenntnis erlangen musste und deren Fehlen auf den Provisionsabrechnungen ihm auch nicht auffallen konnte bzw. musste.690 Regelmäßig darf davon ausgegangen werden, dass Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen erst eintritt, sobald der HV über die tatsächlichen Umstände der Nicht- oder Andersausführung bzw. die Nichtzahlung hinreichend präzise informiert wurde. Das mag etwa in Buchauszugs- oder Bucheinsichtform geschehen. Seit der Schuldrechtsnovelle 2002 gilt aber die 10jährige Höchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB. Nach einer besonders strengen Auffassung691 genügt für die Kenntnis des HV von den den Provisionsanspruch begründenden Tatsachen die Abrechnung über die Provision nicht: Ob die Abrechnungen ordnungsgemäß und vollständig sind, könne der HV erst anhand des Buchauszugs kontrollieren.692 Wolle man für den Beginn der Verjährung des Provisionsanspruchs auf die Erteilung der Abrechnung abstellen, wäre der HV gezwungen, sein Recht binnen 3 Jahren ab Ende des Jahres, in dem die Abrechnung erteilt worden ist, auszuüben. Hierzu sei der HV jedoch nicht verpflichtet.693 Ein im Rahmen eines Kontokorrents abgegebenes Saldoanerkenntnis soll nicht von einer Verjährungsverkürzungsklausel erfasst werden. Die abgekürzte Frist soll nur für Einzelforderungen gelten, nicht für anerkannte Salden.694 Durch die verkürzte Frist sollen etwaige Unklarheiten beseitigt werden, die nach dem Anerkenntnis nicht mehr bestehen.695

I. Provisionsansprüche in der Insolvenz Vgl. zunächst d. Kommentierung zu § 89. Die insolvenzrechtliche Stellung des HV wurde in der 115 RL nicht geregelt. Sie richtet sich nach nationalem Recht.696

685 Die Möglichkeit, eine Stufenklage zu erheben, genügt grundsätzlich, vgl. Glanegger/Ruß § 87 Rn 12. Aber der HV muss auch Anlass haben, das Kontrollrecht einzufordern, siehe Rn 485. Vgl. Emde VersR 2009, 889 (894). OLG München, Urt. v. 3.11.2010 – 7 U 3083/10, BeckRS 2010, 27223. OLG München, Urt. v. 3.11.2010 – 7 U 3083/10, BeckRS 2010, 27223. OLG München, Urt. v. 3.11.2010 – 7 U 3083/10, BeckRS 2010, 27223. OLG München, Urt. v. 3.11.2010 – 7 U 3083/10, BeckRS 2010, 27223. LG Berlin, Urt. v. 14.7.2014 – 99 O 79/13, ZVertriebsR 2015, 309 (310). LG Berlin, Urt. v. 14.7.2014 – 99 O 79/13, ZVertriebsR 2015, 309 (310); Harten ZVertriebsR 2015, 288 (289). LG Berlin, Urt. v. 14.7.2014 – 99 O 79/13, ZVertriebsR 2015, 309 (310). OLG Köln, Urt. v. 15.2.2019 – 19 U 135/18, zit. nach Evers VW 5/2019, 92. OLG Köln, Urt. v. 15.2.2019 – 19 U 135/18, zit. nach Evers VW 5/2019, 92. Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 26.

686 687 688 689 690 691 692 693 694 695 696

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I. Insolvenz des Unternehmers697 116 Vor Eröffnung des InsV begründete Provisionsforderungen sind im Grundsatz einfache Insolvenzforderungen i. S. d. § 38 InsO.698 Das gilt auch, falls der HV die Eröffnung des InsV nicht kennt.699 Der Provisionsanspruch des HV ist immer dann privilegierte Masseforderung, wenn er auf eine Tätigkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgeht. Die insolvenzrechtliche Einordnung von Ansprüchen, die aus einer Tätigkeit des HV vor Verfahrenseröffnung hervorgehen, hängt dagegen maßgeblich vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Dritten bzw. der Vertragsdurchführung ab. Für den speziellen Fall von Bezirks- oder Kundenschutzprovisionsansprüchen nach § 87 Abs. 2 ist anzumerken, dass solche von vornherein nicht zur Entstehung gelangen, wenn die abgeschlossenen Geschäfte lediglich der Abwendung der Insolvenz des Unternehmers dienen.700 117 Im Übrigen sind die nachfolgend erläuterten Konstellationen zu unterscheiden701:

1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Vertragsschluss 118 In jener Situation wird der HV vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens tätig, der von ihm vermittelte Vertrag zwischen Unternehmer und Drittem ist im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber noch nicht abgeschlossen. Innerhalb dieser Konstellation ist zu unterscheiden, ob die Ausführung des Geschäftes endgültig unterbleibt, eine Notgeschäftsführung (Rn 89) vorliegt, der inzwischen eingesetzte Insolvenzverwalter den Vertrag mit dem Unternehmer abschließt oder die Voraussetzungen einer GoA vorliegen.

119 a) Geschäftsausführung unterbleibt endgültig. Kommt es nicht zu einer Geschäftsausführung durch den Unternehmer, so entstehen auf Seiten des HV keine Ansprüche auf Zahlung einer Provision. Der Provisionsanspruch ist aufschiebend bedingt und die Bedingung der „Geschäftsausführung“ i. S. d. § 87a Abs. 1 nicht eingetreten. Die insolvenzrechtliche Einordnung erübrigt sich.

120 b) Notgeschäftsführung. Die aus der Zeit einer sog. Notgeschäftsführung resultierenden Ersatz- und Vergütungsansprüche des HV ordnet die InsO als vorab zu befriedigende Masseforderungen ein (§ 116 S. 2 i. V. m. § 115 Abs. 2 S. 3).702 Sonst hätte der HV keinerlei Anreiz, tätig zu werden, sofern ihm aus der Tätigkeit bloß einfache Insolvenzforderungen entstünden, deren Realisierung im InsV nicht erwartet werden kann. Zudem spricht für die Einordnung als Masseverbindlichkeit, dass der HV im Rahmen der Notgeschäftsführung im eigentlichen Verantwortungsbereich des Insolvenzverwalters tätig wird, weil er lediglich solche Geschäfte vorzunehmen hat, die der Verwalter selbst vornehmen müsste, wenn er dazu rechtzeitig in der Lage wäre. Dann aber wäre § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO einschlägig, wonach solche Forderungen Masseverbindlichkeiten darstellen, die aus einer Tätigkeit des Verwalters resultieren.703

697 Emde/Kelm ZIP 2005, 58 (60 ff.), zur KO vgl. Holling DB 1957, 349; s. a. schon Withake JW 1935, 2915. 698 Wagner/Wexler-Uhlich BB 2010, 2454 (2457); Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 46; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 89.

699 Wagner/Wexler-Uhlich BB 2010, 2454 (2457); Emde/Kelm ZIP 2005, 58 (59); Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 47; vgl. auch Hoffstadt DB 1983, 645 (646); Holling DB 1957, 349 zu Ziff. 4).

700 RG, Urt. v. 3.3.1933 – II 276/32, RGZ 140, 80 (82 f.); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 68. 701 Siehe Emde/Kelm ZIP 2005, 58 (60 ff.). 702 Wagner/Wexler-Uhlich BB 2010, 2454 (2458); Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 49; vgl. auch Hoffstadt DB 1983, 645 (646); Holling DB 1957, 349 zu Ziff. 3.

703 MünchKommInsO/Ott § 116 Rn 16. Emde

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c) Insolvenzverwalter schließt Vertrag ab. Schließt der Insolvenzverwalter den vom HV an- 121 gebahnten Vertrag mit dem Dritten ab, so ist der Provisionsanspruch des HV als vorab zu befriedigende Masseforderung nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO einzustufen.704 Der InsV wird sich dazu entschließen, sofern der Antrag des Kunden noch nicht erloschen ist und das Geschäft für die Masse vorteilhaft erscheint. Obwohl die Leistung des HV vor Beginn des Insolvenzverfahrens erfolgt, ist dieses Ergebnis auch sachlich gerechtfertigt, da der Verwalter nicht besser gestellt sein darf als der Insolvenzschuldner. Der Insolvenzschuldner wäre im Falle des Vertragsschlusses mit dem Dritten aber zur vollumfänglichen Befriedigung der Provisionsforderung verpflichtet. d) Geschäftsführung ohne Auftrag. Vermittelt der HV – ggf. sogar in Kenntnis der Eröffnung 122 des InsV – und ohne Absprache mit dem Insolvenzverwalter neue Geschäfte, so können sich Provisions- und andere Ansprüche nach den Regeln der GoA ergeben, auch sofern keine konkludente Fortsetzung des Vertrags oder lediglich ein Maklervertrag anzunehmen ist. Ob die Grundsätze des faktischen Vertrages die Vergütung des HV sichert, erscheint eher zweifelhaft. Eine Vergütung nach GoA setzt voraus, dass das vermittelte Geschäft im Interesse der Insolvenzmasse steht. In diesem Fall sind die resultierenden Ansprüche vorab zu befriedigende Masseforderungen.705 Der HV ist so zu stellen, als wenn der Insolvenzverwalter ihn mit der Vermittlung des Geschäfts beauftragt hätte. Ansprüche, die auf solchen Handlungen des Verwalters beruhen, sind Masseforderungen i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Liegen die Voraussetzungen einer berechtigten GoA nicht vor, ist die Herausgabepflicht des Gemeinschuldners gem. § 684 S. 1 BGB Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Durch die unberechtigte Geschäftsführung des HV wurde die Masse nämlich rechtsgrundlos bereichert.706 2. Verfahrenseröffnung nach Vertragsschluss Zur Notgeschäftsführung und GoA gelten die oben wiedergegebenen Ausführungen. Bei der Ein- 123 ordnung der in dieser Konstellation entstehenden Provisionen ist im Übrigen danach zu differenzieren, wie der Insolvenzverwalter sich im Rahmen des ihm zustehenden Wahlrechts nach § 103 InsO entscheidet. Es ist mithin danach zu differenzieren, ob der Insolvenzverwalter die Ausführung des geschlossenen Vertrages ablehnt oder die Erfüllung des Vertrages wählt.

a) Insolvenzverwalter lehnt Vertragsausführung ab. Lehnt der Insolvenzverwalter die Ver- 124 tragsdurchführung ab, so wirft dies zunächst die Frage auf, ob überhaupt ein Provisionsanspruch entsteht, da der Eintritt der aufschiebenden Bedingung der „Geschäftsausführung“ unterbleibt.707 Grundsätzlich besteht ein Provisionsanspruch aber auch, falls feststeht, dass das provisionspflichtig zustande gekommene Geschäft nicht ausgeführt wird (§ 87a Abs. 3 S. 1). Der Provisionsanspruch entfällt wiederum, wenn und soweit die Nichtausführung des Vertrages auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind (§ 87a Abs. 3 S. 2). Stellt man auf die Entscheidung des Insolvenzverwalters ab, war diese vorsätzlich, d. h. zu vertreten. Andererseits ist dem Insolvenzverwalter das Wahlrecht im alleinigen Interesse der Masse gegeben, für diese den übersteigenden Wert der Gegenleistung des Vertragspartners zu realisieren. Nicht 704 Wagner/Wexler-Uhlich BB 2010, 2454 (2457); Uhlenbruck/Berscheid § 55 Rn 9; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 80; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 642; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 90; Westphal I Rn 705, zu § 59 KO; ebenso: Holling DB 1957, 349 zu Ziff. 2. 705 Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 49; Hoffstadt DB 1983, 645 (646). 706 Staudinger/Wittmann (1995) § 683 Rn 8, zu § 59 Nr. 4 KO. 707 Emde/Kelm ZIP 2005, 58 (60 ff.). 1015

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aber ist es ihm im Interesse des HV gegeben, um jenen vor anderen Gläubigern zu bevorzugen.708 Sieht man den Insolvenzeintritt als Anknüpfungsfaktor, so dürfte der Unternehmer die eigene Insolvenz regelmäßig zu vertreten haben.709 Dass es auch eine nicht zu vertretende Insolvenz gibt, ist allerdings ebenfalls denkbar.710 So hat bereits das RG die Möglichkeit einer schuldlos verursachten Insolvenz angenommen.711 Dann würde in den Vordergrund gerückt, dass der Entstehungsgrund der Provisionsforderung aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung herrührt, in der er gelegt worden ist, und dass die Provision als bedingt entstandene in die Insolvenz hineingegangen ist. Grundsätzlich ist die Insolvenz jedoch der Risikosphäre des jeweils das Unternehmen Leitenden zuzuordnen, so dass regelmäßig auch von einem Vertretenmüssen auszugehen ist, der Provisionsanspruch des HV mithin bestehen bleibt.712 Eine nicht zu vertretende Insolvenz kann ausnahmsweise vorliegen, wenn sie im konkreten Einzelfall allein auf äußeren Umständen beruht, die nicht der Risikosphäre des Unternehmers zuzurechnen sind. Staub/Brüggemann 4. Aufl.713 vertrat, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers werde dieser nur dann nicht zu vertreten haben – mit der Wirkung, dass der Insolvenzverwalter eine hierauf gestützte Einwendung der Geltendmachung der Provisionsforderung im Prozess um die Berechtigung der Anmeldung zur Tabelle entgegensetzen dürfe –, wenn der finanzielle Zusammenbruch auf Umstände zurückzuführen war, die eine höhere Gewalt darstellten. Hierzu könnten auch Kettenzusammenbrüche zählen. Der Insolvenzverwalter muss in diesem Fall vortragen sowie den Beweis erbringen, dass die Insolvenz auf solchen, vom Unternehmer nicht zu vertretenden äußeren Umständen beruht.714 Nur unter diesen Voraussetzungen entfällt der Provisionsanspruch ausnahmsweise gem. § 87a Abs. 3 S. 1. Bleibt der Provisionsanspruch dagegen bestehen, so ist er einfache Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO.715

125 b) Insolvenzverwalter wählt Erfüllung. Mit der vom Insolvenzverwalter veranlassten Ausführung des Vertrages tritt die aufschiebende Bedingung i. S. d. § 87a Abs. 1 ein und sämtliche Voraussetzungen für die Entstehung des Provisionsanspruchs sind erfüllt, vorausgesetzt, dass es keine abweichenden Vereinbarungen im Vertretervertrag gibt.716 Die Frage ist, ob der so ent-

708 Weiteres Argument von Staub/Brüggemann 4. Aufl.: Das Wahlrecht verlängert wirtschaftlich die durch das Wahlrecht des Verwalters substituierte Entscheidungsfreiheit des Unternehmers: Die Freiheit der Entschließung, das Vertragsangebot anzunehmen oder abzulehnen, war vor wie nach Insolvenzeröffnung, für den Unternehmer dort wie für den Insolvenzverwalter hier, in gleicher Weise gegeben. Erst nach Abschluss des Geschäfts wäre der Unternehmer nicht mehr frei gewesen; er hätte erfüllen müssen. Im Gegensatz hierzu ist dem Insolvenzverwalter auch jetzt noch das Recht der Wahl eingeräumt, ob er zum Vertrage stehen wolle oder nicht. 709 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde); Hoffstadt DB 1983, 645 (647); Westphal I Rn 703; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 31; Hopt § 87a Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 54. 710 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = EWiR 2008, 559 (Emde) – dort offen gelassen; AG Bonn, Urt. v. 10.6.2010 – 103 C 470/09; BeckRS 2011, 04575 (dort allerdings nicht entscheidungserheblich, da es nicht um eine Unternehmerinsolvenz ging); Emde/Kelm ZIP 2005, 58 (60 ff.); Hopt § 87a Rn 26; Küstner/ Thume/Thume I5 Kap. V Rn 647; Hoffstadt DB 1983, 645 (647); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 31. 711 Urt. v. 16.3.1906, RGZ 63, 69 (71 f.); Abgrenzung in BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = EWiR 2008, 559 (Emde). 712 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 23; Hopt § 87a Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 54. 713 § 87a Rn 31. 714 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, ZIP 2008, 1081 = WM 2008, 923 = BB 2008, 1030 m. Anm. Hilgard = EWiR 2008, 559 (Emde); Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 647; Holling DB 1957, 349. 715 Kampf Handelsvertreter und Insolvenz, Diss. iur. Mainz 2004, S. 51;HK/Ruß § 87a Rn 8; Westphal I Rn 703; Schlegelberger/Schröder § 89 Rn 41c; Holling DB 1957, 349 zu Ziff. 5b. 716 Emde/Kelm ZIP 2005, 58 (60 ff.). Emde

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standene Provisionsanspruch vorweg vollumfänglich zu befriedigende Masseforderung oder bloß einfache Insolvenzforderung ist. An eine Masseforderung ist zu denken, weil eine Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 126 Nr. 2 InsO vorliegt, sofern der Insolvenzverwalter, wie hier, die Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages zur Insolvenzmasse verlangt. Andererseits ist eine Forderung nach § 38 InsO einfache Insolvenzforderung, falls sie zur Zeit der Verfahrenseröffnung „begründet“ ist. Bedingt entstandene Ansprüche, wie der Provisionsanspruch, sind ebenfalls „begründete“ Ansprüche i. S. d. § 38 InsO.717 Der BGH hatte den Provisionsanspruch als einfache Konkursforderung damaligen Rechts 127 eingestuft,718 weil er bereits mit Abschluss des Vertrages zwischen Unternehmer und Drittem entstanden und in diesem Zeitpunkt nach Grund und Berechnungsfuß festgelegt sei. Der HV habe zu diesem Zeitpunkt eine gefestigte Rechtsposition und das Erfüllungsverlangen des Konkursverwalters beeinflusse den Provisionsanspruch nicht.719 Dieser Einschätzung wird entgegengehalten, dass der Insolvenzverwalter den Anspruch durch das ihm zustehende Wahlrecht sehr wohl beeinflussen kann, indem er sich für die Nichtdurchführung des Vertrages entscheidet.720 Das Wahlrecht ist aber einzig im Interesse der Masse auszuüben, nicht dagegen im Interesse des HV, um diesem eine privilegierte Masseforderung einzuräumen. Auch bleibt der Provisionsanspruch gem. § 87a Abs. 3 grundsätzlich bestehen, es sei denn, es liegt ausnahmsweise ein Fall einer nicht zu vertretenden Insolvenz auf Seiten des Unternehmers vor. Hieraus folgt, dass die Rechtsposition des HV jedenfalls im Grundsatz nicht gefährdet ist. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise erscheint es richtig, die Provisionsforderung 128 als einfache Insolvenzforderung einzuordnen. Die wirtschaftliche Position der Gesamtheit aller Gläubiger wird dadurch verbessert, dass die Vorteile des abgeschlossenen Geschäfts der Masse zu Gute kommen, während die damit einhergehenden Nachteile, d. h. die Provisionsforderung, die Masse nicht belasten, sondern als einfache Insolvenzforderungen abgewickelt werden können. Durch die Vermittlungstätigkeit entsteht der Insolvenzmasse auch kein zusätzlicher wirtschaftlicher Vorteil.721 Die Entscheidung des Insolvenzverwalters für die Erfüllung des Vertrages erhält der Insolvenzmasse lediglich den Vorteil, den der Insolvenzschuldner sowieso gehabt hätte.722 Im Ergebnis ist der Provisionsanspruch auch hier als einfache Insolvenzforderung zu qualifizieren.723

3. Insolvenzeröffnung erfolgt nach Vertragsschluss und -durchführung Erfolgt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst, nachdem der vermittelte Vertrag abgeschlos- 129 sen und durchgeführt wurde, so sind wiederum verschiedene Konstellationen zu unterscheiden.724 Ist das provisionspflichtig zustande gekommene Geschäft im Zeitpunkt der Verfahrenseröff- 130 nung bereits ausgeführt, so ist der Provisionsanspruch gem. § 87a Abs. 3 S. 1 unbedingt entstanden, die Provisionsforderung unzweifelhaft als einfache Insolvenzforderung zu qualifizieren.

717 Bäuerle in: Braun, InsO, § 38 Rn 6. 718 Gem. § 61 Abs. 1 Nr. 6 der zum damaligen Zeitpunkt anwendbaren Konkursordnung. 719 BGH, Urt. v. 21.12.1989 – IX ZR 66/89, NJW 1990, 1665; Uhlenbruck/Berscheid § 55 Rn 9; Weis in: Hess/Weis/ Wienberg § 55 Rn 33; Schlegelberger/Schröder § 89 Rn 41c; aA: HK/Ruß § 87 Rn 2a; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87 Rn 30; Holling DB 1957, 349 zu Ziff. 2. 720 Küstner/Thume/Thume I5Kap. V Rn 649 f. 721 Hopt § 87 Rn 51. 722 BGH, Urt. v. 21.12.1989 – IX ZR 66/89, NJW 1990, 1665. 723 So auch Wagner/Wexler-Uhlich BB 2010, 2454 (2457); Westphal I Rn 702; Uhlenbruck/Berscheid § 55 Rn 9; Weis in: Hess/Weis/Wienberg, § 55 Rn 33; Eickmann in: HK-InsO, 3. Aufl. 2003, § 55 Rn 18. 724 Vgl. hierzu insb. Emde/Kelm ZIP 2005, 58 (60 ff.); Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 655 f. 1017

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HV und Unternehmer können in Abweichung von § 87a Abs. 3 S. 1 aber auch vereinbaren, dass nicht die Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer, sondern erst die Ausführung durch den Dritten die Unbedingtheit des Provisionsanspruchs herbeiführt. Leistet der Dritte nach der Geschäftsausführung durch den Unternehmer und vor der Verfahrenseröffnung, indem er etwa den vereinbarten Kaufpreis zahlt, so besteht kein Unterschied zur obigen Konstellation, der Provisionsanspruch ist unzweifelhaft einfache Insolvenzforderung. 131 Leistet der Dritte erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so wird der bis dato nur bedingt entstandene Anspruch auch erst mit der Verfahrenseröffnung unbedingt. Der resultierende Provisionsanspruch ist aber dennoch als einfache Insolvenzforderung einzuordnen. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es darauf an, ob im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung das vermittelte Geschäft abgeschlossen ist.725 Besitzt der HV gegen seinen Unternehmer einen Anspruch auf Zahlung eines Provisionsvor132 schusses nach § 87a Abs. 1 S. 2, so stellt dieser Anspruch eine einfache Insolvenzforderung dar.726

4. Insolvenzeröffnung nach vollständiger Vertragsabwicklung zwischen Unternehmer und Dritten 133 Hiermit ist die Konstellation gemeint, dass das vermittelte Geschäft zwar vollumfänglich durchgeführt, der Provisionsanspruch des HV aber noch nicht abgerechnet worden ist. Die eigentlichen Provisionsansprüche sind auch hier wiederum nur einfache Insolvenzforderungen. Es sind sämtliche Anspruchsvoraussetzungen bereits vor der Verfahrenseröffnung eingetreten.

5. Abschließende Betrachtung des Provisionsanspruchs im Insolvenzverfahren 134 Provisionsansprüche des HV sind nur dann vorab in vollem Umfang zu befriedigende Masseforderungen i. S. d. §§ 53 f. InsO, wenn sie aus der Vermittlung eines Geschäfts hervorgehen, welches auf einem neuen HV-Vertrag mit dem Insolvenzverwalter beruht.727 Hierbei stellt sich die Frage, ob ein Insolvenzverwalter tatsächlich bereit ist, einen neuen Vertrag abzuschließen. Eine zögerliche Bereitschaft der Insolvenzverwalter zum erneuten Vertragsschluss mit den HV des insolventen Unternehmens dürfte sich daraus erklären, dass der Insolvenzverwalter sich einem zusätzlichen Haftungsrisiko aussetzt. Für die durch ihn begründeten Masseverbindlichkeiten ist er dem Massegläubiger gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet, falls die Masseverbindlichkeit aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden kann und der Insolvenzverwalter dies erkennen konnte (vgl. § 61 InsO). Demgegenüber kann der HV zusätzlichen Anreiz für den Abschluss eines neuen Vertrages schaffen, indem er sich flexibel zeigt. So darf er etwa im Voraus auf den Schadensersatzanspruch gem. § 61 InsO verzichten, um das Haftungsrisiko des Insolvenzverwalters zu verringern. Denkbar ist auch eine Vertragsgestaltung derart, dass der HV Provisionsansprüche nur für so genannte „Erstgeschäfte“ mit neu geworbenen Kunden erhält. In diesem Fall entsteht kein Ausgleichsanspruch gem. § 89b, so dass es nicht zu der befürchteten Unüberschaubarkeit der Masseverbindlichkeiten kommen kann. Hierin ist keine unzulässige Umgehung des Grundsatzes der Unabdingbarkeit des Ausgleichsanspruches zu sehen.728

725 BGH, Urt. v. 21.12.1989 – IX ZR 66/89, NJW 1990, 1665. 726 Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 659. 727 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 123; Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 80; Küstner/Thume/Thume I5 Kap. V Rn 632. 728 Röhricht/Graf v. Westphalen/Küstner2 § 89b Rn 93. Emde

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6. § 25 Der Grundsatz, dass der Erwerb eines Handelsunternehmens aus der Hand des Insolvenzverwal- 135 ters die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 ausschließt, gilt auch gegenüber dem Anspruch eines HV aus § 87a.729

II. Insolvenz des Handelsvertreters Sämtliche Provisionsansprüche des HV fallen gem. § 35 InsO in die Insolvenzmasse.730 Sie stel- 136 len kein insolvenzfreies Vermögen dar und stehen somit zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung. Im Unterschied zur Insolvenz des Unternehmers erfolgt die insolvenzrechtliche Einordnung unabhängig vom Zeitpunkt der Entstehung oder des Unbedingtwerdens des jeweiligen Anspruchs.731 Der Grund liegt darin, dass die InsO auch den so genannten Neuerwerb des Gemeinschuldners, also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangtes Vermögen, in die Insolvenzmasse mit einbezieht, während unter der Geltung der KO bis zum 31.12.1998 lediglich das zum Zeitpunkt der Eröffnung vorhandene Vermögen in die Konkursmasse floss.

III. Insolvenz des Kunden Fraglich ist, welche Folgen es hat, wenn der von dem HV vermittelte Kunde insolvent wird. 137 Erbringt der Geschäftspartner des Unternehmers die vertragsgemäße Leistung, so entsteht unproblematisch der Provisionsanspruch des HV gegen den Unternehmer gem. §§ 87, 87a. Der vertretene Unternehmer hat seinerseits zur Insolvenzmasse zu leisten. Dennoch existiert auch in dieser Konstellation ein insolvenzrechtlich gelagertes Provisionsverlustrisiko.732 Der Provisionsanspruch entfällt gem. § 87a Abs. 2, wenn feststeht, dass der (insolvente) 138 Kunde nicht leistet;733 bereits empfangene Beträge sind zurückzugewähren. Ein Fall feststehender Nichtleistung liegt vor, falls der Insolvenzverwalter im Rahmen seines Wahlrechts nach § 103 InsO die Erfüllung des Vertrages ablehnt. Die Nichtleistung des Dritten steht auch dann fest, wenn ein Vorgehen gegen ihn wegen 139 der Insolvenz auf absehbare Zeit aussichtslos ist.734 Allein die Insolvenz des Kunden vermag zwar grundsätzlich nicht zu rechtfertigen, dass der Unternehmer auf Klage und Vollstreckung zur Durchsetzung seines Anspruches verzichtet.735 Jedoch steht die Nichtleistung fest, falls ein solches Vorgehen gegen den Kunden aufgrund objektiver Umstände für den Unternehmer aussichtslos erscheint oder wirtschaftlich völlig unvernünftig wäre.736 Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden erscheint ein Vorgehen als aussichtslos,737 weil eine Einzelvollstreckung von diesem Zeitpunkt an nicht mehr möglich, sondern rechtlich ausgeschlossen ist.738 Der Unternehmer darf andererseits grundsätzlich nicht darauf verzichten, seine

729 LG Landau, Urt. v. 19.4.2007 – 4 O 334/06, NJOZ 2007, 3401. 730 Emde/Kelm ZVI 2004, 382 (383); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 87. 731 Emde/Kelm ZVI 2004, 382 (383); Ebenroth/Löwisch3 § 87 Rn 80; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 122. Zum alten Recht siehe etwa: Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 29. Emde/Kelm ZVI 2004, 382 (385). OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 (1702). OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.2002 – 16 U 26/02, OLGR Düsseldorf 2003, 79; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 37. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25. Canaris § 17 Rn 67; Westphal I Rn 558. LG Itzehoe, Urt. v. 19.10.2012 – 6 O 158/10, BeckRS 2012, 24034 (Privatinsolvenz). Emde/Kelm ZVI 2004, 382 (385).

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Forderungen gem. § 174 InsO zur Insolvenztabelle anzumelden, um auf diesem Weg deren Durchsetzung zu erreichen.739 Steht die Nichtleistung des Kunden wegen dessen Insolvenz fest und erhält der Hauptvertreter daraufhin keine Provision, so entfällt damit gem. § 87a Abs. 2 auch der Provisionsanspruch eines vom Hauptvertreter beauftragten Untervertreters.740 Der Untervertreter wird lediglich im Rahmen des HV-Vertrages zwischen Unternehmer und Hauptvertreter tätig und darf nicht in weitergehendem Maße provisionsberechtigt sein als der Hauptvertreter gegenüber Dritten, weil der Untervertreter genauso am Risiko des Hauptvertreters wie an dessen Erfolg beteiligt ist.741 Bei Feststehen der Nichtleistung des Kunden entfällt der Provisionsanspruch nicht zwingend in voller Höhe. Die Insolvenz des Kunden führt lediglich zu einer Teil-Nichtausführung in Höhe des durch die Insolvenzquote nicht befriedigten Teils der Forderung des Unternehmers. Dies gilt auch, wenn der Unternehmer die Insolvenzquote gar nicht eingefordert hat.742 Der HV hat grundsätzlich auch dann Anspruch auf Zahlung einer Provision in Höhe der Insolvenzquote, wenn der Unternehmer statt Erfüllung Schadenersatz wegen Nichterfüllung vom Kunden verlangen kann.743 Führt nicht der Kunde, sondern der Unternehmer das Geschäft nicht aus, und beruht die Nichtausführung auf der Insolvenz des Kunden, so entfällt der Provisionsanspruch. Der Unternehmer hat die Insolvenz des Kunden nicht i. S. d. § 87a Abs. 3 S. 2 zu vertreten.744 Dies gilt auch bei hinreichendem Insolvenzverdacht.745 Provisionsansprüche gem. § 87a Abs. 3 S. 2 können entfallen, weil der Insolvenzverwalter des Kunden die zwischen Drittem und Unternehmer bestehenden Verträge mittels Anfechtung nach den §§ 129 f. InsO rückgängig macht. Provisionen, die aus diesen Geschäften resultierten und bereits bedingt oder unbedingt entstanden waren, entfallen hierbei rückwirkend, weil mit der Anfechtung der jeweilige Vertrag mit ex tunc Wirkung erlischt und die Voraussetzungen eines Provisionsanspruches rückwirkend beseitigt werden.

J. § 87a Abs. 5: Zwingendes Recht und abweichende Vereinbarung 144 § 87a ist teilweise zwingendes Recht, was dem Schutz des HV dient. Gem. § 87a Abs. 5 kann von den Abs. 2 1. Hs, 3 und 4 nicht zum Nachteil – wegen des bezweckten Schutzes jedoch selbstverständlich zum Vorteil746 – des HV abgewichen werden.747 Die Nichtigkeit nach § 134 BGB erfasst, sofern nicht ausnahmsweise nach § 139 BGB der verbleibende Teil als selbständige Regelung Bestand haben kann, die gesamte Vorschrift.748 Eine einschränkende Auslegung, wonach eine nachteilige Vereinbarung nur in einem Kernbereich unwirksam sei, im Randbereich hingegen wirksam, findet im Gesetz keine Stütze.749 Soweit die zwingende Natur des Abs. 5 reicht, sind Regelungen unzulässig und gem. § 134 BGB unwirksam, die sich in irgendeiner Wei-

739 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 25. 740 OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 (1702). 741 BGH, Urt. v. 20.6.1984 – I ZR 62/82, HVR 590; OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 (1702). 742 Canaris § 17 Rn 67; Hopt § 87a Rn 10, 14. 743 BGH, Urt. v. 11.10.1990 – I ZR 32/89, NJW-RR 1991, 156 (159). 744 OLG Köln, Urt. v. 27.11.1992 – 20 U 89/92, NJW-RR 1994, 226; Westphal I Rn 582; Hopt § 87a Rn 28. 745 OLG Köln, Urt. v. 27.11.1992 – 20 U 89/92, NJW-RR 1994, 226; Emde/Kelm ZVI 2004, 382 (385); Hopt § 87a Rn 28. 746 Oetker/Busche5 § 87a Rn 28. 747 Ayad BB 2017, 2193. 748 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, NJW 2015, 1754 = VersR 2015, 1027 Rn 19 zu § 87a Abs. 3. 749 BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 = EWiR 2014, 451 (Emde). Emde

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se möglicherweise750 unmittelbar oder mittelbar für den HV, ggf. auch nur beweisrechtlich751 nachteilig auswirken können.752 An ihre Stelle tritt im Zweifel die gesetzliche Regelung.753 Als für den HV vorteilhaft sind etwa Regelungen zulässig, die die Provisionsfälligkeit vorverlegen,754 die Provision auch bei Nichtleistung des Kunden zubilligt755 oder den vollen Provisionsanspruch bereits an die Teilleistung des Kunden knüpfen.756 Klarstellende, lediglich konkretisierende Regelungen sind ebenfalls gestattet.757 Geschützt ist aber nur die vertraglich oder gesetzlich geschuldete Provision. Gegen eine zu niedrige Festlegung der Provision schützt Abs. 5 nicht, sondern schützen nur die §§ 138, 242 BGB. Dabei dürfen für unterschiedliche Zeiträume auch differierende Provisionssätze geleistet werden. Bestimmungen, die lediglich die geltende Rechtslage wiedergeben und festschreiben, ohne von ihr abzuweichen, fallen nicht unter Abs. 5 und sind zulässig.758 Sie stehen aber unter dem Risiko einer Änderung jener Rechtslage oder des sie mitbestimmenden Richterrechts. Vertragsfreiheit besteht für nach Vertragsende geschlossene Vereinbarungen. Gegen zwingendes Recht setzt sich auch ein abweichender Handelsbrauch nicht durch.759 So muss eine Provisionsverzichtsklausel die von § 87a Abs. 5 erfassten Fälle ausnehmen, also die Provisions-TB des § 87a Abs. 2, 3760 (zur Provisionsverzichtsklausel § 89b Rn 518 ff.). Wird das missachtet, bleibt die Verzichtsklausel sowohl als AGB nach § 307 BGB wie als Individualvereinbarung nach § 87a Abs. 5 unwirksam.761 Soweit von § 87a abgewichen wird, trägt diejenige Partei die Beweislast für die Zulässigkeit, welche sich auf die Abweichung beruft, hilfsweise der Formulierende. Zu AGB siehe die Kommentierung zu Vor § 84. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Abweichung eine unbillige Benachteiligung i. S. d. § 307 BGB bedeutet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die §§ 87 ff. einen hohen Gerechtigkeitsgehalt in sich tragen. Das Verbot abweichender Vereinbarungen gilt von Vertragsschluss bis Vertragsende. 145 So darf der HV in einer sofort wirksamen Aufhebungsvereinbarung auf die durch Abs. 5 geschützten Ansprüche verzichten.762 Ist ein Anspruch bereits entstanden, darf der HV ebenfalls stillschweigend oder ausdrücklich763 auf ihn verzichten.764 Eine Derogation der Provisionsanwartschaft nach § 87 wird nicht durch Abs. 5 gehindert. Deshalb darf das Entstehen der Provisionsanwartschaften herausgezögert werden, etwa der Anspruch auf echte oder unechte Überhangprovision ausgeschlossen werden.765 Eine solche Regelung gilt wegen des Abs. 3 jedoch 750 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 53. 751 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 54; aA OLG Frankfurt/M. BB 1977, 1171; bedenklich auch OLG Karlsruhe VersR 1982, 267. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 50. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 53; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 44. Oetker/Busche5 § 87a Rn 28. Oetker/Busche5 § 87a Rn 28. Oetker/Busche5 § 87a Rn 28. Oetker/Busche5 § 87a Rn 30; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 57. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 51; Hopt § 87a Rn 33; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 57. OLG Celle BB 1961, 1341; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 53; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 Rn 9; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 44; aA LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 30.10.2012 – 2 HK O 4186/12, BeckRS 2014, 05075. 760 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, VersR 2010, 249 = NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. v. Bodungen/ Hesse = EWiR 2010, 119 (Emde); OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, BB 2010, 600 m. Anm. Lang/Klein = NJW-RR 2009, 1699 (1701) = MDR 2009, 703 = BBL 2009-225-4. 761 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, VersR 2010, 249 = NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. von Bodungen/Hesse = EWiR 2010, 119 (Emde); OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, BB 2010, 600 m. Anm. Lang/ Klein NJW-RR 2009, 1699 (1701) = MDR 2009, 703. 762 Vgl. LG Itzehoe, Urt. v. 19.10.2012 – 6 O 158/10, BeckRS 2012, 24034. 763 Oetker/Busche5 § 87a Rn 30. 764 BGH, Urt. v. 9.7.2003, NJW-RR 2003, 1615 (1616) = WM 2003, 2112 (Erlassvertrag); v. 29.11.1995 – VIII ZR 293/94, ZIP 1996, 129 (131); DB 1961, 234; Oetker/Busche5 § 87a Rn 30. 765 BGHZ 33, 92; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 50; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 1a, 8, 8 a, 13a.

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nicht für Geschäfte, die vereinbarungsgemäß während der Vertragslaufzeit auszuführen gewesen wären, wenn der Unternehmer die nicht rechtzeitige Nichtausführung zu vertreten hat.766 146 Im Einzelnen:

I. Absatz 1 147 § 87a Abs. 1 ist in Abs. 5 nicht als zwingende Vorschrift genannt, so dass es auf den ersten Blick scheint, als dürfe von dieser Bestimmung vollständig abgewichen werden. Der Wortlaut des § 87a Abs. 5 steht folglich einer § 87a Abs. 1 S. 1 abändernden Vereinbarung nicht entgegen.767 Deshalb darf der Anspruch innerhalb der nachfolgend aufgezeigten Grenzen individualvertraglich bis zur Grenze des § 138 BGB ausgeschlossen oder modifiziert werden.768 § 87a Abs. 1 S. 3 betrifft aber nur Vereinbarungen über die Fälligkeit des Provisionsanspruchs, nicht aber über den Provisionsanspruch selbst.769 Es ist daher zulässig, die Provision von der Zahlung des Kunden770 und das Zustandekommen des Kundenvertrags von dessen tatsächlicher Ausführung abhängig zu machen.771 Weiter dürfen Provisionsansprüche sowie gegen den HV gerichtete Rückzahlungsansprüche aus § 87a in ein Kontokorrent gestellt werden.772 Abs. 5 hindert den HV auch nicht daran, Provisionsforderungen zu erlassen, die nach §§ 87, 87a Abs. 1 S. 1 entstanden sind, weil der Unternehmer das Geschäft bereits ausgeführt hat.773 Jedoch bestimmt Abs. 1 S. 2 und Abs. 1 S. 3, dass der HV mit Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer zwingend Anspruch auf einen angemessenen Vorschuss hat,774 so dass sich – systematisch wenig geglückt – der zwingende Charakter dieses Teils des Abs. 1 nicht aus Abs. 5 sondern bereits aus Abs. 1 ergibt.775 Darüber hinaus ergibt sich ein vollendeter Provisionsanspruch des HV unabhängig von einer Vereinbarung und zwingend mit Ausführung des Geschäfts, bei partieller Ausführung auf Teilprovision.776 Hiervon abweichende Vereinbarungen sind unwirksam, z. B. solche, die den Vorschuss ausschließen.777 Eine einheitliche Regelung in Abs. 5 wäre wünschenswert gewesen. Da die Regelung nicht für den HV nachteilig ist, darf vereinbart werden, dass mit Teilausführung des Geschäfts durch eine Partie der volle Provisionsanspruch entstehen soll.778 Auch die Höhe des Vorschusses darf im Rahmen der von Abs. 1 genannten Angemessenheit konkretisiert werden.779 Problematisch sind Klauseln, nach denen während eines befristeten Zeitraums ein garantierter Provisionsvorschuss gezahlt wird und die verdiente

766 BGHZ 33, 92. 767 BGH DB 2003, 2173. 768 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 49; Hopt § 87a Rn 8, 35; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 21; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 11 ff. 769 OLG München, Urt. v. 11.4.2018 – 7 U 1972/17, ZVertriebsR 2018, 176 Rn 62. 770 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 32; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 49; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 12, 13. 771 AA Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 54. 772 OLG Köln, Urt. v. 15.2.2019 – 19 U 135/18, zit. nach Evers VW 5/2019, 92; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (381) – aber enge Voraussetzungen; aA Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 54. 773 BGH, Urt. v. 9.7.2003 – VIII ZR 60/02, VersR 2003, 1395 = DB 2003, 2173 = WM 2003, 2112. 774 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220. 775 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 22; Hopt § 87a Rn 9; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 25; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 14 a, 46. 776 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13 Rn 18, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220; Dänekamp/ Kölln NJW 2015, 3126 (3130). 777 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220; OGH Wien, Urt. v. 24.3.2014 – 8 ObA 20/14w; Thume BB 2012, 975 (977). 778 Hopt § 87a Rn 12; Oetker/Busche5 § 87a Rn 28; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 23; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 11. 779 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 49; Hopt § 87a Rn 9; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 25. Emde

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Provision nur zum Teil. Da nach Abs. 1 nur die tatsächlich versprochene oder gesetzlich geschuldete Provision geschützt wird, dürfte einer solchen Regelung keine Bedenken entgegenstehen. 148 Unwirksam sind: – die Einordnung einer Provisions- als Vorschusszahlung;780 – die zu Lasten des HV gereichende Verschiebung der in Abs. 1 genannten Entstehungszeitpunkte; – die Regelung: „Der HV haftet für die abgeschlossenen Abonnements gem. der in der Anl. 3 definierten Sprunghaftung. Ein Fall von Sprung liegt vor, wenn das von A geworbene Abonnement innerhalb einer in Anl. 3 festzulegenden Sprunghaftungsfrist781 das Abonnement nicht bezahlt. Liegt ein Fall von Sprung vor, so hat der Unternehmer einen Anspruch gegen den HV auf Rückerstattung der für das jeweils zugrunde liegende Abonnement an den HV gezahlten Provision“.782 Die Bestimmung schließt einen Provisionsanspruch des HV auch dann vollständig aus, wenn der Kunde das vom HV vermittelte Abonnement über einen Zeitraum hinweg bezahlt, der den als Sprunghaftungsfrist festgelegten Zeitraum von 27 Wochen unterschreitet. Da der Kunde den Abonnementsvertrag in diesem Fall teilweise erfüllt hat, verstößt der vollständige Ausschluss der Provisionen gegen § 87a Abs. 1 S. 3.783 Die Parteien können durch ihre Vereinbarung das Entstehen eines Teilprovisionsanspruchs nicht davon abhängig machen, dass der Kunde seinen Pflichten aus dem vermittelten Vertrag über einen gewissen Zeitraum hinweg nachkommt;784 – die Klausel eines Untervertretervertrages, nach der der Provisionsanspruch des Untervertreters nur besteht, wenn der Hauptvertreter eine Provisionszahlung erhalten hat, und zwar unabhängig von Abschluss, Ausführung oder Erfüllung des vermittelten Geschäfts.785 Der Verstoß gegen § 87a Abs. 1 S. 3 erfasst die gesamte Vertragsbestimmung. Ihre Teilnichtigkeit 149 kann nach § 139 BGB nur angenommen werden, sofern ein verbleibender Teil als selbstständige Regelung Bestand haben kann.786 Die entstehende Lücke wird durch die Anwendung des § 87b Abs. 1 über die übliche Provision geschlossen.787

II. Absatz 2 § 87a Abs. 2 S. 1 über die Nichtleistung ist gem. Abs. 5 einseitig zugunsten des HV zwingend. 150 Für den HV nachteilige Vereinbarungen sind insoweit unwirksam.788 Abdingbar ist aber die Regelung in Abs. 2 Hs. 2, wonach bereits empfangene Beträge zurückzugewähren sind.789 Deshalb darf der Rückzahlungsanspruch nach Abs. 2 2. Hs. im Detail geregelt, ausgestaltet oder ausgeschlossen werden.790 Es soll z. B. verhindert werden, dass der Unternehmer das geschäftliche Risiko bereits bei eintretenden Zahlungsschwierigkeiten auf den HV verlagern will.791 Daher kann nicht zum Nachteil des HV abweichend von § 87a Abs. 2 festgelegt werden, unter welchen 780 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 54. 781 Gemeint war der Zeitraum, innerhalb dessen der Kunde für den HV provisionsschädlich den vom HV vermittelten Vertrag stornieren konnte (s. Rn 19 der Entscheidung). 782 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220. 783 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 16. 784 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 17 (aA Emde Vertriebsrecht3 § 87 Rn 14). 785 OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 = MDR 2009, 703. 786 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 19. 787 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, ZVertriebsR 2015, 167 = NJW 2015, 1754 = DB 2015, 1220 Rn 21. 788 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 44; Westphal I Rn 567. 789 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 44. 790 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 44; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 49. 791 Thume BB 2012, 975 (977). 1023

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Umständen die Kundenleistung als nicht erbracht feststeht. Unwirksam ist weiter eine Vereinbarung, gemäß der die Provisionspflicht entfallen und ggf. eine Rückzahlungspflicht des HV begründet wird, wenn die Nichtleistung des Kunden nicht sicher feststeht,792 das Feststellen der Nichtleistung in das Ermessen des Unternehmers stellt,793 der Zeitpunkt des Entfallens des Provisionsanspruchs vorverlegt wird,794 etwa bereits nach einer erfolglosen Mahnung des Dritten dessen Zahlungsunfähigkeit feststehen soll,795 der HV die Kosten der gerichtlichen Durchsetzung bzw. der Zwangsvollstreckung des Anspruchs tragen soll796 oder die Klausel „Endet die Vertragsbeziehung mit dem Kunden innerhalb von 2 Monaten nach Beginn der Energielieferung, gleich aus welchem Grund, veranlasst der Kunde die Rückbuchung der Sonderabschlagszahlung innerhalb der Widerruffrist oder erhält der Unternehmer eine negative Bonitätsauskunft, so erlischt der Anspruch auf die Abschlussprovision. Rückforderungsbeträge aufgrund stornierter Abschlussprovisionen, sind unverzüglich vom Vertriebspartner an den Unternehmer zurückzuzahlen und können mit anderen Provisionsansprüchen aus dieser Vereinbarung aufgerechnet werden“.797 Das LAG Baden-Württemberg798 hatte eine Vereinbarung des Inhalts, derzufolge mit dem Ausbleiben der Leistung des Dritten die Nichtleistung als festgestellt zu gelten habe und der Unternehmer nicht beizutreiben brauche, als gültig angesehen. Der BGH799 hat die Abrede demgegenüber nur zugelassen für Fälle, in denen die Einklagung und Beitreibung dem Unternehmer nicht zugemutet werden könne, nämlich bei dem Vertrieb von Massengütern des täglichen Gebrauchs mit geringem Wert des Einzelstücks; das traf in jener Streitsache für rückständige Abonnentengelder aus Zeitschriftenbezug wegen der Geringfügigkeit des Objekts im Verhältnis zu der Vielzahl der anfallenden Rückstandsfälle zu. Das OLG Hamm800 trifft die gleiche Unterscheidung: bei dauerhaften und höherwertigen Gebrauchsgütern sei eine Klausel des Inhalts, dass mit der Zahlungssäumnis des Kunden seine Nichtzahlung „feststehe“ und der Unternehmer deshalb einen Versuch der Beitreibung nicht zu unternehmen brauche, unwirksam. Da lediglich Bestimmungen zum Nachteil des HV unzulässig sind, bleiben Regelungen gestattet, welche die Anforderungen an den nachträglichen Wegfall des Provisionsanspruchs nach Abs. 2 1. Hs.801 verschärfen oder diese Rechtsfolge ausschließen. Unzulässig ist eine Provisionsverzichtsklausel, die auch nach Abs. 2 noch nicht unbedingt entstandene Provisionen erfassen soll.802

III. Absatz 3 151 Nicht abdingbar sind die Bestimmungen in Abs. 3 über den Einfluss von Störungen in der Ausführung des Geschäfts auf den Provisionsanspruch, soweit Vereinbarungen hierüber zu Lasten des HV getroffen werden (Abs. 5). Wird vereinbart, dass dem HV keine Provision für Geschäfte zustehen soll, die bei Beendigung des Vertragsverhältnisses noch nicht ausgeführt sind, so ist das zwar wirksam, jedoch wegen des zwingenden Abs. 3 S. 1 nicht für den Fall, dass der Unternehmer schon vor Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Ausführung säumig 792 793 794 795 796 797 798 799 800 801 802

Thume BB 2012, 975 (977); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 44. Oetker/Busche5 § 87a Rn 29. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 44. Westphal I Rn 567. OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.3.1974, BB 1974, 904; Oetker/Busche5 § 87a Rn 29. AA LG Bonn, Urt. v. 15.12.2009 – 11 O 52/09, BeckRS 2010, 04041. BB 1955, 682. MDR 1972, 135. VW 1979, 191. Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 50; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 21. BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, VersR 2010, 249 = NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. v. Bodungen/ Hesse = EWiR 2010, 119 (Emde); OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, BB 2010, 600 m. Anm. Lang/Klein = NJW-RR 2009, 1699 (1701) = MDR 2009, 703. Emde

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geworden war, ohne dass ihm hierfür ein Grund nach Abs. 3 zur Seite stand.803 Eine Vertragsklausel, wonach der Provisionsanspruch auch dann erlischt, wenn die Nichtausführung des Vertrages auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind, wäre mit Art. 11 Abs. 3 RL unvereinbar.804 Der Unternehmer kann zudem entgegen Abs. 3 S. 1 nicht das Risiko der Unsicherheit von Lieferschwierigkeiten bei Vorlieferanten in der damals sowjetischen Besatzungszone auf den HV abwälzen mit der Klausel, die Provision sei „in jedem Falle“ erst mit Lieferung und Zahlung des Kunden verdient: eine solche Klausel wäre, da für Abs. 3 S. 1 die Lieferschwierigkeiten im Risikobereich des Unternehmers liegen und von ihm zu vertreten sind, unwirksam.805 Auch mittelbare Risikoüberwälzungen auf den HV entgegen dem Risikoverteilungsprinzip des Abs. 3 hat die Rspr. korrigieren müssen. Auch ausdrückliche oder konkludente Risikozuweisungsabreden, die von Abs. 3 abweichen, sind unzulässig.806 Der Unternehmer darf dem Kunden aber einen Vertragsänderungsvorbehalt einräumen. Übt ihn der Kunde aus, wird der Vertrag nicht anders als abgeschlossen ausgeführt. Vielmehr stand er von vornherein unter dem Vorbehalt möglicher Änderungen, Abs. 3 greift nicht ein.807 Gem. § 87a Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 unwirksam sollen folgende Klauseln sein808: „Nicht ausge- 152 führte Aufträge sind nicht provisionspflichtig“, „Für Aufträge, die nicht zur Ausführung gelangen oder rückgängig gemacht werden, wird eine Provision nicht vergütet“,809 „Bei Auflösung eines abgeschlossenen Kaufvertrages entfällt der Anspruch auf Provision, ohne dass es auf den Grund der Auflösung des Vertrages ankommt“, „Ein Provisionsanspruch steht dem HV nicht zu, wenn der Unternehmer aufgrund der AGB nicht zur Lieferung verpflichtet ist“, „Provisionspflichtig sind nur Aufträge, die vom Kunden bezahlt wurden“,810 „Mängelrügen, Lieferverzögerungen und Nichtlieferung, die ursächlich auf die Qualität der von der Firma verwendeten Rohstoffe zurückzuführen sind, hat die Firma nicht zu vertreten, weil die Nichtausführung des Geschäfts in Gründen zu sehen ist, die der Firma weder unmittelbar noch mittelbar angelastet werden können. Nicht ausgeführte Geschäfte sind demzufolge nicht provisionspflichtig“, „Ein Provisionsanspruch entsteht nicht, gezahlte Vorschüsse sind zurückzuzahlen, wenn ein Versicherungsnehmer/Bausparer die Einlösungsprämie nicht innerhalb einer Frist von … Monaten bezahlt bzw. innerhalb der gleichen Frist, gerechnet von der Zahlungsaufforderung an, dieser nicht entspricht“, „Der Provisionsanspruch des HV für die Vermittlung von Telefonkunden endet mit der Beendigung des HV-Vertrages“;811 „Für Verträge, die während der Vertragszeit abgeschlossen werden, die aber erst nach Vertragsbeendigung ausgeführt werden, erhält der HV Provision nur dann, wenn die Ausführung des Auftrags innerhalb von 6 Monaten nach Ausscheiden des HV erfolgt“;812 „Die Handelsvertretung hat Anspruch auf Provision für alle Geschäfte, die während der Dauer des Vertragsverhältnisses mit den ihr zugeteilten Kunden zustande kommen und die bis Beendigung des Vertragsverhältnisses mit diesen getätigt werden“;813 „im Falle der Änderung des Vertrages mit dem Kunden hat der HV nur einen hälfti-

803 804 805 806

BGHZ 33, 92. EuGH, Urt. v.17.5.2017 – C-48/16, BB 2017, 1420 Rn 50 m. Anm. Zipse. LAG Düsseldorf BB 1960, 813. Bedenklich daher BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930 = ZVertriebsR 2014, 98 = EWiR 2014, 451 (Emde) Rn 15. 807 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 26; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 18, 22; aA Hopt § 87a Rn 20. 808 Siehe etwa Thume BB 2012, 975 ff. 809 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.5.1960 – 8 (3) Sa 437/59, BB 1960 1075 = DB 1960, 813. 810 OLG Hamburg, Urt. v. 7.5.2013 – 9 U 123/12, BeckRS 2014, 17849. 811 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 86/07, NJW 2010, 298 = VersR 2010, 259. 812 BGH, Urt. v. 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, NJW-RR 1998, 629 da die Fristenregelung die Provision auch für den Fall verspäteter und folglich vertragswidriger Lieferung ausschließt. 813 OLG Hamburg, Urt. v. 15.8.2015 – 18 U 182/14, IHR 2016, 85 (87): Denn zumindest im Lichte der Unklarheitenregel lässt sich „getätigt“ nur i. S. v. „ausgeführt“ gem. § 87a Abs. 3 S. 1 verstehen, so dass ein Provisionsanspruch für verspätet ausgeführte Geschäfte hierdurch ausgeschlossen werden könnte. 1025

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gen Provisionsanspruch“;814 „Bei Vertragsaufhebung von Verträgen innerhalb der Provisionshaftungszeit erfolgt eine zeitanteilige Rückbuchung der Abschlussprovision. Dies gilt auch, wenn die X die Beiträge rückwirkend ermäßigt bzw. bereits entrichtete Beiträge zurückzahlt, auch wenn die Provisionshaftungszeit bereits abgelaufen ist“.815 Das LG Düsseldorf816 hatte eine Abrede für zulässig gehalten, wonach der HV das Kostenrisiko des gegen den Kunden zu führenden Prozesses einschließlich der Beitreibungsversuche übernahm, und dies damit begründet, der HV sei eher als der Unternehmer in der Lage, jenes Risiko aus eigener Kenntnis des Kunden zu beurteilen; außerdem sei damit die erzieherische Wirkung verbunden, den HV zur rechtzeitigen Prüfung der Solvenz des Kunden anzuhalten. Die Vereinbarung, für den Einzelfall getroffen, mochte sich gerade noch in den Grenzen des nach Abs. 3 Zulässigen halten. Das OLG Karlsruhe817 hat demgegenüber mit Recht eine Kostenübernahmeklausel für derartige Fälle missbilligt, was auch im Falle einer anteiligen Kostentragungspflicht des HV gelten dürfte. Auch individualvertraglich dürfen die Parteien nicht bestimmen, wann eine abweichende Ausführung „feststehen“ soll.818 Klageverzichtsklauseln, sind im Grundsatz unzulässig,819 weil eine gem. § 87a Abs. 3 bestehende Obliegenheit zur Prämienklage nicht abbedungen werden kann. Nicht anzuerkennen ist es, den Verzicht auf jede Klage zu gestatten, solange sich die Abstandnahme nicht als willkürlich darstellt.820 An der Unabdingbarkeitsschranke des Abs. 5 würden ferner Klauseln über den Verzicht einer Nachbearbeitung821 oder den Wegfall der Provision nach einer mit Verlust für den Unternehmer verbundenen Abwicklung des Geschäfts ihre Grenze finden.822 Provisionsverzichtsklauseln, die noch nicht unbedingt entstandene (nachvertragliche) Provisionen erfassen sollen, müssen die Fälle des Abs. 3 vom Verzicht ausnehmen.823 Wirksam sind Vereinbarungen klarstellenden Inhalts, die Abs. 5 nicht widersprechen.824 153 Dies gilt etwa für eine Vereinbarung, die regelt, wann der Unternehmer seinen Anspruch gegen den leistungsunwilligen Kunden gerichtlich durchzusetzen hat oder inwieweit dem HV die Möglichkeit zur Nachbearbeitung eingeräumt wird, sofern damit keine Verschiebung des Risikobereichs des Unternehmers auf den HV begründet wird.825 Gestattet sind auch für den HV lediglich vorteilhafte Regelungen, welche die Anforderungen an den nachträglichen Wegfall des Provisionsanspruchs nach Abs. 3 S. 2 verschärfen, jene Rechtsfolge ausschließen826 oder die An-

814 815 816 817

OLG Karlsruhe BB 1980, 226; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 68. OLG Köln, Urt. v. 9.8.2013 – 19 U 149/12, IHR 2014, 103 = BeckRS 2013, 16283. DB 1979, 2176. BB 1974, 904; zust. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 68; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 54; Hopt § 87a Rn 32; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 56. 818 Unklar Oetker/Busche5 § 87a Rn 28. 819 OLG Hamm MDR 1978, 937; OLG Köln VersR 1976, 87; LG Regensburg VersR 1973, 710 m. Anm. Höft VersR 1973, 1119; Thume BB 2012, 975 (977); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 54; § 92 Rn 264; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 92 Rn 16; Hopt § 87a Rn 33; aA OLG Frankfurt/M. VersR 1991, 1135; DB 1983, 1592 = BB 1977, 1171; VersR 1978, 326; 1960, 510; OLG Schleswig MDR 1984, 760; LAG Stuttgart DB 1955, 682; OLG Karlsruhe BB 1974, 904; Fleischmann VersR 1957, 11; Flohr/Wauschkuhn/Weske Vertriebsrecht § 92 Rn 39 für den Versicherungsvertrieb; Franke VersR 1961, 660. 820 So aber MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 92 Rn 31. 821 OLG Hamm MDR 1978, 937; Thume BB 2012, 975 (977); Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 54; Hopt § 87a Rn 33; aA LAG Stuttgart DB 1955, 682; OLG Karlsruhe BB 1974, 904; OLG Frankfurt/M. BB 1977, 1171; VersR 1978, 326. 822 Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 2. 823 BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, VersR 2010, 249 = NJW 2010, 298 = BB 2010, 533 m. Anm. v. Bodungen/ Hesse = EWiR 2010, 119 (Emde); OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, BB 2010, 600 m. Anm. Lang/Klein NJW-RR 2009, 1699 (1701) = MDR 2009, 703. 824 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht3 § 87a Rn 70. 825 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht3 § 87a Rn 70; Hopt § 87a Rn 33. 826 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 49; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 21. Emde

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forderungen an das Entstehen des Anspruchs nach Abs. 3 S. 1 erleichtern.827 Abs. 5 hindert den HV nicht daran, Provisionsforderungen zu erlassen, die nach Abs. 3 S. 1 bereits unbedingt wurden.828

IV. Absatz 4 Abs. 4 ist ebenfalls zwingend. Eine ggf. nur mittelbare829 Verzögerung des Fälligkeitstermins 154 verstößt gegen Abs. 5.830 Das gilt etwa für die Vereinbarung, derzufolge der HV einen Teil der fälligen Provision erst zu einem späteren Zeitpunkt als Pension beziehen soll.831 Vereinbarungen zur Schaffung des insb. im Versicherungsvertrieb üblichen Stornoreservekontos sollen auch im Lichte des Abs. 4 gestattet sein,832 obwohl dem Wortlaut nach ein Verstoß jedenfalls nahe liegt, falls die Stornoreserve durch einen Provisionseinbehalt aufgefüllt wird (Verschiebung des Fälligkeitszeitpunktes). Zum Stornoreservekonto s. Kommentierung zu § 92; zu AGB s. Kommentierung zu Vor § 84.

K. Beweislast I. Absatz 1 Der HV – auch der Untervertreter im Verhältnis zum Hauptvertreter833 – hat das Entstehen und 155 die Fälligkeit seines Provisionsanspruches zu behaupten und im Streitfalle zu beweisen,834 insb. dass das Geschäft vom Unternehmer ausgeführt worden ist835 (Abs. 1 S. 1, wo nicht, wie meist, abbedungen; in diesem Falle: dass der Dritte geleistet hat, weil damit der Provisionsanspruch spätestens entstanden ist836). Hinsichtlich der Vergütungsbestandteile, für die nach § 87c Abs. 2 ein Buchauszug erteilt werden muss, kann die Darlegungslast des HV durch vom Unternehmer mit Anerkenntniswirkung gefertigte Abrechnungen nach § 87c Abs. 1 sowie durch das Verlangen nach einem vom Unternehmer erstellten Buchauszug erleichtert werden.837 Der HV wird deshalb – ggf. als Widerklage – eine Stufenklage erheben, in erster Stufe gerichtet auf Abrechnung und Buchauszug, in zweiter Stufe auf Provisionszahlung (s. Kommentierung zu § 87c). Ein im Wege der Ersatzvornahme gefertigter Buchauszug hat diese Wirkung nicht, er ist jedoch nach § 286 ZPO ein zulässiges Beweismittel. Fordert der Unternehmer die Rückzahlung vermeintlich unberechtigt geleisteter Provisionen oder Vorschüsse, trägt er die Beweislast für dessen TB-Vo827 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 70; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 49; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 21.

828 BGH, Urt. v. 9.7.2003 – VIII ZR 60/02, VersR 2003, 1395 = DB 2003, 2173 = WM 2003, 2112; Flohr/Wauschkuhn/ Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 69. 829 OLG Düsseldorf OLGR 1993, 131. 830 Im Ergebnis: OLG Düsseldorf OLGR 1993, 131: Abrechnung des Stornoreservekontos erst, wenn alle vermittelten Verträge die Stornohaftzeit überdauert haben; Hopt § 87a Rn 34; Oetker/Busche5 § 87a Rn 29; MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 61. 831 LAG Hamm BB 1985, 464; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 54; Hopt § 87a Rn 34; Oetker/Busche5 § 87a Rn 29; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 61. 832 BGH WM 1975, 181; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1990 – 16 U 97/89, BB 1990, 1086; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 56; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 22. 833 BGHZ 91, 370 = NJW 1984, 2881 (2883); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 76. 834 LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 76. 835 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 77. 836 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 77. 837 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 77. 1027

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1. Buch. Handelsstand

raussetzungen.838 Er muss für jeden einzelnen Rückforderungsanspruch dessen konkrete Gründe darlegen und ggf. beweisen.839 Dazu gehören ggf. Angaben und der Beweis der Stornierungsgründe840 und –zeitpunkte, zum Provisionssatz, zur Höhe der ausgezahlten Provision sowie zur Restlaufzeit eines Versicherungsvertrages.841 Die Darlegungslast des Unternehmers zur Höhe eines Rückforderungsanspruchs wegen nicht verdienter Provisionen ist erfüllt, wenn er eine geordnete Zusammenstellung der vorgenannten, einzelnen Rechnungspositionen vorlegt, die rechnerisch überprüfbar ist und eine Zuordnung zu den einzelnen Geschäftsvorfällen ermöglicht.842 Weiter obliegt dem Unternehmer die konkrete Darlegung und Beweisführung, dass und mit welchem Inhalt eine ausreichende Nachbearbeitung durchgeführt worden ist, jedoch erfolglos geblieben ist, oder eine Nachbearbeitung ausnahmsweise entbehrlich gewesen ist, und zwar erneut für jeden einzelnen rückabzuwickelnden Versicherungsvertrag.843 Ob der HV den Rückforderungsanspruch des Unternehmers global bestreiten darf, hängt von der Art des Vortrages des Unternehmers ab. Zu einer Saldorückforderung wurde dies bejaht.844 Nach dem OLG Saarbrücken845 gibt das pauschale Bestreiten durch den HV keine Veranlassung, höhere Anforderungen an die Substantiierung des Klagevortrages zu stellen. Regelmäßig ist aber gerade bei Vermittlungsprovision im Rahmen der sekundären Darlegungslast subtantiierter Vortrag des HV zu dieser Provision erforderlich. Bei Vergütungsformen, zu denen der HV aus eigener Anschauung wenig vortragen kann (etwa Direktgeschäfte des Unternehmers) reduziert sich die Darlegungslast des HV. In gleicher Weise muss der Unternehmer zu jeder einzelnen Buchung schlüssig und vollständig vortragen, sofern er eine Saldoforderung erhebt oder die Zahlungsansprüche in eine Gesamtabrechnung eingestellt worden sind.846 Die Forderung des Unternehmers ist nicht bereits deshalb rechnerisch nachvollziehbar dargelegt, weil sich der geltend gemachte Saldo aus den Salden der einzelnen Abrechnungen ergibt. Denn auch die einzelne in eine Abrechnung eingestellte Forderung muss rechnerisch nachvollziehbar sein. Dazu sind Ausführungen zur Haftungszeit und zur Anzahl der im Rahmen der Haftungszeit nicht geleisteten Beiträge erforderlich.847 Fordert der Unternehmer eine Provision zurück, weil eine Doppelbuchung vorliegt, und tritt der HV dem nicht substantiiert entgegen, so ist das Rückforderungsverlangen angesichts der irrtümlichen Doppelbuchung begründet. Es erscheint unwahrscheinlich, dass der gleiche Kunde am selben Tag zwei Lebensversicherungen über die identische Antragssumme abgeschlossen haben könnte.848 Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Vorschuss nach S. 2 hat der HV darzulegen und 156 zu beweisen.849 Verlangt der Unternehmer dessen Rückzahlung, trägt er unabhängig von der Parteirolle die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe der an den HV als Vorschuss gezahlten

838 OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (379) m. Anm. Lost. Ebenso OLG Hamm, Beschl. v. 16.4.2018 – 18 W 7/18 zit. nach Czaja IHR 2019, 221 (226) für einen Maklervertrag, da dem Unternehmer Bestand und Höhe der Rückforderungen bekannt seien, sofern die Kunden Widerrufe und Kündigungen ihm gegenüber abgaben. 839 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87) – Versicherer; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (379) m. Anm. Lost. 840 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87) – Versicherer; OLG Köln VersR 2003, 459. 841 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87) – Versicherer. 842 OLG Saarbrücken VersR 2000, 1017. 843 OLG München, Urt. v. 7.6.2017 – 7 U 1889/16, IHR 2018, 86 (87) – Versicherer; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (380) m. Anm. Lost. 844 Lost ZVertriebsR 2017, 382 zum VV. 845 OLG Saarbrücken VersR 2000, 1017. 846 OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (380) m. Anm. Lost; KG, Beschl. v. 18.5.2015 – 12 U 124/13, MDR 2015, 1248. 847 Lost ZVertriebsR 2017, 382 (383) zum VV. 848 OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, OLGR 2001, 267. 849 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 78; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 60. Emde

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Beträge.850 Im Versicherungsvertrieb erwirbt der VV mit dem Abschluss des auf seine Tätigkeit zurückzuführenden Vertrags bereits einen aufschiebend bedingten Provisionsanspruch.851 Deshalb soll er nicht die Berechtigung eines erhaltenen Vorschusses nachweisen müssen.852 Streng sind auch die Instanzgerichte853: Unterbreitet der auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen klagende Unternehmer eine schlüssige und substantiierte Abrechnung, so ist es Sache des beklagten HV, detailliert vorzutragen, welche der einzelnen Positionen von ihm bestritten werden und warum sie nicht gerechtfertigt sind. Nach dieser unternehmerfreundlichen Rspr. genügt ein Versicherer seiner Darlegungslast, sofern er eine Einzelaufstellung vorlegt, aus der sich die Vertragsnr., Vor- und Zuname des VN, der Versicherungsbeginn, die vertraglich vereinbarte Beitragszahlungsdauer in Jahren, die tatsächliche Laufzeit der Versicherung bis zum Vertragsstorno in Monaten, die Stornohaftungszeit, die an den HV vorschüssig gezahlte Provision, der sich hiernach ergebende Rückforderungsbetrag in EUR sowie das Datum der außergerichtlichen Zahlungsaufforderung ergeben.854 Eine solche Substantiierungspflicht des HV wird aber die Ausnahme bleiben und nur gefordert werden können, wenn die Substantiierung dem HV überhaupt möglich ist, etwa hinsichtlich der erhaltenen Provisionszahlungen. Bezüglich der Stornierungsgründe und wohl auch der Einzelheiten des vom Unternehmer geschlossenen Kundengeschäfts ist dies dem HV regelmäßig unmöglich, insb. bei nachvertraglichen Geschehnissen. Für die rechtliche Einordnung einer Zahlung als Provision, Fixum, Garantieprovision o. ä. ist derjenige beweispflichtig, der Vorteile aus dieser Einordnung herleitet. Handelt es sich um eine betragsmäßig schwankende und offensichtlich erfolgsabhängig gezahlte Leistung, wird meist von einer Provision auszugehen sein. Rechnet der Unternehmer mit eigenen Ansprüchen gegen den Anspruch des Mittlers auf 157 Auszahlung der Stornoreserve auf, so muss er nach Bestreiten des Mittlers auch als Beklagter zur Berechtigung der zur Aufrechnung gestellten Forderungen vortragen.855

II. Absatz 2 Unabhängig von seiner prozessualen Parteirolle muss der Unternehmer die Voraussetzungen 158 eines Rückzahlungsanspruchs nach Abs. 2 2. Hs beweisen.856 Ob der HV sich mit seiner Verteidigung auf eine Rückzahlungsklage bis zur Erteilung eines Buchauszuges darauf beschränken kann, die Vorlage eines solchen zu fordern,857 ist zweifelhaft. Es genügt, dass der Unternehmer für die Darlegung seines Rückforderungsanspruchs beweispflichtig ist. Dieser Beweis muss nicht notwendig in Buchauszugsform erbracht werden. Allerdings darf sich der HV gegen ein Zahlungsbegehren des Unternehmers mit dem Beweisangebot „Buchauszug, erstellt von dem Unternehmer“ verteidigen. 850 OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.9.2017 – 15 U 7/17, ZVertriebsR 2017, 377 (379) m. Anm. Lost; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2017 – I-16 U 32/16, ZVertriebsR 2017, 191 = MDR 2017, 467 (468); KG, Beschl. v. 18.5.2015 – 12 U 124/13, MDR 2015, 1248; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 78/79. 851 OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 13.11.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02421; Beschl. v. 18.12.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02422; Lost ZVertriebsR 2017, 382 (383). 852 OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 13.11.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02421; Beschl. v. 18.12.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02422; Lost ZVertriebsR 2017, 382 (383). 853 LG Leipzig, Urt. v. 29.9.2011 – 7 O 2820/10, BeckRS 2013, 14260; LG Hamburg, Urt. v. 17.8.2010 – 330 O 310/09; LG Saarbrücken VersR 2000, 761. 854 LG Hamburg, Urt. v. 17.8.2010 – 330 O 310/09, VersR 2011, 73 = NJW 2011, 1590. 855 Lost ZVertriebsR 2017, 382 (383). 856 OLG Hamburg, Urt. v. 7.5.2013 – 9 U 123/12, BeckRS 2014, 17849; LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491; Baumgärtel Rn 2, 4; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 19; Hopt § 87a Rn 30; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 60; MünchKomm-HGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 58; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 42. 857 So wohl Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 60. 1029

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III. Absatz 3 159 Die Beweislast für S. 1 liegt beim HV,858 für S. 2 beim Unternehmer.859 Zu S. 1 braucht der HV nur darzulegen und ggf. zu beweisen, dass ein provisionspflichtiges Geschäft abgeschlossen worden war860 und die Nicht- oder Andersausführung entgegen den vertraglichen Bestimmungen für den Teil, für den er Provision verlangt, feststeht.861 Dies setzt Ausführungen zum ursprünglichen Vertragsinhalt und zu der abweichenden Ausführung voraus. Das „Feststehen“ kann durch Indizien unterstützt werden, wobei die Anforderungen nicht zu hoch gelegt werden dürfen. Denn der Unternehmer kann wegen seiner Sachnähe den Gegenbeweis eher führen.862 Er kann die Provisionspflicht nur abwenden, indem er nachweist, dass er die Nichtausführung nicht zu vertreten hat.863 Da die Beweislast für die Voraussetzungen des S. 2 der Unternehmer trägt hat folglich der Unternehmer darzulegen und zu beweisen, dass die Ausführung deshalb unzumutbar sei, weil er (der Unternehmer) zwar leistungsfähig und leistungswillig, aber der Dritte nicht leistungsbereit sei. Schieben also Unternehmer und Dritter sich gegenseitig die Verantwortung für das Scheitern der Ausführung des Auftrages zu, so ist der Unternehmer gegenüber dem HV beweislastmäßig am Zuge: es wird auch hier vermutet, dass der Dritte nicht geleistet habe, weil der Unternehmer es an der Ausführung des Vertrages, der Bereitschaft und der Fähigkeit hierzu habe fehlen lassen; dass Grund und Folge umgekehrt liegen, hätte der Unternehmer, als einen ihn entlastenden Umstand für die Nichtausführung des Geschäfts zu beweisen. Die Gründe der nicht vertragsgemäßen Ausführung des Geschäfts sowie des Nichtvertretenmüssens hat der Unternehmer für jeden einzelnen Fall einer Rückforderung864 einschließlich Art und Umfang einer behaupteten Nachbearbeitung865 (Zeitpunkt und Art der Mahnung und der Unterrichtung des HV über die Stornogefahr) zu beweisen sowie die Höhe der zurückgeforderten Abschlussprovision zu berechnen.866 Widersprüchlicher Vortrag ist unbeachtlich.867 Bei langjährigen Vertragsverhältnissen, in denen während der Vertragslaufzeit keine Saldenanerkenntnisse des Mittlers eingeholt wurden, kann umfangreicher Vortrag des Unternehmers erforderlich sein.868 Dies ist auch sachgerecht. Denn nach Vertragsende hat der Mittler in aller Regel keinen Zugang zu der vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Software, die Informationen zu den Verträgen enthält.869 Davon soll selbst dann nicht abgewichen werden, wenn der HV auf Seiten des Kunden an einer Stornierung des Kundenvertrags mitgewirkt hat870 (Frage des Einzelfalls), es um die Frage geht, ob und mit welchen Provi858 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 26; BGH, Urt. v. 2.3.1989 – I ZR 121/87, NJW-RR 1989, 865 = BB 1989, 1077; OLG Hamburg, Urt. v. 7.5.2013 – 9 U 123/12, BeckRS 2014, 17849; LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491; Oetker/Busche5 § 87a Rn 27. 859 Begr. z. RegE, BT-Drucks. I/3856, S. 26; RGZ 63, 69 (71); BGH NJW-RR 1992, 868 (869); Urt. v. 2.3.1989 – I ZR 121/87, NJW-RR 1989, 865 = BB 1989, 1077; BGH NJW 1983, 629 (631); OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/ 09, BeckRS 2010, 25582; OLG Düsseldorf OLGR 1995, 19 (20); LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491; LG Bonn, Urt. v. 15.12.2009 – 11 O 52/09, BeckRS 2010, 04041; Lost ZVertriebsR 2017, 382 (383) zum VV; Holling DB 1960, 79; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 80; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 60; so auch OGH Österreich, Urt. v. 24.3.2014 – 8 ObA20/14w, ZVertriebsR 2014, 200. 860 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 80. 861 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 80; Hopt § 87a Rn 30. 862 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 80. 863 BGH, Urt. v. 2.3.1989 – I ZR 121/87, NJW-RR 1989, 865 = BB 1989, 1077; Hopt § 87a Rn 30; Oetker/Busche5 § 87a Rn 27. 864 OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 13.11.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02421; Beschl. v. 18.12.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02422; OLG Brandenburg, Urt. v. 10.1.2013 – 5 U 54/11, BeckRS 2013, 01597; v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582; OLG Hamm, Beschl. v. 12.3.2004 – 35 W 2/04, NJW-RR 2004, 1266; OLG Koblenz VersR 1980, 623; LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 60. 865 LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491. 866 OLG Hamm, Beschl. v. 12.3.2004 – 35 W 2/04, NJW–RR 2004, 1266; Knorn BB 1975, 111 (112). 867 OLG Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 12 U 96/09, BeckRS 2010, 25582. 868 Lost ZVertriebsR 2017, 382 (383). 869 Lost ZVertriebsR 2017, 382 (383). 870 BGH NJW-RR 1989, 865. Emde

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sionsansprüchen Stornos verrechnet wurden871 (denn es geht in der Sache um den Erfüllungseinwand des Unternehmers). Dass der Dritte nicht leistet (geleistet habe, leisten werde), braucht der HV nicht darzulegen: zu seinen Gunsten wird, wenn es sonst auf die Leistung des Dritten ankäme, vermutet, die Leistung des Unternehmers habe die Nichtleistung oder die Nicht-so-Leistung des Dritten zur Folge; Sache des Unternehmers wäre es, darzutun, dass auch unabhängig von seiner eigenen Leistungssäumigkeit der Dritte nicht geleistet hat oder haben würde. Auch für die Versendung der Stornogefahrmitteilungen trägt der Unternehmer die Beweislast,872 etwa durch Zeugenbeweis,873 nicht aber für den Zugang.874 Nach aA soll das pauschale Bestreiten des HV, es sei keine Nachbearbeitung erfolgt, als Sachvortrag „ins Blaue hinein“ unbeachtlich sein875 (zweifelh., weil der HV keine Kenntnis von der internen Nachbearbeitungsorganisation des Unternehmers zu haben braucht). Da die materielle Beweislast gekennzeichnet wird, bedarf es zur Beweisführung keiner ge- 160 richtlichen Feststellung der streitigen Fragen,876 etwa mittels eines (Zwischen-)Feststellungsurteils. Auf Anlagen darf der Unternehmer Bezug nehmen; sie müssen jedoch verständlich sein.877 Zwischen Haupt- und Untervertreter gelten dieselben Beweismaßstäbe;878 der Hauptvertreter muss gegenüber seinem Untervertreter die Gründe einer Nichtzahlung des Unternehmers beweisen.879 Die vom Hauptvertreter erhobene Behauptung, er habe wegen des Scheiterns der Finanzierung (die er nicht beweisen kann) keine Provision erhalten, reicht nicht aus, um den Provisionsanspruch der Untervertreters zu Fall zu bringen,880 insb. wenn der Haupt-HV keine Ausführungen dazu macht, inwiefern er Bemühungen, Provisionen zu erhalten, unternommen hat. Eine Erleichterung der Beweislast wird dem Unternehmer insofern zugestanden, als bei dem Vertrieb von Massengütern des täglichen Bedarfs mit geringem Wert der Einzelstücke eine Vermutung dafür spricht, dem Unternehmer solle die Einklagung und Beitreibung von Zahlungsrückständen gegen nachhaltig zahlungssäumige Kunden unzumutbar sein,881 etwa bei „Kleinststoni“ bis zu 100 EUR882 (Rn 96). Hier habe der HV darzutun, dass und warum es im konkreten Falle anders sei.

IV. Absatz 4 Der HV trägt die Beweislast für die Fälligkeit des Provisionsanspruches.883

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871 AA LG Bonn, Urt. v. 15.12.2009 – 11 O 52/09, BeckRS 2010, 04041. 872 BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 310/09, VersR 2011, 345 = WM 2011, 470 Rn 24 (zum VV); OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 13.11.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02421; Beschl. v. 18.12.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02422 (zum VV); OLG Brandenburg, Urt. v. 10.1.2013 – 5 U 54/11, BeckRS 2013, 01597 (zum VV). 873 OLG Brandenburg, Urt. v. 10.1.2013 – 5 U 54/11, BeckRS 2013, 01597. 874 OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 13.11.2014 – 19 U 99/14, BeckRS 2015, 02421; Beschl. v. 18.12.2014 – 19 U 99/ 14, BeckRS 2015, 02422 (zum VV). Sonst müssten Stornogefahrmitteilungen per Einschreiben/Rückschein versandt werden. 875 OLG Saarbrücken VersR 2000, 1017 (wohl unzulässige Verschiebung der Beweislast zu Lasten des HV). 876 Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 18. 877 LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491. 878 LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491; OGH Österreich, Urt. v. 24.3.2014 – 8 ObA20/14w, ZVertriebsR 2014, 200 (201). 879 OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 (1701); LG Frankenthal, Urt. v. 17.12.2009 – 3 O 72/09, BeckRS 2010, 08491; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 60. 880 OLG München, Urt. v. 17.12.2008 – 7 U 4025/08, NJW-RR 2009, 1699 (1701). 881 BGH MDR 1972, 135; Urt. v. 19.11.1982 – I ZR 125/80 Rn 31; v. 12.11.1987 – I ZR 3/86, NJW-RR 1988, 546 (547); OLG Celle, Urt. v. 28.6.2001 – 11 U 221/00, eher ablehnend OLG Köln, v. 24.5.2012 – 19 U 169/11, BeckRS 2012, 16111 (wobei auch Zweifel an einer festen Wertgrenze geäußert werden). 882 LG Hannover, Urt. v. 18.8.2010 – 10 O 15/09, VersR 2011, 1008. 883 Baumgärtel § 87a Rn 2, 3, 4; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87a Rn 81; Ebenroth/Löwisch3 § 87a Rn 60; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a Rn 5; Hopt § 87a Rn 30; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87a Rn 58; Schlegelberger/Schröder § 87a Rn 42. 1031

Emde

§ 87b [Höhe der Provision] (1) Ist die Höhe der Provision nicht bestimmt, so ist der übliche Satz als vereinbart anzusehen. (2) 1Die Provision ist von dem Entgelt zu berechnen, das der Dritte oder der Unternehmer zu leisten hat. 2Nachlässe bei Barzahlung sind nicht abzuziehen; dasselbe gilt für Nebenkosten, namentlich für Fracht, Verpackung, Zoll, Steuern, es sei denn, daß die Nebenkosten dem Dritten besonders in Rechnung gestellt sind. 3Die Umsatzsteuer, die lediglich auf Grund der steuerrechtlichen Vorschriften in der Rechnung gesondert ausgewiesen ist, gilt nicht als besonders in Rechnung gestellt. (3) 1Bei Gebrauchsüberlassungs- und Nutzungsverträgen von bestimmter Dauer ist die Provision vom Entgelt für die Vertragsdauer zu berechnen. 2Bei unbestimmter Dauer ist die Provision vom Entgelt bis zu dem Zeitpunkt zu berechnen, zu dem erstmals von dem Dritten gekündigt werden kann; der Handelsvertreter hat Anspruch auf weitere entsprechend berechnete Provisionen, wenn der Vertrag fortbesteht.

Schrifttum Evers Die Nichtigkeit von Handelsvertreterverträgen wegen zu geringer Verdienstmöglichkeiten und ihre Rückabwicklung, BB 1992, 1365; Habscheid Das Ausgleichsrecht des Handelsvertreters, FS Schmidt-Rimpler, 1957, 335; Heckmann Die Exportabgabe nach dem Absicherungsgesetz und der Provisionsanspruch des ausländischen Handelsvertreters, DB 1969, 990; Kottke Die Mehrwertsteuer des Handelsvertreters BB 1968 1076; Klinger Zur Bemessung und Gestaltung der Vertreterprovision, DB 1957, 974; Preis/Stoffels Die Inhaltskontrolle der Verträge selbständiger und unselbständiger Handelsvertreter, ZHR 160 (1996), 442; Schröder Änderung der Vertragsbedingungen und Ausgleichsanspruch im Handelsvertreterverhältnis, DB 1958, 975; ders. Gesetzlicher und vertraglicher Provisionsanspruch des Handelsvertreters; BB 1963, 567; Ulmer/Habersack Zur Beurteilung des Handelsvertreter- und Kommissionsagenturvertriebs nach Art 85 Abs. 1 EGV, ZHR 159 (1995), 109.

Übersicht 1

VIII. Obrigkeitliche Festsetzung

A.

Übersicht

B.

Personeller Anwendungsbereich

C.

Genese

D.

Europarechtliche Präformation

E.

Absatz 1

I.

Dispositivität des Abs. 1 sowie vertragliche Ver6 einbarung der Provisionshöhe

II.

AGB

III.

Konkludente Vereinbarung

IV.

Ausdrückliche Vereinbarung

V.

Sittenwidrigkeit

VI.

Änderung der Provisionsvereinbarung

2

16

IX.

Üblicher Provisionssatz mangels Vereinbarung 18 und obrigkeitlicher Feststellung

F.

§ 87b Abs. 2 und 3: Provisionsberech20 nung

I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

21 Absatz 2 21 Allgemeines 25 Nachlässe – Grundregel 26 Nachlass bei Barzahlung 27 Nebenkosten 29 Umsatzsteuer Abweichende Vereinbarungen zu Abs. 2

II.

§ 87b Abs. 3: Provisionsberechnung bei Dauer31 verträgen 31 Überblick Verträge mit bestimmter Dauer (§ 87b Abs. 3 34 S. 1) Verträge mit unbestimmter Dauer (§ 87b Abs. 3 37 S. 2) 38 Fortsetzung des Vertrages

3 4

5

7

9 1. 2.

10

VII. Leistungsbestimmungsrecht

30

8

15

Emde https://doi.org/10.1515/9783110558401-009

11

3. 4.

1032

Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

5. 7. 8. 9.

Nicht fortgesetzter Vertrag 39 Nicht vertragsgemäße, vorzeitige Beendigung 40 des Dauervertrages Beendigung des HV-Vertrages vor dem Ende 41 des Kundenvertrages: Abweichende oder konkretisierende Vereinba42 rungen zu Abs. 3

G.

Dispositivität

H.

Beweislast

§ 87b

43 44

A. Übersicht § 87b handelt von der Berechnung der Provision und trifft Grundregeln zu ihrer Höhe und 1 Berechnungsweise. Die Vorschrift regelt mithin „wie viel“ der Vertreter für seine Hauptleistung erhält. Die Norm trennt Höhe (Abs. 1) und Berechnungsgrundlagen (Abs. 2, 3) der Provision. Abs. 3 betrifft dabei den Sonderfall der Dauerverträge. Dass die Provision in Geld zu zahlen ist – auch wenn keine der beiderseitigen Leistungen der Geschäftspartner in Geld besteht (Tauschvertrag, Rn 23)1 –, setzt § 87b voraus. Nicht erforderlich ist, dass sie nach dem Modus des § 87b Abs. 2, 3 berechnungsbedürftig ist; sie kann auch nach der Stückzahl der vermittelten Objekte, statt in Prozenten des Entgelts, oder mit einem festen Betrag für das einzelne Geschäft vereinbart werden, woraufhin die Berechnungsweise des Gesetzes gegenstandslos wird.

B. Personeller Anwendungsbereich § 87b gilt für alle unter § 84 fallenden HV2 einschließlich der Unter-3 und Versicherungsvertre- 2 ter4 sowie für sämtliche ihnen zustehende Provisionen,5 auch für Delkredere-, Inkasso-, Folgeund Bezirksprovisionen.6 Über § 65 ist § 87b auch auf den Handlungsgehilfen anwendbar. Auf Vertragshändler7 und Franchisenehmer8 soll § 87b regelmäßig unanwendbar sein, da es sich um eine Spezialvorschrift zum HV-Recht handelt. Das könnte zumindest für Abs. 1 fraglich sein. Denn im Falle der Unwirksamkeit der Vergütungsabrede, etwa wegen Sittenwidrigkeit oder mangelndem Grundrabatt,9 erscheint eine Analogie zu Abs. 1 durchaus sinnvoll. Auch auf Kommissionsagenten soll § 87b nach h. M. unanwendbar sein.10 Für eine analoge Anwendung spricht, dass auch im Kommissionsagentenrecht Bedarf für Vorschriften zur Berechnung von Höhe sowie Art und Weise der Provision bestehen.11

1 Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 6; Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 1. 2 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 3. 3 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 3; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 41. Bei der Anwendung sind die zwischen Hauptvertreter und Unternehmer getroffenen Vereinbarungen zu berücksichtigen, soweit sie den betroffenen Parteien bekannt sind. 4 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 3; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 1. 5 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 4; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 1; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87b Rn 3; Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 1. 6 Westphal I Rn 588. 7 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 62; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 41. 8 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 74; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 41. 9 Siehe BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 10 Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 41; Oetker/Busche § 87b Rn 23; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87b Rn 3. 11 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 79; aA noch 2. Aufl. § 87b Rn 1. 1033

Emde

§ 87b

1. Buch. Handelsstand

C. Genese 3 § 87b wurde mit der Novelle 1953 in das HGB gebracht. Abs. 2 S. 3, betreffend die Mehrwertsteuer, ist durch die Neufassung des Umsatzsteuergesetzes vom 29.5.1967 (BGBl. I, 545) eingefügt worden.

D. Europarechtliche Präformation 4 § 87b Abs. 1 versucht Art. 6 Abs. 1 RL abzubilden. Auch die RL sieht die Üblichkeit als subsidiären Auslegungsmaßstab vor, daneben nachrangig die Angemessenheit der Vergütung, was – obwohl vom deutschen Recht nicht übernommen – zumindest innerhalb des Anwendungsbereichs der RL auch unter dem HGB kraft RL-konformer Auslegung gilt (zum Umsetzungsfehler unten). § 87b Abs. 2 und 3 sind ohne Vorbild in der RL. Gem. Art. 6 Abs. 1 RL hat der HV Anspruch auf eine Vergütung, die an dem Ort seiner Tätigkeit für die Vertretung von Waren üblich ist, die den Gegenstand des HV-Vertrages bilden, mangels einer solchen Üblichkeit auf eine angemessene Vergütung. Eine „Vergütung“ ist nach der RL der Oberbegriff für Provision (eine Vergütung, die nach Zahl oder Wert der Geschäfte schwankt, s. Art. 6 Abs. 2 RL), aber auch für andere Entgeltformen. § 87b Abs. 1 regelt, dass der übliche Satz als vereinbart anzusehen ist, sofern die Höhe der „Provision“ nicht bestimmt ist. § 87b Abs. 1 gilt dem Wortlaut nach also nur für die „Provision“, nicht für die sonstige „Vergütung“. Da die RL, wie sich aus der unterschiedlichen Apostrophierung des Artt. 6 und 7–12 ergibt (siehe insb. Art. 6 Abs. 2 RL), bewusst zwischen „Provision“ und „Vergütung“ unterscheidet und dem HV auch andere Vergütungen als Provision gewährt werden dürfen, bildet die Begrenzung des § 87b Abs. 1 auf „Provision“ wohl einen Umsetzungsfehler.12 Zudem regelt § 87b Abs. 1 nicht, dass es für die Üblichkeit auf den Ort ankommt, an dem der HV seine Tätigkeit ausübt. Auch hierin liegt ein Umsetzungsfehler. Wie oben dargelegt wurde schließlich der subsidiäre Auslegungsmaßstab des Art. 6 Abs. 1 S. 2 RL nicht übernommen, demzufolge mangels einer solchen Üblichkeit der HV Anspruch auf eine angemessene Vergütung hat, bei der alle mit dem Geschäft zusammenhängenden Faktoren zu berücksichtigen sind. Letzteres bildet gleichfalls einen Umsetzungsfehler.13 Neben den in der RL ausdrücklich genannten Fällen zwingender Natur soll nach Ansicht von Westphal14 auch Art. 6 zwingend sein, demzufolge bei Fehlen einer Vereinbarung der HV Anspruch auf eine Vergütung hat, die am Ort seiner Tätigkeit üblich ist.

E. Absatz 1 5 Zum Begriff der Provision vgl. Kommentierung zu § 87.

I. Dispositivität des Abs. 1 sowie vertragliche Vereinbarung der Provisionshöhe 6 Die übliche Provision des Abs. 1 wird nur geschuldet, wenn vertraglich – wirksam15 – nichts Abweichendes bestimmt wurde, wobei sich die Parteien auf Teilregelungen zu bestimmten Provisionsarten, Tätigkeiten oder Zeitabschnitten beschränken dürfen,16 die ggf. Auslegungshilfe bei der 12 Wohl auch Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 95, aber nicht ganz eindeutig.

13 Westphal EWS 1996, 43 (45) zugleich zur Umsetzung in anderen EU-Staaten. 14 Westphal Die Handelsvertreterrichtlinie und deren Umsetzung in der EU, Diss. iur. Münster 1994, S. 71 f. 15 BGH, Urt. v. 12.3.2015 – VII ZR 336/13, NJW 2015, 1754 Rn 21; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 24.

16 Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 5. Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 87b

Bestimmung des im Übrigen Gewollten bieten können. § 87b ist dispositiv (unten, Rn 43), so dass vertragliche Absprachen vorgehen. Deshalb darf auch nach Abschluss des HV-Vertrages jederzeit, wenn auch hinreichend deutlich und selbst mit Rückwirkung17 und ggf. nur für einen Teil der Geschäfte18 (partielle Provisionsregelung), ein anderer Provisionssatz als der in § 87b Abs. 1 vorgesehene „übliche“ vereinbart werden,19 und zwar – siehe § 85 – formfrei,20 im Zweifel aber in der vereinbarten strengeren Form.21 Der vereinbarte Provisionssatz geht der in Abs. 1 angesprochenen üblichen Provision, einer ergänzenden Vertragsauslegung, oder einem Handelsbrauch22 vor, scheitert aber an einer obrigkeitlichen Festsetzung (Rn 16 f.), wobei in dieser Reihenfolge zu prüfen ist. Die Bestimmung der Provision, die Abs. 1 als Regel voraussetzt, erfolgt gewöhnlich in dieser Weise durch Vertrag in Form eines bezifferten Provisionssatzes in Prozenten des Geschäftswertes. Möglich ist auch eine differenzierte Festsetzung der Provisionshöhe nach Kunde, Art des Geschäfts und/oder Verdienstspanne des Unternehmers.23 Zum möglichen Inhalt solcher Vergütungsvereinbarungen s. Kommentierung zu § 87. Notwendiger Bestandteil oder Wirksamkeitsvoraussetzung des HV-Vertrags ist eine solche Provisionsvereinbarung nicht. Eine vertragliche Teilregelung bedeutet nicht, dass über diese Teilregelung hinaus keine Provision gezahlt werden soll.24 Ein solcher Umkehrschluss müsste sich eindeutig aus dem Vertrag ergeben.25 Mangels entgegenstehender Regelung ist die vereinbarte Provision in allen Fällen zu zahlen, in denen der HV Provision verlangen kann,26 d. h. sowohl bei Vermittlungs-, Abschluss-, Bezirks- oder Kundenschutzprovision. Der versprochene Provisionssatz ist grundsätzlich auch dann maßgeblich, wenn mit dem Kunden ein besonders günstiger Sonderpreis vereinbart wird27 und gilt für alle Tätigkeiten des HV. Abzulehnen ist die Ansicht, für Bestandspflege- und Verwaltungsprovisionen gälten – wohl im Wege ergänzender Vertragsauslegung – grundsätzlich geringere Provisionssätze als für Vermittlungs- oder Abschlussprovisionen.28 Mit der vereinbarten Provision ist im Zweifel die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit des HV abgegolten.29

II. AGB Die Höhe der Provision ist wohl trotz § 87b der Kontrolle nach § 307 BGB entzogen.30 Es handelt 7 sich um eine kontrollfreie Hauptleistung (s. Kommentierung zu Vor § 84). Darüber könnte diskutiert werden, wenn man die Treupflicht des Unternehmers als Prüfungsmaßstab ansieht.

Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 4. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 8. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 59; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 9. Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 5; Oetker/Busche § 87b Rn 5. AA Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 4. Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 4; Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 2. LAG Frankfurt NZA 1992, 799 (geringerer Provisionssatz bei Vermittlung von Geschäften unter Listenpreis); OLG Karlsruhe, HVR Nr. 494; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 59; Oetker/Busche § 87b Rn 22; Hopt § 87b Rn 18. 24 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 8; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87b Rn 6; Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 2. 25 Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 5; Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 2. 26 BGH, Urt. v. 15.2.1971 – VII ZR 122/69; VersR 1971, 464; Westphal I Rn 588; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 12; Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 2a. 27 OLG München HVR Nr. 827; Küstner/Thume I, Kap. V Rn 301. 28 AA Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 12. 29 Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 12; Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 2. 30 BGH NJW-RR 2004, 1206 (1207); Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 60; aA Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 4, 7.

17 18 19 20 21 22 23

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Emde

§ 87b

1. Buch. Handelsstand

III. Konkludente Vereinbarung 8 Da die Provisionsabrede formfrei getroffen werden kann, darf eine § 87b vorrangige, stillschweigende Vereinbarung zur Provisionshöhe erfolgen.31 Wird im Einverständnis beider Parteien die Tätigkeit des HV über einen gewissen Zeitraum in gleichbleibender prozentualer Höhe vergütet, mag auf eine entsprechende vertragliche Vereinbarung geschlossen werden.32 Schweigen einer Partei auf den Änderungsvorschlag der anderen bildet keine Zustimmung.33

IV. Ausdrückliche Vereinbarung 9 Fast alle schriftlichen Vertreterverträge enthalten eine ausdrückliche Regelung des Provisionssatzes.34 Dieser ist dann maßgeblich. Vereinbart werden darf etwa, da kontrollfreie Hauptleistung (oben, Rn 7 und Kommentierung zu Vor § 84), regelmäßig auch durch AGB (Rn 7), die Höhe der Provision, eine differierende Provision nach Geschäft, Kunde, ab Erreichen einer bestimmten Umsatzschwelle, für bestimmte Einzeltätigkeiten,35 der Umfang der Mitwirkung des HV am Zustandekommen des Kundengeschäfts,36 eine Bemessung nach der Verdienstspanne des Unternehmers37 oder die Provisionsverteilung unter verschiedenen HV.38 In allen Fällen kann auch eine völlig abweichende Vergütungsart gewählt werden, etwa ein Fixum oder ähnliches (s. Kommentierung zu § 87). Solange nicht klar unterschiedliche Provisionssätze für verschiedene Tätigkeiten des HV vereinbart sind, gilt der vereinbarte Provisionssatz für alle Tätigkeiten und Abschlüsse.39

V. Sittenwidrigkeit 10 Sogenannte „Hungerprovisionen“ oder andere Vergütungen, die sittenwidrig niedrig vereinbart sind, können gem. §§ 138, 242 BGB unwirksam und treuwidrig sein, auch im Vertragshändlerrecht40 sowie allg. im Recht HV-ähnlicher Mittler. Das ist der Fall, sofern die Provision trotz der Selbständigkeit des HV und seiner Eigenverantwortung für hinreichendes Einkommen kein ausreichendes Äquivalent für die Bemühung des Mittlers bildet, in außergewöhnlichem Maß von dem sonst in dem Geschäftszweig Üblichen abweicht und der HV trotz vollständiger Erfüllung der ihm übertragenen Pflichten, Nutzung der ihm nach dem HV-Vertrag eingeräumten Betätigungsmöglichkeiten sowie gebotenem Einsatz seiner Arbeitskraft eine angemessene Vergütung nicht erzielen kann.41 Insb. ist eine sittenwidrige Vereinbarung anzunehmen, wenn ein 31 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 5; Oetker/Busche § 87b Rn 5; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87b Rn 4. 32 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 5; Westphal I Rn 586; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 4; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87b Rn 4; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87b Rn 4; Schlegelberger/ Schröder § 87b Rn 2. 33 Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 8. 34 Küstner/Thume I, Kap. V Rn 302. 35 Klinger DB 1957, 975; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 7. 36 Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 7; Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 4. 37 OLG Karlsruhe HVR (75) Nr. 494; Küstner/Thume I, Kap. V Rn 317; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 7; Heymann/ Sonnenschein/Weitemeyer § 87b Rn 4; Hopt § 87b Rn 18. 38 Klinger DB 1957, 975; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 8; Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 2, 2b. 39 Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 7. 40 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 41 BGH, Urt. v. 20.3.1981 – I ZR 12/79, DB 1981, 2274; v. 17.10.1960 – VII ZR 216/59, BB 1960, 1221 (1222); OLG Nürnberg BB 1960, 1261; BAG, Urt. v. 10.3.1960 – 5 AZR 426/58, MDR 1960, 612; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.1.1998 – Emde

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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter

§ 87b

auffälliges Verhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt.42 Verluste des HV reichen für die Annahme einer „Hungervergütung“ nicht aus.43 Eine zu geringe Provision kann auch ein Indiz für die Unselbständigkeit des HV bilden, wobei wirtschaftlicher Abhängigkeit des HV jedoch regelmäßig nur eine schwache Indizwirkung für die Unselbständigkeit beizumessen ist (s. Kommentierung zu § 84). In Anlehnung an diese Diskussion wird auch bei Kfz-Händlerverträgen mit unzureichenden Verdienstmöglichkeiten eine Ergänzung der „Hungermarge“ diskutiert.44 Eine den im Vertrieb erzielten Rabatt ergänzende Vergütung aus dem Werkstatt- und Gebrauchtwagengeschäft soll in die Gesamtbetrachtung des Leistungs-/Gegenleistungsverhältnisses nicht einbezogen werden.45

VI. Änderung der Provisionsvereinbarung Von der gesetzlich oder vertraglich geregelten Provisionshöhe darf – konkludent oder ausdrück- 11 lich (s. o.) – nur einvernehmlich abgewichen werden.46 Einseitige Änderungen sind unwirksam.47 Selbst die jahrelange Duldung einer einseitigen Herabsetzung der Provision, die meist nur aus Furcht des HV vor einer Kündigung des Vertrages durch den Unternehmer erfolgt, hindert den Vertreter später nicht, den noch unverjährten Teil der Provision nachzufordern.48 Nur in besonders krassen Fällen können Verwirkungsgrundsätze eingreifen, was ein Zeit- und ein Umstandsmoment voraussetzt. Letzteres hat das LG Mannheim49 in einem Einzelfall angenommen: Die jahrelange rügelose Entgegennahme geringerer als der vertraglich vereinbarten Provisionen sowie entsprechender Abrechnungen durch einen VV soll entspr. § 362 als Annahme eines Antrags des Unternehmers zu werten sein, die ursprünglich vereinbarten Provisionssätze zu kürzen. Dem widerspreche eine Schriftformklausel nicht, weil sie durch konkludentes Verhalten abänderbar sei. Das Urteil des LG Mannheim dürfte im Spannungsverhältnis zur BGHRspr.50 stehen, derzufolge auf Grund der zwingenden Natur der Kontrollrechte (§ 87c Abs. 5) im Schweigen auf Abrechnungen keine Annahme des Angebots des Unternehmers auf die Höhe der abgerechneten Provision liegt. Zur Verwirkung gelten die zu § 87c Rn 159 ff. näher dargestellten Ausführungen zum Anerkenntnis der Provisionsabrechnung mittels Schweigens (siehe dort). Wird keine Regelung getroffen, ab wann die Änderung Anwendung finden soll, ist der Provisionssatz maßgeblich, der zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Geschäfts und damit des Entstehens der Provisionsanwartschaft gilt; eine Rückwirkung tritt nur bei dahingehender Abrede ein.51 Eine nachträglich verabredete Änderung von Provisionssätzen oder der Art der Provisionsberechnung bleibt damit, wenn nicht eindeutig Gegenteiliges vereinbart wird, ohne

16 U 182/96, ZIP 1998, 624 (627); LAG Berlin: DB 1964, 189; Thume BB 2012, 975 (976); Evers BB 1992, 1365; Küstner/ Thume I, Kap. V Rn 308; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 6; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 10; Oetker/Busche § 87b Rn 5; Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 2c; ähnlich BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 8 A ZR 242/11, DB 2012, 1876 zu einem Arbeitsvertrag mit Provisionsregelung. 42 BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 8 A ZR 242/11, DB 2012, 1876 zu einem Arbeitsvertrag mit Provisionsvereinbarung; Flohr/ Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 6. 43 BGH BB 1960, 1221 (1222); Schlegelberger/Schröder § 87b Rn 2c. 44 Genzow kfz-Betrieb 8/2001, 24, vgl. auch BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, ZIP 2005, 1785 = WM 2005, 2002 = NJW–RR 2005, 1496 = EWiR 2005, 815 (Emde) = NJW 2006, 46 m. Anm. Kappus NJW 2006, 15. 45 Genzow kfz-Betrieb 8/2001, 24. 46 Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 9; Westphal I Rn 589. 47 BGH, Urt. v. 24.10.1955 – II ZR 216/54, BB 1955, 1009; Ebenroth/Löwisch3 § 87b Rn 13. 48 OLG Karlsruhe OLGR 2008, 321; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 10. 49 LG Mannheim, Urt. v. 10.12.2004 – 23 O 89/04, VersR 2005, 1532. 50 BGH NJW 1996, 588; siehe hierzu Emde MDR 1996, 331 ff.; EWiR 1999, 327/328; Kukat DB 2002, 1646; ebenso OLG Hamburg, BB 1998, 971 = EWiR 1999, 327 (Emde). 51 Küstner/Thume I, Kap. V Rn 305; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich Vertriebsrecht § 87b Rn 9. 1037

Emde

§ 87b

1. Buch. Handelsstand

Einfluss auf bereits entstandene Provisionsansprüche oder Anwartschaften.52 Beweispflichtig für die Änderung ist derjenige, der sich auf sie beruft. Im Zweifel ist nur eine für das einzelne Geschäft vereinbarte Änderung gewollt.53 12 Änderungsvorbehalte, mit denen sich der Unternehmer eine einseitige Herabsetzung der Vergütung vorbehält, sind grundsätzlich unzulässig. Zu AGB s. o., Vor § 84. Dies ist allerdings für Individualverträge umstritten. Es wird vertreten, dass sich der Unternehmer in Individualverträgen die einseitige Änderung des Provisionssatzes vertraglich vorbehalten darf.54 Dem ist regelmäßig nur für den Fall zuzustimmen, dass es gewichtige Gründe für die Vereinbarung des Änderungsvorbehalts gibt und der Änderungsvorbehalt einen angemessenen und klaren Änderungsrahmen bezeichnet, etwa eine bevorzugte Verprovisionierung in der Aufbauphase. Anderenfalls könnte dem Vertragspartner – nicht anders als bei einem Änderungsvorbehalt mittels AGB oder der unzulässigen Teilkündigung – ein Vertrag mit völlig abweichenden Konditionen aufgezwungen werden. Ob langjährige Duldung eines einseitigen Bestimmungsrechts des Unternehmers durch den HV zur vertraglichen Anerkennung des Änderungsvorbehalts führt, ist zw