Handelsgesetzbuch. Band 11/2 Bankvertragsrecht: Investment Banking II 9783110494099, 9783110494518

Stefan Grundmann, Humboldt-Universität Berlin; Jens-Hinrich Binder, Universität Tübingen.

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German Pages 1074 Year 2018

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Table of contents :
Verzeichnis der Bearbeiter der 5. Auflage
Vorwort
Inhaltsübersicht
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
SECHSTER TEIL Marktregeln (Zweite Sequenz)
4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen (EU-VO 236/2012), OTC-Derivaten, Gegenparteien, Transaktionsregistern (EU-VO 648/2012, „EMIR“) und Benchmarks (EU-VO 2016/1011)
5. Abschnitt: Emittentenbezogenes und sonstiges Kapitalmarktrecht jenseits des Investment Banking (Überblick)
6. Abschnitt. Übernahmerecht (Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WpÜG)
SIEBENTER TEIL Organisationsanforderungen an Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur
1. Abschnitt: Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung
2. Abschnitt: Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen
3. Abschnitt: Transaktionsbezogene Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur
ACHTER TEIL Kundenbeziehung (Wertpapierhandel/Effektengeschäft)
1. Abschnitt: Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)
2. Abschnitt: Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen) (Überblick)
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Handelsgesetzbuch. Band 11/2 Bankvertragsrecht: Investment Banking II
 9783110494099, 9783110494518

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Großkommentare der Praxis

STAUB

Handelsgesetzbuch Großkommentar Begründet von Hermann Staub

5., neu bearbeitete Auflage herausgegeben von

Claus-Wilhelm Canaris Mathias Habersack Carsten Schäfer Elfter Band Bankvertragsrecht Zweiter Teilband Investment Banking II Bearbeiter: Sechster Teil, 4. und 5. Abschnitt: Stefan Grundmann Sechster Teil, 6. Abschnitt: Florian Möslein Siebter Teil: Jens-Hinrich Binder Achter Teil: Stefan Grundmann

De Gruyter

Bearbeitungsstand: 1. August 2017

Zitiervorschlag: Grundmann in Großkomm. HGB, 5A, Bankvertragsrecht Sechster Teil Rn. 559 Bandherausgeber: Professor Dr. Dr. Stefan Grundmann, LL.M. (Berkeley), Humboldt-Universität Berlin und European University Institute, Florence

ISBN 978-3-11-049451-8 eISBN (PDF) 978-3-11-049409-9 eISBN (EPUB) 978-3-11-049227-9 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck: Druckhaus Nomos, Sinzheim Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Verzeichnis der Bearbeiter der 5. Auflage Professor Dr. Jochen Axer, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, axis Rechtsanwälte, Köln Dr. Peter Balzer, Rechtsanwalt, Sernetz Schäfer Rechtsanwälte, Düsseldorf Professor Dr. Jens-Hinrich Binder, LL.M. (London), Universität Tübingen Dr. Benjamin B. von Bodungen, LL.M. (Auckland), GGS, Heilbronn Professor Dr. Ulrich Burgard, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Professor Dr. Dr. h.c. mult. Claus-Wilhelm Canaris, Ludwig-Maximilians-Universität München Professor Dr. Matthias Casper, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Dipl.-Kfm. Andrej Cepuran, axis Rechtsanwälte, Köln Professor Dr. Gerhard Dannecker, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Professor Dr. Klaus-Dieter Drüen, Heinrich Heine Universität Düsseldorf Dr. Raimond Emde, Rechtsanwalt, Graf von Westphalen, Hamburg Professor Dr. Dr. Stefan Grundmann, LL.M. (Berkeley), Humboldt-Universität zu Berlin und Europäisches Hochschulinstitut Florenz Professor Dr. Mathias Habersack, Ludwig-Maximilians-Universität München Dr. Stephan Harbarth, LL.M. (Yale), Rechtsanwalt, SZA Schilling, Zutt & Anschütz, Mannheim Professor Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Professor Dr. Rainer Hüttemann, Dipl.-Volksw., Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Professor Dr. Henning Jessen, LL.M. (Tulane), Universität Hamburg und World Maritime University Malmö Professor Dr. Detlev Joost, Universität Hamburg Professor Dr. Christian Kersting, LL.M. (Yale), Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Professor Dr. Peter Kindler, Ludwig-Maximilians-Universität München Professor Dr. Detlef Kleindiek, Universität Bielefeld Professor Dr. Jens Koch, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Professor Dr. Ingo Koller, Universität Regensburg Dr. Ernst-Thomas Kraft, Rechtsanwalt, Hengeler Mueller, Frankfurt am Main Dr. Stefan Kröll, LL.M. (London), Rechtsanwalt, Köln Daniela Mattheus, Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Berlin Professor Dr. Andreas Maurer, LL.M. (Osgoode), Universität Mannheim Professor Dr. Florian Möslein, LL.M. (London), Phillips-Universität Marburg Professor Dr. Hartmut Oetker, Christian-Albrechts-Universität, Kiel Professor Dr. Karsten Otte, M.J.C. (Austin), Direktor bei der Bundesnetzagentur, Bonn Dr. Moritz Pöschke, LL.M. (Harvard), Akademischer Rat auf Zeit, Universität zu Köln Professor Dr. Moritz Renner, Universität Bremen Dr. Fabian Reuschle, Richter am Landgericht Stuttgart Professor Dr. Carsten Schäfer, Universität Mannheim Professor Dr. Patrick Schmidt, Rechtsanwalt Kanzlei NJP Grotstollen, Duisburg Professor Dr. Jan Schürnbrand , Eberhard-Karls-Universität Tübingen Professor Dr. Martin Schwab, Universität Bielefeld Professor Dr. Jan Thiessen, Humboldt-Universität zu Berlin Professor Dr. Christoph Weber, Julius-Maximilians-Universität Würzburg Professor Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim

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Vorwort Mit Bd. 11/2 findet die Neuauflage des „Bankvertragsrechts“ im Staub’schen Großkommentar ihren Abschluss – mit vier Teilbänden in 3 ½ Jahren. Wie Band 10/1 – zur Struktur des Kreditwesens und dem allgemeinen Bank-Kunden-Verhältnis – erschien, als die Europäische Bankenunion in Geltung gesetzt wurde (zum 4.11.2014 und 1.1.2016 für SSM und SRM), wie Band 11/1 – zum Recht der Marktregeln – erschien, als das Hauptstück – die EU-Marktmissbrauchs-Verordnung („MAR“) – erstmals anwendbar wurde (zum 3.7.2016), so erscheint jetzt das letzte Teilstück zu einem vergleichbaren Zeitpunkt. Bd. 11/2 hat (wiederum) zum Hauptgegenstand einen gerade erst neu erlassenen bzw. rundum erneuerten Hauptrechtsakt für dieses Gebiet, die MiFID II und ihre Umsetzung im WpHG – mit gänzlich neuem Gehalt und (schon rein äußerlich) mit gänzlich neuer Zählung (anwendbar ab dem 3.1.2018). Das „Bankvertragsrecht“ liegt also nicht nur nach 30-40 Jahren endlich wieder in einer Neuauflage vor, es liegt auch zu einer brandneuen Gesamtarchitektur und ebensolchen Hauptstücken vor. Neben Herrn Professor Moritz Renner (Teil 4, Bd. 10/2) haben nunmehr die Herren Professoren Jens-Hinrich Binder und Florian Möslein (7. Teil bzw. 6. Teil Abschnitt 6), wissenschaftlicher „Neffe“ und Schüler, sehr großen Anteil daran. Ihnen sei besonders herzlich gedankt. Wir hoffen, das Werk atmet „einen Geist“. Als Claus-Wilhelm Canaris das Vorgängerwerk zu dieser Kommentierung schrieb, war die Aufgabe eine gänzlich andere. Mit seiner Kommentierung schuf er das Bankrecht in Deutschland erst wirklich. Im Kontext relativ weniger Publikationen, zu einer Zeit, als ein Bankrechtssenat am BGH erst noch zu schaffen war und dann geschaffen wurde, systematisierte er Judikate, Aufsätze, einige Monographien und vor allem allgemeine deutsche privatrechtliche Theorie und Dogmatik und bildete daraus das Bankrecht in Deutschland – und damit zugleich eine der berühmtesten deutschen Kommentierungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Heute ist die Situation eine gänzlich andere. Zum Bankrecht gibt es eine Vielzahl von Publikationen, alle größeren verantwortet von einem personenreichen Autorenteam, zum Bankrecht judiziert ein eigener BGH-Senat – neben vielen Obergerichten – und nicht selten auch der EuGH. Das Bankrecht ist jedoch keineswegs nur erheblich materialreicher geworden. Es ist längst auch nicht mehr allein Ausfluss einer privatrechtlichen Theorie und Dogmatik, sondern auch, für manche sogar vorrangig aufsichtsrechtlich verfasst und dies auch in den Beziehungen zwischen Marktteilnehmern, besonders deutlich im Effekten-, aber auch im Kredit- und Zahlungsgeschäft. Der Wertpapierhandel bei Canaris ist Vertragsrecht, der Wertpapierhandel heute ist vor allem Marktrecht – mit auch privatrechtlichen Durchsetzungsmechanismen. Und nicht zuletzt ist das Bankrecht auch längst nicht mehr primär deutsches Recht, überwiegend ist es Europäisch verfasst. Eine Neukommentierung muss also nicht nur wegen der Lücke von mehr als einem Vierteljahrhundert, sondern wegen der völligen Neustrukturierung des Gebiets einen gänzlich anderen Charakter haben. Wo das Bankrecht am stärksten Europäisch verfasst ist und wo sich aufsichtsrechtliche und vertragsrechtliche Dimension am stärksten mischen, im Effektengeschäft („Investment Banking“), da ist die zeitliche Lücke auch besonders groß und inhaltlich besonders naheliegend: Diesen Bereich hat Canaris zuletzt 1981 überarbeitet. Dieses Gebiet ist aber schon seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts stärker Europäisch und markt- und aufsichts-

VII

rechtlich verfasst als jeder andere bankrechtliche Bereich. Dieses ist Gegenstand des Bandes 11 zum Investment Banking. Gegenstand und Materie dieses Bandes sind also deutlich mehr genuin supra- und international als zum deutschen Recht. Die Neukommentierung kann in Detailtiefe und -reichtum nicht mit vielbändigen Handbüchern aus der Feder von zwei- bis dreistelligen Autorenzahlen konkurrieren, nicht mit Kommentierungen von Einzelgesetzen, etwa dem WpHG, von teils weit über 1.000 Seiten. Ziel kann aber dreierlei sein: Ziel ist es, die Gesamtmaterie wieder in einer durchgängigen Struktur zu sehen, mit einem roten Faden, insbesondere auch die Querbezüge zwischen den Einzelstücken betonend, den Blick hierfür schärfend, aus „einer Feder“ oder jedenfalls aus „einem Guss“. Ziel ist es sodann, das Bankrecht nicht allein als deutsches zu verstehen, sondern durchgängig – geradezu mit gleichem Gewicht – in seiner meist internationalen (überwiegend europarechtlichen) Herkunft, aber auch in seiner Einbettung in internationale Kontexte, d.h. grenzüberschreitende Sachverhalte. Das Bankgeschäft ist heute vielfach international. Und Ziel ist es zuletzt, den großen Bogen zwischen privater Gestaltung und Gestaltungsfreiheit, „Vertragsrecht“, einerseits und (aufsichtsrechtlicher) Ordnung, vor allem Marktordnung, andererseits durchgängig zu spannen und zu problematisieren. Das Bankgeschäft hat – wie nicht zuletzt die globale Finanzkrise wieder gezeigt hat – auch eine systemische Dimension, und erschöpft sich nicht in Individualbeziehungen. Zugleich ist es in besonderem Maße Kautelarrecht, mit AGBs von branchenweiter Bedeutung. Schon in Canaris Feder wurde das Bankvertragsrecht ein Paradigma des Privatrechts allgemein, beispielsweise, indem er es (erstmals) unternahm, jeweils den Vertrag von seiner „Geburt“ bis hin zu seinem „Tod“, bis hinein in die Insolvenz, durchzuformen und nachzuzeichnen, oder auch, indem er es aus dem Bankrecht heraus unternahm, ein neues Bereicherungsrecht – insbesondere in der Dreiecksbeziehung – zu schreiben. Ähnlich paradigmatisch ist Bankrecht heute, freilich in anderen Punkten: in der Internationalität (mit fast schon kodifikatorischer Durchbildung auf EU-Ebene, etwa im Zahlungsdiensterecht und ganz besonders im Bereich des Investment Banking), in der Verbindung von Einzelbeziehung und allgemeiner Marktordnung, und aus beiden Gründen auch in seinem Methodenreichtum, als Kernmaterie für disziplinenübergreifende Denkansätze. All dies auch für praktische Ansprüche handhabbar zu machen und darzustellen, ist Reiz und Herausforderung der Aufgabe, der vorliegenden Neukommentierung. Der nunmehr vorgelegte Band 11/2 bildet nach dem Gesagten den Abschluss des Gesamtwerks zum Bankvertragsrecht, aufgeteilt in vier Teilbände. In ihm wird nunmehr das „Grundgesetz des Wertpapierhandels“ (Hopt), mithin des Investment Banking insgesamt, das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), erstmals im deutschen Schrifttum in der neuen Gestalt – mit neuer Zählung und dies auf fast 500 Seiten – breit kommentiert. Inhaltlich hatte MiFID II – teils als selbst gewählter Meilenstein auf dem Wege zu einer Europäischen Kapitalmarktunion, teils auch in Reaktion auf die globale Finanzkrise – zentrale Neuerungen gebracht. Stichworte sind ein ungleich bewussterer Zuschnitt auf die ganze Breite von Anlegern (etwa Produkt-Governance und -kontrolle, etwa behavioral finance), eine Vertiefung der Zweiteilung in der insoweit zentralen Anlageberatung (Provisionsanlageberatung, unabhängige Honoraranlageberatung), eine weitere Fortschreibung bei der Ausdifferenzierung der Handelsplätze und deren Wettbewerb, eine Vertiefung der Ausarbeitung der EU-Rechtsgrundlagen bis ins Detail und vieles andere mehr. Strukturell beschreitet dieser Kommentar dabei erstmals den Weg, dieses „Grundgesetz“ funktional nach Adressaten aufzugliedern. Nach Regeln, die Märkte insgesamt betreffen (heute weitestgehend überführt in die MAR, 6. Teil, und weitere EU-Verordnungen, nächster Absatz); nach Regeln, die umfangreiche Organisationsanforderungen an die zentralen Markt-

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teilnehmer (Intermediäre) und die Marktinfrastruktur formulieren (7. Teil); und nach Regeln für das unmittelbare Bank-Kunden-Verhältnis (8. Teil). So entsteht ein stärker funktional geordnetes Bild – bei ansonsten gleichbleibender Ordnung nach der Paragraphenfolge. Noch ist die Aufsichtsarchitektur über Kapitalmärkte – anders als bei der Aufsicht über die Intermediäre (die Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister) – keine europaeinheitliche. Das Regelwerk selbst hingegen ist es unzweifelhaft und deswegen ist dieser Kommentar auch mehr einer zum Europäischen als einer zum deutschen Recht. Das zeigen auch die sonstigen Rechtsakte, die in diesen Band aufgenommen wurden: die EU-Leerverkaufs-VO, die EMIR, die EU-Benchmark-VO, alle drei EU-Recht mit unmittelbarer Anwendbarkeit im Inland (6. Teil Abschnitt 4), aber auch die EG/EU-Richtlinien, die den weiteren Abschnitten im 6. Teil zugrunde liegen (EU-Transparenz-Richtlinie im Abschnitt 5 und EGÜbernahme-Richtlinie im Abschnitt 6). Schließlich steht im Depotrecht eine weitere tiefgreifende Umgestaltung an, wenn die EU-Verordnung zu den Zentralverwahrern (Central Securities Depositaries Regulation, CSDR) im Jahre 2018 in „konkrete Strukturen“ übersetzt wird. Das Depotrecht wird in diesem Zustand bereits auf den zukünftigen Rechtszustand hin kommentiert (8. Teil Abschnitt 2), jedoch deutlich kürzer (für eine Vollkommentierung des klassischen Zustandes aus dem Autorenkreis vgl. die Darstellung von Binder im Bankrechtskommentar). Das Bankvertragsrecht wird auch in den nächsten Jahren ein „Reformwerk in Permanenz“ bleiben – und dieser Kommentar zum „Bankvertragsrecht“ wird das mit einer Gesamtausgabe abbilden, auch diese zeitnah genug und mit dann nochmals vertieften Schwerpunkten bei den neuesten Entwicklungen. Mein herzlicher Dank gilt meiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin, Anna Hübner, und meinem wissenschaftlichen Mitarbeiter, Henning Böttcher, die die Hauptlast trugen und sich mit bemerkenswertem Engagement um den vorliegenden Band verdient gemacht haben, sowie den Herren Referendaren Matthias Kraatz und Steffen Post, die – stärker punktuell, jedoch nicht weniger engagiert – daneben einsprangen. Es ist ein bemerkenswertes Zeichen ihrer Internationalität, dass drei der vier bei Erscheinen des Werks bereits ihre Studien und Forschungen in Amsterdam und London fortsetzen. Allen mein herzlicher Dank. Literatur und Rechtsprechung sind bis zum 1. August berücksichtigt.

September 2017

Bandherausgeber und Verlag

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Inhaltsübersicht

BANKVERTRAGSRECHT BAND 11/2

Investment Banking II Sechter Teil. Marktregeln (zweite Sequenz) 4. Abschnitt. Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen (EU-VO 236/2012), OTC-Derivaten, Gegenparteien, Transaktionsregistern (EU-VO 648/2012, „EMIR“) und Benchmarks (EU-VO 2016/1011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abschnitt. Emittentenbezogenes und sonstiges Kapitalmarktrecht jenseits des Investment Banking (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abschnitt. Übernahmerecht (Wertpapiererwerbs und Übernahmegesetz, WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2 255 280

Siebter Teil. Organisationsanforderungen an Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur 1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abschnitt. Transaktionsbezogene Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141

Achter Teil. Kundenbeziehung (Wertpapierhandel/Effektengeschäft) 1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen) . . . . 2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen) (Überblick) . . . . .

1 311

1 27

XI

XII

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis aA aaO abl. ablehn. Abs. Abschn. abw. AcP ADAC ADHGB aE a.F. AG AGB AGG AiB AktG Aktz. allg. allgM a.M. amtl. Begr. AnfG Anh. Anl. Anm. AnsVG AO AöR AP ApothekenBetrO ApothekenG ArbG ArbGG AR-Blattei ArbR ArbstättVO ArbZG ArchBürgR Art. AÜG Aufl. AV AWD AZR

anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend ablehnend Absatz Abschnitt abweichend Archiv für civilistische Praxis Allgemeiner Deutscher Automobil-Club Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch v. 1861 am Ende alte Fassung 1. Amtsgericht 2. Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitsrecht im Betrieb Aktiengesetz Aktenzeichen allgemein allgemeine Meinung andere(r) Meinung Amtliche Begründung Anfechtungsgesetz Anhang Anleitung Anmerkung(en) Anlegerschutzverbesserungsgesetz 1. Amtsordnung (Schleswig Holstein) 2. Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis Apothekenbetriebsordnung Apothekengesetz Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrecht-Blattei Arbeitsrecht Arbeitsstättenverordnung Arbeitszeitgesetz Archiv für Bürgerliches Recht Artikel Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Auflage Ausführungsverordnung Allgemeiner Wirtschaftsdienst Gesetz über das Ausländerzentralregister

XIII

Abkürzungsverzeichnis Baden-Württ. BaFin BAnz BauspG BayERVV BaWüNotZ BayObLG BayZ BAG BAO BÄO BB BBiG BC Bd. Bek. v. Begr. Beschl. BetrAVG BetrVG BeurkG BfA BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHR BGHZ BKartA BKR Bl. BMJ BNotO BoHdR BörsG BörsZulV BPatG BPatGE BR-Drucks. BRAGO BRAK-Mitt BStBl BT BT-Drucks. BUrlG BVerfG BVerfGE BVK BWNotZ bzgl. bzw.

XIV

Baden-Württemberg Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesanzeiger Gesetz über Bausparkassen Bayerische Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr und elektronische Verfahren (E-Rechtsverkehrsverordnung – ERVV) Baden-Württembergische Notarzeitung Bayerisches Oberlandesgericht Bayerische Zeitung Bundesarbeitsgericht Bundesabgabenordnung Bundesärzteordnung Der Betriebs-Berater Berufsbildungsgesetz Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling Band Bekanntmachung vom Begründung Beschluss Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) Betriebsverfassungsgesetz Beurkundungsgesetz Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofes Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896 Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof BGH-Rechtsprechung, hrsg. von den Richtern des Bundesgerichtshofes Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundeskartellamt Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Blatt Bundesministeriums der Justiz Bundesnotarordnung Bonner Handbuch der Rechnungslegung Börsengesetz Börsenzulassungsverordnung Bundespatentgericht Entscheidungen des Bundespatentgerichts Bundesratsdrucksache Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Bundessteuerblatt Bundestag Bundestagsdrucksache Bundesurlaubsgesetz vom 8.1.1963 Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bayerische Versicherungskammer Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg bezüglich beziehungsweise

Abkürzungsverzeichnis CDH cic CISG CSDR DAR DAV ders. DB DCGK d.h. dies. DIHT Dipl. Diss DJT DNotZ DR DStR DV DZWIR E EBE/BGH EBJS EDV EFG EFZG EG EGBGB EGHGB EGInsO EGVP EGVVG ehem. EHUG einh. Einl. e.K. Entsch. ErbStG E-Register ERJuKoG Erl. EStG etc. EU EuGH EuGHE EuG

Centralvereinigung Deutscher Wirtschaftsverbände für Handelsvermittlung und Vertrieb e.V. culpa in contrahendo United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, UN-Kaufrecht Central Securities Depositories Regulation Deutsches Autorecht Deutscher Anwaltsverein derselbe Der Betrieb Deutscher Corporate Governance Kodex das heißt dieselbe(n) Deutscher Industrie- und Handelstag Diplom Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Notarzeitung Deutsches Recht 1. Deutsche Steuerrundschau 2. Deutsches Strafrecht 1. Durchführungsverordnung 2. Deutsche Verwaltung Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Entscheidung Eildienst Bundesgerichtliche Entscheidungen Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn elektronische Datenverarbeitung Entscheidungen der Finanzgerichte Entgeltfortzahlungsgesetz Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach Einführungsgesetz zum Versicherungsvertragsgesetz ehemalige Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Einheitlich Einleitung Eingetragener Kaufmann/Eingetragene Kauffrau Entscheidung Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz elektronisches Register Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation Erläuterung Einkommenssteuergesetz et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Europäisches Gericht Erster Instanz

XV

Abkürzungsverzeichnis EuGVVO EuGVÜ

EuInsVO EuLF EuZVO EuZW EuroEG EWiR EWIV EWR EWS EV EzA f FamFG FAZ ff FG FGG FGPrax Fn FS GBO GbR gem. GenG GewO GesRZ GG ggf. GK GmbH GmbHG GmbHR GenG GewO GewStG GoA GOÄ GOZ GREStG GRUR GRUR-RR GSG GV GVG GVO

XVI

Verfahrensverordnung des Europäischen Gerichts Erster Instanz vom 1.3.2002 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, vom 27.9.1968, seit dem 1.3.2002 weitgehend durch die EuGVVO ersetzt Europäische Insolvenzverordnung European Law Forum Europäische Zustellungsverordnung Europäische Zeitung für Wirtschaftsrecht Euro-Einführungsgesetz Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum 1. Europäisches Währungssystem 2. Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht 1. Eigentumsvorbehalt 2. Einführungsverordnung Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht folgende Familienverfahrensgesetz Frankfurter Allgemeine Zeitung FeiertagslohnzahlungsG Feiertagslohnzahlungsgesetz fortfolgende Finanzgericht Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit Praxis der freiwolligen Gerichtsbarkeit Fußnote Festschrift Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Genossenschaftsgesetz Gewerbeordnung Der Gesellschafter Grundgesetz gegebenenfalls Großkommentar Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Genossenschaftsgesetz Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Geschäftsführung ohne Auftrag Gebührenordnung für Ärzte Gebührenordnung für Zahnärzte Grunderwerbsteuergesetz Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht/Rechtsprechungsreport Gerätesicherheitsgesetz Gebührenverzeichnis Gerichtsverfassungsgesetz Gerichtsvollzieherordnung

Abkürzungsverzeichnis GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

hA HAG

herrschende Ansicht 1. Heimarbeitsgesetz 2. Hessisches Ausführungsgesetz Halbband Hanseatische Gerichtszeitschrift Handelsrecht Handbuch Handbuch des Jahresabschlusses Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss Handelsgesetzbuch Handelskammer Haager Landkriegsordnung herrschende Lehre herrschende Meinung Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der Bekanntmachung vom 4.3.1991 Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.1998 Verordnung über Gebühren in Handels, Partnerschafts- und Genossenschaftsregistersachen Handelsregistergebührenverordnung) Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber Verordnung über die Einrichtung und Führung des Handelsregisters Halbsatz Hochschulgesetz Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB Handelsvertreter Humanitäres Völkerrecht Der Handelsvertreter und Handelsmarker Handwerkskammer

Halbbd. HansGZ HandelsR Hdb. HdJ HdR-EA HGB HK HKO hL hM HOAI HRefG HRegGebV HRegGebNeuOG HRR Hrsg. HRV Hs./Hs HSG HuRB HV HVR HVuHM HWK IAS ICC i.d.F. i.d.R. IDW i.E. IFRS i.e.S. IFSt IHR insbes. Ind.- u. Handelsk. InsO InsoBekV InvG InvStG IPRax IPRsp. i.S.d. i.S.v.

International Accounting Standards 1. Intergovernmental Copyright Committee 2. International Chamber of Commerce in der Fassung in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer im Ergebnis International Financial Reporting Standards im engeren Sinne Institut Finanzen und Steuern Internationales Handelsrecht insbesondere Industrie- und Handelskammer Insolvenzordnung Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet Investmentgesetz Investmentsteuergesetz Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Die Deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts im Sinne des im Sinne von

XVII

Abkürzungsverzeichnis i.V.m. i.w.S. IZPR

in Verbindung mit im weiteren Sinne Das Internationale Zivilprozess

JA JbFSt jew. JMBl. JR JRPV JURA JuS JVKostO JW JZ

Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht jeweils Justizministerialblatt Juristische Rundschau Juristische Rundschau für Privatversicherung Juristische Ausbildung Juristische Schulung Justizverwaltungskostengesetz Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

Kart Kfm. KFR Kfz KG

Kartell Kaufmann Kommentierte Finanzrechtsprechung Kraftfahrzeug 1. Kammergericht 2. Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Kosten-, Stempel- und Strafsachen Key Information Document Key Investor Information 1. Kassenordnung 2. Konkursordnung Kommissionsdokumente Königlich Kölner Steuerdialog Kostengesetz Kostenordnung kritisch Kündigungsschutzgesetz in der Bekanntmachung vom 25.8.1969 Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen 1. Kommunalwahlgesetz 2. Kreditwesengesetz

KGaA KGJ

KID KII KO KOM Königl. KÖSDI KostG KostO krit. KSchG KTS KWG

LAG LG lit. LM LS Ltd. LVA LZ

Landesarbeitsgericht Landgericht litera Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes, hrsg. v. Lindemaier 1. Landessatzung 2. Leitsatz Private Company Limited by Shares Landesversicherungsanstalt Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

m. M. MAR MarkenG m.a.W.

mit Meinung Market Abuse Regulation Markengesetz mit anderen Worten

XVIII

Abkürzungsverzeichnis m. Bespr. mglw. MitbestG MittRhNotK MittBayNot MiZi mN MoMiG MuW mwN m.W.v. Nachw. NaStraG NdsRpfl. n.F. NJOZ NJW NJW-RR NotBZ Nr. NRW n.v. NWB NZA NZA-RR NZG NZI NZM o. o.ä. OFD österr. (ö)OGH OGHZ

mit Besprechung möglicherweise Mitbestimmungsgesetz Mitteilungen Rheinische Notar-Kammer Mitteilungen der Bayerischen Notarkammer Mitteilungen in Zivilsachen mit Nachweisen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Markenschutz und Wettbewerb mit weiteren Nachweisen mit Wirkung vom Nachweise Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung Niedersächsische Rechtspflege neue Fassung Neue Juristische Online Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift, Rechtssprechungsreport Zeitschrift für die notarielle Beurkundungspraxis Nummer Nordrhein-Westfalen nicht veröffentlicht NWB Steuer- und Wirtschaftsrecht (bis 2008: Neue Wirtschafts-Briefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht) Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht, Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht

OHG OLG OLGR OWiG

oben oder ähnliches Oberfinanzdirektion Österreichisches Oberster Gerichtshof (Österreich) Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone in Zivilsachen Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht OLG-Report: Zivilrechtsprechung der Oberlandesgerichte Ordnungswidrigkeitengesetz

PartGG PflegeVG PiR ppa. PRIP PRIIP ProdHaftG PublG PucheltsZ

Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Pflege-Versicherungsgesetz NWB Internationale Rechnungslegung per procura (in Vollmacht) Packaged Retail Investment Products Packaged Retail Investment and insurance-based Investment Products Produkthaftungsgesetz Publizitätsgesetz Zeitschrift für französisches Zivilrecht

RabelsZ RAG

Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Reichsarbeitsgericht

XIX

Abkürzungsverzeichnis RAG ARS

RBerG RdA Rdn Rdsch. RdW RegBegr RegE RG RGSt RGZ RIW RJA RKS RL RNotZ Rn ROHG ROHGE Rpfleger RPflG Rs. Rspr. RuS Rz s. S. s.a. SAE Sächs. ScheckG SE SEAG Sg SGB SigG Slg. sog. SpruchG SSR st. Stgb StBp std. Rspr. StGB str. StuB StuW

XX

Reichsarbeitsgericht, Arbeitsrechts-Sammlung (Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und des Reichsehrengerichts, der Landesarbeitsgerichte, Arbeitsgerichte und Ehrengerichte, 1928 ff) Rechtsberatungsgesetz Recht der Arbeit Randnummer Rundschau Das Recht der Wirtschaft Regierungsbegründung Regierungsentwurf 1. Reichsgericht 2. Reichsgesetz Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, zusammengestellt im Reichsjustizamt Rechtsprechung kaufmännischer Schiedsgerichte Richtlinie Rheinische Notar-Zeitschrift Randnummer Reichsoberhandelsgericht Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Rechtssache Rechtsprechung Recht und Schaden Randziffer siehe 1. Seite 2. Satz siehe auch Sammlung arbeitsgerichtlicher Entscheidungen Sächsisch Scheckgesetz vom 14.8.1933 Societas Europaea – Europäische Gesellschaft Gesetz zur Ausführung der Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Sozialgericht Sozialgesetzbuch Signaturgesetz Sammlung Sogenannte Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren – Spruchverfahrensgesetz Short Selling Regulation ständige Die Steuerberatung Die steuerliche Betriebsprüfung ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch strittig Zeitschrift für das Steuerrecht und die Rechnungslegung der Unternehmen Steuer und Wirtschaft

Abkürzungsverzeichnis s.u.

siehe unten

TB-Merkmale TDG teilw. TranspR TUG TVG Tz TzBfG

Tatbestandsmerkmale Gesetz über die Nutzung von Telediensten – Teledienstegesetz teilweise Transportrecht Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Tarifvertragsgesetz Teilziffer Teilzeit- und Befristungsgesetz

u.a. u.ä. Ubg UG umf. UmwG unstr. Unterabs. UrhG Urt. URV usf. UWG u.U.

unter anderem und ähnliches Die Unternehmensbesteuerung Unternehmergesellschaft umfassend Umwandlungsgesetz unstrittig Unterabsatz Urheberrechtsgesetz Urteil Verordnung über das Unternehmensregister und so fort Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb unter Umständen

v. VAG VerBAV

von/vom Versicherungsaufsichtsgesetz Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen Verkaufsprospektgesetz Versicherungsvermittlung Die Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen VertriebsRVertriebsrecht Bundesverband der Geschäftsstellenleiter und Assekuranz Vergleiche von Hundert Verordnung Vorauflage Vorbemerkung Verkehrsrechts-Sammlung Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Gesetz über den Versicherungsvertrag Versicherungswirtschaft Verwaltungsverfahrensgesetz

VerkprospG VersVerm Vertikal-GVO VGA Vgl. v.H. VO Voraufl. Vorb. VRS VvaG VVG VW VwVfG WarnRprs

WechselG weit. WG

1. Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des RG abgedruckt ist, hrsg. v. Warnmeyer 2. Sammlung zivilrechtlicher Entscheidungen des Reichsgerichts hrsg. von Buchwald (Begründet von Warnmeyer) Wechselgesetz weitere(n) 1. Wassergesetz 2. Wechselgesetz 3. Wohnwirtschaftliche Gesetzgebung

XXI

Abkürzungsverzeichnis WM wN WpAIV WPg WpHG WPO WpÜG WRP WuW WuW-E WVK Z z.B. ZBH ZBR ZErb ZEuP ZEV ZfA ZfLR ZfV ZGR ZHR ZIP ZInsO ZPO ZR ZRP ZS ZSR z.T. zust. ZustErgG zutr. ZVersWiss ZVglRWi(ss) zwh.

XXII

1. Wertpapier Mitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2. Wohnwirtschaft und Mietrecht weitere Nachweise Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsgesetz Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer. (Wirtschaftsprüferordnung) Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wettbewerb in Recht und Praxis Wirtschaft und Wettbewerb Wirtschaft und Wettbewerb, Entscheidungen zum Kartellrecht Wiener Vertragsrechtskonvention (in Zusammenhängen) Zeitschrift, Zeitung, Zentralblatt zum Beispiel Zentralblatt für Handelsrecht Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrechts- und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Immobilienrecht 1. Zeitschrift für Versicherungswesen 2. Zeitschrift für Verwaltung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zivilprozessordnung Zivilrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zivilsenat 1. Zeitschrift für Schweizerisches Recht 2. Zeitschrift für Sozialrecht zum Teil zustimmend Zuständigkeitsergänzungsgesetz zutreffend Zeitschrift für Versicherungswissenschaft Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft zweifelhaft

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur zu Staub, Handelsgesetzbuch Großkommentar Abkürzungen der 5. Aufl. Soweit andere als im nachfolgenden Verzeichnis angegebene Auflagen zitiert werden, sind diese mit einer hochgestellten Ziffer gekennzeichnet. Adler ADS ADS International

AnwKommBGB Assmann/Schütze/Bearbeiter

Baetge et al./Bearbeiter

Baetge/Kirsch/Thiele/Bearbeiter Ballwieser et al./Bearbeiter Bamberger/Roth Bassenge/Roth FamFG/RPflG

Bauer/Diller Wettbewerbsverbote Baumbach/Hefermehl/Casper WechselG u. ScheckG Baumbach/Hueck/Bearbeiter GmbHG Baumbach/Hopt/Bearbeiter Baumbach/Lauterbach/Albers/ Bearbeiter Baums Beck-HdR-Bearbeiter

Das Handelsregister, seine Öffentlichkeit und sein öffentlicher Glaube, 1908 Adler/Düring/Schmaltz (Hrsg.),Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Stuttgart, 6. Aufl. 1995–2000 Adler/Düring/Schmaltz (Hrsg.), Rechnungslegung nach Internationalen Standards, Stuttgart, 7. Ergänzungslieferung August 2011 (Loseblatt) Dauner-Lieb/Heidel/Ring (Hrsg.), Anwaltkommentar BGB, 5 Bd., Bonn, 2005 ff Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, München, 4. Aufl. 2015 Baetge/Wollmert/Kirsch/Oser/Bischof (Hrsg.), Rechnungslegung nach IFRS, Stuttgart, 27. Aktualisierung 2015 (Loseblatt) Baetge/Kirsch/Thiele (Hrsg.) Bilanzrecht, Bonn/Berlin, 72. Ergänzungslieferung Mai 2017 (Loseblatt) Ballwieser/Beine/Hayn/Peemöller/Schruff/Weber (Hrsg.), Wiley IFRS-Handbuch 2010, Weinheim, 7. Aufl. 2011 Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3 Bd., München, 3. Aufl. 2012 Bassenge/Roth, Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Rechtspflegergesetz, Kommentar, Heidelberg, 12. Aufl. 2009 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, München, 7. Aufl. 2015 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der kartengestützten Zahlungen: WG, ScheckG, Kartengestützte Zahlungen, München, 23. Aufl. 2008 Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, München, 21. Aufl. 2017 Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, München, 37. Aufl. 2016 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung: ZPO, München, 75. Aufl. 2017 Eintragung und Löschung von Gesellschafterbeschlüssen, 1981 Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, Böcking/ Castan/Heymann/Pfitzer/Scheffler (Hrsg.), München 52. Ergänzungslieferung 2017 (Loseblatt)

XXIII

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Beck IFRS-Hdb-Bearbeiter

Beck’sches IFRS-Handbuch, Bohl/Riese/Schlüter (Hrsg.), München, 5. Aufl. 2016 BeckRS Beck Rechtsprechung Beck BilKomm-Bearbeiter Ellrott/Förschle/Hoyos/Winkeljohann (Hrsg.), Beck’scher Bilanz-Kommentar, München, 8. Aufl. 2012 BoHdR-Bearbeiter Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, Loseblatt, 83. Aktualisierung 2017 Bohl/Riese/Schlüter/Bearbeiter Bohl/Riese/Schlüter (Hrsg.), Beck’sches IFRS-Handbuch, München, 5. Aufl. 2016 Bohnert OWiG Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG, Kommentar zum Ordnungswidrigkeitenrecht, München, die 5. Aufl. erscheint 2018 Bokelmann Firmenrecht Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, Freiburg, 5. Aufl. 2000 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/ Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), Kreditwesengesetz: Bearbeiter KWG KWG, München, 5. Aufl. 2016 Bork Bork, Der Vergleich, Berlin 1988 Braun, InsO Braun (Hrsg.), Insolvenzordnung: InsO, München, 7. Aufl. 2016 zitiert: Bearbeiter in: Braun, InsO Brox/Henssler Brox/Henssler, Handelsrecht mit Grundzügen des Wertpapierrechts, München, 22. Aufl. 2016 Brox/Walker Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, Berlin, 41. Aufl. 2017 Bruck/Möller Baumann, Horst/Beckmann, Roland Michael/Johannsen, Katharina/Johannsen, Ralf (Hrsg.), Großkommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Berlin, 9. Aufl. 2008 ff Bürgers/Körber/Bearbeiter AktG Bürgers/Körber (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz, Heidelberg, 4. Aufl. 2017 Bumiller/Harders/Schwamb FamFG Kommentar zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, München, 11. Aufl. 2015 Busse von Colbe/Ordelheide/Gebhardt/ Busse von Colbe, Walther/Ordelheide, Dieter, KonzernabPellens Konzernabschlüsse schlüsse, 9. Aufl. 2009 Canaris Handelsrecht Canaris Vertrauenshaftung Christ/Müller-Helle

Canaris, Claus-Wilhelm, Handelsrecht, München, 24. Aufl. 2006 Canaris, Claus-Wilhelm, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, München 1971 Veröffentlichungspflichten nach dem neuen EHUG, Freiburg 2007

Deloitte iGAAP 2011 Düringer/Hachenburg

Deloitte (Hrsg.), iGAAP 2011, London, 4. Aufl. 2010 Düringer, Adelbert/Hachenburg, Max, Das Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 (unter Ausschluß d. Seerechts) auf d. Grundlage d. Bürgerl. Gesetzbuchs, Mannheim 1935

Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Bearbeiter; EBJS

Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), Handelsgesetzbuch: HGB, Band 1 §§ 1–342e, München, 3. Aufl. 2014, Band 2 §§ 343–475h, München, 3. Aufl. 2015 Ehrenbergs Handbuch des gesamten Handelsrechts, 5. Band, I. Abteilung, 1. Hälfte, 1. Lieferung, 1926 Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, München 2004 Konzernrecht, München, 10. Aufl. 2013 Ensthaler (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Handelsgesetzbuch: HGB, Neuwied, 8. Aufl. 2015, zitiert: Bearbeiter in: Ensthaler

Ehrenbergs Hdb Eidenmüller Emmerich/Habersack KonzernR Ensthaler

XXIV

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Erman/Bearbeiter Ernst & Young International GAAP 2011 Fezer MarkenG FK-InsO/Bearbeiter Fleischhauer/Preuß Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht/Bearbeiter Fülbier/Aepfelbach/Langweg Fuchs/Bearbeiter

Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, Köln, 14. Aufl. 2014 Ernst & Young (Hrsg.), International GAAP 2011, Chichester 2011 Markenrecht, Kommentar, München, 4. Aufl. 2009 Wimmer (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, München, 8. Aufl. 2015 Handelsregisterrecht – Verfahren – Anmeldemuster – Erläuterungen, Berlin, 3. Aufl. 2014 Jaeger, u.a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 88. Lieferung 2017 (Loseblatt) Fülbier/Aepfelbach/Langweg, GWG – Kommentar zum Geldwäschegesetz, 5. Aufl. 2006 Fuchs (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) – Kommentar, 2. Aufl. 2016

Gesetzgebungsmaterialien zum ADHGB Lutz, Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches 1858 ff Geßler/Hefermehl Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, 1973 ff v. Gierke/Sandrock v. Gierke/Sandrock, Handels- und Wirtschaftsrecht, Berlin, Handels- und Wirtschaftsrecht 9. Aufl. 1975 Goldmann Der Schutz des Unternehmenskennzeichens, Berlin, 3. Aufl. 2014 Gortsos Single Supervisory Mechanism Gortsos, The Single Supervisory Mechanism (SSM) – Legal aspects of the first pillar of the European Banking Union, 2015 Großkommentar AktG/Bearbeiter Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, Berlin, 4. Aufl. 1992 ff Großkomm/Bearbeiter Staub, Hermann, Handelsgesetzbuch: Großkommentar, Berlin, 5. Aufl. 2008 ff GroßkommUWG/Bearbeiter Jacobs/Lindacher/Teplitzky (Hrsg.), Großkommentar zum UWG, Berlin, 1991 ff Grüll/Janert Die Konkurrenzklausel Grüll/Janert, Die Konkurrenzklausel, Heidelberg, 5. Aufl. 1993 Grundmann EG-Schuldvertragsrecht Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht – das Europäische Recht der Unternehmensgeschäfte (nebst Texten und Materialien zur Rechtsangleichung), 1999 Grundmann Europäisches Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011 Gesellschaftsrecht Grundmann Treuhandvertrag Grundmann, Der Treuhandvertrag – insbesondere die werbende Treuhand, 1997 Habersack Hachenburg/Bearbeiter GmbHG

Hahn ADHGB

Handbuch des Außendienstrechts I

Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber Bankbetriebslehre

Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, München, 4. Aufl. 2011 Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG – Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, 3 Bd., Berlin, 8. Aufl. 1992/1997 von Hahn, Friedrich, Das Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 (mit Ausschluss des Seerechts) auf der Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Braunschweig, 4. Aufl.1894 Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band I: Das Recht des Handelsvertreters. Ohne Ausgleichsrecht, Heidelberg, 5. Aufl. 2016 Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 6. Aufl. 2015

XXV

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur HdJ-Bearbeiter

Hüffer/Koch AktG

Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstermann (Hrsg.), Handbuch des Jahresabschlusses (HdJ) Rechnungslegung nach HGB und internationalen Standards, Köln, 67. Aktualisierung 2017 (Loseblatt) Heidel (Hrsg.), Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, Kommentar, Baden-Baden, 4. Aufl. 2013 Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Köln (279. Ergänzungslieferung) 2017 (Loseblatt) Hess/Binz/Wienberg, Gesamtvollstreckungsordnung, Neuwied, 4. Aufl. 1998 Hess/Weis/Wienberg (Hrsg.), Insolvenzordnung, Heidelberg, 2. Aufl. 2001 zitiert: Bearbeiter in: Hess/Weis/Wienberg InsO Heuser/Theile (Hrsg.), IFRS-Handbuch, Köln, 5. Aufl. 2012 Horn (Hrsg.), Heymann, Handelsgesetzbuch (ohne Seerecht), Kommentar, 4 Bd., Berlin, 2. Aufl. 1995 ff Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, Köln 1986 Grenzüberschreitende Gesellschaften, Berlin, 2. Aufl. 2006 Glanegger/Kirnberger/Kusterer u.a., Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Heidelberg, 7. Aufl. 2007, zitiert: Bearbeiter HK-HGB Handbuch Multimediarecht – Rechtsfragen des elektronischen Geschäftsverkehrs, Loseblatt, München 2009 ff 33. Aufl. 2013, 44. Ergänzungslieferung 2017 Hopt/Mössle, Handels- und Gesellschaftsrecht, Band I: Handelsrecht, München, 2. Aufl. 1999 Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, München, 12. Aufl. 1986 Hueck, Alfred, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band 2: Kollektives Arbeitsrecht, Berlin, 7. Aufl. 1967/1970 Alfred Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, Berlin, 4. Aufl. 1971 Hüffer, Aktiengesetz, München, 12. Auflage 2016

Ingerl/Rohnke

Markengesetz, Kommentar, München, 3. Aufl. 2010

Jansen/Bearbeiter

von Schuckmann/Sonnenfeld (Hrsg.), Großkommentar zum FGG, 3. Aufl., 3 Bd., Berlin 2005/2006

Kallmeyer/Bearbeiter Keidel/Krafka/Bearbeiter RegisterR Keidel/Bearbeiter FamFG Köhler BGB, Allgemeiner Teil

Kallmeyer u.a., Umwandlungsgesetz, Köln, 6. Aufl. 2017 Krafka/Kühn (Hrsg.), Registerrecht, München, 10. Aufl. 2017 FamFG, Kommentar, München, 19. Aufl. 2017 Köhler, Helmut, BGB Allgemeiner Teil, München, 41. Aufl. 2017 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb: UWG – PAngV – UKlaG, München, 35. Aufl. 2017 Koller/Kindler/Roth/Morck, Handelsgesetzbuch: HGB, München, 8. Aufl. 2015 Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 2014 Claussen/Zöllner (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Köln, 2. Aufl. 1988 ff; 3. Aufl. 2004 ff Senge (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten: OWiG, München, 4. Aufl. 2014

Heidel/Bearbeiter AktienR Herrmann/Heuer/Raupach/Bearbeiter Hess/Binz/Wienberg Gesamtvollstreckungsordnung Hess/Weis/Wienberg InsO

Heuser/Theile/Bearbeiter Heymann/Bearbeiter HGB HuRB

Hirte/Bücker HK-HGB

Hoeren/Sieber/Holznagel/Bearbeiter

Hopt/Mössle/Bearbeiter Handelsrecht Hueck/Canaris Recht der Wertpapiere Hueck/Nipperdey Arbeitsrecht A. Hueck OHG

Köhler/Bornkamm/Bearbeiter Koller/Roth/Morck/Bearbeiter KölnKommWpHG/Bearbeiter KölnKomm-AktG/Bearbeiter KK-OWiG/Bearbeiter

XXVI

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur KPMG Insights into IFRS Küstner/Thume Küstner/Thume I

Küstner/Thume II

Küstner/Thume III

HdR-EA/Bearbeiter

Küting/Weber/Bearbeiter

KPMG (Hrsg.), Insights into IFRS, London, 9. Aufl. 2012/ 2013 Küstner/Thume, Handelsvertreterverträge, Frankfurt am Main, 2. Aufl. 2011 Küstner, Thume (Hrsg.), Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 1: Das Recht des Handelsvertreters. Ohne Ausgleichsrecht, Heidelberg, 3. Aufl. 2000 Küstner, Thume (Hrsg.), Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 2: Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters. Warenvertreter, Versicherungs- und Bausparkassenvertreter, Heidelberg, 8. Aufl. 2008 Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 3: Vertriebsrecht. Reisende, Vertragshändler, Kommissionsagenten, Versicherungsmakler, Franchising und Direktvertrieb, Heidelberg, 3. Aufl. 2009 Küting/Pfitzer/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss, Stuttgart, 22 Aktualisierung 2016 (Loseblatt) Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Konzernrechnungslegung, Stuttgart, 2. Aufl. 1998

Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Bearbeiter Lettl Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/ Bearbeiter Lohmüller/Beustien/Josten

Bearbeiter in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechtskommentar, 2. Aufl. 2016 Handelsrecht, München, 3. Aufl. 2016 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), Kartellrecht, München, 3. Aufl. 2016 Lohmüller u.a., Handels- und Versicherungsvertreterrecht, 2. Aufl. 1970/71, Loseblatt Lüdenbach/Hoffmann/Bearbeiter Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Kommentar, Freiburg, 15. Aufl. 2017 Lutter/Bearbeiter UmwG Lutter/Winter (Hrsg.), Umwandlungsgesetz, 2 Bd., Köln, 4. Aufl. 2009 Lutter/Hommelhoff/Bearbeiter GmbHG Lutter/Hommelhoff u.a., GmbH-Gesetz, Köln, 19. Aufl. 2016 Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/ Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber (Hrsg.), KWG Weber KWG und CRR und CRR: Kommentar zu KWG, CRR, SolvV, WuSolvV, GroMiKV, LiqV und weiteren aufsichtsrechtlichen Vorschriften, 3. Aufl. 2015 Manigk Martinek Franchising Martinek/Semler/Flor/Bearbeiter Medicus/Petersen AT Meilicke/von Westphalen PartGG

Michalski/Bearbeiter GmbHG

MünchHdbGesR/Bearbeiter MünchKommAktG/Bearbeiter

Manigk, Alfred, Willenserklärung und Willensgeschäft, Berlin 1907 Martinek, Michael, Franchising, Heidelberg 1987 Martinek, Michael (Hrsg.), Handbuch des Vertriebsrechts, München, 4. Aufl. 2016 Allgemeiner Teil des BGB, Heidelberg, 1. Aufl. 2016 Meilicke/Graf von Westphalen/Hoffmann/Lenz/Wolff, Kommentar, Partnerschaftsgesellschaftsgesetz: PartGG, Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe, München, 3. Aufl. 2015 Michalski (Hrsg.), Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz), 2 Bd., München, 3. Aufl. 2017 Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 6 Bd., München, 3. Aufl. 2007 ff Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., München 2008 ff

XXVII

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur MünchKommBGB/Bearbeiter

MünchKommBilR/Bearbeiter MünchKommHGB/Bearbeiter MünchKommInsO/Bearbeiter

MünchKommZPO/Bearbeiter Musielak/Bearbeiter ZPO

Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, München, 5. Aufl. 2006 ff Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, Band 1 IFRS, München 2009 Schmidt, Karsten (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch: HGB, München, 2. Aufl. 2005 ff Kirchhof/Lwowski/Stürner (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3 Bd., München, 2. Aufl. 2007 f Rauscher/Wax/Wenzel (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4 Bd., München, 3. Aufl. 2007 ff Musielak/Volt (Hrsg.), Kommentar zur Zivilprozessordnung: ZPO, München, 14. Aufl. 2017

Noack/Bearbeiter

Noack (Hrsg.), Das neue Gesetz über elektronische Handels- und Unternehmensregister – EHUG, 2007

Oetker Handelsrecht Oetker/Bearbeiter Oppenländer/Bearbeiter

Handelsrecht, Heidelberg, 6. Aufl. 2010 HGB, Kommentar, München, 5. Aufl. 2017 Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, München, 2. Aufl. 2011

Palandt/Bearbeiter

Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, München, 76. Aufl. 2017 Prölss/Martin/Bearbeiter VVG Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz: VVG, München, 29. Aufl. 2015 PwC IFRS Manual of Accounting 2011 PricewaterhouseCoopers (Hrsg.), IFRS Manual of Accounting 2011, London 2010 PWW/Bearbeiter Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB Kommentar, Köln, 11. Aufl. 2016 Raiser/Veil Reithmann/Martiny/Bearbeiter

Recht der Kapitalgesellschaften, München, 6. Aufl. 2015 Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht Internationales Vertragsrecht, Köln, 8. Aufl. 2015 RGRK/Bearbeiter BGB Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, Berlin, 12. Aufl. 1975–1999 RGRK-HGB/Bearbeiter Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Berlin, 1. Aufl. 1939 ff Richardi Wertpapierrecht Richardi, Reinhard, Wertpapierrecht, Heidelberg 1987 Ritter HGB Ritter, Kommentar zum HGB, 2. Aufl. 1932 Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Röhricht/Westphalen (Hrsg.), Handelsgesetzbuch: HGB, Bearbeiter Kommentar zu Handelsstand, Handelsgesellschaften, Handelsgeschäften und besonderen Handelsverträgen (ohne Bilanz-, Transport- und Seerecht), Köln, 4. Aufl. 2014 Roth/Altmeppen GmbHG-Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, München, 8. Aufl. 2015 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Bearbeiter Rowedder/Schmidt-Leithoff (Hrsg.), Gesetz betreffend die GmbHG Gesellschaften mit beschränkter Haftung: GmbHG, München, 6. Aufl. 2017 Schlegelberger/Bearbeiter K. Schmidt Gesellschaftsrecht K. Schmidt Handelsrecht

XXVIII

Schlegelberger/Geßler, Handelsgesetzbuch Kommentar, München, 5. Aufl. 1973 Schmidt, Karsten, Gesellschaftsrecht, Köln, 5. Aufl. 2017 Schmidt, Karsten, Handelsrecht, Köln, 6. Aufl. 2014

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur K. Schmidt/Lutter AktG Scholz/Bearbeiter GmbHG Schönke/Schröder/Bearbeiter StGB Schubert/Schmiedel/Krampe

Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau

Schwark/Zimmer/Bearbeiter Soergel/Bearbeiter

Spindler/Stilz/Bearbeiter AktG Staub ADHGB Staub/Bearbeiter

Staudinger/Bearbeiter

Stolterfoht Straatmann/Ulmer Straube/Bearbeiter Ströbele/Hacker Stumpf/Jaletzke/Bearbeiter Stüsser

Thiele/von Keitz/Brücks/Bearbeiter Thomas/Putzo/Bearbeiter

Uhlenbruck/Bearbeiter Ulmer/Brandner/Hensen/ Bearbeiter AGB-Recht Ulmer/Habersack Ulmer/Habersack/Winter/ Bearbeiter GmbHG Ulmer/Schäfer

Schmidt, Karsten/Lutter, Marcus, Kommentar zum Aktiengesetz, Köln, 3. Aufl. 2015 Scholz (Hrsg.), Kommentar zum GmbHG, 3 Bd., Köln, 10. Aufl. 2006 ff Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch: StGB, Kommentar, München, 29. Aufl. 2014 Schubert, Werner/Schmiedel, Burkhard/Krampe, Christoph (Hrsg.), Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Frankfurt am Main 1988, zitiert: Schubert/Schmiedel/Krampe Bd. / Seitenzahl Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau, Der Vertragshändlervertrag, Frankfurt am Main, 5. Aufl. 2015, zitiert: Bearbeiter in: Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, München, 4. Aufl. 2010 Soergel/Siebert (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Stuttgart, 13. Aufl. 2001 ff Spindler/Stilz (Hrsg.), Aktiengesetz, Kommentar, 2 Bd., München, 3. Aufl. 2015 Staub, Hermann: Kommentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, Berlin, 5. Aufl. 1897 Staub, Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, HGB, Berlin, 1.–15. Aufl.; 5. Aufl. neuer Zählung Canaris/Habersack/Schäfer (Hrsg.), Berlin 2008 ff J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Bearbeitung, Berlin 1993 ff Stolterfoht, Joachim N., Handelsrecht, Berlin 1973 Straatmann/Ulmer, Handelsrechtliche Schiedsgerichts-Praxis (HSG), 1975 ff Straube (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Wien, 3. Aufl. 2003 ff Markengesetz, Kommentar, Köln, 11. Aufl. 2015 Stumpf/Jaletzke, Der Vertragshändlervertrag, Heidelberg, 3. Aufl. 1997 Stüsser, Rolf, Die Anfechtung der Vollmacht nach Bürgerlichem Recht und Handelsrecht, Berlin 1986 Thiele/von Keitz/Brücks (Hrsg.), Internationales Bilanzrecht, Bonn/Berlin 27. Aktualisierung 2016 (Loseblatt) Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung: ZPO, München, 38. Aufl. 2017 Uhlenbruck/Hirte/Vallender (Hrsg.), Insolvenzordnung: InsO, Kommentar, München, 14. Aufl. 2015 Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht Kommentar, Köln, 12. Aufl. 2016 Ulmer/Habersack, Verbraucherkreditgesetz, München, 2. Aufl. 1995 Ulmer/Habersack/Winter (Hrsg.), GmbH-Gesetz, Kommentar, 3 Bd., Tübingen, 2005 ff Ulmer/Schäfer, Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Partnerschaftsgesellschaft, München, 7. Aufl. 2017

XXIX

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Vater et al./Bearbeiter IFRS Änderungskommentar 2009 von Godin/Wilhelmi von Wysocki et al./Bearbeiter

Vortmann Aufklärungspflichten

Vater/Ernst/Hayn/Knorr/Mißler (Hrsg.), IFRS Änderungskommentar 2009, Weinheim 2009 Aktiengesetz, Kommentar, Berlin, 4. Aufl. 1971 von Wysocki/Schulze-Osterloh/Hennrichs/Kuhner (Hrsg.), Handbuch des Jahresabschlusses, Köln 67. Aktualisierung 2017 (Loseblatt) Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, 11. Aufl. 2016

Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung

Wessel/Zwernemann/Kögel, Firmengründung, Heidelberg, 7. Aufl. 2001

Zöller/Bearbeiter ZPO

Zöller, Richard, Zivilprozessordnung: ZPO, Kommentar, Köln, 31. Aufl. 2016 Zöllner, Wolfgang, Wertpapierrecht, München, 14. Aufl. 1987

Zöllner Wertpapierrecht

XXX

4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

SECHSTER TEIL Marktregeln (Zweite Sequenz) 1.–3. Abschnitt Band 11/1 Rn 1–549 Übersicht (Zweite Sequenz) Rn 4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen (EU-VO 236/2012), OTC-Derivaten, Gegenparteien, Transaktionsregistern (EU-VO 648/2012, „EMIR“) und Benchmarks (EU-VO 2016/1011) . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Kommentierung: Verordnung (EU) Nr. 236/2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsumfeld, -ziele und -entwicklung . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenstand, Anwendungsbereich und Kernbegriffe (Art. 1–4) . . . III. Transparenz Netto-Leerverkaufspositionen (Art. 5–11) . . . . . . IV. Zwingende Absicherungskautelen bei ungedeckten Leerverkäufen und diesbezügliche Anforderungen an zentrale Gegenparteien (Art. 12–15) . . . . . . . . . . . . V. Ausnahmen (Art. 16, 17) . . . . . VI. Erweiterte Befugnisse nationaler Behörden und der ESMA in Krisen (Art. 18–31) (Überblick) . VII. Allgemeines Aufsichts-, Befugnisund Datenschutzregime (Art. 32–41) (Überblick) . . . . . VIII. Delegierte Rechtsakte und Schlussbestimmungen (Art. 42–48) (Überblick) . . . . . B. Kommentierung: Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR) . . . . . . . . . I. Regelungsumfeld, -ziele und -entwicklung . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenstand, Anwendungsbereich und Kernbegriffe (Art. 1–3) . . . III. Clearing, Meldung und Risikominderung von OTC-Derivaten (Art. 4–13) . . . . . . . . . . . . IV. Zulassung und Beaufsichtigung von sowie Anforderungen an CCPs (Art. 14–35) – Verweis . . . V. Wohlverhaltensregeln (Art. 36–39) . . . . . . . . . . . .

550

551 552 566 593

605 624

636

644

651

654 655 666

702

746 747

Rn VI. Aufsichtsrechtliche Anforderungen an CCPs, Interoperabilitätsvereinbarungen, Registrierung, Beaufsichtigung und Anforderungen an Transaktionsregister, Gemeinsame und Schlussbestimmungen (Art. 40–84) – Verweis . . . . . . . . . . . . . . C. Kommentierung: Verordnung (EU) 2016/1011 über Indizes, die als Referenzwert u.ä. verwendet werden (Benchmark-VO) . . . . . . . . . . . . I. Regelungsumfeld, -ziele und -entwicklung . . . . . . . . . . . . . II. Gegenstand, Anwendungsbereich und Kernbegriffe (Art. 1–3) . . . III. Integrität und Zuverlässigkeit von Referenzwerten (Art. 4–16) sowie Anforderungen an verschiedene Arten von Referenzwerten (Art. 17–26) – Verweis . . V. Transparenz und Verbraucherschutz (Art. 27–28) . . . . . . . . VI. Verwendung der Referenzwerte in der Union (Art. 29–33) (Überblick) . . . . . . . . . . . . VII. Zulassung, Registrierung und Beaufsichtigung von Administratoren (Art. 34–48) (Überblick) . . VIII. Delegierte Rechtsakte und Schlussbestimmungen (Art. 49–59) (Überblick) . . . . . 5. Abschnitt: Emittentenbezogenes und sonstiges Kapitalmarktrecht jenseits des Investment Banking (Überblick) . . . . . . A. Gesamtüberblick über die wichtigsten Einzelstücke . . . . . . . . . . . . . . . B. Periodische Folgepublizität (Zwischenund Finanzberichte, §§ 114–118 WpHG n.F., ex-§§ 37v-37z) . . . . . . C. Beteiligungstransparenz (§§ 33–47 WpHG n.F., ex-§§ 21–30) . . . . . . .

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6. Abschnitt: Übernahmerecht (Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz,WpÜG) . . 867 A. Grundlagen, insbesondere zu Übernahmepraxis und (Europäisiertem) Übernahmeregime . . . . . . . . . . . . 868

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6. Teil. Marktregeln Rn I. Beratungs- und Finanzierungsgeschäft der (Investment-)Banken II. Regelungsbedarf und -ziele des Übernahmerechts . . . . . . . . . III. Regelungssystem, -entwicklung und Harmonisierungsintensität . B. Anwendungsbereich, Angebotsarten und Kontrollschwelle . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich und Grundbegriffe, Grundsätze und Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . II. Systematik der Erwerbsangebote . III. Kontrollschwelle . . . . . . . . . C. Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbereitungsphase . . . . . . .

870 880 893 899

900 919 936 957 958

II. Abgabe des Angebots . . . . . . III. Reaktion der Zielgesellschaft . IV. Annahme des Angebots . . . . V. Nachbereitung . . . . . . . . . D. Begleitung des Bieters . . . . . . . . . I. Dokumentation . . . . . . . . . II. Akquisitionsfinanzierung . . . . III. Finanzierungsbestätigung (§ 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG) . . . IV. Gewährleistungserklärung (§ 327b Abs. 3 AktG) . . . . . E. Begleitung der Zielgesellschaft . . . . I. Dokumentation (Verweis) . . . II. Defense Manual . . . . . . . . III. Fairness Opinion (§ 27 WpÜG)

. . . . . . .

Rn 965 972 980 987 994 995 998

. 1003 . 1013 . 1019 . 1020 . 1022 . 1027

4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen (EU-VO 236/2012), OTC-Derivaten, Gegenparteien, Transaktionsregistern (EU-VO 648/2012, „EMIR“) und Benchmarks (EU-VO 2016/1011) 550

In Abschnitt 4 werden – nach dem Emissionsgeschäft selbst, mit dem der Anwendungsbereich der Regulierung zu Kapitalmärkten und Investment Banking eröffnet wird (Abschnitt 1) und nach den beiden allgemeinen Rechtsakten zur Emissions- oder Primärmarktpublizität (WpPG mit Allgemeiner EG-Prospekt-Richtlinie, Abschnitt 2) und zur allgemeinen Marktintegrität auf Sekundär- oder Transaktionsmärkten und (Teilen der) Folgepublizität (EU-Marktmissbrauchs-Verordnung [MAR], Abschnitt 3) – drei spezielle EU-Verordnungen kommentiert. Ihnen ist gemeinsam, dass sie in besonderem Maße gerade auf das Bankgeschäft (namentlich Investment Banking) einwirken und zugleich Sondergefahren zum Gegenstand haben, die in der Finanzkrise bzw. im Libor/Euribor-Skandal als besonders destabilisierend bzw. in hohem Maße vertrauensschädigend erkannt bzw. verstanden wurden: die EU-Leerverkaufs-Verordnung und die EU-Verordnung zu OTCDerivaten („EMIR“) von 2012 sowie die EU-Benchmark-Verordnung von 2016. All diese EU-Verordnungen, die als solche im innerstaatlichen Rechtsverkehr unmittelbar anwendbar sind (Art. 288 Abs. 2 AEUV und etwa 3. Erw.grund sowie Art. 48 Abs. 4 der EU-Leerverkaufs-VO), regeln primär allgemeine marktbezogene Verhaltensvorgaben, allenfalls sekundär auch die individuelle Kundenbeziehung (8. Teil), teils allerdings substantiell auch organisationsbezogene Vorgaben (aufgenommen in Teil 7). Andere spezielle EU-Verordnungen sind entweder nicht hinreichend bankgeschäftsbezogen – so etwa die EU-RatingVerordnung (vgl. Nachw. hierzu unten 8. Teil Rn 116) – oder beziehen sich primär auf die einzelne Kundenbeziehung und sind daher dort annexweise oder gesondert zu kommentieren – so namentlich die EU-PRIIP-Verordnung und die EU-CSDR (unten Teil 8 Rn 176–183, Abschnitt 2 unter IV).

A. Kommentierung: Verordnung (EU) Nr. 236/2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps Schrifttum a) Monographien, Sammelbände, Kommentare: Alfes Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei, 2005; Bundesverband deutscher Banken Der EMIR-Anhang zum Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte – Hintergründe und Erläuterungen, 23.7.2013, abrufbar unter

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks https://bankenverband.de/media/contracts/EMIR-Anhang-Hintergruende-Informationen-2013-07-23. pdf; Burghof/Rudolph/Schäfer/Schönbucher/Sommer (Hrsg.) Kreditderivate: Handbuch für die Bankund Anlagepraxis, 3. Aufl., 2015; Deutsche Bank Research Short Selling – Wichtiges Marktsegment mit Bedarf an international konsistenten Regeln, 2010; Eller/Gruber/Reif (Hrsg.) Handbuch Kreditrisikomodelle und Kreditderivate, 1999, S. 497–659; Fuchs Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 2016; Gregoriou Handbook of Short Selling, 2011; Gruber Leerverkäufe – EU-Leerverkaufs-Verordnung – Level 2-Verordnungen der Kommission, 2014; Harrer Regulierung von Leerverkäufen und Credit Default Swaps – Das deutsche Verbot im Lichte europäischer Vorschläge, 2011; ders. Regulierungskonzepte für Leerverkäufe und Credit Default Swaps – Eine ökonomische und rechtliche Untersuchung, 2014; Hergt Short Selling: Grundlagen, Strategien und Implikationen für den Kapitalmarkt, 2009; Hirte/Möllers Kölner Kommentar zum WpHG, 2. Aufl. 2014; Hull, Options, Futures, and other Derivatives, 9. Aufl. 2015; Kampshoff Regulierung von Leerverkäufen in der Krise – empirische Evidenz aus der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008–2010, 2010; Klöhn Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance – Eine interdisziplinäre und vergleichende Analyse zum Fluch und Segen der Spekulation und ihrer Regulierung durch Recht und Markt, 2006; Kunz Ausgewählte Rechtsprobleme des Zentralen Kontrahenten, 2009; Lange Die Regulierung von Aktienleerverkäufen in der Europäischen Union und in den USA unter Berücksichtigung der ökonomischen Auswirkungen von Leerverkäufen auf die Aktienmärkte sowie unter Einbeziehung rechtshistorischer Aspekte, Diss. HU 2016, abrufbar unter http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/lange-dirk-fabian-201612–06/PDF/lange. pdf.; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 555–560; Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, 4. 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Critical Review 21 (2009), 195; Alves/Mendes/Pereira da Silva Analysis of market quality before and during short-selling bans, 37 Research in International Business and Finance 252 (2016); Avgouleas A New Framework for the global regulation of short sales: Why Prohibition is Inefficient and Disclosure Insufficient, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 376 (2010); Awrey The dynamics of OTC derivatives regulation – bridging the public-private-divide, EBOR 11 (2010), 155; Bachmann Rechtsfragen der Wertpapierleihe, ZHR 173 (2009), 596; Bartels/Sajnovits Die Rolle der Beschaffung beim Gattungskauf – zugleich ein Beitrag zur exekutorischen Durchsetzbarkeit von Beschaffungsansprüchen aus Leerverkäufen, JZ 2014, 322; Beber/Pagano Short-Selling Bans Around the World: Evidence from the 2007–09 Crisis, 68 Journal of Finance 343 (2013); Bernal/Herinckx/Szafarz Which short-selling regulation is the least damaging to market efficiency? 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EuZW 2011, 769; Brandt Kreditderivate – zentrale Aspekte innovativer Kapitalmarktprodukte, BKR 2002, 243; Bris/Goetzmann/Zhu Efficiency and the Bear: Short Sales and Markets Around the World, 3 Journal of Finance 2007, 1029; Diekmann/Fleischmann Der Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission für den OTC-Derivatemarkt, WM 2011, 1105; Dømler, A critical evaluation of the European credit default swap reform: Its challenges and adverse effects as a result of insufficient assumptions, 14 Journal of Banking Regulation 33 (2012); Elineau Regulating Short Selling in Europe after the Crisis, 8 International Law and Management Review 61 (2012); Findeisen/Tönningsen Das Verbot ungedeckter Leerverkäufe – Regelungsgehalt und Reichweite des § 30h WpHG, WM 2011, 1405; Fotak/Raman/Yadav Naked Short Selling: The Emperor’s New Clothes?, CFR working paper No. 09–09, 2009; Grünewald/Wagner/Weber Short Selling Regulation after the Financial Crisis – First Principles Revisited, 7 Internatio-

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6. Teil. Marktregeln nal Journal of Disclosure and Regulation 108 (2009); Grullon/Michenaud/Weston The Real Effects of Short-Selling Constraints, 28 Review of Financial Studies 1737 (2015); Habersack/Ehrl Börsengeschäfte unter Einbeziehung eines zentralen Kontrahenten, ZfPW 2015, 312; Heuser Aktivistische Aktionäre im Kontext des Aktien- und Kapitalmarktrechts, Der Konzern 2012, 308; Jahn Die Finanzkrise und ihre rechtlichen Auswirkungen auf Rahmenverträge über OTC-Derivategeschäfte, BKR 2009, 25; A. Jain/P. 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Rat und Parlament, GPR 2014, 141; Meinert/Helios Kompensatorische Bewertung und Bewertungseinheiten beim Einsatz von Credit Linked Notes, DB 2014, 1697; Mittermeier Grundlagen und Regulierungsprobleme von Leerverkäufen, ZBB 2010, 139; Mock Das Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte, WM 2010, 2248; Möllers/Christ/Harrer Nationale Alleingänge und die europäische Reaktion auf ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe, NZG 2010, 1167; Möschel Die Finanzkrise – Wie soll es weitergehen? ZRP 2009, 129; Mülbert/Sajnovits Das künftige Regime für Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps nach der Verordnung (EU) Nr. 236/2012, ZBB 2012, 266; Nietsch/Graef Regulierung der europäischen Märkte für außerbörsliche OTC-Derivate, BB 2010, 1361; v. Nitzsch/Kampshoff Verbot von Leerverkäufen in der Krise – Segen oder Fluch für die Kapitalmärkte? ZfB 2010, 1159; Di Noia/Gargantini Unleashing the European Securities and Markets Authority: Governance and Accountability after the ECJ Decision on the Short Selling Regulation (Case C-270/12), 15 EBOR 1 (2014); Nordhues/Benzler Risikosteuerung durch Kreditderivate, WM 1999, 461; Orator Die unionsrechtliche Zulässigkeit von Eingriffsbefugnissen der ESMA im Bereich von Leerverkäufen, EuZW 2013, 852; O’Sullivan/Kinsella Short Selling Restrictions in the EU, Financial Regulation International, July 2012, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=2122410; Payne The Regulation of Short Selling and Its Reform in Europe, 13 EBOR 413 (2012); Peng Research on the Impact of Short Selling Mechanism on Investors Positive Feedback Trading Behavior, 7 Modern Economy 434 (2016); Reiner/Schacht Credit Default Swaps und verbriefte Kreditforderungen in der Finanzmarktkrise – Bemerkungen zum Wesen verbindlicher und unverbindlicher Risikoverträge, WM 2010, 337 und 385; Richardson Causes of the Financial Crisis of 2007–2009, in: Acharya/Richardson (Hrsg.) Restoring Financial Stability: How to Repair a Failed System, 2009, S. 57; Riederer/Weick-Ludewig Leerverkäufe durch die Parteien einer Wertpapierleihe – Schließt eine funktionales Verständnis des Leerverkaufs aus, dass verliehene Wertpapiere doppelt zur Deckung von Leerverkäufen verwendet werden? ZBB 2016, 1005; Riedl/von Livonius Die neue europaweite Regelung von Leerverkäufen, RdF 2012, 164; Roberts, Vertragliche Grundlagen von Finanzderivaten. Ein Beitrag zur Aufarbeitung der Krise? NJOZ 2010, 1717; Ruffert Europarecht: Rechtsgrundlagen und Rechtsetzungsbefugnisse von Agenturen, JuS 2014, 279; Sajnovits/ Weick-Ludewig Europäische Leerverkaufsregulierung in der praktischen Anwendung: Anforderungen an die Deckung von Leerverkäufen von Aktien nach Artikel 12 und 13 der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (EU-LVVO), WM 2015, 2226; Saunders Should Credit Default Swap Issuers Be Subject to Prudential Regulation? 10 J. Corp. L. Stud. 427 (2010); Schockenhoff/Culmann Rechtsschutz gegen Leerverkäufer? Überlegungen zur Schadensersatzhaftung von Leerverkäufern gegenüber Zielun-

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks ternehmen und ihren Aktionären bei gezielter Herbeiführung eines Kurssturzes, AG, 2016, 517; Scholten/van Rijsbergen The ESMA-Short Selling Case: Erecting a New Delegation Doctrine in the EU upon the Meroni-Romano Remnants, 41 Legal Issues of Economic Integration 389 (2014); Skowron Kapitalmarktrecht: Rechtmäßigkeit der Eingriffsbefugnisse der ESMA nach Art. 28 Leerverkaufsverordnung, EuZW 2014, 349; Stage Die Regulierung und strafrechtliche Relevanz von Leerverkäufen de lege lata und de lege ferenda – aus deutscher und europäischer Sicht, in: Grimm/Ladler (Hrsg.), EURecht im Spannungsverhältnis zu den Herausforderungen im Internationalen Wirtschaftsrecht, 2012, S. 69; Suttner/Kielholz Leerverkäufe verbieten? Eine ordnungstheoretische Sicht, ORDO 2011, 101; Trüg Ist der Leerverkauf von Wertpapieren strafbar? NJW 2009, 3202; Tyrolt/Bingel Short Selling – Neue Vorschriften zur Regulierung von Leerverkäufen, BB 2010, 1419; Veranneman Das deutsche Verbot von Hochrisiko-Wetten: Schutz der Finanzmärkte und Schutz vor den Finanzmärkten, GWR 2010, 337; Walla § 15 Leerverkäufe und Credit Default Swaps, in: Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, S. 277–291; ders. Kapitalmarktrechtliche Normsetzung durch Allgemeinverfügung? Hat die BaFin mit den Verboten für ungedeckte Leerverkäufe und bestimmte Kreditderivate vom 18. Mai 2010 ihre Kompetenzen überschritten? DÖV 2010, 853; Wansleben/ Weick-Ludewig „Unvollkommene Deckung“ von Leerverkäufen nach der VO (EU) Nr. 236/2012, ZBB 2015, 395; Weick-Ludewig/Sajnovits Der Leerverkaufsbegriff nach der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (EU-LVVO) – unter besonderer Berücksichtigung der Möglichkeit einer gespaltenen Auslegung von europäischem Verordnungsrecht und nationalem Ordnungswidrigkeitenrecht, WM 2014, 1521; Zahn/Lemke Die Credit Linked Note – Anleihe mit integriertem Kreditderivat, WM 2002, 1536; Zeitler Vergessene Ursachen der Banken- und Finanzkrise, WM 2012, 673; Zimmer/Beisken Die Regulierung von Leerverkäufen de lege lata und de lege ferenda, WM 2010, 485. Vgl. auch Lit. 8. Teil Fn 637.

Übersicht Rn Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (Leerverkäufe und CDS): Titel und Erwägungsgründe . . . . 551 I. Regelungsumfeld, -ziele und -entwicklung 1. Ausgangspunkt und Regelungsziele . . a) Finanzkrise, Regulierungsdilemma und drei Grundformen von Leerverkaufs-Regulierung . . . . . . . . b) Einzelne Regulierungsziele . . . . . . 2. Regelungsentwicklung . . . . . . . . . . a) Deutsche und weitere mitgliedstaatliche Leerverkaufsregulierung . b) EU-Leerverkaufsregulierung – mit Ausführungsrechtsakten und (teilweiser) Verdrängungswirkung . . . . c) Regelungskompetenz und ESMAUrteil des EuGH . . . . . . . . . . . d) Fragen der Einbettung ins nationale Recht (und Verweis auf das Strafund Zivilrecht) . . . . . . . . . . . . II. Gegenstand, Anwendungsbereich und Kernbegriffe (Art. 1–4) . . . . . . . . . . 1. Artikel 1: Gegenstand und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenstand: Leerverkaufsregulierung in systemisch relevanten Anlageinstrumenten . . . . . . . . b) Sachlicher und räumlicher Anwendungsbereich I: Finanzinstrumente mit EU-Handelsplatzzulassung und diesbezügliche Derivate (Abs. 1 lit. a) und b)) . . . . . . . . . . . .

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Rn c) Sachlicher und räumlicher Anwendungsbereich II: Öffentliche Schuldinstrumente und diesbezügliche Derivate (Abs. 1 lit. c)) . . . . . . . d) Befugnisse, insbes. zu Verboten bei allen Finanzinstrumenten in Ausnahmesituationen (Abs. 2) . . . . . 2. Artikel 2: Kernbegriffe (Abs. 1) . . . . . a) Instrumente (Finanzinstrumente, Schuldtitel, Aktien, lit. a), f)-h)) . . . b) Transaktionen (Leerverkäufe und CDS, lit. b), c), e)) . . . . . . . . . . c) Öffentliche Emittenten (lit. d)) . . . d) Herkunftsmitgliedstaat und jeweils zuständige Behörde (lit. i), j)) . . . . e) Marktteilnehmer, insbes. mit Marktfunktionen, und Handelsplätze (lit. k)-o)) . . . . . . . . . . . f) Handelstag und Umsatz (lit. p), q)) . . . . . . . . . . . . . . 3. Artikel 3: Insbesondere Short- und Long-Positionen und ihre Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Short- und Long-Positionen (Abs. 1 und 2) . . . . . . . . . . . . b) Berechnungsfragen (insbes. indirekte Interessen und Nettopositionen, Abs. 3–6) . . . . . . . . . . . . . . . 4. Artikel 4: Insbesondere ungedeckte CDS-Positionen auf öffentliche Schuldtitel . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Teil. Marktregeln Rn III. Transparenz Netto-Leerverkaufspositionen (Art. 5–11) . . . . . . . . . . . 1. Artikel 5, 6: Meldung und Offenlegung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien . . . . . . . . . . . . . a) Transparenzregime: Struktur, Grundgedanke, Überblick . . . . . . b) Meldung und Offenlegung (jeweils Abs. 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . c) Schwellenanpassung und Konkurrenzen (Abs. 3–5) . . . . . . . . . . 2. (Bloße) Meldung signifikanter NettoLeerverkaufs- und ungedeckter CDSPositionen in öffentlichen Schuldtiteln (Art. 7, 8) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Artikel 7: Meldung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen . . . . b) Artikel 8: Meldung ungedeckter CDS-Positionen . . . . . . . . . . . 3. Melde- und Offenlegungsverfahren und Weitergabe an ESMA (Art. 9–11) . . . . a) Artikel 9, 10: Melde- und Offenlegungsverfahren . . . . . . . . . . . b) Artikel 11: Bereitstellung vertiefender Information an die ESMA . . . . . . IV. Zwingende Absicherungskautelen bei ungedeckten Leerverkäufen und diesbezügliche Anforderungen an zentrale Gegenparteien (Art. 12–15) . . . . . . . . 1. Überblick zum Absicherungs- und Beschränkungsregime . . . . . . . . . . 2. Artikel 12: Zwingende Absicherungskautelen bei ungedeckten Leerverkäufen in Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundmechanismus: Ungedeckter Leerverkauf nur bei Absicherung . . b) Absicherung durch Wertpapierleihe u.ä. (Abs. 1 lit. a) . . . . . . . . . . c) Absicherung durch Leihvereinbarung bzw. durchsetzbare Forderung (Abs. 1 lit. b) . . . . . . . . . . . . . d) Absicherung durch Abwicklungsvorkehrung durch Dritten (Abs. 1 lit. c) . . . . . . . . . . . . . 3. Artikel 13: Zwingende Absicherungskautelen bei ungedeckten Leerverkäufen in öffentlichen Schuldtiteln . . . a) Ungedeckter Leerverkauf nur bei Absicherung und Ausnahmen . . . . b) Parallele Absicherungsformen zum Leerverkauf bei Aktien (Abs. 1 lit. a) bis c)) . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnahme bei Absicherung einer stark korrelierenden Long-Position (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einzelfallausnahme bei Liquiditätsengpass durch Behördenentscheidung (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . .

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Rn 4. Artikel 14: Verbot ungedeckter CDS auf öffentliche Schuldtitel mit Ausnahmevorbehalt . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches Verbot ungedeckter CDS (Abs. 1 i.V.m. Art. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelfallausnahme durch Behördenentscheidung bei defizitärer Marktfunktionalität (Abs. 2) . . . . 5. Artikel 15 a.F. / Art. 7 CSDR: Anforderungen an zentrale Gegenparteien im Eindeckungsverfahren und Abwicklung/Entschädigung . . . . . . . . a) Zentrale Gegenparteien (Art. 2 Abs. 1 lit. o) SSR bzw. Art. 2 Nr. 16 CSDR) . . . . . . . . . . . . b) Eindeckung durch zentrale Gegenpartei (Abs. 1 lit. a) SSR bzw. Abs. 3 CSDR) . . . . . . . . . . . . c) Entschädigungszahlung bei Unmöglichkeit der Eindeckung (Abs. 1 lit. b) SSR bzw. Abs. 6 und 7 CSDR) . . . . . . . . . . . . . . . d) Erstattung an zentrale Gegenpartei (Abs. 1 lit. c) SSR bzw. Abs. 8 CSDR . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Strafzahlungen bei Nichterfüllung (Abs. 2 SSR bzw. Abs. 2 CSDR) . . V. Ausnahmen (Art. 16, 17) . . . . . . . . . 1. Artikel 16: Ausnahmen für Haupthandelsplätze in Drittländern . . . . . a) Generalausnahme für Aktien mit Haupthandelsplatz in Drittländern (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung des Haupthandelsplatzes (Abs. 2–4 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. m) . . . . . . . . . . . . 2. Artikel 17: Ausnahmen für MarketMaking- und Primärmarkttätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Generalausnahme für MarketMaker, auch aus Drittländern (Abs. 1, 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. k)) . . . . . . . . . . . . b) Ausnahme für Primärhändler für öffentliche Schuldtitel (Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. n)) . . . . c) Teilausnahme für Kurspflege- und Rückkaufprogramme (Abs. 4) . . d) Anmelde-, Widerspruchs- und Veröffentlichungsverfahren bei den Market-Maker- und Primärhändlerausnahmen (Abs. 5–10, 12–14) . . . . . . . . . . . . . . . e) Weitere Informationspflicht bei Inanspruchnahme jeglicher Ausnahme (Abs. 11) . . . . . . . . . .

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks Rn VI. Erweiterte Befugnisse nationaler Behörden und der ESMA in Krisen (Art. 18–31) (Überblick) . . . . . . . . . 1. Artikel 18–26: Spezifische Eingriffsund temporäre Verbotsbefugnisse nationaler Behörden . . . . . . . . . a) Sonderbefugnisse bei Eintritt ungünstiger Ereignisse und Bedrohung von Finanzstabilität oder Marktvertrauen . . . . . . . . . . b) Anordnung weiterer Meldepflichten (Art. 18, 19) . . . . . . c) Verbote und zusätzliche Bedingungen (Art. 20, 21) . . . . . . . d) Zuständigkeit, Wirksamwerden und -dauer, Zusammenarbeit (Art. 22, 24–26) . . . . . . . . . e) Kurzfristige Beschränkungen bei Kursverfall (Art. 23) . . . . . . . 2. Artikel 27–31: Spezifische Eingriffsund temporäre Verbotsbefugnisse der ESMA . . . . . . . . . . . . . .

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Rn VII. Allgemeines Aufsichts-, Befugnis- und Datenschutzregime (Art. 32–41) (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Artikel 32–40: Zuständigkeit, Befugnisse, Geheimnis- und Datenschutz sowie Zusammenarbeit . . . . . . . . 2. Artikel 41: Sanktionen, Strafmaßnahmen und zivilrechtliche Haftung . a) Verwaltungssanktionen und Strafmaßnahmen . . . . . . . . . . . . b) Exkurs: Zivilrechtliche Ansprüche

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VIII. Delegierte Rechtsakte und Schlussbestimmungen (Art. 42–48) (Überblick) . 651 1. Artikel 42–44: Delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte . . . . . 652 2. Artikel 45–48: Übergangs- und Schlussbestimmungen . . . . . . . . . 653

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates

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vom 14. März 2012

über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps (Text von Bedeutung für den EWR) Amtsblatt EU 2012 L 86/1 Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union – gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme der Europäischen Zentralbank1, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses2, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren3, in Erwägung nachstehender Gründe: (1)

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Als die Finanzkrise im September 2008 ihren Höhepunkt erreichte, nahmen die zuständigen Behörden in mehreren Mitgliedstaaten und die Aufsichtsstellen in Drittländern wie den Vereinigten Staaten von Amerika und Japan außerordentliche Maßnahmen an, um den Leerverkauf bestimmter oder sämtlicher Wertpapiere zu beschränken oder zu verbieten. Anlass hierfür waren Bedenken, dass Leerverkäufe in Zeiten beträchtlicher finanzieller Instabilität die Abwärtsspirale der Aktienkurse verstärken könnten, insbesondere bei Finanztiteln, wodurch schließlich die Lebensfähigkeit der Finanzinstitute bedroht würde und systemische Risiken entstehen könnten. Da in der Union kein spezifischer gemeinsamer Regelungsrahmen für die Behandlung von Aspekten im Zusammenhang mit Leerverkäufen besteht, fielen die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen unterschiedlich aus. Um das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts sicherzustellen und die Voraussetzungen für sein Funktionieren, insbesondere in Bezug auf die Finanzmärkte, zu verbessern und ein hohes Maß an Verbraucher- und Anlegerschutz zu gewährleisten, sollte ein gemeinsamer Regelungsrahmen für Vorschriften und Befugnisse im Zusammenhang mit Leerverkäufen und Credit Default Swaps geschaffen und im Hinblick auf Ausnahmesituationen, in denen Maßnahmen ergriffen werden müssen, ein höheres Maß an Koordinierung und Kohärenz zwischen den Mitgliedstaaten sichergestellt werden. Die Regeln für Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps müssen harmonisiert werden, um zu verhindern, dass Hindernisse für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts entstehen, da die Mitgliedstaaten ansonsten voraussichtlich weiterhin divergierende Maßnahmen ergreifen werden. Es ist zweckmäßig und notwendig, die Form einer Verordnung zu wählen, um sicherzustellen, dass Vorschriften, mit denen private Akteure direkt verpflichtet werden, mit bestimmten Instrumenten verbundene Netto-Leerverkaufspositionen und ungedeckte Leerverkäufe zu melden und offenzulegen, in der gesamten Union einheitlich angewandt werden. Eine Verordnung ist außerdem notwendig, um der durch die Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates4 eingesetzten Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), (ESMA – European Securities and Markets Authority) Befugnisse zur Koordinierung der von den zuständigen Behörden ergriffenen Maßnahmen und zur Verhängung eigener Maßnahmen zu übertragen.

ABl. C 91 vom 23.3.2011, S. 1. ABl. C 84 vom 17.3.2011, S. 34. Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 15. November 2011(noch nicht im

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Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 21. Februar 2012. ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84.

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6. Teil. Marktregeln

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Der Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte so weit wie möglich gefasst sein, damit ein präventiver Regelungsrahmen für Ausnahmesituationen geschaffen werden kann. Dieser Rahmen sollte zwar sämtliche Finanzinstrumente erfassen, aber dennoch eine verhältnismäßige Reaktion auf Risiken ermöglichen, die bei einem Leerverkauf bestimmter Instrumente entstehen können. Daher sollten die zuständigen Behörden und die ESMA nur in Ausnahmesituationen befugt sein, Maßnahmen in Bezug auf sämtliche Arten von Finanzinstrumenten zu ergreifen, die über die lediglich auf bestimmte Arten von Instrumenten anwendbaren dauerhaften Maßnahmen hinausgehen, die ergriffen werden, wenn eindeutige Risiken bestehen, denen vorgebeugt werden muss.

(5)

Um die derzeitige Fragmentierung zu überwinden, vor deren Hintergrund einige Mitgliedstaaten divergierende Maßnahmen ergriffen haben, und um die Möglichkeit, dass zuständige Behörden divergierende Maßnahmen ergreifen, einzuschränken, ist zur Bewältigung der potenziellen Risiken von Leerverkäufen und Credit Default Swaps ein harmonisiertes Vorgehen erforderlich. Mit den einzuführenden Vorschriften sollten die ermittelten Risiken behandelt werden, ohne dabei die Vorteile, die Leerverkäufe für die Marktqualität und -effizienz bieten, zu sehr zu schmälern. Zwar könnten Leerverkäufe unter gewissen Umständen negative Auswirkungen haben, unter normalen Marktbedingungen aber spielen Leerverkäufe eine wichtige Rolle beim ordnungsgemäßen Funktionieren der Finanzmärkte, insbesondere in Bezug auf die Marktliquidität und eine effiziente Kursbildung.

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Bezugnahmen in dieser Verordnung auf natürliche und juristische Personen sollten eingetragene Personengesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit einschließen.

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Sowohl die Regulierungsbehörden als auch die Marktteilnehmer würden von erhöhter Transparenz in Bezug auf signifikante Netto-Leerverkaufspositionen in spezifischen Finanzinstrumenten profitieren. Für Aktien, die zum Handel an einem Handelsplatz innerhalb der Union zugelassen sind, sollte ein Zweistufenmodell eingeführt werden, das in geeigneter Weise bei signifikanten Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien ein höheres Maß an Transparenz bietet. Wird in Verbindung mit einer bestimmten Position die niedrigere Meldeschwelle erreicht, so sollte dies der betreffenden Regulierungsbehörde gemeldet werden, damit die Behörde einschlägige Positionen überwachen und bei Bedarf prüfen kann, ob Leerverkäufe systemische Risiken verursachen, marktmissbräuchlich eingesetzt werden oder zu Marktstörungen führen könnten; wird die höher angesetzte Meldeschwelle erreicht, sollte dies dem Markt offengelegt werden, damit die anderen Marktteilnehmer nützliche Informationen über einzelne signifikante Short-Positionen in Aktien erhalten.

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Es sollte eine Verpflichtung zur Meldung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in öffentlichen Schuldtiteln in der Union an die Regulierungsbehörden eingeführt werden, da diese Meldungen wichtige Informationen enthalten, die ihnen bei der Prüfung helfen, ob die betreffenden Positionen tatsächlich systemische Risiken mit sich bringen oder für marktmissbräuchliche Zwecke genutzt werden. Eine entsprechende Vorschrift sollte ausschließlich eine Meldung an die Regulierungsbehörden vorsehen, da eine Offenlegung von Informationen in Bezug auf derartige Instrumente gegenüber dem Markt negative Auswirkungen auf Märkte für öffentliche Schuldtitel mit geringer Liquidität haben könnte.

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Die Meldevorschriften in Bezug auf öffentliche Schuldtitel sollten Anwendung finden auf die Schuldinstrumente, die von den Mitgliedstaaten und von der Union einschließlich der Europäischen Investitionsbank, eines Ministeriums eines Mitgliedstaats, Agenturen, Zweckgesellschaften oder von zwei oder mehr Mitgliedstaaten gegründeter internationaler Finanzinstitute emittiert werden, die wie beispielsweise die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität oder der geplante Europäische Stabilitätsmechanismus im Namen eines Mitgliedstaats oder im Namen mehrerer Mitgliedstaaten Schuldtitel begeben. Im Falle von bundesstaatlich aufgebauten Mitgliedstaaten sollten die Meldevorschriften auch auf von einem Gliedstaat des Bundes begebene Schuldinstrumente Anwendung finden. Sie sollten jedoch nicht auf die von den anderen Gebietskörperschaften, kommunalen Körperschaften oder halbstaatlichen Stellen eines Mitgliedstaats begebene Schuldinstrumente Anwendung finden. Ziel der von der Union begebenen Schuldinstrumente ist es, Mitgliedstaaten Zahlungsbilanzhilfen oder finanzielle Stabilitätshilfen oder Drittländern Makrofinanzhilfen zu geben.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks (10) Um eine umfassende und wirksame Transparenz zu gewährleisten, ist es wichtig, dass die Meldevorschriften nicht nur für Short-Positionen gelten, die durch den Handel mit Aktien oder öffentlichen Schuldtiteln an einem Handelsplatz entstehen, sondern auch für Short-Positionen, die außerhalb eines Handelsplatzes geschaffen werden, sowie für Netto-Leerverkaufspositionen, die aus dem Einsatz von Derivaten wie zum Beispiel Optionen, Terminkontrakten, an einen Index gekoppelten Instrumenten, Differenzgeschäften und Spread Bets auf Aktien oder öffentliche Schuldtitel resultieren. (11) Damit die Transparenzregelung für Regulierungsbehörden und Märkte von Nutzen ist, sollte sie vollständige und genaue Angaben über die Positionen einer natürlichen oder juristischen Person gewährleisten. Insbesondere sollten aus den Angaben, die der Regulierungsbehörde oder dem Markt zur Verfügung gestellt werden, sowohl die Short- als auch die Long-Positionen hervorgehen, damit wertvolle Informationen über die Netto-Leerverkaufspositionen einer natürlichen oder juristischen Person in Aktien, öffentlichen Schuldtiteln und Credit Default Swaps generiert werden können. (12) Bei der Berechnung von Short- oder Long-Positionen sollte sämtlichen wirtschaftlichen Interessen Rechnung getragen werden, die eine natürliche oder juristische Person im Zusammenhang mit dem ausgegebenen Aktienkapital eines Unternehmens oder mit ausgegebenen öffentlichen Schuldtiteln eines Mitgliedstaats oder der Union hat. Insbesondere sollten wirtschaftliche Interessen beachtet werden, die direkt oder indirekt durch den Einsatz von Derivaten, wie Optionen, Terminkontrakten, Differenzgeschäften und Spread Bets auf Aktien oder öffentliche Schuldtitel, und Indizes, Wertpapierkörbe (baskets of securities) und börsennotierte Indexfonds entstanden sind. Bei Positionen in öffentlichen Schuldtiteln sollten auch Credit Default Swaps im Zusammenhang mit Emittenten öffentlicher Schuldtitel berücksichtigt werden. (13) Zusätzlich zur in dieser Verordnung vorgesehenen Transparenzregelung sollte die Kommission im Zusammenhang mit ihrer Überprüfung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente5 in Erwägung ziehen, ob eine Einbeziehung von Informationen über Leerverkäufe in die Transaktionsberichte an die zuständigen Behörden seitens der Wertpapierfirmen nützliche zusätzliche Informationen bereitstellen würde, um es den zuständigen Behörden zu ermöglichen, das Volumen der Leerverkäufe zu überwachen. (14) Der Kauf von Credit Default Swaps, ohne dabei eine Long-Position im zugrunde liegenden öffentlichen Schuldtitel oder irgendwelche Vermögenswerte, ein Portfolio von Vermögenswerten, finanziellen Verpflichtungen oder finanziellen Geschäften, deren Wert eine Korrelation zum Wert des öffentlichen Schuldtitels aufweist, zu halten, kann – wirtschaftlich gesehen – mit einer Short-Position im zugrunde liegenden Schuldinstrument gleichgesetzt werden. Bei der Berechnung einer Netto-Leerverkaufsposition in öffentlichen Schuldtiteln sollten daher Credit Default Swaps im Zusammenhang mit einer Obligation von Emittenten öffentlicher Schuldtitel einbezogen werden. Eine Position in Credit Default Swaps sollte sowohl im Hinblick darauf berücksichtigt werden, ob eine natürliche oder juristische Person eine signifikante Netto-Leerverkaufsposition in öffentlichen Schuldtiteln hält, die der zuständigen Behörde gemeldet werden muss, als auch, wenn eine zuständige Behörde Beschränkungen von ungedeckten Transaktionen mit Credit Default Swaps vorübergehend aufhebt, um die signifikante ungedeckte Position in einem Credit Default Swap im Zusammenhang mit einem Emittenten öffentlicher Schuldtitel zu ermitteln, die der zuständigen Behörde zu melden ist. (15) Um eine laufende Überwachung der Positionen zu ermöglichen, sollte in der Transparenzregelung außerdem festgelegt werden, dass Änderungen, die zur Unter- oder Überschreitung bestimmter Schwellenwerte für Netto-Leerverkaufspositionen führen, gemeldet bzw. offengelegt werden müssen. (16) Damit die Transparenzregelungen Wirkung entfalten, muss sie unabhängig davon Anwendung finden, wo eine natürliche oder juristische Person ansässig ist, auch wenn dies in einem

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ABl. L 145 vom 30.4.2004, S. 1.

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6. Teil. Marktregeln Drittland ist, wenn diese Person eine Netto-Leerverkaufsposition in einem Unternehmen hält, dessen Aktien zum Handel an einem Handelsplatz in der Union zugelassen sind, oder wenn sie eine Netto-Leerverkaufsposition in einem öffentlichen Schuldtitel eines Mitgliedstaats oder der Union hält. (17) Die Definition von Leerverkäufen sollte nicht Rückkaufvereinbarungen zwischen zwei Parteien einbeziehen, bei denen die eine Partei der anderen ein Wertpapier zu einem festgesetzten Preis und mit der Zusage verkauft, es zu einem späteren Zeitpunkt zu einem ebenfalls festgesetzten Preis zurückzukaufen; ebensowenig sollten Derivatekontrakte einbezogen werden, bei denen vereinbart wird, Wertpapiere zu einem späteren Zeitpunkt zu einem festgesetzten Preis zu verkaufen. Die Definition sollte nicht die Übertragung von Wertpapieren im Rahmen einer Wertpapierleihe-Vereinbarung einbeziehen. (18) Ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und öffentlichen Schuldtiteln gelten mitunter als Faktor, durch den das potenzielle Risiko steigt, dass Abwicklungen scheitern und Marktvolatilität entsteht. Um diese Risiken zu senken, sollten angemessene Beschränkungen für ungedeckte Leerverkäufe solcher Finanzinstrumente eingeführt werden. Die einzelnen Beschränkungen sollten den verschiedenen geltenden Regelungen für gedeckte Leerverkäufe Rechnung tragen. Diese Regelungen sehen eine getrennte Rückkaufvereinbarung vor, nach der der Leerverkäufer eines Wertpapiers ein gleichwertiges Instrument so rechtzeitig erwerben muss, dass eine Abwicklung der Leerverkaufstransaktion möglich ist, sowie Besicherungsvereinbarungen, falls der Sicherungsnehmer die Sicherheit zur Abwicklung der Leerverkaufstransaktion verwenden darf. Weitere Regelungen sind beispielsweise die Ausgabe von Bezugsrechten durch Gesellschaften an ihre bestehenden Anteilseigner, Wertpapierleihe-Pools und zum Beispiel von Handelsplätzen, Clearingsystemen oder Zentralbanken zur Verfügung gestellte Pensionsfazilitäten. (19) Im Hinblick auf ungedeckte Leerverkäufe von Aktien ist es notwendig, dass eine natürliche oder juristische Person von einem Dritten die Zusage erhalten hat, dass die Aktie lokalisiert wurde, was bedeutet, dass der Dritte bestätigt, dass er die Aktie bei Fälligkeit für die Abwicklung des Geschäfts verfügbar machen kann. Um diese Zusage zu geben, müssen gegenüber Dritten Maßnahmen getroffen werden, damit die natürliche oder juristische Person berechtigterweise erwarten kann, dass das Geschäft bei Fälligkeit abgewickelt werden kann. Zu diesen Maßnahmen gehören beispielsweise solche, bei denen ein Dritter die Aktien zur Leihe oder zum Kauf zugewiesen hat, so dass das Geschäft bei Fälligkeit abgewickelt werden kann. Bei Leerverkäufen, die durch Kauf der Aktie am selben Tag gedeckt werden sollen, gehört dazu auch die Zusage eines Dritten, dass er die Aktie als leicht zu leihen oder zu kaufen erachtet. Die Liquidität der Aktien, insbesondere hinsichtlich des Umsatzniveaus und der Leichtigkeit, mit der Kauf, Verkauf und Leihe mit minimalen Auswirkungen auf den Markt stattfinden können, sollte von der ESMA berücksichtigt werden, wenn sie festlegt, welche Maßnahmen notwendig sind, um berechtigterweise erwarten zu können, dass das Geschäft bei Fälligkeit abgewickelt werden kann. (20) In Bezug auf ungedeckte Leerverkäufe öffentlicher Schuldtitel könnte der Umstand, dass der Leerverkauf durch einen am selben Tag erfolgenden Kauf des öffentlichen Schuldtitels gedeckt wird, als ein Beispiel dafür betrachtet werden, dass berechtigterweise erwartet werden kann, dass das Geschäft bei Fälligkeit abgewickelt werden kann. (21) Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel sollten auf dem Grundsatz des versicherbaren Interesses basieren, wobei berücksichtigt wird, dass an einem öffentlichen Emittenten andere Interessen bestehen können als der Besitz von Staatsanleihen. Zu diesen Interessen gehört die Absicherung gegen ein Ausfallrisiko des öffentlichen Emittenten, wenn eine natürliche oder juristische Person eine Long-Position in den öffentlichen Schuldtiteln dieses Emittenten besitzt, oder die Absicherung gegen das Risiko eines Wertverfalls der öffentlichen Schuldtitel, wenn die natürliche oder juristische Person Vermögenswerte besitzt oder Verbindlichkeiten unterliegt, die sich auf Einrichtungen des öffentlichen oder privaten Sektors in dem betreffenden Mitgliedstaat beziehen, deren Wert eine Korrelation zum Wert der öffentlichen Schuldtitel aufweist. Zu solchen Vermögenswerten sollten auch finanzielle Geschäfte, ein Portfolio von Vermögenswerten oder finanziellen Verpflichtungen sowie Zinsoder Währungsswaptransaktionen, bei denen der Credit Default Swap auf öffentliche

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks Schuldtitel als Instrument zum Management des Gegenparteirisikos zur Absicherung der Exposition gegenüber Finanz- und Außenhandelsgeschäften eingesetzt wird, gehören. Eine Position oder ein Portfolio von Positionen, die im Zusammenhang mit der Absicherung von Expositionen gegenüber einem öffentlichen Emittenten verwendet werden, sollte nicht als ungedeckte Position in einem Credit Default Swap auf öffentliche Schuldtitel betrachtet werden. Dies gilt für jegliche Expositionen gegenüber der zentralstaatlichen, regionalen und lokalen Verwaltung, Einrichtungen des öffentlichen Sektors oder jegliche von einer der genannten Stellen garantierte Exposition. Ferner sollte auch die Exposition gegenüber in dem betreffenden Mitgliedstaat niedergelassenen privatwirtschaftlichen Unternehmen einbezogen werden. In diesem Zusammenhang sollten sämtliche Expositionen einschließlich Darlehen, Kreditrisiko der Gegenpartei (einschließlich potenzieller Exposition, wenn für eine solche Exposition Eigenkapital erforderlich ist), Forderungen und Garantien in Erwägung gezogen werden. Hierzu gehören auch indirekte Expositionen gegenüber einer der genannten Einrichtungen, die unter anderem durch Exposition gegenüber Indizes, Fonds oder Zweckgesellschaften erzielt werden. (22) Da sich der Eintritt in einen Credit Default Swap auf öffentliche Schuldtitel ohne zugrunde liegende Exposition gegenüber dem Risiko eines Wertverfalls des öffentlichen Schuldtitels nachteilig auf die Stabilität der Märkte für öffentliche Schuldtitel auswirken kann, sollte es natürlichen und juristischen Personen verboten sein, in solche ungedeckten Positionen in Credit Default Swaps einzutreten. Allerdings sollte die zuständige Behörde bereits bei den ersten Anfangssignalen, dass der Markt für öffentliche Schuldtitel nicht ordnungsgemäß funktioniert, eine solche Beschränkung zeitweise aussetzen können. Eine solche Aussetzung sollte auf einer Überzeugung der zuständigen Behörde beruhen, die sich auf objektive Gründe stützt, welche sich aus einer Analyse der in dieser Verordnung dargelegten Indikatoren ergeben. Die zuständigen Behörden sollten außerdem zusätzliche Indikatoren verwenden dürfen. (23) Darüber hinaus sollten Vorschriften, die auf zentrale Gegenparteien im Zusammenhang mit Eindeckungsverfahren und Zahlungen bei gescheiterten Abwicklungen von Transaktionen mit Aktien Anwendung finden, vorgesehen werden. Mit den Vorschriften für das Eindeckungsverfahren und Spätabwicklungen sollen grundlegende Standards für die Abwicklungsdisziplin gesetzt werden. Die Eindeckungs- und Sanktionsvorschriften sollten so flexibel sein, dass die zentrale Gegenpartei, die für die Einrichtung der betreffenden Verfahren verantwortlich ist, einen anderen Marktteilnehmer damit betrauen kann, abwicklungstechnisch die Eindeckung vorzunehmen oder die Strafzahlung zu verhängen. Für das ordnungsgemäße Funktionieren der Finanzmärkte ist es jedoch von wesentlicher Bedeutung, weiterreichende Aspekte der Abwicklungsdisziplin im Rahmen eines horizontalen Gesetzgebungsvorschlags zu behandeln. (24) Mit Maßnahmen in Bezug auf öffentliche Schuldtitel und Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel, einschließlich Maßnahmen zur Transparenzsteigerung und Beschränkungen für ungedeckte Leerverkäufe, sollten Vorschriften eingeführt werden, die verhältnismäßig sind und mit denen gleichzeitig negative Auswirkungen auf die Liquidität auf den Verkaufs- und Rückkaufsmärkten für öffentliche Anleihen verhindert werden. (25) Aktien werden zunehmend auf verschiedenen Handelsplätzen in der Union und in Drittländern zum Handel zugelassen. So sind an verschiedenen Handelsplätzen innerhalb der Union auch Aktien zahlreicher großer Unternehmen mit Sitz in einem Drittland gelistet. Aus Gründen der Effizienz sollten Instrumente, deren Haupthandelsplatz in einem Drittland liegt, von bestimmten Melde- und Offenlegungspflichten ausgenommen werden. (26) Market-Making-Tätigkeiten spielen bei der Bereitstellung von Liquidität auf den Märkten in der Union eine maßgebliche Rolle; Market-Maker müssen bei der Ausübung ihrer Funktion Short-Positionen eingehen. Die Einführung von Vorschriften für derartige Aktivitäten könnte die Fähigkeit der Market-Maker, für Liquidität zu sorgen, erheblich einschränken und die Effizienz der Märkte in der Union erheblich beeinträchtigen. Darüber hinaus ist nicht davon auszugehen, dass Market-Maker signifikante Short-Positionen eingehen, außer während sehr kurzer Zeiträume. Es ist daher angemessen, dass die Vorschriften nicht für natürliche oder juristische Personen gelten, die an Market-Making-Tätigkeiten beteiligt sind, da

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6. Teil. Marktregeln dadurch deren Fähigkeit beeinträchtigt werden könnte, ihre Funktion auszuüben, und dies negative Auswirkungen auf die Märkte in der Union hätte. Damit auch einschlägige Rechtsträger in Drittländern durch diese Vorschriften erfasst werden, muss ein Verfahren eingeführt werden, um die Gleichwertigkeit der betreffenden Drittlandsmärkte zu bewerten. Die Ausnahmeregelung sollte auf verschiedene Arten von Market-Making-Tätigkeiten Anwendung finden, jedoch nicht auf den Eigenhandel. Außerdem sollten bestimmte Primärmarkttätigkeiten, z.B. im Zusammenhang mit öffentlichen Schuldtiteln und Stabilisierungsmaßnahmen, ausgenommen werden, da es sich hierbei um wichtige Tätigkeiten handelt, die zum effizienten Funktionieren der Märkte beitragen. Die zuständigen Behörden sollten bei der Inanspruchnahme einer Ausnahmeregelung unterrichtet werden und befugt sein, einer natürlichen oder juristischen Person die Inanspruchnahme einer Ausnahmeregelung zu untersagen, wenn diese die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt. Die zuständigen Behörden sollten außerdem die Möglichkeit haben, die betreffende natürliche oder juristische Person um Informationen zu ersuchen, um die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung zu überwachen. (27) Im Falle ungünstiger Entwicklungen, die eine ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in einem Mitgliedstaat oder in der Union darstellen, sollten die zuständigen Behörden über Eingriffsbefugnisse verfügen, um zusätzliche Transparenzvorschriften einzuführen oder Leerverkäufe, Transaktionen mit Credit Default Swaps oder andere Transaktionen zeitweise zu beschränken und auf diese Weise einen ungeordneten Kursverfall zu verhindern. Derartige Maßnahmen könnten aufgrund verschiedener ungünstiger Ereignisse oder Entwicklungen – womit nicht nur finanzielle oder wirtschaftliche Verwerfungen, sondern auch z.B. Naturkatastrophen oder terroristische Anschläge gemeint sind – erforderlich sein. Darüber hinaus könnten ungünstige Ereignisse oder Entwicklungen, die Maßnahmen erfordern, einen einzigen Mitgliedstaat betreffen und keine grenzübergreifenden Auswirkungen haben. Die Befugnisse müssen ausreichende Flexibilität aufweisen, um die zuständigen Behörden in die Lage zu versetzen, auf verschiedene Arten von Ausnahmesituationen reagieren zu können. Wenn die zuständigen Behörden entsprechende Maßnahmen ergreifen, sollten sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebührend Rechnung tragen. (28) Da diese Verordnung nur auf Beschränkungen von Leerverkäufen und Credit Default Swaps eingeht, um einen ungeordneten Kursverfall eines Finanzinstruments zu verhindern, wird die Notwendigkeit anderer Arten von Beschränkungen wie etwa Positionslimits oder Beschränkungen bestimmter Produkte, die Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich des Anlegerschutzes geben können, besser im Zusammenhang mit der Überprüfung der Richtlinie 2004/39/EG durch die Kommission behandelt. (29) Auch wenn die zuständigen Behörden in der Regel am besten in der Lage sind, die Marktbedingungen zu überwachen und bei ungünstigen Ereignissen oder Entwicklungen als erste zu reagieren, indem sie entscheiden, ob die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen ernsthaft bedroht sind und Maßnahmen zur Bewältigung einer solchen Situation ergriffen werden müssen, sollten die diesbezüglichen Befugnisse sowie die Bedingungen und Verfahren für deren Inanspruchnahme doch so weit wie möglich harmonisiert werden. (30) Verzeichnet ein Finanzinstrument an einem Handelsplatz einen signifikanten Kursverfall, sollte die zuständige Behörde auch befugt sein, bei Bedarf rasch einzugreifen und Leerverkäufe dieses Instruments am jeweiligen Handelsplatz innerhalb ihres Rechtsraums vorübergehend einzuschränken oder die ESMA aufzufordern, solche Einschränkungen in anderen Rechtsräumen vorzunehmen, um für einen kurzen Zeitraum einen ungeordneten Kursverfall des betreffenden Instruments zu verhindern. Die zuständige Behörde sollte auch verpflichtet sein, der ESMA einen solchen Beschluss zu melden, so dass die ESMA unverzüglich die zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten mit Handelsplätzen, an denen dasselbe Instrument gehandelt wird, unterrichten, die Ergreifung von Maßnahmen seitens dieser anderen Mitgliedstaaten koordinieren und sie, falls notwendig, beim Erzielen einer Einigung unterstützen oder gemäß Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 selbst einen Beschluss fassen kann. (31) Falls ungünstige Ereignisse oder Entwicklungen sich auf mehr als einen einzigen Mitgliedstaat erstrecken oder andere grenzübergreifende Auswirkungen haben, wenn beispielsweise

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ein Finanzinstrument zum Handel an verschiedenen Handelsplätzen in mehreren Mitgliedstaaten zugelassen ist, sind eine enge Konsultation und eine enge Zusammenarbeit zwischen den befugten Behörden unbedingt erforderlich. Die ESMA sollte in einer solchen Situation eine zentrale Koordinierungsfunktion übernehmen und versuchen, ein kohärentes Vorgehen der zuständigen Behörden zu gewährleisten. Dass der ESMA Vertreter der zuständigen Behörden angehören, wird ihr dabei helfen, diese Funktion wahrzunehmen. Zudem sollten die zuständigen Behörden die Befugnisse haben, Maßnahmen zu ergreifen, wenn sie ein Interesse an einem Eingreifen haben. Neben ihrer Aufgabe, die Maßnahmen der zuständigen Behörden zu koordinieren, sollte die ESMA sicherstellen, dass die zuständigen Behörden nur dann Maßnahmen ergreifen, wenn dies notwendig und verhältnismäßig ist. Die ESMA sollte in der Lage sein, den zuständigen Behörden Stellungnahmen über den Einsatz von Eingriffsbefugnissen zu unterbreiten. Auch wenn die zuständigen Behörden oftmals am besten in der Lage sind, ungünstige Ereignisse oder Entwicklungen zu überwachen und rasch darauf zu reagieren, sollte auch die ESMA befugt sein, Maßnahmen zu ergreifen, wenn Leerverkäufe und andere verwandte Tätigkeiten das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität eines Teils oder des gesamten Finanzsystems in der Union bedrohen, wenn grenzüberschreitende Auswirkungen vorliegen und die zuständigen Behörden keine ausreichenden Maßnahmen zur Bewältigung der Bedrohung ergriffen haben. Wenn die Auswirkungen einer solchen Maßnahme möglicherweise über die Finanzmärkte hinausgehen, sollte die ESMA, wo immer möglich, den durch die Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken6 eingesetzten Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB – European Systemic Risk Board) und die anderen einschlägigen Behörden konsultieren, wie zum Beispiel bei Warenderivaten, die eingesetzt werden, um physische Positionen abzusichern. Die Befugnisse der ESMA gemäß dieser Verordnung, in Ausnahmesituationen Leerverkäufe und andere verwandte Tätigkeiten zu beschränken, stehen in Einklang mit Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010. Diese Befugnisse sollten die Befugnisse der ESMA in Ausnahmesituationen nach Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 nicht berühren. Insbesondere sollte die ESMA befugt sein, einzelne Beschlüsse zu erlassen, mit denen die zuständigen Behörden verpflichtet werden, Maßnahmen zu ergreifen, oder einzelne Beschlüsse, die an Finanzmarktbeteiligte im Sinne von Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 gerichtet sind. Verweise in dieser Verordnung auf die Artikel 18 und 38 der Verordnung (EU) Nr. 1095/ 2010 haben einen hinweisenden Charakter. Diese Artikel gelten auch, wenn keine solchen Verweise vorhanden sind. Die Eingriffsbefugnisse der zuständigen Behörden und der ESMA zur Beschränkung von Leerverkäufen, Transaktionen mit Credit Default Swaps und anderen Transaktionen sollten zeitlich begrenzter Natur sein und lediglich während des Zeitraums und in dem Umfang ausgeübt werden, wie es zur Bewältigung der spezifischen Bedrohung erforderlich ist. Aufgrund der spezifischen Risiken, die durch den Einsatz von Credit Default Swaps entstehen können, sind diese Transaktionen durch die zuständigen Behörden genau zu überwachen. Insbesondere sollten die zuständigen Behörden in Ausnahmefällen befugt sein, von natürlichen oder juristischen Personen, die eine einschlägige Transaktion vornehmen, Informationen über den Zweck einer solchen Transaktion anzufordern. Die ESMA sollte befugt sein, eine Untersuchung über eine Frage oder Praxis im Zusammenhang mit Leerverkäufen oder Credit Default Swaps durchzuführen, um zu prüfen, ob die betreffende Frage oder Praxis eine potenzielle Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen darstellt. Führt die ESMA eine solche Untersuchung durch, so sollte sie einen Bericht über ihre Erkenntnisse veröffentlichen.

ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1.

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6. Teil. Marktregeln (39) Da einige Vorschriften dieser Verordnung auf natürliche oder juristische Personen und Tätigkeiten in Drittländern Anwendung finden können, ist eine Zusammenarbeit zwischen zuständigen Behörden und Aufsichtsbehörden in Drittländern in bestimmten Situationen erforderlich. Die zuständigen Behörden sollten daher Vereinbarungen mit Aufsichtsbehörden in Drittländern schließen. Die ESMA sollte die Ausarbeitung derartiger Kooperationsvereinbarungen und den Austausch von Informationen aus Drittländern zwischen den zuständigen Behörden koordinieren. (40) Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta) anerkannt wurden, insbesondere mit dem in Artikel 16 AEUV und in Artikel 8 der Charta verankerten Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Aus Gründen der Finanzmarktstabilität und des Anlegerschutzes ist im Hinblick auf signifikante Netto-Leerverkaufspositionen Transparenz erforderlich, einschließlich der in dieser Verordnung vorgesehenen Offenlegung gegenüber der Öffentlichkeit bei Überschreitung eines gewissen Grenzwerts. Wenn eine solche Transparenz gegeben ist, könnten die Regulierungsbehörden überwachen, ob Leerverkäufe in Verbindung mit marktmissbräuchlichen Strategien eingesetzt werden, und feststellen, welche Auswirkungen Leerverkäufe auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes haben. Zudem könnte diese Transparenz Informationsasymmetrien verringern und gleichzeitig sicherstellen, dass alle Marktteilnehmer angemessen darüber informiert werden, inwieweit Leerverkäufe die Kurse beeinflussen. Jeder Austausch und jede Übermittlung von Informationen zwischen zuständigen Behörden sollte nach den Vorschriften für die Übermittlung personenbezogener Daten erfolgen, die in der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr7 festgelegt sind. Jeder Austausch und jede Übermittlung von Informationen durch die ESMA sollte nach den Vorschriften für die Übermittlung personenbezogener Daten erfolgen, die in der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr8 festgelegt sind und für die Verarbeitung personenbezogener Daten für die Zwecke dieser Verordnung uneingeschränkt gelten sollten. (41) Unter Berücksichtigung der in der Mitteilung der Kommission zur „Stärkung der Sanktionsregelungen im Finanzdienstleistungssektor“ dargelegten Grundsätze und der infolge dieser Mitteilung angenommenen Rechtsakte der Union sollten die Mitgliedstaaten für Verstöße gegen diese Verordnung Sanktionen, einschließlich verwaltungsrechtlicher Maßnahmen, festlegen und gewährleisten, dass diese auch angewandt werden. Diese Sanktionen und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Sie sollten auf Leitlinien beruhen, die von der ESMA erlassen werden, um die Konvergenz und sektorübergreifende Konsistenz von Sanktionsregelungen im Finanzsektor zu fördern. (42) Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren9, ausgeübt werden. Die Kommission sollte das Europäische Parlament über die Fortschritte in Bezug auf Beschlüsse zur Festlegung der Gleichwertigkeit des Rechts- und Aufsichtsrahmens eines Drittlandes mit den Anforderungen dieser Verordnung auf dem Laufenden halten. (43) Der Kommission sollte die Befugnis übertragen werden, Rechtsakte im Einklang mit Artikel 290 AEUV im Hinblick auf die Besonderheiten bei der Berechnung von Short-Positionen

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ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31. ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.

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ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks zu erlassen, wenn eine natürliche oder juristische Person eine ungedeckte Position in Credit Default Swaps hält, die Schwellen für die Meldung oder Offenlegung sowie eine genauere Abgrenzung der Kriterien und Faktoren zur Feststellung, ob ungünstige Ereignisse oder Entwicklungen eine ernsthafte Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in einem Mitgliedstaat oder der Union darstellen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, gegebenenfalls auch auf der Ebene von Sachverständigen der einschlägigen Institutionen, Behörden und Einrichtungen, durchführt. Bei der Vorbereitung und Ausarbeitung delegierter Rechtsakte sollte die Kommission gewährleisten, dass die einschlägigen Dokumente dem Europäischen Parlament und dem Rat gleichzeitig, rechtzeitig und auf angemessene Weise übermittelt werden. (44) Die Kommission sollte dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht vorlegen, in dem die Angemessenheit der vorgesehenen Melde- und Offenlegungsschwellen sowie die Funktionsweise der Beschränkungen und Transparenzvorschriften für Netto-Leerverkaufspositionen bewertet werden und geprüft wird, ob etwaige andere Beschränkungen oder Bedingungen für Leerverkäufe oder Credit Default Swaps angemessen sind. (45) Da die Ziele dieser Verordnung von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, obwohl die zuständigen Behörden besser in der Lage sind, Marktentwicklungen zu überwachen und bessere Kenntnis davon haben, kann die Gesamtauswirkung der Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Leerverkäufen und Credit Default Swaps nur im unionsweiten Kontext vollständig erfasst werden und lassen sich daher besser auf Unionsebene verwirklichen, und kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip Maßnahmen annehmen. Gemäß dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. (46) Da in einigen Mitgliedstaaten bereits Beschränkungen für Leerverkäufe eingeführt worden sind und da diese Verordnung delegierte Rechtsakte und verbindliche technische Standards vorsieht, die vor ihrer sinnvollen Anwendung erlassen werden sollten, ist es notwendig, einen ausreichenden Übergangszeitraum vorzusehen. Da es erforderlich ist, vor dem 1. November 2012 nicht wesentliche Schlüsselfaktoren zu bestimmen, die es den Marktteilnehmern erleichtern, die Bestimmungen dieser Verordnung einzuhalten, und die es den Behörden erleichtern, diese Verordnung durchzusetzen, ist es auch notwendig, der Kommission die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen, um technische Standards und delegierte Rechtsakte vor diesem Datum zu erlassen –

Haben folgende Verordnung erlassen:

I. Regelungsumfeld, -ziele und -entwicklung 1. Ausgangspunkt und Regelungsziele a) Finanzkrise, Regulierungsdilemma und drei Grundformen von Leerverkaufs-Regu- 552 lierung. Während der Finanz- und vor allem der Eurokrise (Staatsschuldenkrise) wurden Leerverkäufe (und bestimmte Credit Default Swaps als wirtschaftlich äquivalente Gestaltungsformen)10 verdächtigt, in verschiedener Hinsicht destabilisierend zu wirken.11 Dabei

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Zur wirtschaftlichen Äquivalenz von Credit Default Swaps (mit Leerverkäufen) und zu den Konstellationen, in denen eine solche angenommen wird, näher Nachw. unten Fn 68; auch 14. Erw.grund. Zum Zusammenhang mit der Finanz- und der Euro- (oder Staatsschulden-)Krise vgl. etwa Grünewald/Wagner/Weber Short Sel-

ling Regulation after the Financial Crisis – First Principles Revisited, 7 International Journal of Disclosure and Regulation 108 (2009); Mattarocci/Sampagnaro Financial Crisis and Short Selling: Do Regulatory Bans Really Work? Evidence from the Italian Market, 15 Academy of Accounting and Financial Studies Journal 115 (2011); Payne

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6. Teil. Marktregeln

bestand in unterschiedlichem Maße Unsicherheit hinsichtlich des jeweiligen (negativen) Wirk- und Destabilisierungsmechanismus, und damit auch hinsichtlich der regulierungsbedürftigen Risiken.12 Im öffentlichen Interesse stand und steht die Spekulationseignung und -gefahr im Vordergrund, wobei betont werden muss und wird, dass Spekulationsbereitschaft als solche notwendig ist, um die positiven Wirkung der Risikoabsicherung für solche Marktteilnehmer zu erreichen, die diese wünschen (Hedging).13 Daher ist die Regulierung primär auszurichten auf Spekulationen, mit denen Preisentwicklungen nicht nur vorhergesagt, sondern gesteuert (manipuliert) werden, durch Leerverkäufe Kursverfall und damit auch Verfall des Emittentenstandings befördert wird14 – was zwar grds. bereits durch das Marktmanipulationsregime erfasst ist, doch deswegen potentiell nicht hinreichend, weil Marktmanipulation erst ex post sanktioniert und zudem schwer nachzuweisen ist.15 Zu einem systemischen oder volkswirtschaftlichen Stabilitätsrisiko kann sich dieses (Einzel-)Emittentenrisiko entwickeln bei öffentlichen Emittenten (bei Budgetproblemen mit Auswirkungen innerstaatlich und auf die gemeinsame Währung) und bei Unternehmen, bei denen das Ansteckungsrisiko für andere Unternehmen (besonders zwischen Kreditinstituten) besteht.16 Neben das Spekulationsrisiko – in Form (i) eines Marktmanipula-

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(2012) 13 EBOR 413 (415 ff.); Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 539–543; Schlimbach Leerverkäufe, S. 43–50; Gruber Leerverkäufe, S. 1–6; Tritschler Leerverkäufe, S. 21–27; gestützt auf empirische Studien hingegen jeden Zusammenhang weitestgehend negierend Elineau 8 International Law and Management Review 61 (85-86) (2012). Guter Überblick etwa: Grullon/Michenaud/ Weston 28 Review of Financial Studies 1737 (2015); Suttner/Kielholz ORDO 2011, 101 (105 f-); Payne (2012) 13 EBOR 413 (415 ff.); Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 543–549; Lange Regulierung von Aktienleerverkäufen in der Europäischen Union und in den USA, S. 101–103, abrufbar unter http://edoc. hu-berlin.de/dissertationen/lange-dirkfabian-201612–06/PDF/lange.pdf. Zu den von Spekulation ausgehenden Gefahren als Hauptfokus der Regulierung: Benzler/Brunner-Reumann Zivilrechtliche Einordnung von Kreditderivaten, in: Burghof/ Rudolph/Schäfer/Schönbucher/Sommer (Hrsg,), Kreditderivate, S. 333 (354) sowie bereits die Erwägungen der Kommission im Vorfeld zur Leerverkaufsverordnung: Commission Staff Working Document – Impact Assessment Accompanying document to the Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on Short Selling and certain aspects of Credit Default Swaps, COM(2010) 482, S. 11; vgl. auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 545 f. Zur gleichzeitig be-

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stehenden Notwendigkeit (und zum Nutzen) von Spekulation (vor allem für das Hedging), Nachw. unten Fn 20 f. Grundlegend zu allem: Klöhn Kapitalmarkt, Spekulation. Zur konzeptionellen Ausrichtung allein oder primär auf manipulative Spekulation Schlimbach Leerverkäufe, S. 88; diese als einziges tatsächlich regulierungsbedürftiges Problem konstatierend und dabei allein auf Art. 15 MAR verweisend Elineau 8 International Law and Management Review 61 (78) (2012); Payne 13 EBOR 413 (414 f.) (2012) (short selling auch zu sehr moralisch verurteilt, namentlich wegen der umfangreichen Beteiligung von Hedgefunds). Zu dieser Schwäche des Marktmanipulationsregimes und zum daher daneben weiterbestehenden Regulierungsbedürfnis für Leerverkäufe: vgl. Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.9.2010 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, KOM(2010) 482, SEK(2010) 1055 f., insbesondere 1. Erw.grund; a.A. wohl Walla Die Reformen der Europäischen Kommission zum Marktmissbrauchs- und Transparenzregime – Regelungskonzeption, Aufsicht und Sanktionen, BB 2012, 1358 (1359). Zu diesen „Ansteckungswirkungen“ vor allem für innerstaatliche Systeme, auf die Währung und das Kreditwesen: Findeisen/ Tönningsen WM 2011, 1405 (1406); Zimmer/Beisken WM 2010, 485 (487); Tritschler Leerverkäufe, S. 31 f. Erw.grund 1 SSR

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

tionsrisikos – und bei Marktmanipulation vor allem gegen Finanzinstitute neben (ii) ein potentielles Stabilitätsrisiko, auch systemisch, tritt bei ungedeckten Leerverkäufen (iii) massiert das Ausfallrisiko, weil Marktteilnehmer ohne Kapitaleinsatz (mit entsprechender Hebelwirkung) Wetten auf fallende Preise eingehen können, ohne dass sie das Risiko durch Eindeckungsvorkehrungen abgedeckt hätten,17 und dies das Vertrauen in die Derivatemärkte (als Grundlage von Hedging) untergräbt.18 Freilich wurde die exakte Klärung der Wirkungszusammenhänge dadurch erheblich erschwert, dass vor der Leerverkaufsregulierung (auf mitgliedstaatlicher oder auf EU-Ebene) belastbare Daten zu Zahl und Volumen gedeckter und ungedeckter Leerverkäufe fehlten, ebenso wie zu den Berechtigten sowie den Instrumenten, auf die sich die Geschäfte bezogen (fehlende Markttransparenz). Denn sie konnten mangels entsprechender Meldepflichten nicht flächendeckend erhoben werden und waren den Marktteilnehmern nicht bekannt.19 Insgesamt war der Regulierungszugriff zögerlich, dies aus verschiedenen Gründen: (i) 553 wegen der genannten Unsicherheit bei der Bestimmung der (negativen) Wirkmechanismen, (ii) umgekehrt jedoch ebenfalls wegen des Wissens darum, dass Leerverkäufe auch zentral wichtige wirtschaftliche Funktionen erfüllen, und schließlich (iii) auch aufgrund von Unklarheiten in der Frage, welches die sinnvollste Regulierungsebene (mit Subsidiarität) sei. Es bestand also eine insgesamt nicht gänzlich geklärte Regulierungsgemengelage, ein Regulierungsdilemma. Als schließlich 2012 eine EU-Regulierung verabschiedet wurde – im Gefolge mitgliedstaatlicher Regelungen und diese nach einer Übergangszeit verdrängend (unten Rn 560, 562) –, wurden denn auch die Aspekte von Flexibilität und Verhältnismäßigkeit besonders betont (vgl. 4., 23., 24., 27., 32. und 45. Erwägungsgrund). Zentral hierfür war die Grundüberlegung, dass nicht nur die (negativen) Wirk- und Destabilisierungsmechanismen keineswegs vollständig geklärt erschienen (oben Rn 552), sondern jedenfalls auch nicht die wichtigen (positiven) Funktionen konterkariert werden sollten, die Leerverkäufe (ggf. mit Credit Default Swaps) erfüllen. Dies sind vor allem Überlegungen zum individuellen Absicherungsbedürfnis und zur Markttiefe (näher noch unten Rn 555). Nach dem Gesagten ist das Hedgingbedürfnis von Marktteilnehmern ohne Spekulationsbereitschaft anderer nicht oder jedenfalls nicht hinreichend zu befriedigen.20 Auch verbreitern Leerverkaufsaktivitäten (sog. Short-Positionen, unten Rn 586) – ebenso wie Einkäufe auf Termin (sog. Long-Positionen, unten Rn 587) – das Handelsvolumen, was im Durchschnitt sowohl die Volatilität von Kursen senkt, also Kursausschläge (mit der einhergehenden Risikoerhöhung) begrenzt,21 aber auch die Marge zwischen An- und Verkaufskursen

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stellt denn, soweit er die „Abwärtsspirale“ bei Aktienkursen als Fall von „finanzieller Instabilität“ benennt, die Finanztitel, also vor allem Finanzinstitute, besonders heraus, ebenso die bei diesen besonders großen (allgemein-)„systemischen Risiken“. Zur Konzentration dieses Risikos im Bereich der ungedeckten Leerverkäufe: Möllers/ Christ/Harrer NZG 2010, 1167; Bierwirth RdF 2013, 104 (107); Gruber Leerverkäufe, S. 52; vgl. Meyer Destabilisierende Spekulation als Rechtfertigung eines Europäischen Stabilisierungsmechanismus, Wirtschaftsdienst 2011, 391 (395). Schlimbach Leerverkäufe, S. 191–194; vgl. auch Tritschler Leerverkäufe, S. 173–177 (insbesondere S. 177).

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Commission Staff Working Document – Impact Assessment Accompanying document to the Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on Short Selling and certain aspects of Credit Default Swaps, COM(2010) 482, S. 28–30; dazu auch Elineau 8 International Law and Management Review 61 (69 f.) (2012); Gruber Leerverkäufe, S. 33. Kampshoff Regulierung von Leerverkäufen in der Krise, S. 21, andeutend auch Mittermeier ZBB 2010, 139 (140). Zur Senkung von Volatilität durch Marktverbreiterung Bris/Goetzmann/Zhu 3 Journal of Finance 1029 (2007); Schlimbach Leerverkäufe, S. 41–43; im Umkehrschluss empirisch belegt für die Wirkung von Leer-

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6. Teil. Marktregeln

(Bid-Ask-Spread), also Handelsaktivitäten (und damit idR die Kapitalaufnahme als solche) verbilligt.22 Die eigentliche Problematik liegt in der exakten Bestimmung des Umfangs der positiven und negativen Effekte und damit des jeweiligen (positiven oder negativen) Saldos. 554 Wegen des genannten Zielekonflikts und unter Berücksichtigung auch von Fragen einer adäquaten Zuständigkeitsverteilung zwischen EU- und mitgliedstaatlicher Ebene wurde für ein abgestuftes Regulierungsregime optiert. Auf drei Intensitätsstufen beim Regulierungseingriff wird versucht, unterschiedlich generell und unterschiedlich einzelfallbezogen die Regulierungsziele zu verfolgen und zu kombinieren. Die gewählte Regulierungstechnik lässt diese drei Regulierungsstufen freilich nicht gänzlich klar hervortreten: Auf einer ersten Ebene, die selbst nochmals zweigeteilt ist, wird ein weitgehend flächendeckendes Transparenzregime etabliert (mit de minimis Schwelle), für alle erfassten Instrumente (zu EU-Handelsplätzen zugelassene Aktien und öffentliche Schuldtitel) und für die Summe aller Leerverkaufspositionen, gleichgültig ob gedeckt oder ungedeckt. Soweit überhaupt eine Minimalschwelle überschritten wird, unterhalb derer ein Risiko kaum noch realistisch erscheint und daher der Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig, wird zumindest eine Meldepflicht dieser Positionen gegenüber der zuständigen Behörde statuiert (nach Berechtigten und Leerverkaufsformen und -objekten ausdifferenziert; näher unten Rn 594–601); oberhalb einer erheblicheren Schwelle tritt neben diese Meldepflicht zusätzlich eine (vergleichbar ausdifferenzierte) allgemeine Veröffentlichungspflicht, freilich nur bei Aktien (näher unten Rn 594–601). Im ersten Fall soll der Behörde eine Eruierung von Wirkungszusammenhängen und ein Einschreiten im Ausnahmefall ermöglicht werden. Im zweiten Fall wird die Information zusätzlich auch für das Anlegerpublikum für interessant gehalten, also eine breitere Reaktion auf diese Information ermöglicht. Auf einer zweiten Ebene werden Zulässigkeitsbedingungen an bestimmte Arten von Leerverkäufen geknüpft, wiederum flächendeckend für diese Arten (ohne de minimis Schwelle). Auf dieser zweiten Regulierungsebene mit inhaltlichen Vorgaben werden allein ungedeckte Leerverkaufspositionen in den einbezogenen Instrumenten (wie oben) erfasst. Für sie geht der Regulierungsmechanismus über reine Aufdeckung hinaus und gehen die hier nun inhaltlich zwingenden Vorgaben dahin, dass der Positionsinhaber jedenfalls eine indirekte Form der Eindeckungsvorkehrung getroffen haben muss (näher unten Rn 609–618). Die dritte Regulierungsebene erscheint insofern versteckt, als die Regelung hierzu im Abschnitt zu den Befugnissen der zuständigen Behörde erfolgt. Im Einzelfall und zeitlich begrenzt (36. Erw.grund) ist diese befugt, bestimmte Arten von Leerverkäufen und Transaktionen mit Credit Default Swaps gänzlich zu untersagen (Art. 20, 21; näher unten Rn 639) oder auch sonst über die sachlichen Begrenzungen der tatbestandlich näher umrissenen Gebote der ersten und zweite Ebene hinauszugehen (namentlich auch Anordnungen zu allen Finanzinstrumenten, auch Obligationen, zu erlassen). Insgesamt ergibt sich also folgende Regulierungsleiter:

verkaufsrestriktionen auf die Liquidität und damit steigender Volatilität: Beber/Pegano 68 Journal of Finance 342 (2013); Suttner/ Kielholz 62 ORDO 2011, 101 (105); Fotak/ Raman/Yadav Naked Short Selling: The Emperor’s New Clothes?, CFR working paper No. 09–09, 1 (2009); und auch angesprochen im 5. Erw.grund.

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Zur Kostensenkung beim Handel (Reduktion des Spread): Grundy/Lim/Verwijmeren Do option markets undo restrictions on short sales? Evidence from the 2008 shortsale ban, Journal of Financial Economics 331 (2012); Schlimbach Leerverkäufe, S. 41 f.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks Anwendungsbereich

Regulierter Sachverhalt23

Regulierungseingriff

Regulierungsnorm

Aktien, die zu Handelsplatz in EU zugelassen sind, und öffentliche Schuldtitel von EU oder Mitgliedstaaten (Art. 1, 2)

1a) Alle Leerverkäufe (gedeckt und ungedeckt) ab der Schwelle von 0,2 % des Gesamtbestands (für Aktien) und 0,1 % bzw. 0,5 % (für öffentliche Schuldtitel)

f Meldepflicht gegenüber zuständiger Behörde

Erw.gründe 7–17 und Art. 5 (Aktien) und 7 (öffentliche Schuldtitel) i.V.m. Art. 21 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 918/2012 (unten Rn 594–601)

Aktien, die zu Handelsplatz in EU zugelassen sind

1b) Alle Leerverkäufe (gedeckt und ungedeckt) ab der Schwelle von 0,5 % des Gesamtbestands

f Meldepflicht und allgemeine Veröffentlichungspflicht

Erw.gründe 7–17 und Art. 6 (Aktien) (unten Rn 594–601)

Aktien, die zu Handelsplatz in EU zugelassen sind, und öffentliche Schuldtitel von EU oder Mitgliedstaaten (Art. 1, 2)

2) Ungedeckte Leerverkäufe

f Pflicht des Berechtigten, Erfüllung anders als durch Eindeckung hinreichend zu verbürgen

Erw.gründe 18–24 und Art. 12–15 (unten Rn 605–618)

Aktien, die zu Handelsplatz in EU zugelassen sind, und öffentliche Schuldtitel von EU oder Mitgliedstaaten (Art. 1, 2)

3) Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems oder Provokation radikalen Kursverfalls durch Leerverkäufe in Finanzinstrumenten

f Befugnis zum befristeten Eingriff im Einzelfall (etwa Verbot)

Erw.gründe 27–34 und Art. 18–26 (unten Rn 637–642)

b) Einzelne Regulierungsziele. Zentral für die Leerverkaufsregulierung ist, dass Leer- 555 verkäufen auch zentrale positive Wirkungen zugeschrieben werden.24 Diese erklären all jene Gestaltungen, in denen der regulierende Eingriff zurückhaltend erfolgt, der Anwendungsbereich restriktiv gefasst oder Ausnahmen zugelassen werden, ein großer Bereich gar nur Transparenzregeln (und hierbei auch nur teils Meldepflichten gegenüber der zuständigen Behörde) unterworfen wird. Vor allem drei positive Wirkungen werden gesehen. Mit Leerverkäufen ziehen Marktteilnehmer ihren Schluss aus der Überzeugung, dass Kurse (von Aktien und Schuldtiteln) fallen werden. Sieht man nun gestreute Vorhersagen als be23

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Ist der Anwendungsbereich eröffnet (erste Spalte), so werden für die Schwellenberechnung alle Leerverkäufe einbezogen, auch solche, die außerhalb dieser Handelsplätze getätigt werden; desgleichen bezieht sich die hinreichende Absicherungspflicht für ungedeckte Leerverkäufe und die Eingriffsbefugnis (etwa Verbot) im Einzelfall auf alle Leerverkäufe (vgl. näher unten Rn 606). Hierzu allgemein Payne 13 EBOR 413, 418–421 (2012), Möllers/Christ/Harrer NZG 2010, 1167, Fn 17; Harrer Regulie-

rungskonzepte für Leerverkäufe und Credit Default Swaps, S. 23–26; Tyrolt/Bingel BB 2010, 1419 (1420); Suttner/Kielholz 62 ORDO 2011, 101 (107); Deutsche Bank Research Short Selling – wichtiges Marktsegment mit Bedarf an international konsistenten Regeln, S. 1, 3, 6; und aus der ökonomischen Literatur: Bris/Goetzmann/Zhu 3 Journal of Finance 1027 (2007); Storck in: Zerey (Hrsg.), Rechtshandbuch Finanzderivate § 12 Rn 90.

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6. Teil. Marktregeln

sonders verlässlich an,25 so liegt darin ein zentraler Beitrag zur Verbesserung der Informationseffizienz von Kapitalmärkten (zu dieser Kapitalmarktfunktion und -effizienz, oben Teil 5 Rn 14 f.). Dies gilt freilich mit der Einschränkung, dass Leerverkäufe Ausdruck weniger der Überzeugung über eine bestimmte zutreffende Bewertung sein können als vielmehr des Willens, Bewertungen durch Setzung von Signalen (idR aus egoistischen Gewinninteressen heraus) zu beeinflussen (Marktmanipulation). Mit der zuletzt gemachten Einschränkung und speziell wegen des genannten Aggregationseffekts tragen also Leerverkäufe zur Informationseffizienz von Kapitalmärkten bei.26 Ebenfalls dem jeweiligen Markt insgesamt kommt die beschriebene Steigerung des Handelsvolumens zugute – mit den positiven Effekten auf Kursentwicklung (Senkung der Volatilität) und der Kosten des Handels (Spread) (näher oben Rn 553). Für einzelne Marktteilnehmer wichtig ist die Schaffung bzw. Vertiefung von Hedgingmöglichkeiten (ebenfalls näher oben Rn 553). 556 Die Einführung (bzw. Verschärfung) der Regulierung von Leerverkäufen weltweit ist umgekehrt Ausdruck zentraler Nachteile, die im Gefolge der Finanzkrise gesehen werden. Mit Transparenzregeln, inhaltlichen Anforderungen und Verbotstatbeständen kommt zum Ausdruck, dass diese Nachteile die Vorteile so weit überwiegen, dass dies den jeweiligen Grad an Regulierung rechtfertigt. Diese Nachteile sind namentlich drei: Bis zur Finanzkrise waren die Wirkmechanismen von Leerverkäufen zwar Gegenstand von Modellen, jedoch nicht von belastbaren empirischen Studien und darauf aufbauender Diskussion. Auch waren zuständige Aufsichtsbehörden in Unkenntnis über Gesamtvolumen und Verteilung von Leerverkäufen, so dass sie auch die Wirkung nicht einschätzen, vor allem auch manipulative Absichten schwerer ermitteln konnten.27 Schließlich wurden – etwa im Laufe der versuchten Übernahme der Volkswagen AG durch die Porsche SE –28 Marktteilnehmer dadurch überrascht, dass dem Gesamtvolumen von Leerverkäufen kein hinreichend großes 25

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Grundlegend für das Modell gestreuter und verteilter Informationsgenerierung und -nutzung und seiner Überlegenheit gegenüber gebündelter Information (etwa nur bei Aufsichtsbehörden): v. Hayek The Use of Knowledge in Society, 35 The American Economic Review 519 (1945); ders. Die Anmaßung von Wissen, 26 Ordo 1973, 12; besonders bekannt: Surowiecki The Wisdom of Crowds, 2004; näher zu den Kernideen und ihrer Entwicklung Grundmann in Grundmann/Micklitz/Renner, Privatrechtstheorie, 2015, S. 968–994; auch das Modell der information cascades (mit besonderer Betonung der Unabhängigkeit und Ernsthaftigkeit der jeweiligen Intentionen als Voraussetzung für das Funktionieren des Mechanismus): heute Hirshleifer/Hong Teoh Herd behaviour and cascading in capital markets: A review and synthesis, 9 European Financial Management 25 (2003); Alevy/Haigh/ List Information Cascades: Evidence from a Field Experiment with Financial Market Professionals. 62 The Journal of Finance 15 (2007); Sunstein What’s Available – Social Influences and Behavioral Economics Empirical Legal Realism: A New Social Scientific

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Assessment of Law and Human Behavior, 97 Nw.U.L.Rev. 1295, 1305 (2003). Allgemein zum Beitrag von Leerverkäufen zur Informationseffizienz von Kapitalmärkten Boehmer/Wu 26 Review of Financial Studies 287 (2013); Elineau 8 International Law and Management Review 61 (68 f.) (2012); Payne 13 EBOR 413 (418-421) (2012); Schlimbach Leerverkäufe, S. 39–41; mit ökonomischen Untersuchungen: Sapusek Informationseffizienz auf Kapitalmärkten, S. 69–111 und dort insbesondere S. 99–101; Kampshoff Regulierung von Leerverkäufen in der Krise, S. 32; vgl. auch Kolasinski/ Reed/Thornock Financial Management 155 (2013); und auch angesprochen im 5. Erw.grund. Vgl. Nachw. oben Fn 19. BGH, Beschluss vom 15.11.2016 – KZR 73/15 = BeckRS 2016, 21465; vgl. Möllers Die juristische Aufarbeitung der Übernahmeschlacht VW-Porsche – ein Überblick, NZG 2014, 361; Buck-Heeb Neuere Rechtsprechung zur Haftung wegen fehlerhafter oder fehlender Kapitalmarktinformation, NZG 2016, 1125 (1126 f.) und oben 6. Teil Rn 461.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

(mögliches) Angebot im entsprechenden Titel gegenüberstand. Auf diesen Mangel an Transparenz – und Bedarf an einer Sammlung von Marktdaten, aber auch Kenntnis der Marktteilnehmer hiervon – wird mit der Transparenzregelung geantwortet – abgestuft nach bloßen Meldepflichten an die zuständige Behörde und Veröffentlichungspflichten gegenüber allen Marktteilnehmern. Der zweite und dritte große Nachteil wird in der bereits angesprochenen Begründung von Ausfallrisiken (oben Rn 552) sowie – in der Diskussion noch zentraler – in der Gefahr von Kursmanipulation und von hiervon ausgehenden (ggf. systemischen) Stabilitätsrisiken gesehen (näher ebenfalls oben Rn 552). Insgesamt kann die inhaltliche Regulierung (über das Transparenzregime hinaus) als 557 eine Antwort auf die Problematik gesehen werden, dass zwar Marktmanipulation das gravierendste Problem von Leerverkäufen bildet und dieses bereits von der MAR reguliert ist, der Nachweis von Marktmanipulation jedoch schwierig ist und ungedeckte Leerverkäufe sich als Mittel von (besonders hoch gehebelter) Marktmanipulation besonders anbieten. Die inhaltliche Regulierung von Leerverkäufen kann daher als (weitere) Vorfeldregulierung von Marktmanipulation verstanden werden –29 vergleichbar der Ad-hoc-Publizität im Verhältnis zum Insiderhandel –, dies freilich weniger wegen individueller Marktmanipulation als vielmehr solcher, die die Stabilität von einzelnen Finanzinstituten oder gar des Finanzsystems insgesamt gefährdet. 2. Regelungsentwicklung a) Deutsche und weitere mitgliedstaatliche Leerverkaufsregulierung. Im deutschen 558 Recht – auf dem Höhepunkt der Finanzkrise und unter dem Eindruck der Verschärfung der Krisen in Griechenland, auch Irland, Spanien und Portugal und mit der aufziehenden Zypernkrise – wurde im Kern für eine Radikallösung optiert, das Verbot von Leerverkäufen: zuerst in einer Allgemeinverfügung der BaFin,30 bei deren Auslaufen und auch zu deren nachträglichen Legitimierung mit dem Gesetz gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom Juli 201031 – in dem im Vergleich zum Entwurfsstadium das Verbot bzw. die Ermächtigung dazu noch ein wenig abgeschwächt wurde.32 Das Gesetz sah im 29

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Selten klar betont, ähnlich jedoch wohl Avgouleas 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 376 (408–410, 420) (2010); Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 9; demgegenüber nur auf Martkmanipulationsregeln setzend Elineau 8 International Law and Management Review 61 (78) (2012); a.A., dass zwischen Leerverkäufen und Marktmanipulation kein signifikanter Zusammenhang bestehe: Fotak/ Raman/Yadav Naked Short Selling: The Emperor’s New Clothes?, CFR working paper No. 09–09, 1 (2009). Allgemeinverfügung der BaFin vom 19.9.2008, unmittelbar nach der Insolvenz von Lehman Brothers, konkretisiert mit Allgemeinverfügung der BaFin vom 21.9.2008 und (inklusive Konkretisierung) verlängert um ein Jahr mit Allgemeinverfügungen der BaFin vom 17.12.2008, vom 30.3.2009 und vom 29.5.2009, mit Ablauf zum 31.1.2010; zur (fraglichen) Kompetenz: Walla DöV 2010, 853. In der Folgezeit erließ die BaFin

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noch zwei weitere Allgemeinverfügungen vom 4.3.2010 zur Einführung einer Transparenzpflicht für Netto-Leerverkaufspositionen und vom 18.5.2010 zum Verbot ungedeckter Leerverkäufe in öffentlichen Schuldtiteln und ungedeckten CDS. Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom 21.7.2010, BGBl. 2010 I, S. 945 – mit Einführung/Änderung der §§ 4a, 30h, 30i bzw. 30j WpHG, in Kraft ab 27.7.2010 bzw. 26.3.2012 (inzwischen wieder aufgehoben, unten Rn 560–562). Näher zu diesem Gesetz (neben den Standardkommentaren zu den genannten Normen a.F.): Findeisen/Tönningsen WM 2011, 1405; Mock WM 2010, 2248; Möllers/Christ/Harrer NZG 2010, 1167; Tyrolt/Bingel BB 2010, 1419; Veranneman GWR 2010, 337. Ausnahme der reinen Intraday-Geschäfte, Beschränkung des Verbots durch die BaFin auf maximal ein Jahr und auch Aufgabe ei-

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Kern ein Verbot für alle ungedeckten, d.h. nicht noch am selben Tag durch ein Eindeckungsinstrument gedeckte Leerverkäufe in Aktien (§ 30h Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F.) vor, desgleichen ein Verbot für alle ungedeckten Leerverkäufe in öffentlichen Schuldtiteln der EU und ihrer Mitgliedstaaten, soweit kein Absicherungszweck nachgewiesen werden konnte (§ 30h Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F.), sowie für bestimmte Kreditderivate, bei denen kein eigener Absicherungszweck besteht (§ 30j WpHG a.F.). Flankiert wurde das Verbot durch eine Ermächtigung an die BaFin, weitere Finanzinstrumente zu untersagen (§ 4a WpHG a.F.), und vor allem durch eine (erst zum 26.3.2012) in Kraft getretene Transparenzregelung für alle Leerverkäufe (§ 30i WpHG a.F.). Das Gesetz wurde harsch kritisiert, weil die Verbotsregelung die mit Leerverkäufen verbundenen Vorteile zu pauschal konterkariere und weil die (hinzukommende bloße) Transparenzregelung zu spät in Kraft getreten sei.33 Andere Autoren hingegen gehen davon aus, dass die deutsche Verbotsbefugnis (§§ 30i und 30j WpHG aF), indem sie neben mögliche (häufig jedoch schwer beweisbare) Sanktionen wegen Insiderhandel und vor allem Marktmanipulation nach §§ 12 ff., 20a WpHG a.F. (heute Art. 14, 17, 12 MAR) trat, durchaus Vorbildcharakter in der EU gehabt habe.34 559 Das Gesetz ordnet(e) sich ein in eine Reihe nationaler Rechtsakte und Maßnahmen, die andere Mitgliedstaaten der EU „im Alleingang“35 erließen ebenso wie Drittstaaten, namentlich die USA und Japan. Im Vergleich fällt auf, dass neben der Verbotslösung reine Transparenzlösungen (Melde- und Veröffentlichungspflichten) treten, aber auch abgestufte Bedingungs- und Verbotstatbestände, die vor allem auf eine verbesserte Durchsetzung der Lieferpflichten abzielen und den mit massenweisem Lieferverzug einhergehenden Gefahren entgegenwirken. Auf diesem Hintergrund erschien das direkte Verbot zunehmend als die ultima ratio, der mildere – und dauerhafte – Regulierungseingriffe vorangehen sollten.

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ner Verordnungsermächtigung an das Bundesfinanzministerium zur Einführung weiterer möglicher Verbotstatbestände, vgl. BT-Drs. 17/2336; zu diesen Abmilderungen etwa Findeisen/Tönningsen WM 2011, 1405 (1406 f.); Park/Sorgenfrei/Salinger Kapitalmarktstrafrecht Teil 4 Kap 18 Rn 9, 11; wiederum zur Verschärfung durch die VO Nr. 236/2012 vgl. Heidel/Weick-Ludewig Vor § 30h WpHG Rn 16. Möllers/Christ/Harrer NZG 2010, 1124; dies. NZG 2010, 1167 (1170). Zum Vergleich mit – zugleich zum Vorbildcharakter – der deutschen Vorgängerregelung in §§ 30h bis 30j WpHG aF – Krüger/ Ludewig WM 2012, 1942; Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266. Rechtsvergleichende Übersichten, heute für die EU-Mitgliedstaaten Rechtsgeschichte, bei: Sernc Leerverkaufsverbot aus internationaler Perspektive S. 20 ff. (Deutschland); S. 51 (Großbritannien); S. 65 ff. (Österreich), S. 72 ff. (USA); Elineau 8 International Law and Management Review 61 (62-66) (2012); Payne 13 EBOR 413

(421–429) (2012) (für Großbritannien, Deutschland und Frankreich und auch außerhalb der EU für die USA); v.Nitzsch/ Kampshoff ZfB 2010, 1159; ESMA Update on Measures adopted by competent Authorities on short selling, ESMA/2011/39a vom 24.7.2012; nur knapp bei Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 543 Fn 164 f.; Bernal/Herinckx/Szafarz 37 International Review of Law and Economics 244 (246) (2014);Veil/Walla EuKapMR (1. Aufl. 2011) § 11 Rn 8–12. Von einigen Autoren auch hier der „Alleingang“ kritisiert, vgl. neben den Nachw. oben Fn 33 Just/Voß/ Ritz/Becker/Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 24 f. Erw.grund 1 SSR verweist vor allem auf die bereits früh ergriffenen Maßnahmen in den USA und in Japan, daneben die Unterschiedlichkeit der in den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen (auch Begründung für die EU-Kompetenz, vgl. 2. Erw.grund). Sehr früh dann bereits die Umsetzung im Großbritannien: (UK) Financial Services and Markets Act 2000 (Short Selling) Regulations 2012, Statutory Instruments 2012 No. 2554.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

b) EU-Leerverkaufsregulierung – mit Ausführungsrechtsakten und (teilweiser) Ver- 560 drängungswirkung. Bereits zwei Monate nach Verabschiedung des Gesetzes gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte legte die EU-Kommission den Vorschlag für eine (verdrängende) EU-Leerverkaufsverordnung (Short Selling Regulation, SSR) vor,36 der in den – während des deutschen Gesetzgebungsverfahrens bereits bekannten und diskutierten – Empfehlungen von CESR fußte.37 Schon dieser Vorschlag beruhte auf den drei Pfeilern (i) Transparenz für (Netto-)Leerverkaufspositionen in zu organisierten Märkten zugelassenen Aktien und öffentlichen Schuldtiteln der EU und ihrer Mitgliedstaaten (gleichgültig ob gedeckt oder ungedeckt), (ii) materielle (Eindeckungs-)Bedingungen für ungedeckte Leerverkäufe in diesen Finanzinstrumenten, und (iii) einem Verbotsvorbehalt für alle Leerverkäufe in allen Finanzinstrumenten in Krisenfällen. Ein weiterer Pfeiler, den der Vorschlag entgegen der Empfehlung von CESR formulierte, eine Börsenpflicht für alle Leerverkäufe, wie sie in den USA seit 1929 vorgesehen ist („flagging“),38 wurde aufgrund des erheblichen Kostenaufwands (aber auch des eher gering veranschlagten [Zusatz-] Ertrags) fallen gelassen.39 Verabschiedet wurde die EU-Leerverkaufs-Verordnung am 14.3.2012 und entfaltet Wirkung in ihren regulierenden Teilen seit dem 1.11.2012 (Art. 48 Abs. 2).40 Bereits in der Übergangszeit zwischen Verabschiedung und Inkrafttreten am 25.3.2012 (mit Veröffentlichung) und 1.11.2012 wurde die Reihe von Ausführungsrechtakten verabschiedet, am wichtigsten die beiden Delegierten Verordnungen (EU) Nr. 918/ 201241 und (EU) Nr. 919/201242 vom 5.7.2012 und – kurz zuvor erlassen – die weitere de-

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Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.3.2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, ABl.EU 2012 L 86/1; Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.9.2010 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, KOM(2010) 482, SEK(2010) 1055 f.; für die Stellungnahmen vgl. Fn 10–13 vor Erw.grund 1. CESR Proposal for a Pan-European Short Selling Disclosure Regime – CESR/10–089. Harrer Regulierungskonzepte für Leerverkäufe und Credit Default Swaps, S. 74. Vgl. Möllers/Christ/Harrer NZG 2010, 1167, Fn 23, 24 (in USA seit 1929 im Einsatz). Krüger/Ludewig WM 2012, 1942, Fn 58; Riedl/von Livonius RdF 2012, 164 (166); Bernal/Herinckx/Szafarz 37 International Review of Law and Economics 244 (246) (2014); Just/Voß/Ritz/Becker/Buttler/ Petersen § 30h WpHG Rn 26; Schlimbach Leerverkäufe, S. 76; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 561 Ng/Hunter, Short-selling: progress on international harmonization and forthcoming changes in the UK, 10 Journal of Investment compliance 22 (21) (2009); Vorschlag CESR Proposal for a Pan-European Short Selling Disclosure Regime – CESR/10–089,

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Nr. 26–34 sowie CESR Model for a Pan-European Short Selling Disclosure Regime – CESR/10–088, Nr. 17–23 vgl. dazu auch Ng/ Hunter Short-selling: progress on international harmonization and forthcoming changes in the UK, 10 Journal of Investment compliance 22 (21); (2009) Payne 13 EBOR 413 (431) (2012). Nachw. oben Fn 36. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 918/2012 der Kommission vom 5. Juli 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps im Hinblick auf Begriffsbestimmungen, die Berechnung von Netto-Leerverkaufspositionen, gedeckte Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel, Meldeschwellen, Liquiditätsschwellen für vorübergehende Aufhebung von Beschränkungen, signifikante Wertminderungen bei Finanzinstrumenten und ungünstige Ereignisse, ABl.EU 2012 L 274/1; Überblick zur Ausführungsgesetzgebung bei Krüger/ Ludewig WM 2012, 1942. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 919/2012 der Kommission vom 5. Juli 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps im Hinblick auf tech-

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legierte Verordnung (EU) Nr. 826/2012 sowie die Durchführungsverordnung Nr. 827/ 2012.43 Wichtig sind daneben vor allem die Leitlinien zu den Ausnahmebereichen nach Art. 17 EU-Leerverkaufs-VO sowie auch die Auslegungshilfen in den Q&A.44 561 Die EU-Leerverkaufs-Verordnung ist wegweisend für das Europäische Kapitalmarktrecht in mehrerlei Hinsicht,45 namentlich: weil (i) hiermit die Übernahme der Regelungsmaterien des Markt-, besonders des Marktverhaltensrechts in EU-Verordnungen anhob (für spätere Entwicklungen vgl. die weiteren Verordnungen hier in Abschnitten 3 und 4 und die geplante EU-Prospekt-VO oben Rn 73); weil (ii) die Regelungstiefe (auch durch Ausführungsverordnungen) besonders prononciert ist und die Rolle der ESMA hierbei erstmals definiert wurde; weil (iii) der ESMA als erst sekundärrechtlich geschaffener Agentur daneben (in beschränktem Umfang) auch eigene Eingriffsbefugnisse gegenüber einzelnen Marktteilnehmern eingeräumt wurden (unten Rn 563) – wogegen Großbritannien klagte (unten Rn 563) –; und schließlich (iv) weil auch das Ziel der Stabilität von zentralen Marktteilnehmern, vor allem jedoch des Finanzsystems insgesamt zentral neben die bis dahin prominenten Ziele von Kapitalmarktinformation und -effizienz und von Marktintegrität trat (dazu bereits oben 5. Teil Rn 7–28). 562 Die Verordnung entfaltet in erheblichem Maße eine verdrängende Wirkung. Dies gilt namentlich gegenüber nationalem Recht, das die Frage nach der (Un-)Zulässigkeit von (bestimmten Formen von) Leerverkäufen, von an solche Verkäufe gestellten Bedingungen und

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nische Regulierungsstandards für die Methode zur Berechnung der Wertminderung bei liquiden Aktien und anderen Finanzinstrumenten, ABl.EU 2012 L 274/16. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 826/2012 der Kommission vom 29. Juni 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Melde- und Offenlegungspflichten in Bezug auf Netto-Leerverkaufspositionen, die Einzelheiten der in Bezug auf Netto-Leerverkaufspositionen an die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde zu übermittelnden Informationen und die Methode zur Berechnung des Umsatzes zwecks Ermittlung der unter die Ausnahmeregelung fallenden Aktien, ABl.EU 2012 L 251/1; Durchführungsverordnung (EU) Nr. 827/2012 der Kommission vom 29. Juni 2012 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards in Bezug auf die Verfahren für die Offenlegung von Nettopositionen in Aktien gegenüber der Öffentlichkeit, das Format, in dem der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Informationen zu Netto-Leerverkaufspositionen zu übermitteln sind, die Arten von Vereinbarungen, Zusagen und Maßnahmen, die angemessen gewährleisten, dass Aktien oder öffentliche Schuldtitel für die Abwicklung des Geschäfts verfügbar sind, und die Daten,

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zu denen die Ermittlung des Haupthandelsplatzes einer Aktie erfolgt, sowie den Zeitraum, auf den sich die betreffende Berechnung bezieht, gemäß der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, ABl.EU 2012 L 251/11. ESMA Leitlinien – Ausnahme für MarketMaking-Tätigkeiten und Primärmarkttätigkeiten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, ESMA/2013/74 vom 02.04.2013, vgl. hierzu Ludewig/Geilfus WM 2013, 1533. ESMA Questions and Answers Implementation of the Regulation on short selling and certain aspects of credit default swaps, ESMA/2012/573, September 2012: ESMA Questions and Answers Implementation of the Regulation on short selling and certain aspects of credit default swaps (2nd update), ESMA/2013/159, Januar 2013. Vgl. ähnlich etwa Schlimbach Leerverkäufe, S. 79 f.; Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 40; vgl. auch (zu einigen dieser Neuausrichtungen) Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 547–549; Gruber Leerverkäufe, S. 18 (in Bezug auf die Übertragung eigener Eingriffsbefugnisse an die ESMA).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

diesbezügliche Melde- und Veröffentlichungspflichten regelt (Art. 288 Abs. 2 AEUV).46 Entsprechend wurden die oben genannten Normen im WpHG mit Inkrafttreten der EULeerverkaufs-VO auch formell aufgehoben und es verblieb allein die Benennung der BaFin als zuständige Behörde (ursprünglich § 30h, heute § 53 WpHG). Durchsetzungs- und Sanktionsfragen überlässt die EU-Leerverkaufs-VO freilich in nicht unerheblichem Umfang weiter dem nationalen Recht (für diese und weitere Restbereiche, die nationales Recht regelt, vgl. unten Rn 564). Keine Verdrängungswirkung entfaltet die EU-Leerverkaufs-VO demgegenüber für die allgemeinen (EU-)Regulierungstatbestände zur Marktintegrität, die auch schon vor Erlass der Verordnung Anwendung fanden. Namentlich ist der Marktmanipulationstatbestand (Art. 12 MAR, oben Rn 438–468) neben der EU-Leerverkaufs-VO anwendbar.47 Freilich erwies er sich – wegen der erheblichen Nachweisschwierigkeiten – selbst für die Missbrauchsfälle als unzureichend48 (ganz von den anderen Zielen der Leerverkaufsregulierung, namentlich der systematischen Datenerhebung, abgesehen). c) Regelungskompetenz und ESMA-Urteil des EuGH. Die weitreichende Delegation 563 von Regulierungs- und einzelnen Eingriffsbefugnissen auf die ESMA auf der Grundlage von Art. 114 AEUV – statt Änderung des AEUV, ggf. auch unter Etablierung der ESMA als einer Institution unter dem AEUV – wurde von Großbritannien durch Nichtigkeitsklage (Art. 263 f. AEUV) angegriffen. In Verfeinerung der sog. Meroni-Doktrin – nach Ansicht vieler Autoren über diese hinausgehend – urteilte der EuGH in folgenden Punkten:49 Auch einer durch Sekundärrecht eingesetzten Agentur wie der ESMA dürfen durch Sekundärrecht auf der Grundlage von Art. 114 AEUV weitreichende Konsultations- und Empfehlungsbefugnisse für die Ausführungsgesetzgebung der EU-Kommission eingeräumt werden, zudem auch die Befugnis zum Erlass von (diese wiederum verfeinernden) sog. technischen Regulierungsstandards.50 Einer solchen Agentur darf auch – jedenfalls im Krisen- und Ausnahmefall – die Befugnis eingeräumt werden, Einzelfallmaßnahmen gegenüber Marktteilnehmern zu ergreifen (vgl. Art. 28 SSR).51 Schließlich dürfen Regeln, die auf

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Fuchs/Weick-Ludewig WpHG § 30h Rn 11; MünchKommBGB/Lehmann Internationales Finanzmarktrecht Rn 450; Schlimbach Leerverkäufe, S. 76 f.; Gruber Leerverkäufe, S. 17; Tritschler Leerverkäufe, S. 143; vgl. Just/Voß/Ritz/Becker/Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 44. Tritschler Leerverkäufe, S. 181. Zur Sanktionierung als Marktmissbrauch (Insiderhandel und vor allem Marktmanipulation) oben Rn 431 ff., bes. 466, und etwa Brammsen WM 2012, 2134 (2138 f.); Schönwälder Grund und Grenzen einer strafrechtlichen Regulierung der Marktmanipulation, 2011, S. 147–159; Schockenhoff/Culmann AG 2016, 517; Schlimbach Leerverkäufe, S. 220–228. Vgl. Nachw. oben Fn 15. EuGH Urt. v. 22.1.2014 Rs. C-270/12 (Vereinigtes Königreich ./. Rat und Parlament), EU: C: 2014: 18, ABl. C-85 vom 22.3.2014, S. 4, = EuZW 2014, 349; Anm. etwa von Manger-Nestler GPR 2014, 141; Di Noia/ Gargantini 15 EBOR 1 (2014); Orator

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EuZW 2013, 852; Ruffert JuS 2014, 279; Scholten/van Rijsbergen 41 Legal Issues of Economic Integration 389 (2014); Skowron EuZW 2014, 349; Frisch EWiR 2014, 237; Kohtamäki EuR 2014, 321; wichtig als Hintergrund das Gutachten des Generalanwalts beim EuGH v. 12.09.2013 – C-270/12 (Jääskinen); und zuvor EuGH Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juni 1958 – Rs. 9/56 (Meroni/ Hohe Behörde), Slg. 1958, 11. Tz. 63–68 sowie 77–87; näher hierzu Orator EuZW 2013, 852 (854 f.); Ruffert JuS 2014, 279 (280 f.); Scholten/van Rijsbergen 41 Legal Issues of Economic Integration 389 (399 ff.) (2014); Di Noia/Gargantini 15 EBOR 1 (31–38) (2014). Tz. 85, 97–118; näher hierzu Orator EuZW 2013, 852 (854 f.); Ruffert JuS 2014, 279 (280 f.); Di Noia/Gargantini (2014) 15 EBOR 1 (14 f., 34 f.); Manger-Nestler GPR 2014, 141; ausf. Skowron EuZW 2014, 349; kritisch: Scholten/van Rijsbergen 41 Legal Issues of Economic Integration 389 (399 f.) (2014).

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der Grundlage von Art. 114 AEUV erlassen werden, auch Ausführungsregeln, die Stabilität des Finanzsystems zum primären Ziel haben.52

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d) Fragen der Einbettung ins nationale Recht (und Verweis auf das Straf- und Zivilrecht). Teils wurde im deutschen Regelungssetzungsprozess kritisiert, angesichts der zu erwartenden EU-Regulierung sei doch offensichtlich, dass deutsches Recht gleich wieder modifiziert werden müsste (vgl. Nachw. oben Fn 33). Deutsches Recht war freilich nicht anzupassen, es wurde in allen Punkten, die die EU-Verordnung regelt, schlicht verdrängt und damit obsolet (oben Rn 562). Bedeutung hat das deutsche Ausführungsgesetz53 daher unmittelbar nur, indem es die für die Durchführung der EU-Leerverkaufs-VO zuständige Behörde festlegt, die BaFin (§ 53 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, bisher 30h Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 WpHG). 565 Zudem harmonisieren Art. 32 ff. EU-Leerverkaufs-VO die Verwaltungsbefugnisse und teilweise auch die Verwaltungssanktionen auf einem Mindeststandard (vgl. unten Rn 645– 646). Und die eigentliche Bußgeld- und Strafbewehrung bleibt den Mitgliedstaaten grds. ganz vorbehalten, desgleichen mögliche zivilrechtliche Ansprüche und Sanktionen (auch dazu wegen des Sachzusammenhangs unten Rn 647–650).

II. Gegenstand, Anwendungsbereich und Kernbegriffe (Art. 1–4)

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Kapitel I Allgemeine Bestimmungen Artikel 1 – Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung findet Anwendung auf: a) Finanzinstrumente im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a, die zum Handel an einem Handelsplatz in der Union zugelassen sind, auch wenn diese Finanzinstrumente außerhalb eines Handelsplatzes gehandelt werden; b) Derivate gemäß Anhang I Abschnitt C Nummer 4 bis 10 der Richtlinie 2004/39/EG, die sich auf ein unter Buchstabe a genanntes Finanzinstrument oder den Emittenten eines solchen Finanzinstruments beziehen, einschließlich derartiger derivativer Instrumente, wenn diese außerhalb eines Handelsplatzes gehandelt werden; c) Schuldinstrumente, die von einem Mitgliedstaat oder von der Union begeben werden, und Derivate gemäß Anhang I Abschnitt C Nummer 4 bis 10 der Richtlinie 2004/39/EG, die mit von einem Mitgliedstaat oder der Union begebenen Schuldinstrumenten verbunden sind oder sich auf solche beziehen. 52

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Tz. 85, 115, 116; näher hierzu Di Noia/Gargantini (2014) 15 EBOR 1 (34); Ruffert JuS 2014, 279 (280 f.); Manger-Nestler GPR 2014, 141 (141 f.). Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.3.2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps (EU-Leerverkaufs-Ausführungsgesetz) vom 6.11.2012, BGBl. 2012 I, S. 2286; Entwurf BT-Drs. 17/9665; Konkretisierung der Meldepflichten durch Verordnung zur Konkretisierung der Mitteilungsund Veröffentlichungspflichten für NettoLeerverkaufspositionen (Netto-Leerverkaufspositionsverordnung – NLPosV), vom 17.12.2012, BGBl. 2012 I, S. 2699; und für

die Ausnahmebereiche nach Art. 17 der EU-VO: Aktualisiertes Merkblatt – Anzeigen von Market-Making und Primärhändlertätigkeiten vom 15.7.2013. Beide deutschen Ausführungsakte bzw. Allgemeinverfügungen betreffen nicht die – auf EU-Ebene verdrängend festgelegten – Definitionen von Leerverkäufen, Netto-Leerverkaufspositionen und ungedeckten Leerverkäufen, sondern Formalien der Abgabe der Meldung und von Anzeigen, die im EU-Regime nicht abschließend geregelt sind: Fuchs/WeickLudewig WpHG § 30h Rn 49; vgl. auch Hirte Stellungnahme zum Leerverkaufs-Ausführungsgesetz – Sitzung des Finanzausschusses am 13. Juni 2012, S. 1.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks (2) Die Artikel 18, 20 und 23 bis 30 gelten für alle Finanzinstrumente im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a. Artikel 2 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck a) „Finanzinstrument“ ein Instrument, das in Anhang I Abschnitt C der Richtlinie 2004/39/EG aufgeführt ist; b) „Leerverkauf“ im Zusammenhang mit Aktien oder Schuldinstrumenten einen Verkauf von Aktien oder Schuldinstrumenten, die sich zum Zeitpunkt des Eingehens der Verkaufsvereinbarung nicht im Eigentum des Verkäufers befinden, einschließlich eines Verkaufs, bei dem der Verkäufer zum Zeitpunkt des Eingehens der Verkaufsvereinbarung die Aktien oder Schuldinstrumente geliehen hat oder eine Vereinbarung getroffen hat, diese zu leihen, um sie bei der Abwicklung zu liefern; diese Begriffsbestimmung umfasst nicht: i) den Verkauf seitens einer der Parteien einer Rückkaufvereinbarung, bei der die eine Partei der anderen ein Wertpapier zu einem festgesetzten Kurs verkauft und die andere Partei sich verpflichtet, dieses Wertpapier zu einem späteren Zeitpunkt zu einem ebenfalls festgesetzten Kurs zurückzukaufen; ii) die Übertragung von Wertpapieren im Rahmen einer Wertpapierleihe-Vereinbarung oder iii) den Abschluss eines Terminkontrakts oder eines anderen Derivatekontrakts über den Verkauf von Wertpapieren zu einem bestimmten Kurs zu einem künftigen Zeitpunkt; c) „Credit Default Swap“ einen Derivatekontrakt, bei dem eine Partei einer anderen Partei eine Prämie zahlt als Gegenleistung für eine Zahlung oder einen anderen Vorteil im Falle eines Kreditereignisses mit Bezug auf einen Referenzschuldner oder bei jedem anderen Zahlungsausfall im Zusammenhang mit diesem Derivatekontrakt, der eine vergleichbare wirtschaftliche Wirkung hat; d) „öffentlicher Emittent“ die folgenden Emittenten von Schuldtiteln: i) die Union; ii) einen Mitgliedstaat einschließlich eines Ministeriums, einer Agentur oder einer Zweckgesellschaft dieses Mitgliedstaats; iii) im Falle eines bundesstaatlich organisierten Mitgliedstaats einen Gliedstaat des Bundes; iv) eine für mehrere Mitgliedstaaten tätige Zweckgesellschaft; v) ein von zwei oder mehr Mitgliedstaaten gegründetes internationales Finanzinstitut, das dem Zweck dient, Finanzmittel zu mobilisieren und Finanzhilfen zugunsten seiner Mitglieder zu geben, die von schwerwiegenden Finanzierungsproblemen betroffen oder bedroht sind, oder vi) die Europäische Investitionsbank; e) „Credit Default Swap auf öffentliche Schuldtitel“ einen Credit Default Swap, bei dem im Falle eines Kreditereignisses oder Zahlungsausfalls im Zusammenhang mit einem öffentlichen Emittenten eine Zahlung geleistet oder ein anderer Vorteil gewährt wird; f) „öffentlicher Schuldtitel“ ein Schuldinstrument, das von einem öffentlichen Emittenten begeben wird; g) „ausgegebene öffentliche Schuldtitel“ die Gesamtheit der von einem öffentlichen Emittenten begebenen und nicht eingelösten Schuldtitel; h) „ausgegebenes Aktienkapital“ im Zusammenhang mit einem Unternehmen die Gesamtheit der von einem Unternehmen begebenen Stammaktien und Vorzugsaktien, jedoch keine Wandelschuldverschreibungen; i) „Herkunftsmitgliedstaat“ i) in Bezug auf eine Wertpapierfirma im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 1 der Richtlinie 2004/39/EG oder auf einen regulierten Markt im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 14 der Richtlinie 2004/39/EG den Herkunftsmitgliedstaat im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 20 der Richtlinie 2004/39/EG; ii) in Bezug auf ein Kreditinstitut den Herkunftsmitgliedstaat im Sinne von Artikel 4 Nummer 7 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute54; iii) in Bezug auf jegliche in den Ziffern i oder ii nicht genannte juristische Person, den Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz hat oder, in Ermangelung eines solchen, den Mitgliedstaat, in dem sich ihre Hauptverwaltung befindet;

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6. Teil. Marktregeln iv) in Bezug auf eine natürliche Person den Mitgliedstaat, in dem sich die Hauptverwaltung dieser Person befindet oder, wenn keine Hauptverwaltung besteht, den Mitgliedstaat, in dem dieser Person ihren Wohnsitz hat; j) „jeweils zuständige Behörde“ i) im Zusammenhang mit öffentlichen Schuldtiteln eines Mitgliedstaats beziehungsweise – im Falle eines Mitgliedstaats mit bundesstaatlicher Struktur – im Zusammenhang mit öffentlichen Schuldtiteln eines Gliedstaats des Bundes oder einem mit einem Mitgliedstaat beziehungsweise eines Gliedstaats des Bundes verbundenen Credit Default Swap die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats; ii) im Zusammenhang mit öffentlichen Schuldtiteln der Union oder einem mit der Union verbundenen Credit Default Swap die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem sich die den öffentlichen Schuldtitel emittierende Stelle befindet; iii) im Zusammenhang mit öffentlichen Schuldtiteln mehrerer Mitgliedstaaten, die sich einer Zweckgesellschaft bedienen, oder einem mit einer solchen Zweckgesellschaft verbundenen Credit Default Swap die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Zweckgesellschaft niedergelassen ist; iv) im Zusammenhang mit einem öffentlichen Schuldtitel eines von zwei oder mehr Mitgliedstaaten gegründeten internationalen Finanzinstituts, das dem Zweck dient, Finanzmittel zu mobilisieren und Finanzhilfen zugunsten seiner Mitglieder zu geben, die von schwerwiegenden Finanzierungsproblemen betroffen oder bedroht sind, die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem das internationale Finanzinstitut niedergelassen ist; v) im Zusammenhang mit einem Finanzinstrument, das nicht unter die unter den Ziffern i bis iv aufgeführten Instrumente fällt, die zuständige Behörde für das Finanzinstrument im Sinne von Artikel 2 Nummer 7 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission55, die im Einklang mit Kapitel III jener Verordnung festgelegt wird; vi) im Zusammenhang mit einem Finanzinstrument, das nicht unter die Ziffern i bis v fällt, die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem das Finanzinstrument erstmals zum Handel an einem Handelsplatz zugelassen wurde; vii) in Bezug auf ein von der Europäischen Investitionsbank begebenes Schuldinstrument die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Europäische Investitionsbank ihren Sitz hat; k) „Market-Making-Tätigkeit“ die Tätigkeiten einer Wertpapierfirma, eines Kreditinstituts, einer Körperschaft eines Drittlands oder einer lokalen Firma gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe l der Richtlinie 2004/39/EG, die Mitglied eines Handelsplatzes oder eines Drittlandsmarktes ist, dessen Rechts- und Aufsichtsrahmen von der Kommission gemäß Artikel 17 Absatz 2 für gleichwertig erklärt wurde, wenn diese in Bezug auf ein an einem Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes gehandeltes Finanzinstrument als Eigenhändler auftreten und dabei eine oder beide der folgenden Funktionen wahrnehmen: i) Stellen fester, zeitgleicher An- und Verkaufskurse vergleichbarer Höhe zu wettbewerbsfähigen Preisen, so dass der Markt regelmäßig und kontinuierlich mit Liquidität versorgt ist, ii) Ausführung von Kundenaufträgen oder Aufträgen, die sich aus einem Handelsauftrag des Kunden ergeben, im Rahmen ihrer normalen Tätigkeiten, iii) Absicherung der Positionen, die sich aus den unter den Ziffern i und ii genannten Tätigkeiten ergeben; l) „Handelsplatz“ einen geregelten Markt gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 14 der Richtlinie 2004/39/EG oder ein multilaterales Handelssystem gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 15 der Richtlinie 2004/39/EG; m) „Haupthandelsplatz“ in Verbindung mit einer Aktie den Handelsplatz, an dem der mit dieser Aktie generierte Umsatz am höchsten ist; 54 55

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ABl. L 177 vom 30.6.2006, S. 1. Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapier-

firmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie (ABl. L 241 vom 2.9.2006, S. 1).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks n) „zugelassener Primärhändler“ eine natürliche oder juristische Person, die eine Vereinbarung mit einem öffentlichen Emittenten getroffen hat oder durch einen öffentlichen Emittenten oder in dessen Namen förmlich als Primärhändler anerkannt worden ist und sich gemäß dieser Vereinbarung oder Anerkennung verpflichtet hat, in Verbindung mit Primär- oder Sekundärmarkttätigkeiten als Eigenhändler für von diesem Emittenten begebene öffentliche Schuldtitel aufzutreten; o) „zentrale Gegenpartei“ eine juristische Person, die zwischen die Vertragsparteien innerhalb eines Finanzmarkts oder zwischen die Vertragsparteien verschiedener Finanzmärkte tritt und dann als Käufer für jeden Verkäufer und als Verkäufer für jeden Käufer agiert und für den Betrieb eines Clearingsystems verantwortlich ist; p) „Handelstag“ einen Handelstag gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006; q) „Umsatz“ einer Aktie den Umsatz gemäß Artikel 2 Nummer 9 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006. (2) Der Kommission wird die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 42 zur Präzisierung der in Absatz 1 dieses Artikels aufgeführten Begriffsbestimmungen übertragen, insbesondere zur Präzisierung, wann eine natürliche oder juristische Person für die Zwecke der Begriffsbestimmung für Leerverkäufe in Absatz 1 Buchstabe b als Eigentümer eines Finanzinstruments gilt. Artikel 3 Short- und Long-Positionen (1) Im Sinne dieser Verordnung bedeutet eine Short-Position im ausgegebenen Aktienkapital oder in den ausgegebenen öffentlichen Schuldtiteln eine Position, die resultiert aus a) dem Leerverkauf einer von einem Unternehmen begebenen Aktie oder einem von einem öffentlichen Emittenten ausgegebenen Schuldinstrument, b) dem Eintritt in eine Transaktion, durch die ein anderes Finanzinstrument als ein unter Buchstabe a genanntes Instrument geschaffen wird oder die sich auf ein solches anderes Finanzinstrument bezieht und deren Wirkung oder eine deren Wirkungen darin besteht, dass diese natürliche oder juristische Person, die diese Transaktion eingeht, im Falle einer Kurs- oder Wertminderung der Aktie bzw. des Schuldinstruments einen finanziellen Vorteil erzielt. (2) Im Sinne dieser Verordnung bedeutet eine Long-Position im ausgegebenen Aktienkapital oder in den ausgegebenen öffentlichen Schuldtiteln eine Position, die resultiert aus a) dem Halten einer von einem Unternehmen begebenen Aktie oder eines von einem öffentlichen Emittenten ausgegebenen Schuldinstruments, b) dem Eintritt einer natürlichen oder juristischen Person in eine Transaktion, durch die ein anderes Finanzinstrument als ein unter Buchstabe a genanntes Instrument geschaffen wird oder die sich auf ein solches anderes Finanzinstrument bezieht und deren Wirkung oder eine deren Wirkungen darin besteht, dass diese natürliche oder juristische Person, die diese Transaktion eingeht, im Falle einer Kurs- oder Wertsteigerung der Aktie bzw. des Schuldinstruments einen finanziellen Vorteil erzielt. (3) Für die Zwecke der Absätze 1 und 2 wird die Berechnung einer Short-Position oder einer Long-Position hinsichtlich jeder Position, die von der entsprechenden Person mittelbar gehalten wird (auch durch oder über einen Index, einen Wertpapierkorb oder eine Beteiligung an einem börsengehandelten Fonds oder einer vergleichbaren Einheit) von der betreffenden natürlichen oder juristischen Person festgelegt, die anhand der öffentlich zugänglichen Informationen über die Zusammensetzung des entsprechenden Index oder Wertpapierkorbs oder der Beteiligungen, die von dem entsprechenden börsengehandelten Fonds oder der vergleichbaren Einheit gehalten werden, vernünftig handelt. Bei der Berechnung einer solchen Short- oder Long-Position ist niemand verpflichtet, von irgendjemandem Echtzeitinformationen über eine solche Zusammensetzung einzuholen. Im Sinne der Absätze 1 und 2 wird bei der Berechnung einer Short-Position oder einer LongPosition in öffentlichen Schuldtiteln auch jeder Credit Default Swap auf öffentliche Schuldtitel in Bezug auf den öffentlichen Emittenten berücksichtigt. (4) Im Sinne dieser Verordnung bedeutet eine Netto-Leerverkaufsposition im ausgegebenen Aktienkapital die Position, die gehalten wird, nachdem von den Short-Positionen, die eine natürliche oder juristische Person im ausgegebenen Aktienkapital des betreffenden Unternehmens hält,

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6. Teil. Marktregeln jegliche Long-Positionen, die die betreffende natürliche oder juristische Person in diesem Kapital hält, abgezogen wurden. (5) Im Sinne dieser Verordnung bedeutet eine Netto-Leerverkaufsposition in ausgegebenen öffentlichen Schuldtiteln des betreffenden öffentlichen Emittenten die Position, die gehalten wird, nachdem von den Short-Positionen, die eine natürliche oder juristische Person in ausgegebenen öffentlichen Schuldtiteln eines öffentlichen Emittenten hält, jegliche Long-Positionen, die die betreffende natürliche oder juristische Person in den betreffenden öffentlichen Schuldtiteln hält, und alle Long-Positionen in Schuldtiteln eines öffentlichen Emittenten, deren Preise eine hohe Korrelation mit denen der betreffenden öffentlichen Schuldtitel aufweisen, abgezogen wurden. (6) Die Berechnung von Positionen in öffentlichen Schuldtiteln nach den Absätzen 1 bis 5 erfolgt für jeden einzelnen öffentlichen Emittenten, auch wenn getrennte Stellen öffentliche Schuldtitel im Namen des betreffenden öffentlichen Emittenten begeben. (7) Die Kommission wird zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 42 ermächtigt, um festzulegen, a) in welchem Fall davon ausgegangen wird, dass eine natürliche oder juristische Person im Sinne von Absatz 2 eine Aktie oder ein Schuldinstrument hält, b) in welchem Fall eine natürliche oder juristische Person im Sinne der Absätze 4 und 5 eine Netto-Leerverkaufsposition hält und wie eine solche Position zu berechnen ist, c) welche Methode bei der Berechnung von Positionen im Sinne der Absätze 3, 4 und 5 zur Anwendung kommt, wenn verschiedene Stellen innerhalb einer Gruppe Long- oder Short-Positionen halten oder Managementtätigkeiten für getrennte Fonds zu berechnen sind. Im Sinne von Unterabsatz 1 Buchstabe c wird bei der Methode zur Berechnung insbesondere berücksichtigt, ob in Bezug auf einen bestimmten Emittenten über mehrere getrennte Fonds, die von demselben Fondsmanager verwaltet werden, unterschiedliche Anlagestrategien verfolgt werden, ob in Bezug auf einen bestimmten Emittenten mehrere Fonds dieselbe Anlagestrategie verfolgen und ob mehrere Portfolios innerhalb derselben Einheit treuhänderisch unter Anwendung derselben Anlagestrategie in Bezug auf einen bestimmten Emittenten verwaltet werden. Artikel 4 Ungedeckte Position in einem Credit Default Swap auf öffentliche Schuldtitel (1) Im Sinne dieser Verordnung wird davon ausgegangen, dass eine natürliche oder juristische Person eine ungedeckte Position in einem Credit Default Swap auf öffentliche Schuldtitel hält, wenn der Credit Default Swap auf öffentliche Schuldtitel nicht dazu dient, a) sich gegen ein Ausfallrisiko des Emittenten abzusichern und die natürliche oder juristische Person eine Long-Position in öffentlichen Schuldtiteln des betreffenden Emittenten hält, auf den der Credit Default Swap auf öffentliche Schuldtitel sich bezieht, oder b) sich gegen das Risiko eines Wertverfalls des öffentlichen Schuldtitels abzusichern, wenn die natürliche oder juristische Person Vermögenswerte besitzt oder Verbindlichkeiten hat, die unter anderem, aber nicht nur Finanzgeschäfte, ein Portfolio von Vermögenswerten oder finanziellen Verpflichtungen, dessen Wert eine Korrelation zum Wert des öffentlichen Schuldtitels aufweist, umfassen. (2) Die Kommission wird im Sinne von Absatz 1 des vorliegenden Artikels zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 42 ermächtigt, um festzulegen, a) in welchen Fällen davon ausgegangen wird, dass ein Credit Default Swap auf öffentliche Schuldtitel zur Absicherung gegen Ausfallrisiken oder gegen das Risiko eines Wertverfalls der öffentlichen Schuldtitel gehalten wird, und anhand welcher Methode eine ungedeckte Position in einem Credit Default Swap auf öffentliche Schuldtitel zu berechnen ist, b) welche Methode bei der Berechnung von Positionen zur Anwendung kommt, wenn verschiedene Stellen innerhalb einer Gruppe Long- oder Short-Positionen halten oder Managementtätigkeiten für getrennte Fonds zu berechnen sind.

1. Artikel 1: Gegenstand und Anwendungsbereich

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a) Gegenstand: Leerverkaufsregulierung in systemisch relevanten Anlageinstrumenten. Anders als in anderen EU-Rechtsakten, regelt Art. 1 SSR nicht den Gegenstand der Verordnung (und auch den sachlich-räumlichen Anwendungsbereich nur teilweise, näm-

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

lich hinsichtlich der erfassten Instrumente). Der Gegenstand (und auch der persönliche Anwendungsbereich) können jedoch aus dem Gesamtsystem erschlossen werden. Reguliert werden grds. alle Leerverkäufe und wirtschaftlich vergleichbaren Transaktionen (zur Definition Art. 2 lit. b), c), e), unten Rn 576–579) in systemisch relevanten Anlageinstrumenten, so wie sie in Art. 1 SSR näher umrissen werden. Der Anwendungsbereich an sich ist also erdenklich breit (ausdrücklich so 4. Erw.grund); erst bei den einzelnen Regulierungsformen, insbesondere bei den regulären Maßnahmen (Art. 5–17 SSR), wird dieser dann eingegrenzt. Dabei wird für die einzelnen Regulierungsformen jeweils zwischen Arten von Finanzinstrumenten und Transaktionsarten unterschieden – namentlich zwischen gedeckten und ungedeckten Leerverkäufen und CDS –, so dass Teile der Regulierung alle Finanzinstrumente bzw. alle Transaktionen erfassen, andere nicht. Die drei großen Regulierungsformen, die den Gegenstand der Verordnung bilden, ergeben sich ebenfalls nicht bereits aus Art. 1 SSR, sondern erst aus der Zusammenschau aller Regeln. Es handelt sich um die bereits genannten Bereiche (i) Transparenzregeln für Netto-Leerverkaufspositionen, (ii) inhaltliche Anforderungen für ungedeckte Leerverkäufe, diese beiden für zu organisierten Märkten in der EU zugelassene Aktien und öffentliche Schuldtitel der EU bzw. ihrer Mitgliedstaaten, jeweils einschließlich darauf bezogener Derivate (näher zu diesem Anwendungsbereich unten Rn 568–571), und (iii) Einzelfallverbote für alle Leerverkäufe und alle Finanzinstrumente mit vergleichbarem Bezug zur EU (näher zu diesem Anwendungsbereich unten Rn 572). Dabei bezeichnet der EU-Gesetzgeber die ersten beiden Regulierungsformen als (tatbestandlich ausformulierte, reguläre) sog. „dauerhafte Maßnahmen“, die dritte hingegen als (Einzelfall-)Maßnahme „in Ausnahmesituationen“ (vgl. 4. Erw.grund). Auch den persönlichen Anwendungsbereich benennt Art. 1 SSR nicht, er ergibt sich im Umkehrschluss jedoch aus Art. 17 SSR. Grundsätzlich erfasst die EU-Leerverkaufs-Verordnung alle Marktteilnehmer,56 die Eingrenzung erfolgt allein bezogen auf die erfassten Instrumente und Transaktionsformen (im Folgenden Rn 568–571, 574 f. und 576–579). b) Sachlicher und räumlicher Anwendungsbereich I: Finanzinstrumente mit EU-Han- 568 delsplatzzulassung und diesbezügliche Derivate (Abs. 1 lit. a) und b)). Der sachliche und räumliche Anwendungsbereich ist eröffnet für alle Finanzinstrumente mit Zulassung zu einem Handelsplatz in der EU (Abs. 1 lit. a)) und zwar nach dem Gesagten (nur) für Leerverkäufe und Leerverkaufspositionen – diese freilich gleichgültig, ob die diese Positionen begründenden Transaktionen auf einem solchen (organisierten) Handelsplatz stattfanden oder nicht. Für den Begriff des Finanzinstruments verweist die Verordnung (Art. 2 Abs. 1 lit. a) SSR) auf MiFID, heute MiFID II, namentlich dessen Art. 4 Nr. 15 i.V.m. Anh I Abschnitt C. Dieser Verweis ist durchgehend zu finden im Europäischen Kapitalmarktrecht, so dass der Begriff des Finanzinstruments Teil des Allgemeinen Teils des Europäischen Kapitalmarktrechts ist und als solcher kommentiert wurde (vgl. oben Teil 5 Rn 86–88, Wertpapiere mit massenhaft gleicher Ausstattung und Handelbarkeit – Fungibilität – mit Fälschungsschutz und Möglichkeit von Gutglaubenserwerb, namentlich Aktien und Schuldverschreibungen und Zwischenformen, darüber hinaus Geldmarktpapiere und OGAW-Anteile, beide mit vergleichbaren Eigenschaften, sowie Derivate und Emissionszertifikate). Der sachliche Anwendungsbereich ist mit der Bestimmung des Kreises einbezogener Instrumente zwar denkbar breit, der Kernbestand der „dauerhaften Maßnahmen“, also das reguläre Regime (außerhalb von Krisensituationen), bezieht sich bei Finanzinstrumenten, die

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Näher hierzu Fuchs/Weick-Ludewig WpHG § 30h Rn 29; Schlimmbach Leerverkäufe, S. 100 f; Tritschler Leerverkäufe, S. 147.

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6. Teil. Marktregeln

Unternehmen begeben (Art. 5 f. und 12 SSR), freilich allein auf Aktien (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. h) SSR und unten Rn 575), weil bei ihnen die Spekulationsrisiken (mit „Abwärtsspirale“) in Schuldverschreibungen nicht hinreichend gewichtig erscheinen.57 Ebenfalls Teil des Allgemeinen Teils des Europäischen Kapitalmarktrechts ist der Begriff des Handelsplatzes (heute Art. 4 Abs. 1 Nr. 21–23 MiFID II), der neben dem geregelten Börsenmarkt auch die multilateralen und organisierten Handelssysteme (einschließlich der systematischen Internalisierung) umfasst, nicht jedoch den Freiverkehr (vgl. oben Teil 5 Rn 66–71).58 569 Schließlich sind auch die sonstigen Elemente der Definition und Bestimmung des räumlichen und sachlichen Anwendungsbereichs in allen jüngeren EU-Verordnungen vergleichbar. Dies gilt zunächst für den Bezug zum Zulassungsmarkt, damit zugleich auch für den räumlichen Anwendungsbereich. Maßgeblich ist der Sitz des Zulassungsmarktes für das fragliche Instrument (d.h. des „Handelsplatzes“, vorige Rn) in der EU, nicht jedoch der Ort der konkreten Transaktion. Ist der fragliche Handelsplatz in mehreren Staaten ansässig, einschließlich einem Drittstaat, kommt eine Ausnahme nach Art. 16 SSR in Betracht (unten Rn 625 f.). Entscheidend ist das Zulassungsprinzip, denn so kann für diesen konkreten Handelsplatz die Vorfeldregulierung gegenüber Marktmanipulationen durchgesetzt werden, und zugleich haben es Emittenten in der Hand, selbst durch eine Zulassung Vorsorge zu treffen gegenüber denkbarer Marktmanipulation durch Leerverkäufe und auch Stabilitätsrisiken für sich zu reduzieren, ggf. auch für das Kreditwesen, mit dem sie verbunden sind (ggf. können sie auch bankaufsichtsrechtlich zu solch einer Zulassung verpflichtet werden).59 Es handelt sich also bei der Regelung um eine spezielle Form des kapitalmarktrechtlichen Auswirkungsprinzips.60 570 Gesondert genannt sind zudem Derivate (Abs. lit. b), obwohl diese nach dem Gesagten bereits in den Kreis der Finanzinstrumente zählen (Rn 568).61 Sinn der gesonderten Nennung in lit. b) ist es also nicht, den Kreis der Finanzinstrumente auszuweiten bzw. zu er-

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Zu Statistiken – bezogen auf den Verabschiedungszeitpunkt (2012, hier 2. Hälfte) – getrennt nach Derivaten bezogen auf Aktien und bezogen auf Schuldverschreibungen („credit default“) vgl. etwa http://stats.bis. org/statx/srs/table/d8?p=20122&c= (für Derivate auf Aktien unter D.8, für solche auf Schuldtitel unter D.10.4). Zwar lagen (und liegen auch heute) danach die Volumina für solche auf Aktien (6,251 Billionen US $) um ein Mehrfaches unter denen auf Schuldtitel für Unternehmen, der Hebeleffekt ist jedoch bei Aktienderivaten ungleich größer. Die Bedeutung der Derivate auf Schuldtitel bei Staaten liegt auch weniger in den (noch geringeren) Gesamtvolumina begründet (2,941 Billionen US $) als in ihrer Konzentration auf wenige Staaten und in dem Umstand, dass Staaten nur Schuldtitel ausgeben (können). Vgl. auch gut aufgeschlüsselte Statistik in Varis Increasing Transparency and Mitigating Systemic Risk, abrufbar unter http://www. theseus.fi/handle/10024/110870 , S. 24. Str. für den Freiverkehr (vgl. alle Genannten) und mehr noch für die multilateralen Han-

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delssysteme (MTFs): dafür, dass MTFs nicht erfasst sind Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (269); Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 13; anders: Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1946); Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (269) (wenn börslich verfasst); Schlimmbach Leerverkäufe, S. 92 f.; Gruber Leerverkäufe, S. 20; BaFin, Häufige Fragen zum Verbot ungedeckter Leerverkäufe in Aktien und öffentlichen Schuldtiteln gemäß Art. 12 f. der EU-Leerverkaufs-VO, Frage 3 sowie ESMA, Questions and Answers – Implementation of the Regulation on short selling and certain aspects of credit default swaps (2nd Update), Answer 1d. Vgl. auch A. Jain/P. Jain/McInish/McKenzie 109 Journal of Financial Economics 177 (2013). Dazu namentlich Grundmann RabelsZ 54 (1990) 283 (311–313), vgl. auch Hopt Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, 1991, S. 121, 123–125. Vgl. auch Schlimmbach Leerverkäufe, S. 96. Näher zu Kreis und Funktionsweise von Derivaten oben Rn 280–285 (m.w.N.).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

gänzen, sondern diesen Typ Finanzinstrument auch einzubeziehen, wenn das Derivat selbst zu keinem Handelsplatz zugelassen ist, sondern ausschließlich außerhalb eines solchen gehandelt wird. Dies ist damit zu rechtfertigen, dass der Handel in derivativen Instrumenten angesichts des Bezugs auf das zugrunde liegende Finanzinstrument (underlying), das zu einem Handelsplatz zugelassen sein muss, auch ohne Zulassung des Derivats selbst zu solch einem Handelsplatz geeignet ist, Kurse auf diesem beeinflusst.62 c) Sachlicher und räumlicher Anwendungsbereich II: Öffentliche Schuldinstrumente 571 und diesbezügliche Derivate (Abs. 1 lit. c)). Bei öffentlichen Emittenten ist der Anknüpfungspunkt ein anderer. Hier sind nur Schuldtitel, die Fremdkapital verbriefen oder elektronisch abbilden, denkbar, sie sind daher auch das alleinige Spekulationsobjekt. Doch nicht nur der Kreis der einbezogenen Instrumente ist ein anderer, sondern auch das maßgebliche Kriterium der (räumlichen und auch der personellen) Anknüpfung. Während eine Zulassung zu einem in der EU (primär-)ansässigen Handelsplatz unerheblich ist, werden nach dem Wortlaut von Abs. 1 lit. c) nur Schuldtitel erfasst, die ein EU-Mitgliedstaat oder die EU selbst begeben hat. Die Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. 1 lit. d) SSR ist freilich wohl dahin zu verstehen, dass alle dort genannten Emittenten geschützt sein sollen, also auch Gliedstaaten (bei föderal aufgebauten Mitgliedstaaten) und Zweckverbände/Kreditinstitute, die Mitgliedstaaten gemeinsam errichten – wohingegen sonstige Körperschaften, auch Kommunen ausgeschlossen wurden.63 Erfasst sind – ohne weitere Voraussetzungen hinsichtlich Zulassungs- oder Transaktionsmärkten oder Vertragspartnern – alle Derivate (Optionen, Termingeschäfte etc. iSv Nr. 4–10 von Anh. I MiFID II), die mit solchen Schuldinstrumenten „verbunden sind oder sich auf solche beziehen“ oder (in der englischen Fassung und verständlicher) „that relate or are referenced to [such] debt instruments.“ Gemeint sind also Terminkontrakte, Optionen etc., die solche Schuldinstrumente selbst zum Gegenstand haben, oder aber Verträge, deren Zahlungspflichten sich in Abhängigkeit von der (Kurs-)Entwicklung solcher Schuldinstrumente verändern, namentlich die Credit Default Swaps, in denen Zahlungspflichten bei definierten Zahlungsausfallsereignissen festgelegt werden.64 d) Befugnisse, insbes. zu Verboten bei allen Finanzinstrumenten in Ausnahmesituatio- 572 nen (Abs. 2). Kapitel V regelt die Befugnisse der zuständigen Behörden bzw. der ESMA in Ausnahmesituationen, die durch „ungünstige Ereignisse oder Entwicklungen“ im Sinne der Artikel 18 bis 21 sowie des Artikels 27 und „Bedrohungen“ gekennzeichnet sind (Art. 18–31 SSR). Allein für diese Befugnisse – nicht für die „dauerhaften Maßnahmen“, d.h. das reguläre Regime – wird der Anwendungsbereich ausgedehnt auf alle Finanzinstrumente – unabhängig von Handelsplatzzulassung, Ansässigkeit und Art des (öffentlichen) Emittenten, wobei jedoch der EU-Bezug bei der Tatbestandskonkretisierung der einzelnen Befugnisnormen wieder zum Tragen kommen muss.65

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Bolder EuZW 2011, 769 (770); Sajnovits/ Weick-Ludewig WM 2015, 2226 (2228 f.); Schlimmbach Leerverkäufe, S. 57, implizit auch Juurikkala 9 ECFR 307 (333) (2012). Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (269); Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 34; Schlimmbach Leerverkäufe, S. 99 f.; Gruber Leerverkäufe, S. 35 Fn 180. Zur fehlenden Einbeziehung der Letztgenannten näher unten Rn 580.

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Dazu dass diese Bestimmung die CDS ebenfalls erfasst: Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 27; Bierwirth RdF 2013, 104 (105 f.); Schlimmbach Leerverkäufe, S. 22 f., 57. Nr. 4 ff. in Anh. I der MiFID II nennt Swaps jeweils ebenfalls unter den Derivaten. Zur wirtschaftlichen Gleichwertigkeit vgl. noch unten Rn 579. Für eine Einengung der Befugnisse in „Ausnahmesituationen“ in Anlehnung an das

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6. Teil. Marktregeln

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2. Artikel 2: Kernbegriffe (Abs. 1). Die Definition der Kernbegriffe erfolgt mit erheblicher Detailtiefe in Art. 2 Abs. 1 SSR. Die weitere Präzisierung der Begrifflichkeiten und Tatbestandsmerkmale, die nach Abs. 2 auf die EU-Kommission delegiert wurde, hat diese mit delegierter Verordnung Nr. 918/2012 (Fn 41) vorgenommen.

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a) Instrumente (Finanzinstrumente, Schuldtitel, Aktien, lit. a), f)-h)). Der Begriff des Finanzinstruments ist zentral für die Bestimmung des gesamten Anwendungsbereichs – alle drei in Art. 1 Abs. 1 lit. a) bis c) SSR genannten Typen von Instrumenten fallen unter diesen Begriff und Art. 1 Abs. 2 SSR verweist direkt auf die Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. 1 lit. a) SSR. Der Begriff wurde daher bereits bei der Kommentierung des Anwendungsbereichs erörtert (oben Rn 568–572). Ohnehin definiert Art. 2 Abs. 1 lit. a) SSR den Begriff nicht selbst, sondern verweist nur auf die Begriffsbestimmung in MiFID I, heute MiFID II und diese Begriffsbestimmung zählt nach dem Gesagten im Kern zum Allgemeinen Teil des Europäischen Kapitalmarktrechts (vgl. oben 5. Teil Rn 79–88, 91). 575 Die sonstigen Begriffsbestimmungen, die spezifische Typen von Finanzinstrumenten bzw. ihr Bestehen betreffen, sind weiter nach hinten gerückt (Art. 2 Abs. lit. f)-h) SSR) und in der Tat unspektakulär. Schon für den Anwendungsbereich (oben Rn 568 ff., 571 f.), aber auch für die Regulierung im Einzelnen ist die Unterscheidung zwischen unternehmerischen und öffentlichen Emittenten entscheidend. Alle von Letzteren begebenen Schuldtitel werden als „öffentliche“ umschrieben (lit. f)). Bei diesen Titeln wird klargestellt, dass sie als öffentliche Schuldtitel vom Zeitpunkt ihrer Begebung, d.h. der Kreation der Schuldverpflichtung gegenüber dem Anleihegläubiger durch Begebungsakt, bis zum Erlöschen (durch Erfüllung oder Surrogate) zu gelten haben (lit. g)).66 Gleiches gilt – im Falle von unternehmerischen Emittenten – für Aktien (lit. h)), wobei hier keine Erlöschensformen (etwa Kaduzierung nach § 64 AktG oder Einziehung nach § 237 AktG) genannt werden, die jeweiligen Tatbestände in Parallelität zu lit. g) freilich ebenfalls zum Wegfall der Aktieneigenschaft führen müssen. Wichtig ist die Klärung dahingehend, dass zwar Aktien und Vorzugsaktien zum Aktienbestand zählen, nicht jedoch Rechte auf Erwerb von Aktien, namentlich in Wandelschuldverschreibungen.67

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b) Transaktionen (Leerverkäufe und CDS, lit. b), c), e)). Neben den Instrumenten und den Handelsplätzen, auf die sich das Leerverkaufsregime bezieht, bilden die Transaktionsformen das dritte – und vom Regulierungsziel her sogar das prägende – Tatbestandsmerkmal, mittels dessen der Anwendungsbereich umrissen wird. Zwei Transaktionsformen werden dabei unterschieden, die Leerverkäufe und die Credit Default Swaps, stehen im verfolgten wirtschaftlichen Ziel einander jedoch so nahe,68 dass das Regulierungsregime

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Auswirkungsprinzip auch etwa Schlimmbach Leerverkäufe, S. 102 f.; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 570 (Eingriffsmöglichkeit nur bei ausdrücklicher Vereinbarung mit dem Drittland nach Art. 38 SSR). Das heißt zum Zeitpunkt der Entstehung der Schuldverpflichtung (verschiedene Kreationstheorien). Zum Erlöschen verweist die SSR auf Erfüllung, doch müssen andere Erlöschenstatbestände, ggf. auch Teilverzicht oder Ausfall, wohl gleich behandelt werden. Hierzu (teils auch zur Überlegung, dass andernfalls die Schwellen im Transparenzre-

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gime schwer zu ermitteln und potentiell zu hoch angesetzt wären): Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 56; Schlimbach Leerverkäufe, S. 179 f.; Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 23. Näher hierzu Bolder EuZW 2011, 769 (770); Juurikkala 9 ECFR 307 (310) (2012); Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 6, 27; vgl. auch Bierwirth RdF 2013, 104 (104 f.); 14. Erw.grund und bereits vorausgehend: Commission Staff Working Document – Impact Assessment Accompanying document to the Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on Short

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

(bei allen drei Regulierungszugriffen) für beide Transaktionsformen im Wesentlichen übereinstimmt. Beiden gemeinsam ist, dass der Berechtigte aus fallenden Kursen bzw. den zugrundeliegenden Problemen beim Emittenten finanzielle Vorteile ableitet. Leerverkäufe sind Verkäufe seitens einer natürlichen juristischen Person, die selbst 577 nicht Eigentümer der verkauften Instrumente (Aktien oder Schuldinstrumente) zum Zeitpunkt des wirksamen Kaufvertragsabschlusses ist, also Verkäufe ohne korrespondierendes Eigentum (lit. b)). Gänzlich gleichgültig ist (entgegen früherem deutschen Recht), wann zu erfüllen ist (auch intraday Transaktionen erfasst).69 Dabei ist Eigentum nach nationalem Recht zu bestimmen, meint aber nach Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 918/2012 die Position desjenigen, der „das mit dem Erwerb eines Finanzinstruments verbundene wirtschaftliche Risiko trägt.“ – also wer Kurs- und Dividendenrisiko trägt, namentlich (auch bei unverbrieften Instrumenten) der Depotinhaber.70 Bei dieser Begriffsbestimmung kommt es noch nicht darauf an, dass die Lieferung ggf. in anderer Form abgesichert ist – wie namentlich die ausdrückliche Nennung des Falles belegt, dass der Leerverkauf flankiert wird durch eine bereits erfüllte oder jedenfalls schuldrechtlich vereinbarte Wertpapierleihe, selbst wenn der Verkäufer das entliehene Wertpapier zur Erfüllung einsetzen will (und auch darf). Solche Leerverkäufe erfüllen dann zwar die inhaltlichen Anforderungen, unter die Art. 12 ff. SSR die Eingehung ungedeckter Leerverkaufspositionen stellt (sog. gedeckter Leerverkauf). Es besteht in solch einem Fall jedoch dennoch ein Interesse an Transparenz nach Art. 5 ff. SSR, weil dem Leerverkäufer bei der Wertpapierleihe die Möglichkeit bleibt, sich bei fallenden Kursen anderweitig (zu niedrigerem Preis) einzudecken und die entliehenen Stücke zurückzugeben (nicht zum festgesetzten Preis zu übernehmen).71 Freilich werden mit der Begriffsbestimmung zugleich solche Transaktionen von der 578 Leerverkaufsdefinition ausgenommen, bei denen der Verkäufer zwar nicht das Eigentum hat, umgekehrt jedoch auch keine Short-Position in dem Sinne begründet, dass er von fallenden Kursen profitiert (also der für Leerverkäufe zentrale Anreiz und Regulierungsgrund fehlt).72 Das sind (i) sog. Wertpapierpensionsgeschäfte, Verkaufsgeschäfte mit Rückkaufverpflichtung („repurchase agreements“, sog. Repos), wirtschaftlich Darlehen, die durch Wertpapierübertragung abgesichert werden und bei denen der „Zins“ in der Differenz zwischen Verkaufs- und (höherem) Rückverkaufspreis liegt, formaljuristisch ein Leerverkauf (des Rückverkäufers, der zum Zeitpunkt der Abrede noch nicht Eigentum hat), wirtschaftlich jedoch keine Begründung einer Short-Position.73 Das sind (ii) Wertpapierleihen, soweit sie nicht als Instrument zur Eindeckung eines Leerverkäufers dienen, sondern beispiel-

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Selling and certain aspects of Credit Default Swaps, COM(2010) 482 final, SEC(2010) 1056, S. 24 Näher Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (269); Mock WM 2010, 2248 (2251); Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1948); Veil/ Walla EuKapMR § 15 Rn 16. Näher Schlimbach Leerverkäufe, S. 104–112; Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (269 f.); Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226; dies WM 2014, 1521; also korrekter: Inhaberschaft; ebenso etwa Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (270); Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 16. Zum fehlenden wirtschaftlichen Eigentum in diesem Falle etwa Riederer/Weick-Ludewig

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ZBB 2016, 1005 (1009–1013); Schlimbach Leerverkäufe, S. 112–117; missverständlich diejenigen Autoren, die (wie etwa Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 2; Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 56) davon ausgehen, der gedeckte Leerverkauf (etwa bei Wertpapierleihe) sei nicht vom Leerverkaufsbegriff umfasst. Näher Schlimbach Leerverkäufe, S. 104–112. Näher Schlimbach Leerverkäufe, S. 117–119; Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (270 f.); Just/Voß/Ritz/Becker/Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 44; Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 17.

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6. Teil. Marktregeln

weise im Rahmen von Emissionen die Lieferung der Effekten sicherstellen können, auch wenn der Vertriebsmittler kein Eigentum hat.74 Schließlich sind das (iii) Terminkontrakte, also Verkäufe zu einem „zukünftigen Termin“, bei denen teils schon jede Lieferung ausgeschlossen ist (bloße Differenzzahlung vereinbart), die ansonsten zwar in der Tat Leerverkäufe darstellen (können), die die EU-Leerverkaufs-VO jedoch aus verschiedenen Gründen nicht beschränken sollte, vor allem, weil nicht der gesamte Terminmarkt mit seinen positiven Wirkungen ausgetrocknet werden sollte.75 Für die verschiedenen freigestellten Terminkontrakte kommen weitere Gründe hinzu, derentwegen eine Ausnahme für sinnvoll gehalten wurde: bei den futures (standardisierten Produkten, die nur an Terminbörsen gehandelt werden) der Umstand, dass die spezialisierten Börsenregime sie spezieller regeln; bei den forwards (Termingeschäften „over the counter“) der Umstand, dass von ihnen mangels öffentlicher Kenntnis keine oder kaum Marktsignale ausgehen (vergleichbar bei OTC-Optionen). Schließlich spricht teleologisch vieles dafür, auch alle Leerverkäufe auszunehmen, bei denen gesichert ist, dass sie keine Short-Positionen begründen, etwa den Verkauf von Aktien, die aufgrund von Bezugsrechten bereits erworben wurden.76 579 Die zweite Transaktionsform bilden die Credit Default Swaps (CDS) (lit. c) und e)), alle Vereinbarungen auf einen zukünftigen Zeitpunkt (Derivatekontrakt), aufgrund derer eine Partei (unbedingt) eine Prämie zahlt, die andere hingegen (bezogen auf ein Finanzinstrument und bedingt) eine Zahlung erbringt oder einen finanziellen Vorteil verschafft bei Eintritt eines (näher definierten) Kreditereignisses bei einem Referenzschuldner – bis hin zu einem Zahlungsausfallsereignis. Für Unternehmen haben diese „Wetten“ auf das Eintreten von Kreditereignissen bei ihnen – bis hin zum Zahlungsausfall – vergleichbare Wirkung, insbesondere auch wieder mit hoher Hebelwirkung, wie der Verkauf ihrer Aktien durch Personen, die kein wirtschaftliches Eigentum daran haben.77 Bezieht sich die Vereinbarung auf einen von einem öffentlichen Emittenten begebenen Schuldtitel (nächste Rn), gilt Vergleichbares (lit. e)).

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c) Öffentliche Emittenten (lit. d)). Als öffentliche Emittenten durch das Leerverkaufsregime geschützt werden allein (i) die Europäische Union, (ii) ihre Mitgliedstaaten, auch wenn die Kreditaufnahme für diese durch Ministerien, Agenturen oder Zweckgesellschaften erfolgt,78 sowie (iii) die Bundesländer (oder Gliedstaaten in anderen föderalen organisierten Mitgliedstaaten), hingegen nicht die Kommunen und sonstigen (nationalen) Körperschaften des öffentlichen Rechts.79 Geschützt werden auch die Zweckverbände, die

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Hierzu und dazu, dass die Wertpapierleihe als solche wohl noch nicht einmal eine Verkaufsverpflichtung begründet und daher Nr. (ii) nur klarstellend wirkt: Bachmann ZHR 173 (2009) 596 (600–608); Riederer/ Weick-Ludewig WM 2016, 1005 (1008 f.); Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2014, 1521 (1523); Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (270); Schlimbach Leerverkäufe, S. 120; noch nicht in Bezug auf die SSR auch Sernc Leerverkaufsverbot aus internationaler Perspektive, S. 17–19. Hierzu (und zu den weiteren genannten Gründen) ausführlich Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (269–271); Fuchs/WeickLudewig § 30h WpHG Rn 34; Schlimbach Leerverkäufe, S. 120–124.

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Schlimbach Leerverkäufe, S. 124 f.; Emde/ Dornseifer/Dreibus/Hölscher/Stabenow § 59 InvG Rn 19. Nachw. oben Fn 68. Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 34; Schlimbach Leerverkäufe, S. 99; Gruber Leerverkäufe, S. 35 Fn 180. Näher (auch zur zu geringen wirtschaftlichen Relevanz derselben, um die Anwendung des Melde- und Veröffentlichungsregime zu rechtfertigen): 9. Erw.grund; Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 19; Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (269); Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 34; Schlimmbach Leerverkäufe, S. 99 f.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

mehrere Mitgliedstaaten gründeten, am wichtigsten gemeinsame Finanzinstitute wie EFSF und ESM.80 d) Herkunftsmitgliedstaat und jeweils zuständige Behörde (lit. i), j)). Der Begriff des 581 Herkunftsmitgliedstaats ist für zwei Kontexte bei der Zuordnung der Aufsichtsbefugnisse von Bedeutung: einerseits für die Market-Making-Tätigkeiten und die Tätigkeit als „zugelassener Primärhändler“, die durch Art. 17 SSR von der Anwendung des regulären Leerverkaufsregimes (der „dauerhaften Maßnahmen“, unten Rn 606) ausgenommen werden, nicht jedoch von der Anwendung von Einzelfallgeboten nach Art. 23 SSR (vgl. unten Rn 642). Für diese Tätigkeiten ist die Festlegung des Herkunftsmitgliedsstaats vor allem in seinem ersten Teil von Bedeutung, denn hierfür sind insbesondere Kreditinstitute und Wertpapierfirmen zugelassen und der Herkunftsmitgliedstaat wird für sie in lit. i) Nr. (i) durch Verweis auf MiFID, heute MiFID II und Nr. (ii)) durch Verweis auf die CRD I, nunmehr CRD IV festgelegt (vgl. daher näher für deren Umsetzung im WpHG unten 8. Teil Rn 92 und 1. Teil Rn 36–38). Die Aufsicht (namentlich die Freistellung vom Regime) erfolgt hier also – entsprechend dem Konzept eines Europäischen Passes für Finanzinstitute – durch den Mitgliedstaat des Market-Maker oder zugelassenen Primärhändlers, nicht etwa des betroffenen Markes.81 Der andere Teil der Definition des Herkunftsmitgliedstaates (lit. i) Nr. (iii) und (iv)) betrifft andere Personen. Wichtig ist dies für solche Personen, die Handelsplätze betreiben, hingegen nicht etwa für solche, die Leerverkaufspositionen halten (denn die Regulierung stellt in dieser Frage gerade nicht auf Ansässigkeit ab, vgl. Rn 569). Der Herkunftsmitgliedstaat des Betreibers von Handelsplätzen ist maßgeblich, namentlich für die Einzelfallverbote nach Art. 23 SSR. Hierbei wird (bei juristischen Personen) primär auf den Sitz des Betreibers abgestellt, den dieser zwar in der Satzung bestimmt, den er freilich auch durch den tatsächlichen Betriebsmittelpunkt als Verwaltungssitz festlegen kann, wobei bei einem Auseinanderfallen von Satzungs- und Verwaltungssitz für die Sitzbestimmung die Satzung maßgebend ist.82 Nur bei juristischen Personen ohne Satzungssitz (und Registrierung, die regelmäßig mit Rechtspersönlichkeit einhergeht), also bei eingetragenen Personengesellschaften, und bei natürlichen Personen ist auf den Ort der Hauptverwaltung abzustellen. Dies ist derjenige Ort, an dem die Leitungsentscheidungen in die Ausführung durch die reguläre Verwaltungstätigkeit eingebracht werden.83 Außerhalb der zwei Kontexte, in denen die Zuständigkeit unter Anknüpfung an den 582 Herkunftsmitgliedstaat festgelegt wird (Art. 17 und 23 SSR, vorige Rn), ergibt sich die Festlegung der jeweils zuständigen Behörde aus lit. j). Diese Festlegung ist zweigeteilt. Bei öffentlichen Schuldtiteln bzw. mit öffentlichen Emittenten verbundenen CDS ist der öffentliche Emittent selbst maßgeblich, bei Mitgliedstaaten die von diesem bestimmte Behörde (Nr, (i)), bei der EU die emittierende Stelle (Nr. (ii)), bei Zweckverbänden und

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9. Erw.grund; Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1947); Assmann/Schütze/Schäfer, HdB KapitalanlageR, § 21 Rn17; Park/Sorgenfrei/Salinger Kapitalmarktstrafrecht, Teil 4 Kap 18 Rn 7; Schlimbach Leerverkäufe, S. 99 f. Ludewig/Greifus WM 2013, 1533 (1535); Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (282); Just/Voß/Ritz/Becker/Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 96; Heidel/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 31; Schlimbach Leerverkäufe, S. 153 f.; Gruber Leerverkäufe, S. 29; Molo-

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ney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 553 f. Fn 243. Spindler/Stilz/Drescher § 5 AktG, 3. Aufl. 2015, Rn 4–6; Hüffer/Koch § 5 AktG, 12. Aufl. 2016, Rn 12; Henssler/Strohn/Lange § 5 AktG, 3. Aufl. 2016, Rn 5–7. BGH Urt. v. 21.6.2016 – X ZR 41/15 = EWiR 2016, 681; MünchKommGmbHG/ Weller Einleitung Rn 321 f.; Drygala/Staake/ Szalai Kapitalgesellschaftsrecht, 2012, § 2 Rn 82.

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6. Teil. Marktregeln

internationalen Finanzinstituten mehrerer Mitgliedstaaten deren Niederlassung (Nr. (iii) und (iv); und entsprechend Nr. (vi) für die Europäische Investitionsbank). Demgegenüber ist bei sonstigen Finanzinstrumenten (privater Emittenten) der Zulassungsmarkt maßgeblich, und zwar in aller Regel der Markt, an dem das Instrument erstmals zugelassen wurde.84

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e) Marktteilnehmer, insbes. mit Marktfunktionen, und Handelsplätze (lit. k)-o)). Die Verordnung erfasst nach dem Gesagten alle Marktteilnehmer, wobei als Juristische Personen auch eingetragene Personengesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit verstanden werden (6. Erwägungsgrund). In der letzten größeren zusammenhängenden Sequenz werden die Begrifflichkeiten für Marktteilnehmer mit spezifischen Marktfunktionen (Market-Maker [lit. k], zugelassener Primärhändler [lit. n] und zentrale Gegenparteien [lit. o]) sowie für die Handelsplätze (Handelsplatz und Haupthandelsplatz) geklärt. Die zuerst genannten Begrifflichkeiten für besondere Marktteilnehmer werden jedoch sämtlich nur jeweils in einer einzigen sachrechtlichen Norm herangezogen (und dann bei den – hier nur überblicksweise kommentierten – Behördenbefugnissen). Sie werden daher wegen des Sachzusammenhang besser dort aufgegriffen: lit. k und n (Market-Maker und zugelassener Primärhändler) in der diesbezüglichen Ausnahmeregelung des Art. 17 (vgl. unten Rn 627– 635), lit. o (zentrale Gegenparteien) in der Eindeckungsregelung („of last resort“) für ungedeckte Leerverkäufe in Art. 15, heute Art. 7 CSDR (vgl. unten Rn 619–623). Umgekehrt sind auch die Begrifflichkeiten für Handelsplätze (Handelsplatz und Haupthandelsplatz) in dem einen Fall solche des Allgemeinen Teils des Europäischen Kapitalmarktrechts: Der Begriff des Handelsplatzes (lit. l) wird für alle Rechtsakte des Europäischen Kapitalmarktrechts einheitlich in der MiFID I, jetzt MiFID II definiert (Art. 4 Abs. 1 Nr. 24 i.V.m. Nr. 21–23 MiFID II) und daher vorliegend auch im Allgemeinen Teil kommentiert (oben Teil 5 Rn 66–71; vgl. vergleichbar etwa für die MAR oben Rn 287–290). Der Begriff des Haupthandelsplatzes (lit. m)) wird wiederum nur in einer einzigen sachrechtlichen Norm herangezogen, der Ausnahmeregelung für Handelsplätze in Drittstaaten in Art. 16 SSR, und daher dort präzisiert (vgl. unten Rn 625–626).

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f) Handelstag und Umsatz (lit. p), q)). Die Begriffe des „Handelstages“ – wichtig für das Melde- und Offenlegungsverfahren (Art. 9 SSR) und für kurzfristige Leerverkaufsverbote in Krisensituationen (Art. 23 SSR) – und des „Umsatzes“ – wichtig im Zusammenhang mit der Bestimmung des Haupthandelsplatzes (vgl. Art. 16 SSR) – werden durch Verweis auf die Durchführungs-Verordnung Nr. 1287/2006 zur EG-Transparenz-Richtlinie definiert. 3. Artikel 3: Insbesondere Short- und Long-Positionen und ihre Berechnung

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a) Short- und Long-Positionen (Abs. 1 und 2). Art. 3 SSR definiert in Abs. 1 und 2 zunächst die Short- und Long-Positionen, deren Differenz in der Summe (Netto-Leerverkaufsposition) den Gegenstand der Transparenzpflichten nach Art. 5 ff. SSR bildet. Short-

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Bei von MiFID I und II erfassten Instrumenten ist das bei Aktien, die im Leerverkaufsregime im Vordergrund stehen, der geregelte Markt, zu dem sie zuerst zugelassen wurden. Bei nicht von der MiFID erfassten Instrumenten statuiert Nr. (vi) Vergleichbares, jetzt bezogen auf Handelsplätze allgemein. Vgl.

insgesamt zu dieser Zuständigkeitsbestimmung bei Finanzinstrumenten privater Emittenten: Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (268 f.); Schlimbach Leerverkäufe, S. 93; Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 39; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 434 f.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

ebenso wie Long-Positionen in der Hand eines jeglichen Marktteilnehmers – auch nicht rechtsfähiger, aber eingetragener Personengesellschaften (6. Erw.grund) – sind gleichermaßen zu berücksichtigen. Die Präzisierung der Begrifflichkeiten und Tatbestandsmerkmale, die nach Abs. 7 auf die EU-Kommission delegiert wurde, hat diese mit der delegierten Verordnung Nr. 918/2012 (Fn 41) vorgenommen. Dabei bilden die Short-Positionen (Abs. 1 i.V.m. Art. 6 bzw. Art. 9 VO Nr. 918/2012) 586 (i) die Leerverkäufe in ausgegebenen Aktien bei unternehmerischen Emittenten und die Leerverkäufe in ausgegebenen Schuldverschreibungen bei den öffentlichen Emittenten (Abs. 1 lit. a))85 sowie (ii) ökonomisch vergleichbar wirkende Transaktionen bzw. Instrumente (Abs. 1 lit. b)). Unter Letzteren sind alle Transaktionen zu verstehen, die ein Instrument begründen, das dem Berechtigten bei Kursverlusten der Aktie bzw. des öffentlichen Schuldtitels einen finanziellen Vorteil verbürgt, oder Derivate eines solchen (bei Kursverlusten finanziell lukrativen) Instruments. Entscheidend ist die ökonomische Wirkung, die darin besteht, dem Berechtigten bei Kursverlusten der Aktie bzw. des öffentlichen Schuldtitels einen finanziellen Vorteil zu vermitteln – direkt oder indirekt –, nicht die juristische Konstruktion.86 Umgekehrt wirkt die Long-Position (Abs. 2 i.V.m. Art. 5 bzw. Art. 8 VO Nr. 918/2012). 587 Sie verbürgt dem Inhaber bei Kursgewinnen der Aktie bzw. des öffentlichen Schuldtitels selbst einen finanziellen Vorteil und wird begründet entweder durch Inhaberschaft („Halten“, Abs. 2 lit. a) i.V.m. Art. 4 VO Nr. 918/2012)87 oder durch ökonomisch vergleichbar wirkende Transaktionen bzw. Instrumente (Abs. 2 lit. b)). Unter Letzteren sind namentlich bereits getätigte Termingeschäfte und auch Anteile an Publikumssondervermögen mit diesen Aktien oder öffentlichen Schuldtiteln zu verstehen, nicht jedoch bloße Erwerbsrechte, namentlich Bezugsrechte oder Wandelschuldverschreibungen, weil und soweit Letztere bei fallenden Kursen nicht ausgeübt werden müssen,88 also auch keine feste „Gegenposition“ gegen Short-Positionen bilden, die deren Aufbau (und das damit verbundene Interesse an Spekulationsgewinnen) neutralisieren würden. b) Berechnungsfragen (insbes. indirekte Interessen und Nettopositionen, Abs. 3–6). 588 Ziel von Art 3 Abs. 3 SSR ist es, „sämtliche wirtschaftlichen Interessen“ zu erfassen, die „direkt oder indirekt“, etwa durch den Einsatz von Derivaten, Indizes, Wertpapierkörben und börsennotierten Indexfonds“ begründet werden (12. Erw.grund), grds. auf der Seite der Short- ebenso wie der Long-Positionen. All diese Interessen sind freilich zum angemessenen Wert anzusetzen, was angesichts ihrer Unterschiedlichkeit eine differenzierend gewichtete Berechnung erforderlich macht. Während Short- und Long-Positionen und die sie begründende Pflichten- und Rechtelage sich direkt auf das fragliche Instrument (Aktie oder

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Zum Begriff des Leerverkaufs (Verkauf ohne wirtschaftliches Eigentum als Kassa-, nicht Termingeschäft) kompakt und mit Graphiken Schlimbach Leerverkäufe S. 8–11 und näher oben Rn 577. Zum Begriff der ausgegebenen Aktien bzw. Schuldtitel oben Rn 575. Tyrolt/Bingel BB 2010, 1419 (1419 f.); Schlimbach Leerverkäufe, S. 21–23 (mit Aufzählung der wichtigsten Beispiele); Gruber Leerverkäufe S. 36 f. Näher zu den denkbaren rechtlichen Konstruktionen: Bierwirth RdF 2013, 104

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(107); Gruber Leerverkäufe, S. 35 f.; Schlimbach Leerverkäufe, S. 11; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 562. Zu diesem Zuschnitt des Begriffs Long-Position und auch zum dahinter stehenden Grundgedanken vgl. etwa Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (277); Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1947 ff.); Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 23. Vgl. ausdrücklich auch Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 918/2012 in Bezug auf Art. 3 Abs. 5 VO Nr. 236/2012.

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6. Teil. Marktregeln

öffentlicher Schuldtitel) beziehen und daher zum Nominalwert dieses Instruments angesetzt werden (Deltawert 1),89 ist das bei allen anderen, auf dieses „underlying“ bezogenen Instrumenten anders. Bei ihnen ist die finanzielle Auswirkung abzubilden, die eine Kursänderung des „underlying“ auf sie hätte – um den Wert von „underlying“ und zu bewertendem Instrument kommensurabel zu machen (sog. bereinigter Deltawert). So ist bei Fonds und Baskets der (ggf. mit der Zeit sich ändernde) Anteil der fraglichen Aktie bzw. des öffentlichen Schuldtitels in diesem maßgeblich. Bei Derivaten (Termingeschäften, Optionen) ist die zu erwartende finanzielle Auswirkung zu ermitteln. Bei öffentlichen Schuldtiteln sind ggf. Währungsumrechnungen vor der Einstellung des fraglichen Instruments nötig, CDS auf öffentliche Schuldtitel sind wiederum schlicht mit Deltawert 1 anzusetzen. Dies wird im Einzelnen in Art. 10 f. der Delegierten VO NR. 918/2012 i.V.m. ihrem Anh. II spezifiziert.90 589 Den Grundmechanismus für die Berechnung von Netto-Leerverkaufspositionen sieht Abs. 4 für („ausgegebene“) Aktien (vgl. oben Rn 575) vor. Es ist – bezogen auf jeweils eine natürliche oder juristische Person – die Differenz zu bilden zwischen der Summe ihrer Short-Positionen in Aktien des fraglichen Emittenten (oben Rn 586) und der Summe ihrer Long-Positionen in Aktien des(selben) fraglichen Emittenten (oben Rn 587).91 Dabei sind die Berechnungen entsprechend Abs. 3 (oben Rn 588) zugrunde zu legen. 590 Einen modifizierten Mechanismus für die Berechnung von Netto-Leerverkaufspositionen sieht für („ausgegebene“) öffentliche Schuldtitel Abs. 5 vor – wobei jeder öffentliche Emittent als eine Einheit zu verstehen ist, gleichgültig, wie viele verschiedene Agenturen und Stellen Schuldtitel für ihn ausgeben (Abs. 6). Auch nach Abs. 5 ist – wie nach Abs. 4 und wiederum bezogen auf jede natürliche oder juristische Person als Inhaber – von der Summe der Short-Positionen in Titeln des öffentlichen Emittenten die Summe der LongPositionen in denselben Titeln des(selben) öffentlichen Emittenten abzuziehen, also (bezogen auf die öffentlichen Schuldtitel) die entsprechende Differenz zu bilden wie in Abs. 4 (für Aktien). Nach Abs. 5 sind jedoch auch weitere Long-Positionen zum Abzug zu bringen, soweit sie sich auf andere öffentliche Schuldtitel beziehen, deren Preise eine „hohe Korrelation“ mit den Schuldtiteln aufweisen, für die die Short-Position gehalten wird. Dabei ist eine „Korrelation“ ebenso wie eine „hohe Korrelation“ (70 % bzw. 80 % [mit der Möglichkeit kürzerer, höchstens dreimonatiger „Dips“ auf 60 %+]) nach dem sog. Pearson’schen Korrelationskoeffizienten zu ermitteln. Dieser bezeichnet im Kern den Grad, zu dem beide Papiere in der Preisentwicklung korrelieren (soweit dies – qualitativ – auch nicht als Koinzidenz erscheint), und wird jeweils für den Zeitraum von 12 Monaten auf der Basis der akkumulierten gewichteten Tagesdaten errechnet (Einzelheiten in Art. 8 Abs. 4–7 Delegierte Verordnung Nr. 918/2012).92

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Tyrolt/Bingel BB 2010, 1419 (1422 f.); Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (277); Fuchs/ Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 55; Just/ Voß/Ritz/Becker/von Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 52; Schlimbach Leerverkäufe, S. 178–182; Gruber Leerverkäufe S. 40–42. Dazu und zur Berechnung des Deltawertes in den verschiedenen Konstellationen näher Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (277 f.); Hul, Options, Futures, Derivatives, S. 285 f., 380–387; Tyrolt/Bingel BB 2010, 1419 (1421 f.); Rudoplh/Schäfer Derivative Fi-

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nanzinstrumente, 2010, S. 293–300; auch kurz Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 25. Tyrolt/Bingel BB 2010, 1419 (1421), Veranneman GWR 2010, 337 (338); Fuchs/WeickLudewig § 30h WpHG Rn 53–55; Bloss/ Ernst Derivate: Handbuch für Finanzintermediäre und Investoren, 2008, S. 45; Hergt Short Selling, S. 8 Fn 10; Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 22–24. Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (274 f.); Bierwirth RdF 2013, 104 (107 f.); Fuchs/ Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 93; Schira

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

4. Artikel 4: Insbesondere ungedeckte CDS-Positionen auf öffentliche Schuldtitel. Für 591 Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel – Abreden einer Prämienzahlung auf den Eintritt eines Kreditereignisses bei einem öffentlichen Emittenten (näher Art. 2 Abs. 1 lit. c) und e) SSR, oben Rn 579), unterscheidet Art. 4 solche mit Absicherungszweck („gedeckte CDS“) und solche ohne Absicherungszweck („ungedeckte CDS“). Diese Unterscheidung ähnelt zwar derjenigen bei öffentlichen Schuldtiteln (Short-Positionen mit und ohne korrelierende Long-Positionen, vgl. Art. 3 Abs. 5 SSR). Das Regulierungsregime, das sich im Falle der CDS auf diese Unterscheidung stützt, weicht jedoch vom Regime bei den öffentlichen Schuldtiteln signifikant ab. Anders als bei öffentlichen Schuldtiteln wird für die gedeckten CDS nicht einmal ein Transparenzregime vorgesehen; das Regulierungsregime wird also allein auf die ungedeckten CDS bezogen – und zwar mit einer Transparenzregel für den Fall, dass das Verbot solcher CDS im Interesse des Emittenten aufgehoben wird, ansonsten jedoch mit einer uneingeschränkten Verbotsregelung (vgl. unten Art. 8 und 14 SSR). Hinzu kommt (als zweiter Teil eines Transparenzregimes der CDS), dass ungedeckte CDS, soweit sie zugelassen sind, auch für die Ermittlung der Netto-Leerverkaufsposition den Short-Positionen hinzuzurechnen sind (vgl. 14. Erw.grund), also auch bei Überschuss der Long-Positionen in einem öffentlichen Schuldtitel über die Short-Position (aufgrund des Volumens an ungedeckten CDS-Positionen) noch eine Netto-Leerverkaufsposition vorliegen kann. Von der Ermächtigung für delegierte und Durchführungsrechtsakte, die sich auf die Definition des Absicherungszwecks und auf die Berechnung der Positionen (für Zwecke des Transparenzregimes) bezieht (vgl. Abs. 2), wurde mit Art. 14–20 Delegierte VO Nr. 918/2012 Gebrauch gemacht. Zentral ist nach dem Gesagten die Definition des Absicherungszwecks (Abs. 1 lit. a) 592 und b) – sowie Art. 14–20 Delegierte VO Nr. 918/2012), die über die Qualifikation der CDS als gedeckt oder ungedeckt entscheidet. Im Kern geht es darum, dass der Inhaber der CDS selbst Long-Positionen innehat (oben Rn 591), die er absichert, oder Vermögenswerte, Beteiligungen und Interessen, die mit dem Preis der öffentlichen Schuldtitel stark korrelieren und so strukturiert sind, dass das Kreditereignis umgekehrt Verluste herbeiführen würde und daher abzusichern ist. Die solchermaßen durch den fraglichen CDS abgesicherten Vermögenswerte und Verbindlichkeiten werden in Art. 17 der Delegierten VO Nr. 918/2012 abschließend aufgelistet,93 der Korrelationstest in Art. 18 beschrieben (Pearson’scher Korrelationstext, bezogen auf 12 Monate, mit 70 %-Erfordernis, vgl. oben Rn 590), wobei ein Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Art. 19 (und 6. Erw.grund) die Anwendung im Hinblick auf Zeit und Berechnungsunsicherheiten handhabbar macht. Zudem wird in Art. 14 spezifiziert, auf welche Personen sich die Absicherungsinstrumente beziehen dürfen, in Art. 15 für den grenzüberschreitenden Fall. Für alles ist der CDS-Inhaber auskunfts- und erklärungspflichtig (Art. 16).

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Statistische Methoden der VWL und BWL, 5. Aufl. 2016, S. 92–98; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 559; Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 23; vgl. auch 6. Erw.grund der Delegierten VO Nr. 918/2012. In illiquiden Märkten ist der bestvergleichbare, ebenfalls auf einen Zwölfmonatszeitraum zu beziehende Test zugrunde zu legen, vgl. Art. 8 Abs. 4 S. 2 Delegierte VO Nr. 918/2012. Namentlich Long-Positionen, Positionen und Portfolios (mit auf öffentlichen Emitten-

ten bezogenen Werten), Vermögenswerte und Verbindlichkeiten (mit Garantiezusage des öffentlichen Emittenten), auch Forderungen (etwa Darlehen) an private Stellen mit Niederlassung im Mitgliedstaat (öffentlichen Emittenten) und Indizes mit entsprechender Ausrichtung Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (273–275); Bierwirth RdF 2013, 104 (107 f.); Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 90; Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 23.

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6. Teil. Marktregeln

III. Transparenz Netto-Leerverkaufspositionen (Art. 5–11)

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Kapitel II Transparenz von Netto-Leerverkaufspositionen Artikel 5 Meldung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien an die zuständigen Behörden (1) Natürliche oder juristische Personen, die eine Netto-Leerverkaufsposition im ausgegebenen Aktienkapital eines Unternehmens, dessen Aktien zum Handel an einem Handelsplatz zugelassen sind, halten, melden gemäß Artikel 9 der jeweils zuständigen Behörde, wenn die Position eine in Absatz 2 des vorliegenden Artikels genannte Meldeschwelle erreicht oder unterschreitet. (2) Eine Meldeschwelle liegt bei 0,2 % und danach jeweils in Intervallen von 0,1 % des ausgegebenen Aktienkapitals des betreffenden Unternehmens. (3) Die Europäische Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde) (ESMA) kann unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf den Finanzmärkten eine Stellungnahme über die Anpassung der in Absatz 2 genannten Schwellenwerte an die Kommission abgeben. (4) Die Kommission ist unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf den Finanzmärkten befugt, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 42 zur Änderung der in Absatz 2 des vorliegenden Artikels genannten Schwellenwerte zu erlassen. Artikel 6 Offenlegung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien gegenüber der Öffentlichkeit (1) Natürliche oder juristische Personen, die eine Netto-Leerverkaufsposition im ausgegebenen Aktienkapital eines Unternehmens, dessen Aktien zum Handel an einem Handelsplatz zugelassen sind, halten, legen die Einzelheiten dieser Position im Einklang mit Artikel 9 offen, wenn sie eine in Absatz 2 des vorliegenden Artikels genannte Offenlegungsschwelle erreicht oder unterschreitet. (2) Eine Offenlegungsschwelle liegt bei einem Prozentsatz von 0,5 % und danach jeweils in Intervallen von 0,1 % des ausgegebenen Aktienkapitals des betreffenden Unternehmens. (3) Die ESMA kann unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf den Finanzmärkten eine Stellungnahme über die Anpassung der in Absatz 2 genannten Schwellenwerte an die Kommission abgeben. (4) Die Kommission ist unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf den Finanzmärkten befugt, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 42 zur Änderung der in Absatz 2 des vorliegenden Artikels genannten Schwellenwerte zu erlassen. (5) Dieser Artikel berührt nicht Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die in Bezug auf Übernahmeangebote, Fusionstransaktionen und sonstige Transaktionen erlassen wurden, welche das Eigentum oder die Kontrolle von Gesellschaften berühren, die der Regulierung durch gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote94 von den Mitgliedstaaten benannte Aufsichtsstellen unterliegen, und die eine Offenlegung von Short-Positionen unterhalb der Offenlegungsschwellen vorschreiben, die über die Anforderungen dieses Artikels hinausgeht. Artikel 7 Meldung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in öffentlichen Schuldtiteln an die zuständigen Behörden (1) Natürliche oder juristische Personen, die eine Netto-Leerverkaufsposition in ausgegebenen öffentlichen Schuldtiteln halten, melden gemäß Artikel 9 der jeweils zuständigen Behörde, wenn eine solche Position im Hinblick auf den betreffenden öffentlichen Emittenten die Meldeschwellen erreicht oder unterschreitet. (2) Die einschlägigen Meldeschwellen umfassen einen Ausgangsbetrag und danach ergänzende Schwellenbeträge in Bezug auf jeden öffentlichen Emittenten, die von der Kommission in den Rechtsakten nach Absatz 3 festgelegt werden. Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website die Meldeschwellen für jeden Mitgliedstaat.

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ABl. L 142 vom 30.4.2004, S. 12.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks (3) Die Kommission wird ermächtigt, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 42 zu erlassen, um die in Absatz 2 des vorliegenden Artikels genannten Beträge und ergänzenden Beträge festzulegen. Die Kommission a) stellt sicher, dass die Festlegung der Schwellenwerte keine Meldung von Positionen erfordert, die nur von minimalem Wert sind; b) berücksichtigt den ausstehenden Gesamtbetrag der ausgegebenen öffentlichen Schuldtitel jedes öffentlichen Emittenten und den durchschnittlichen Umfang der Positionen, die Marktteilnehmer in öffentlichen Schuldtiteln des betreffenden öffentlichen Emittenten halten, und c) berücksichtigt die Liquidität jedes Marktes für öffentliche Schuldtitel. Artikel 8 Meldung ungedeckter Positionen in Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel an die zuständigen Behörden Hebt eine zuständige Behörde Beschränkungen gemäß Artikel 14 Absatz 2 auf, so meldet eine natürliche oder juristische Person, die eine ungedeckte Position in einem Credit Default Swap auf Staatsanleihen hält, der betreffenden zuständigen Behörde, sobald solch eine Position die einschlägigen Meldeschwellen für den öffentlichen Emittenten gemäß Artikel 7 erreicht oder unterschritten hat. Artikel 9 Melde- und Offenlegungsverfahren (1) Jede Meldung oder Offenlegung gemäß den Artikeln 5, 6, 7 oder 8 enthält Angaben zur Identität der natürlichen oder juristischen Person, die die betreffende Position hält, zum Umfang der betreffenden Position, dem Emittenten, dessen Papiere in der betreffenden Position gehalten werden, und dem Datum, zu dem die betreffende Position eröffnet, geändert oder geschlossen wurde. Im Sinne der Artikel 5, 6, 7 und 8 müssen natürliche und juristische Personen, die signifikante Netto-Leerverkaufspositionen halten, für einen Zeitraum von fünf Jahren Aufzeichnungen der Brutto-Positionen aufbewahren, die eine signifikante Netto-Leerverkaufsposition ausmachen. (2) Der maßgebliche Berechnungszeitpunkt einer Netto-Leerverkaufsposition ist 24 Uhr am Ende des Handelstages, an dem die natürliche oder juristische Person die betreffende Position hält. Dieser Zeitpunkt gilt für alle Transaktionen unabhängig von der verwendeten Handelsform, einschließlich von Transaktionen mittels manuellem oder automatisiertem Handel, und unabhängig davon, ob die Transaktion während der üblichen Handelszeiten ausgeführt wurde. Die Meldung oder Offenlegung erfolgt spätestens am folgenden Handelstag um 15.30 Uhr. Die in diesem Absatz genannten Uhrzeiten berechnen sich nach der Zeit im Mitgliedstaat der zuständigen Behörde, der die betreffende Position zu melden ist. (3) Die Meldung von Informationen an die jeweils zuständige Behörde erfolgt so, dass die Vertraulichkeit der Informationen gewährleistet ist und umfasst Mechanismen, anhand derer die Quelle der Meldung eindeutig identifiziert werden kann. (4) Die Offenlegung von Informationen gegenüber der Öffentlichkeit nach Artikel 6 muss einen schnellen Zugang zu Informationen unter Beachtung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung gewährleisten. Diese Informationen werden in eine von der jeweils zuständigen Behörde verwaltete oder beaufsichtigte zentrale Website eingestellt. Die zuständigen Behörden teilen der ESMA die Adresse dieser Website mit, die ihrerseits alle diese zentralen Websites durch eine Verknüpfung von ihrer Website aus zugänglich macht. (5) Um eine konsequente Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, entwickelt die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, durch die die Einzelheiten der im Sinne von Absatz 1 bereitzustellenden Informationen geregelt werden. Die ESMA legt der Kommission bis spätestens 31. März 2012 die Entwürfe dieser technischen Regulierungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die technischen Regulierungsstandards im Sinne von Unterabsatz 1 gemäß dem in den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/ 2010 festgelegten Verfahren zu erlassen. (6) Um einheitliche Bedingungen für die Anwendung von Absatz 4 zu gewährleisten, entwickelt die ESMA Entwürfe technischer Durchführungsstandards, in denen die möglichen Verfahren für die Offenlegung von Informationen gegenüber der Öffentlichkeit festgelegt werden.

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6. Teil. Marktregeln Die ESMA legt der Kommission bis spätestens 31. März 2012 die Entwürfe dieser technischen Durchführungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards nach Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 10 Anwendung der Melde- und Offenlegungsverfahren Die Melde- und Offenlegungsanforderungen gemäß Artikel 5, 6, 7 und 8 gelten für natürliche oder juristische Personen, die in der Union oder in einem Drittland ansässig oder niedergelassen sind. Artikel 11 Bereitstellung von Informationen an die ESMA (1) Die zuständigen Behörden übermitteln der ESMA vierteljährlich zusammenfassende Informationen über Netto-Leerverkaufspositionen im ausgegebenen Aktienkapital und in ausgegebenen öffentlichen Schuldtiteln sowie über ungedeckte Positionen in Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel, für die sie jeweils zuständige Behörde sind, und für die sie die Meldungen gemäß den Artikeln 5, 7 und 8 entgegennehmen. (2) Die ESMA kann sich zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß dieser Verordnung jederzeit an die jeweils zuständige Behörde wenden und zusätzliche Informationen über Netto-Leerverkaufspositionen im ausgegebenen Aktienkapital und ausgegebenen öffentlichen Schuldtiteln oder über ungedeckte Positionen in Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel anfordern. Die zuständige Behörde übermittelt der ESMA die angeforderten Informationen spätestens innerhalb von sieben Kalendertagen. Kommt es zu unerwünschten Ereignissen oder Entwicklungen, die eine ernsthafte Bedrohung der Finanzstabilität oder des Marktvertrauens in dem betreffenden Mitgliedstaat oder einem anderen Mitgliedstaat darstellen, stellt die zuständige Behörde alle verfügbaren Informationen auf der Grundlage der Meldepflichten gemäß den Artikeln 5, 7 und 8 innerhalb von 24 Stunden der ESMA zur Verfügung. (3) Um eine konsequente Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, entwickelt die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, mit denen die Einzelheiten der gemäß Absatz 1 und Absatz 2 bereitzustellenden Informationen geregelt werden. Die ESMA legt der Kommission bis spätestens 31. März 2012 die Entwürfe dieser technischen Regulierungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die technischen Regulierungsstandards im Sinne von Unterabsatz 1 gemäß dem in den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/ 2010 festgelegten Verfahren zu erlassen. (4) Um einheitliche Bedingungen für die Anwendung von Absatz 1 zu gewährleisten, entwickelt die ESMA Entwürfe technischer Durchführungsstandards, in denen das Format der nach den Absätzen 1 und 2 bereitzustellenden Informationen festgelegt wird. Die ESMA legt der Kommission bis spätestens 31. März 2012 die Entwürfe dieser technischen Durchführungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards nach Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen.

1. Artikel 5, 6: Meldung und Offenlegung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien.

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a) Transparenzregime: Struktur, Grundgedanke, Überblick. An der Spitze der Regulierungsmaßnahmen steht – im Europäischen Recht, tendenziell anders als im früheren deutschen Recht (Rn 558) – die Transparenzregelung. Dass hierbei dann die unternehmerischen Emittenten zuerst geregelt werden (und die öffentlichen erst in Art. 7 f. SSR folgen), mag zweierlei Umständen geschuldet sein. Die Regime für unternehmerische Emittenten wurde vor allem im Hinblick auf Finanzinstitute eingerichtet (obwohl es nicht auf diese beschränkt ist, vgl. 1. Erw.grund), und von einer Krise der Kreditinstitute und dem daraus resultierenden Finanzierungsbedarf ging auch die Staatsschulden- oder Eurokrise aus (an-

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

ders vor allem in Griechenland).95 Außerdem ist das Transparenzregime für unternehmerische Emittenten mit einer Melde- und einer Veröffentlichungspflicht zweispurig und damit breiter. Nach dem Gesagten ist das Ziel der Meldepflicht vor allem die Verbesserung der Überwachung und Vorbeugung von Marktmanipulation sowie ein frühzeitiges aufsichtliches Erkennen von Stabilitätskrisen einzelner Kreditinstitute oder des Kreditwesens insgesamt.96 Umgekehrt zielt die Veröffentlichungspflicht hingegen (die bei öffentlichen Emittenten keine Entsprechung findet) allgemeiner auf die Information der Marktteilnehmer ab (Individualschutz) und dient damit dem allgemeinen Ziel informations- und damit auch allokationseffizienter Kapitalmärkte (Funktionsschutz).97 Für das Transparenzziel wird – deklaratorisch – auch nochmals unterstrichen, dass Han- 595 delsplätze in der EU geschützt werden sollen, also die Zulassung an diesen Handelsplätzen das maßgebliche Anknüpfungskriterium bildet – nicht hingegen, wo die Transaktionen stattfanden, mit denen die Netto-Leerverkaufsposition aufgebaut wurde (10. Erw.grund und oben Rn 569), und auch nicht, wo die melde- und veröffentlichungspflichtige Person ansässig ist (16. Erw.grund, Art. 10 SSR und oben Rn 569). b) Meldung und Offenlegung (jeweils Abs. 1 und 2). Die Melde- und Offenlegungs- 596 pflichten sind in Art. 5 und Art. 6 SSR jeweils vergleichbar aufgebaut, mit vergleichbaren Tatbestandsmerkmalen (vgl. jeweils Abs. 1 und 2). Beide beziehen sich nach dem Gesagten allein auf (begebene und weiter Wirkung entfaltende) Aktien, die zu Handelsplätzen in der EU zugelassen sind, und auf diese Aktien bezogene Derivate und vergleichbare Instrumente (vgl. 10. Erw.grund)98 – nicht auch Schuldtitel von Unternehmen. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale sind Gegenstand ausführlicher Definitionen (vgl. oben). Zu melden bzw. zu veröffentlichen sind nur Netto-Leerverkaufspositionen, also Überschüsse der Short-Positionen über die Long-Positionen, deren Berechnung komplex ist vor allem auf-

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Herrmann Folgen der Finanzkrise für die Währungsunion, in Kadelbach (Hrsg.), Nach der Finanzkrise, 2012, S. 79 (80); Calliess/ Ruffert/Häde Art. 119 AEUV Rn 16 (5. Auflage 2016). Eingehend zum Zusammenhang: Arghyrou/Kontonikas The EMU sovereigndebt crisis: Fundamentals, expectations and contagion, 22 Int. Fin. Markets, Inst. and Money (2012) 658 (663 ff.). Empirische Analyse zur Staatsschuldenkrise auf EUEbene mit dem Teilergebnis: „the reaction of yields and CDS markets has increased after the onset of the 2008 financial crisis“ bei Afonso/Furceri/Gomes Sovereign credit ratings and financial markets linkages: application to European data, ECB Working Paper Series, n. 1347 (2011), 1 (11 ff.). Vgl. 7. Erw.grund; Juurikka 9 ECFR (2012) 307 (315); Heidel/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 20; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 561; Schlimbach Leerverkäufe, S. 177; und bereits oben Rn 552-557 ; jeweils positiv zum Melderegime (auch proportional), kritisch bis negativ zur Veröffentlichungspflicht Elineau 8 International Law and Management Re-

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view 61 (74 f. und 86 f.) (2012) (erhebliche Gefahr des herding aufgrund von Veröffentlichungen); Payne 13 EBOR 413 (413 f. und 438 f.) (2012). Vgl. 7. Erw.grund; Boehmer/Wu 26 Review of Financial Studies 287 (295 ff.) (2013); Möllers 4 Capital Markets Law Journal 477 (481) (2009); Kolasinski/Reed/Thornock Financial Management 155 (179) (2013); Schlimbach Leerverkäufe, 176 f.; generell und grundlegend auch Gilson/Kraakman Market efficiency after the financial crisis – it’s still a matter of information costs, 100 Va. L. Rev. 31 (2014); Coffee The political economy of Dodd-Frank: Why financial reform tends to be frustrated and systematic risk perpetuated, in: Ferran/Moloney/Hill/ Coffee (Hrsg.) The Regulatory Aftermath of the Global Financial Crisis, 2. Aufl. 2013, S. 301; und bereits oben Rn 555 f. Zu diesem Zielepaar allgemein oben Teil 5 Rn 7–16. Näher zu diesen Instrumenten: Schlimbach Leerverkäufe, S. 180 f.; Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (277) sieht den Anwendungsbereich weniger weit gefasst.

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grund der Einbeziehung auch indirekter Formen der Inhaberschaft (näher oben Rn 588– 590). In die Berechnung einzugehen haben alle Leerverkaufspositionen, unabhängig davon, ob es sich um gedeckte oder ungedeckte Positionen handelt.99 Die (durchaus detaillierte) Meldung bzw. Veröffentlichung ist jeweils geschuldet bei Überschreiten bzw. Unterschreiten von Schwellen,100 die jeweils Abs. 2 bestimmt. Auch für das eigentliche Meldeund Veröffentlichungsverfahren – und den Inhalt von Meldung und Veröffentlichung – wird verwiesen (vgl. Art. 9 SSR). 597 Eigene Präzisierungen nehmen Art. 5 und 6 SSR erst hinsichtlich der Schwellen vor (jeweils Abs. 2). Die Meldepflicht entsteht mit Über- oder Unterschreiten einer Schwelle von 0,2 %, die Veröffentlichungspflicht mit Über- oder Unterschreiten einer Schwelle von 0,5 %, jeweils des ausgegebenen Aktienkapitals eines Unternehmens, gefolgt in beiden Fällen von Intervallen von jeweils 0,1 %. Alle melde- bzw. veröffentlichungspflichtigen Tatsachen und Umstände sind bei jeder solchen Über- bzw. Unterschreitung neu aufzulisten.

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c) Schwellenanpassung und Konkurrenzen (Abs. 3–5). Angesichts der Unsicherheit in den Grundlagen der Leerverkaufsregulierung sollten die Schwellen auch außerhalb eines Gesetzgebungsverfahrens angepasst werden können. Die Schwellenanpassung muss aus der Entwicklung der Finanzmärkte heraus motiviert werden, und kann von der ESMA angeregt, von der EU-Kommission nach dem Verfahren und unter den Kautelen, die in Art. 42 SSR festgelegt sind, verabschiedet werden (vgl. dazu unten Rn 652). Solche Schwellenanpassungen sind nach bisherigem Stand noch nicht ergangen. Während nationale Transparenzregeln zu Leerverkäufen präkludiert sind (oben Rn 562), treten die Meldungen nach Art. 5 ff. SSR neben sonstige Meldepflichten und Regulierungen im EU-Kapitalmarktrecht (keine verdrängende Wirkung). Dies wird für die Veröffentlichungspflichten zu ShortPositionen bei Umstrukturierungsmaßnahmen nach der EG-Übernahme-Richtlinie vom Art. 6 Abs. 5 SSR ausdrücklich statuiert. Dies gilt allerdings allgemeiner für Veröffentlichungspflichten (etwa nach der 3. und 6. gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie zu Fusionen und Spaltungen) und inhaltliche Regulierungsvorgaben, namentlich auch im Hinblick auf Marktmanipulationen (vgl. bereits oben Rn 562).101 2. (Bloße) Meldung signifikanter Netto-Leerverkaufs- und ungedeckter CDS-Positionen in öffentlichen Schuldtiteln (Art. 7, 8)

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a) Artikel 7: Meldung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen. Für öffentliche Schuldtitel, welche die EU oder ihre Mitgliedstaaten (einschließlich Gliedstaaten und gemeinsame Zweckverbände) begeben, werden nur Meldepflichten an die Aufsichtsbehörde statuiert. Wie bei den Meldepflichten zu Aktien soll es damit der Aufsichtsbehörde erleichtert werden, Marktmissbrauch zu entdecken und Stabilitätsrisiken zu überwachen – freilich nicht mehr solche (primär) der Kreditinstitute und des Kreditwesens, die dann ggf. indirekt auch zu Stabilitätsrisiken für öffentliche Haushalte beitragen, sondern direkt Stabilitätsrisiken dieser Haushalte (vgl. 8. Erwägungsgrund). Daneben besteht nach Art. 26 Abs. 3 MiFIR102 für Wertpapierfirmen die Pflicht zur Meldung von Transaktionen zur Er99 100

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Schlimbach Leerverkäufe, S. 181; Gruber Leerverkäufe, S. 33. Zum genauen Zeitpunkt vgl. BaFin FAQs, Häufige Fragen zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß Art. 5 ff. der EU-LVVO, Frage 10; ESMA, ESMA/2013/ 159, 21, Question 6a; ebenso Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1947); Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (282); Fuchs/Weick-

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Ludewig § 30h WpHG Rn 58; Schlimbach Leerverkäufe, S. 183 f.; Gruber Leerverkäufe, S. 47. Ebenso: Schlimbach Leerverkäufe, S. 176; BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 19–20; vgl. auch KölnKomm/Mock § 30h WpHG Rn 13. Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstru-

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

mittlung von Leerverkäufen gegenüber den zuständigen Behörden (13. Erw.grund). Umgekehrt wird keine Pflicht zur Veröffentlichung der Netto-Leerverkaufspositionen in öffentlichen Schuldtiteln statuiert,103 weil hier die Risiken als größer gesehen werden als die Vorteile, namentlich für Anleihen mit geringer Liquidität.104 Wieder wird die Meldepflicht so breit ausgestaltet, dass auch Derivate und vergleichbare Instrumente in die Berechnung der Short-und Long-Positionen und damit der Netto-Leerverkaufspositionen einbezogen werden (10. Erw.grund) und dass gleichgültig ist, ob der Verpflichtete in der EU ansässig ist (16. Erw.grund). Die Meldepflicht selbst ist von der Struktur her wie diejenige bei Aktien ausgestaltet: 600 Wieder sind Über- und Unterschreiten zu melden, wieder wird eine Ausgangsschwelle und dann ergänzende weitere Schwellen (Intervalle) festgelegt (Abs. 1 und 2). Wieder sind bei jedem Meldefall detailliert Meldungen zu geben (Bestand, Höhe, Person, vgl. unten). Anders als bei der Meldepflicht bei Aktien werden freilich bei öffentlichen Schuldtiteln die Schwellen stärker individualisiert festgelegt, und zwar durch die EU-Kommission (Abs. 2, 3). Diese hat dabei vor allem die Liquidität des jeweiligen Marktes und Schuldtitels (ausstehender Betrag) und die daraus resultierenden Risikostrukturen zu berücksichtigen und Überregulierung bei minimalen Werten zu vermeiden. Diese Festlegung nahm die EUKommission mit Art. 21 Abs. 7 der Delegierten Verordnung Nr. 918/2012 vor und setzte die Ausgangsmeldeschwelle bei Volumina unter 500 Mrd. € angesichts der niedrigen Liquidität auf 0,1 % fest, darüber auch bei 0.5 %. Für die einzelnen Instrumente ist die Zuordnung auf der ESMA-Homepage veröffentlicht (vgl. Abs. 2 S. 2).105 b) Artikel 8: Meldung ungedeckter CDS-Positionen. Die Meldung von CDS-Positio- 601 nen, die ohnehin nur bei öffentlichen Emittenten von Belang sind, unterliegt einem abweichenden Regime. Anders als bei der Meldung von Netto-Leerverkaufspositionen (bei unternehmerischen wie öffentlichen Emittenten) sind keineswegs gedeckte und ungedeckte Positionen einzubeziehen, sondern stets nur ungedeckte Positionen. Und auch bei diesen bildet das Transparenzregime nur eine „Ersatzregel“. Primär ist zwischen gedeckten und ungedeckten CDS-Positionen zu differenzieren (nach der bestehenden oder fehlenden Absicherungszielrichtung des Arrangements, vgl. hierzu Art. 4 SRR und oben Rn 591–592) und sind dann die ungedeckten CDS-Positionen (ohne Absicherungszielrichtung) grds. verboten (Art. 14 Abs. 1 SSR, unten Rn 617). Nur wenn ausnahmsweise dieses (vorrangige) Verbot in Art. 14 Abs. 1 SSR (die „Beschränkung“) im Interesse des betroffenen öffentlichen Emit-

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mente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012. ABl. EU 2014 L 173/84. Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 21; Schlimbach Leerverkäufe, S. 177 f.; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 563. Teils kritisch Juurikka 9 ECFR (2012) 307 (317 f.); zustimmend hingegen (teils: bei öffentlichen Schuldnern Informationsbedürfnis für Marktteilnehmer auch kleiner): Schlimbach Leerverkäufe, S. 177 f.; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 563. Die allgemeine Befürchtung negativer Auswirkungen auf die Liquidität war bereits im CESR-Vorschlag geäußert worden: CESR/10–088, 8 Nr. 32 und basierte auf empirischen Untersuchungen maßgeblich von Wyman The effects of short selling public di-

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sclosure regimes on equity markets: A comparative analysis of US and European markets (2010) 4, abrufbar unter http://www. oliverwyman.com/content/dam/oliverwyman/global/en/files/archive/2010/OW_ EN_FS_2010_ShortSelling_PublicDisclo sureRegimes.pdf; dazu auch Elineau 8 International Law and Management Review 61 (74 f.) (2012). Vgl. 8. Erw.grund; sowie (auch für die ungleich stärker einzelfallbezogene Anwendung): Schlimbach Leerverkäufe, S. 177 f.; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 563; und noch unten Rn 616. Vgl. https://www.esma.europa.eu/net-shortposition-notification-thresholds-sovereignissuers.

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6. Teil. Marktregeln

tenten ausgesetzt wird, namentlich bei zu geringerer Marktliquidität und dadurch erhöhten Kreditaufnahmekosten (vgl. Art. 14 Abs. 2 SSR und unten Rn 618), lebt zumindest die Meldepflicht auf (Art. 8 SSR). Sie soll es der zuständigen Behörde erleichtern, die Marktmanipulations- und Stabilitätsrisiken, die aus dem Aussetzen des Verbots resultieren können, zumindest frühzeitig zu erkennen.106 Greift die Meldepflicht ein, gelten die Schwellen wie bei Netto-Leerverkaufspositionen in öffentlichen Schuldtiteln (vorige Rn). 3. Melde- und Offenlegungsverfahren und Weitergabe an ESMA (Art. 9–11)

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a) Artikel 9, 10: Melde- und Offenlegungsverfahren. Das Melde- und Offenlegungsverfahren, vor allem auch die Inhalte, regelt Art. 9 SRR i.V.m. Art. 2, 3 Technischer Regulierungsstandard Nr. 826/2012 und Art. 2 Technischer Durchführungsstandard Nr. 827/ 2012 (jeweils mit Musterbeispielen im Anhang) – während Art. 10 SSR nur (nochmals) festhält, dass die Ansässigkeit des Verpflichteten unerheblich ist, weil der maßgebliche Anknüpfungspunkt der Zulassungsmarkt in der EU ist (bei den Aktien) bzw. ein öffentlicher Schuldner in der EU (bei den öffentlichen Schuldtiteln, näher oben Rn 581–582). Der Inhalt von Meldung und Offenlegung ist so detailliert vorgegeben, dass die maßgeblichen Informationsbedürfnisse befriedigt werden. Aufzulisten sind Inhaber der Position, Emittent und Umfang derselben, Zeitpunkt der Begründung und Auflösung (Abs. 1; mit Aufzeichnungspflichten über 5 Jahre),107 wobei nicht kontinuierlich zu rechnen ist, sondern als Berechnungszeitpunkt aus Vereinfachungsgründen jeweils der Abschluss des Handelstages (24 Uhr im jeweiligen Mitgliedstaat) zugrunde zu legen ist (Abs. 2). Entscheidend ist die Netto-Leerverkaufsposition, namentlich die Berechnung nach Art. 3 SSR (unter Einbeziehung auch der CDS-Positionen (vgl. 14. Erw.grund, näher oben Rn 588–590). Wiederholt wird, dass es nicht darauf ankommt, an welchem Ort und in welcher Form die Position begründet wird, dass also allein das Halten der Netto-Leerverkaufsposition als Ergebnis maßgeblich ist.108 603 Verfahrensvorgaben gehen dahin, dass Meldung und Offenlegung bis 15:30 des Folgetages zu erfolgen haben (alles Abs. 2), dass im Meldeverfahren die Vertraulichkeit ebenso wie die sichere Zuordnungsmöglichkeit zu gewährleisten sind (Abs. 3)109 und dass im Offenlegungsverfahren eine für alle diskriminierungsfreie Veröffentlichungsform zu wählen ist, also insbesondere keine allein/primär für professionelle Kreise eingerichtete Medien zu verwenden sind.110 Ohnehin soll die schnelle und allgemeine Zugänglichkeit dadurch ge-

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Zur Meldepflicht nach Art. 8 SRR näher Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 560; knapp auch Bierwirth RdF 2013, 104 (105, 107); Krüger/ Ludewig WM 2012, 1942 (1947); Mülbert/ Sajnovits ZBB 2012, 266 (276); Just/Voß/ Ritz/Becker/von Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 63; Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 47; Heidel/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 23; Benzler/Brunner-Reumann Zivilrechtliche Einordnung von Kreditderivaten, in: Burghof/Rudolph/Schäfer/Schönbucher/Sommer (Hrsg.), Kreditderivate, S. 333 (355); Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 30. Vgl. 11. Erw.grund. Hierzu näher Krüger/ Ludewig WM 2012, 1942 (1944); Schlimbach Leerverkäufe, S. 183 f.; auch Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 26.

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Hierzu auch Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1945); auch Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 26. Zu den hier einzusetzenden Mechanismen vertiefend für die BaFin Schlimbach Leerverkäufe, S. 183 f.; BaFin FAQs, Häufige Fragen zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß Art. 5 ff. der EU-LVVO. Zu den hier einzusetzenden Mechanismen vertiefend Schlimbach Leerverkäufe, S. 183 vgl. auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 564. Veröffentlichungen sind danach zur Gewährleistung der Mechanismen auf der Seite des Bundes anzeigers vorzunehmen: https://www. bundesanzeiger.de/ebanzwww/wexsservlet? page.navid=to_nlp_start.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

währleistet werden, dass die Informationen auf der Website der zuständigen Behörde vorgehalten werden, diese alle nochmals verknüpft und gesammelt auf der ESMA-Website (alles Abs. 4).111 Die nach Abs. 5 und 6 vorgesehenen technischen Durchführungs- und technischen Regulierungsstandards wurden am 29.6.2012 erlassen.112 b) Artikel 11: Bereitstellung vertiefender Information an die ESMA. Sowohl für die 604 langfristige Fortentwicklung des Leerverkaufsregimes als auch für kurzfristige Koordinierungsaufgaben und direkte Eingriffe im Einzelfall benötigt die ESMA die Informationen, die den zuständigen nationalen Behörden mit den Meldungen nach Art. 5–9 SSR verfügbar gemacht wurden. Routinemäßig und gesammelt müssen die nationalen Behörden daher diese Informationen vierteljährig übermitteln (Abs. 1),113 die ESMA kann sie jedoch auch ohne weitere Begründung im Einzelfall anfordern und sie sind in diesem Fall innerhalb von sieben Kalendertagen zu übermitteln, im Krisenfall innerhalb von 24 Stunden (Abs. 2).114 Die nach Abs. 3 und 4 vorgesehenen technischen Durchführungs- und technischen Regulierungsstandards wurden am 29.6.2012 erlassen.115

IV. Zwingende Absicherungskautelen bei ungedeckten Leerverkäufen und diesbezügliche Anforderungen an zentrale Gegenparteien (Art. 12–15)

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Kapitel III Ungedeckte Leerverkäufe Artikel 12 Beschränkung ungedeckter Leerverkäufe in Aktien (1) Eine natürliche oder juristische Person kann eine zum Handel an einem Handelsplatz zugelassene Aktie nur dann leer verkaufen, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist: a) die natürliche oder juristische Person hat die Aktie geliehen oder hat alternative Vorkehrungen getroffen, die zu gleichen rechtlichen Ergebnissen führen; b) die natürliche oder juristische Person hat bezüglich der Aktie eine Leihvereinbarung getroffen oder hat einen vertragsrechtlich oder eigentumsrechtlich unbedingt durchsetzbaren Anspruch auf Übertragung des Eigentums an einer entsprechenden Anzahl von Wertpapieren derselben Gattung, so dass das Geschäft bei Fälligkeit abgewickelt werden kann; c) die natürliche oder juristische Person hat von einem Dritten die Zusage erhalten, dass die Aktie lokalisiert wurde, und dass dieser Dritte die Maßnahmen gegenüber Dritten ergriffen hat,

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Vgl. für die BaFin https://www.bafin.de/DE/ DieBaFin/Service/MVPportal/NettoLeerverkauf/NettoLeerverkauf_node.html; und für die ESMA https://www.esma.europa.eu/ sites/default/files/library/ssr_websites_ss_ positions.pdf. Vgl. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 826/2012 der Kommission vom 29.6.2012, ABl.EU 2012 L 251/1 sowie Durchführungsverordnung (EU) Nr. 827/2012 der Kommission vom 29.6.2012, ABl.EU 2012 L 251/11 (Fn 43). Hierzu und den Zielen dieser periodischen Informationsübermittlung Fuchs/WeickLudewig § 30h WpHG Rn 49; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 564; vgl. auch Art. 21 der Delegierten VO (EU) Nr. 918/2012 (Fn 41). Konkrete Vorga-

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ben zum Verfahren und zur Form enthalten Art. 2 und Art. 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 827/2012. Hierzu (insbesondere auch der Definition der Krisensituationen, die der des Art. 30 SSR i.V.m. Art. 24 der Delegierten VO (EU) Nr. 918/2012 entspricht) näher Gruber Leerverkäufe, S. 51 und S. 64 f. sowie Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 564 Fn 300; Schlimbach Leerverkäufe, S. 196 f. Vgl. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 826/2012 der Kommission vom 29.6. 2012, ABl.EU 2012 L 251/1 sowie Durchführungsverordnung (EU) Nr. 827/2012 der Kommission vom 29.6.2012, ABl.EU 2012 L 251/11 (Fn 43).

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6. Teil. Marktregeln die dafür notwendig sind, dass die natürliche oder juristische Person berechtigterweise erwarten kann, dass das Geschäft bei Fälligkeit abgewickelt werden kann. (2) Um einheitliche Bedingungen für die Anwendung von Absatz 1 zu gewährleisten, arbeitet die ESMA Entwürfe technischer Durchführungsstandards aus, in denen festgelegt wird, welche Arten von Vereinbarungen, Zusagen und Maßnahmen angemessen gewährleisten, dass eine Aktie für die Abwicklung des Geschäfts verfügbar sein wird. Bei der Festlegung, welche Maßnahmen notwendig sind, damit berechtigterweise erwartet werden kann, dass das Geschäft bei Fälligkeit abgewickelt werden kann, berücksichtigt die ESMA unter anderem den Innertageshandel und die Liquidität der Aktien. Die ESMA legt der Kommission bis spätestens 31. März 2012 Entwürfe dieser technischen Durchführungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis zum Erlass der in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 übertragen. Artikel 13 Beschränkung ungedeckter Leerverkäufe von öffentlichen Schuldtiteln (1) Eine natürliche oder juristische Person kann einen öffentlichen Schuldtitel nur dann leer verkaufen, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist: a) die natürliche oder juristische Person hat den öffentlichen Schuldtitel geliehen oder hat alternative Vorkehrungen mit vergleichbarer rechtlicher Wirkung getroffen; b) die natürliche oder juristische Person hat bezüglich des öffentlichen Schuldtitels eine Leihvereinbarung getroffen oder hat einen vertragsrechtlich oder eigentumsrechtlich unbedingt durchsetzbaren Anspruch auf Übertragung des Eigentums an einer entsprechenden Anzahl von Wertpapieren derselben Gattung, so dass das Geschäft bei Fälligkeit abgewickelt werden kann, oder c) die natürliche oder juristische Person hat von einem Dritten die Zusage erhalten, dass der öffentliche Schuldtitel lokalisiert wurde, oder kann aus anderen Gründen berechtigterweise erwarten, dass das Geschäft bei Fälligkeit abgewickelt werden kann. (2) Die in Absatz 1 genannten Beschränkungen gelten nicht, wenn das Geschäft dazu dienen soll, eine Long-Position in Schuldinstrumenten eines Emittenten abzusichern, deren Kurse eine hohe Korrelation mit den Kursen der betreffenden öffentlichen Schuldtitel aufweisen. (3) Falls die Liquidität im Zusammenhang mit öffentlichen Schuldtiteln unter den gemäß der Methode nach Absatz 4 ermittelten Schwellenwert sinkt, können die in Absatz 1 genannten Beschränkungen von der jeweils zuständigen Behörde vorübergehend aufgehoben werden. Die jeweils zuständige Behörde meldet der ESMA und den anderen zuständigen Behörden vorab die geplante vorübergehende Aufhebung dieser Beschränkungen. Eine Aufhebung gilt zunächst für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten ab dem Tag ihrer Bekanntgabe auf der Website der jeweils zuständigen Behörde. Die Aufhebung kann um Zeiträume von jeweils höchstens sechs Monaten verlängert werden, sofern die Gründe für die Aufhebung weiterhin gegeben sind. Die Aufhebung endet automatisch, sofern sie nicht nach Ablauf des ursprünglichen Zeitraums oder jedwedem darauf folgenden Verlängerungszeitraum verlängert wird. Die ESMA nimmt innerhalb von 24 Stunden nach der Meldung durch die jeweils zuständige Behörde auf der Grundlage des Absatzes 4 zu der gemeldeten vorübergehenden Aufhebung oder deren Verlängerung Stellung. Die Stellungnahme wird auf der Website der ESMA veröffentlicht. (4) Die Kommission nimmt delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 42 an, mit denen die Parameter und Methoden zur Berechnung der in Absatz 3 des vorliegenden Artikels genannten Liquiditätsschwelle in Bezug auf die ausgegebenen öffentlichen Schuldtitel festgelegt werden. Die Parameter und Methoden, nach denen die Mitgliedstaaten den Schwellenwert zu berechnen haben, sind so festzulegen, dass sein Erreichen einem erheblichen Rückgang im Vergleich zu dem durchschnittlichen Liquiditätsniveau für die betreffenden öffentlichen Schuldtitel entspricht. Der Schwellenwert wird anhand objektiver, für den betreffenden Markt für öffentliche Schuldtitel spezifischer Kriterien festgelegt, einschließlich des ausstehenden Gesamtbetrags der ausgegebenen öffentlichen Schuldtitel jedes öffentlichen Emittenten.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks (5) Um einheitliche Bedingungen für die Anwendung von Absatz 1 zu gewährleisten, kann die ESMA Entwürfe technischer Durchführungsstandards ausarbeiten, in denen festgelegt wird, welche Arten von Vereinbarungen oder Zusagen angemessen gewährleisten, dass ein öffentlicher Schuldtitel für die Abwicklung des Geschäfts verfügbar sein wird. Die ESMA berücksichtigt insbesondere die Notwendigkeit einer ausreichenden Liquidität der Märkte, vor allem der Märkte für öffentliche Anleihen und der Rückkaufsmärkte für öffentliche Anleihen. Die ESMA legt der Kommission bis spätestens 31. März 2012 die Entwürfe dieser technischen Durchführungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis zum Erlass der in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 übertragen. Artikel 14 Beschränkungen für ungedeckte Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel (1) Eine natürliche oder juristische Person kann Transaktionen mit Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel nur dann vornehmen, wenn diese Transaktionen nicht zu ungedeckten Positionen in Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel gemäß Artikel 4 führen. (2) Eine zuständige Behörde kann vorübergehend die in Absatz 1 aufgeführten Beschränkungen aufheben, wenn sie objektive Gründe für die Annahme hat, dass der Markt für öffentliche Schuldtitel, für den sie zuständig ist, nicht ordnungsgemäß funktioniert und dass sich solche Beschränkungen insbesondere durch erhöhte Kreditaufnahmekosten für öffentliche Emittenten oder eine Beeinträchtigung ihrer Fähigkeit, neue Schuldtitel zu emittieren, negativ auf den Markt für Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel auswirken könnten. Diese Gründe stützen sich auf die folgenden Indikatoren: a) hohe oder steigende Zinsen des öffentlichen Schuldtitels; b) größer werdende Zinsmargen des öffentlichen Schuldtitels im Vergleich zu öffentlichen Schuldtiteln anderer öffentlicher Emittenten; c) größer werdende Margen von Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel im Vergleich zur eigenen Kurve und zu anderen öffentlichen Emittenten; d) die Zeitdauer für die Rückkehr des Preises des öffentlichen Schuldtitels zum ursprünglichen Gleichgewicht nach einer umfangreichen Transaktion; e) den Umfang der handelbaren öffentlichen Schuldtitel. Die zuständige Behörde kann auch auf andere Indikatoren als die in den Unterabsatz 1 Buchstaben a bis e aufgeführten Indikatoren zurückgreifen. Vor der Aufhebung von Beschränkungen gemäß diesem Artikel meldet die jeweils zuständige Behörde der ESMA und den anderen zuständigen Behörden die vorgeschlagene Aufhebung und die Gründe, auf die diese sich stützt. Eine Aufhebung gilt zunächst für einen Zeitraum von höchstens 12 Monaten ab dem Tag ihrer Bekanntgabe auf der Website der jeweils zuständigen Behörde. Sie kann um Zeiträume von höchstens sechs Monaten verlängert werden, sofern die Gründe für die Aufhebung weiterhin gegeben sind. Die Aufhebung endet automatisch, sofern sie nicht nach Ablauf des ursprünglichen Zeitraums oder jedwedem darauf folgenden Verlängerungszeitraum verlängert wird. Die ESMA gibt innerhalb von 24 Stunden nach der Meldung der betreffenden zuständigen Behörde eine Stellungnahme zu der beabsichtigten Aufhebung oder deren Verlängerung ab, unabhängig davon, ob die Aufhebung durch die zuständige Behörde auf den in Unterabsatz 1 Buchstaben a bis e dargelegten Indikatoren oder auf anderen Indikatoren beruht. Wenn die beabsichtigte Aufhebung oder deren Verlängerung auf Unterabsatz 2 beruht, so enthält diese Stellungnahme außerdem eine Beurteilung der von der zuständigen Behörde verwendeten Indikatoren. Die Stellungnahme wird auf der Website der ESMA veröffentlicht. Artikel 15 Eindeckungsverfahren (vgl. Rn 619) (1) Eine zentrale Gegenpartei in einem Mitgliedstaat, die Clearingdienste für Aktien erbringt, stellt sicher, dass sie über Verfahren verfügt, die allen nachfolgend aufgeführten Anforderungen entsprechen: a) Ist eine natürliche oder juristische Person, die Aktien verkauft, nicht in der Lage, die Aktien innerhalb von vier Geschäftstagen nach dem Tag, an dem die Abwicklung fällig ist, zur Ab-

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6. Teil. Marktregeln wicklung des Geschäfts zu liefern, so werden automatisch Verfahren zur Eindeckung mit den Aktien in Gang gesetzt, um sicherzustellen, dass diese zur Abwicklung des Geschäfts geliefert werden; b) ist eine Eindeckung mit den Aktien zum Zwecke der Lieferung nicht möglich, so wird ein Betrag an den Käufer geleistet, dessen Höhe sich nach dem am Fälligkeitstag der Lieferung bestehenden Wert der zu liefernden Aktien, zuzüglich eines Betrags zur Entschädigung für Verluste des Käufers aufgrund der Nichtabwicklung des Geschäfts, richtet, und c) die natürliche oder juristische Person, an der die Abwicklung des Geschäfts scheitert, ersetzt alle gemäß den Buchstaben a und b gezahlten Beträge. (2) Eine zentrale Gegenpartei in einem Mitgliedstaat, die Clearingdienste für Aktien erbringt, stellt sicher, dass sie über Verfahren verfügt, die gewährleisten, dass natürliche oder juristische Personen, die am Handelsplatz Aktien verkaufen und nicht in der Lage sind, die Aktien zur Abwicklung des Geschäfts zum Fälligkeitsdatum der Geschäftsabwicklung zu liefern, für jeden Tag, an dem das Geschäft nicht abgewickelt werden kann, eine Zahlung leisten müssen. Die täglichen Zahlungen werden so hoch angesetzt, dass vom Scheitern der Geschäftsabwicklung eine abschreckende Wirkung auf natürliche oder juristische Personen ausgeht. CSDR – Artikel 7: Maßnahmen gegen gescheiterte Abwicklungen (1) Ein Zentralverwahrer führt für jedes von ihm betriebene Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem ein System zur Überwachung gescheiterter Abwicklungen von Geschäften mit den Finanzinstrumenten im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 ein. Er meldet der zuständigen Behörde und den betreffenden Behörden regelmäßig die Zahl gescheiterter Abwicklungen, diesbezügliche Angaben und sonstige relevante Informationen, einschließlich der von den Zentralverwahrern und ihren Teilnehmern zur Verbesserung der Abwicklungseffizienz vorgesehenen Maßnahmen. Diese Meldungen werden von den Zentralverwahrern in aggregierter und anonymer Form jährlich veröffentlicht. Die zuständigen Behörden bringen der ESMA relevante Informationen über gescheiterte Abwicklungen zur Kenntnis. (2) Ein Zentralverwahrer führt für jedes von ihm betriebene Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem Verfahren ein, die die Abwicklung von Geschäften mit Finanzinstrumenten im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 erleichtern, die nicht am vorgesehenen Abwicklungstag abgewickelt werden. Im Rahmen dieser Verfahren ist als wirksamer Sanktionsmechanismus für Teilnehmer, die die gescheiterten Abwicklungen verursachen, ein Sanktionsmechanismus vorzusehen. Bevor ein Zentralverwahrer die Verfahren nach Unterabsatz 1 einführt, hört er die einschlägigen Handelsplätze und zentralen Gegenparteien an, für die er die Abwicklungsdienste erbringt. Der Sanktionsmechanismus nach Unterabsatz 1 umfasst Geldbußen für Teilnehmer, die gescheiterte Abwicklungen verursachen („ausfallende Teilnehmer“). Die Geldbußen werden täglich für jeden Geschäftstag nach dem vorgesehenen Abwicklungstag, an dem ein Geschäft nicht abgewickelt wird, bis zum Ende des Eindeckungszeitraums nach Absatz 3 aber nicht länger als bis zum tatsächlichen Abwicklungstag berechnet. Die Geldbußen dürfen nicht als Einnahmequelle für den Zentralverwahrer eingerichtet werden. (3) Unbeschadet des Sanktionsmechanismus gemäß Absatz 2 und des Rechts, das Geschäft bilateral zu stornieren, wenn ein ausfallender Teilnehmer dem empfangenden Teilnehmer Finanzinstrumente im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 nicht innerhalb von vier Geschäftstagen nach dem vorgesehenen Abwicklungstag („Verlängerungszeitraum“) liefert, wird ein Eindeckungsvorgang eingeleitet, in dessen Folge die betreffenden Instrumente für die Abwicklung zur Verfügung stehen und dem Empfänger innerhalb eines angemessenen Zeitraums geliefert werden. Bezieht sich das Geschäft auf ein Finanzinstrument, das an einem KMU-Wachstumsmarkt gehandelt wird, beträgt der Verlängerungszeitraum 15 Tage, sofern der KMU-Wachstumsmarkt nicht beschließt, einen kürzeren Zeitraum anzuwenden. (4) Für die Vorschrift nach Absatz 3 gelten die folgenden Ausnahmen: a) Je nach Art der Vermögenswerte und Liquidität der betreffenden Finanzinstrumente kann der Verlängerungszeitraum von vier auf bis zu sieben Geschäftstage verlängert werden, wenn ein kürzerer Verlängerungszeitraum das reibungslose und ordnungsgemäße Funktionieren der betroffenen Finanzmärkte beeinträchtigen würde.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks b) Im Fall von Transaktionen, die aus mehreren Geschäften bestehen, wie Wertpapierpensionsgeschäfte oder Wertpapierdarlehen, gilt der Eindeckungsvorgang nach Absatz 3 nicht, wenn der Zeitrahmen der betreffenden Transaktionen hinreichend kurz ist und den Eindeckungsvorgang wirkungslos macht. (5) Unbeschadet des Absatzes 7 gelten die Ausnahmen nach Absatz 4 nicht für Geschäfte mit Aktien, wenn diese Geschäfte von einer zentralen Gegenpartei gecleart werden. (6) Unbeschadet des in Absatz 2 genannten Sanktionsmechanismus bezahlt der ausfallende Teilnehmer, für den Fall, dass der zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses vereinbarte Preis der Aktien über dem Preis liegt, der für die Durchführung der Eindeckung gezahlt wurde, dem empfangenden Teilnehmer spätestens am zweiten Geschäftstag, nachdem die Finanzinstrumente infolge der Eindeckung geliefert wurden, den jeweiligen Differenzbetrag. (7) Scheitert die Eindeckung oder erweist sie sich als unmöglich, hat der empfangende Teilnehmer die Wahl zwischen einer an ihn gezahlten Entschädigung oder einem Aufschub der Durchführung der Eindeckung auf einen angemessenen späteren Zeitpunkt („Aussetzungszeitraum“). Werden die entsprechenden Finanzinstrumente dem empfangenden Teilnehmer nicht bis zum Ende des Aussetzungszeitraums geliefert, wird die Entschädigung gezahlt. Die Entschädigung wird dem empfangenden Teilnehmer spätestens am zweiten Geschäftstag nach entweder dem Ablauf des Eindeckungsvorgangs gemäß Absatz 3 oder dem Aussetzungszeitraum, wenn der Aussetzungszeitraum gewählt wurde, gezahlt. (8) Der ausfallende Teilnehmer erstattet der Stelle, die die Eindeckung vornimmt, sämtliche gemäß den Absätzen 3, 4 und 5 gezahlten Beträge, einschließlich jeglicher durch die Eindeckung entstehenden Ausführungsgebühren. Den Teilnehmern werden diese Gebühren klar und verständlich bekanntgegeben. (9) Zentralverwahrer, zentrale Gegenparteien und Handelsplätze legen Verfahren fest, nach denen sie – in Absprache mit ihrer jeweiligen zuständigen Behörde – jeden Teilnehmer, der es fortlaufend und systematisch versäumt, Finanzinstrumente im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 am vorgesehenen Abwicklungstag zu liefern, suspendieren und seine Identität bekanntgeben können, jedoch erst, nachdem sie ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben, und nachdem die zuständigen Behörden des Zentralverwahrers, der zentralen Gegenparteien und der Handelsplätze sowie diejenigen des betreffenden Teilnehmers in gebührender Form unterrichtet wurden. Neben der Absprache vor einer Suspendierung zeigen Zentralverwahrer, zentrale Gegenparteien und Handelsplätze der jeweiligen zuständigen Behörden die Suspendierung eines Teilnehmers unverzüglich an. Die zuständige Behörde unterrichtet unverzüglich die betreffenden Behörden von der Suspendierung eines Teilnehmers. Personenbezogene Daten im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 95/46/EG sind nicht Teil der Bekanntmachung der Suspendierung. (10) Die Absätze 2 bis 9 gelten für alle Geschäfte mit Finanzinstrumenten im Sinne des Artikels 5 Absatz 1, die zum Handel zugelassen sind oder an einem Handelsplatz gehandelt oder von einer zentralen Gegenpartei gecleart werden, wie folgt: a) Bei Geschäften, die von einer zentralen Gegenpartei gecleart werden, ist die zentrale Gegenpartei die Stelle, die die Eindeckung nach den Absätzen 3 bis 8 vornimmt. b) Bei Geschäften, die nicht von einer zentralen Gegenpartei gecleart, aber an einem Handelsplatz ausgeführt werden, verpflichtet der Handelsplatz seine Mitglieder und seine Teilnehmer in internen Regeln, die Maßnahmen nach den Absätzen 3 bis 8 anzuwenden. c) Bei allen anderen Geschäften als solchen, die unter die Buchstaben a und b dieses Unterabsatzes fallen, verpflichten die Zentralverwahrer ihre Teilnehmer in ihren internen Regeln, die Maßnahmen nach den Absätzen 3 bis 8 gegen sich gelten zu lassen. Ein Zentralverwahrer liefert zentralen Gegenparteien und Handelsplätzen die erforderlichen Abwicklungsinformationen, damit diese ihre Verpflichtungen nach diesem Absatz erfüllen können. Unbeschadet der Buchstaben a, b und c des Unterabsatzes 1 dürfen Zentralverwahrer bei Mehrfach-Abwicklungsanweisungen die Ausführung von Eindeckungen nach diesen Buchstaben, die sich auf dieselben Finanzinstrumente und dasselbe Ablaufdatum der Ausführungsfrist bezie-

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6. Teil. Marktregeln hen, überwachen, um die Zahl der auszuführenden Eindeckungen und die damit verbundene Auswirkung auf die Preise der betreffenden Finanzinstrumente so gering wie möglich zu halten. (11) Die Absätze 2 bis 9 gelten nicht für ausfallende Teilnehmer, die zentrale Gegenparteien sind. (12) Die Absätze 2 bis 9 gelten nicht, wenn gegen den ausfallenden Teilnehmer ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. (13) Dieser Artikel findet keine Anwendung, wenn sich der Haupthandelsplatz der Aktien in einem Drittland befindet. Der Ort des Haupthandelsplatzes der Aktien wird im Einklang mit Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 festgelegt. (14) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 67 zu erlassen, um Parameter für die Berechnung abschreckender und der Art des Vermögenswerts, der Liquidität des Finanzinstruments und der Art des Geschäfts angemessener Geldbußen im Sinne von Absatz 2 Unterabsatz 3 festzulegen, durch die ein hohes Maß an Abwicklungsdisziplin und ein reibungsloses und ordnungsgemäßes Funktionieren der betroffenen Finanzmärkte sichergestellt wird. (15) Die ESMA arbeitet in enger Abstimmung mit den Mitgliedern des ESZB Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, in denen Folgendes festgelegt wird: a) die Einzelheiten des Systems zur Überwachung gescheiterter Abwicklungen und der Meldungen gescheiterter Abwicklungen gemäß Absatz 1; b) die Verfahren zum Einzug und zur Umverteilung von Geldbußen und anderen potenziellen Erlösen aus solchen Sanktionen gemäß Absatz 2; c) die operativen Einzelheiten des geeigneten Eindeckungsvorgangs gemäß den Absätzen 3 bis 8, einschließlich angemessener Zeitrahmen für die Lieferung des Finanzinstruments infolge des Eindeckungsvorgangs nach den Absätzen 3 bis 8. Bei der Berechnung derartiger Zeitrahmen werden die Art des Vermögenswerts und die Liquidität der Finanzinstrumente berücksichtigt; d) die Umstände, unter denen der Verlängerungszeitraum je nach Art des Vermögenswerts und der Liquidität der Finanzinstrumente im Einklang mit den Bedingungen nach Absatz 4 Buchstabe a und unter Berücksichtigung der Kriterien des Artikels 2 Absatz 1 Nummer 17 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 zur Bewertung der Liquidität verlängert werden könnte; e) die Art von Transaktionen und ihr jeweiliger Zeitrahmen nach Absatz 4 Buchstabe b, der eine Eindeckung wirkungslos macht; f) eine Methodik für die Berechnung der Entschädigungszahlung nach Absatz 7; g) die Umstände, unter denen davon ausgegangen wird, dass ein Teilnehmer es fortlaufend und systematisch versäumt, die Finanzinstrumente nach Absatz 9 zu liefern, und h) die erforderlichen Abwicklungsinformationen nach Absatz 10 Unterabsatz 2. Die ESMA übermittelt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 18. Juni 2015. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die technischen Regulierungsstandards nach Unterabsatz 1 gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen.

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1. Überblick zum Absicherungs- und Beschränkungsregime. Neben das breite Transparenzregime tritt als zweiter (und dritter) Pfeiler ein Beschränkungs- und Absicherungsregime mit inhaltlichen Vorgaben und Grenzen. Folgende Elemente sind darin zu unterscheiden. Das Herz des regulären und tatbestandlich ausformulierten Regimes (der 4. Erw.grund spricht von „dauerhaften Maßnahmen“) bilden einerseits Art. 12–14 SSR, in denen Leerverkäufe auf Aktien und öffentliche Schuldtitel nur bei Vorliegen konkreter Eindeckungsvorkehrungen zugelassen werden (und CDS auf öffentliche Schuldtitel nur bei nachweisbarer Absicherungszielsetzung), und andererseits Art. 15 SSR, heute (mit erweitertem Anwendungsbereich und Art. 15 SSR ersetzend) Art. 7 CSDR, die beide (inhaltlich praktisch identisch) dem Risiko, dass der Leerverkäufer mit seinen Lieferpflichten ausfällt, damit begegnen, dass zwingend die Intervention einer zentralen Gegenpartei vorgesehen wird.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

In diesem (selbst mehrschichtigen) regulären Regime spiegelt sich also die stets als zen- 607 tral herausgestellte Unterscheidung zwischen gedeckten und ungedeckten Leerverkäufen wieder.116 Zugleich ist das Regime damit fokussiert auf vor allem zwei Risiken, auf die Stabilitätsrisiken (durch ungedeckte Leerverkäufe, ggf. auch durch Lieferausfall) sowie auf die Ausfallrisiken (bei gedeckten, jedoch nicht erfüllten Leerverkäufen, d.h. bei Lieferausfall).117 Hinzu tritt – jedenfalls als Reflex – ein Einzelemittentenschutz, weil die Manipulationsgefahr bei ungedeckten Leerverkäufen als größer gesehen wird.118 Zum Verständnis der Gesamtregelung in der EU-Leerverkaufs-Verordnung und ihres Aufbaus ist es hilfreich, nochmals deutlich zu machen, dass zwar die Unterscheidung zwischen gedeckten und ungedeckten Leerverkäufen zentral wichtig ist, dem Regime jedoch eine Dreiteilung zugrunde liegt: mit einer Unterscheidung zwischen (i) Transaktionen, die nicht als Leerverkäufe zu qualifizieren sind, und (ii/iii) Leerverkäufen. Die erstgenannte Unterscheidung ist zentral bei den Begriffsbestimmungen (Art. 2 Ab. 1 lit. b SSR, oben Rn 576–579) – mit der Folge, dass bei Fehlen eines Leerverkaufs die SSR gar nicht zur Anwendung kommt, auch nicht ihr Transparenzregime – etwa nicht, wenn der Verkäufer bereits Eigentum hat, aber auch wenn der „Leerverkauf“ als Termingeschäft ausgestaltet ist und als solches an einer spezialisierten (Termin-)Börse abgewickelt wird und Sonderregeln unterliegt. Im Kreise der Leerverkäufe ist dann zwischen (ii) gedeckten Leerverkäufen (mit Eindeckungsarrangements gemäß Art. 12, 13 SSR) und (iii) ungedeckten Leerverkäufen (ohne solche Arrangements) zu unterscheiden. Diese Unterscheidung wird jedoch nicht bereits in den Begriffsbestimmungen, namentlich Art. 2 Abs. 1 lit. b) SSR angelegt, sondern ist aus Art. 12 ff. SSR abzuleiten und entfaltet hier regulatorische Wirkung. Das hier statuierte „Verbot“ bezieht sich: 1) auf ungedeckte Leerverkäufe in Aktien, die zu geregelten oder (über das vorherige deutsche Recht hinausgehend) multilateralen Handelssystemen zugelassen sind (Art. 12 SSR); 2) auf ungedeckte Leerverkäufe von öffentlichen Schuldtiteln (Staatsanleihen, Art. 13 SSR); und 3) auf ungedeckte Credit Default Swaps (Art. 14 SSR) (Ausnahme jeweils bei Market-Making Tätigkeiten nach Art. 17 SSR). Neben das (reguläre) Transparenzregime und das reguläre Beschränkungs- und Ab- 608 sicherungsregime (Art. 12–15 SSR) tritt als weiterer (dritter) Pfeiler ein Regime aus Eingriffsbefugnissen der Aufsichtsbehörden (einschließlich ESMA) im Einzelfall – bezogen allein auf Ausnahmesituationen und mit beschränkter Dauer (Art. 20 ff. SSR, unten Rn 637– 643).

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Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 2; Tritschler Leerverkäufe, S. 29; Gruber Leerverkäufe, S. 8; Schlimbach Leerverkäufe, S. 11; Heidel/ Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 11; Stage in Grimm/Ladler (Hrsg.), EU-Recht im Spannungsverhältnis zu den Herausforderungen im Internationalem Wirtschaftsrecht, S. 69 (78 ff.). Zur Abgrenzung zwischen ungedeckten und gedeckten Leerverkäufen sowie zur Beschränkung der Verbotsregelung auf Erstere: Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (auch zur dennoch bestehenden Erstreckungsmöglichkeit in Ausnahmefällen, Art. 23 EU-VO); Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266.

117 118

18. Erw.grund; Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 2 und 14. Schlimbach Leerverkäufe, S. 47–49; Gruber Leerverkäufe, S. 13; Kampshoff, Regulierung von Leerverkäufen in der Krise, S. 46 f. Bei unternehmerischen Emittenten freilich (wie das reguläre Transparenzregime) wiederum nur auf Aktien bezogen – ergänzt freilich umgekehrt wiederum um den Schutz bei starken Kursausschlägen in Art. 23 SSR (gleichgültig ob bei Schuldverschreibungen oder Aktien, auch gleichgültig, ob durch gedeckte oder ungedeckte Leerverkäufe ausgelöst, Ersteres jedoch unwahrscheinlich).

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6. Teil. Marktregeln

2. Artikel 12: Zwingende Absicherungskautelen bei ungedeckten Leerverkäufen in Aktien

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a) Grundmechanismus: Ungedeckter Leerverkauf nur bei Absicherung. Art. 12, 13 beschränken allein die sog. ungedeckten Leerverkäufe („naked short-sales“), die in Europa und Deutschland (anders als in den USA) ohnehin keine überragende praktische Bedeutung haben,119 nicht die sog. gedeckten Leerverkäufe, die vielmehr als gerechtfertigt eingeordnet werden. Bei Letzteren verpflichtet sich der Verkäufer nur zum Verkauf von Instrumenten, die er im Wege der Wertpapierleihe bereits entliehen hat oder deren Lieferbarkeit er vergleichbar gewährleistet hat (vgl. im Folgenden) – weswegen auch das Volumen begrenzt ist auf tatsächlich existente Instrumente, nicht unbegrenzt wie bei den ungedeckten Leerverkäufen. Bei diesen verpflichtet sich der Verkäufer, der auf fallende Kurse setzt, eine bestimmte Zahl von Finanzinstrumenten zu einem bestimmten Termin in der Zukunft zum jetzt festgesetzten (Markt-)Preis zu liefern. Dabei kann Lieferung auch schon in der Vereinbarung ausgeschlossen sein,120 dann erstattet der Verkäufer zum Erfüllungstermin nur entweder die Kursdifferenz (bei steigenden Kursen) oder erhält sie erstattet (bei fallenden Kursen). Auch diese Gestaltung wird von der Regulierungsvorgabe des Art. 12, 13 SSR erfasst.121 Näher spezifiziert sind die Eindeckungsvorkehrungen in der Delegierten Durchführungs-Verordnung Nr. 827/2012 (Fn 43). Während die dritte Möglichkeit – Lokalisierungszusage eines Dritten (unten Rn 612) – nur im Hinblick auf zentrale Gegenparteien und andere Finanzinstitute eröffnet ist, und während verschiedene Gruppenmitglieder im Konzern grds. ebenfalls als „Dritte“ zu qualifizieren sind, ergibt sich aus Art. 3 Abs. 7 lit. c) und Art. 4 Abs. 2 lit. b) SSR, dass verbundene Gesellschaften im Hinblick auf Berechnungsfragen grds. als Einheit zu sehen sein sollen und nur die Einzelheiten der Berechnung in diesem Falle in delegierter bzw. Durchführungsgesetzgebung spezifiziert werden sollen. In der Tat macht es wertungsmäßig keinen maßgeblichen Unterschied, ob das Finanzmanagement eines Konzerns auf eine gemeinsame Einheit ausgelagert oder im Konzern auf Gruppenmitglieder verteilt wird.122

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b) Absicherung durch Wertpapierleihe u.ä. (Abs. 1 lit. a). An der Spitze der Eindeckungsvorkehrungen, die einen Leerverkauf auf Aktien nach Art. 12 Abs. 1 SSR rechtfertigen,123 steht die (bereits ins Werk gesetzte) Wertpapierleihe. Zwar handelt es sich nach deutschem Recht um ein Sachdarlehen und ist daher bei Wertpapierleihe nach dem Übertragungsakt der Entleiher (und Leerverkaufs-Verkäufer) Eigentümer.124 Es würde sich

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Fotak/Raman/Yadav Naked Short Selling: The Emperor’s New Clothes? CFR working paper No. 09–09, 1 (3) (2009); Juurikkala 9 ECFR 307 (310) (2012); Schlimbach Leerverkäufe, S. 20; Vgl. auch MünchKommBGB/Lehmann Internationales Finanzmarktrecht Rn 452. Gruber Leerverkäufe, S. 53 f.; vgl. auch Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1944 f.); Just/ Voß/Ritz/Becker/von Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 50; Gruber Leerverkäufe, S. 53 f. Gruber Leerverkäufe, S. 53 f. Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (271); Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (403); missverständlich Schlimbach Leerverkäufe, S. 128.

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Eingehend zu diesen: Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226; Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 66–83; Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (271–273); Schlimbach Leerverkäufe, S. 127–137; Wansleben/WeickLudewig ZBB 2015, 395; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 555 f. Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226 (2227); Schlimbach Leerverkäufe, S. 23–31; Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (397 f.); und ausf. Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2014, 1521.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

nach dem ersten Teil der Definition in Art. 2 Abs. 1 lit. b) SSR daher schon gar nicht um einen Leerverkauf handeln. Da die Wertpapierleihe jedoch nicht in allen mitgliedstaatlichen Rechten hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse gleich behandelt wird, jedoch regulatorisch einheitlich behandelt werden sollte, wird diese Konstellation (explizit und konstitutiv) als Fall des Leerverkaufes qualifiziert (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. b) SSR und Erklärung oben Rn 577 f.).125 Verbunden ist diese Qualifikation freilich in Art. 12 Abs. 1 lit. a) SSR mit der Feststellung, dass hinreichende Eindeckungsvorkehrungen getroffen wurden – ja dieser Fall bildet sogar das Leitbild solch einer Eindeckungsvorkehrung. Die Behandlung der Wertpapierleihe als Fall eines – wenn auch gedeckten – Leerverkaufs ist auch vom Standpunkt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. bereits Rn 577) her überzeugend: Angesichts der Rückerstattungverpflichtung ist die Anreizlage beim Verkäufer nicht identisch mit der, in der er Eigentümer ohne entsprechende Verpflichtung ist. „Alternative Vorkehrungen“ mit „gleichen rechtlichen Ergebnissen“ sind daher solche, in denen der Verkäufer ebenfalls eine eigentumsähnliche Position hat, zugleich jedoch eine (schuldrechtliche) (Rück)Übertragungspflicht eingegangen ist.126 c) Absicherung durch Leihvereinbarung bzw. durchsetzbare Forderung (Abs. 1 lit. b). 611 Eine hinreichende Eindeckungsvorkehrung ergibt sich außerdem aus einer (noch nicht ins Werk gesetzten) (Wertpapier-)Leihvereinbarung oder einem sonst (vertragsrechtlich oder sachenrechtlich begründeten) Anspruch auf Lieferung bzw. einer Position, die Übergang der Verfügungsbefugnis verbürgt – all dies, wenn die Zahl der Stücke und der Erfüllungsbzw. Übertragungszeitpunkt so festgelegt sind, dass dies dem Verkäufer rechtzeitige und vollständige eigene Erfüllungshandlungen gestattet.127 Diese Tatbestandsmerkmale, die bei planmäßiger Abwicklung der Abreden aus der Eindeckungsvorkehrung für den Verkäufer die eigene Fähigkeit zur Erfüllung verbürgen, werden in Art. 5 Abs. 1 lit. a) bis f) Durchführungsverordnung Nr. 827/2012 näher spezifiziert (nachzuweisen nach Abs. 2) und zwar durch fünf konkrete Geschäftstypen und (in lit. f)) durch eine Auffangklausel auf wirtschaftlich vergleichbar wirkende weitere Arrangements erstreckt. Die fünf konkret bezeichneten Geschäftstypen sind: Termin- und Swap-Geschäfte, soweit sie zur Eindeckung dienen, also insbes. Lieferung auch nicht in der Termingeschäftsabrede ausgeschlossen ist (lit. a));128 desgleichen Optionen (call-Optionen, sowohl des amerikanischen wie auch des europäischen Typus, wiederum wenn physisches Settlement auch vereinbart ist (lit. b))129 und Rückkaufvereinbarungen, soweit sie zur Eindeckung dienen, namentlich Wertpapier-

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Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226 (2227); Schlimbach Leerverkäufe, S. 128 f.; Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (398); zur Gefahr der Doppelverwendung (und ihrer Abwendung) ausf. Riederer/ Weick-Ludewig ZBB 2016, 1005 (1010). Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (271); Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226 (2227); Schlimbach Leerverkäufe, S. 114, 117–120; Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (398). Zu den hier häufiger genannten Wertpapierpensionsgeschäften (Repurchase Agreements – Repos) vgl. freilich bereits die explizite Ausnahme von der Definition oben Rn 578. Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (272); Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226

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(2228); Schlimbach Leerverkäufe, S. 117– 119, 130 f.; Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (398). Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (271); Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226 (2228 f.); Schlimbach Leerverkäufe, S. 120– 124; Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (398). Dazu, dass Termingeschäfte als solche von der Qualifikation als Leerverkäufe ausgenommen sind, vgl. oben Rn 578. Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (272); Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226 (2229); Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (398).

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6. Teil. Marktregeln

pensionsgeschäfte nach § 340b HGB (lit. c)).130 Bei allen drei Formen wird – neben der Vorgabe, dass die physische Lieferung vereinbart bzw. nicht ausgeschlossen sein darf – ausdrücklich spezifiziert, dass die Abrede eine hinreichende Zahl an Stücken und einen hinreichend frühen Erfüllungszeitpunkt festlegen muss. Dies gilt – ohne dass das explizit statuiert werden musste – auch für die vierte Art von Eindeckungsvorkehrungen, bei den ständigen (Liefer-)Vereinbarungen oder rollierenden Fazilitäten, die ein Dauerschuldverhältnis begründen, das den Leerverkäufer berechtigt, Lieferung von Stücken in einem (durch Rahmenvertrag festgelegten) Umfang anzufordern (lit. d)).131 Schließlich kann sich eine hinreichende Eindeckungsvorkehrung auch aus einem Bezugsrecht ergeben, wenn dieses bereits einen durchsetzbaren Anspruch auf Lieferung verbürgt (lit. e)).132 Die Auffangklausel in lit. f)) erkennt sonstige vergleichbare Lieferansprüche generell als hinreichende Eindeckungsvorkehrung an, etwa klassische Lieferansprüche aus Kaufvertrag.133 Bei allen Eindeckungsvorkehrungen muss sichergestellt sein, dass Zahl und Zeitpunkt hinreichend groß bzw. früh verabredet sind, um eigene Lieferung zu ermöglichen, dass die Abrede vor dem Leerverkauf wirksam wurde und dass sie während der gesamten Laufzeit des Leerverkaufs wirksam bleibt.134

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d) Absicherung durch Abwicklungsvorkehrung durch Dritten (Abs. 1 lit. c). Eine hinreichende Eindeckungsvorkehrung ist schließlich auch durch Abrede mit Dritten möglich, die selbst noch eine Eindeckung zusagen. Die geforderte Lokalisierungszusage besteht in der Versicherung seitens des Dritten, dass er selbst die notwendigen Eindeckungsvorkehrungen getroffen hat. Näher spezifiziert werden diese – für Aktien und öffentliche Schuldtitel getrennt – in Art. 6 und 7 Durchführungsverordnung Nr. 827/2012. Zentral ist hierbei wiederum, dass die Lokalisierungszusage die gesamte zu erwartende Laufzeit des Leerverkaufs abdecken muss, weswegen zwischen Same-Day-Lokalisierungszusagen und Standard-Lokalisierungszusagen unterschieden wird.135 Geeignete Dritte für solch eine Geschäftsbesorgungszusage – zentrale Gegenparteien und andere Finanzinstitutionen – sind in Art. 8 der Durchführungsverordnung näher spezifiziert.136 130

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Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (271); Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226 (2229 f.); Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (398). Dazu, dass Rückkaufvereinbarungen als solche von der Qualifikation als Leerverkäufe ausgenommen sind, vgl. oben Rn 578. Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (271); Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226 (2230); Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (398). Das Bezugsrecht nach § 186 AktG begründet hingegen nur einen Anspruch auf Abschluss eines Lieferungsvertrages: vgl. Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (271); Sajnovits/WeickLudewig WM 2015, 2226 (2230); Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (389). Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226 (2230); implizit auch Wansleben/WeickLudewig ZBB 2015, 395 (389); Mülbert/ Sajnovits ZBB 2012, 266 (272);. Dazu, dass die Eindeckungsvorkehrung vor Abschluss des Leerverkaufs wirksam begrün-

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det sein muss und für die gesamte Laufzeit wirksam bleiben muss: Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (271); Sajnovits/WeickLudewig WM 2015, 2226 (2231–2233); Schlimbach Leerverkäufe, S. 127 f.; Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (398). Zu allem (vor allem Aufteilung, Laufzeit): Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (272 f.); Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226 (2232); Schlimbach Leerverkäufe, S. 133–137; Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (397 f.); Tritschler Leerverkäufe, S. 157–162. Für unpraktikabel halten diese Möglichkeit Elineau 8 International Law and Management Review 61 (77 f. und 86 f.) (2012) und Payne 13 EBOR 413 (433 f.) (2012) und sehen daher de facto ein Verbot aller Leerverkäufe, bei denen nicht bereits eigene Eindeckungsvorkehrungen bestehen (mit erheblicher Kritik). Dazu etwa: Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266 (273); Schlimbach Leerverkäufe, S. 136 f.; Tritschler Leerverkäufe, S. 161.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

3. Artikel 13: Zwingende Absicherungskautelen bei ungedeckten Leerverkäufen in öffentlichen Schuldtiteln a) Ungedeckter Leerverkauf nur bei Absicherung und Ausnahmen. Leerverkäufe in öf- 613 fentlichen Schuldtiteln sind ebenfalls nur unter der Voraussetzung hinreichender Eindeckungsvorkehrungen zulässig (Art. 13 Abs. 1 SSR). Freilich treten im Falle öffentlicher Schuldtitel neben diese Rechtfertigungsmöglichkeit zwei weitere, die darauf ausgelegt sind, dass das Regime bei Emittenten öffentlicher Schuldtitel teils ungleich individueller zu kalibrieren ist als bei unternehmerischen Emittenten, namentlichen Finanzinstituten, für die umgekehrt ein marktweit strikt einheitliches Regime verbürgt werden soll. Bei öffentlichen Emittenten werden für den Leerverkäufer weitere Long-Positionen als maßgeblich zugelassen, also weitere Absicherungsbedürfnisse (durch Begründung von Short-Positionen) als legitim anerkannt (Abs. 2 unten Rn 615). Bei öffentlichen Emittenten wird zudem anerkannt, dass das Verbot ungedeckter Leerverkäufe auch negative Wirkung auf die Marktliquidität haben kann und die zuständige Behörde hierauf individuell reagieren können soll (Abs. 3 unten Rn 616). b) Parallele Absicherungsformen zum Leerverkauf bei Aktien (Abs. 1 lit. a) bis c)). 614 Für öffentliche Schuldtitel werden bei Leerverkäufen grundsätzlich die gleichen Formen von Eindeckungsvorkehrungen vorgeschrieben wie für Aktien (vgl. daher oben Rn 610– 612).137 Art. 13 Abs. 1 lit. a) bis c) SSR und Art. 12 Abs.1 lit. a) bis c) SSR entsprechen einander weitestgehend: Abs. 1 lit. a) ist zwar vom Wortlaut her leicht abweichend, in den Tatbestandsmerkmalen jedoch identisch konzipiert, lit. b) ebenfalls. Allein in Abs. 1 lit. c) wird in Art. 12 SSR (nicht jedoch Art. 13 SSR) explizit gemacht, dass der Dritte bereits Maßnahmen getroffen haben muss, die eine ordnungsgemäße Abwicklung in Zukunft erwarten lassen. In Art. 13 SSR, also im Falle öffentlicher Schuldtitel, kann diese Erwartung offenbar auch aus anderen Indikatoren als bereits getroffenen Maßnahmen des Dritten abgeleitet werden.138 Obwohl demnach die Kriterien für die Eindeckung (weitestgehend) die gleichen sind wie in Art. 12 Abs. 1 SSR, kann die Anwendung durchaus eine verschiedene sein, weil und soweit auf Marktzustände zur Festlegung der Durchführungskriterien durch die ESMA/EU-Kommission verwiesen wird, die bei öffentlichen Schuldtiteln grundsätzlich andere sein können als bei Aktien, etwa die Marktliquidität (vgl. Art. 12 Abs. 2 und 13 Abs. 5 SSR, 20./21. Erw.grund).139 Die Durchführungs-VO Nr. 827/2012 (gestützt auf Abs. 5) differenziert in der Tat zwischen der Anwendung der Kriterien auf Aktien (Art. 6) und auf öffentliche Schuldtitel (Art. 7). c) Ausnahme bei Absicherung einer stark korrelierenden Long-Position (Abs. 2). Zu 615 den Eindeckungsvorkehrungen als Rechtfertigungsgrund kommen im Falle öffentlicher Schuldtitel zwei weitere, bei deren Vorliegen Leerverkäufe, die technisch als ungedeckt zu qualifizieren sind, dennoch für zulässig erklärt werden. Mit dem ersten Rechtfertigungsgrund wird das Konzept der einer Short-Position gegenüberstehenden Long-Position breit verstanden und über die Positionen in gleichen Papieren hinaus erstreckt auf Long-Positionen in Schuldinstrumenten, die eine „hohe Korrelation“ mit den Kursen des öffentlichen 137

Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226 (2227); Mülbert/Sajnovitis ZBB 2012, 266 (273); Schlimbach Leerverkäufe, S. 127–136; Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 19; vgl. Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (397–398); Tritschler Leerverkäufe, S. 164.

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Vgl. Sajnovits/Weick-Ludewig WM 2015, 2226 (2227); Schlimbach Leerverkäufe, S. 135 f.; Tritschler Leerverkäufe, S. 164–166. Vgl. etwa Tritschler Leerverkäufe, S. 165 f. mit kritischer Bewertung.

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6. Teil. Marktregeln

Schuldtitels aufweisen, auf welchen die Short-Position bezogen ist. Damit wird für das Beschränkungsregime eine Parallelregelung getroffen zu der, die bereits für das Transparenzregime getroffen wurde: Für dieses sieht Art. 3 Abs. 5 SSR vor, dass für die Berechnung der (zu meldenden) Netto-Leerverkaufsposition Long-Positionen mit anzusetzen, d.h. abzuziehen sind, die eine „hohe Korrelation“ zum öffentlichen Schuldtitel aufweisen, für den die Short-Position zu ermitteln ist. Die Frage danach, ob eine Long-Position eine „hohe Korrelation“ zum fraglichen öffentlichen Schuldtitel aufweist, ist daher im Rahmen von Art. 13 Abs. 2 SSR nach den gleichen Kriterien wie in Art. 3 Abs. 5 SSR zu beantworten (vgl. oben Rn 590). Die Long-Positionen beziehen sich hierbei auf andere Schuldinstrumente, ggf. auch solche eines anderen Emittenten.140

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d) Einzelfallausnahme bei Liquiditätsengpass durch Behördenentscheidung (Abs. 3). Kraft Einzelfallentscheidung kann die zuständige Behörde für bis zu sechs Monate (verlängerbar um denselben Zeitraum) und nach vorheriger Mitteilung an die anderen zuständigen Behörden und die ESMA die Beschränkung nach Abs. 1 (Rn 613 f.) aussetzen, wenn die Liquidität in einem öffentlichem Schuldtitel unter die maßgebliche Schwelle sinkt (Abs. 3). Diese ist nach Kriterien zu ermitteln, die in der Durchführungsgesetzgebung näher festgelegt werden, einen erheblichen Liquiditätsengpass verbürgen (müssen) und objektiver Art sind (Abs. 4). Maßgeblich ist insoweit Art. 22 Abs. 2 der Delegierten Durchführungs-Verordnung Nr. 918/2012, nach dem das Handelsvolumen unter das 5. Perzentil aus dem monatlichen Handelsvolumen der letzten 12 Monate gefallen sein muss (also, verglichen mit diesem Zeitraum, in den untersten 5 % des Liquiditätsspektrums liegen muss) – wobei die entscheidende Behörde Daten aus einem gängigen Markt oder einer Kombination solcher Märkte zugrunde zu legen hat und wobei der Liquiditätsrückgang nicht rein saisonaler Natur sein darf (Art. 22 Abs. 3 bzw. 4 dieser VO).141 4. Artikel 14: Verbot ungedeckter CDS auf öffentliche Schuldtitel mit Ausnahmevorbehalt

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a) Grundsätzliches Verbot ungedeckter CDS (Abs. 1 i.V.m. Art. 4). Das grundsätzliche Verbot sog. „ungedeckter“ CDS auf öffentliche Schuldtitel, also solcher CDS, die keinem anerkannten Absicherungszweck dienen, fußt in den Abgrenzungen und Definitionen in Art. 4 SSR (i.V.m. Art. 14–20 der Delegierten Verordnung Nr. 918/2012, näher oben Rn 591–592). Art. 14 Abs. 1 SSR beschränkt sich darauf, die Rechtsfolge auszusprechen: Alle Transaktionen, die nach Art. 4 SSR als ungedeckte CDS zu qualifizieren sind, sind verboten und unwirksam (vgl. auch 21. Erw.grund).142

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b) Einzelfallausnahme durch Behördenentscheidung bei defizitärer Marktfunktionalität (Abs. 2). Die Starrheit des Verbots von CDS, für die Absicherungszwecke nicht nachgewiesen werden können, wird in den Fällen aufgeweicht, in denen „erste Anfangssignale“, 140

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Vgl. Mülbert/Sajnovitis ZBB 2012, 266 (277); Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 54; Just/Voß/Ritz/Becker/von Buttler/ Petersen § 30h WpHG Rn 58; Schlimbach Leerverkäufe, S. 155 f. Vgl. Schlimbach Leerverkäufe, S. 204 f.; Mülbert/Sajnovitis ZBB 2012, 266 (273); Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 84; Just/Voß/Ritz/Becker/Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 86, 89; Gruber Leerverkäufe, S. 45.

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Hierzu näher Bierwirth RdF 2013, 104 (106 f.); Juurikkala 9 ECFR 307 (336 f.) (2012); Benzler/Brunner-Reumann Zivilrechtliche Einordnung von Kreditderivaten, in: Burghof/Rudolph/Schäfer/Schönbucher/ Sommer (Hrsg.) Kreditderivate, S. 333 (354 f.); Mülbert/Sajnovitis ZBB 2012, 266 (273 f.); Fuchs/Weick-Ludewig § 30h Rn 89, 91; vgl. auch Bolder EuZW 2011, 769 (770); missverständlich Just/Voß/Ritz/Becker/Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 63.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

die sich zugleich auf „objektive Gründe“ stützen (vgl. 22. Erw.grund), dafür sprechen, dass ohne Zulassung der CDS der Markt für die fraglichen öffentlichen Schuldtitel nicht ordnungsgemäß funktioniert. Das Spekulationspotential der CDS wird also, soweit solche objektiv gestützten Signale dafür sprechen, im öffentlichen Interesse an funktionierenden Märkten und – von diesen abhängend – an der ungestörten Kapitalaufnahme durch öffentliche Emittenten durchaus zugelassen – jedoch nur bei Vorliegen solch eines Interesses (und nur nach ausgeklügeltem Entscheidungs- und Stellungnahmeprozess und für höchstens 12 Monate, mit Verlängerungen um höchstens 6 Monate). Die Kriterien, bei denen solche objektive Gründe angenommen werden können, spezifiziert näher Art. 14 Abs. 2 SSR i.V.m. Art. 22 Delegierte VO Nr. 918/2012 (mit absoluten Kriterien wie Zinshöhe und Liquidität des Titels, vergleichenden Kriterien im Verhältnis zu anderen Emittenten und Kriterien des intertemporalen Vergleichs im selben Papier, namentlich Kurven und Einpendeln der Kurse nach großen Transaktionen).143 Bei alldem wird der jeweils zuständigen Behörde erhebliches Ermessen eingeräumt, insbesondere indem sie sich auf andere Indikatoren stützt als durch die EU-Verordnungen vorgesehen (vgl. 22. Erw.grund a.E.).144 5. Artikel 15 a.F. / Art. 7 CSDR: Anforderungen an zentrale Gegenparteien im Eindeckungsverfahren und Abwicklung/Entschädigung a) Zentrale Gegenparteien (Art. 2 Abs. 1 lit. o) SSR bzw. Art. 2 Nr. 16 CSDR). Wie in 619 anderen jüngeren stabilitätsorientierten EU-Verordnungen zur Marktregulierung, namentlich der EMIR (unten Rn 654 ff.), kommt zentralen Gegenparteien die Hauptrolle bei der Absicherung von Lieferpflichten bei Leerverkäufen in Aktien zu. Sie sollen Ausfallrisiken übernehmen (zugunsten der Käufer), zugleich jedoch die Marktdisziplin bei den Verkäufern erhöhen (23. Erw.grund S. 2 und 15. Erw.grund S. 3 CSDR), also diese disziplinieren.145 Ein – wenn nicht das – Kernstück bildet insoweit die Regel zum verpflichtenden Abwicklungsregime im Falle von Ausfall des Leerverkäufers. Das insoweit maßgebliche Regime in Art. 15 SSR wurde mit Verabschiedung der EU-Zentralverwahrer-VO (Central Securities Depositors Regulation, CSDR)146 durch Art. 7 CSDR ersetzt. Angesichts der

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Hierzu näher Juurikka 9 ECFR 307 (336–338) (2012); Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 99; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 557 f.; Schlimbach Leerverkäufe, S. 204 f. Veil/ Walla EuKapMR § 15 Rn 30. Ebenso Juurikka 9 ECFR 307 (336–338) (2012), wenn auch die Ausübungswahrscheinlichkeit durch die zuständigen Behörden in Zweifel ziehend; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 558. Zu diesem Zielebündel: Möllers/Christ/ Harrer NZG 2010, 1124 (1125 f.); Mülbert/ Sajnovitis ZBB 2012, 266 (284); Krüger/ Ludewig WM 2012, 1942 (1949 f.); Just/ Voß/Ritz/Becker/Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 90 f.; Gruber Leerverkäufe, S. 58; Schwarz Globaler Effektenhandel: Eine rechtstatsächliche und rechtsvergleichende Studie zu Risiken, Dogmatik und Einzelfragen des Trading, Clearing und Settlement bei

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nationalen und internationalen Wertpapiertransaktionen, 2013, S. 597 f., 359 f.; positiv zu diesen Ausfallhaftungsregeln (Disziplinierungswirkung) die ansonsten überwiegend kritischen Studien von Elineau 8 International Law and Management Review 61 (78–80, 86 f.) (2012) und Payne 13 EBOR 413 (413 f. und 438 f.) (2012); kritisch: Dømler A critical evaluation of the European credit default swap reform: Its challenges and adverse effects as a result of insufficient assumptions, 14 Journal of Banking Regulation 33 (2012). Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012, ABl.EU 2014 L 257/1.

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6. Teil. Marktregeln

zentralen Stellung der Regelung, weil sich Art. 15 SSR und Art. 7 CSDR vor allem nur im Anwendungsbereich der erfassten Instrumente unterscheiden (nächste Rn) und weil die CSDR als solche im Folgenden nur kursorisch kommentiert wird, werden trotz dieser Ersetzung Art. 15 SSR und Art. 7 CSDR hier im Rahmen der SSR-Kommentierung näher beleuchtet. Art. 7 CSDR gilt insbesondere auch bei Leerverkäufen (78. Erw.grund CSDR). Anders als die SSR – und ebenso wie schon EMIR oder auch die EU-Benchmark-VO – enthält die CSDR auch umfangreich organisatorische Anforderungen (die SSR verwies allenfalls pauschal auf nötige „Verfahren“, über die die Gegenpartei „verfügen“ muss). Die zentralen Gegenparteien werden jedoch in beiden Rechtsakten nicht verpflichtet, die unten genannten Maßnahmen selbst zu ergreifen – allerdings darf jegliche Übertragung auf Dritte nur eine „abwicklungstechnischer“ Art sein (vgl. 23. Erw.grund S. 3 und 38. Erw.grund S. 1 CSDR), muss also insbesondere eine Letztverantwortlichkeit und -haftung der zentralen Gegenpartei gewährleistet bleiben.147 Und auch die Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. 1 lit. o) SSR bzw. Art. 2 Nr. 16 CSDR (mit Verweis auf Art. 2 Nr. 1 EMIR mit gleichem Inhalt) ist eher rudimentär. Es muss sich um eine juristische Person handeln (einschließlich eingetragener Personengesellschaften, oben Rn 583), die innerhalb eines oder zwischen verschiedenen Finanzmärkten zwischen beide Vertragsparteien tritt, also nicht nur vermittelt, sondern selbst als Vertragspartei (für Käufer und Verkäufer) auftritt. Zugleich muss sie für jeden Käufer und Verkäufer zur Verfügung stehen, also eine entsprechende Erklärung an die Öffentlichkeit abgegeben haben, und (hierfür) selbst ein Clearingsystem für Aktien betreiben.

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b) Eindeckung durch zentrale Gegenpartei (Abs. 1 lit. a) SSR bzw. Abs. 3 CSDR). Die stabilitätspolitisch wohl wichtigste Regelung bildet das zwingende Eindeckungsverfahren durch zentrale Gegenparteien in Fällen eines Ausfalls des Leerverkäufers. Während die Regelung in der SSR daher an die Spitze der Regelung gerückt wurde (Art. 15 Abs. 1), erscheint sie in der CSDR nach hinten gerückt – hinter eine (in der SSR) nicht enthaltene Meldepflicht an die Behörde und die Sanktionsnorm (Absätze 1 und 2 CSDR, in Art. 15 SSR erst Abs. 2) und zudem in drei Absätze aufgeteilt (Absätze 3, 7 und 8 – entsprechend Art. 15 Abs. 1 lit. a), b) und c) SSR). Erscheint daher der Aufbau nach Art. 15 SSR überzeugender (und stimmen beide Regeln im Inhalt der hier erörterten Kerngehalte gänzlich überein), so bildet die wichtigste Änderung, die Art. 7 CSDR im Vergleich zu Art. 15 SSR brachte, die Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs von Leerverkäufen in Aktien zu solchen in allen Finanzinstrumenten (vgl. 78. Erw.grund CSDR, umgekehrt dafür freilich für die anderen Finanzinstrumente, erhebliche Ausnahmen in Abs. 4 und 5, die für Aktien nicht gelten). Für ungedeckte Leerverkäufe ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 SSR bzw. Art. 7 Abs. 3 CSDR zumindest implizit, dass in jedem Mitgliedstaat zumindest eine zentrale Gegenpartei zur Verfügung stehen muss.148 Im Rahmen des Leerverkaufsregimes tritt sie – oder ein von ihr etwa durch Auktion gefundener Verkäufer – anstelle des ursprünglichen Verkäufers als Vertragspartner des Käufers ein, wenn jener seine Lieferpflichten nicht

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Vgl. Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1949 f.); Just/Voß/Ritz/Becker/Buttler/ Petersen § 30h WpHG Rn 90; vgl. auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 560. Grundsätzlich ebenso Juurikka 9 ECFR 307 (330) (2012); vgl. auch, wenn auch ebenfalls nicht ganz eindeutig, 23. Erw.grund S. 1. S. 3 geht jedoch von einer „zentralen Gegenpar-

tei, die für die Einrichtung der betreffenden Verfahren verantwortlich ist …“ aus. Alle zentralen Gegenparteien, die in der EU zugelassen sind, sind auf der Seite der ESMA https://www.esma.europa.eu/sites/default/ files/library/ccps_authorised_under_emir. pdf zu finden, wobei nur 12 von 28 Mitgliedsstaaten gelistet sind, Stand 11.7.2017.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

hinreichend erfüllen kann. Dies wird unwiderleglich vermutet, wenn der Verkäufer nicht innerhalb von vier Geschäftstagen nach Fälligkeit liefert (in KMU-Märkten abweichende Karenzzeit von bis zu 15 Tagen möglich, Abs. 3 2. UAbs.).149 Für diesen Fall müssen Verfahren zur Verfügung stehen, die eine schnellstmögliche und „automatische“ Eindeckung seitens der zentralen Gegenpartei verbürgen und durch diese wiederum die Lieferung an den Käufer.150 c) Entschädigungszahlung bei Unmöglichkeit der Eindeckung (Abs. 1 lit. b) SSR bzw. 621 Abs. 6 und 7 CSDR). Ist Lieferung trotz Vorliegen solcher Verfahren ausnahmsweise auch der zentralen Gegenpartei unmöglich, so tritt an die Stelle des Lieferanspruches ein Entschädigungsanspruch. Dieser umfasst jedenfalls den Wert der zu liefernden Aktien am Fälligkeitstag, daneben jedoch auch sonstige Verluste. Art. 7 Abs. 6 und 7 CSDR unterscheidet zwischen beidem explizit. Die sonstigen Verluste können sich aus weiterer Wertsteigerung in den Folgetagen oder gescheiterten Transaktionen des Weiterverkaufs ergeben. Die Bestimmung des Schadens und der Beweisanforderungen hierbei muss sich, da die EU-Verordnungen insoweit keine Leitlinien vorsehen, nach dem (nationalen) Vertragsstatut richten. Eine pönale Komponente ist bei dieser Berechnung noch nicht vorgesehen und auch nicht zu befürworten, es handelt sich insoweit noch um traditionellen Vertragsschadensersatz.151 d) Erstattung an zentrale Gegenpartei (Abs. 1 lit. c) SSR bzw. Abs. 8 CSDR). Abs. 1 lit. 622 c) SSR und Abs. 8 CSDR statuieren bereits kraft EU-Recht einen Erstattungsanspruch der zentralen Gegenpartei für alle eigenen Eindeckungskosten (im Falle der Lieferung nach lit. a) SSR bzw. Abs. 3 CSDR) bzw. alternativ für den Vertragsschadensersatz nach lit. b) SSR bzw. Abs. 6 und 7 CSDR.152 Damit wird zugleich bestätigt und die Konsequenz daraus gezogen, dass die zentrale Gegenpartei zugunsten des Käufers umfassend in die Rechtstellung des Verkäufers eintritt, also dessen Nichterfüllungs-, Schlechterfüllungs- und Ausfallrisiko übernimmt.153

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Art. 15 Abs. 1 lit. a) SSR sprach zwar davon, dass der Verkäufer „nicht in der Lage“ sein muss zu liefern. Es muss(te) jedoch (auch unter diesem Regime bereits) bloße Nichterfüllung genügen, soll(te) das Regime funktionsfähig bleiben (sofortige Lieferung essentiell) und wie das Art. 7 Abs. 3 CSDR jetzt auch formuliert. Ebenso Schwarz Globaler Effektenhandel: Eine rechtstatsächliche und rechtsvergleichende Studie zu Risiken, Dogmatik und Einzelfragen des Trading, Clearing und Settlement bei nationalen und internationalen Wertpapiertransaktionen, 2013, S. 597, vgl. auch Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1949 f.). Zu den hierbei eingesetzten Mechanismen, namentlich der eigentlichen Eindeckung (Buy-in), bei der ein durch Auktion ermittelter neuer Buy-in-Verkäufer den ursprünglichen Verkäufer ersetzt, und bei Fehlschlagen der Auktion dem Cash-Settlement, also ein Barausgleich zu Lasten des Verkäufers und zugunsten des Käufers, vgl. für Eurex Clearing:

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http://www.eurexclearing.com/clearing-de/ transaktionsmanagement/liefermanagement/ handhabung-lieferausfälle; näher Belghazi Preparing to comply with the CSD Regulation, 6 JSO&C 102 (108) (2013); vgl. auch Schwarz Globaler Effektenhandel: Eine rechtstatsächliche und rechtsvergleichende Studie zu Risiken, Dogmatik und Einzelfragen des Trading, Clearing und Settlement bei nationalen und internationalen Wertpapiertransaktionen, 2013, S. 359 f. Ebenso Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1949 f.); Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 560. Zu diesem Anspruch und seiner EU-rechtlichen Basis vgl. Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1949 f.); Just/Voß/Ritz/Becker/Buttler/ Petersen § 30h WpHG Rn 90 f. Ebenso Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1949 f.); Just/Voß/Ritz/Becker/Buttler/ Petersen § 30h WpHG Rn 90; vgl. auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 560.

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6. Teil. Marktregeln

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e) Strafzahlungen bei Nichterfüllung (Abs. 2 SSR bzw. Abs. 2 CSDR). Zentrale Gegenparteien, die Clearingdienste erbringen (dies ist Teil der Begriffsbestimmung), haben – namentlich in ihren Clearingbedingungen – sicherzustellen,154 dass sie Vertragsstrafen von den Verkäufern fordern können, die vertragsbrüchig im Sinne von lit. a) werden (oben Rn 620), und dies vom ersten Tag an und für jeden weiteren Tag (bis zum Tag der ersatzweisen Eindeckung, genauer Art. 2 Abs. 2 3. UAbs. CSDR) – wobei von der Höhe der Festsetzung hinreichende Abschreckungswirkung ausgehen muss,155 umgekehrt jedoch Einnahmeerzielung für die CCPs als Ziel nicht zugelassen wird (Art. 2 Abs. 2 3. UAbs. CSDR). Im Regime der CSDR ist mit Art. 7 Abs. 9 (Suspendierung ausgefallener Leerverkäufer und Veröffentlichung) ein weiterer scharfer Sanktionsmechanismus hinzugekommen.

V. Ausnahmen (Art. 16, 17)

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Kapitel IV Ausnahmen Artikel 16 Ausnahme für in Drittländern befindliche Haupthandelsplätze (1) Die Artikel 5, 6, 12 und 15 gelten nicht für Aktien eines Unternehmens, die zwar zum Handel an einem Handelsplatz in der Union zugelassen sind, deren Haupthandelsplatz sich aber in einem Drittland befindet. (2) Die jeweils zuständige Behörde bestimmt für Aktien eines Unternehmens, die an einem Handelsplatz in der Union und einem Handelsplatz in einem Drittland gehandelt werden, mindestens alle zwei Jahre, ob der Haupthandelsplatz dieser Aktien sich in einem Drittland befindet. Die jeweils zuständige Behörde teilt der ESMA mit, für welche Aktien ein Haupthandelsplatz in einem Drittland festgestellt wurde. Die ESMA veröffentlicht alle zwei Jahre eine Liste der Aktien, deren Haupthandelsplatz sich in einem Drittland befindet. Die Liste gilt für einen Zeitraum von zwei Jahren. (3) Um eine konsequente Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, entwickelt die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen die Methode zur Berechnung des Umsatzes und somit zur Bestimmung des Haupthandelsplatzes einer Aktie festgelegt wird. Die ESMA legt der Kommission bis 31. März 2012 die Entwürfe dieser technischen Regulierungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die technischen Regulierungsstandards im Sinne von Unterabsatz 1 gemäß dem in den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/ 2010 festgelegten Verfahren zu erlassen. (4) Um einheitliche Bedingungen für die Anwendung der Absätze 1 und 2 zu gewährleisten, entwickelt die ESMA Entwürfe für technische Durchführungsstandards, durch die Folgendes festgelegt wird: a) das Datum, zu dem die Ermittlung des Haupthandelsplatzes einer Aktie erfolgt, und der Zeitraum, auf den sich die betreffende Berechnung bezieht, b) das Datum, bis zu dem die jeweils zuständige Behörde der ESMA mitteilt, welche Aktien ihren Haupthandelsplatz in einem Drittland haben,

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Da EU-Recht den Anspruch vorsieht, ihn aber nicht ausgestaltet, muss insoweit (wiederum) nationales Vertragsrecht eingreifen (vergleichbar wie schon beim Entschädigungsanspruch, vgl. oben, und – besonders prominent – etwa beim EU-rechtlichen Staatshaftungsanspruch nach Francovich).

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Zu dieser Vertragsstrafe näher Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1949 f.); Gruber Leerverkäufe, S. 58; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 553. Zur EuGH-Rechtsprechung zur nötigen Abschreckungswirkung vgl. oben 1. Teil Rn 113.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks c) das Datum, ab dem die Liste nach der Veröffentlichung durch die ESMA gilt. Die ESMA legt der Kommission bis 31. März 2012 die Entwürfe dieser technischen Durchführungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards nach Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 17 Ausnahme für Market-Making-Tätigkeiten und Primärmarkttätigkeiten (1) Die Artikel 5, 6, 7, 12, 13 und 14 gelten nicht für Geschäfte, die aufgrund von MarketMaking-Tätigkeiten getätigt werden. (2) Die Kommission kann nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Verfahren Beschlüsse erlassen, durch die festgestellt wird, dass der Rechts- und Aufsichtsrahmen eines Drittlandes gewährleistet, dass ein in diesem Drittland zugelassener Markt rechtsverbindliche Anforderungen erfüllt, die zum Zweck der Anwendung der in Absatz 1 vorgesehenen Ausnahme den Anforderungen nach Titel III der Richtlinie 2004/39/EG, nach Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)156 und nach Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind157 gleichwertig sind, und dass in dem betreffenden Drittland diesbezüglich eine wirksame Beaufsichtigung und Durchsetzung gegeben ist. Der Rechts- und Aufsichtsrahmen eines Drittlandes kann als gleichwertig betrachtet werden, wenn: a) die Märkte dieses Drittlandes einer Zulassungspflicht unterliegen und Gegenstand wirksamer und kontinuierlicher Beaufsichtigungs- und Durchsetzungsverfahren sind, b) die Märkte dieses Drittlandes eindeutige und transparente Regeln für die Zulassung von Wertpapieren zum Handel haben, so dass solche Wertpapiere fair, ordnungsgemäß und effizient gehandelt werden können und frei handelbar sind, c) die Wertpapieremittenten dieses Drittlandes regelmäßig und kontinuierlich Informationspflichten nachkommen, die ein hohes Maß an Anlegerschutz gewährleisten, und d) Markttransparenz und -integrität in diesem Drittland gewährleistet sind, indem Marktmissbrauch in Form von Insider-Geschäften und Marktmanipulation verhindert werden. (3) Die Artikel 7, 13 und 14 gelten nicht für die Tätigkeiten natürlicher oder juristischer Personen, die infolge einer Vereinbarung mit einem öffentlichen Emittenten als Primärhändler zugelassen sind und als Eigenhändler in Finanzinstrumenten auftreten, die auf dem Primär- oder Sekundärmarkt für öffentliche Schuldtitel gehandelt werden. (4) Die Artikel 5, 6, 12, 13 und 14 der vorliegenden Verordnung gelten nicht für natürliche oder juristische Personen, die im Zusammenhang mit der Stabilisierung eines Finanzinstruments nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen158 ein Wertpapier leer verkaufen oder eine Netto-Leerverkaufsposition halten. (5) Die Ausnahme nach Absatz 1 gilt nur, wenn die natürliche oder juristische Person der zuständigen Behörde ihres Herkunftsmitgliedstaats schriftlich ihre Absicht mitgeteilt hat, die Ausnahme in Anspruch zu nehmen. Diese Mitteilung erfolgt spätestens 30 Kalendertage vor der erstmals beabsichtigten Inanspruchnahme der Ausnahme. (6) Die Ausnahme nach Absatz 3 gilt nur, wenn die natürliche oder juristische Person der für die betreffenden öffentlichen Schuldtitel zuständigen Behörde schriftlich ihre Absicht mitgeteilt hat, die Ausnahme in Anspruch zu nehmen. Diese Mitteilung erfolgt spätestens 30 Kalendertage vor der erstmals beabsichtigten Inanspruchnahme der Ausnahme durch die natürliche oder juristische Person, die als Eigenhändler in Finanzinstrumenten auftreten.

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ABl. L 96 vom 12.4.2003, S. 16. ABl. L 390 vom 31.12.2004, S. 38.

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ABl. L 336 vom 23.12.2003, S. 33.

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6. Teil. Marktregeln (7) Die zuständige Behörde nach den Absätzen 5 und 6 kann die Inanspruchnahme der Ausnahme untersagen, wenn sie der Ansicht ist, dass die natürliche oder juristische Person die Bedingungen für die Ausnahme nicht erfüllt. Ein solches Verbot wird innerhalb des in den Absätzen 5 oder 6 genannten Zeitraums von 30 Kalendertagen erlassen, kann aber auch zu einem späteren Zeitpunkt ausgesprochen werden, falls die zuständige Behörde feststellt, dass hinsichtlich der betreffenden natürlichen oder juristischen Person Änderungen eingetreten sind und sie die Bedingungen der Ausnahmeregelung deshalb nicht mehr erfüllt. (8) Einheiten eines Drittlands, die nicht in der Union zugelassen sind, übermitteln die in den Absätzen 5 und 6 genannte Mitteilung der zuständigen Behörde des Handelsplatzes in der Union, an dem sie hauptsächlich tätig sind. (9) Eine natürliche oder juristische Person, die eine Mitteilung nach Absatz 5 getätigt hat, benachrichtigt die zuständige Behörde ihres Herkunftsmitgliedstaats so bald wie möglich schriftlich über jegliche Änderungen mit möglichen Auswirkungen auf das Recht zur Inanspruchnahme der Ausnahme oder darüber, dass sie die Ausnahme nicht länger in Anspruch zu nehmen wünscht. (10) Eine natürliche oder juristische Person, die eine Mitteilung nach Absatz 6 getätigt hat, benachrichtigt die für die betreffenden öffentlichen Schuldtitel zuständige Behörde sobald wie möglich schriftlich über jegliche Änderungen mit möglichen Auswirkungen auf das Recht zur Inanspruchnahme der Ausnahme oder darüber, dass sie die Ausnahme nicht länger in Anspruch zu nehmen wünscht. (11) Die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats kann bei natürlichen oder juristischen Personen, die im Rahmen der in Absatz 1, 3 oder 4 genannten Ausnahmen tätig sind, schriftliche Informationen über gehaltene Short-Positionen oder über die im Rahmen der Ausnahme durchgeführten Tätigkeiten anfordern. Die natürliche oder juristische Person liefert die Informationen spätestens vier Kalendertage nach der Anfrage. (12) Eine zuständige Behörde unterrichtet die ESMA innerhalb von zwei Wochen nach der Mitteilung gemäß Absatz 5 oder 9 über Market-Maker und gemäß Absatz 6 oder 10 über zugelassene Primärhändler, die die Ausnahme in Anspruch nehmen, sowie über Market-Maker und zugelassene Primärhändler, die die Ausnahme nicht mehr in Anspruch nehmen. (13) Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website eine Liste der Market-Maker und zugelassenen Primärhändler, die die Ausnahme in Anspruch nehmen; sie aktualisiert diese Liste laufend. (14) Eine Mitteilung gemäß diesem Artikel kann jederzeit bis 60 Tage vor dem 1. November 2012 durch eine Person an eine zuständige Behörde und durch eine zuständige Behörde an die ESMA gemacht werden.

1. Artikel 16: Ausnahmen für Haupthandelsplätze in Drittländern

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a) Generalausnahme für Aktien mit Haupthandelsplatz in Drittländern (Abs. 1). Die erste Generalausnahme knüpft an den jeweiligen Markt an (ortsbezogene Ausnahme) und gilt daher auch nur für Aktien (private Emittenten); denn nur bei Aktien bestimmen sich nach dem Gesagten die Aufsichtszuständigkeiten nach dem (Erst-)Zulassungsmarkt (vgl. oben Rn 569, 582). Folgerichtig wird im Verhältnis zu Drittstaaten auch das EU-Leerverkaufsregime in seinen auf Aktien bezogenen Regeln (Art. 5, 6, 12 und 15 SSR) nicht durchgesetzt (für anwendbar erklärt), wenn der maßgebliche Markt in einem Drittland liegt (der 25. Erw.grund spricht missverständlich nur von einer Ausnahme bei den „Melde- und Offenlegungspflichten“). Das Maßgeblichkeitskriterium wird freilich anders bestimmt als bei der Zuständigkeitsverteilung innerhalb der EU, d.h. nicht nach Erstzulassung (vgl. nächste Rn). Umgekehrt gilt die Ausnahme nicht für Finanzinstrumente (Schuldtitel) öffentlicher Emittenten – öffentliche Emittenten aus dem EU-Raum schützt also das EU-Leerverkaufsregime unabhängig von Zulassungs- oder Transaktionsmärkten.159 Außerdem gilt die 159

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Ebenso Mülbert/Sajnovitis ZBB 2012, 266 (269).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Ausnahme nicht für diejenigen Regeln, die sich zwar (auch) auf private Emittenten beziehen, jedoch auf deren Finanzinstrumente allgemein, namentlich die Befugnisse, im Krisenfall einzelfallbezogen weitere Meldepflichten oder Verbote zu statuieren (Art. 18 f., 20, 23 SSR).160 b) Bestimmung des Haupthandelsplatzes (Abs. 2–4 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. m)). Nach 626 der Definition in Art. 2 Abs. 1 lit. m) SSR ist der Haupthandelsplatz derjenige, an dem der generierte Umsatz am höchsten ist. Da die Berechnungsmethoden allerdings differieren können161 und auch der maßgebliche Zeitraum zu bestimmen ist, bedarf es einer Anwendung dieses Kriteriums im Einzelfall. Diese regelt Art. 16 Abs. 2–4 SSR – einschließlich einer Ermächtigung zur Durchführungsgesetzgebung. Als solche sind ergangen die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 827/2012 vom 29. Juni 2012 und die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 826/2012 vom 29. Juni 2012.162 Vor allem die Berechnungskriterien werden näher bestimmt.163 Den Zeitraum hingegen bestimmt die nationale Behörde, wobei dieser nach der SSR höchstens zwei Jahre betragen darf (Abs. 2 S. 1 – allerdings weitere Vorgaben durch technische Durchführungsstandards nach Abs. 4). Die Liste der Aktien mit Haupthandelsplatz in einem Drittland veröffentlicht ESMA zweijährig auf der Grundlage der Meldungen der nationalen Behörden (Abs. 2 S. 2 und 3). 2. Artikel 17: Ausnahmen für Market-Making- und Primärmarkttätigkeiten a) Generalausnahme für Market-Maker, auch aus Drittländern (Abs. 1, 2 i.V.m. Art. 2 627 Abs. 1 lit. k)). Die in Art. 17 SSR zusammengefassten Ausnahmen sind tätigkeitsbezogen, und werden durch ESMA-Leitlinien konkretisiert,164 die freilich als Leitlinien keinen bindenden Charakter haben (bei Abweichung bloße Erklärungspflicht gegenüber ESMA), und die in Deutschland auch nur teils übernommen wurden.165 Anders als bei den anderen tätigkeitsbezogenen Ausnahmen handelt es sich bei derje- 628 nigen für Market-Maker um eine Generalausnahme – für alle Finanzinstrumente, d.h.

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Vgl. Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1950). Zu den verschiedenen Berechnungsmethoden Berk/DeMarzo Grundlagen der Finanzwirtschaft – Analyse, Entscheidung und Umsetzung, 3. Aufl. 2016, S. 276–313; Mondello Aktienbewertung, 2015, S. 145–434. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 827/2012 der Kommission vom 29.6.2012, ABl.EU 2012 L 251/11; Delegierte Verordnung (EU) Nr. 826/2012 der Kommission vom 29.6.2012, ABl.EU 2012 L 251/1. Namentlich Art. 9–12 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 827/2012 und Art. 6 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 826/2012; dazu etwa Mülbert/Sajnovitis ZBB 2012, 266 (269, bes. Fn 16); Schlimbach Leerverkäufe, S. 97; Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 13, bes. Fn 32; Fuchs/ Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 30; Moloney EU Securities and Financial Markets

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Regulation, S. 553 mit Fn 237. Nach dieser Berechnung veröffentlicht die ESMA regelmäßig eine Liste mit den vom Handelsplatz ausgenommenen Aktien: http://www. esma.europa.eu/page/List-exemptedshares. ESMA Leitlinien für Market-Making-Tätigkeiten und Primärmarkttätigkeiten, Nr. 11, 19–27; dazu ausf. Ludewig/Geilfus WM 2013, 1533. Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 929–933; Schlimbach Leerverkäufe, S. 138 f.; Gruber Leerverkäufe, S. 27 f.; dazu, dass sie namentlich in Deutschland, aber auch Frankreich und dem Vereinigten Königreich, nur partiell übernommen wurden, vgl. ESMA Guidelines (vorige Fn) – Compliance Table; Ludewig/ Geilfus WM 2013, 1533 (1533 f.); Fuchs/ Weick-Ludewig § 30h Rn 104, 115; Heidel/ Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 27; Veil/ Walla EuKapMR § 15 Rn 13.

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6. Teil. Marktregeln

konkret, weil sich die Ausnahme auf das reguläre Transparenz- und das Beschränkungsregime bezieht, für Aktien und öffentliche Schuldtitel gleichermaßen. Dies erklärt sich vor allem aus der zentralen Funktion der Market-Maker, Liquidität auf Märkten in hinreichendem Maße bereitzustellen und so zur Funktionsfähigkeit derselben beizutragen, was zugleich voraussetzt, dass Market-Maker auch teils Short-Positionen aufbauen.166 Auch wird bei ihnen davon ausgegangen, dass sie den Hauptteil der Shortpositionen jeweils nur für sehr kurze Zeit halten.167 Entsprechend ist das Leitbild, dass sie marktorientiert (mit öffentlichem Angebot an alle Marktteilnehmer) und nicht unmittelbar im (Einzel-)Kundenauftrag agieren, d.h. zwar die getätigten Transaktionen mit anderen Leerverkäufen juristisch-konstruktiv deckungsgleich sind, sich in der wirtschaftlichen – marktoptimierenden – Funktion jedoch grundsätzlich unterscheiden.168 629 Die Funktion spiegelt sich in der Definition in Art. 2 Abs. 1 lit. k) SSR. Nach ihr können Market-Maker nur Wertpapierfirmen oder Kreditinstitute sein bzw. gleichwertige Institute eines Drittstaates (bzw. Körperschaften desselben), die als Mitglied eines Handelsplatzes (oben 5. Teil Rn 66–71) bzw. eines gleichwertigen organisierten Marktes in einem Drittstaat (nächste Rn) unmittelbaren Zugang zu diesem haben (Institute mit Direktzugang zu liquidem Markt)169 und für eigene Rechnung („als Eigenhändler“) handeln und so eine kontinuierliche Liquiditätsbereitstellung verbürgen. Dies bezieht sich jeweils auf ein bestimmtes Finanzinstrument (oder eine bestimmte Mehrzahl),170 trägt also zu dessen Liquiditätsversorgung bei und ist daher gerade bei Instrumenten wichtig, die in (zu) geringem Maße gehandelt werden und bei denen deswegen Allokationseffizienz nicht hinreichend durch den bestehenden Handel gewährleistet wird. Diese Funktion erfüllt ein Market-Maker, egal ob durch Angebote/Transaktionen auf dem Handelsplatz oder außerhalb, entweder dadurch, dass er öffentlich anbietet, zu festem Kurs zu kaufen oder zu verkaufen (Nr. (i)) oder aber jeden Handelsauftrag eines Kunden dadurch auszuführen, dass er sich selbst dauerhaft hinreichend eindeckt (Nr. (ii)) – wobei es dann, wenn sich das nachgefragte Instrument noch nicht im Eigentum des Market-Maker befindet, zu einem (kurzfristigen) Leerverkauf kommt.171 Besonders wichtig ist in beiden Fällen, dass der MarketMaker über Verfahren, insbesondere Vorsorgemaßnahmen, verfügt, die stets die Durchführung der Transaktion erlauben oder kurzfristige Eindeckung verbürgen (Nr. (iii)).172 Ohne solch einen Bezug auf Market-Making-Tätigkeit für ein bestimmtes Finanzinstru166

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Zu dieser Funktion und zur Unverzichtbarkeit von Short-Positionen hierfür: Gruber Leerverkäufe, S. 23–27; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 553; vgl. auch Bierwirth RdF 2013, 104 (110 f.); Schlimbach Leerverkäufe, S. 18, 139, 148 f., eingehend bereits Daube Marketmaker in Aktienoptionen an der Deutschen Terminbörse, 1993, S. 9–12; auch 26. Erw.grund S. 1, 2 und 4. Vgl. 26. Erw.grund S. 3; empirisches Material etwa in Ho/Macris Dealer Market Structure and Performance in: Amihud/Ho/ Schwartz (Hrsg.): Market Making and the Changing Structure of the Securities Industry, 2002, S. 41–66; noch heute interessant Übersicht bei Daube Marketmaker in Aktienoptionen an der Deutschen Terminbörse, 1993, S. 37–89.

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Ausf. und grundlegend Möslein ZBB 2013, 1 (7 f.); sowie Schlimbach Leerverkäufe, S. 137 f., 139 f., 145 f. Zu diesen Voraussetzungen des hinreichenden ununterbrochenen Zugangs zu liquiden Märkten: Schlimbach Leerverkäufe, S. 137 f. Heidel/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 29; Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1945); Schlimbach Leerverkäufe, S. 139; vgl. auch Ludewig/Geilfus WM 2013, 1533 (1539). Zu diesen Formen jederzeitiger Bereitschaft gegenüber Märkten vgl. Ludewig/Geilfus WM 2013, 1533 (1534); Gruber Leerverkäufe, S. 25 f.; Schlimbach Leerverkäufe, S. 146–149. Zu diesen Verfahren (mit jederzeitiger Eindeckungsfähigkeit): Ludewig/Geilfus WM

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

ment und Kundenaufträge in diesem Instrument, also im Rahmen des reinen Eigenhandels, ist die Ausnahme demgegenüber nicht gerechtfertigt und daher auch nicht eröffnet.173 Da die Definition zwar tatbestandsmäßig umrissen ist, jedoch auch hinreichende Verlässlichkeit verbürgt werden sollte, ist ein besonderes Verfahren der Anmeldung und Veröffentlichung (mit Widerspruchsmöglichkeit) zu durchlaufen (unten Rn 633 f.). Die Wichtigkeit des Market-Making wird durch ein umfangreiches Regime zur Aner- 630 kennung gleichwertiger Märkte in und Market-Maker aus Drittländern betont (Abs. 2).174 Diese Anerkennung spricht die EU-Kommission aus, wobei sie zu analysieren hat, ob die Anforderungen, die die EG-Transparenz-Richtlinie Nr. 2004/109/EG bzw. die EG-Marktmissbrauchs-RL, heute die EU-Marktmissbrauchs-VO (MAR) (oben Abschnitt 3) unter Verweis auf die Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) aufstellt, im Grundsatz erfüllt sind (vgl. Abs. 2 lit. c) und d)) und zugleich deren Einhaltung durch Statuierung einer Zulassungspflicht gewährleistet ist (Abs. 2 lit. a)), außerdem jedoch der Zugang diskriminierungsfrei ist (Abs. 2 lit. b)). Dabei ist „Gleichwertigkeit“ zu prüfen, nicht Deckungsgleichheit.175 b) Ausnahme für Primärhändler für öffentliche Schuldtitel (Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 631 lit. n)). Anders als der Market-Maker verpflichtet sich der Primärhändler (Art. 2 Abs. 1 lit. n) SSR) nicht öffentlich dem Markt gegenüber zur Bedienung von Kauf- oder Verkaufsangeboten, sondern dem Emittenten gegenüber, im eigenen Namen und für eigene Rechnung („als Eigenhändler“) bei der Emission oder im späteren Handel aufzutreten (Primär- und Sekundärmarkt).176 Mittel der „Verpflichtung“ ist eine Vereinbarung oder aber eine Anerkennung seitens des Emittenten, in der freilich die Pflichten des Primärhändlers ebenfalls spezifiziert werden („verpflichtet hat“). Der Inhalt der Verpflichtung ist vergleichbar dem des Market-Maker, wiederum zielt diese auf jederzeitige Bedienung von Kauf- und Verkaufsangeboten ab und dies zum Zweck einer Erhöhung der Liquidität der öffentlichen Schuldtitel, auf die sich die Vereinbarung/Anerkennung bezieht.177 Diese Verpflichtung wird, da sie nur dem Einzelemittenten gegenüber – und nicht dem Markt gegenüber – erfolgt, nur privilegiert, wenn es sich um einen öffentlichen Emittenten handelt. c) Teilausnahme für Kurspflege- und Rückkaufprogramme (Abs. 4). Demgegenüber 632 gilt die dritte Ausnahme, die sich mit der zweiten funktional deutlich überschneidet, wiederum für Aktien und öffentliche Schuldtitel gleichermaßen, es bleiben freilich die Meldepflichten bei den öffentlichen Schuldtiteln nach Art. 7, 8 SSR bestehen. Kurspflege- und

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2013, 1533 (1539); Gruber Leerverkäufe, S. 27; Schlimbach Leerverkäufe, S. 147–149. 26. Erw.grund S. 6; Ludewig/Geilfus WM 2013, 1533 (1534); Juurikka 9 ECFR 307 (339) (2012); Schlimbach Leerverkäufe, S. 137 f., 145. Hierzu näher Ludewig/Geilfus WM 2013, 1533 (1535); Bierwirth RdF 2013, 104 (111); Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 114 Fn 223; Schlimbach Leerverkäufe, S. 124; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 553; sowie 26. Erw.grund S. 5. Zu diesem Standard näher Schlimbach Leerverkäufe, S. 142. Hierzu näher und ebenso für die Erstreckung auch auf Sekundärmärkte (entsprechend der

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Anordnung in Art. 2 Abs. 1 lit. n) und Art. 17 Abs. 3 S. SSR, obwohl der 26. Erw.grund S. 7 explizit nur von „Primärmarktätigkeiten“ spricht) Ludewig/Geilfus WM 2013, 1533 (1534); Heidel/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 30; Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 109; Schlimbach Leerverkäufe, S. 152 f.; Gruber Leerverkäufe, S. 28. Zu Inhalt und Ziel der Verpflichtung nach Abs. 3 auch Ludewig/Geilfus WM 2013, 1533; Schlimbach Leerverkäufe, S. 137 f., 152 f. Zu empirischen Untersuchungen zur Liquiditätssteigerung durch Primärhändler Banerjee/Graveline The Cost of Short-Selling Liquid Securities, 68 The Journal of Finance 637 (2013).

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6. Teil. Marktregeln

Rückkaufprogramme unterliegen einem eigenen Melde- und Aufsichtsregime (hierzu und auch zur Definition oben Rn 318–327). Seine Einhaltung wird – da ja dann auch der Marktmanipulationsvorwurf ausgeräumt ist – auch im Hinblick auf eine Abdeckung der Gefahren aus (ungedeckten) Leerverkäufen und Netto-Leerverkaufspositionen als hinreichend erachtet.178

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d) Anmelde-, Widerspruchs- und Veröffentlichungsverfahren bei den Market-Makerund Primärhändlerausnahmen (Abs. 5–10, 12–14). Die Ausnahme als Market-Maker (Abs. 1) bzw. Primärhändler (Abs. 3) kann nur derjenige in Anspruch nehmen, der dies spätestens 30 Kalendertage vor Aufnahme dieser Tätigkeit bei der zuständigen Behörde angemeldet hat (Abs. 5, 6), wenn nicht die zuständige Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 und 2 verneint und daher widerspricht.179 Dieser Widerspruch ist innerhalb der genannten 30 Kalendertage vorzunehmen, bei Bekanntwerden neuer relevanter Tatsachen auch noch später (Abs. 7). Um Letzteres zu erleichtern/ermöglichen, sind relevante Änderungen ebenfalls mitzuteilen, desgleichen die gänzliche Aufgabe der Intention, als Market-Maker oder (zugelassener) Primärhändler zu agieren (Abs. 9, 10). Für die Zeit vor dem 1.11.2012 war ein Meldeverfahren mit anderen Fristen vorgesehen (Abs. 14), dieses sollte jedoch keineswegs den Markt für Market-Maker und Primärhändler versteinern und eine Anmeldung nach diesem Zeitpunkt präkludieren.180 Für Einheiten aus Drittländern ohne Zulassung in der EU ist die zuständige Behörde des Haupthandelsplatzes in der EU für die Entgegennahme der Meldungen und den Widerspruch berufen.181 Umgekehrt bedurfte es für die dritte Ausnahme keines vergleichbaren Anmelde- und Widerspruchsregimes, weil Kurspflege- und Rückkaufprogramme insoweit Art. 5 MAR unterliegen (vgl. oben Rn 318–327). 634 Eine gemeinschaftsweite Verbreitung der Information über diejenigen Institute, die als Market-Maker bzw. Primärhändler zugelassen und (Teil-)Ausnahmen vom Leerverkaufsregime genießen, wird durch eine zweite Stufe des Meldeverfahrens angestrebt. Danach sind in ihrer Zuständigkeit anfallende Anmeldungen, Änderungen und die Aufgabe der Rolle als Market-Maker oder Primärhändler von der zuständigen Behörde der ESMA innerhalb von zwei Wochen weiterzumelden (Abs. 12), und diese veröffentlicht die Gesamtliste unter ständiger Aktualisierung derselben auf der eigenen Homepage (Abs. 13).182

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e) Weitere Informationspflicht bei Inanspruchnahme jeglicher Ausnahme (Abs. 11). Auch die Inanspruchnahme jeder der drei Formen von Ausnahmen (nach Abs. 1, 3 und 4) 178

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Ebenso (inhaltlich grds. zustimmend); Schlimbach Leerverkäufe, S. 150–152.; vgl. auch KölnKomm/Mock § 30h WpHG Rn 16 mit Verweis auf § 20a WpHG Rn 334 ff. sowie Park/Sorgenfrei/Salinger Kapitalmarktstrafrecht Teil 4 Kap 18 Rn 16 mit Verweis auf Teil 3 Kap 6 Rn 273 ff. ; vgl. auch Elineau 8 International Law and Management Review 61 (73) (2012). Zum Regime von Mitteilung unter Widerspruchsvorbehalt, vgl. näher: Ludewig/Geilfus WM 2013, 1533 (1535 f.); Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1949); Fuchs/WeickLudewig § 30h WpHG Rn 110 f.; Just/Voß/ Ritz/Becker/Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 96; Gruber Leerverkäufe, S. 29–32; Schlimbach Leerverkäufe, S. 153–155.

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Zur Behördenpraxis Ludewig/Geilfus WM 2013, 1533 (1534, 1536); vgl. auch BaFin Aktualisiertes Merkblatt – Regelung der BaFin zur Ausgestaltung der Anzeigen von Market-Making und Primärhändlertätigkeiten vom 15.7.2013. Zu den Kriterien – vergleichbar denen in Art. 2 Abs. 1 lit. m) und Art. 16 SSR, jedoch auf die EU-Märkte bezogen – vgl. näher: Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 552 f.; Schlimbach Leerverkäufe, S. 97. https://www.esma.europa.eu/sites/default/ files/library/list_of_market_makers_and_ primary_dealers.pdf.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

hindert die zuständige Behörde nicht, im Einzelfall dennoch Meldungen anzufordern (freilich nicht die Veröffentlichung anzuordnen) (Abs. 11). Diese Anordnung unterliegt auch keinen weiteren Voraussetzungen, um eine effiziente und schnelle Information für die Behörde zu verbürgen, sie darf jedoch jedenfalls nicht in diskriminierender Weise vorgenommen werden.183 Ihr ist innerhalb von vier Kalendertagen Folge zu leisten.

VI. Erweiterte Befugnisse nationaler Behörden und der ESMA in Krisen (Art. 18–31) (Überblick)

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Kapitel V Eingriffsbefugnisse der zuständigen Behörden und der ESMA Abschnitt 1 Befugnisse der zuständigen Behörden Artikel 18 Meldung und Offenlegung in Ausnahmesituationen (1) Vorbehaltlich des Artikels 22 kann die zuständige Behörde natürliche oder juristische Personen, die Netto-Leerverkaufspositionen in einem bestimmten Finanzinstrument oder einer bestimmten Art von Finanzinstrumenten halten, dazu auffordern, dies zu melden oder der Öffentlichkeit die Einzelheiten der betreffenden Position offenzulegen, wenn diese eine von der zuständigen Behörde festgelegte Meldeschwelle erreicht oder unterschreitet und wenn: a) ungünstige Ereignisse oder Entwicklungen eingetreten sind, die eine ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in dem betreffenden Mitgliedstaat oder in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten darstellen, und b) die Maßnahme erforderlich ist, um der Bedrohung zu begegnen, und die Effizienz der Finanzmärkte wird im Vergleich zum Nutzen der Maßnahme nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. (2) Absatz 1 des vorliegenden Artikels gilt nicht für Finanzinstrumente, die bereits den in Artikel 5 bis 8 festgelegten Transparenzvorschriften unterliegen. Eine Maßnahme nach Absatz 1 kann in Situationen oder vorbehaltlich von Ausnahmen gelten, die von der jeweils zuständigen Behörde festgelegt werden. Ausnahmen können insbesondere für Market-Making-Tätigkeiten und Primärmarkt-Aktivitäten festgelegt werden. Artikel 19 Meldepflicht von Verleihern in Ausnahmesituationen (1) Vorbehaltlich des Artikels 22 kann die zuständige Behörde die in Absatz 2 des vorliegenden Artikels genannte Maßnahme ergreifen, wenn: a) ungünstige Ereignisse oder Entwicklungen eingetreten sind, die eine ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in dem betreffenden Mitgliedstaat oder in einem oder mehreren weiteren Mitgliedstaaten darstellen, und b) die Maßnahme erforderlich ist, um der Bedrohung zu begegnen, und die Effizienz der Finanzmärkte wird im Vergleich zum Nutzen der Maßnahme nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. (2) Eine zuständige Behörde kann natürliche oder juristische Personen, die ein bestimmtes Finanzinstrument oder eine Kategorie von Finanzinstrumenten leihweise zur Verfügung stellen, dazu auffordern, jede erhebliche Änderung der Gebühren zu melden, die für ein solches Verleihen zu zahlen sind.

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Zu beidem (keine weiteren Voraussetzungen, jedoch allgemeine Rechtsstaatlichkeitsanforderungen) vgl. Schlimbach Leerverkäufe, S. 153–155 Vgl. auch 26. Erw.grund S. 9:

diese Information nötig, um „Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung zu überwachen“.

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6. Teil. Marktregeln Artikel 20 Beschränkung von Leerverkäufen und vergleichbaren Transaktionen in Ausnahmesituationen (1) Vorbehaltlich des Artikels 22 kann eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats eine oder mehrere der in Absatz 2 des vorliegenden Artikels genannte Maßnahme ergreifen, wenn: a) ungünstige Ereignisse oder Entwicklungen eingetreten sind, die eine ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in dem betreffenden Mitgliedstaat oder in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten darstellen, und b) die Maßnahme erforderlich ist, um der Bedrohung zu begegnen, und die Effizienz der Finanzmärkte im Vergleich zum Nutzen der Maßnahme nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wird. (2) Eine zuständige Behörde kann ein Verbot oder Bedingungen verhängen im Hinblick auf natürliche oder juristische Personen, die a) einen Leerverkauf tätigen oder b) eine andere Transaktion als einen Leerverkauf tätigen, durch die ein anderes Finanzinstrument geschaffen wird oder die sich auf ein anderes Finanzinstrument bezieht und deren Wirkung oder eine deren Wirkungen darin besteht, dass die natürliche oder juristische Person im Falle einer Kurs- oder Wertminderung eines anderen Finanzinstruments einen finanziellen Vorteil erzielt. (3) Eine gemäß Absatz 2 ergriffene Maßnahme kann für Transaktionen im Zusammenhang mit allen Finanzinstrumenten, mit Finanzinstrumenten einer bestimmten Art oder mit einem bestimmten Finanzinstrument gelten. Die Maßnahme kann in Situationen oder vorbehaltlich von Ausnahmen gelten, die von der zuständigen Behörde festgelegt werden. Ausnahmen können insbesondere für Market-Making-Tätigkeiten und Primärmarkt-Aktivitäten festgelegt werden. Artikel 21 Beschränkung von Transaktionen mit Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel in Ausnahmesituationen (1) Vorbehaltlich des Artikels 22 kann eine zuständige Behörde die Befugnis natürlicher oder juristischer Personen, in Transaktionen mit Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel einzutreten, Beschränkungen unterwerfen oder den Wert von Positionen in Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel, die diese natürlichen oder juristischen Personen eingehen dürfen, beschränken, wenn: a) ungünstige Ereignisse oder Entwicklungen eingetreten sind, die eine ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in dem betreffenden Mitgliedstaat oder in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten darstellen, und b) die Maßnahme erforderlich ist, um der Bedrohung zu begegnen, und die Effizienz der Finanzmärkte im Vergleich zum Nutzen der Maßnahme nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wird. (2) Eine gemäß Absatz 1 ergriffene Maßnahme kann für bestimmte Arten von Transaktionen mit Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel oder für Transaktionen mit bestimmten Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel gelten. Die Maßnahme kann in Situationen oder vorbehaltlich von Ausnahmen gelten, die von der zuständigen Behörde festgelegt werden. Ausnahmen können insbesondere für Market-Making-Tätigkeiten und Primärmarkt-Aktivitäten festgelegt werden. Artikel 22 Maßnahmen durch andere zuständige Behörden Unbeschadet des Artikels 26 darf eine zuständige Behörde eine Maßnahme gemäß den Artikeln 18, 19, 20 oder 21 in Bezug auf ein Finanzinstrument, für das sie nicht die jeweils zuständige Behörde ist, nur mit Zustimmung der jeweils zuständigen Behörde ergreifen oder verlängern. Artikel 23 Befugnis zur befristeten Beschränkung des Leerverkaufs von Finanzinstrumenten bei signifikantem Kursverfall (1) Ist der Kurs eines Finanzinstruments an einem Handelsplatz innerhalb eines einzigen Handelstages im Vergleich zur Schlussnotierung des Vortags signifikant gefallen, so prüft die für diesen Handelsplatz zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats, ob es angebracht ist, an diesem Handelsplatz den Leerverkauf des betreffenden Finanzinstruments für natürliche oder juristische Personen zu verbieten oder zu beschränken oder Transaktionen mit diesem Finanzinstrument am Handelsplatz anderweitig zu beschränken, um einen ungeordneten Kursverfall des Finanzinstruments zu verhindern.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks Kommt die zuständige Behörde nach der Prüfung gemäß Unterabsatz 1 zu dem Schluss, dass dies angebracht ist, so verbietet oder beschränkt sie im Falle von Aktien oder Schuldinstrumenten den Leerverkauf durch natürliche oder juristische Personen an diesem Handelsplatz und beschränkt im Falle anderer Arten von Finanzinstrumenten Transaktionen mit dem betreffenden Finanzinstrument an jenem Handelsplatz, um einen ungeordneten Kursverfall des Finanzinstruments zu verhindern. (2) Die in Absatz 1 genannte Maßnahme gilt längstens bis zum Ende des auf den Handelstag des Kursverfalls folgenden Handelstags. Ist am Ende des auf den Handelstag des Kursverfalls folgenden Handelstages trotz der Verhängung der Maßnahme ein weiterer signifikanter Verfall des Werts des Finanzinstruments in Höhe von mindestens der Hälfte des in Absatz 5 genannten Betrags im Vergleich zur Schlussnotierung des ersten Handelstages zu verzeichnen, kann die zuständige Behörde die Maßnahme um einen weiteren Zeitraum verlängern, der zwei Handelstage nach Ende des zweiten Handelstages nicht überschreitet. (3) Die in Absatz 1 genannte Maßnahme gilt in Situationen oder vorbehaltlich von Ausnahmen, die von der zuständigen Behörde festgelegt werden. Ausnahmen können insbesondere für Market-Making-Tätigkeiten und Primärmarkt-Aktivitäten festgelegt werden. (4) Eine Behörde des Herkunftsmitgliedstaates, die für einen Handelsplatz zuständig ist, an dem der Kurs eines Finanzinstruments innerhalb eines einzigen Handelstages um den in Absatz 5 genannten Wert gefallen ist, meldet der ESMA die gemäß Absatz 1 getroffene Entscheidung spätestens zwei Stunden nach Ende des betreffenden Handelstages. Die ESMA informiert unverzüglich die Behörden der Herkunftsmitgliedstaaten, die für Handelsplätze zuständig sind, an denen dasselbe Finanzinstrument gehandelt wird. Ist eine zuständige Behörde mit der von einer anderen zuständigen Behörde ergriffenen Maßnahme in Bezug auf ein Finanzinstrument, das an unterschiedlichen, von unterschiedlichen zuständigen Behörden geregelten Handelsplätzen gehandelt wird, nicht einverstanden, kann die ESMA diese Behörden gemäß Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 dabei unterstützen, eine Einigung zu erzielen. Die Schlichtung wird am Ende desselben Handelstages vor Mitternacht abgeschlossen. Erzielen die betreffenden zuständigen Behörden innerhalb der Schlichtungsphase keine Einigung, so kann die ESMA gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 einen Beschluss fassen. Der Beschluss wird vor Beginn des nächsten Handelstages gefasst. (5) Gemäß Artikel 22 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 beträgt die Wertminderung im Falle liquider Aktien 10 % oder mehr und im Falle illiquider Aktien und anderer Arten von Finanzinstrumenten eine von der Kommission festzulegende Höhe. (6) Die ESMA kann unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf den Finanzmärkten eine Stellungnahme über die Anpassung des in Absatz 5 genannten Schwellenwertes an die Kommission abgeben. Die Kommission ist unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf den Finanzmärkten befugt, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 42 zur Änderung der in Absatz 5 des vorliegenden Artikels genannten Schwellenwerte zu erlassen. (7) Die Kommission erlässt delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 42, in denen festgelegt wird, was eine signifikante Wertminderung für andere Finanzinstrumente als liquide Aktien darstellt, wobei die Besonderheiten jeder Art von Finanzinstrumenten berücksichtigt werden. (8) Um eine konsequente Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, entwickelt die ESMA Entwürfe technischer Regulierungsstandards, in denen die Methode zur Berechnung der Wertminderung liquider Aktien um 10 % sowie die Wertminderung in der von der Kommission gemäß Absatz 7 festgelegten Höhe beschrieben wird. Die ESMA legt der Kommission bis 31. März 2012 Entwürfe dieser technischen Regulierungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die technischen Regulierungsstandards im Sinne von Unterabsatz 1 gemäß dem in den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 festgelegten Verfahren zu erlassen.

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6. Teil. Marktregeln Artikel 24 Dauer der Beschränkungen Eine Maßnahme nach Artikel 18, 19, 20 oder 21 gilt zunächst für die Dauer von höchstens drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der in Artikel 25 genannten Bekanntmachung. Die Maßnahmen können um weitere Zeiträume von höchstens drei Monaten verlängert werden, wenn die Gründe für die Maßnahme weiterhin vorliegen. Wird eine Maßnahme nach Ablauf eines solchen Dreimonatszeitraums nicht verlängert, so tritt sie automatisch außer Kraft. Artikel 25 Bekanntmachung von Beschränkungen (1) Eine zuständige Behörde veröffentlicht auf ihrer Website jeden Beschluss zur Verhängung oder Verlängerung einer Maßnahme nach Artikel 18 bis 23. (2) Die Bekanntmachung enthält zumindest Einzelheiten zu: a) den verhängten Maßnahmen einschließlich Instrumenten und Transaktionsarten, für die sie gelten, sowie ihrer Dauer, b) den Gründen, aus denen die zuständige Behörde die Verhängung der Maßnahmen für notwendig hält, einschließlich Belegen dafür. (3) Eine Maßnahme nach Artikel 18 bis 23 tritt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bekanntmachung oder einem darin genannten späteren Zeitpunkt in Kraft und gilt nur für Transaktionen, die nach Inkrafttreten der Maßnahme eingegangen werden. Artikel 26 Unterrichtung der ESMA und der anderen zuständigen Behörden (1) Vor Verhängung oder Verlängerung einer Maßnahme nach Artikel 18, 19, 20 oder 21 und vor Verhängung von Beschränkungen nach Artikel 23 unterrichtet die zuständige Behörde die ESMA und die anderen zuständigen Behörden über die von ihr vorgeschlagene Maßnahme. (2) Die Unterrichtung umfasst Einzelheiten der vorgeschlagenen Maßnahmen, die Arten der betroffenen Finanzinstrumente und Transaktionen, Belege für die Gründe der Maßnahmen und den Zeitpunkt des geplanten Inkrafttretens. (3) Die Unterrichtung über einen Vorschlag zur Verhängung oder Verlängerung einer Maßnahme nach den Artikeln 18, 19, 20 oder 21 erfolgt spätestens 24 Stunden vor dem geplanten Inkrafttreten der Maßnahme oder ihrer Verlängerung. Kann die 24-Stunden-Frist nicht eingehalten werden, kann die zuständige Behörde die Unterrichtung im Ausnahmefall weniger als 24 Stunden vor dem geplanten Inkrafttreten der Maßnahme vornehmen. Die Unterrichtung über eine Beschränkung gemäß Artikel 23 erfolgt, bevor die Maßnahme in Kraft treten soll. (4) Eine zuständige Behörde, die gemäß diesem Artikel unterrichtet wird, kann in diesem Mitgliedstaat Maßnahmen nach Artikel 18 bis 23 ergreifen, wenn sie davon überzeugt ist, dass die Maßnahme erforderlich ist, um die zuständige Behörde, von der sie unterrichtet wird, zu unterstützen. Will die unterrichtete zuständige Behörde Maßnahmen ergreifen, nimmt sie ebenfalls eine Unterrichtung gemäß den Absätzen 1 bis 3 vor.

Abschnitt 2 Befugnisse der ESMA Artikel 27 Koordinierung durch die ESMA (1) Die ESMA spielt bei Maßnahmen der zuständigen Behörden gemäß Abschnitt 1 eine unterstützende und koordinierende Rolle. Die ESMA gewährleistet insbesondere, dass die zuständigen Behörden bei den getroffenen Maßnahmen einen kohärenten Ansatz verfolgen; dies gilt insbesondere, wenn Eingriffsbefugnisse ausgeübt werden müssen, und für die Art der verhängten Maßnahmen sowie deren Inkrafttreten und Dauer. (2) Nachdem die ESMA gemäß Artikel 26 über eine Maßnahme unterrichtet wurde, die nach Artikel 18, 19, 20 oder 21 verhängt oder verlängert werden soll, gibt sie innerhalb von 24 Stunden eine Stellungnahme dazu ab, ob sie die Maßnahme bzw. die vorgeschlagene Maßnahme für notwendig hält, um die Ausnahmesituation zu bewältigen. In dieser Stellungnahme erklärt die ESMA, ob nach ihrer Auffassung ungünstige Ereignisse oder Entwicklungen eingetreten sind, die eine ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten darstellen, ob die Maßnahme bzw. die vorgeschlagene Maßnahme zur

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks Bewältigung der Bedrohung angemessen und verhältnismäßig ist und ob die jeweils vorgeschlagene Dauer der Maßnahme gerechtfertigt ist. Hält die ESMA Maßnahmen anderer zuständiger Behörden für notwendig, um die Bedrohung zu bewältigen, gibt sie auch dies in ihrer Stellungnahme an. Die Stellungnahme wird auf der Website der ESMA veröffentlicht. (3) Werden von einer zuständigen Behörde Maßnahmen vorgeschlagen oder ergriffen, die der in Absatz 2 genannten Stellungnahme der ESMA zuwiderlaufen, oder wird das Ergreifen von Maßnahmen entgegen der nach dem genannten Absatz abgegebenen Stellungnahme der ESMA von einer zuständigen Behörde abgelehnt, so veröffentlicht die betreffende zuständige Behörde auf ihrer Website innerhalb von 24 Stunden ab Erhalt der Stellungnahme der ESMA eine Bekanntmachung, in der sie die Gründe für ihr Vorgehen vollständig darlegt. Tritt eine solche Situation ein, wägt die ESMA ab, ob die Bedingungen erfüllt sind, um von ihren Eingriffsbefugnissen gemäß Artikel 28 Gebrauch zu machen, und ob es sich um einen Fall handelt, in dem dies angebracht ist. (4) Die ESMA überprüft die Maßnahmen nach diesem Artikel regelmäßig, mindestens jedoch alle drei Monate. Wird eine Maßnahme nach einem solchen Dreimonatszeitraum nicht verlängert, so tritt sie automatisch außer Kraft. Artikel 28 Eingriffsbefugnisse der ESMA in Ausnahmesituationen (1) Gemäß Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 ergreift die ESMA vorbehaltlich des Absatzes 2 folgende Maßnahmen: a) Sie fordert natürliche oder juristische Personen, die Netto-Leerverkaufspositionen in einem bestimmten Finanzinstrument oder einer bestimmten Art von Finanzinstrumenten halten, auf, dies einer zuständigen Behörde zu melden oder der Öffentlichkeit die Einzelheiten jeder derartigen Position offenzulegen, oder b) sie verhängt ein Verbot oder erlässt Bedingungen für den Eintritt einer natürlichen oder juristischen Person in einen Leerverkauf oder eine Transaktion, durch die ein anderes Finanzinstrument als die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c genannten Finanzinstrumente geschaffen wird oder die sich auf ein anderes Finanzinstrument als die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c genannten Finanzinstrumente bezieht, wenn deren Wirkung oder eine von deren Wirkungen darin besteht, dass diese Person im Falle eines Kurs- oder Wertverlusts eines anderen Finanzinstruments einen finanziellen Vorteil erzielt; Eine Maßnahme kann auf bestimmte Situationen beschränkt oder Ausnahmen unterworfen werden, die von der ESMA festgelegt werden. Ausnahmen können insbesondere für Market-Making-Tätigkeiten und Primärmarkt-Aktivitäten festgelegt werden. (2) Die ESMA fasst einen Beschluss gemäß Absatz 1 nur, wenn: a) die unter Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Maßnahmen die ordnungsgemäße Funktionsweise und Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des gesamten oder eines Teils des Finanzsystems in der Union bedrohen und die Auswirkungen grenzübergreifend sind und b) keine zuständige Behörde Maßnahmen ergriffen hat, um der Bedrohung zu begegnen, oder eine oder mehrere der zuständigen Behörden Maßnahmen ergriffen hat, die der Bedrohung nicht in angemessener Weise gerecht werden. (3) Ergreift die ESMA Maßnahmen nach Absatz 1, so berücksichtigt sie, inwieweit die Maßnahme a) die Bedrohung für die ordnungsgemäße Funktionsweise und Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des gesamten Finanzsystems oder eines Teils davon in der Union signifikant verringert oder die Möglichkeiten der zuständigen Behörden zur Überwachung der Bedrohung signifikant verbessert; b) keine Gefahr der Aufsichtsarbitrage entstehen lässt; c) die Effizienz der Finanzmärkte im Vergleich zum Nutzen der Maßnahme nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, etwa durch Verringerung der Liquidität dieser Märkte oder Schaffung von Unsicherheit für die Marktteilnehmer. Haben eine oder mehrere zuständige Behörden eine Maßnahme nach Artikel 18, 19, 20 oder 21 ergriffen, so kann die ESMA die in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Maßnahmen ergreifen, ohne die in Artikel 27 vorgesehene Stellungnahme abzugeben.

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6. Teil. Marktregeln (4) Bevor die ESMA die Verhängung oder Verlängerung von Maßnahmen nach Absatz 1 beschließt, konsultiert sie den ESRB und gegebenenfalls andere zuständige Behörden. (5) Bevor die ESMA die Verhängung oder Verlängerung einer Maßnahme nach Absatz 1 beschließt, unterrichtet sie die betreffenden zuständigen Behörden über die von ihr vorgeschlagene Maßnahme. Die Unterrichtung umfasst Einzelheiten der vorgeschlagenen Maßnahmen, die Art der betroffenen Finanzinstrumente und Transaktionen, Belege für die Gründe des Ergreifens dieser Maßnahmen und den Zeitpunkt des geplanten Inkrafttretens. (6) Die Unterrichtung erfolgt spätestens 24 Stunden vor dem Inkrafttreten der Maßnahme oder ihrer Verlängerung. Kann die 24-Stunden-Frist nicht eingehalten werden, kann die ESMA die Unterrichtung im Ausnahmefall weniger als 24 Stunden vor dem geplanten Inkrafttreten der Maßnahme vornehmen. (7) Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website jeden Beschluss zur Verhängung oder Verlängerung einer Maßnahme nach Absatz 1. Die Bekanntmachung enthält mindestens Folgendes: a) die verhängten Maßnahmen einschließlich Instrumenten und Transaktionsarten, für die sie gelten, sowie ihrer Dauer und b) die Gründe, warum die ESMA die Verhängung der Maßnahmen für notwendig hält, einschließlich Belegen dafür. (8) Nachdem ein Beschluss zur Verhängung oder Verlängerung einer Maßnahme nach Absatz 1 getroffen wurde, unterrichtet die ESMA die zuständigen Behörden unverzüglich über die von ihr ergriffenen Maßnahmen. (9) Eine Maßnahme tritt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bekanntmachung auf der Website der ESMA oder einem darin genannten späteren Zeitpunkt in Kraft und gilt nur für Transaktionen, die nach Inkrafttreten der Maßnahme eingegangen werden. (10) Die ESMA überprüft die gemäß Absatz 1 ergriffenen Maßnahmen in geeigneten Zeitabständen, mindestens aber alle drei Monate. Wird eine Maßnahme am Ende dieses Zeitraums von drei Monaten nicht verlängert, so tritt sie automatisch außer Kraft. Für die Erneuerung von Maßnahmen finden die Absätze 2 bis 9 Anwendung. (11) Eine gemäß diesem Artikel beschlossene Maßnahme der ESMA erhält Vorrang vor allen etwaigen früheren Maßnahmen einer zuständigen Behörde nach Abschnitt 1. Artikel 29 Befugnisse der ESMA in Ausnahmesituationen im Zusammenhang mit öffentlichen Schuldtiteln Im Falle einer Ausnahmesituation im Zusammenhang mit öffentlichen Schuldtiteln oder Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel finden Artikel 18 und 38 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 Anwendung. Artikel 30 Abgrenzung ungünstiger Ereignisse oder Entwicklungen Die Kommission wird zum Erlass von delegierten Rechtsakten gemäß Artikel 42 ermächtigt, in denen festgelegt wird, welche Kriterien und Faktoren die zuständigen Behörden und die ESMA bei der Entscheidung, ob ungünstige Ereignisse oder Entwicklungen im Sinne der Artikel 18 bis 21 sowie des Artikels 27 und Bedrohungen im Sinne von Artikel 28 Absatz 2 Buchstabe a vorliegen, zu berücksichtigen haben. Artikel 31 Untersuchungen der ESMA Die ESMA kann auf Antrag einer oder mehrerer zuständiger Behörden, des Europäischen Parlaments, des Rates oder der Kommission oder auf eigene Initiative eine Untersuchung über eine bestimmte Frage oder Praxis im Zusammenhang mit Leerverkäufen oder dem Einsatz von Credit Default Swaps durchführen, um zu prüfen, ob die betreffende Frage oder Praxis eine potenzielle Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in der Union darstellt. Die ESMA veröffentlicht innerhalb von drei Monaten nach Abschluss einer solchen Untersuchung einen Bericht, in dem sie ihre Ergebnisse darlegt und gegebenenfalls Empfehlungen zu der betreffenden Frage oder Praxis abgibt.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

1. Artikel 18–26: Spezifische Eingriffs- und temporäre Verbotsbefugnisse nationaler Behörden a) Sonderbefugnisse bei Eintritt ungünstiger Ereignisse und Bedrohung von Finanzsta- 637 bilität oder Marktvertrauen. Art. 18–21 SSR ermächtigen die für das Finanzinstrument jeweils zuständige Behörde (des [Haupt-]Handelsplatzes, vgl. Art. 22 i.V.m. 2 Abs. 1 lit. m) SSR) zu Anordnungen im Ausnahmefall, die über die regulären Meldepflichten nach Art. 5 ff. SSR und die regulären inhaltlichen Bedingungen nach Art. 12 ff. SSR hinausgehen (Art. 18 f. SSR für die Meldepflichten, Art. 20 f. SSR für die inhaltlichen Bedingungen). Dabei wird in Art. 18–21 SSR der Ausnahmefall stets gleich definiert. Stets wird gefordert der Eintritt von „ungünstigen Ereignissen bzw. Entwicklungen“ oder eine „ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität“ oder „für das Marktvertrauen“ in diesem oder einem anderen Mitgliedstaat (jeweils lit. a)). „Ungünstige Ereignisse“ werden näher spezifiziert in Art. 24 der Delegierten Verordnung Nr. 918/2012 (vgl. Art. 30 SSR), Budgetprobleme und Ratingmaßnahmen (Abstufungen) zählen hierzu.184 Auch bei Vorliegen dieser negativen Entwicklungen muss die Anordnung der Meldepflicht den Voraussetzungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen (namentlich Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit ieS, vgl. jeweils lit. b)). b) Anordnung weiterer Meldepflichten (Art. 18, 19). Zusätzliche Meldepflichten kön- 638 nen unter den genannten Voraussetzungen angeordnet werden, wo bestimmte Finanzinstrumente oder Marktteilnehmer nicht bereits von Art. 5–8 SSR erfasst sind. So dürfen nach Art. 18 SSR Meldepflichten für solche Finanzinstrumente angeordnet werden, für die sie nicht bereits nach Art. 5–8 SSR bestehen (Art. 18 Abs. 2 SSR), also generell bei Unternehmensanleihen,185 nach wohl überwiegender Meinung jedoch allgemein, wenn im konkreten Einzelfall die Meldepflicht für dieses Finanzinstrument nach Art. 5 ff. SSR nicht eingreift.186 Und so dürfen nach Art. 19 SSR Meldepflichten auch ohne Begründung von Netto-Leerverkaufspositionen für Verleiher von Finanzinstrumenten angeordnet werden, wenn sich Verleihgebühren erheblich ändern.187 c) Verbote und zusätzliche Bedingungen (Art. 20, 21). Über die regulären Einschrän- 639 kungen nach Art. 12 ff. SSR hinaus können im Ausnahmefall – unter den genannten Voraussetzungen (oben Rn 637) – Verbote und zusätzliche Bedingungen nach Art. 20, 21 SSR

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Zu den Spezifikationen näher Gruber Leerverkäufe, S. 64 f.; Schlimbach Leerverkäufe, S. 196 f.; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 564 f. Fn 300; Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 32; sehr kritisch zur Möglichkeit einer Beschränkung (auch im Einzelfall): Elineau 8 International Law and Management Review 61 (80-84 und 86 f.) (2012) (jedenfalls schlechte Koordinierung zu erwarten); Payne 13 EBOR 413 (413 f. und 439 f.) (2012) (Liquiditätsverschlechterung). Schlimbach Leerverkäufe, S. 199; vgl. auch Juurikka 9 ECFR 307 (320) (2012); Veil/ Walla EuKapMR § 15 Rn 31; Gruber Leerverkäufe, S. 66 Fn 309. Etwa, soweit nach Art. 17 SSR eine Partei von der Meldepflicht ausgenommen ist: Moloney EU Securities and Financial Markets

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Regulation, S. 565 Fn 301; vgl. auch Schlimbach Leerverkäufe, S. 200 sowie Gruber Leerverkäufe, S. 66 Fn 310, die für Art. 20 SSR bzw. Art. 18 SSR zumindest implizit von einer generellen Anwendbarkeit auch auf Market-Maker und Primärhändler ausgehen. Ebenso scheint dies auch Art. 18 Abs. 2 S. 2 SSR vorauszusetzen („kann in Situationen … von Ausnahmen gelten“). Spezifikation der Erheblichkeitsschwelle geben weder BaFin noch ESMA, es handelt sich also um Einzelfallentscheidungen; vgl. hierzu jedoch näher Schlimbach Leerverkäufe, S. 199; Gruber Leerverkäufe, S. 67; Veil/ Walla EuKapMR § 15 Rn 31; allgemein zum dahinterstehenden Gedanken des Zusammenhangs zwischen Leihgebühren und Leerverkäufen Kampshoff Regulierung von Leerverkäufen in der Krise, S. 47.

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6. Teil. Marktregeln

verhängt bzw. angeordnet werden. Dies gilt für alle Arten von Leerverkäufen und Transaktionen, mit denen aus fallenden Kursen finanzielle Vorteile gezogen werden (Art. 20 Abs. 2). Dies kann sich insbesondere auch auf gedeckte Leerverkäufe beziehen, soweit es sich überhaupt um Leerverkäufe handelt,188 desgleichen auf Market-Maker oder Primärmarktaktivitäten, die von den regulären Beschränkungen nach Art. 17 SSR ausgenommen sind189 – umgekehrt können Letztere aber auch im Rahmen der Art. 20, 21 SSR wieder ausgenommen werden. Die Maßnahmen können sich auf Arten von Finanzinstrumenten oder auf bestimmten einzelne Finanzinstrumente beziehen. All dies gilt gleichermaßen für CDS für öffentliche Schuldtitel (Art. 21 SSR).190

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d) Zuständigkeit, Wirksamwerden und -dauer, Zusammenarbeit (Art. 22, 24–26). Zuständig ist primär allein die für das Finanzinstrument jeweils zuständige Behörde (des [Haupt-]Handelsplatzes, vgl. Art. 22 i.V.m. 2 Abs. 1 lit. m) SSR), eine andere Behörde nur mit deren Zustimmung (Art. 22 SSR, zur Ausnahme zugunsten der ESMA unten Rn 643). Sie unterrichtet die ESMA und die anderen zuständigen Behörden, begründet und veröffentlicht die Maßnahme (Art. 26 Abs. 1–3 SSR). Hat jedoch die primärzuständige Behörde eine Maßnahme erlassen, können sich die anderen zuständigen Behörden nach ihrer Unterrichtung unterstützend mit vergleichbaren Maßnahmen anschließen (vgl. Art. 26 Abs. 4 SSR). 641 Erst nach Bekanntmachung der Maßnahme bzw. ihrer Verlängerung, die Dauer, Einzelheiten und Gründe für die Maßnahme zu enthalten hat (Art. 25 Abs. 1, 2 SSR), wird diese wirksam (Art. 25 Abs. 3 SSR). Sie darf für höchstens drei Monate angeordnet werden,191 allerdings verlängerbar, auch mehrfach,192 solange die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßnahme gegeben sind (Art. 24 VO).

642

e) Kurzfristige Beschränkungen bei Kursverfall (Art. 23). Kurzfristige Beschränkungen erlaubt Art. 23 SSR bei Kursverfall an einem bestimmten Handelsplatz (wieder unter möglicher Einbeziehung aller Leerverkäufe und auch der Market-Maker bzw. Primärmarkttätigkeiten, vgl. Abs. 3). Hier nun wird der Einzelemittent schon vor „ungeordnetem“ Kursverfall geschützt – ohne Eintritt „ungünstiger Ereignisse“ oder Bedrohungen der genannten Art (oben Rn 637) –, freilich auch nur sehr kurzfristig (höchstens bis zum Ablauf des folgenden Handelstages), auch nur einmal um höchstens zwei Handelstage verlängerbar, wiederum mit Begründungsnotwendigkeit (näher Abs. 2, 4) und mit Vetomöglichkeit der ESMA im Koordinierungsverfahren (Abs. 4). Die Schwelle zur Annahme von Kursverfall wird nach Abs. 5 bei Aktien in liquiden Märkten bei einem Kursverlust von 10 % angenommen, sonst nach Festsetzung durch die Kommission (vgl. Abs. 6–8),193 im Falle der Verlängerung, wenn der Verlust noch zu mindestens 50 % fortbesteht (Abs. 2).

188

189 190

191

80

Vgl näher Schlimbach Leerverkäufe, S. 200; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 565 f. Vgl näher Schlimbach Leerverkäufe, S. 200. Vgl näher Juurikkala 9 ECFR 307 (331 f.) (2012); Benzler/Brunner-Reumann Zivilrechtliche Einordnung von Kreditderivaten, in: Burghof/Rudolph/Schäfer/Schönbucher/ Sommer (Hrsg.), Kreditderivate, S. 333 (355). Für die Dauer ist entscheidend, wie lange die Voraussetzungen (oben Rn 637) voraussichtlich vorliegen: Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 128; vgl. auch Just/Voß/Ritz/ Becker/Buttler/Petersen § 30h WpHG

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193

Rn 102; Schlimbach Leerverkäufe, S. 199; Gruber Leerverkäufe S. 68. Schlimbach Leerverkäufe, S. 199; Gruber Leerverkäufe S. 68; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 566. Vgl. Art. 23 Abs. 1–6 Delegierte VO Nr. 918/2012 (Fn 41) und nochmals spezifischer Technischer Regulierungsstandard Nr. 919/2012 (Fn 42); sowie Krüger/Ludewig WM 2012, 1942 (1950); Mülbert/ Sajnowitz ZBB 2012, 266 (284 f.); Just/Voß/ Ritz/Becker/Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 99; Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 135–137; Veil/Walla EuKapMR § 15

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Zuständig ist die „zuständige Behörde“ des fraglichen Handelsplatzes, an dem der Kursverfall konstatiert wird, nicht notwendig ist dies die allgemein für das jeweilige Finanzinstrument zuständige Behörde (zu deren Bestimmung nach Art. 2 Abs. 1 lit. j) SSR oben Rn 582). 2. Artikel 27–31: Spezifische Eingriffs- und temporäre Verbotsbefugnisse der ESMA. 643 Grundsätzlich sehen Art. 27–31 keine direkten Aufsichts- und Eingriffsbefugnisse der ESMA im Einzelfall vor, sondern nur Koordinierungsbefugnisse, die mittels Empfehlungen und Begründung sowie Veröffentlichung derselben auf Einheitlichkeit der Tatbestandsauslegung und Rechtsanwendung (Art. 27 SSR) und einen allgemeinen Prüfauftrag zu Marktentwicklungen (Art. 31 SSR) ausgelegt sind. Direkte Aufsichts- und Eingriffsbefugnisse hat die ESMA jedoch in Notfallsituationen (Art. 28, 29 SSR, mit Vorrang vgl. Art. 28 Abs. 11 SSR). Diese Befugnisse werden in Art. 9 der ESMA-VO Nr. 1095/2010 definiert – bei anderen Finanzinstrumenten als öffentlichen Schuldtiteln unter der Voraussetzung gemeinschaftsweiter Bedeutung und Nichteingreifens der zuständigen Behörde (vgl. Art. 28 Abs. 2 SSR), bei öffentlichen Schuldtiteln nach Art. 18, 38 der ESMA-VO (vgl. Art. 29 SSR).194 Konsultationen gehen voraus, die Maßnahmen sind zu begründen, zu veröffentlichen und periodisch zu überprüfen (vgl. Art. 28 Abs. 4–10 SSR). Gegen diese Eingriffsbefugnis wandte sich die Nichtigkeitsklage Großbritanniens (oben Rn 563).

VII. Allgemeines Aufsichts-, Befugnis- und Datenschutzregime (Art. 32–41) (Überblick) Kapitel VI Rolle der zuständigen Behörden Artikel 32 Zuständige Behörden Für die Zwecke dieser Verordnung benennt jeder Mitgliedstaat eine oder mehrere zuständige Behörde(n). Benennt ein Mitgliedstaat mehr als eine zuständige Behörde, so bestimmt er eindeutig ihre jeweiligen Aufgaben und benennt die Behörde, die für die Koordinierung der Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit der Kommission, der ESMA und den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten zuständig ist. Die Mitgliedstaaten setzen die Kommission, die ESMA und die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten von diesen Benennungen in Kenntnis.

194

Rn 33; Gruber Leerverkäufe, S. 69–72; Schlimbach Leerverkäufe, S. 201 f.; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 565–567; Einzelfallverbote und Kursverfalleingriffe (sog. „circuit breaker“) scharf voneinander trennend (allerdings beide verurteilend, Letzteres weil Verfall meist nicht emittentenspezifisch, sondern marktweit) Payne 13 EBOR 413 (439) (2012). Zu den ESMA-Befugnissen nach Art. 27–31 SSR näher: Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 567–569; Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 142 f.; Mülbert/Sajnowitz ZBB 2012,

266 (285); Gruber Leerverkäufe, S. 74–83; Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 34; Schlimbach Leerverkäufe, S. 206–209; sehr kritisch (und gerade in dieser Kompetenz der ESMA die gegenüber Leerverkäufen stark “feindliche” Grundeinstellung der SSR erkennend) Elineau 8 International Law and Management Review 61 (84 f.) (2012); Payne 13 EBOR 413 (434 f.) (2012); speziell zu Art. 28 SSR und dem EuGH-Urt. v. 22.1.2014 – C-270/12 (Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland/Parlament): Skowron, EuZW 2014, 349.

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6. Teil. Marktregeln Artikel 33 Befugnisse der zuständigen Behörden (1) Die zuständigen Behörden werden mit allen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß dieser Verordnung erforderlichen Aufsichts- und Ermittlungsbefugnissen ausgestattet. Sie üben ihre Befugnisse auf einem der folgenden Wege aus: a) unmittelbar, b) in Zusammenarbeit mit anderen Behörden, c) durch Antrag bei den zuständigen Justizbehörden. (2) Die zuständigen Behörden werden im Einklang mit dem nationalen Recht mit folgenden für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß dieser Verordnung erforderlichen Befugnissen ausgestattet: a) Unterlagen aller Art einzusehen und Kopien davon zu erhalten oder anzufertigen, b) von jeder natürlichen oder juristischen Person Informationen zu verlangen und, falls notwendig, natürliche oder juristische Personen vorzuladen und zu vernehmen, um Informationen zu erlangen, c) angekündigte und unangekündigte Prüfungen vor Ort durchzuführen, d) bereits vorhandene Aufzeichnungen von Telefongesprächen und Datenübermittlungen anzufordern, e) die Einstellung von Praktiken zu verlangen, die gegen die Bestimmungen dieser Verordnung verstoßen, f) das Einfrieren und/oder die Beschlagnahme von Vermögenswerten zu verlangen. (3) Die zuständigen Behörden sind unbeschadet des Absatzes 2 Buchstaben a und b befugt, von natürlichen oder juristischen Personen, die in Transaktionen mit Credit Default Swaps eintreten, im Einzelfall die folgenden Angaben zu verlangen: a) eine Erklärung über den Zweck der Transaktion und die Angabe, ob diese der Absicherung gegen Risiken oder anderen Zwecken dient, und b) Informationen über das zugrunde liegende Risiko, wenn die Transaktion Absicherungszwecken dient. Artikel 34 Berufsgeheimnis (1) Alle natürlichen oder juristischen Personen, die für die zuständige Behörde oder für eine Behörde oder natürliche oder juristische Person, an die die zuständige Behörde Aufgaben delegiert hat, tätig sind oder waren, einschließlich der von der zuständigen Behörde beauftragten Rechnungsprüfer und Sachverständigen, sind an das Berufsgeheimnis gebunden. Unter das Berufsgeheimnis fallende vertrauliche Informationen dürfen an keine andere natürliche oder juristische Person oder Behörde weitergegeben werden, es sei denn, dies ist für gerichtliche Ermittlungen erforderlich. (2) Alle im Rahmen dieser Verordnung zwischen zuständigen Behörden ausgetauschten Informationen, die Geschäfts- oder Betriebsbedingungen und andere wirtschaftliche oder persönliche Angelegenheiten betreffen, gelten als vertraulich und unterliegen den Anforderungen des Berufsgeheimnisses, es sein denn, ihre Weitergabe wird von den zuständigen Behörden zum Zeitpunkt der Übermittlung für zulässig erklärt oder ist für gerichtliche Ermittlungen erforderlich. Artikel 35 Verpflichtung zur Zusammenarbeit Die zuständigen Behörden arbeiten zusammen, wenn dies für die Zwecke dieser Verordnung erforderlich oder zweckdienlich ist. Insbesondere übermitteln die zuständigen Behörden einander unverzüglich Informationen, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß dieser Verordnung von Belang sind. Artikel 36 Zusammenarbeit mit der ESMA Die zuständigen Behörden arbeiten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 für die Zwecke dieser Richtlinie mit der ESMA zusammen. Die zuständigen Behörden stellen der ESMA gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 unverzüglich alle für die Ausführung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen zur Verfügung.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks Artikel 37 Zusammenarbeit bei Anträgen auf Prüfungen oder Ermittlungen vor Ort (1) Die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats kann im Hinblick auf Prüfungen oder Ermittlungen vor Ort die Amtshilfe der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats beantragen. Die beantragende zuständige Behörde setzt die ESMA über jeden Antrag nach Unterabsatz 1 in Kenntnis. Ermittlungen oder Prüfungen mit grenzübergreifender Wirkung können von der ESMA koordiniert werden und müssen von ihr koordiniert werden, wenn sie darum ersucht wird. (2) Erhält eine zuständige Behörde einen Antrag einer zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats auf Durchführung von Prüfungen vor Ort oder Ermittlungen, so hat sie folgende Möglichkeiten: a) Sie führt die Prüfung oder Ermittlung vor Ort selbst durch; b) sie gestattet der antragstellenden zuständigen Behörde, sich an der Prüfung oder Ermittlung vor Ort zu beteiligen; c) sie gestattet der antragstellenden zuständigen Behörde, die Prüfung oder Ermittlung vor Ort selbst durchzuführen; d) sie beauftragt Rechnungsprüfer oder Sachverständige mit der Durchführung der Prüfung oder Ermittlung vor Ort; e) sie teilt sich bestimmte mit der Wahrnehmung der Aufsichtstätigkeiten zusammenhängende Aufgaben mit den anderen zuständigen Behörden. (3) Die ESMA kann von den zuständigen Behörden verlangen, spezielle Ermittlungen und Prüfungen vor Ort durchzuführen, wenn Informationen vernünftigerweise erforderlich sind, damit die ESMA eine Befugnis ausüben kann, die ihr im Rahmen dieser Verordnung ausdrücklich übertragen wird. Artikel 38 Zusammenarbeit mit Drittländern (1) Wann immer dies möglich ist, schließen die zuständigen Behörden mit Aufsichtsstellen von Drittländern Kooperationsvereinbarungen über den Informationsaustausch mit Aufsichtsstellen in Drittländern, die Durchsetzung von Verpflichtungen aus dieser Verordnung in Drittländern und das Ergreifen vergleichbarer Maßnahmen in Drittländern durch deren Aufsichtsstellen zur Ergänzung der gemäß Kapitel V ergriffenen Maßnahmen. Mit den Kooperationsvereinbarungen wird mindestens ein wirksamer Informationsaustausch gewährleistet, in dessen Rahmen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß dieser Verordnung ermöglicht wird. Schlägt eine zuständige Behörde das Eingehen einer derartigen Vereinbarung vor, so setzt sie die ESMA und die anderen zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten davon in Kenntnis. (2) In der Kooperationsvereinbarung wird der Austausch von Daten und Informationen geregelt, die die jeweils zuständige Behörde benötigt, um ihrer Verpflichtung nach Artikel 16 Absatz 2 nachzukommen. (3) Die ESMA koordiniert die Ausarbeitung von Kooperationsvereinbarungen zwischen den zuständigen Behörden und den jeweils zuständigen Aufsichtsstellen von Drittländern. Zu diesem Zweck erstellt die ESMA ein Musterdokument für Kooperationsvereinbarungen, das die zuständigen Behörden verwenden können. Die ESMA koordiniert auch den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden bei Informationen von Aufsichtsstellen aus Drittländern, die für das Ergreifen von Maßnahmen nach Kapitel V von Belang sein können. (4) Die zuständigen Behörden schließen Kooperationsvereinbarungen über den Informationsaustausch mit den Aufsichtsstellen von Drittländern nur, wenn der Schutz des Berufsgeheimnisses hinsichtlich der weitergegebenen Informationen mindestens ebenso gewährleistet ist wie nach Artikel 34 gefordert. Ein derartiger Informationsaustausch dient der Wahrnehmung der Aufgaben dieser zuständigen Behörden. Artikel 39 Übermittlung und Speicherung personenbezogener Daten Bei der Übermittlung personenbezogener Daten zwischen Mitgliedstaaten oder zwischen Mitgliedstaaten und einem Drittland wenden die Mitgliedstaaten die Bestimmungen der Richtlinie

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6. Teil. Marktregeln 95/46/EG an. Bei der Übermittlung personenbezogener Daten an die Mitgliedstaaten oder an ein Drittland wendet die ESMA die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 an. Die in Absatz 1 genannten personenbezogenen Daten werden nicht länger als fünf Jahre gespeichert. Artikel 40 Offenlegung von Informationen gegenüber Drittländern Sind die Bedingungen des Artikels 25 oder 26 der Richtlinie 95/46/EG erfüllt, so dürfen die zuständigen Behörden Daten und die Auswertung von Daten gegenüber der Aufsichtsstelle eines Drittlands offenlegen; eine solche Offenlegung erfolgt jedoch nur im Einzelfall. Die zuständige Behörde muss überzeugt sein, dass die Weitergabe für die Zwecke dieser Verordnung notwendig ist. Jede derartige Weitergabe von Informationen erfolgt mit Maßgabe einer Vereinbarung, dass das Drittland die Daten nicht ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der zuständigen Behörde an die Aufsichtsstelle eines anderen Drittlands weitergibt. Eine zuständige Behörde legt die von einer zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats erhaltenen Informationen, die gemäß Artikel 34 als vertraulich eingestuft sind, nur dann gegenüber einer Aufsichtsstelle eines Drittlandes offen, wenn sie die ausdrückliche Zustimmung der zuständigen Behörde erhalten hat, von der die Informationen übermittelt wurden, und die Informationen lediglich zu den Zwecken offengelegt werden, für die die zuständige Behörde gegebenenfalls ihre Zustimmung erteilt hat. Artikel 41 Strafmaßnahmen Die Mitgliedstaaten legen Regeln für Sanktionen und verwaltungsrechtliche Maßnahmen fest, die bei Verstößen gegen diese Verordnung verhängt werden, und ergreifen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchsetzung zu gewährleisten. Diese Sanktionen und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die ESMA kann gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 Leitlinien zur Gewährleistung eines einheitlichen Ansatzes bezüglich der Sanktionen und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten festzulegen sind, erlassen. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission und der ESMA bis zum 1. Juli 2012 die Bestimmungen gemäß den Unterabsätzen 1 und 2 mit und melden ihnen unverzüglich alle späteren Änderungen. Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website ein nach Mitgliedstaaten geordnetes Verzeichnis der bestehenden Sanktionen und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen und aktualisiert dieses regelmäßig. Die Mitgliedstaaten übermitteln der ESMA jährlich einen zusammenfassenden Bericht über alle verhängten Sanktionen und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen. Gibt eine zuständige Behörde die Verhängung einer Sanktion oder einer verwaltungsrechtlichen Maßnahme öffentlich bekannt, so unterrichtet sie gleichzeitig die ESMA darüber.

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1. Artikel 32–40: Zuständigkeit, Befugnisse, Geheimnis- und Datenschutz sowie Zusammenarbeit. Das allgemeine Aufsichtsregime – für die Durchsetzung des krisenunabhängigen permanenten Regulierungsregimes für Leerverkäufe – ist viergeteilt. Die ersten beiden Teile sind unspektakulär: Die Mitgliedstaaten haben die zuständige Behörde(n) zu benennen – in Deutschland die BaFin nach § 53 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 WpHG (bisher § 30h Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 WpHG) –, benachrichtigen hiervon ESMA, Kommission und die anderen zuständigen Behörden (Art. 32), und die Liste der zuständigen Behörden veröffentlicht die ESMA auf ihrer Website.195 Auch die harmonisierte Festlegung der Mindestbefugnisse, die „für die Wahrnehmung der Aufgaben gemäß dieser Verordnung“ (also Art. 5–17 VO) in der Verordnung vorgesehen wird (also die Behörden unmittelbar ermächtigend, Art. 288 Abs. 2 195

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https://www.esma.europa.eu/sites/default/ files/library/esma_competent_authorities_ 2016.xlsx.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

AEUV), überrascht nicht. Das gilt für die Anordnung, dass die Behörden ihre Aufgaben durch eigene Maßnahmen oder durch Zusammenarbeit mit anderen Behörden oder Justizbehörden ausführen können (Abs. 1 lit. a) bis c)) ebenso wie für die Befugnisse selbst. Letztere umfassen alle gängigen Formen der Informationsbeschaffung (Abs. 2 lit. a) bis d)), nicht jedoch besonders sensible Formen wie Durchsuchungen und Abhörmaßnahmen,196 darüber hinaus auch zwei zentrale Handlungs- und Unterlassungsanordnungen. Danach können alle verordnungswidrigen Handlungen untersagt werden (Abs. 2 lit. e)) und darüber hinaus – als eine besonders naheliegende Durchsetzungs- und Sicherungsmaßnahme – Vermögenswerte eingefroren/beschlagnahmt werden (Abs. 2 lit. f)).197 Nicht damit eröffnet sind Anordnungen zur Wiederherstellung/Kompensation oder Sanktionierung (dazu unten Rn 647–650) und auch noch nicht sonstige Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der Untersagung.198 Diese Befugnisse gelten für alle Aufgaben nach der EU-Leerverkaufs-VO, im Hinblick auf Credit Default Swaps kommen zwei weitere Auskunftsbefugnisse hinzu (Abs. 3), die jeweils auf die nur im diesbezüglichen Regime bedeutsame Frage abzielen, ob eine Transaktion Absicherungszwecken diente oder nicht (vgl. oben Rn 591–592). Die beiden anderen Teile des Aufsichtsregimes betreffen den Geheimnis- und Daten- 646 schutz sowie die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Behörden. Dabei schreibt Art. 34 – gleichsam als Abschluss der Regeln zu den Befugnissen der Einzelbehörde – das Berufsgeheimnis fest, also dass jede mitgeteilte bzw. erhobene Information allein für die Aufsichtszwecke verwandt werden darf und allein für gerichtliche Ermittlung bzw. für die verordnungsgemäße Zusammenarbeit von Aufsichtsbehörden weitergegeben werden darf, vertrauliche Information gar nur für gerichtliche Ermittlungszwecke.199 Für die Zusammenarbeit wird diese Regelung dann – als Abschluss der Regeln zur Zusammenarbeit – auf das allgemeine EU-Datenschutzregime und die dort niederlegten Zulässigkeitsgründe für eine Datenweitergabe zurückgeführt (Art. 39, 40) – bei Verabschiedung der EU-Leerverkaufs-Verordnung noch Richtlinie 95/46/EG, heute die Datenschutz-Grundverordnung (EU) Nr. 2016/679.200 Die Zusammenarbeit selbst wird zur Pflicht gemacht, wann immer zweckdienlich (Art. 35), für die Voraussetzungen dann danach abgestuft (Art. 36–38), ob sie sich auf andere nationale zuständige Behörden bezieht (vor allem bei Prüfungen und Ermittlungen), auf die ESMA (Informationsweitergabe) oder auf Behörden von Drittstaaten. In allen Fällen hat die ESMA auch in diesem allgemeinen Aufsichtsregime die zentrale Ko196

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Für deren Einführung ist nationales Recht autonom berufen: Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 19, 23; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 569 f.; Just/Voß/Ritz/Becker/Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 108. Näher zu den in der Verordnung vorgesehenen Informationsbefugnissen (Abs. 2 lit. a) bis d)): Gruber Leerverkäufe, S. 61; Schlimmbach Leerverkäufe, S. 173 f. Zu diesen beiden Handlungs- und Unterlassungsanordnungen bzw. Durchsetzungsbefugnissen näher Gruber Leerverkäufe, S. 61. Vgl. Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 23; KölnKomm/Mock § 30h WpHG Rn 24–32; Schlimbach Leerverkäufe, S. 157; Veil/Walla EuKapMR § 15 Rn 35. Zum Berufsgeheimnisregime und zur genannten Differenzierung bei vertraulichen

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Informationen näher Gruber Leerverkäufe, S. 61 Fn 292. Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DatenschutzGrundverordnung), ABl.EU 2016 L 119/1. Zur Anwendbarkeit auf die EU-Leerverkaufs-VO vgl. 31. Erw.grund der VO (EU) 2016/679 („oder Finanzmarktbehörden, die für die Regulierung und Aufsicht von Wertpapiermärkten zuständig sind“), 112. Erw.grund („Datenaustausch … zwischen Finanzaufsichtsbehörden“), sowie in Bezug auf Drittländer 101. Erw.grund.

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6. Teil. Marktregeln

ordinierungsfunktion, aber auch durchaus zentrale Letztentscheidungsbefugnisse (vgl. Art. 37 Abs. 3).201 Im Verhältnis zu Drittstaaten ist die Einhaltung des EU-Datenschutzniveaus zu verbürgen.202 2. Artikel 41: Sanktionen, Strafmaßnahmen und zivilrechtliche Haftung

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a) Verwaltungssanktionen und Strafmaßnahmen. Für Sanktionen und Strafmaßnahmen – verwaltungs- oder strafrechtlicher Art – gilt im Ausgangspunkt nationales Recht (Art. 41 Abs. 1 S. 1). Fraglich ist jedoch, wie eng der Rahmen durch höherrangige Vorgaben gezogen wird, d.h. inwieweit die folgenden drei europarechtlichen Vorgaben den nationalen Anwender binden. Art. 41 Abs. 1 S. 2 weist auf die erste Rahmenvorgabe hin, die der EuGH seit Jahrzehnten bereits aus dem Primärrecht herleitet und die daher rechtlich verbindlich (für Verwaltungs- und Strafbehörden, aber auch Gerichte), freilich umgekehrt auch generalklauselmäßig offen ist: Das Gesamtregime aus verwaltungs- und strafrechtlichen Durchsetzungsmaßnahmen muss „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein. Diese Formel wird in der EuGH-Rechtsprechung zum Primärrecht, die jedenfalls anwendbar ist, auf zwei Kernaussagen heruntergebrochen: Mit hinreichender Abschreckungswirkung und Wirksamkeit wird – als Minimum – eine Durchsetzungswirkung „im Regelfall“ vorgegeben,203 während zugleich der allgemeine (europarechtliche) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkend wirkt.204 Umgekehrt muss die nationale Sanktion nach der EuGH-Rechtsprechung jedoch wiederum mindestens so scharf sein wie die Sanktionierung vergleichbarer nationaler Normen (nicht diskriminierend).205 648 Die beiden anderen Vorgaben haben keine vergleichbare Bindungswirkung. Wiederum das nationale Recht beschränkend wirkt eine zweite Vorgabe, zudem nicht aus Unionsrecht, sondern aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – mit den dort geltenden Bindungsregeln. Das Gericht erklärt eine Anordnung von Verwaltungsbußen und gleichzeitig von straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen auf Grund des Verbotes eines „ne bis in idem“ für unzulässig.206 Als dritte Vorgabe treten nach 201

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Just/Voß/Ritz/Becker/Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 110; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 539; vgl. auch Erw.grund 33 SSR. Dazu näher Gruber Leerverkäufe, S. 61 Fn 29. EuGH Urt. v. 21.9.1989 – Rs. 68/88 – Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 2965 (2985) = NJW 1990, 2245; Urt. v. 10.7.1990 – Rs. C-326/88 – Hansen Slg. 1990, I-2911 (2935) = RIW 1991, 683; näher Krause Kapitalmarktrechtliche Compliance: neue Pflichten und drastisch verschärfte Sanktionen nach der EU-Marktmissbrauchsverordnung, CCZ 2014, 248 (259); Tiedemann Europäisches Gemeinschaftsrecht und Strafrecht, NJW 1993, 23 (25 ff.). EuGH Urt. v. 21.9.1989 – Rs. 68/88 – Kommission/Griechenland Slg. 1989, 2965 (2985) = NJW 1990, 2245; Urt. v. 10.7.1990 – Rs. C-326/88 – Hansen Slg. 1990, I-2911 (2935) = RIW 1991, 683; näher Poelzig Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012, S. 304 f.

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EuGH Urt. v. 21.9.1989 – Rs. 68/88 – Kommission/Griechenland Slg. 1989, 2965 (2985) = NJW 1990, 2245; Urt. v. 10.7.1990 – Rs. C-326/88 – Hansen, Slg. 1990, I-2911 (2935) = RIW 1991, 683; der Sache nach schon EuGH Urt. v. 10.4.1984 – Rs. 14/83 (von Colson und Kamann) Slg. 1984, 1891 (1908); Urt. v. 10.4.1984 – Rs. 79/83 (Harz) Slg. 1989, 1921 (1941 f.); ausführlich: Riesenhuber Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl. 2006, Rn 220–225a. Für Beispiele aus dem deutschen Kapitalmarktrecht: Grundmann/Selbherr WM 1996, 985 (987–989 und 991 f.). EGMR Urt. v. 4.3.2014 Rs. 18640/10, 18647/10, 18663/10, 18668/10 und 18698/10 (Grande Stevens ./. Italien), ECLI:CE:ECHR:2014:0304JUD00186401–0; und zu diesem Urteil etwa Gargantini Public enforcement of market abuse bans – the ECtHR Grande Stevens Decision, 1 Journal of Financial Regulation 149 (2015); Ventoruzzo When market abuse rules violate human rights: Grande Stevens v. Italy and the

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Art. 41 Abs. 1 S. 3 die ESMA-Leitlinien hinzu,207 bei denen sich die Frage nach der Bindungswirkung nochmals anders stellt. Diese sollen eine (größere) Einheitlichkeit bei der Anwendung von Durchsetzungsmaßnahmen verbürgen (41. Erw.grund). Bei diesen handelt es sich nach herkömmlichen Verständnis um bloße Verwaltungsleitlinien, die jedenfalls Gerichte nicht binden.208 Obwohl grds. nicht geklärt erscheint, ob dies wegen des Vorrangs des EU-Rechts im Verhältnis zwischen Leitlinien auf der Grundlage von EURecht einerseits und nationalen Gerichten andererseits unmodifiziert gelten kann, scheint sich ebendies im vorliegenden Fall doch aus folgender Überlegung zu ergeben: Ersichtlich sollen diese Leitlinien zwar durch ihren Vorbildcharakter in Richtung Einheitlichkeit wirken, eine solche aber noch nicht einmal den nationalen Aufsichtsbehörden zwingend vorgegeben werden. Im Extremfall stehen vielmehr die Kompetenzen der ESMA zum eigenen Eingriff als ultima ratio offen.209 Eine Strafbewehrung von Leerverkäufen als solche ist in § 119 WpHG n.F. (ex-§ 38) 649 nicht vorgesehen, Leerverkäufe bilden also allenfalls eine Ausführungsform anderer Straftaten.210 Möglich sind namentlich eine Marktmanipulation (§ 119 Abs. 1 WpHG n.F. i.V.m. Art. 15 MAR), weil die Regulierung von Leerverkäufen u.a. der Prävention von

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different approaches to double jeopardy in Europe and the US, 16 EBOR 145 (2015). Zur (fehlenden) innerstaatlichen Direktwirkung von Urteilen des EGMR vgl. Tomuschat The Effects of the Judgments of the European Court of Human Rights According the German Constitutional Court, 11 German L.J. (2010) 513 (521 f.); Cremer Zur Bindungswirkung von EGMR-Urteilen/Anmerkung zum Görgülü-Beschluss des BVerfG vom 14.10.2004, EuGRZ 2004, 683; Eckes EU Accession to the ECHR: Between Autonomy and Adaption, 76 MLR (2013) 254 (275). ESMA – für Market-Making-Tätigkeiten und Primärmarkttätigkeiten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps vom 2.4.2013, abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/sites/default/ files/library/2015/11/esma2013-74_de.pdf; dazu Ludewig/Geilfus WM 2013, 1533. So allgemein etwa (wenn auch überwiegend unter Zugrundelegung einer hohen faktischen Bindungswirkung) Hitzer/Kauser ESMA – Ein Statusbericht, BKR 2015, 52 (59); Thomas Die Bindungswirkung von Mitteilungen, Bekanntmachungen und Leitlinien der EG-Kommission, EuR 2009, 423 (432 ff.); Poelzig Insider- und Marktmanipulationsverbote im neuen Marktmissbrauchsrecht, NZG 2016, 528 (529, 535); Walla Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) als Akteur bei der Regulierung der Kapitalmärkte Europas – Grundlagen, erste Erfahrungen und Aus-

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blick, BKR 2012, 265 (267). Zur dennoch hohen faktischen Bindungswirkung der Leitlinien für nationale Behörden: Moloney (2011) 12 EBOR 41 (65); Thomas Die Bindungswirkung von Mitteilungen, Bekanntmachungen und Leitlinien der EG-Kommission, EuR 2009, 423 (438); Hitzer/Kauser BKR 2015, 52 (55). Vgl. oben Rn 643; ähnlich wie hier: Hitzer/ Kauser BKR 2015, 52 (57 f.); Kämmerer Das neue Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS) – Modell für eine europäisierte Verwaltungsarchitektur?, NVwZ 2011, 1281 (1285 f.); in Bezug auf das Beispiel einer unterlassenen Richtlinienumsetzung durch Mitgliedsstaat, für die selbst dann eine Eingriffsbefugnis der ESMA abzulehnen sei, ebenso Gurlit Handlungsformen der Finanzmarktaufsicht, ZHR 177 (2013), 862 (884 Fn 29). Außerhalb dieser Konstellation wird teils für eine Einordnung von Leitlinien als Level 3Maßnahme plädiert: Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 929 ff. bzw. S. 874 ff. (für die CESR Empfehlungen allgemein); auch Studie des Centre for European Policy, European Supervisory Authorities – Room for improvement at Level 2 and Level 3 vom 4.10.2016 auf S. 44 Punkt 2.4.2 Proceedings in national courts; http://www.cep.eu/fileadmin/user_upload/ cep.eu/Studien/ESAs/cepStudy_ESA.pdf. Überblicke bei Stage in: Grimm/Ladler (Hrsg.), EU-Recht im Spannungsverhältnis, S. 69; Trüg NJW 2009, 3202 (allerdings noch auf dem Hintergrund fehlender Mitteilungspflichten).

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6. Teil. Marktregeln

Marktmanipulation dient (oben Rn 552, 556 f.), potentiell auch verbotener Insiderhandel (§ 119 Abs. 3 WpHG n.F. i.V.m Art. 14 MAR), Verleitung zu Börsenspekulationsgeschäften (§§ 49, 26 BörsG)211 und vor allem Betrug (§ 263 StGB). Ist der Leerverkauf zulässig und sind die sonstigen Anforderungen, auch Meldeanforderungen erfüllt, ergibt sich daraus die Wertung, dass sich das Verhalten im Rahmen des zulässigen Marktgeschehens verhält – ein Marktmanipulationsvorwurf muss dann unabhängig vom Leerverkaufscharakter begründet werden.212 Umgekehrt begründet jedenfalls der Verstoß gegen ein Verbot (innerhalb seines Anwendungsbereichs) Marktmanipulation, zwar noch nicht durch irreführende Angaben oder sonstige Täuschungshandlungen. Es ist jedoch von Marktmanipulation durch Handelsaktivitäten, die irreführende Signale aussenden, auszugehen, wenn der Leerverkauf geeignet war, Marktpreise zu beeinflussen.213 Denn der Rahmen des Marktgeschehens ist verlassen, und der Markt geht aufgrund des allgemeinen Verbots davon aus, dass der jeweilige Preis/Kurs ohne Tätigen von Leerverkäufen der verbotenen Kategorie gebildet wird. Gleiches kann im Hinblick auf mögliche Irreführungssignale angenommen werden bei fehlender Meldung (hier durch irreführende Angaben, weil eine Pflicht zum Handeln besteht),214 nicht jedoch wenn Anforderungen an Leerverkäufe, etwa dass sie gedeckt sein müssen, nicht erfüllt werden. Hinsichtlich des Betrugs (§ 263 StGB) ist bei Fehlen von Meldungen (anders als bei den anderen Leerverkauf-Verstoßformen) zwar von einer Täuschungshandlung (durch Unterlassen) auszugehen, der Schaden fehlt jedoch regelmäßig, da der Einkauf zum Marktpreis erfolgt und erst die Durchführung der Transaktion potentiell Kurse verändert.215 Umgekehrt sind alle wichtigen Verstöße gegen die EU-Leerverkaufs-VO bereits als solche nach § 120 Abs. 6 WpHG n.F. bußgeldbewehrt – und zwar mit einem Ahndungsrahmen von 200000 bis 500000 € (§ 120 Abs. 24 S. 1 und 2 WpHG n.F.). Allerdings greift die bei vielen anderen Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Vorgaben in § 120 Abs. 17–22 WpHG n.F. vorgesehene Zusatzsanktion nicht ein, dass eine Steigerung bis zum Zwei- oder Dreifachen des wirtschaftlichen Gewinns möglich ist (kein Verweis auf § 120 Abs. 6 WpHG n.F.), wohl aber diejenige, dass Verstoß und Täter im Sinne von „Naming and Shaming“ öffentlich bekannt gemacht werden können (vgl. näher § 123 WpHG n.F.).

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b) Exkurs: Zivilrechtliche Ansprüche. Auch für die Frage nach den zivilrechtlichen Ansprüchen ist grds. nationales Recht berufen. Ob freilich die Veröffentlichungs- und Ausgestaltungsanforderungen, die die EU-Leerverkaufs-VO festlegt, überhaupt auch privatschützenden Charakter haben, ist unter Berücksichtigung der Zielrichtung der Verordnung zu eruieren. In der SSR ist keine eigenständige Regelung für die zivilrechtlichen Folgen aus der Verletzung von Transparenzpflichten oder dem Verbot ungedeckter Leerverkäufe vorgesehen, so dass über eine Zuordnung insbesondere zum vertragsrechtlichen Pflichtenkanon, §§ 823 Abs. 2 oder aber 826 BGB sowie § 134 BGB zu entscheiden ist und dies unter Rekurs auf die Zielrichtung der Verbote und Vorgaben. Während im deutschen Schrifttum die weit überwiegende Meinung den Schutzgesetzcharakter (§ 823 Abs. 2 BGB) der Vor211

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Hierzu näher Trüg NJW 2009, 3202 (3206); Nestler, Bank- und Kapitalmarktstrafrecht, 2017, Rn 711; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2015, Rn 832; ders. in: Achenbach/Ransiek/Rönnau (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. 2015, Teil 10 Kap 2 Rn 270; Park, in Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, §§ 49, 29 BörsG Rn 18; und einige der in der vorigen Fn Zitierten.

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So Stage in: Grimm/Ladler (Hrsg.), EURecht im Spannungsverhältnis, S. 69 (91); ablehnend Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2015, Rn 502. Vgl. zu den drei Handlungsformen oben Rn 444–458, zur Preisbeeinflussungseignung oben Rn 450 f., 456, 458 f.; wie hier die Strafbarkeitseinordnung etwa bei: Hellmann in: Hellmann/Beckemper (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl. 2010, Rn 91–97;

Stefan Grundmann

4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

gaben der EU-Leerverkaufs-VO – meist ohne Rekurs auf die EU-Vorgabe und ohne Differenzierungen – verneint,216 ist das bei einem Rekurs auf die EU-Verordnung zweifelhaft. Hier legt der Umstand, dass sowohl für die allgemeine Zielsetzung (2. Erw.grund) als auch für diejenige der Melde- und Veröffentlichungspflichten (40. Erw.grund) jeweils der Anlegerschutz an die Spitze gerückt wird (im zweiten Fall gemeinsam mit dem Funktionsschutz), das Gegenteil nahe – jedenfalls als Ausgangspunkt. Umgekehrt begründen sich Beschränkungen für Leerverkäufe in der SSR wohl nur mit Stabilitätserwägungen („Beschränkungen von Leerverkäufen … um einen ungeordneten Kursverfall … zu verhindern“, 28. Erw.grund). Schon dieser Hintergrund legt es nahe, für die Ansprüche gegen den Leerverkäufer mehrfach zu unterscheiden: zwischen seinem Transaktionspartner und Anlegern, die vor oder nach einer von ihm ausgelösten Preisentwicklung kaufen, und zwischen informationsbasierten Schädigungen und solchen, die auf die ausgelöste Preisentwicklung zurückgehen. Im Ausgangspunkt überzeugt es, Verstöße gegen ein Leerverkaufsverbot nicht mit Nichtigkeitssanktion nach § 134 BGB zu belegen,217 da der Vertragspartner, wenn der Leerverkäufer ausfällt, ohnehin zurücktreten kann, bei Erfüllung hingegen nicht (aus Anlegerschutzgründen) schutzwürdig ist, und umgekehrt durch das Bestehen vertragsrechtlicher Ansprüche nur besser gestellt erscheint. Im Hinblick auf Schadensersatzansprüche geht die hM von einem Anspruch allein nach § 826 BGB aus und verlangt daher auch Schädigungsvorsatz.218 Auch wenn man demgegenüber bestimmte Verstöße gegen Vorgaben der SSR als Vertragsverletzung qualifiziert oder als Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB, wirft bei jedem Anspruch eines Transaktionspartners die Frage nach dem Schaden erhebliche Probleme auf. Regelmäßig kauft er zum Marktpreis zum Transaktionszeitpunkt. Die Meldepflicht besteht nicht zu einzelnen Transaktionen, sondern nur zu einem gesamten Portfoliobestand und erst im Nachgang zu den Transaktionen (vgl. Art. 9 SSR). Selbst wenn es denkbar erscheint, dass später der Kurs verfällt, ist die Kausalität des Leerverkaufs idR nicht nachzuweisen und auch eine individuelle Aufklärungspflicht über den Leerverkaufscharakter vor der Transaktion keineswegs selbstverständlich.219 Schädigungen von Marktteilnehmern aufgrund eines ausgelösten Kursverfalls – Leerverkauf als Wette auf fallende Kurse, die die Kursentwicklung beschleu-

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Stage in: Grimm/Ladler (Hrsg.), EU-Recht im Spannungsverhältnis, S. 69 (91–93); Hellmann in: Hellmann/Beckemoer (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. 2013, Rn 94 f.; Strafbarkeit nur für ‚abusive naked short selling‘ annehmen Trüg in: Festschrift Mehle 2009, S. 637 (653 ff.); Schlimbach, Leerverkäufe, S. 222. Ebenso Stage in: Grimm/Ladler (Hrsg.), EURecht im Spannungsverhältnis, S. 69 (94 f.). Ebenso Stage in: Grimm/Ladler (Hrsg.), EURecht im Spannungsverhältnis, S. 69 (95 f.); Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl 2015, Rn 636. Schutzgesetzqualität der SSR eindeutig ablehnend: Assmann/Schneider/Mülbert § 30h WpHG Rn 41; Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Bergmann Kap. 36 Rn 93; in der Tendenz wohl eher ebenfalls Schlimbach Leerverkäufe, S. 166–168: Ausf. im Zusammenhang mit Hinblick auf die MAR, deren Verletzung durch den Leerverkauf ebenfalls

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in Betracht kommt (vorige Rn): Schockenhoff/Culmann AG 2016, 517; demgegenüber Schutzgesetzqualität nicht notwendig ausschließend, KölnKommWpHG/Mock § 30h WpHG Rn 28, 30; und prononciert für eine Schutzgesetzqualität der Art. 6 und 12 f., nicht aber der Art. 5 und 7 der SSR: Tritschler Leerverkäufe, S. 171–177, 203 f. BT-Drucks, 17/1952, S. 9; ebenso i.Erg. KölnKommWpHG/Mock § 30h WpHG Rn 28, 30. Nachw. oben Fn 216. Schockenhoff/Culmann AG 2016, 517 (520 f.) argumentieren, dass der Leerverkäufer, der die Meldeschwellen überschreitet, bei (ihm erkennbarem) Drohen eines Kurssturzes sofort handeln muss, weil die Meldefristen bloße Höchstfristen darstellten. Freilich muss zudem aus der Veröffentlichungspflicht auf individuelle Aufklärungspflichten gegenüber Transaktionspartnern geschlossen werden.

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6. Teil. Marktregeln

nigt –, auch Schädigungen des Transaktionspartners, der im Nachhinein durch diesen Kursverfall Verluste erleidet, wären demgegenüber, wenn etwa das Leerverkaufsverbot als Schutzgesetz gesehen wird (§ 823 Abs. 2 BGB), zwar ebenfalls noch schwer zu beweisen (vor allem in Kausalitätsfragen), jedoch nicht gänzlich illusorisch.220 Da Anspruchsgrund jedoch nicht falsche Information ist, sondern letztlich rechtswidrige Maßnahmen zur Beeinflussung von Kursen (Kursmanipulation), liegt der Schwerpunkt in der Tat bei der Frage, welche Schadensersatzstandards für Marktmanipulation gelten (sollten).221

VIII. Delegierte Rechtsakte und Schlussbestimmungen (Art. 42–48) (Überblick)

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Kapitel VII Delegierte Rechtsakte Artikel 42 Ausübung der Befugnisübertragung (1) Die Befugnis zum Erlass der delegierten Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen. (2) Die Befugnis zum Erlass der in Artikel 2 Absatz 2, Artikel 3 Absatz 7, Artikel 4 Absatz 2, Artikel 5 Absatz 4, Artikel 6 Absatz 4, Artikel 7 Absatz 3, Artikel 17 Absatz 2, Artikel 23 Absatz 5 sowie Artikel 30 genannten delegierten Rechtsakte wird der Kommission auf unbestimmte Zeit übertragen. (3) Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 2 Absatz 2, Artikel 3 Absatz 7, Artikel 4 Absatz 2, Artikel 5 Absatz 4, Artikel 6 Absatz 4, Artikel 7 Absatz 3, Artikel 17 Absatz 2, Artikel 23 Absatz 5 sowie Artikel 30 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Ein Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Der Beschluss über den Widerruf wird am Tag nach dem Datum seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem darin genannten späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt. (4) Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat. (5) Ein delegierter Rechtsakt gemäß Artikel 2 Absatz 2, Artikel 3 Absatz 7, Artikel 4 Absatz 2, Artikel 5 Absatz 4, Artikel 6 Absatz 4, Artikel 7 Absatz 3, Artikel 17 Absatz 2, Artikel 23 Absatz 5 sowie Artikel 30 tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten ab der Übermittlung des betreffenden Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat einen Widerspruch geäußert hat oder wenn vor Ablauf dieses Zeitraums das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keinen Widerspruch einlegen werden. Auf Betreiben des Europäischen Parlaments oder des Rates wird die Frist um drei Monate verlängert. Artikel 43 Frist für den Erlass delegierter Rechtsakte Die Kommission erlässt die delegierten Rechtsakte nach Artikel 2 Absatz 2, Artikel 3 Absatz 7, Artikel 4 Absatz 2, Artikel 5 Absatz 4, Artikel 6 Absatz 4, Artikel 7 Absatz 3, Artikel 17 Absatz 2, Artikel 23 Absatz 5 sowie Artikel 30 bis zum 31. März 2012. Die Kommission kann die in Absatz 1 genannte Frist um sechs Monate verlängern.

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Zu den Schadensbegründungsproblemen (mit Kausalitätsfragen) näher: Schockenhoff/ Culmann AG 2016, 517 (522 f.); und zu weiteren Fragen der Anspruchsbegründung für betroffene Marktteilnehmer (jenseits der

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Frage nach dem Schutzgesetzcharakter der SSR) Schockenhoff/Culmann a.a.O. 519 ff. Ausf. gerade hierzu im Hinlick auf Leerverkäufe: Schockenhoff/Culmann AG 2016, 517. KölnKomm/Hock § 20a Rn 468 ff.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Kapitel VIII Durchführungsrechtsakte Artikel 44 Ausschussverfahren (1) Die Kommission wird von dem durch den Beschluss 2001/528/EG der Kommission222 eingesetzten Europäischen Wertpapierausschuss unterstützt. Dabei handelt es sich um einen Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Kapitel IX Übergangs- und Schlussbestimmungen Artikel 45 Überprüfung und Berichterstattung Die Kommission erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 30. Juni 2013 im Lichte der Gespräche mit den zuständigen Behörden und der ESMA Bericht über: a) die Angemessenheit der Meldungen und der Schwellen für die Offenlegung gemäß den Artikeln 5, 6, 7 und 8, b) die Auswirkung der jeweiligen Offenlegungspflichten gemäß Artikel 6, unter besonderer Beachtung ihrer Wirkung auf die Effizienz und Volatilität der Finanzmärkte, c) die Zweckmäßigkeit direkter oder zentralisierter Berichterstattung an die ESMA, d) die Anwendung der Beschränkungen und Anforderungen der Kapitel II und III, e) die Angemessenheit der Beschränkungen in Bezug auf ungedeckte Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel und die Angemessenheit weiterer Beschränkungen oder Bedingungen für Leerverkäufe und Credit Default Swaps. Artikel 46 Übergangsbestimmung (1) In den Geltungsbereich dieser Verordnung fallende bestehende Maßnahmen, die vor dem 15. September 2010 in Kraft gesetzt wurden, können bis 1. Juli 2013 gültig bleiben, sofern sie der Kommission bis 24. April 2012 mitgeteilt werden. (2) Credit-Default-Swap-Transaktionen, die zu einer ungedeckten Position in einem Credit Default Swap führen und vor dem 25. März 2012 oder während der Aussetzung von Beschränkungen für ungedeckte Credit Default Swaps gemäß Artikel 14 Absatz 2 getätigt wurden, werden bis zum Fälligkeitstermin des Credit-Default-Swap-Vertrags gehalten. Artikel 47 Personal und Ressourcen der ESMA Die ESMA beurteilt bis zum 31 Dezember 2012 ihren Personal- und Mittelbedarf, der sich aus der Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben und Befugnisse ergibt, und übermittelt dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission einen Bericht. Artikel 48 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 1. November 2012. Artikel 2 Absatz 2, Artikel 3 Absatz 7, Artikel 4 Absatz 2, Artikel 7 Absatz 3, Artikel 9 Absatz 5, Artikel 11 Absätze 3 und 4, Artikel 12 Absatz 2, Artikel 13 Absätze 4 und 5, Artikel 16 Absätze 3 und 4, Artikel 17 Absatz 2, Artikel 23 Absätze 5, 7 und 8 sowie Artikel 30, 42, 43 und 44 gelten jedoch ab 25. März 2012. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Geschehen zu Straßburg am 14. März 2012.

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ABl. L 191 vom 13.7.2001, S. 45.

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6. Teil. Marktregeln

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1. Artikel 42–44: Delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte. Die delegierten Rechtsakte sind und waren nach dem Verfahren zu erlassen, das in der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 niedergelegt ist und insbesondere die Konsultation der ESMA regelt (Art. 44, sog. Komitologie-Verordnung).223 Dabei wird zwischen Ersterlass und dauerhafter Delegation unterschieden. Für beide gilt – in Art. 42 Abs. 4 und 5 festgelegt – die Pflicht, den Rechtsakt dem Europäischen Parlament und dem Rat zu übermitteln, worauf beide (getrennt) innerhalb von drei Monaten ihr Widerspruchsrecht ausüben können, wobei bereits ein Widerspruch das Inkrafttreten hindert (Widerspruchsfrist einmal verlängerbar um drei Monate). Dieses Regime gilt gleichermaßen für alle Delegationen, die die EU-Leerverkaufs-VO vorsieht (Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 7, Art. 4 Abs. 2, Art. 5 Abs. 4, Art. 6 Abs. 4, Art. 7 Abs. 3, Art. 9 Abs. 5, Art. 9 Abs. 6, Art. 11 Abs. 3, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 2, Art. 13 Abs. 4, Art. 13 Abs. 5, Art. 16 Abs. 3, Art. 16 Abs. 4, Art. 17 Abs. 2, Art. 23 Abs. 5, Art. 23 Abs. 7, Art. 23 Abs. 8, Art. 30).224 Zwischen Ersterlass und späteren Änderungen wird dann durch eine unterschiedliche Fristenregelung unterschieden. Der Ersterlass hatte sehr zeitnah – bis zum 31.3.2012 – zu erfolgen (Art. 43 – mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit um sechs Monate). Die erste Fassung der gesamten Durchführungsregulierung wurde also parallel zur EU-Leerverkaufs-VO selbst erarbeitet und konnte solchermaßen zeitnah und deutlich vor Anwendungsgeltung vorliegen (ab 1.11.2012, nächste Rn). So konnte sich die Praxis rechtzeitig auf das gesamte Regime einstellen. Umgekehrt sollten spätere Änderungen zeitlich unbeschränkt möglich bleiben (Art. 42 Abs. 2), die Gesetzgebungsorgane sollten jedoch mit der Widerrufsregelung in Art. 42 Abs. 3 in den Stand gesetzt werden, auch ohne Änderung der EU-Leerverkaufs-VO Teile der verfeinernden Regulierung wieder an sich zu ziehen, wenn die Entwicklungen und Erkenntnisse dies angezeigt erscheinen ließen. Als konkretisierende Rechtsakte erlassen wurden (Einzelnachweise oben Rn 560): – Delegierte Verordnung (EU) Nr. 826/2012 der Kommission vom 29. Juni 2012 – Durchführungsverordnung (EU) Nr. 827/2012 der Kommission vom 29. Juni 2012 – Delegierte Verordnung (EU) Nr. 918/2012 der Kommission vom 5. Juli 2012, ABl.EU 2012 L 274/1 – Delegierte Verordnung (EU) Nr. 919/2012 der Kommission vom 5. Juli 2012.

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2. Artikel 45–48: Übergangs- und Schlussbestimmungen. Die – am 14.3.2012 verabschiedete – EU-Leerverkaufs-VO „gilt“ mit ihren materiellen Bestimmungen seit dem 1. November 2012 (Art. 48 Abs. 2), während die institutionellen Regeln, vor allem Ermächtigungen zum Erlass von Ausführungsgesetzgebung, bereits mit Verabschiedung und Veröffentlichung im Amtsblatt (25.3.2012) am Folgetag in Kraft traten (Art. 48 Abs. 1 und 3). Mit dem 1. Juli 2013 ist auch die letzte Übergangsfrist abgelaufen und entfalten die Übergangsbestimmungen keine Wirkung mehr (außer für Altfälle).225 Auch der Bericht 223

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Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl.EU 2011 55/13; näher zu dieser Verordnung etwa Daiber, EU-Durchführungsrechtsetzung nach Inkrafttreten der neuen Komitologie-Verordnung, EuR 2012, 240; BankR-Hdb/Kolassa § 135 Rn 54 f.; Siegel Europäisierung des Öffentlichen

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Rechts: Rahmenbedingungen und Schnittstellen zwischen dem Europarecht und dem nationalen (Verwaltungs-)Recht, 2012, Rn 204–209. Dies gilt für Änderungen ebenso wie für den Ersterlass (mit Frist nach Art. 43). Vgl. näher Art. 46 VO; und dazu Ludewig/ Greifus WM 2013, 1533 (1539); Fuchs/ Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 100; Just/ Voß/Ritz/Becker/Buttler/Petersen § 30h WpHG Rn 111.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

der EU-Kommission zur Auswirkung der Regulierung (Transparenz, Bedingungen, Verbotsvorbehalt) an das Europäische Parlament und den Rat nach Art. 45 EU-Leerverkaufs-VO liegt vor226 und wurde in der Kommentierung berücksichtigt.

B. Kommentierung: Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR) Schrifttum a) Monographien, Sammelbände, Kommentare: Fuchs Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 2016; König in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Bank- und Börsenrecht VIII. Finanztermingeschäfte und Derivate, 3. Aufl. 2015, BankR Rn VI 16–28; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 576–622; Provino Central Counterparties and Trade Repositories in Post-Trading Infrastructure under EMIR Regulation on OTC Derivatives, 2015, http://tesi.eprints.luiss.it/ 14181/1/provino-domenico-tesi-2015.pdf; Schwarz Globaler Effektenhandel – eine rechtstatsächliche und rechtsvergleichende Studie zu Risiken, Dogmatik und Einzelfragen des Trading, Clearing und Settlement bei nationalen und internationalen Wertpapiertransaktionen, 2016; Temporale (Hrsg.) Europäische Finanzmarktregulierung – Handbuch zu EMIR, MiFID II/MIFIR, PRIIPs, MAD/MAR, OTC-Derivaten und Hochfrequenzhandel, 2015;Varis Increasing Transparency and Mitigating Systemic Risk: Is Europe Playing Catch-up with the United States?: EMIR/MiFID II Versus Dodd-Frank, 2016, http://www.theseus.fi/handle/10024/110870; Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt (Hrsg.) Handbuch EMIR – Europäische Regulierung der OTC-Derivate, 2015; Zerey (Hrsg.) Finanzderivate – Rechtshandbuch, 4. Aufl. 2016. b) Aufsätze und Beiträge: Aron/Lalone/Jackson EMIR: An Overview of the New Framework, 14 Journal of Investment Compliance 57 (2/2013); Bär/Vietze/Weigel Handelsrechtliche Behandlung von Kreditderivaten im Nichthandelsbestand, WPg 2015, 57; Baker CCP Margining of OTC Derivatives towards the Missing Link, 28 Journal of International Banking Law and Regulation 201 (2013); Buckley/Howarth/Quaglia Internal Market: The Ongoing Struggle to ‚Protect‘ Europe from Its Money Men, Internal Market, Journal of Common Market Studies 50 (2012) 99; Buonanno Financial Services Regulation and the Transatlantic Trade and Investment Partnership Agreement, 14 Journal of Transatlantic Studies 1 (2016); Buttigieg Governance of Securities Regulation and Supervision: Quo Vadis Europa, 21 Colum. J. Eur. L. 411 (2014); Clements/Lemma Financial Information Regulation and EMIR Principles, Open Review of Management, Banking and Finance, (Forthcoming) (2015) = http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2589827. Coffee Extraterritorial Financial Regulation: Why E.T. Can’t Come Home, 99 Cornell L. Rev. 1259 (2013); Decker Sicherheitenstellung nach EMIR sowie AIFMD und die Auswirkung auf deutsche Investmentfonds und deren Depotbanken, RdF 2014, 23; Ders. Segregation und Ausfallrisiko nach EMIR und KAGB, BKR 2014, 397; Dilger Applicability constellations under EMIR with special relevance for non-financial sector companies inside and outside of the European Union (later European Economic Area), Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 751; Ders. Hedging under EMIR for non-financial counterparties, Journal of International Banking Law and Regulation 30 (2015) 116; Dwyer/Tredgett OTC Derivatives: Client Clearing Agreements – a Piece in the Clearing Jigsaw, 9 Capital Markets Law Journal 342 (2014); Ferrarini/Saguato Reforming Securities and Derivatives Trading in the EU: From EMIR to MIFIR, 13 Journal of Corporate Law Studies 319 (2013); Funke REMIT und EMIR – eine Umgestaltung des OTC-Marktes für Energieprodukte steht bevor, WM 2012, 202; Funke/Neubauer Reaktion auf die Finanzmarktkrise: REMIT und EMIR als neue Frühwarnsysteme für den Europäi-

226

Vgl. Europäische Kommission Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Bewertung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, COM/2013/0885 final. Für die Kon-

sultation der ESMA: ESMA Final Report – ESMA’s technical advice on the evaluation of the Regulation (EU) 236/2012 of the European Parliament and of the Council on short selling and certain aspects of credit default swaps.

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6. Teil. Marktregeln schen Energiemarkt, CCZ 2012, 6; Gergen Systemrelevanz und staatliche Verflechtung – ein Beitrag zur neuen Marktinfrastruktur für außerbörsliche Derivate unter Einschaltung einer zentralen Gegenpartei, jM 2015, 139; Griffith Substituted Compliance and Systemic Risk: How to Make a Global Market in Derivatives Regulation, 98 Minn. L. Rev. 1291 (2014); Grüning/Cieslarczyk EMIR – Auswirkungen der Derivateregulierung auf die Energiebranche, RdE 2013, 354; Gstädtner Regulierung der Märkte für OTC-Derivate – ein Überblick über die Regelungen in MiFID II, EMIR und CRD IV, RdF 2012, 145; von Hall Warum EMIR den Finanzplatz Deutschland stärkt, und trotzdem eine Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt droht, WM 2013, 673; Hartenfels Die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister („EMIR“), ZHR 178 (2014), 173; Heber/Sternberg EMIR-Clearing-pflicht und die Finanztransaktionssteuer, RdF 2014, 211; Ho How Will Emir Affect Corporates, 32 Int’l Fin. L. Rev. 48 (2013); von Hoff/von Watzdorf Auswirkungen der European Market Infrastructure Regulation (EMIR) auf den Energiehandel, ET 2013, 107; Jahn Die Finanzkrise und ihre rechtlichen Auswirkungen auf Rahmenverträge über OTC-Derivategeschäfte, BKR 2009, 25; Jahn/Reiner Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTCDerivate), in Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechtshandbuch, 5. Aufl. 2017, § 114; Jaskulka Werden zentrale Gegenparteien durch die Umsetzung von EMIR zum Risiko? Eine Untersuchung unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Eurex Clearing AG, BKR 2012, 441; Köhling/Adler Der neue europäische Regulierungsrahmen für OTC-Derivate – Verordnung über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister – Teile 1 & 2,WM 2012, 2125 & 2173; Kox REMIT, MiFID, EMIR und Co. verschärfen Anforderungen zur Teilnahme am Energiehandel, ET 2013, 42; Kounadis European Market Infrastructure Regulation and central clearing: a conceptual, legal and compliance perspective, Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 556; Ders. Legal and compliance aspects of „financial regulatory overshooting“ on non-financial entities: the case of European Markets Infrastructure Regulation, Journal of International Banking Law and Regulation 30 (2015) 59; Lewandowska OTC Clearing Arrangements for Bank Systemic Risk Regulation: A Simulation Approach, Journal of Money, Credit and Banking 47 (2015) 1177; Litten/Schwenk EMIR – Auswirkungen der OTC-Derivateregulierung auf Unternehmen der Realwirtschaft (Teile 1 und 2) DB 2013, 857 und 918; Lucantoni Central Counterparties and Trade Repositories in Post-Trading Infrastructure Under EMIR Regulation on OTC derivatives, Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 681; Marjosola Regulate Thy Neighbour: Competition and Conflict in the Cross-Border Regulatory Space for OTC Derivatives, EUI Department of Law Research Paper 2016/01, http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2733138; Ders. Missing Pieces in the Patchwork of EU Financial Stability Regime? The Case of Central Counterparties, Common Market Law Review 52 (2015) 1491; Okonjo Assessing the impact of the extraterritorial provisions of the European Markets Infrastructure Regulation (EMIR) on Emerging Economies’ OTC derivatives markets: A doctrine of proportionality perspective – challenges and unresolved issues, Indian J. Int’l Econ. L. 7 (2015) 1; Pankoke/Wallus Europäische Derivateregulierung und M&A, WM 2014, 4; Quaglia The Politics of ‚Third Country Equivalence‘ in Post-Crisis Financial Services Regulation in the European Union, West European Politics 38 (2015) 167; Redeke Zur Corporate Governance zentraler Gegenparteien (Central Counterparties, CCPs), WM 2015, 554; Salewski MAD II, MiFID II, EMIR und Co. – Die Ausweitung des europäischen Marktmissbrauchsregimes durch die neue Finanzmarktstruktur, GWR 2012, 265; Schuster/Ruschkowski EMIR – Überblick und ausgewählte Aspekte, ZBB 2014, 123; Schüttler Zum neuen IDW EPS 920: EMIR im Mittelstand – Das Prüfproblem schlechthin?, DStR 2016, 2006; Sjostrom The AIG Bailout (1. November 2009). Washington and Lee Law Review, Band 66, abrufbar unter https://ssrn.com/abstract= 1346552; Teuber/Schöpp Derivate-Regulierung EMIR: Auswirkungen auf Unternehmen in Deutschland, RdF 2013, 209; Scott The New EU ‚Extraterritoriality‘, Common Market Law Review 51 (2014) 1343; White New approaches to international regulator cooperation – from the Group of Twenty to the Group of Two: the need for harmonizing derivatives regulation between the United States and the European Union, 78 Law and Contemporary Problems 301 (2015); Wulff/Kloka Umsetzung von EMIR-Pflichten im Zusammenhang mit Vereinbarungen nicht-geclearter Derivategeschäfte, WM 2015, 215; Yadav/Turing The Extraterritorial Regulation of Clearinghouses, 2 Journal of Financial Regulation 21 (2016); Zenke/Fischer Transparenzpflichten nach REMIT und EMIR – Auswirkungen der europäischen Energie- und Finanzmarktregulierung auf Energieversorger, EnWZ 2013, 211; Zepeda Optimizing risk allocation for CCPs under the European Market Infrastructure Regulation, Capco Institute Journal of Financial Transformation Nr. 37, 2013. Vgl. auch Lit. 8.Teil Fn 637.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Übersicht Rn Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister – EMIR): Titel und Erwägungsgründe . 654 I. Regelungsumfeld, -ziele und -entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt und Regelungsziele . . a) OTC- Derivatehandel und Finanzkrise, Parallelregulierung zu Leerverkäufen . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelne Regulierungsziele . . . . . . 2. Regelungsentwicklung . . . . . . . . . . a) Internationaler Hintergrund . . . . . b) EU-Verordnung zum OTC-Derivatehandel, zentralen Gegenparteien und Transaktionsregistern („EMIR“) – mit Ausführungsrechtsakten und Parallelregimen . . . . . . . . . . . . c) Fragen der Einbettung ins nationale Recht (und Verweis auf Straf- und Zivilrecht) . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenstand, Anwendungsbereich und Kernbegriffe (Art. 1–3) . . . . . . . . . . . 1. Artikel 1: Gegenstand und Anwendungsbereich (mit [Teil-]Ausnahmen) . a) Gegenstand: Clearing-, Risikomanagement- und Meldepflichten für (OTC)-Derivatekontrakte und Anforderungen an die Gatekeeper (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfassender persönlicher Anwendungsbereich: CCPs und ihre Clearingmitglieder, finanzielle Gegenparteien und Transaktionsregister (Abs. 2 S. 1) . . . . . . . . . . . . . c) Exkurs: Sachlicher und räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . d) Beschränkte Anwendungsbereiche für nichtfinanzielle Gegenparteien und Interoperabilitätsvereinbarungen (Abs. 2 S. 2. und Abs. 3) . . . . e) Generalausnahme für Zentralbankwesen, öffentliche Schuldenverwaltung der EU und BIZ (Abs. 4) . . . . f) Bloße Meldepflicht bei multilateralen Entwicklungsbanken, vom Zentralstaat garantierten öffentlichen Stellen sowie EFSF und ESM (Abs. 5) 2. Artikel 2: Kernbegriffe . . . . . . . . . a) Gatekeeper: CCPs und Transaktionsregister (Nr. 1 und 2) . . . . b) Sachliche Grundlagen: Clearing, Handelsplatz und Typen von Derivaten (Nr. 3–7) . . . . . . . . . c) Vertragsparteien (finanzielle und nichtfinanzielle Gegenparteien), auch Altersversorgungssysteme und ihr Ausfallrisiko (Nr. 8–11) . . . . . . . d) Zuständige Behörde (Nr. 13) . . . . e) Clearingkette (Clearingmitglieder und Kunden, Nr. 14, 15) . . . . . .

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Rn f) Gruppen, Finanzinstitute und -gruppen, Gruppenmitglieder und Beteiligungen (Nr. 16–24) . . . . . . g) Eigenkapital, Rücklagen, Leitungsorgane und deren Mitglieder (Nr. 25–29) . . . . . . . . . . . . . . 3. Artikel 3: Insbesondere Gruppeninterne Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung und Überblick . . . . . . b) Gruppeninterne Geschäfte aller Gegenparteien aufgrund von Konzernzugehörigkeit (Abs. 1, 2 lit. a) und d) i.V.m. Abs. 3 lit. a)) . . . . . c) Gruppeninterne Geschäfte von finanziellen Gegenparteien aufgrund aufsichtsrechtlicher Gestaltungen (Abs. 2 lit. b) und c) i.V.m. Abs. 3 lit. b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Clearing, Meldung und Risikominderung von OTC-Derivaten und Derivaten (Art. 4–13) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Artikel 4: Reguläres Clearing von OTC-Derivaten – Clearingpflicht . . . . a) Clearingpflicht – Ziel und Überblick (mit Ausführungsregeln, Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Clearingpflichtige OTC-Derivate (Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 2) – Verweis . . . . . . . . . . . . . . . . c) Clearingpflichtige Gegenparteien (Abs. 1 lit. a)) . . . . . . . . . . . . d) Stichtag (Abs. 1 lit. b)) . . . . . . . e) Ausnahme für gruppeninterne Geschäfte (Abs. 2) . . . . . . . . . . f) Erfüllung der Clearingpflicht durch Einschaltung von CCP (Abs. 3) . . . 2. Artikel 5, 6: Reguläres Clearing von OTC-Derivaten – Festlegungsverfahren und Registrierung für CCPs und clearingpflichtige OTC-Derivate . . . . a) Festlegung zugelassener CCPs (Art. 5 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . b) Festlegung clearingpflichtiger OTC-Derivate und Gegenparteien (Art. 5 Abs. 2, 4 und 5) . . . . . . . c) Fehlen zugelassener CCPs bei clearingpflichtigen OTC-Derivaten (Art. 5 Abs. 3, 6) . . . . . . . . . . . d) Öffentliches Register für clearingpflichtige OTC-Derivate und zugelassene CCPs (Art. 6) . . . . . . . . 3. Gegenseitiger diskriminierungsfreier, transparenter Zugang (Art. 7, 8) . . . . a) Artikel 7: Zugang zu CCPs. . . . . . b) Artikel 8: Zugang zu Handelsdaten und Handelsplätzen . . . . . . . . . 4. Artikel 9: Meldung aller Derivatekontrakte an das Transaktionsregister . . . a) Meldepflicht und Ersatzmeldung (Abs. 1, 3) . . . . . . . . . . . . . .

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6. Teil. Marktregeln Rn b) Zeitpunkt und Inhalt der Meldung (mit Ausführungsregeln, Abs. 1 S. 1–3 und Abs. 5–6) . . . . . . . . . c) Aufbewahrungs- und Geheimhaltungspflichten (Abs. 2 und 4) . . . . 5. Artikel 10: Clearingpflicht nichtfinanzieller Gegenparteien ab bestimmter Schwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Melde- und Clearingpflicht: Entstehen und Entfallen (Abs. 1 und 2) b) Schwellenbestimmung und -anwendung (Abs. 3–5) . . . . . . . . . . . 6. Artikel 11: Risikominimierung für nicht durch CCPs geclearte OTCDerivate-Geschäfte . . . . . . . . . . . a) Überblick und gemeinsame Regeln, u.a. zu Extraterritorialität (Abs. 12–15) . . . . . . . . . . . . . b) Universale Minimalpflicht: Klärung der Kontraktbedingungen und formalisierte Risikokanalyse (Abs. 1) c) Pflicht clearingpflichtiger Gegenparteien zu täglicher Bewertung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Pflicht clearingpflichtiger Gegenparteien zu angemessener Besicherung (Abs. 3) und sechs Ausnahmetatbestände (Abs. 5–11) . . . . . . . e) Eigenkapitalpflicht bei finanziellen Gegenparteien für ungesicherte Positionen (Abs. 4) . . . . . . . . . . 7. Artikel 12, 13: Sanktionen und Vermeidung doppelter und kollidierender Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . a) Sanktionen – mit Straf- und Zivilrecht (Art. 12) . . . . . . . . . . . . b) Vermeidung doppelter und kollidierender Anwendung (Art. 13) . . . .

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IV. Zulassung und Beaufsichtigung von sowie Anforderungen an CCPs (Art. 14–35) – Verweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746 V. Wohlverhaltensregeln (Art. 36–39) . . . 1. Artikel 36: Allgemeine Pflichten . . . a) Interessenwahrungspflicht ieS und professionelle Sorgfaltspflicht (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorhaltung effizienter Beschwerdeverfahren (Abs. 2) . . . . . . . . .

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Rn 2. Artikel 37: Nichtdiskriminierender, transparenter, dauerhafter Zugang zur CCP . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Festlegung fairer, transparenter, risikominimierender Zugangskriterien (Abs. 1) . . . . . . . . . . . b) Dauerhafte und transparente Anwendung der Kriterien (Abs. 2) . . . c) Anforderungen an Clearingmitglieder und Informations- und Einsichtsrechte der CCP (Abs. 3) . . . . . . . d) Aussetzung und Beendigung des Zugangs (Abs. 4, 5) . . . . . . . . . e) Auferlegung von Sonderpflichten (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Artikel 38: Pflichten zu Preis- und Risikotransparenz . . . . . . . . . . . . a) Pflichten zu Preisaufschlüsselung und -transparenz und Bündelungsverbot (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . b) Weitere Offenlegungspflichten zu Risiko, Volumina und technischen Formaten (Abs. 2–4) . . . . . . . . . c) Offenlegung von Verstößen („naming and shaming“, Abs. 5) . . 4. Artikel 39: Trennungspflicht und Übertragbarkeit von Sicherheiten . . . . . . a) System der Trennung von Vermögenswerten (Abs. 10) und Positionen . . . . . . . . . . . . . . b) Trennung auf Ebene der CCPKonten (Abs. 1, 9). . . . . . . . . . c) Trennung auf Ebene der Clearingmitglieder-Konten (Abs. 2–4) . . . . d) „Omnibus-Kunden-“ oder „Einzelkunden-Trennung“ – Wahl, Rechtsfolgen, Informationspflichten (Abs. 5–7) . . . . . . . . . . . . . . e) Verfügungsrecht der CCP über Finanzsicherheiten (Abs. 8 i.V.m. Art. 47) . . . . . . . . . . . . . . . .

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VI. Aufsichtsrechtliche Anforderungen an CCPs, Interoperabilitätsvereinbarungen, Registrierung, Beaufsichtigung und Anforderungen an Transaktionsregister, Gemeinsame und Schlussbestimmungen (Art. 40–84) – Verweis . . . . . . . . . 764

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012

über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (Text von Bedeutung für den EWR) Amtsblatt EU 2012 L 201/1 Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union – gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme der Europäischen Zentralbank227, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses228, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren229, in Erwägung nachstehender Gründe:

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(1)

In einem am 25. Februar 2009 von einer hochrangigen Gruppe unter dem Vorsitz von Jacques de Larosière auf Ersuchen der Kommission veröffentlichten Bericht wurde das Fazit gezogen, dass der Aufsichtsrahmen für den Finanzsektor der Union gestärkt werden müsse, um das Risiko künftiger Finanzkrisen einzudämmen und gravierende Auswirkungen zu verhindern, und es wurden weitreichende Reformen der Aufsichtsstruktur für diesen Sektor empfohlen, darunter die Schaffung eines europäischen Systems für die Finanzaufsicht, das sich aus drei Europäischen Finanzaufsichtsbehörden zusammensetzt, und zwar jeweils eine Behörde für den Bankensektor, für Versicherungen und die betriebliche Altersversorgung sowie für den Wertpapier- und Börsensektor; zudem sollte ein Europäischer Ausschuss für Systemrisiken eingesetzt werden.

(2)

In ihrer Mitteilung vom 4. März 2009 mit dem Titel „Impulse für den Aufschwung in Europa“ schlug die Kommission die Stärkung des Rechtsrahmens der Union für Finanzdienstleistungen vor. In ihrer Mitteilung vom 3. Juli 2009 mit dem Titel „Gewährleistung effizienter, sicherer und solider Derivatemärkte“ analysierte die Kommission die Rolle von Derivaten in der Finanzkrise, und in ihrer Mitteilung vom 20. Oktober 2009 mit dem Titel „Gewährleistung effizienter, sicherer und solider Derivatemärkte: Künftige politische Maßnahmen“ legte sie die Maßnahmen dar, die sie zur Verringerung der mit Derivaten verbundenen Risiken zu treffen beabsichtigt.

(3)

Am 23. September 2009 verabschiedete die Kommission Vorschläge für drei Verordnungen zur Einrichtung eines Europäischen Finanzaufsichtssystems, das die Schaffung von drei neuen Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA) umfasst, die zur kohärenten Anwendung der Rechtsvorschriften der Union und zur Ausarbeitung qualitativ hochwertiger gemeinsamer Aufsichts- und Regulierungsstandards und -methoden beitragen sollen. Die ESA umfassen die gemäß Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates230 eingerichtete Europäische Finanzaufsichtsbehörde (Europäische Bankaufsichtsbehörde) (EBA), die gemäß Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates231 eingerichtete Europäische Finanzaufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) (EIOPA) und die gemäß

ABl. C 57 vom 23.2.2011, S. 1. ABl. C 54 vom 19.2.2011, S. 44. Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 29. März 2012 (noch nicht im Amts-

230 231

blatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 4. Juli 2012. ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12. ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 48.

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Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates232 eingerichtete Europäische Finanzaufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde) (ESMA). Den ESA kommt bei der Wahrung der Stabilität des Finanzsektors eine entscheidende Rolle zu. Deshalb muss stets sichergestellt werden, dass die Entwicklung ihrer Tätigkeit eine hohe politische Priorität genießt und dass sie angemessen mit Ressourcen ausgestattet werden. Die Transparenz außerbörslich („over the counter“) gehandelter Derivate (im Folgenden „OTC-Derivatekontrakte“) ist unzureichend, da sie privat ausgehandelte Verträge sind und jegliche Informationen dazu in der Regel nur den Vertragsparteien vorliegen. Sie bilden ein komplexes Netz gegenseitiger Abhängigkeit, das es schwierig machen kann, die Art und die Höhe der damit einhergehenden Risiken zu ermitteln. In der Finanzkrise wurde deutlich, dass diese Eigenschaften die Unsicherheit in Zeiten notleidender Märkte noch erhöhen und folglich die Finanzstabilität gefährden. In dieser Verordnung werden Bedingungen zur Minderung dieser Risiken und zur Verbesserung der Transparenz von Derivatekontrakten festgelegt. Bei ihrem Gipfeltreffen am 26. September 2009 in Pittsburgh vereinbarten die Staats- und Regierungschefs der G20, dass alle standardisierten OTC-Derivatekontrakte bis spätestens Ende 2012 über eine zentrale Gegenpartei (central counterparty – im Folgenden „CCP“) gecleart und OTC-Derivatekontrakte an Transaktionsregister gemeldet werden sollten. Im Juni 2010 bekräftigten die Staats- und Regierungschefs der G20 in Toronto ihr Engagement und verpflichteten sich zudem zur Umsetzung tiefgreifender Maßnahmen zur Stärkung der Transparenz und Beaufsichtigung der OTC-Derivatekontrakte auf international kohärente und nichtdiskriminierende Art und Weise. Die Kommission wird darüber wachen, dass die eingegangenen Verpflichtungen von den internationalen Partnern der Union in gleicher Weise umgesetzt werden, und das Ihre dazu beitragen. Sie sollte mit den Behörden von Drittstaaten zusammenarbeiten, um für beide Seiten vorteilhafte Lösungen zu finden, mit denen die Kohärenz zwischen dieser Verordnung und den von den Drittstaaten festgelegten Anforderungen sichergestellt werden kann und somit etwaige Überschneidungen in dieser Hinsicht vermieden werden. Mit Unterstützung der ESMA sollte die Kommission die internationale Anwendung der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze überwachen und dem Europäischen Parlament und dem Rat darüber Bericht erstatten. Zur Vermeidung etwaiger doppelter oder kollidierender Anforderungen könnte die Kommission Beschlüsse über die Gleichwertigkeit des Rechts-, Aufsichtsund Durchsetzungsrahmens in Drittstaaten fassen, wenn eine Reihe von Bedingungen erfüllt ist. Das Recht einer in einem Drittstaat niedergelassenen und von der ESMA anerkannten CCP, Clearingdienstleistungen für in der Union ansässige Clearingmitglieder oder Handelsplätze zu erbringen, sollte von der Bewertung, die solchen Beschlüssen zugrunde liegen, nicht beeinträchtigt werden, da die Entscheidung über die Anerkennung von dieser Bewertung unabhängig sein sollte. Ebenso sollte das Recht eines in einem Drittstaat ansässigen und von der ESMA anerkannten Transaktionsregisters, Dienstleistungen für in der Union ansässige Einrichtungen zu erbringen, weder durch einen Beschluss über die Gleichwertigkeit noch durch die Bewertung beeinträchtigt werden. Im Einklang mit den von der G20 im September 2009 formulierten allgemeinen aufsichtsrechtlichen Zielen und Standards – Verbesserung der Transparenz an den Derivatemärkten, Minderung des Systemrisikos und Schutz vor Markmissbrauch – sollten hinsichtlich der Anerkennung von CCPs aus Drittstaaten und im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen der Union nach dem Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation einschließlich des Allgemeinen Übereinkommens über den Handel mit Dienstleistungen Beschlüsse, mit denen die rechtlichen Bestimmungen eines Drittstaats als denen der Union gleichwertig anerkannt werden, nur dann gefasst werden, wenn das Recht des Drittstaats ein wirksames gleichwertiges System der Anerkennung von CCPs, die nach ausländischem Recht zugelassen sind, vorsieht. Ein derartiges System sollte als gleichwertig betrachtet wer-

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den, wenn es gewährleistet, dass die wesentlichen Ergebnisse des anzuwendenden Aufsichtssystems den Anforderungen der Union vergleichbar sind und als wirksam, wenn diese Bestimmungen einheitlich Anwendung finden. In diesem Zusammenhang ist es angebracht und erforderlich, angesichts der Merkmale von Derivatemärkten und der Funktionsweise von CCPs die faktische Gleichwertigkeit ausländischer Aufsichtssysteme daraufhin zu prüfen, ob sie den Zielen und Standards der G20 in Bezug auf die Verbesserung der Transparenz an den Derivatemärkten, die Minderung des Systemrisikos und den Schutz vor Marktmissbrauch genügen. Die besondere Situation von CCPs erfordert es, dass die Bestimmungen, die Drittstaaten betreffen, gemäß auf diese Marktstruktureinheiten zugeschnittenen Maßnahmen organisiert werden und funktionieren. Daher stellt dieses Vorgehen nicht unbedingt einen Präzedenzfall für andere Rechtsakte dar. In seinen Schlussfolgerungen vom 2. Dezember 2009 bestätigte der Europäische Rat die Notwendigkeit einer deutlich besseren Abfederung von Gegenparteiausfallrisiken sowie die Bedeutung einer Verbesserung von Transparenz, Effizienz und Integrität bei Transaktionen mit Derivaten. Das Europäische Parlament forderte in seiner Entschließung vom 15. Juni 2010 zu Derivatemärkten – Künftige politische Maßnahmen – eine Clearing- und Meldepflicht für OTC-Derivatekontrakte. Die ESMA sollte im Rahmen dieser Verordnung handeln, indem sie die Stabilität des Finanzmarktes in Krisensituationen wahrt, die kohärente Anwendung der Rechtsvorschriften der Union durch die nationalen Aufsichtsbehörden sicherstellt und Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen ausräumt. Sie ist ferner mit der Ausarbeitung von Entwürfen für technische Regulierungs- und Durchführungsstandards beauftragt und spielt eine tragende Rolle bei der Zulassung und Beaufsichtigung von CCPs und Transaktionsregistern. Eine der grundlegenden Aufgaben des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) besteht darin, das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern. Dabei üben die Mitglieder des ESZB eine Aufsichtsfunktion aus, indem sie effiziente und zuverlässige Verrechnungs- und Zahlungssysteme, einschließlich CCPs, gewährleisten. Die Mitglieder des ESZB sind somit eng in die Zulassung und Beaufsichtigung von CCPs, die Anerkennung von CCPs aus Drittstaaten und die Genehmigung von Interoperabilitätsvereinbarungen eingebunden. Zusätzlich sind sie eng in die Festlegung technischer Regulierungsstandards sowie von Leitlinien und Empfehlungen eingebunden. Diese Verordnung berührt nicht die Aufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB) und der nationalen Zentralbanken (NZB), effiziente und zuverlässige Verrechnungs- und Zahlungssysteme innerhalb der Union und im Verkehr mit Drittstaaten zu gewährleisten. Folglich – und um zu vermeiden, dass parallele Regelwerke eingeführt werden – sollten die ESMA und das ESZB bei der Erstellung der einschlägigen Entwürfe für technische Standards eng zusammenarbeiten. Darüber hinaus ist der Zugang zu Informationen für die EZB und die NZB für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben sowohl im Zusammenhang mit der Beaufsichtigung von Verrechnungs- und Zahlungssystemen als auch im Zusammenhang mit den Funktionen einer emittierenden Zentralbank von entscheidender Bedeutung. Für die in Anhang I Abschnitt C Nummer 4 bis 10 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente233 genannten Derivatekontrakte sind einheitliche Regeln notwendig. Anreize zur Förderung der Nutzung von CCPs haben sich nicht als ausreichend erwiesen, um zu gewährleisten, dass standardisierte OTC-Derivatekontrakte tatsächlich zentral gecleart werden. Daher muss für OTC-Derivatekontrakte, die zentral gecleart werden können, das Clearing durch CCPs verbindlich vorgeschrieben werden. Es ist wahrscheinlich, dass die Mitgliedstaaten bald unterschiedliche nationale Maßnahmen erlassen, die das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts behindern und sich nachteilig auf die Marktteilnehmer und die Finanzstabilität auswirken könnten. Die einheitliche

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Anwendung der Clearingpflicht in der Union ist auch zur Gewährleistung eines hohen Maßes an Anlegerschutz sowie zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen den Marktteilnehmern notwendig. Um sicherzustellen, dass die Clearingpflicht Systemrisiken mindert, ist ein Verfahren zur Ermittlung der Kategorien von Derivaten notwendig, die dieser Verpflichtung unterliegen sollten. Bei diesem Verfahren sollte berücksichtigt werden, dass nicht alle durch eine CCP geclearten OTC-Derivatekontrakte als für das obligatorische CCP-Clearing geeignet gelten können. In dieser Verordnung werden die Kriterien festgelegt, anhand deren für verschiedene Kategorien von OTC-Derivatekontrakten entschieden wird, ob sie einer Clearingpflicht unterliegen sollen oder nicht. Die Kommission sollte auf der Grundlage der von der ESMA erarbeiteten Entwürfe für technische Regulierungsstandards darüber entscheiden, ob eine Kategorie von OTC-Derivatekontrakten einer Clearingpflicht unterliegt und ab wann die Clearingpflicht gilt, wobei gegebenenfalls auch über eine schrittweise Umsetzung und über die Mindestrestlaufzeit der Kontrakte entschieden wird, die vor dem Zeitpunkt, ab dem die Clearingpflicht gemäß dieser Verordnung wirksam wird, geschlossen oder verlängert werden. Die allmähliche Einführung der Clearingpflicht könnte danach gestaffelt werden, welche Marktteilnehmer dieser Pflicht nachkommen müssen. Bei der Festlegung der der Clearingpflicht unterliegenden Kategorien von OTC-Derivatekontrakten sollte die ESMA dem besonderen Charakter von OTC-Derivatekontrakten Rechnung tragen, die Gegenstand von Abschlüssen mit Emittenten gedeckter Schuldverschreibungen oder Deckungspools für gedeckte Schuldverschreibungen sind. Die ESMA sollte bei der Entscheidung der Frage, für welche Kategorien von OTC-Derivatekontrakten die Clearingpflicht gilt, auch anderen relevanten Erwägungen, vor allem der Vernetzung zwischen den Gegenparteien, die die einschlägigen Kategorien von OTC-Derivatekontrakten nutzen, und den Auswirkungen auf die Höhe des Gegenparteiausfallrisikos, gebührend Rechnung tragen und gleiche Wettbewerbsbedingungen innerhalb des Binnenmarkts gemäß Artikel 1 Absatz 5 Buchstabe d der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 fördern. Hat die ESMA festgestellt, dass ein OTC-Derivat den Standards entspricht und zum Clearing geeignet ist, dass aber keine CCP bereit ist, dieses Produkt zu clearen, so sollte die ESMA die Gründe dafür ermitteln. Bei der Festlegung der der Clearingpflicht unterliegenden Kategorien von OTC-Derivatekontrakten sollte dem besonderen Charakter der jeweiligen Kategorie von OTC-Derivatekontrakten gebührend Rechnung getragen werden. Bei Geschäften mit bestimmten Kategorien von OTC-Derivatekontrakten kann das Hauptrisiko im Abwicklungsrisiko bestehen, das durch gesonderte infrastrukturelle Vorkehrungen aufgefangen werden kann und durch das sich bestimmte Kategorien von OTC-Derivatekontrakten (wie etwa Wechselkurskontrakte) von anderen Kategorien unterscheiden. Das Clearing über eine CCP dient speziell der Ausschaltung des Gegenparteiausfallrisikos und ist daher möglicherweise nicht die beste Lösung zum Umgang mit dem Abwicklungsrisiko. Das System für solche Verträge sollte insbesondere auf vorheriger internationaler Konvergenz und gegenseitiger Anerkennung der einschlägigen Infrastrukturen beruhen. Um eine einheitliche und kohärente Anwendung dieser Verordnung sowie gleiche Ausgangsbedingungen für die Marktteilnehmer zu gewährleisten, sollte, wenn eine Kategorie von OTC-Derivatekontrakten für clearingpflichtig erklärt wird, diese Pflicht auch für sämtliche Kontrakte dieser Kategorie von OTC-Derivatekontrakten gelten, die am oder nach dem Tag, an dem die ESMA die Mitteilung erhält, dass einer CCP die Zulassung für die Wahrnehmung der Clearingpflicht erteilt wurde, jedoch vor dem Tag, ab dem die Clearingpflicht wirksam wird, geschlossen werden, sofern die Restlaufzeit dieser Kontrakte länger ist als die von der Kommission festgelegte Mindestrestlaufzeit. Bei der Entscheidung darüber, ob die Clearingpflicht auf eine Kategorie von OTC-Derivatekontrakten angewandt werden soll, sollte die ESMA bestrebt sein, systemische Risiken zu senken. Das bedeutet, dass sie bei dieser Entscheidung Faktoren, wie den Grad der Standardisierung von vertraglichen und operativen Vertragsbedingungen, das Volumen und die Liquidität der jeweiligen Kategorie von OTC-Derivatekontrakten sowie die Verfügbarkeit von

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fairen, zuverlässigen und allgemein akzeptierten Preisinformationen in der jeweiligen Kategorie von OTC-Derivatekontrakten berücksichtigt. Das Clearing eines OTC-Derivatekontrakts setzt voraus, dass die beiden betreffenden Vertragsparteien der Clearingpflicht unterliegen oder dem Clearing zustimmen. Ausnahmen von der Clearingpflicht sollten eng begrenzt werden, da sie deren Wirksamkeit verringern würden, und die Vorteile des CCP-Clearings zu Aufsichtsarbitrage zwischen Gruppen von Marktteilnehmern führen können. Um die Finanzstabilität innerhalb der Union zu erhöhen, ist es gegebenenfalls notwendig, dass auch die Geschäfte, die von in Drittstaaten ansässigen Einrichtungen getätigt werden, den Pflichten im Zusammenhang mit den Clearing- und Risikominderungsverfahren unterliegen, sofern die betreffenden Geschäfte unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkungen innerhalb der Union haben oder sofern diese Pflichten notwendig oder zweckmäßig sind, um die Umgehung von Vorschriften dieser Verordnung zu verhindern. OTC-Derivatekontrakte, die als ungeeignet für das Clearing durch eine CCP betrachtet werden, sind mit einem Gegenparteiausfallrisiko und operativen Risiken behaftet; daher sollten Regeln zur Abfederung dieses Risikos aufgestellt werden. Um das Gegenparteiausfallrisiko zu minimieren, sollten Marktteilnehmer, die der Clearingpflicht unterliegen, über Risikomanagementverfahren verfügen, die einen rechtzeitigen und angemessenen Austausch von Sicherheiten vorsehen, bei dem die Sicherheiten zudem angemessen von eigenen Vermögenswerten getrennt sind. Bei der Ausarbeitung der Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen diese Risikomanagementverfahren festgelegt werden, sollte die ESMA den Empfehlungen Rechnung tragen, die die internationalen Standardsetzungsgremien in Bezug auf die Einschussanforderungen (margining requirements) für nicht zentral geclearte Derivate geben. Bei der Erarbeitung von Entwürfen für technische Regulierungsstandards zur Festlegung der Regelungen, deren es in Bezug auf den präzisen und angemessenen Austausch von Sicherheiten bedarf, damit die Risiken, die mit nicht geclearten Transaktionen verbunden sind, beherrschbar werden, sollte die ESMA gebührend berücksichtigen, welchen Hindernissen Emittenten gedeckter Schuldverschreibungen oder Deckungspools gegenüberstehen, wenn sie in den verschiedenen Rechtssystemen der Union Sicherheiten leisten. Darüber hinaus sollte die ESMA dem Umstand Rechnung tragen, dass die den Gegenparteien von Emittenten gedeckter Schuldverschreibungen gewährten ranghöheren Ansprüche auf die Vermögenswerte des Emittenten gedeckter Schuldverschreibungen einen angemessenen Schutz vor Gegenparteiausfallrisiken bieten. Regeln für das Clearing von OTC-Derivatekontrakten und für Meldungen zu Derivategeschäften und Risikominderungstechniken für OTC-Derivatekontrakte, die nicht von einer CCP gecleart werden, sollten für finanzielle Gegenparteien gelten, insbesondere für gemäß der Richtlinie 2004/39/EG zugelassene Wertpapierfirmen, gemäß der Richtlinie 2006/ 48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute234 zugelassene Kreditinstitute, gemäß der Ersten Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung)235 zugelassene Versicherungsunternehmen, gemäß der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen236 zugelassene Versicherungsunternehmen, gemäß der Richtlinie 2005/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2005 über die Rückversicherung237 zugelassene Rückversicherungsunternehmen, Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und gegebenenfalls deren Verwaltungsgesellschaften, wenn sie gemäß der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in

ABl. L 177 vom 30.6.2006, S. 1. ABl. L 228 vom 16.8.1973, S. 3.

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ABl. L 345 vom 19.12.2002, S. 1. ABl. L 323 vom 9.12.2005, S. 1.

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6. Teil. Marktregeln Wertpapieren (OGAW)238 zugelassen sind, Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge im Sinne der Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge239 sowie alternative Investmentfonds, die von gemäß der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds240 zugelassenen oder eingetragenen Verwaltern alternativer Investmentfonds (AIFM) verwaltet werden. (26) Einrichtungen, die Altersversorgungssysteme betreiben, deren Hauptzweck in der Bereitstellung von Altersversorgungsleistungen besteht, die üblicherweise lebenslang gezahlt werden, jedoch auch als zeitlich begrenzte Zahlungen oder als pauschaler Kapitalbetrag gezahlt werden können, halten in der Regel ihre Barmittel so niedrig wie möglich, um ihren Versicherungsnehmern ein Höchstmaß an Rentabilität und Ertrag zu verschaffen. Würde diesen Einrichtungen daher vorgeschrieben, ihre OTC-Derivatekontrakte zentral zu clearen, müssten sie einen erheblichen Teil ihrer Vermögenswerte in bar vorhalten, um die laufenden Einschussanforderungen von CCPs erfüllen zu können. Um die absehbaren nachteiligen Auswirkungen einer solchen Vorschrift auf die Ruhestandseinkünfte künftiger Rentenempfänger zu vermeiden, sollte die Clearingpflicht für Altersversorgungssysteme erst dann gelten, wenn die CCPs zur Regelung dieses Problems eine geeignete technische Lösung für die Übertragung unbarer Sicherheiten als Nachschusszahlungen (variation margins) entwickelt haben. Eine solche technische Lösung sollte der besonderen Rolle der Altersversorgungssysteme Rechnung tragen und spürbar nachteilige Auswirkungen auf die Rentenempfänger vermeiden. Während einer Übergangsperiode sollten für OTC-Derivatekontrakte, die abgeschlossen werden, um Anlagerisiken zu reduzieren, die unmittelbar mit der Zahlungsfähigkeit von Altersversorgungssystemen verbunden sind, nicht nur Meldepflichten, sondern auch bilaterale Besicherungsanforderungen gelten. Endziel ist jedoch nach wie vor das zentrale Clearing, sobald dies machbar sein wird. (27) Wichtig ist, dass nur geeignete Einrichtungen und Systeme eine Sonderbehandlung erhalten, und dass die Vielfalt der Altersversorgungssysteme in der Union berücksichtigt wird; gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass für alle Altersversorgungssysteme gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen gelten. Daher sollte die befristete Ausnahme nur für gemäß der Richtlinie 2003/41/EG zugelassene Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, einschließlich der zugelassenen Stellen nach Artikel 2 Absatz 1 jener Richtlinie, die für die Verwaltung solcher Einrichtungen verantwortlich und in ihrem Namen tätig sind, sowie der juristischen Personen, die für die Anlagezwecke solcher Einrichtungen gegründet werden und ausschließlich in deren Interesse handeln, und für Geschäfte der betrieblichen Altersversorgung von Einrichtungen gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2003/41/EG gelten. (28) Die befristete Ausnahme sollte ferner für Geschäfte der betrieblichen Altersversorgung von Lebensversicherungsunternehmen gelten, sofern für alle entsprechenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten ein separater Abrechnungsverband eingerichtet wird und sie ohne die Möglichkeit einer Übertragung getrennt verwaltet und organisiert werden. Sie sollte auch für sonstige zugelassene und beaufsichtigte Einrichtungen, die ausschließlich auf nationaler Ebene tätig sind, oder für Systeme, die hauptsächlich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats bereitgestellt werden, nur dann gelten, wenn die Einrichtungen bzw. Systeme nach innerstaatlichem Recht anerkannt sind und ihr primärer Zweck in der Bereitstellung von Altersversorgungsleistungen besteht. Bei den in diesem Erwägungsgrund genannten Einrichtungen und Systemen sollte dies von der Entscheidung der jeweils zuständigen Behörde sowie – um die Kohärenz sicherzustellen, mögliche Verzerrungen zu beseitigen und Missbrauch zu vermeiden – der Stellungnahme der ESMA nach Anhörung der EIOPA abhängig sein. Dabei könnte es sich um Einrichtungen und Systeme handeln, die nicht notwendigerweise an ein Altersversorgungssystem eines Arbeitgebers geknüpft sind, jedoch – auf verbindlicher oder freiwilliger Basis – ebenfalls primär der Bereitstellung von Altersversorgungsleistungen die-

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ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 32. ABl. L 235 vom 23.9.2003, S. 10.

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ABl. L 174 vom 1.7.2011, S. 1.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks nen. Als Beispiele ließen sich juristische Personen nennen, die Altersversorgungssysteme auf Kapitaldeckungsbasis nach einzelstaatlichem Recht betreiben, sofern sie bei ihren Anlagen den Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht (Prudent Person Principle) walten lassen, und von Einzelpersonen direkt geschlossene Altersversorgungsvereinbarungen, die auch von Lebensversicherern angeboten werden können. Die Freistellung von von Einzelpersonen direkt geschlossenen Altersversorgungsvereinbarungen sollte sich allerdings nicht auf OTC-Derivatekontrakte im Zusammenhang mit anderen Lebensversicherungsprodukten des Versicherers erstrecken, die nicht primär der Bereitstellung von Altersversorgungsleistungen dienen. Weitere Beispiele wären etwa die unter die Richtlinie 2002/83/EG fallenden Geschäfte der betrieblichen Altersversorgung von Versicherungsunternehmen, sofern alle diesen Geschäften entsprechenden Vermögenswerte in einem besonderen Verzeichnis gemäß dem Anhang der Richtlinie 2001/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen241 aufgeführt sind, sowie auf Tarifvereinbarungen beruhende Systeme der betrieblichen Altersversorgung von Versicherungsunternehmen. Einrichtungen, die zu dem Zweck errichtet wurden, die Mitglieder von Altersversorgungssystemen im Insolvenzfall zu entschädigen, sollten ebenfalls als Altersversorgungssysteme im Sinne dieser Verordnung behandelt werden. (29) Soweit zweckmäßig, sollten die für finanzielle Gegenparteien geltenden Regeln auch für nichtfinanzielle Gegenparteien gelten. Es ist bekannt, dass nichtfinanzielle Gegenparteien OTC-Derivatekontrakte verwenden, um sich gegen direkt aus ihrer Geschäftstätigkeit oder der Unternehmensfinanzierung entstehende Geschäftsrisiken zu schützen. Bei der Entscheidung der Frage, ob eine nichtfinanzielle Gegenpartei der Clearingpflicht unterliegen sollte, sollte folglich berücksichtigt werden, zu welchem Zweck diese nichtfinanzielle Gegenpartei OTC-Derivatekontrakte nutzt und wie hoch ihr Risiko in diesen Instrumenten ist. Damit Nichtfinanzinstitute die Möglichkeit haben, sich zu den Clearingschwellen zu äußern, sollte die ESMA bei der Erarbeitung der einschlägigen technischen Regulierungsstandards eine offene öffentliche Anhörung durchführen, bei der die Teilnahme von Nichtfinanzinstituten sichergestellt wird. Außerdem sollte die ESMA alle relevanten Behörden konsultieren, z.B. die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, um sicherzustellen, dass den Besonderheiten der betreffenden Sektoren angemessen Rechnung getragen wird. Darüber hinaus sollte die Kommission bis zum 17. August 2015 eine Bewertung der systemischen Bedeutung der Transaktionen von Nichtfinanzunternehmen mit OTC-Derivatekontrakten in verschiedenen Sektoren, einschließlich im Energiesektor, vornehmen. (30) Bei der Beantwortung der Frage, ob ein OTC-Derivatekontrakt die unmittelbar mit der Geschäftstätigkeit oder dem Liquiditäts- und Finanzmanagement einer nichtfinanziellen Gegenpartei in Zusammenhang stehenden Risiken reduziert, sollte den gesamten Sicherungsund Risikominderungsstrategien der betreffenden nichtfinanziellen Gegenpartei gebührend Rechnung getragen werden. Insbesondere sollte geprüft werden, ob ein OTC-Derivatekontrakt in wirtschaftlicher Hinsicht zur Risikoreduzierung in Geschäftsführung und Betrieb einer nichtfinanziellen Gegenpartei geeignet ist, soweit die betreffenden Risiken im Zusammenhang mit Schwankungen der Zins-, Währungs- und Inflationsraten oder der Warenpreise stehen. (31) Die Clearingschwelle ist für alle nichtfinanziellen Gegenparteien eine sehr wichtige Größe. Bei der Festlegung dieser Schwelle muss der Systemrelevanz der Summe aller Nettopositionen und -forderungen je Gegenpartei und Kategorie von OTC-Derivatekontrakten Rechnung getragen werden. In diesem Zusammenhang sollten entsprechende Bemühungen unternommen werden, die von nichtfinanziellen Gegenparteien bei ihrer normalen Geschäftstätigkeit eingesetzten Risikominderungsmethoden anzuerkennen. (32) Die Mitglieder des ESZB und anderer Stellen der Mitgliedstaaten mit ähnlichen Aufgaben sowie sonstige Stellen der Union, die für die öffentliche Schuldenverwaltung zuständig oder

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ABl. L 110 vom 20.4.2001, S. 28.

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daran beteiligt sind, und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sollten vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden, um zu vermeiden, dass deren Befugnis zur Ausübung ihrer Aufgaben von allgemeinem Interesse beschränkt wird. Da nicht alle der Clearingpflicht unterliegenden Marktteilnehmer Clearingmitglieder einer CCP werden können, sollten sie unter bestimmten Bedingungen als Kunden oder als indirekte Kunden Zugang zu CCPs haben. Die Einführung einer Clearingpflicht zusammen mit einem Verfahren zur Festlegung, welche CCPs herangezogen werden können, kann zu unbeabsichtigten Wettbewerbsverzerrungen auf dem Markt für OTC-Derivate führen. So kann es eine CCP beispielsweise ablehnen, über bestimmte Handelsplätze ausgeführte Transaktionen zu clearen, weil sich die CCP im Besitz eines konkurrierenden Handelsplatzes befindet. Zur Vermeidung solch diskriminierender Praktiken sollten CCPs dem Clearing von Geschäften an verschiedenen Handelsplätzen zustimmen, soweit diese den von der CCP festgelegten betrieblichen und technischen Anforderungen entsprechen und ungeachtet der Vertragsunterlagen, auf deren Grundlage die Vertragsparteien das betreffende OTC-Derivategeschäft abgeschlossen haben, sofern die betreffenden Unterlagen den Marktstandards entsprechen. Handelsplätze sollten den CCPs transparent und diskriminierungsfrei Zugang zu Handelsdaten gewähren. Im Zusammenhang mit dem Recht einer CCP auf den Zugang zu Handelsplätzen sollte es zulässig sein, zu vereinbaren, dass mehrere CCPs die Handelsdaten desselben Handelsplatzes nutzen können. Dies sollte jedoch weder zu Interoperabilität beim Clearing von Derivaten noch zur Fragmentierung der Liquidität führen. Vorbehaltlich der Bedingungen, die in dieser Verordnung und in den von der ESMA ausgearbeiteten und von der Kommission erlassenen technischen Regulierungsstandards festgelegt sind, sollte diese Verordnung einem fairen und offenen Zugang zwischen Handelsplätzen und CCPs im Binnenmarkt nicht im Wege stehen. Die Kommission sollte die Entwicklungen auf dem OTC-Derivatemarkt weiter genau verfolgen und eventuell intervenieren, um – zwecks Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen auf den Finanzmärkten – zu verhindern, dass es im Binnenmarkt zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Bei Finanzdienstleistungen und beim Handel mit Derivatekontrakten gibt es Bereiche, in denen auch Rechte an gewerblichem und geistigem Eigentum bestehen können. In den Fällen, in denen sich solche Rechte auf Produkte oder Dienstleistungen beziehen, die sich als Branchenstandard durchgesetzt haben oder sich auf Branchenstandards auswirken, sollten die diesbezüglichen Lizenzen zu verhältnismäßigen, fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen erteilt werden. Zur Ermittlung der clearingpflichtigen Kategorien von OTC-Derivatekontrakten, der Schwellen und systemisch relevanten nichtfinanziellen Gegenparteien werden zuverlässige Daten benötigt. Deshalb ist es aus Regulierungszwecken bedeutend, dass auf Unionsebene eine einheitliche Meldepflicht für Daten zu Derivaten eingeführt wird. Ferner ist – soweit irgend möglich – sowohl für finanzielle als auch für nichtfinanzielle Gegenparteien eine rückwirkende Meldepflicht erforderlich, damit es vergleichbare Daten gibt, die unter anderem von der ESMA und anderen einschlägigen zuständigen Behörden genutzt werden können. Ein gruppeninternes Geschäft ist ein Geschäft zwischen zwei Unternehmen, die in dieselbe Vollkonsolidierung einbezogen sind und geeigneten zentralisierten Risikobewertungs-, Risikomess- und Risikokontrollverfahren unterliegen. Sie sind Teil desselben institutsbezogenen Sicherungssystems nach Artikel 80 Absatz 8 der Richtlinie 2006/48/EG oder sie sind, im Falle von Kreditinstituten nach Artikel 3 Absatz 1 jener Richtlinie, die derselben Zentralorganisation zugeordnet sind, beide Kreditinstitute oder das eine ist ein Kreditinstitut und das andere eine Zentralorganisation. OTC-Derivatekontrakte können innerhalb von Nichtfinanz- oder Finanz-Unternehmensgruppen anerkannt werden, sowie innerhalb von Unternehmensgruppen, die sich sowohl aus Finanz- als auch Nichtfinanz-Unternehmen zusammensetzen; wenn ein solcher Kontrakt in Bezug auf eine Gegenpartei als gruppeninternes Geschäft gilt, sollte er auch in Bezug auf die andere Gegenpartei des Kontrakts als solches gelten. Gruppeninterne Geschäfte können durchaus notwendig sein, um Risiken innerhalb einer Unternehmensgruppe zusammenzufassen; demnach handelt es sich bei gruppeninternen Risiken um spezifische Risiken. Da die gruppeninternen Risikomanagementprozesse,

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks falls gruppeninterne Geschäfte der Clearingpflicht unterworfen würden, in ihrer Wirksamkeit beschränkt werden können, wäre es sinnvoll, gruppeninterne Geschäfte von der Clearingpflicht auszunehmen, sofern dies nicht zu einer Erhöhung des Systemrisikos führt. Infolgedessen sollte ein angemessener Austausch von Sicherheiten an die Stelle des Clearings dieser Geschäfte durch eine CCP treten, soweit dies angezeigt ist, um die gruppeninternen Gegenparteirisiken zu mindern. (39) Einige gruppeninterne Geschäfte könnten jedoch in bestimmten Fällen auf Grundlage einer Entscheidung der zuständigen Behörden von der Sicherungspflicht ausgenommen werden, sofern ihre Risikomanagementverfahren hinreichend solide und belastbar sind und dem Komplexitätsgrad des Geschäfts entsprechen und kein Hindernis für die unverzügliche Übertragung von Eigenmitteln oder die Rückzahlung von Verbindlichkeiten zwischen den Gegenparteien besteht. Diese Kriterien sowie die Verfahren, die die Gegenparteien und die jeweils zuständigen Behörden bei Freistellungen zu befolgen haben, sollten in technischen Regulierungsstandards festgelegt werden, die im Einklang mit den Verordnungen zur Errichtung der ESA erlassen werden. Vor der Ausarbeitung der Entwürfe für technische Regulierungsstandards sollten die ESA eine Abschätzung ihrer möglichen Folgen auf den Binnenmarkt sowie auf die Finanzmarktteilnehmer und insbesondere auf die Geschäfte und die Struktur der Konzerngruppen vornehmen. Alle technischen Standards, die für die bei gruppeninternen Geschäften ausgetauschten Sicherheiten gelten, einschließlich der Freistellungskriterien, sollten den vorherrschenden Besonderheiten dieser Geschäfte sowie den Unterschieden zwischen nichtfinanziellen und finanziellen Gegenparteien und ihren jeweiligen Zielen und Methoden bei der Verwendung von Derivaten Rechnung tragen. (40) Gegenparteien gelten zumindest dann als in dieselbe Konsolidierung einbezogen, wenn sie beide nach der Richtlinie 83/349/EWG des Rates242 oder nach den internationalen Rechnungslegungsstandards „International Financial Reporting Standards (IFRS)“, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates243 erlassen wurden, oder – bei Gruppen mit einer in einem Drittstaat ansässigen Unternehmenszentrale – nach den allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen des betreffenden Drittstaats, für die nach der Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 der Kommission244 festgestellt wurde, dass sie den IFRS gleichwertig sind (oder nach den Rechnungslegungsgrundsätzen des betreffenden Drittstaats, die gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 zulässig sind) in eine Konsolidierung einbezogen sind, oder wenn sie beide derselben Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis gemäß der Richtlinie 2006/48/EG oder der Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates245 unterliegen, bzw. – bei Gruppen mit einer in einem Drittstaat ansässigen Unternehmenszentrale –, wenn beide derselben Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis durch eine zuständige Behörde des Drittstaats unterliegen, für die geprüft wurde, dass sie einer Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis nach den Grundsätzen entspricht, die in Artikel 143 der Richtlinie 2006/48/EG oder in Artikel 2 der Richtlinie 2006/49/EG festgelegt sind. (41) Es ist wichtig, dass die Marktteilnehmer sämtliche Einzelheiten zu den von ihnen eingegangenen Derivatekontrakten an Transaktionsregister melden. So werden Informationen über die Derivatemärkten inhärenten Risiken zentral gespeichert und sind unter anderem für die 242

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Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrags über den konsolidierten Abschluss (ABl. L 193 vom 18.7.1983, S. 1). Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (ABl. L 243 vom 11.9.2002, S. 1). Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 der Kommission vom 21. Dezember 2007 über die

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Einrichtung eines Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit der von Drittstaatemittenten angewandten Rechnungslegungsgrundsätze gemäß den Richtlinien 2003/71/EG und 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 340 vom 22.12.2007, S. 66). Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (ABl. L 177 vom 30.6.2006, S. 201).

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ESMA, die zuständigen Behörden, den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, im Folgenden „ESRB“) und die betreffenden Zentralbanken des ESZB leicht zugänglich. Die Erbringung von Transaktionsregisterdiensten ist gekennzeichnet durch Größeneffekte, die den Wettbewerb in diesem besonderen Bereich behindern dürften. Gleichzeitig können umfassende Meldepflichten für die Marktteilnehmer den Wert der von Transaktionsregistern geführten Informationen auch für Anbieter von Nebendienstleistungen wie beispielsweise Geschäftsbestätigung, Geschäftsabgleich, Dienstleistungen bei Kreditereignissen, Portfolioabgleich und Portfoliokomprimierung erhöhen. Es sollte daher sichergestellt werden, dass gleiche Ausgangsbedingungen im Sektor der Nachhandelsaktivitäten allgemein nicht durch ein etwaiges natürliches Monopol bei der Erbringung von Transaktionsregisterdiensten beeinträchtigt werden. Transaktionsregister sollten daher verpflichtet werden, vorbehaltlich der erforderlichen Schutzmaßnahmen im Hinblick auf den Datenschutz, Zugang zu den im Register befindlichen Informationen zu fairen, vernünftigen und nichtdiskriminierenden Bedingungen zu gewähren. Um einen umfassenden Marktüberblick und eine Bewertung des systemischen Risikos zu gestatten, sollten sowohl durch CCPs geclearte als auch nicht durch CCPs geclearte Derivatekontrakte an die Transaktionsregister gemeldet werden. Die ESA sollten mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet werden, um ihren gemäß dieser Verordnung übertragenen Aufgaben wirksam nachzukommen. Gegenparteien und zentrale Gegenparteien, die einen Derivatekontrakt abschließen, ändern oder beenden, sollten dafür Sorge tragen, dass die Einzelheiten dieses Kontrakts an ein Transaktionsregister gemeldet werden. Sie sollten die Möglichkeit haben, die Meldung des Kontrakts einer anderen Einrichtung zu übertragen. Einrichtungen oder ihre Beschäftigten, die einem Transaktionsregister die Einzelheiten eines Derivatekontrakts im Namen einer Gegenpartei gemäß dieser Verordnung melden, sollten damit nicht gegen eine Beschränkung der Offenlegung verstoßen. Bei der Ausarbeitung der Entwürfe für technische Regulierungsstandards sollte die ESMA den Fortschritten bei der Entwicklung einer eindeutigen Kennung für Kontrakte und der in Anhang I Tabelle 1 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006246 der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG enthaltenen Liste der vorgeschriebenen Meldedaten Rechnung tragen sowie andere zuständige Behörden wie die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden konsultieren. Unter Berücksichtigung der in der Mitteilung der Kommission „Stärkung der Sanktionsregelungen im Finanzdienstleistungssektor“ festgelegten Grundsätze und der infolge dieser Mitteilung erlassenen Rechtsakte der Union sollten die Mitgliedstaaten Vorschriften über Sanktionen bei Verstößen gegen diese Verordnung festlegen. Die Mitgliedstaaten sollten für den Vollzug dieser Sanktionen derart Sorge tragen, dass die Wirksamkeit dieser Regeln nicht beeinträchtigt wird. Die Sanktionen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Sie sollten auf Leitlinien beruhen, die von der ESMA erlassen werden, um die Konvergenz und die sektorübergreifende Konsistenz von Sanktionsregelungen im Finanzsektor zu fördern. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die verhängten Sanktionen gegebenenfalls öffentlich bekannt gemacht und dass die Berichte, in denen bewertet wird, ob die bestehenden Regeln tatsächlich Wirkung zeigen, regelmäßig veröffentlicht werden. Eine CCP kann im Einklang mit dieser Verordnung in einem Mitgliedstaat ansässig sein. Kein Mitgliedstaat und keine Gruppe von Mitgliedstaaten sollte direkt oder indirekt als Ort für Clearingdienste diskriminiert werden. Eine CCP aus einer Jurisdiktion sollte durch diese Verordnung nicht an dem Clearing eines auf die Währung eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittstaats lautenden Produkts eingeschränkt oder daran gehindert werden. Die Zulassung einer CCP sollte an die Bedingung einer Mindestanfangskapitalausstattung geknüpft werden. Das Eigenkapital einer CCP einschließlich Gewinnrücklagen und Rückstellungen sollte jederzeit in angemessenem Verhältnis zu dem mit der Geschäftstätigkeit der CCP verbundenen Risiko stehen, um zu gewährleisten, dass diese über eine adäquate Kapi-

ABl. L 241 vom 2.9.2006, S. 1.

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taldecke zum Schutz vor Kredit-, Gegenpartei-, Markt-, Betriebs-, Rechts- und Geschäftsrisiken verfügt, soweit diese nicht bereits durch besondere Finanzmittel gedeckt sind, und erforderlichenfalls in der Lage ist, ihre Geschäftstätigkeit ordnungsgemäß abzuwickeln oder umzustrukturieren. Da mit dieser Verordnung zu Regulierungszwecken eine rechtliche Verpflichtung zum Clearing durch spezifische CCPs eingeführt wird, muss gewährleistet werden, dass diese CCPs sicher und solide sind und die durch die Verordnung festgelegten strengen organisatorischen Anforderungen sowie Wohlverhaltensregeln jederzeit erfüllen. Zur Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung dieser Verordnung sollten diese Vorschriften für das Clearing sämtlicher Finanzinstrumente gelten, die von CCPs verarbeitet werden. Deshalb ist es zu Regelungs- und Harmonisierungszwecken notwendig, dass Gegenparteien nur CCPs nutzen, die den in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen entsprechen. Diese Anforderungen sollten die Mitgliedstaaten aber keineswegs daran hindern, bezüglich der in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen CCPs zusätzliche Anforderungen einschließlich bestimmter Zulassungsanforderungen gemäß der Richtlinie 2006/48/EG zu erlassen oder weiter anzuwenden. Solche zusätzlichen Anforderungen sollten jedoch nicht das Recht von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen oder gemäß dieser Verordnung anerkannten CCPs beeinträchtigen, Clearingdienste an Clearingmitglieder und deren Kunden, die in dem die zusätzlichen Anforderungen erlassenden Mitgliedstaat ansässig sind, zu erbringen, da solche CCPs diesen zusätzlichen Anforderungen nicht unterliegen und sie daher nicht erfüllen müssen. Die ESMA sollte bis zum 30. September 2014 einen Bericht über die Auswirkungen verfassen, die die Anwendung zusätzlicher Anforderungen durch die Mitgliedstaaten hat. Bestimmungen, die die Zulassung und Beaufsichtigung von CCPs unmittelbar regeln, sind eine notwendige Folge der Pflicht zum Clearing von OTC-Derivatekontrakten. Es ist zweckmäßig, dass die Zuständigkeit für sämtliche Aspekte der Zulassung und Beaufsichtigung von CCPs, einschließlich der Zuständigkeit für die Prüfung der Einhaltung dieser Verordnung sowie der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen247 durch die antragstellende CCP, bei den zuständigen Behörden verbleibt, da diese nationalen zuständigen Behörden am besten in der Lage sind, den alltäglichen Geschäftsbetrieb der CCPs zu untersuchen, regelmäßige Prüfungen durchzuführen und erforderlichenfalls geeignete Maßnahmen zu treffen. Im Falle der drohenden Insolvenz einer CCP kann die finanzpolitische Verantwortung vorwiegend bei dem Mitgliedstaat liegen, in dem diese CCP ansässig ist. Daher sollten die Zulassung dieser CCP und deren Beaufsichtigung Sache der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats sein. Da jedoch die Clearingmitglieder einer CCP in unterschiedlichen Mitgliedstaaten niedergelassen sein können und diese selbst als Erste vom Ausfall der CCP betroffen sein werden, ist es wichtig, dass alle jeweils zuständigen Behörden und die ESMA an der Zulassung und Beaufsichtigung beteiligt sind. Dadurch werden voneinander abweichende nationale Maßnahmen und Vorgehensweisen sowie Hindernisse für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts vermieden. Darüber hinaus sollte kein Vorschlag bzw. keine Maßnahme eines Mitglieds eines Kollegiums der Aufsichtsbehörden einen Mitgliedstaat oder eine Gruppe von Mitgliedstaaten als Ort für Clearingdienste in jeder beliebigen Währung direkt oder indirekt diskriminieren. Die ESMA sollte an allen Kollegien beteiligt sein, um die kohärente und korrekte Anwendung dieser Verordnung zu gewährleisten. Die ESMA sollte andere zuständige Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten bei der Vorbereitung von Empfehlungen und Entscheidungen einbeziehen. Aufgrund der Rolle, die den Kollegien zugewiesen ist, ist es wichtig, dass alle jeweils zuständigen Behörden sowie die Mitglieder des ESZB einbezogen werden, wenn sie ihre Aufgaben wahrnehmen. Dem Kollegium sollten nicht nur die zuständigen Behörden angehören, die die CCP beaufsichtigen, sondern auch diejenigen, die Einrichtungen beaufsichtigen, auf die sich die Tätigkeiten dieser CCP auswirken könnten, das heißt ausgewählte Clearingmitglieder, Handelsplätze, interoperable CCPs und zentrale Wertpapierverwahrstellen (CSDs). Die Mit-

ABl. L 166 vom 11.6.1998, S. 45.

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6. Teil. Marktregeln glieder des ESZB, die für die Beaufsichtigung der CCPs und interoperable CCPs zuständig sind, sowie diejenigen, die für die Emission der Währungen der durch die CCP geclearten Finanzinstrumente verantwortlich sind, sollten dem Kollegium angehören. Da die überwachten oder beaufsichtigten Einrichtungen nur in einer begrenzten Zahl von Mitgliedstaaten, in denen die CCP tätig ist, ansässig wären, könnte eine einzige zuständige Behörde oder ein Mitglied des ESZB für die Überwachung oder die Beaufsichtigung einer Reihe solcher Einrichtungen zuständig sein. Es sollten geeignete Verfahren und Mechanismen eingeführt werden, um eine reibungslose Zusammenarbeit aller Mitglieder des Kollegiums zu gewährleisten. (54) Da die Einrichtung und die Arbeitsweise des Kollegiums auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung zwischen allen seinen Mitgliedern erfolgen soll, ist es angesichts der Sensibilität des Themas zweckmäßig, ihnen die Befugnis zur Festlegung der Beschlussfassungsverfahren des Kollegiums zu übertragen. Daher sollten die Einzelheiten der Abstimmungsverfahren in einer zwischen allen Kollegiumsmitgliedern geschlossenen schriftlichen Vereinbarung festgelegt werden. Damit die Interessen aller relevanten Marktteilnehmer und Mitgliedstaaten angemessen und in einem ausgewogenen Verhältnis vertreten sind, sollte das Kollegium allerdings dem generellen Abstimmungsgrundsatz folgen, wonach jedes Mitglied – ungeachtet der Anzahl der von ihm gemäß dieser Verordnung wahrgenommenen Aufgaben – über eine Stimme verfügt. In Kollegien mit bis zu 12 Mitgliedern sollten höchstens zwei Kollegiumsmitglieder aus demselben Mitgliedstaat stimmberechtigt sein, und jedes stimmberechtigte Mitglied sollte eine Stimme haben. In Kollegien mit mehr als 12 Mitgliedern sollten höchstens drei Kollegiumsmitglieder aus demselben Mitgliedstaat stimmberechtigt sein, und jedes stimmberechtigte Mitglied sollte eine Stimme haben. (55) Die besondere Situation der CCPs erfordert es, dass die Kollegien so organisiert werden und funktionieren, dass die für die Beaufsichtigung dieser CCPs geltenden Bestimmungen eingehalten werden. (56) Die in dieser Verordnung enthaltenen Bestimmungen stellen, insbesondere was die Modalitäten für Abstimmungen zur Befassung der ESMA betrifft, keinen Präzedenzfall für andere Rechtsvorschriften über die Aufsicht und Überwachung von Infrastrukturen des Finanzmarkts dar. (57) Eine CCP sollte dann nicht zugelassen werden, wenn alle Mitglieder des Kollegiums – mit Ausnahme der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die CCP niedergelassen ist – im gegenseitigen Einvernehmen zu einer gemeinsamen Stellungnahme gelangen, der zufolge der CCP keine Zulassung erteilt werden sollte. Gibt hingegen eine ausreichende Mehrheit des Kollegiums eine ablehnende Stellungnahme ab und ruft eine der betroffenen zuständigen Behörden mit Unterstützung dieser Zweidrittelmehrheit des Kollegiums die ESMA in der Sache an, sollte die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem die CCP niedergelassen ist, ihre Entscheidung über die Zulassung zurückstellen, bis die ESMA einen Beschluss hinsichtlich der Übereinstimmung mit dem Unionsrecht gefasst hat. Die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem die CCP niedergelassen ist, sollte ihren Beschluss im Einklang mit solch einem Beschluss der ESMA treffen. Gelangen alle Mitglieder des Kollegiums – mit Ausnahme der Behörden des Mitgliedsstaats, in dem die CCP niedergelassen ist – zu einer gemeinsamen Stellungnahme mit dem Inhalt, dass sie die Anforderungen als nicht erfüllt betrachten und dass der CCP keine Zulassung erteilt werden sollte, sollte die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem die CCP niedergelassen ist, die ESMA in der Sache anrufen können, damit diese einen Beschluss hinsichtlich der Übereinstimmung mit dem Unionsrecht fasst. (58) Die Bestimmungen über den Austausch von Informationen zwischen den zuständigen Behörden, der ESMA und anderen relevanten Behörden sowie deren Verpflichtung zu gegenseitiger Amtshilfe und Zusammenarbeit müssen verstärkt werden. In Anbetracht zunehmender grenzüberschreitender Tätigkeiten sollten diese Behörden einander die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zweckdienlichen Informationen übermitteln, um eine wirksame Durchsetzung dieser Verordnung auch in Situationen zu gewährleisten, in denen Verstöße oder mutmaßliche Verstöße die Behörden in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten betreffen können. Beim Informationsaustausch ist die strikte Wahrung des Berufsgeheimnisses erforderlich. Aufgrund der weitreichenden Auswirkungen von OTC-Derivatekontrakten ist es von wesentlicher Bedeutung, dass andere betroffene Behörden wie Steuerbehörden und

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Regulierungsstellen des Energiesektors Zugang zu den für die Ausübung ihrer Funktionen notwendigen Informationen haben. Angesichts des globalen Charakters von Finanzmärkten sollte die ESMA unmittelbar dafür zuständig sein, in Drittstaaten niedergelassene CCPs anzuerkennen und ihnen so die Genehmigung zum Erbringen von Clearingdiensten in der Union zu erteilen, sofern die Kommission die Gleichwertigkeit des Rechts- und Aufsichtsrahmens des betreffenden Drittstaats mit jenem der Union anerkannt hat und bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Deshalb sollte eine in einem Drittstaat ansässige CCP, die Clearingdienstleistungen für in der Union ansässige Clearingmitglieder oder in der Union gelegene Handelsplätze erbringt, von der ESMA anerkannt werden. Um jedoch die weitere Entwicklung des grenzüberschreitenden Geschäfts der Anlageverwaltung in der Union nicht zu behindern, muss eine in einem Drittstaat ansässige CCP, die über ein in einem Drittstaat ansässiges Clearingmitglied Dienstleistungen für in der Union ansässige Kunden erbringt, nicht unbedingt von der ESMA anerkannt sein müssen. In diesem Zusammenhang sind Übereinkünfte mit den wichtigsten internationalen Partnern der Union von besonderer Bedeutung, um global gleiche Wettbewerbsbedingungen und die Finanzstabilität zu gewährleisten. Am 16. September 2010 einigte sich der Europäische Rat darauf, dass die Union ihre Interessen und Werte im Kontext der auswärtigen Beziehungen der Union konsequenter und in einem Geist der Gegenseitigkeit und des gegenseitigen Nutzens vertreten muss und Maßnahmen ergreifen muss, um unter anderem europäischen Unternehmen einen erweiterten Marktzugang zu sichern und die Zusammenarbeit im Regulierungsbereich mit den wichtigsten Handelspartnern zu vertiefen. Eine CCP sollte unabhängig von ihrer jeweiligen Eigentümerstruktur über solide Regelungen zur Unternehmensführung, eine gut beleumundete Geschäftsleitung und unabhängige Mitglieder des Leitungsorgans verfügen. Mindestens ein Drittel und nicht weniger als zwei Mitglieder ihres Leitungsorgans sollten unabhängig sein. Allerdings können unterschiedliche Regelungen zur Unternehmensführung und Eigentümerstrukturen bei einer CCP sich auf ihre Bereitschaft oder Fähigkeit zum Clearing bestimmter Produkte auswirken. Daher ist es zweckmäßig, dass die unabhängigen Mitglieder des Leitungsorgans und des von der CCP einzurichtenden Risikoausschusses etwaige Interessenkonflikte innerhalb einer CCP behandeln. Clearingmitglieder und Kunden müssen angemessen vertreten sein, da sich von der CCP getroffene Entscheidungen auf sie auswirken können. Eine CCP kann Aufgaben auslagern. Der Risikoausschuss der CCP sollte die CCP in der Frage einer solchen Auslagerung von Aufgaben beraten. Wichtige, mit dem Risikomanagement zusammenhängende Tätigkeiten sollten nur ausgelagert werden dürfen, wenn die zuständige Behörde dies genehmigt. Die Beteiligungsvorschriften für CCPs sollten daher transparent, verhältnismäßig und diskriminierungsfrei sein und einen Fernzugang ermöglichen, soweit dies nicht mit zusätzlichen Risiken für die CCP verbunden ist. Den Kunden von Clearingmitgliedern, die ihre OTC-Derivatekontrakte über CCPs clearen, sollte ein hohes Schutzniveau gewährt werden. Das tatsächliche Schutzniveau hängt vom Grad der Trennung ab, den diese Kunden wählen. Intermediäre sollten eigene Vermögenswerte von Kundengeldern trennen. Aus diesem Grund sollten CCPs stets aktuelle und leicht lesbare Aufzeichnungen führen, um die Übertragung der Positionen und Vermögenswerte der Kunden eines ausfallenden Clearingmitglieds auf ein solventes Clearingmitglied oder gegebenenfalls die geordnete Abwicklung der Positionen der Kunden und die Erstattung überschüssiger Sicherheiten an die Kunden zu ermöglichen. Die in dieser Verordnung festgelegten Vorschriften für die Trennung und die Übertragbarkeit von Positionen und Vermögenswerten von Kunden sollten daher Vorrang vor etwaigen kollidierenden Rechts- oder Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten haben, die die Parteien an der Erfüllung dieser Vorschriften hindern. Zur Verwaltung von Kreditrisiken, Liquiditätsrisiken, operationellen Risiken und sonstigen Risiken einschließlich der Risiken, die sie infolge wechselseitiger Abhängigkeiten mit anderen Einrichtungen tragen oder für diese darstellen, sollten CCPs über einen soliden Rahmen für das Risikomanagement verfügen. Eine CCP sollte über angemessene Verfahren und Mecha-

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nismen zur Reaktion auf den Ausfall eines Clearingmitglieds verfügen. Zur Minimierung des Ansteckungsrisikos bei einem solchen Ausfall sollte die CCP über strenge Teilnahmeanforderungen verfügen, angemessene Ersteinschusszahlungen (initial margins) fordern, einen Ausfallfonds unterhalten und über sonstige Finanzmittel zur Deckung potenzieller Verluste verfügen. Damit eine CCP stets über ausreichende Mittel verfügt, sollte sie einen Mindestbetrag für die Höhe des Ausfallfonds festlegen, der im Allgemeinen nicht unterschritten werden darf. Dies sollte die Möglichkeit der CCP, den Ausfallfonds vollständig auszuschöpfen, um durch den Ausfall eines Clearingmitglieds bedingte Verluste zu decken, nicht beschränken. Bei der Festlegung eines soliden Rahmens für das Risikomanagement sollte eine CCP dem potenziellen Risiko und den wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Clearingmitglieder und deren Kunden Rechnung tragen. Die Entwicklung eines äußerst soliden Risikomanagements sollte zwar das vorrangige Ziel einer CCP sein, doch darf sie ihre Eigenschaften an die spezifischen Aktivitäten und Risikoprofile der Kunden der Clearingmitglieder anpassen und, sofern dies aufgrund der Kriterien, die in den technischen Regulierungsstandards, die von der ESMA erarbeitet werden, festgelegt sind, angemessen erscheint, zumindest Barmittel, Staatsanleihen, gedeckte Schuldverschreibungen im Sinne der Richtlinie 2006/48/EG mit entsprechenden Risikosabschlägen, von einem ESZB-Mitglied gestellte Bürgschaften auf erste Anforderung, Bürgschaften von Geschäftsbanken unter strengen Auflagen, insbesondere hinsichtlich der Kreditwürdigkeit des Garantiegebers, sowie dessen Kapitalverbindungen mit ihren Clearingmitgliedern zu den hochliquiden Vermögenswerten rechnen, die als Sicherheiten akzeptiert werden. Die ESMA kann dabei erwägen, auch Gold als Sicherheit zu akzeptieren. CCPs sollten unter strengen Anforderungen an das Risikomanagement Bürgschaften nichtfinanzieller Gegenparteien akzeptieren können, soweit diese nichtfinanziellen Gegenparteien Clearingmitglieder sind. Die Risikomanagementstrategien von CCPs sollten so solide sein, dass Risiken für den Steuerzahler vermieden werden. Einschussforderungen und Risikoabschläge auf Sicherheiten („haircuts“) können prozyklisch wirken. Die CCPs, die zuständigen Behörden und die ESMA sollten deshalb Maßnahmen treffen, um mögliche prozyklische Effekte in den Risikomanagementpraktiken der CCPs soweit zu verhindern, dass die Solidität und die finanzielle Sicherheit der CCPs nicht beeinträchtigt werden. Das Risikomanagement ist ein wesentlicher Teil des Clearingprozesses. Zum Erbringen von Clearingdiensten im Allgemeinen sollten die entsprechenden Quellen für die Preisbildung zugänglich und nutzbar sein. Diese Preisbildungsquellen sollten Indizes umfassen, die als Referenzen für Derivate oder andere Finanzinstrumente genutzt werden. Einschusszahlungen sind für eine CCP die primäre Sicherheitsvorkehrung. CCPs sollten die eingenommenen Einschusszahlungen zwar sicher und umsichtig investieren, sie sollten aber auch besondere Anstrengungen unternehmen, um einen angemessenen Schutz derselben zu gewährleisten, damit diese den nicht ausfallenden Clearingmitgliedern oder – beim Ausfall der CCP, die die Einschusszahlungen eingenommen hat – einer interoperablen CCP rechtzeitig zurückgezahlt werden können. Der Zugang zu ausreichenden Liquiditätsressourcen ist für eine CCP unentbehrlich. Die Verfügbarkeit dieser Liquidität kann auf dem Zugang zu Zentralbankliquidität oder zur Liquidität kreditwürdiger und zuverlässiger Geschäftsbanken oder einer Kombination derselben beruhen. Der Zugang zu Liquidität könnte sich aus einer Zulassung ergeben, die nach Artikel 6 der Richtlinie 2006/48/EG oder anderen geeigneten Regelungen erteilt wurde. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ihrer Liquiditätsressourcen, insbesondere in Situationen hoher Belastung, sollte eine CCP das mit einer ausschließlichen Liquiditätsversorgung über die Kreditlinien von Geschäftsbanken verbundene Risiko mit berücksichtigen. Durch den „European Code of Conduct for Clearing and Settlement“ (Europäischer Verhaltenskodex für Clearing und Abrechnung) vom 7. November 2006 wurde ein freiwilliger Rahmen für die Herstellung von Verbindungen zwischen CCPs geschaffen. Der Sektor der Nachhandelsaktivitäten bleibt jedoch entlang der Landesgrenzen zersplittert, was grenzüberschreitende Transaktionen verteuert und eine Harmonisierung behindert. Deshalb müssen die Bedingungen für Interoperabilitätsvereinbarungen zwischen CCPs festgelegt wer-

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den, soweit diese für die betreffenden CCPs nicht mit Risiken verbunden sind, die nicht angemessen beherrscht werden. Interoperabilitätsvereinbarungen sind ein wichtiges Instrument für eine größere Integration des Marktes für Nachhandelstätigkeiten in der Union und sollten vorgesehen werden. Allerdings sollten CCPs für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren für das Clearing zugelassen oder gemäß dieser Verordnung anerkannt sein, oder im Rahmen eines zuvor bestehenden nationalen Zulassungssystems zugelassen worden sein, bevor die zuständigen Behörden ihnen solche Interoperabilitätsvereinbarungen genehmigen, da Interoperabilitätsvereinbarungen CCPs zusätzlichen Risiken aussetzen können. Angesichts der mit Interoperabilitätsvereinbarungen zwischen CCPs, die OTC-Derivate clearen, einhergehenden Steigerung der Komplexität ist es derzeit außerdem zweckmäßig, den Anwendungsbereich von Interoperabilitätsvereinbarungen auf übertragbare Wertpapiere und Geldmarktinstrumente zu beschränken. Bis zum 30. September 2014 sollte die ESMA der Kommission indes einen Bericht vorlegen, um zu ermitteln, ob eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf andere Finanzinstrumente zweckmäßig wäre. Transaktionsregister erfassen Daten für Regulierungszwecke, die für Behörden in sämtlichen Mitgliedstaaten relevant sind. Die ESMA sollte die Zuständigkeit für die Registrierung, den Widerruf der Registrierung und die Beaufsichtigung von Transaktionsregistern übernehmen. Da Regulierungsstellen, CCPs und andere Marktteilnehmer auf die von Transaktionsregistern vorgehaltenen Daten angewiesen sind, muss gewährleistet werden, dass diese Transaktionsregister in Bezug auf ihren Betrieb, die Dokumentation und das Datenmanagement strengen Anforderungen unterliegen. Die Preise, Entgelte und Risikomanagementmodelle im Zusammenhang mit den von CCPs, ihren Mitgliedern und Transaktionsregistern erbrachten Diensten müssen transparent sein, damit die Marktteilnehmer ihre Entscheidungen in Kenntnis der Sachlage treffen können. Damit die ESMA ihre Aufgaben wirksam wahrnehmen kann, sollte sie in der Lage sein, von Transaktionsregistern, mit diesen verbundenen Dritten sowie von Dritten, an die die Transaktionsregister operative Aufgaben oder Tätigkeiten ausgelagert haben, durch einfaches Ersuchen oder durch Beschluss alle notwendigen Auskünfte anzufordern. Fordert die ESMA diese Informationen durch einfaches Ersuchen an, ist der Adressat nicht zu deren Übermittlung verpflichtet, doch dürfen die übermittelten Informationen im Falle einer freiwilligen Übermittlung nicht falsch oder irreführend sein. Diese Auskünfte sollten unverzüglich zur Verfügung gestellt werden. Unbeschadet der unter das Strafrecht und Steuerrecht fallenden Fälle sollten die zuständigen Behörden, die ESMA sowie andere Stellen oder andere natürliche oder juristische Personen, bei denen es sich nicht um die zuständigen Behörden handelt, die von ihnen erhaltenen vertraulichen Informationen nur zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Ausübung ihrer Funktionen verwenden. Dies sollte die für die Verhütung, Untersuchung oder Beseitigung von Verwaltungsmissständen zuständigen nationalen Behörden jedoch nicht daran hindern, ihre Aufgaben gemäß dem innerstaatlichen Recht wahrzunehmen. Im Interesse einer wirksamen Ausübung ihrer Aufsichtsbefugnisse sollte die ESMA in der Lage sein, Untersuchungen und Prüfungen vor Ort durchzuführen. Die ESMA sollte spezifische Aufsichtsaufgaben an die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats delegieren können, beispielsweise wenn für eine Aufsichtsaufgabe Kenntnisse der Bedingungen vor Ort und entsprechende Erfahrungen notwendig sind, die eher auf nationaler Ebene verfügbar sind. Die ESMA sollte die Durchführung spezifischer Untersuchungen und Prüfungen vor Ort delegieren können. Bevor die ESMA Aufgaben delegiert, sollte sie sich mit der jeweils zuständigen Behörde über die genauen Bedingungen einer solchen Aufgabenübertragung abstimmen; dazu gehören der Umfang der zu übertragenden Aufgabe, der Zeitplan für die Ausführung der Aufgabe und die Übermittlung erforderlicher Informationen durch und an die ESMA. Die ESMA sollte den zuständigen Behörden für die Ausführung einer delegierten Aufgabe eine Vergütung gemäß einer von der Kommission in Form eines delegierten Rechtsakts zu erlassenden Gebührenverordnung gewähren. Die Befugnis zum Erlass von Beschlüssen über die Registrierung sollte die ESMA nicht delegieren dürfen.

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6. Teil. Marktregeln (81) Es muss sichergestellt werden, dass die zuständigen Behörden die ESMA ersuchen können, zu überprüfen, ob die Bedingungen für den Widerruf der Registrierung eines Transaktionsregisters erfüllt sind. Die ESMA sollte diese Ersuchen prüfen und gegebenenfalls zweckmäßige Maßnahmen ergreifen. (82) Die ESMA sollte Zwangsgelder verhängen können, um Transaktionsregister dazu zu zwingen, Zuwiderhandlungen zu beenden, die von der ESMA angeforderten vollständigen und richtigen Informationen zu übermitteln oder sich einer Untersuchung oder einer Prüfung vor Ort zu unterziehen. (83) Die ESMA sollte ferner Geldbußen gegen Transaktionsregister verhängen können, wenn sie feststellt, dass diese vorsätzlich oder fahrlässig gegen diese Verordnung verstoßen haben. Die Höhe der Geldbuße sollte sich nach der Schwere des Verstoßes richten. Die Verstöße sollten in verschiedene Gruppen unterteilt werden, für die spezifische Geldbußen festgesetzt werden sollten. Zur Berechnung der Geldbußen im Zusammenhang mit einem konkreten Verstoß sollte die ESMA ein zweistufiges Verfahren anwenden, das aus der Festlegung eines Grundbetrags und gegebenenfalls der Anpassung des Grundbetrags durch bestimmte Koeffizienten besteht. Der Basisbetrag sollte festgelegt werden, indem der Jahresumsatz des betreffenden Transaktionsregisters herangezogen wird, und die Anpassungen sollten so vorgenommen werden, dass der Basisbetrag durch die Anwendung der einschlägigen Koeffizienten im Einklang mit dieser Verordnung erhöht oder gesenkt wird. (84) In dieser Verordnung sollten Koeffizienten für erschwerende oder mildernde Umstände festgelegt werden, um der ESMA die erforderlichen Instrumente dafür an die Hand zu geben, dass sie eine Geldbuße verhängen kann, die im Verhältnis zu der Schwere des von einem Transaktionsregister begangenen Verstoßes steht, wobei die Umstände zu berücksichtigen sind, unter denen der Verstoß begangen wurde. (85) Bevor die ESMA beschließt, Geldbußen oder Zwangsgelder zu verhängen, sollte sie den Personen, gegen die Verfahren eingeleitet worden sind, die Gelegenheit zur Anhörung geben, um deren Verteidigungsrechte zu wahren. (86) Die ESMA sollte davon absehen, Geldbußen oder Zwangsgelder zu verhängen, wenn ein früherer Freispruch oder eine frühere Verurteilung aufgrund identischer Tatsachen oder im Wesentlichen gleichartiger Tatsachen als Ergebnis eines Strafverfahrens nach nationalem Recht Rechtskraft erlangt hat. (87) Die Beschlüsse der ESMA, mit denen Geldbußen und Zwangsgelder verhängt werden, sollten vollstreckbar sein und ihre Zwangsvollstreckung sollte nach den Vorschriften des Zivilprozessrechts des Staates erfolgen, in dessen Hoheitsgebiet sie stattfindet. Die Vorschriften des Zivilprozessrechts sollten keine Strafverfahrensvorschriften umfassen, könnten jedoch Verwaltungsverfahrensvorschriften einschließen. (88) Bei einem Verstoß eines Transaktionsregisters sollte die ESMA ermächtigt sein, eine Reihe möglicher Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen; unter anderem sollte sie das Transaktionsregister zur Beendigung des Verstoßes auffordern und in letzter Instanz den Widerruf der Registrierung veranlassen können, wenn das Transaktionsregister in schwerwiegender Weise oder wiederholt gegen diese Verordnung verstoßen hat. Bei der Anwendung der Aufsichtsmaßnahmen sollte die ESMA der Art und Schwere des Verstoßes Rechnung tragen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Bevor die ESMA Aufsichtsmaßnahmen beschließt, sollte sie den Personen, gegen die Verfahren eingeleitet worden sind, Gelegenheit zur Anhörung geben, um deren Verteidigungsrechte zu wahren. (89) Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten und die ESMA bei der Verarbeitung personenbezogener Daten das Recht natürlicher Personen auf Schutz der Privatsphäre im Einklang mit der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr248 und mit der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürli248

ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks cher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr249 schützen. (90) Es ist wichtig, die internationale Konvergenz der Anforderungen an CCPs und Transaktionsregister zu gewährleisten. Diese Verordnung folgt den bestehenden Empfehlungen des Ausschusses für Zahlungs- und Abrechnungssysteme (Committee on Payment and Settlement Systems, im Folgenden „CPSS“) und der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtskommissionen (International Organization of Securities Commissions, im Folgenden „IOSCO“) unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die CPSS-IOSCO-Grundsätze für Finanzmarktinfrastrukturen, einschließlich CCPs, am 16. April 2012 festgelegt wurden. Durch sie wird ein Unionsrahmen geschaffen, in dem die CCPs sicher agieren können. Die ESMA sollte bei der Erstellung oder bei Vorschlägen zur Überarbeitung der technischen Regulierungsstandards sowie der Leitlinien und Empfehlungen nach dieser Verordnung diesen bestehenden Standards und deren künftiger Fortentwicklung Rechnung tragen. (91) Der Kommission sollte die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Rechtsakte hinsichtlich der Liste der von dieser Verordnung ausgenommenen Einrichtungen, weiterer Verfahrensvorschriften für die Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern, einschließlich der Bestimmungen zu den Verteidigungsrechten, zu Zeitpunkten und Fristen, zur Einziehung der Geldbußen oder Zwangsgelder und zur Verjährung bezüglich der Verhängung und Vollstreckung von Bußoder Zwangsgeldzahlungen, der Maßnahmen für eine Änderung des Anhangs II entsprechend den Entwicklungen auf den Finanzmärkten, die genauere Festlegung der einzelnen Gebührenarten, Tatbestände, für die Gebühren zu entrichten sind, die Höhe der Gebühren und die Art und Weise der Gebührenentrichtung zu erlassen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt. Bei der Vorbereitung und Ausarbeitung delegierter Rechtsakte sollte die Kommission gewährleisten, dass die einschlägigen Dokumente dem Europäischen Parlament und dem Rat gleichzeitig, rechtzeitig und auf angemessene Weise übermittelt werden. (92) Um eine kohärente Harmonisierung sicherzustellen, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, die von der ESMA erarbeiteten Entwürfe für technische Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010, (EU) Nr. 1094/2010 und (EU) Nr. 1095/2010 für die Anwendung von Anhang I Abschnitt C Nummer 4 bis 10 der Richtlinie 2004/39/EG im Sinne dieser Verordnung zu erlassen sowie Folgendes festzulegen: die OTC-Derivatekontrakte, die unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkungen innerhalb der Union haben dürften, und die Fälle, in denen es notwendig oder zweckmäßig ist, die Umgehung von Vorschriften dieser Verordnung zu verhindern; die Arten indirekter vertraglicher Vereinbarungen, die den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen entsprechen; die Kategorien von OTC-Derivatekontrakten, die der Clearingpflicht unterliegen sollten, den Zeitpunkt oder die Zeitpunkte, ab dem/denen die Clearingpflicht wirksam werden soll, einschließlich einer etwaigen Einführungsphase, der Kategorien von Gegenparteien, die der Clearingpflicht unterliegen, sowie der Mindestrestlaufzeit der OTC-Derivatekontrakte, die vor dem Zeitpunkt, ab dem die Clearingpflicht gemäß dieser Verordnung wirksam wird, geschlossen oder verlängert werden; die Angaben, die in der Benachrichtigung enthalten sein müssen, die die zuständige Behörde an die ESMA übermittelt, wenn sie einer CCP die Zulassung zum Clearing einer Kategorie von OTC-Derivatekontrakten erteilt; einzelne Kategorien von OTC-Derivatekontrakten, den Grad der Standardisierung der Vertragsbedingungen und operativen Prozesse, das Volumen und die Liquidität sowie die Verfügbarkeit von fairen, zuverlässigen und allgemein akzeptierten Preisbildungsinformationen; die Angaben, die in das von der ESMA geführte Register der Kategorien von OTC-Derivatekontrakten, die unter die Clearingpflicht fallen, aufgenommen werden müssen; die Angaben und Meldungen für die verschiedenen Kategorien von Derivaten; die Kriterien, anhand deren festgestellt wird, bei welchen OTC-Derivatekontrakten sich die unmittelbar mit der Geschäftstätigkeit oder dem Liquiditäts- und Finanzmana249

ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.

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gement verbundenen Risiken objektiv messbar verringern und die Werte für die Clearingschwellen und die Vorkehrungen in Bezug auf Risikominderungsverfahren bei nicht durch eine CCP geclearten OTC-Derivatekontrakten; die Risikomanagementverfahren, einschließlich der geforderten Höhe und der Art der Sicherheiten, Abgrenzungsmaßnahmen und die notwendige Eigenkapitalausstattung; die Frage der Fragmentierung der Liquidität; Anforderungen in Bezug auf das Eigenkapital, Gewinnrücklagen und sonstige Rücklagen von CCPs; Mindestinhalt von Vorschriften und Unternehmensführungsregeln für CCPs; Einzelheiten betreffend Aufzeichnungen und Informationen, die von den CCPs aufzubewahren sind; Mindestinhalt und Mindestanforderungen in Bezug auf die Strategien von CCPs zur Fortführung des Geschäftsbetriebs und Wiederherstellungspläne für den Krisenfall; den zweckmäßigen Prozentsatz und die angemessenen Zeithorizonte für die Liquidierungsfrist und die Berechnung der historischen Volatilität, die für die verschiedenen Kategorien von Finanzinstrumenten in Frage kommen, wobei der Vermeidung prozyklischer Effekte und den Bedingungen, unter denen Einschussregelungen bei Portfolios umgesetzt werden können, Rechnung zu tragen ist; der Rahmen, innerhalb dessen extreme, aber plausible Marktbedingungen, die bei der Festlegung der Größe des Ausfallfonds und der Mittel von CCPs verwendet werden, angenommen werden können; die Methode zur Berechnung und Beibehaltung des Eigenmittelbetrags von CCPs; die verschiedenen Sicherheiten, die als hochliquide gelten können, beispielsweise Barmittel, Gold, Staatsanleihen und hochwertige Unternehmensanleihen, gedeckte Schuldverschreibungen, und die Risikoabschläge und Bedingungen, die vorliegen müssen, damit Bürgschaften von Geschäftsbanken als Sicherheit akzeptiert werden können; die Finanzinstrumente, die als hochliquide gelten können und nur mit einem minimalen Markt- und Kreditrisiko behaftet sind, sowie hoch besicherte Vereinbarungen und Konzentrationsgrenzen; die verschiedenen Stresstests, denen die CCPs die verschiedenen Kategorien von Finanzinstrumenten und Portfolios unterziehen müssen, die Einbeziehung von Clearingmitgliedern oder anderen Parteien in die Tests, die Häufigkeit und der Zeitpunkt der Tests, die wesentlichen Informationen, die die CCP über ihr Risikomanagementmodell offenlegen muss, und die bei der Durchführung der Stresstests zugrunde gelegten Annahmen; die Einzelheiten des Antrags der Transaktionsregister auf Registrierung durch die ESMA; Vorgaben für die Häufigkeit und Detailliertheit, mit der Transaktionsregister Informationen über aggregierte Positionen nach Kategorien der OTC-Derivatekontrakten offenlegen müssen; sowie die operativen Standards, die zum Aggregieren und Vergleichen der Daten für verschiedene Transaktionsregister vorgeschrieben sind. Die durch diese Verordnung eingeführten Verpflichtungen, die durch die nach den Artikeln 290 oder 291 AEUV erlassenen delegierten Rechtsakte oder Durchführungsrechtsakte weiterzuentwickeln sind, sollten erst ab dem Zeitpunkt gelten, ab dem die betreffenden Rechtsakte wirksam werden. Im Rahmen der Erarbeitung technischer Leitlinien und technischer Regulierungsstandards, insbesondere bei der Festlegung der Clearingschwelle für nichtfinanzielle Gegenparteien gemäß dieser Verordnung, sollte die ESMA öffentliche Anhörungen der Marktteilnehmer durchführen. Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung, sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren250, ausgeübt werden. Die Kommission sollte prüfen und bewerten, ob entsprechende Maßnahmen notwendig sind, um die kohärente und wirksame Anwendung und Ausarbeitung von Regelungen, Standards und Vorgehensweisen, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, sicherzustellen; dabei trägt sie den Ergebnissen der Arbeiten in den einschlägigen internationalen Foren Rechnung.

ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks (97) Angesichts der Regeln für interoperable Systeme wurde es als zweckmäßig erachtet, die Richtlinie 98/26/EG zu ändern, um die Rechte eines Systembetreibers, der einem anderen Systembetreiber eine Sicherheit leistet, bei Insolvenzverfahren gegen den die Sicherheit empfangenden Systembetreiber zu schützen. (98) Damit Clearing, Verbuchung, Abwicklung und Zahlung wirksam gewährleistet werden können, nutzen CCPs und Transaktionsregister bei der Kommunikation mit Teilnehmern und Marktinfrastrukturen, mit denen sie über Schnittstellen verbunden sind, die einschlägigen internationalen Kommunikationsprotokolle und Normen für den Datenaustausch und Referenzdaten. (99) Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich die Festlegung einheitlicher Vorschriften für OTCDerivatekontrakte sowie für die Ausübung der Tätigkeiten von CCPs und Transaktionsregistern, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und daher wegen des Umfangs der Maßnahme besser auf Unionsebene zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus –

haben folgende Verordnung erlassen:

I. Regelungsumfeld, -ziele und -entwicklung 1. Ausgangspunkt und Regelungsziele. a) OTC-Derivatehandel und Finanzkrise, Parallelregulierung zu Leerverkäufen. Wäh- 655 rend der Beitrag zur globalen Finanzkrise von Leerverkäufen – Gegenstand der frühesten primär auf Stabilitätsziele ausgelegten kapitalmarktrechtlichen EU-Verordnung – eher vage zu benennen war (oben Rn 552 f.), ist derjenige von Derivaten offensichtlich und vor allem derjenige von OTC-Derivaten (Derivaten, die „over the [bank] counter“ gehandelt, also nicht an regulären Handelsplätzen transferiert werden). Das Ausfallrisiko aus OTCDerivathandel, das sich bei AIG, dem größten US-Versicherungsunternehmen, im September 2008 realisiert hatte, lag bei 526 Mrd. $ und der deswegen nötige Bail-out251 erreichte nach Einschätzung insbesondere des US-Finanzministers ein solches Ausmaß, dass die Investmentbank Lehman Brothers nicht ebenfalls mit Steuergeldern gerettet werden konnte (bzw. aus Marktdisziplinierungsgründen nicht durfte). Die EU-Verordnung zum OTC-Derivatehandel wurde in der Tat praktisch zeitgleich 656 mit der EU-Leerverkaufs-Verordnung erlassen, wenig später in 2012,beide als die zwei kapitalmarktrechtlichen EU-Verordnungen, die sehr konkret auf ein facettenreiches Stabili251

Zunächst Bail-out im Umfang von 85 und später sogar 182,5 Mrd. $ insgesamt (Quelle: https://www.treasury.gov/connect/ blog/Pages/aig-182-billion.aspx). Zu diesen Zahlen und zum Bail-out von AIG (und parallelen Zahlen zu Lehman): Bericht der U.S. Financial Crisis Inquiry Commission vom Januar 2011, abrufbar unter http://fcic-static. law.stanford.edu/cdn_media/fcic-reports/ fcic_final_report_full.pdf, Zusammenfassung auf S. 352; Jobst ZBB 2010, 384 (384 f.); Zeitler WM 2012, 673 (676 f.); Sjostrom The AIG Bailout, 66 Washington

and Lee Law Review 943 (2009). Zentral auch die Aussage zur Entscheidung zu AIG und Lehman Brothers von U.S. Treasury Secretary Geithner vor dem Committee on Financial Services, U.S. House of Representatives am 20.4.2010, abrufbar unter http:// www.treasury.gov/press-center/press-releases/ Pages/tg645.aspx. Allgemeiner zur Rolle des OTC-Derivate-Handels bei der Entstehung der Finanzkrise Jahn BKR 2009, 25; Kounadis Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 556 (556) (sowie auch einige Monate zuvor Bear Stearns);

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tätsziel verpflichtet sind (vgl. oben Rn 552–557 und unten Rn 657–658). Während jedoch die regulatorischen Defizite im Derivate-, vor allem OTC-Derivatehandel als weitgehend offensichtlich eingeschätzt wurden (vgl. etwa 22. Erw.grund: kein Grund für breite Ausnahmen), wurde bei diesen – anders als bei den Leerverkäufen – nie an ein (Teil-)Verbot des OTC-Derivatehandels gedacht. Vielmehr ging es stets nur um eine Kanalisierung des OTCDerivatehandels. Mittel hierfür waren die (i) Meldung aller Derivatekontrakte, sowie (beschränkt auf die OTC-Derivate) die (ii) grundsätzlich verpflichtende Zwischenschaltung einer zentralen Gegenpartei (central counterparties, CCPs) und (iii) Einführung eines regulären Clearing aller im OTC-Derivatehandel transferierten Instrumente (insgesamt mit einem Regime der Unterlegung mit kongruenten Sicherheiten). Hinzu kommen Wohlverhaltensregeln gegenüber dem Kunden (Art. 36–39 EMIR), wie sie beim Leerverkauf ebenfalls nicht zu finden sind. Der Hauptunterschied zur EU-Leerverkaufs-VO freilich, der die EU-Verordnung zu OTC-Derivaten (trotz späterer Verabschiedung) als die noch grundsätzlichere erscheinen lässt, ist in der sehr umfangreichen Ausformulierung der (organisatorischen) Anforderungen zu sehen, insbesondere auch Eigenkapitalanforderungen, die an zentrale Gegenparteien gestellt werden, mit einer eingehenden Regelung ihrer Beaufsichtigung (ebenso wie in einem viel umfangreicheren Regime einer inhaltlichen Ausgestaltung und Beaufsichtigung der Transaktionsregister). Auf diesen Teilen liegt – anders als in der Leerverkaufsverordnung – vielleicht sogar das Schwergewicht (vgl. daher umfangreich auch in Teil 7 Rn 198, 200 f.).

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b) Einzelne Regulierungsziele. Bei den einzelnen Risiken aus OTC-Handel und – damit verbunden – den Regulierungszielen der EU-Verordnung zu OTC-Derivaten (nächste Rn) lassen sich vier Gruppen unterscheiden.252 An die Spitze seiner Überlegungen zu Risiken und Regelungszielen stellt der EU-Gesetzgeber das Transparenzrisiko (und -ziel). OTC-Derivate waren vor der Finanzkrise gänzlich ohne Beobachtungsmöglichkeit übertragbar, jedoch auch für sonstige Derivatekontrakte fehlte es jedenfalls an der – vor allem für das systemische Risiko zentralen – aggregierten Erfassung der Transaktionszahlen und -volumina.253 Dies war so, obwohl das weltweite Nominalvolumen den Bundeshaushalt der

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253

zum (auch im Vergleich zu den organisierten Terminmärkten) enormen Volumen der OTC-Märkte/Transaktionen etwa Statistiken bei Varis Increasing Transparency and Mitigating Systemic Risk, abrufbar unter „http://www.theseus.fi/handle/10024/110 870“ S. 24; zum umgekehrt höheren Risiko bei den OTC-Derivaten zusammenfassend Kounadis Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 556 (556 f.). Guter allgemeiner Überblick etwa bei: Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Blum Handbuch, Teil 1 A Rn 1 ff.; Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (175–179); bezogen auf zwei Kernrisiken: EBJS/König BankR Rn VIII 17 ff. und Gstädtner RdF 2012, 145 (148); Wettbewerbsverzerrungen befürchtend (bei ansonsten positiver Bewertung der Stabilitätsauswirkungen, speziell auch für Deutschland): von Hall WM 2013, 673 Vgl. 4., 7. und 9. Erw.grund; sowie Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Blum Handbuch, Teil 1 A Rn 7 ff.; Gstädtner RdF

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2012, 145 (148 f.); Funke WM 2012, 202 (206 f.); Coridaß WM 2015, 268; Köhling/ Adler WM 2012, 2125 (2126); Kounadis Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 556 (558); sowie ausf. Clements/Lemma Open Review of Management, Banking and Finance 2015 (Forthcoming), abrufbar unter „http://papers.ssrn. com/sol3/papers.cfm?abstract_id=25898 27“ unter Nr. 3, 4, 7 und 8 (insbes. zur Hinlänglichkeit der Transaktionsregister zur Erfüllung dieser Informationsfunktion und zur Angleichungsfunktion, die das Register bei nationalen Unterschieden übernimmt); häufig freilich – als gleichsam übergreifendes Risiko – nicht gesondert ausgeflaggt: vgl. etwa Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (175–179); sehr skeptisch in der Frage, ob Transparenz durch die SSR in der Tat geschaffen wurde: Varis Increasing Transparency and Mitigating Systemic Risk, abrufbar unter „http:// www.theseus.fi/handle/10024/110870“ S. 3-5, 17-20.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Bundesrepublik (von ca. 330 Mrd.) um ein Mehrfaches übersteigt und obwohl es (deutlich pauschalere) Erhebungen durch die BIZ seit 1998 durchaus gibt.254 Deswegen konnten nicht nur Aufsichtsbehörden vor allem das systemische Risiko nicht hinreichend einschätzen, sondern auch Marktteilnehmer nicht hinreichend sicher das richtige Maß an Sicherheiten von Gegenparteien einfordern. Inhaltlich unterfallen die Risiken aus Derivaten in zwei zunächst auf die Einzelparteien bezogene Risiken. Dies ist einerseits das Risiko, dass Derivate in ihren Konditionen und Wirkungen intransparent sein können, zumal beim Zusammenwirken verschiedener Derivate im jeweiligen Portfolio (operationelles Risiko),255 und andererseits das Risiko des Ausfalls der Gegenpartei (Kredit- oder Ausfallrisiko),256 das auch aus einer umfangreichen Realisierung des operationellen Risikos bei der Gegenseite resultieren kann – so tatsächlich vielfach in der Finanzkrise. Hinzu kam in der Finanzkrise vor allem das Risiko, dass sich die Risiken massenhaft realisierten und über die vielfache finanzielle Verbundenheit der Marktteilnehmer, vor allem jedoch der Finanzinstitute, breite Kreise des Kreditwesens in Liquiditäts- oder Zahlungsschwierigkeiten brachten, besonders das gegenseitige Vertrauen – und damit auch gegenseitige Geschäfte, etwa im Interbankenkreditmarkt – empfindlich störten (systemisches Risiko).257 Hierauf reagiert die Verordnung (bei funktionaler Sicht) mit – je nach Zählung – vier 658 Regelgruppen. Dies sind (i) Melderegeln für alle Derivatekontrakte von Gegenparteien und zentralen Gegenparteien (CCPs, vgl. zur Entwicklung 9. Erw.grund), zur Optimierung der damit angestrebten Transparenz verbunden mit detaillierten Regeln zu den Transaktionsregistern, sowohl zur Meldung als auch zu ihrer Ausgestaltung, Organisation und Beaufsichtigung. Daneben treten (ii) umfangreiche Regeln zur zwingenden Zwischenschaltung von CCPs einschließlich reguliertem Clearing (zur Entwicklung vgl. 9. Erw.grund), wodurch sowohl das Kredit- oder Ausfallrisiko der Gegenseite minimiert werden soll (u.a. begründet auch durch operationelle Risiken) als auch das von diesem Ausfallrisiko ausgehende Ansteckungs- oder „systemische“ Risiko.258 Hilfsweise wird die Risikominderung 254

255

256

Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) (Bank for International Settlements, BIS), mit Erhebung zu OTC-Derivatemärkten seit 1998, 2011 bzw. 2016 mit der Gesamtsumme der Nominalwerte der OTC Derivatetransaktionen in Höhe von 648 bzw. 544 Bill. US-$, vgl. http:www.bis.org/ publ/otc_hy1205.htm (2011) bzw. http:// www.bis.org/publ/otc_hy1611.pdf (2016). Vgl. 4. Erw.grund; sowie Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Blum Handbuch, Teil 1 A Rn 15 f.; Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (176–178); Schüttler DStR 2016, 2006 (2007); Zenke/Fischer EnWZ 2013, 211 (216). Zum – ebenfalls vom Ausfallrisiko zu unterscheidenden – Abwicklungsrisiko, einem Anschlussrisiko zum operationellen ieS, vgl. auch 19. Erw.grund S. 3. Vgl. 4. Erw.grund; sowie Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Blum Handbuch, Teil 1 A Rn 12 ff.; Gstädtner RdF 2012, 145 (148 f.); Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (175 f.); Decker BKR 2014, 397 (400 ff.); EBJS/König BankR VIII Rn 22 ff.

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Vgl. 4. und 7. Erw.grund; sowie Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (178 f.); Wilhelmi/ Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Blum Handbuch, Teil 1 A Rn 17 ff.; zur EMIR als VO mit Finanzstabilität als Zielsetzung auch Clements/Lemma Open Review of Management, Banking and Finance 2015 (Forthcoming), abrufbar unter „http://papers.ssrn. com/sol3/papers.cfm?abstract_id=25898 27“ unter Nr. 6. Speziell und ausf. zum Verflechtungsaspekt bei der Beurteilung des systemischen Risikos im Rahmen von EMIR Gergen jM 2015, 139; Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2126). Zentralbestandteil bereits des Grundlagenbeschlusses der G20, vgl. 5. Erw.grund. Zu dieser auf die Stabilität einzelner Marktteilnehmer, vor allem jedoch auf systemische Risiken bezogenen Rolle der CCPs näher Clements/Lemma Open Review of Management, Banking and Finance 2015 (Forthcoming), abrufbar unter „http://papers.ssrn.com/ sol3/papers.cfm?abstract_id=2589827“ unter Nr. 2; Dwyer/Tredgett 9 Capital Markets Law Journal 342 (342 f.) (2014) (unter Hin-

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6. Teil. Marktregeln

den Gegenparteien selbst aufgegeben (Art. 11 EMIR). Beide Ziele, vor allem jedoch das zuletzt genannte, setzen voraus, dass (iii) gerade CCPs selbst einem stringenten Aufsichtsregime mit umfangreichen organisatorischen Anforderungen – auch an ihre Eigenkapitalausstattung – unterworfen werden, um möglichst wirksam als „financial backstop“ zu fungieren.259 Das operationelle Risiko – und das daraus resultierende Ausfallrisiko und das mit diesem ebenfalls verbundene systemische Risiko – unterscheiden sich freilich von Derivatekontrakt zu Derivatekontrakt, aber auch von Art der Gegenpartei zu Art der Gegenpartei erheblich. Deswegen werden nicht nur eine Zwischenschaltung und ein reguläres Clearing je nach Art von Derivatekontrakten und Gegenparteien unterschiedlich weitgehend vorgeschrieben, sondern es wird (iv) sehr umfangreich ESMA aufgegeben, Marktentwicklungen zu beobachten und auf neue Erkenntnisse mit Anpassungsvorschlägen für das Regelwerk bzw. die Einzelmaßnahmen zu reagieren (situative Fortentwicklung von Regelwerk und Anwendung, etwa Art. 81 Abs. 5 EMIR).260 Hingegen scheint mir ein letztes Regulierungsziel, auf das der EU-Gesetzgeber hinweist – die Zurückdrängung von Marktmissbrauch (7. Erw.grund) – allenfalls sekundär;261 in der Tat fungiert auch das EMIR-Transparenzregime (wie das beim Leerverkauf) als Vorfeldregulierung auch gegenüber Marktmissbrauch (vgl. bereits Rn 557). 2. Regelungsentwicklung

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a) Internationaler Hintergrund. Angesichts der prominenten Rolle, die OTC-Derivate als einer der zentralen unmittelbaren Auslöser der Finanzkrise spielten, verwundert es wenig, dass das OTC-Derivate-Regime mit Eckpunkten bereits Gegenstand eines Rahmenbeschlusses auf dem G20-Gipfel in Pittsburgh am 26.9.2009 und in Toronto im Juni 2010 wurde (5. Erw.grund).262 Ersterer wurde durch zwei Mitteilungen der EU-Kommission

259

weis darauf, dass an die Stelle dieses Risikos freilich zwangsläufig ein Ausfallrisiko der CCPs tritt, also das Risiko nur kanalisiert wird); Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2132); Habersack/Ehrl ZfpW 2015, 312 (313 ff.); Gergen jM 2015, 139; zum “toobig-to-fail”-Risiko der CCPs dann: Kounadis Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 556 (562, 564) (mit Gegenmaßnahmen). Die klassische Aufzählung unterscheidet – (allein) Titel II der Verordnung folgend und die dort niedergelegten Pflichten gleichrangig berücksichtigend – nach (i) Melde-, (ii) Clearing- und (iii) Risikominderungspflichten: etwa Kounadis Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 556 (560 f.; dann im einzelnen 560 f., 562–566 und 566 ff.); wie hier zwei Hauptregime im Transaktionsverhältnis unterscheidend (jedoch ebenfalls die Organisationspflichten vernachlässigend): Clements/ Lemma Open Review of Management, Banking and Finance 2015 (Forthcoming), abrufbar unter „http://papers.ssrn.com/sol3/pa pers.cfm?abstract_id=2589827“ unter Nr. 4. Zum Bezug der organisatorischen Anforderungen vor allem auf Marktstabilisierung

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und auf backstop-Funktion näher Funke/ Neubauer CCZ 2012, 6 (10 f.); Funke WM 2012, 202 (206 f.); Gergen jM 2015, 139 (143); allerdings keine Anforderungen an Rechtsform und Genehmigungserfordernisse: Funke/Neubauer CCZ 2012, 6 (7); Skepsis etwa bei Jaskulka BKR 2012, 441. Vgl. ESMA70–151–370 und 3., 16., 17. und 21. Erw.grund; idR nicht als von den anderen zu unterscheidendes Ziel genannt, für die Feinjustierung jedoch zentral wichtig. Ausf. zum Zusammenhang von EMIR mit den primär auf den Marktmissbrauch zugeschnittenen Regeln in MAD II, MAR und auch MiFID II: Salewski GWR 2012, 265. G20 Leaders’ Statement – The Pittsburgh Summit, 24./25.9.2009, S. 9 (Ziffer 13), abrufbar unter https://www.bundes regierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/ Breg/G7G20/Anlagen/G20-erklaerungpittsburgh-2009-en.pdf?__blob=publication File&v=3; und G-20 Toronto Summit Declaration, 26./27.6.2010, S. 7 (Ziffer 19) und Annex II S. 7 f. (Ziffern 24 ff.), abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/ Content/DE/StatischeSeiten/Breg/G7G20/ Anlagen/G20-erklaerung-toronto-en.pdf?__

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

vom 3.7.2009 und 20.10.2009 zur Gewährleistung „effizienter, sicherer und solider Derivatemärkte“ vor- und nachbereitet, Analyse und Vorschlag politischer Maßnahmen263 – diese wiederum gestützt auf den sog. Larosière-Bericht, der die Notwendigkeit und Perspektiven einer besseren Stabilität des Finanzsystems und der hierfür nötigen Regulierung in Antwort auf die globale Finanzkrise zum Gegenstand hatte.264 Anders als das Leerverkaufsregime war die Regelung auch nicht (auch) auf Harmonisierung vielfach bereits ergriffener nationaler Regelungsmaßnahmen ausgelegt, sondern von Beginn an wurde ausschließlich auf ein EU-Regime gesetzt (auch um das Entstehen divergierender Regulierung von vorneherein zu verhindern, 14. Erw.grund). Auch in den USA zählen die Regeln zum OTC-Derivatehandel im Dodd-Frank-Act (wie auch vergleichbar in anderen Ländern) zu den wichtigsten Regulierungsschritten in der Folge der Finanzkrise.265 b) EU-Verordnung zum OTC-Derivatehandel, zentralen Gegenparteien und Transak- 660 tionsregistern („EMIR“) – mit Ausführungsrechtsakten und Parallelregimen. In den zwei Jahren zwischen dem G20-Gipfel in Toronto – mit konkreten Regulierungsaufträgen an die G20-Staaten – und der Verabschiedung wurde, nachdem die EU-Kommission ihre beiden Vorschläge am 15.09.2010 bzw. 20.10.2011 vorgelegt hatte,266 vor allem über das

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blob=publicationFile&v=3; vgl dazu Aron/ Lalone/Jackson 14 Journal of Investment Compliance 57 (57) (2/2013); Kounadis Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 556 (558); Griffith 98 Minn. L. Rev. 2014, 1291 (1309 f.); Coffee 99 Cornell L. Rev. 2013, 1259 (1273); Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (180), Funke WM 2012, 202 (205); Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2126). Vgl. auch 2. Erw.grund; sowie schon 2005 zwischen EU- und US-Banken einsetzenden Anstrengungen für eine bessere Risikovorsorge bei OTC-Derivaten: Glass The regulatory drive towards central counterparty clearing of OTC credit derivatives and the necessary limits, Capital Markets Law Journal 2009, 579; auch die Darstellung der Federal Reserve, abrufbar unter https://www.newyorkfed.org/markets/ otc_derivatives_supervisors_group.html. http://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/ ALL/?uri=CELEX%3A52009DC0332; und http://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/ TXT/?uri=CELEX%3A52009DC0563. Vgl. auch 2. Erw.grund und Philipp EuZW 2010, 566. Report on financial supervision in the EU (De Larosière report) vom März 2009, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_ market/finances/docs/de_larosiere_report_ en.pdf, bes. S. 9 ff. und 25 ff. (Empfehlung Nr. 8 und 9); Buttigieg 21 Colum. J. Eur. L. 2014, 411 (insbes. 423 ff. u. 438 f.); Ferrarini/Saguato 13 Journal of Corporate Law Studies 2013, 319 (328 f.). Vgl. auch 1. Erw.grund.

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Vgl. Titel VII des Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, Publ. L. 111–203, 124 Stat. 1376; speziell für die transatlantische Perspektive: Buonanno 14 Journal of Transatlantic Studies 1 (2016); und aus US-amerikanischer Perspektive etwa Coffee 99 Cornell L. Rev. 1259 (2013); zum Vergleich Varis Increasing Transparency and Mitigating Systemic Risk: Is Europe Playing Catch-up with the United States?: EMIR/MiFID II Versus Dodd-Frank, 2016, http://www.theseus.fi/handle/10024/ 110870; für eine stärkere Koordinierung plädierend White 78 Law and Contemporary Problems 301 (2015); sonstige rechtsvergleichende Überblicke bei Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt HandbuchTeil 9 (Australien, Japan, Schweiz und USA) und Coridaß WM 2015, 268 im Verhältnis zur Schweiz. Vgl. auch 6.–8. Erw.grund sowie KOM(2010) 484 S. 3. Europäische Kommission Vorschlag vom 15.09.2010 für eine Verordnung über OTCDerivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, KOM(2010) 484 endg. und Vorschlag 20.10.2011 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung [EMIR] über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, KOM(2011) 652 endg.; dazu etwa Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2126); Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (190).

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6. Teil. Marktregeln

Maß an Kompetenzen für die ESMA (bes. Fragen des Zulassungsentzugs), die (vorübergehende) Freistellung von Altersversorgungssystemen und die Gleichwertigkeitsvoraussetzung für eine Zulassung von CCPs aus Drittstaaten diskutiert.267 661 Verabschiedet wurde die Verordnung dann am 4.7.2012, in Kraft getreten ist sie am 16.8.2012 (Art. 91 EMIR, Amtsblatt vom 27.7.2012). Dabei wurde freilich nicht nur Altersversorgungssystemen ein grds. dreijähriger Aufschub gewährt (Art 89 Abs. 1 und 2 EMIR), sondern die Anwendbarkeit praktisch aller Regeln von der vollständigen Verabschiedung der Durchführungsrechtsakte abhängig gemacht (vgl. näher Art. 89 Abs. 3–9 EMIR, vgl. unten 7. Teil Rn 199; zu den Durchführungsrechtsakten nächste Rn). Der üblicherweise für die EU-Verordnung verwandte Name European Market Infrastructure Regulation (EMIR) ging zwar weder in den Titel noch den Text der verabschiedeten Fassung ein, findet sich jedoch bereits vielfach in den Vorschlägen. Ein Kernelement der „Market Infrastructure“ regelt die Verordnung mit der zwingenden Zwischenschaltung (Clearing) von, vor allem jedoch den Anforderungen an CCPs in der Tat. Freilich tritt daneben mit den Regeln zu den Handelsplätzen in der MiFID (I und II) sowie MIFIR ein zweiter – vielleicht sogar noch allgemeiner bedeutsamer – Pfeiler der Marktinfrastruktur (zu diesem Regelregime ausf. 7. Teil Rn 141 ff., dort ja auch zur Organisation der CCPs, Rn 200 f.). Die Ausführungen zum in verschiedener Hinsicht wegweisenden Charakter der EU-Leerverkaufs-Verordnung (als des Auftakts einer neuen Phase des Europäischen Kapitalmarktrechts, oben Rn 561), doch auch diejenigen zum Streit um die Rechtsgrundlage (oben Rn 562) gelten für die EMIR entsprechend. Denn auch diese Verordnung wurde – trotz der erheblichen Bedeutung organisatorischer Anforderungen – nicht auf Art. 53 AEUV gestützt, sondern auf Art. 114 AEUV (vgl. ausdrücklich Erklärung unter 3.1. des [geänderten] Vorschlags vom 20.11.2011). In der Tat sind der ESMA auch in der EMIR nicht nur umfangreiche Befugnisse bei der Durchführungsgesetzgebung eingeräumt, sondern auch Einzeleingriffsbefugnisse (etwa Art. 56–68, 71–73 und 74, 77, 82–88. Erw.grund), wenn auch wohl weniger weitreichend als in der EU-Leerverkaufs-VO. 662 Die Durchführungsgesetzgebung, die nicht nur die Vorgaben der EMIR spezifiziert, sondern nach dem Gesagten auch den Kernbestand derselben überhaupt erst zur Anwendung brachte, erging in ihrem Kern einheitlich am 19.12.2012 (gefolgt von für die Anwendbarkeit nicht mehr maßgeblichen weiteren Rechtsakten in der ersten Hälfte 2013 und später). Als die zentralen Verordnungen zu den inhaltlichen Pflichten bezogen auf die Transaktionen ergingen einerseits die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 149/2013 zu Clearing (auch bei nichtfinanziellen Gegenparteien), diskriminierungsfreiem Zugang und Risikominimierung (also Art. 4–11 EMIR, außer Art. 9)168 und andererseits (zu Art. 9 EMIR) 267

Vgl. http://www.europarl.europa.eu/news/ de/press-room/20120329IPR42137/handelmit-derivaten-wird-rigoros-geregelt; http://www.cep.eu/fileadmin/user_upload/ cep.eu/cepMonitor/KOM_2010_484_Deri vate/CEP-Monitor_Derivate.pdf; https:// www.lbbw-markets.de/cmp-portalWAR/ ShowContentServlet?nodePath=%2FMar kets+Repository%2Fcmp%2Fde%2FWei tereDienstleistungen%2FDokumente%2 FCCP%2FAktuelle+Informationen%2 FEMIR+Verordnung+im+Fokus+-+LBBW +Clearing+Service//datei&noTracking= true&_pageLabel=P20200232181338360 369242&lang=de; http://www.europarl.eu

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ropa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?refe rence=2010/0250(COD)&l=en Delegierte Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für indirekte Clearingvereinbarungen, die Clearingpflicht, das öffentliche Register, den Zugang zu einem Handelsplatz, nichtfinanzielle Gegenparteien und Risikominderungstechniken für nicht durch eine CCP geclearte OTC-Derivatekontrakte, ABl.EU 2013 L 52/11; Delegierte Verordnung (EU) 2015/2205 der

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Durchführungsverordnungen (EU) Nr. 1247/2012 und 148/2013 zu den Meldepflichten.269 Parallel (d.h. ebenfalls am 19.12.2012) ergingen insgesamt fünf Durchführungsverordnungen bezogen auf die inhaltlichen Anforderungen an Transaktionsregister270 und CCPs271 (dazu 7. Teil Rn 198 und 200 f.) – im ersten Halbjahr 2013 und teils später dann ergänzt für die Transaktionsregister durch Durchführungsverordnungen zu Gebühren und Sanktionen der ESMA272 und für die CCPs durch eine Durchführungsverordnung

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Kommission vom 6. August 2015 zur Ergänzung der Verordnung(EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Clearingpflicht, ABl.EU 2015 L 314/13. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1247/2012 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards im Hinblick auf das Format und die Häufigkeit von Transaktionsmeldungen an Transaktionsregister gemäß der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, ABl.EU 2012 L 352/20; Delegierte Verordnung (EU) Nr. 148/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister bezüglich technischer Regulierungsstandards für die Mindestangaben der Meldungen an Transaktionsregister, ABl.EU 2013 L 52/1. Außerdem zu den Aufbewahrungspflichten (für Meldeunterlagen) nach Art. 9 Abs. 2 EMIR: Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1249/2012 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards im Hinblick auf das Format der gemäß der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTCDerivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister von zentralen Gegenparteien aufzubewahrenden Aufzeichnungen, ABl.EU 2012 L 352/32. Betreffend die Anmeldung zur Zulassung sowie die Aufbereitung der gemeldeten Daten: Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1248/2012 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für das Format von Anträgen auf Registrierung von Transaktionsregistern gemäß der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister,

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ABl.EU 2012 L 352/30; Delegierte Verordnung (EU) Nr. 150/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTCDerivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister durch technische Regulierungsstandards, in denen die Einzelheiten eines Antrags auf Registrierung als Transaktionsregister festgelegt werden, ABl.EU 2013 L 52/25; Delegierte Verordnung (EU) Nr. 151/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die von Transaktionsregistern zu veröffentlichenden und zugänglich zu machenden Daten sowie operationelle Standards für die Zusammenstellung und den Vergleich von Daten sowie den Datenzugang, ABl.EU 2013 L 52/33. Betreffend Eigenkapitalanforderungen und sonstige Anforderungen: Delegierte Verordnung (EU) Nr. 152/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Eigenkapitalanforderungen an zentrale Gegenparteien, ABl.EU 2013 L 52/37; Delegierte Verordnung (EU) Nr. 153/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf technische Regulierungsstandards für Anforderungen an zentrale Gegenparteien, ABl.EU 2013 L 52/41. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1003/2013 der Kommission vom 12. Juli 2013 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Gebühren, die den Transaktionsregistern von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde in Rechnung gestellt werden, ABl.EU 2013 L 279/4; Delegierte Verordnung (EU) Nr. 667/2014

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6. Teil. Marktregeln

zu Kollegien für CCPs.273 Die sonstigen Durchführungsverordnungen (aus der Folgezeit) betreffen Spezifikationen zum Anwendungsbereich, in internationalen Kontexten274 bzw. für Ausnahmebereiche.275 Hinzu kommt schließlich (in 2015) eine Verlängerung der Ausnahme für Altersversorgungssysteme nach Art. 91 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 2 Nr. 10 EMIR276 (vgl. oben Rn 660 und unten Rn 664). 663 Beide Vorschläge von 2010 und 2011 zum Erlass der EMIR belegen – schon von Titel und gemeinsamer Gesetzgebungsgeschichte her – die enge Verknüpfung mit MiFID II/MiFIR sowie auch mit CRD IV/CRR. MiFID II/MIFIR sind nicht nur auf alle Derivate ebenfalls anwendbar (Finanzinstrumente iSv Art. 4 Nr. 15 MiFID II (vgl. oben Rn 568), also namentlich hinsichtlich der individuellen Wohlverhaltenspflichten der Intermediäre gegenüber Kunden beim Vertrieb von Derivaten (Aufklärung und Beratungsvertrag), sondern insbesondere auch hinsichtlich der organisierten Handelsplätze, soweit Derivate dort gehandelt und übertragen werden und nicht „over the counter“ (OTC), und dieser Handel den Regeln von MiFID II/MIFIR unterliegt (und nicht Art. 4–8, 10–11 EMIR), insbesondere den Regeln der Art. 28, 29 MiFIR zur Pflicht bestimmter Marktteilnehmer, Derivate (nur) auf geregelten Märkten oder in multilateralen oder alternativen Handelssystemen zu handeln und zum dortigen Clearing und zur Ausführung in kürzesten Fristen (vgl. dazu noch unten Rn 703 sowie Teil 7 Rn 181–183).277 Die Verknüpfung mit CRD IV/CRR ergibt sich aus den Aufsichts-, vor allem Eigenkapitalregeln, denen Kreditinstitute und Wertpapierfirmen speziell für Derivatekontrakte – gerade auch OTC-Derivatekontrakte – unterliegen (vgl. Art. 92 Abs. 3 lit. d) iVm Titel IV und Art. 94 Abs. 2 lit. a) CRR und Erw.gründe 81–83).278

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der Kommission vom 13. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf Verfahrensvorschriften für von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) Transaktionsregistern auferlegte Sanktionen, einschließlich Vorschriften über das Verteidigungsrecht und Fristen, ABl.EU 2014 L 179/31. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 876/2013 der Kommission vom 28. Mai 2013 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards bezüglich Kollegien für zentrale Gegenparteien, ABl.EU 2013 L 244/19. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 285/2014 der Kommission vom 13. Februar 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/ 2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards in Bezug auf unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkungen von Kontrakten innerhalb der Union und die Verhinderung der Umgehung von Vorschriften und Pflichten, ABl.EU 2014 L 85/1. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1002/2013 der Kommission vom 12. Juli 2013 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates

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über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister in Bezug auf die Liste der von ihrem Anwendungsbereich ausgenommenen Stellen, ABl.EU 2013 L 279/2. Delegierte Verordnung (EU) 2015/1515 der Kommission vom 5. Juni 2015 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Verlängerung der Übergangszeiträume für Altersversorgungssysteme, ABl.EU 2015 L 239/63; Verlängerung der Ausnahme von der Clearingpflicht bis 16.8.2017; sowie nochmals bis zum 16.8.2018 durch Art. 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/610 der Kommission vom 20. Dezember 2016 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Verlängerung der Übergangszeiträume für Altersversorgungssysteme; ABl.EU 2017 L 86/3. Zur Verknüpfung beider Rechtsakte/Regelungskonvolute etwa Gstädtner RdF 2012, 145; Funke/Neubauer CCZ 2012, 6 (7); auch Salewski GWR 2012, 265 und Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 576. Zur Verknüpfung beider Rechtsakte/Regelungskonvolute ebenfalls Gstädtner RdF 2012, 145 (147).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Auf der Grundlage des Berichts zur EMIR vom November 2016279 verabschiedete die 664 EU-Kommission zunächst im Mai 2017 und anschließend im Juni 2017 jeweils einen Vorschlag zur Reform der EMIR.280 Diese lässt zwar den Kern der Regelung unberührt, soll jedoch durch Vereinfachung gewisser Regeln Belastungen und Kosten abbauen. Das Transparenzregime betreffend sollen namentlich Meldepflichten bei Derivaten zwischen finanziellen und nichtfinanziellen Gegenparteien nur noch Erstere treffen, Transaktionsregister die Vollständigkeit der Meldungen prüfen und verbürgen, zugleich auch Marktteilnehmern den Wechsel von einem Transaktionsregister zum anderen erleichtern. Die Clearingpflicht soll nichtfinanzielle Gegenparteien nur noch hinsichtlich des die Schwelle übersteigenden Teils treffen, und für kleine finanzielle Gegenparteien sollen die Eigenkapitalanforderungen gelockert, für Pensionsfonds die Ausnahme um (nochmals) drei Jahre verlängert werden (vgl. bereits oben Rn 660). Weitere vorgeschlagene Änderungen betreffen eine Pflicht der CCPs, ihren Mitgliedern die Modelle für die Sicherheitenberechnungen frühzeitig an die Hand zu geben, und Aufsichtserleichterungen, vor allem im Verhältnis zu Drittstaaten. c) Fragen der Einbettung ins nationale Recht (und Verweis auf Straf- und Zivilrecht). 665 Umgesetzt wurde die EMIR durch das EMIR-Ausführungsgesetz vom 13.2.2013,281 das vor allem die BaFin als die zuständige Behörde festlegte (§ 18, heute § 30 WpHG), ansonsten Näheres zu den Befugnisnormen, zu den Meldungen nichtfinanzieller Gegenparteien (unten Rn 720–725) und zu Prüfungen regelte, sowie Ordnungswidrigkeitsregeln zum OTC-Derivatehandel im WpHG verankerte (§§ 18–20, 39, heute §§ 30–32, 120 WpHG n. F.), darüber hinaus eine Übergangsregel (§ 48 WpHG, die heute weggefallen ist. Vor allem jedoch spezifiziert das Gesetz die organisatorischen Anforderungen an zentrale Gegenparteien (§§ 53e ff. KWG, dazu unten 7. Teil Rn 200 f.). Der wohl wichtigste dem nationalen Recht (weitgehend) überlassene Bereich, das Sanktionenregime – zivil-, straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlicher Art – ist in Art. 12 EMIR gesondert – wenn auch nur rahmenhaft – angesprochen (vgl. daher unten Rn 741–744).

II. Gegenstand, Anwendungsbereich und Kernbegriffe (Art. 1–3)

666

Titel I Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen Artikel 1 Gegenstand und Anwendungsbereich (1) In dieser Verordnung werden Clearing- und bilaterale Risikomanagementvorschriften für außerbörsliche (over-the-counter („OTC“)) Derivatekontrakte, Meldepflichten für Derivatekontrakte sowie einheitliche Vorschriften für die Ausübung der Tätigkeiten von zentralen Gegenparteien (central counterparties – im Folgenden „CCPs“) und Transaktionsregistern festgelegt. (2) Diese Verordnung gilt für CCPs und deren Clearingmitglieder, finanzielle Gegenparteien und Transaktionsregister. Für nichtfinanzielle Gegenparteien und Handelsplätze gilt sie, soweit dies vorgesehen ist.

279

Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat gemäß Artikel 85 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, KOM(2016) 857 endg. – COM(2016) 857 final.

280 281

Vgl. COM(2017) 208 final sowie COM(2017) 331 final. Ausführungsgesetz zur Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR-Ausführungsgesetz), BGBl. 2013 I, S. 174; hierzu Fuchs/Teuber WpHG § 18 Rn 21.

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6. Teil. Marktregeln (3) Titel V dieser Verordnung gilt nur für übertragbare Wertpapiere und Geldmarktinstrumente im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 18 Buchstaben a und b sowie Artikel 4 Absatz 1 Nummer 19 der Richtlinie 2004/39/EG. (4) Diese Verordnung gilt nicht für a) die Mitglieder des ESZB und andere Stellen der Mitgliedstaaten mit ähnlichen Aufgaben sowie sonstige Stellen der Union, die für die staatliche Schuldenverwaltung zuständig oder daran beteiligt sind; b) die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. c) die Zentralbanken und die öffentlichen Stellen, die für die staatliche Schuldenverwaltung in folgenden Ländern zuständig oder daran beteiligt sind: i) Japan; v) Hongkong; ii) Vereinigte Staaten von Amerika; vi) Mexiko; iii) Australien; vii) Singapur; iv) Kanada; viii) Schweiz. 5) Mit Ausnahme der Meldepflicht gemäß Artikel 9 gilt diese Verordnung nicht für die folgenden Einrichtungen: a) die in Anhang VI Teil 1 Abschnitt 4.2 der Richtlinie 2006/48/EG aufgeführten multilateralen Entwicklungsbanken; b) öffentliche Stellen im Sinne des Artikels 4 Nummer 18 der Richtlinie 2006/48/EG, soweit sie sich im Besitz von Zentralstaaten befinden und für sie eine einer ausdrücklichen Garantie gleichstehende Haftung seitens des jeweiligen Zentralstaats gilt; c) die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität und den Europäischen Stabilitätsmechanismus. (6) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 82 in Bezug auf die Änderung der Liste in Absatz 4 dieses Artikels delegierte Rechtsakte zu erlassen. Dazu legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 17. November 2012 einen Bericht vor, in dem beurteilt wird, wie öffentliche Einrichtungen, die für die staatliche Schuldenverwaltung zuständig oder daran beteiligt sind, und Zentralbanken international behandelt werden. Der Bericht umfasst eine vergleichende Untersuchung über die Behandlung dieser Stellen und von Zentralbanken innerhalb des Rechtsrahmens einer wesentlichen Anzahl von Drittstaaten, darunter mindestens die drei wichtigsten Rechtsordnungen hinsichtlich des Volumens der gehandelten Kontrakte und der Risikomanagementstandards, die für die von diesen Stellen und den Zentralbanken dieser Rechtsordnungen abgeschlossenen Derivategeschäfte gelten. Wenn dieser Bericht zu dem Schluss kommt – vor allem angesichts der vergleichenden Analyse –, dass es notwendig ist, die Zentralbanken dieser Drittstaaten im Hinblick auf ihre währungspolitischen Verpflichtungen von der Clearing- und der Meldepflicht zu entbinden, so nimmt die Kommission diese Einrichtungen in die Liste in Absatz 4 auf. Artikel 2 Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck: 1. „CCP“ eine juristische Person, die zwischen die Gegenparteien der auf einem oder mehreren Märkten gehandelten Kontrakte tritt und somit als Käufer für jeden Verkäufer bzw. als Verkäufer für jeden Käufer fungiert; 2. „Transaktionsregister“ eine juristische Person, die die Aufzeichnungen zu Derivaten zentral sammelt und verwahrt; 3. „Clearing“ den Prozess der Erstellung von Positionen, darunter die Berechnung von Nettoverbindlichkeiten, und die Gewährleistung, dass zur Absicherung des aus diesen Positionen erwachsenden Risikos Finanzinstrumente, Bargeld oder beides zur Verfügung stehen; 4. „Handelsplatz“ ein System, das von einer Wertpapierfirma oder einem Marktbetreiber im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 bzw. Nummer 13 der Richtlinie 2004/39/EG, ausgenommen systematische Internalisierer im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 7 der genannten Richtlinie, betrieben wird, in dem die Interessen am Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten so zusammengeführt werden, dass sie in Geschäfte gemäß Titel II oder III jener Richtlinie münden;

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks 5. „Derivat“ oder „Derivatekontrakt“ eines der in Anhang I Abschnitt C Nummern 4 bis 10 der Richtlinie 2004/39/EG, durchgeführt durch die Artikel 38 und 39 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006, genannten Finanzinstrumente; 6. „Derivatekategorie“ eine Untergruppe von Derivaten, denen allgemeine und wesentliche Eigenschaften gemeinsam sind, darunter mindestens das Verhältnis zu dem zugrundeliegenden Vermögenswert, die Art des zugrundeliegenden Vermögenswertes und die Währung des Nominalwerts. Derivate derselben Kategorie können unterschiedliche Fälligkeiten haben; 7. „OTC-Derivate“ oder „OTC-Derivatekontrakte“ Derivatekontrakte, deren Ausführung nicht an einem geregelten Markt im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 14 der Richtlinie 2004/ 39/EG oder an einem Markt eines Drittstaats erfolgt, der gemäß Artikel 2a dieser Verordnung als einem geregelten Markt gleichwertig angesehen wird; 8. „finanzielle Gegenpartei“ gemäß der Richtlinie 2004/39/EG zugelassene Wertpapierfirmen, gemäß der Richtlinie 2006/48/EG zugelassene Kreditinstitute, gemäß der Richtlinie 73/239/ EWG zugelassene Versicherungsunternehmen, gemäß der Richtlinie 2002/83/EG zugelassene Versicherungsunternehmen, gemäß der Richtlinie 2005/68/EG zugelassene Rückversicherungsunternehmen, gemäß der Richtlinie 2009/65/EG zugelassene OGAW und gegebenenfalls deren gemäß jener Richtlinie zugelassenen Verwaltungsgesellschaften, Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Artikels 6 Buchstabe a der Richtlinie 2003/41/ EG und alternative Investmentfonds, die von gemäß der Richtlinie 2011/61/EU zugelassenen oder eingetragenen Verwaltern alternativer Investmentfonds (AIFM) verwaltet werden; 9. „nichtfinanzielle Gegenpartei“ ein in der Union niedergelassenes Unternehmen, das nicht zu den in den Nummern 1 und 8 genannten Einrichtungen gehört; 10. „Altersversorgungssystem“ a) Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Artikels 6 Buchstabe a der Richtlinie 2003/41/EG, einschließlich der zugelassenen Stellen nach Artikel 2 Absatz 1 jener Richtlinie, die für die Verwaltung solcher Einrichtungen verantwortlich und in ihrem Namen tätig sind, sowie die juristischen Personen, die für die Anlagezwecke solcher Einrichtungen gegründet werden und ausschließlich in deren Interesse handeln; b) Geschäfte der betrieblichen Altersversorgung von Einrichtungen gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2003/41/EG; c) unter die Richtlinie 2002/83/EG fallende Geschäfte der betrieblichen Altersversorgung von Lebensversicherungsunternehmen, sofern für alle dem jeweiligen Geschäft entsprechenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten ein separater Abrechnungsverband eingerichtet wird und sie ohne die Möglichkeit einer Übertragung getrennt von den anderen Tätigkeiten des jeweiligen Versicherungsunternehmens verwaltet und organisiert werden; d) sonstige zugelassene und beaufsichtigte Einrichtungen oder Systeme, die auf nationaler Ebene tätig sind, sofern i) sie nach innerstaatlichem Recht anerkannt sind und ii) ihr primärer Zweck in der Bereitstellung von Altersversorgungsleistungen besteht. 11. „Gegenparteiausfallrisiko“ das Risiko des Ausfalls der Gegenpartei eines Geschäfts vor der abschließenden Abwicklung der mit diesem Geschäft verbundenen Zahlungen; 12. „Interoperabilitätsvereinbarung“ eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehr CCPs über die systemübergreifende Ausführung von Transaktionen; 13. „zuständige Behörde“ die zuständige Behörde im Sinne der Rechtsvorschriften, die in Nummer 8 dieses Artikels genannt werden, die zuständige Behörde gemäß Artikel 10 Absatz 5 oder die Behörde, die von jedem Mitgliedstaat gemäß Artikel 22 benannt wird; 14. „Clearingmitglied“ ein Unternehmen, das an einer CCP teilnimmt und für die Erfüllung der aus dieser Teilnahme erwachsenden finanziellen Verpflichtungen haftet; 15. „Kunde“ ein Unternehmen, das eine Vertragsbeziehung mit einem Clearingmitglied einer CCP unterhält, die es diesem Unternehmen ermöglicht, seine Transaktionen durch diese CCP zu clearen; 16. „Gruppe“ die aus einem Mutterunternehmen und dessen Tochterunternehmen bestehende Gruppe von Unternehmen im Sinne der Artikel 1 und 2 der Richtlinie 83/349/EWG oder die Gruppe von Unternehmen gemäß Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 80 Absätze 7 und 8 der Richtlinie 2006/48/EG; 17. „Finanzinstitut“ ein Unternehmen, das kein Kreditinstitut ist und dessen Haupttätigkeit darin

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6. Teil. Marktregeln besteht, Beteiligungen zu erwerben oder eines oder mehrere der Geschäfte zu betreiben, die in Anhang I Nummern 2 bis 12 der Richtlinie 2006/48/EG aufgeführt sind; 18. „Finanzholdinggesellschaft“ ein Finanzinstitut, dessen Tochterunternehmen ausschließlich oder hauptsächlich Kreditinstitute oder andere Finanzinstitute sind, wobei mindestens eines dieser Tochterunternehmen ein Kreditinstitut ist, und das keine gemischte Finanzholdinggesellschaft im Sinne des Artikels 2 Absatz 15 der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats282 ist; 19. „Anbieter von Nebendienstleistungen“ ein Unternehmen, dessen Haupttätigkeit im Besitz oder der Verwaltung von Immobilien, in der Verwaltung von Datenverarbeitungsdiensten oder einer ähnlichen Tätigkeiten besteht, die im Verhältnis zur Haupttätigkeit eines oder mehrerer Kreditinstitute den Charakter einer Nebentätigkeit hat; 20. „qualifizierte Beteiligung“ das direkte oder indirekte Halten von mindestens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte einer CCP oder eines Transaktionsregisters nach den Artikeln 9 und 10 der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind283 unter Berücksichtigung der Voraussetzungen für das Zusammenrechnen der Beteiligungen nach Artikel 12 Absätze 4 und 5 jener Richtlinie oder die Möglichkeit der Ausübung eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung der CCP oder des Transaktionsregisters, an dem diese Beteiligung gehalten wird; 21. „Mutterunternehmen“ ein Mutterunternehmen im Sinne von Artikel 1 und 2 der Richtlinie 83/349/EWG; 22. „Tochterunternehmen“ ein Tochterunternehmen im Sinne von Artikel 1 und 2 der Richtlinie 83/349/EWG, einschließlich aller Tochterunternehmen eines Tochterunternehmens des an der Spitze stehenden Mutterunternehmens; 23. „Kontrolle“ die Verbindung zwischen einem Mutterunternehmen und einem Tochterunternehmen im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 83/349/EWG; 24. „enge Verbindung“ eine Situation, in der zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen verbunden sind durch a) Beteiligung, d.h. das direkte Halten oder die Kontrolle von mindestens 20 % der Stimmrechte oder des Kapitals an einem Unternehmen, oder b) Kontrolle oder ein ähnliches Verhältnis zwischen einer natürlichen oder juristischen Person und einem Unternehmen oder Tochterunternehmen eines Tochterunternehmens; jedes Tochterunternehmen eines Tochterunternehmens wird ebenfalls als Tochterunternehmen des Mutterunternehmens angesehen, das an der Spitze dieser Unternehmen steht. Eine Situation, in der zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen mit ein und derselben Person durch ein Kontrollverhältnis dauerhaft verbunden sind, gilt ebenfalls als enge Verbindung zwischen diesen Personen; 25. „Eigenkapital“ gezeichnetes Kapital im Sinne von Artikel 22 der Richtlinie 86/635/EWG des Rates vom 8. Dezember 1986 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten284, sofern es eingezahlt wurde, zuzüglich des Emissionsagiokontos, sofern es Verluste in Normalsituationen vollständig auffängt und sofern es im Konkurs- oder Liquidationsfall gegenüber allen anderen Forderungen nachrangig ist; 26. „Rücklagen“ Rücklagen gemäß Artikel 9 der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrags über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen285 sowie die unter Zuweisung des endgültigen Ergebnisses vorgetragenen Ergebnisse; 27. „Leitungsorgan“ den Verwaltungs- oder Aufsichtsrat oder beide, gemäß dem nationalen Gesellschaftsrecht; 28. „unabhängiges Mitglied des Leitungsorgans“ ein Mitglied des Leitungsorgans, das keine geschäftliche, familiäre oder sonstige Beziehung unterhält, die zu einem Interessenkonflikt in

282 283

ABl. L 35 vom 11.2.2003, S. 1. ABl. L 390 vom 31.12.2004, S. 38.

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284 285

ABl. L 372 vom 31.12.1986, S. 1. ABl. L 222 vom 14.8.1978, S. 11.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks Bezug auf die betreffende CCP oder ihre kontrollierenden Aktionäre, ihre Verwaltung oder ihre Clearingmitglieder führt, und das in den fünf Jahren vor seiner Mitgliedschaft in dem Organ keine solche Beziehung unterhalten hat; 29. „Geschäftsleitung“ die Personen, die die Geschäfte der CCP oder des Transaktionsregisters tatsächlich leiten, und das oder die geschäftsführende(n) Mitglied(er) des Leitungsorgans. Artikel 2a Entscheidungen über die Gleichwertigkeit für die Zwecke der Bestimmung des Begriffs ‚OTC-Derivate‘ (1) Für die Zwecke des Artikels 2 Nummer 7 dieser Verordnung wird ein Markt eines Drittstaats im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 14 der Richtlinie 2004/39/EG als einem geregelten Markt gleichwertig angesehen, wenn die Kommission gemäß dem Verfahren nach Absatz 2 dieses Artikels feststellt, dass er rechtsverbindliche Anforderungen erfüllt, die denen des Titels III jener Richtlinie entsprechen, und in dem betreffenden Drittstaat dauerhaft einer wirksamen Beaufsichtigung und einer effektiven Rechtsdurchsetzung unterliegt. (2) Die Kommission kann Durchführungsrechtsakte erlassen, in denen sie für die Zwecke des Absatzes 1 feststellt, dass ein Markt eines Drittstaats rechtsverbindliche Anforderungen erfüllt, die denen des Titels III der Richtlinie 2004/39/EG entsprechen, und in dem betreffenden Drittstaat dauerhaft einer wirksamen Beaufsichtigung und einer effektiven Rechtsdurchsetzung unterliegt. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem Prüfverfahren gemäß Artikel 86 Absatz 2 dieser Verordnung erlassen. (3) Die Kommission und die ESMA veröffentlichen auf ihren Websites ein Verzeichnis der Märkte, die gemäß dem Durchführungsrechtsakt nach Absatz 2 als gleichwertig anzusehen sind. Dieses Verzeichnis wird regelmäßig aktualisiert. Artikel 3 Gruppeninterne Geschäfte (1) In Bezug auf eine nichtfinanzielle Gegenpartei ist ein gruppeninternes Geschäft ein OTCDerivatekontrakt, der mit einer anderen Gegenpartei, die Mitglied derselben Unternehmensgruppe ist, geschlossen wird, sofern die beiden Gegenparteien in dieselbe Vollkonsolidierung einbezogen sind, geeigneten zentralisierten Risikobewertungs-, -mess- und -kontrollverfahren unterliegen, und die betreffende andere Gegenpartei in der Union oder in einem Drittstaat ansässig ist, soweit die Kommission in Bezug auf den Drittstaat einen Durchführungsrechtsakt gemäß Artikel 13 Absatz 2 erlassen hat. (2) In Bezug auf eine finanzielle Gegenpartei ist ein gruppeninternes Geschäft a) ein OTC-Derivatekontrakt, der mit einer anderen Gegenpartei, die Mitglied derselben Unternehmensgruppe ist, geschlossen wird, sofern die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind: i) die finanzielle Gegenpartei ist in der Union ansässig; wenn die finanzielle Gegenpartei in einem Drittstaat ansässig ist, hat die Kommission in Bezug auf den Drittstaat einen Durchführungsrechtsakt nach Artikel 13 Absatz 2 erlassen; ii) bei der anderen Gegenpartei handelt es sich um eine finanzielle Gegenpartei, eine Finanzholdinggesellschaft, ein Finanzinstitut oder einen Anbieter von Nebendienstleistungen, die/der den jeweiligen Aufsichtsvorschriften unterliegt; iii) beide Gegenparteien sind in dieselbe Vollkonsolidierung einbezogen und iv) beide Gegenparteien unterliegen geeigneten zentralisierten Risikobewertungs-, -messund -kontrollverfahren, b) ein OTC-Derivatekontrakt, der mit einer anderen Gegenpartei geschlossen wird, wenn beide Gegenparteien Teil desselben institutsbezogenen Sicherungssystems nach Artikel 80 Absatz 8 der Richtlinie 2006/48/EG sind, sofern die Voraussetzung nach Buchstabe a Ziffer ii dieses Absatzes erfüllt ist; c) ein OTC-Derivatekontrakt, der zwischen Kreditinstituten geschlossen wird, die nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2006/48/EG derselben Zentralorganisation zugeordnet sind, oder zwischen einem solchen Kreditinstitut und der Zentralorganisation oder d) ein OTC-Derivatekontrakt, der mit einer nichtfinanziellen Gegenpartei, die Mitglied derselben Unternehmensgruppe ist, geschlossen wird, sofern die beiden Gegenparteien in dieselbe Vollkonsolidierung einbezogen sind und geeigneten zentralisierten Risikobewertungs-, -messund -kontrollverfahren unterliegen und die betreffende andere Gegenpartei in der Union oder

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6. Teil. Marktregeln in einem Drittstaat niedergelassen ist, wofür die Kommission in Bezug auf den Drittstaat einen Durchführungsrechtsakt gemäß Artikel 13 Absatz 2 erlassen hat. (3) Für die Zwecke dieses Artikels gelten Gegenparteien als in dieselbe Konsolidierung einbezogen, wenn sie beide entweder a) nach der Richtlinie 83/349/EWG oder nach den Internationalen Rechnungslegungsstandards (International Financial Reporting Standards, im Folgenden „IFRS“), die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 erlassen wurden, oder – bei Gruppen mit einem Mutterunternehmen mit Hauptsitz in einem Drittstaat – nach den allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen des betreffenden Drittstaats, für die festgestellt wurde, dass sie den IFRS entsprechen, die in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 erlassen wurden, (oder nach den Rechnungslegungsgrundsätzen des betreffenden Drittstaats, die gemäß Artikel 4 dieser Verordnung zulässig sind) in eine Konsolidierung einbezogen sind, oder b) derselben Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis gemäß der Richtlinie 2006/48/EG oder der Richtlinie 2006/49/EG unterliegen, bzw. – bei Gruppen mit einem Mutterunternehmen mit Hauptsitz in einem Drittstaat – wenn für dieselbe Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis durch eine zuständige Behörde des Drittstaats überprüft wurde, dass sie einer Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis nach den Grundsätzen entspricht, die in Artikel 143 der Richtlinie 2006/48/EG oder in Artikel 2 der Richtlinie 2006/49/EG dafür festgelegt sind.

1. Artikel 1: Gegenstand und Anwendungsbereich (mit [Teil-]Ausnahmen)

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a) Gegenstand: Clearing-, Risikomanagement- und Meldepflichten für (OTC)-Derivatekontrakte und Anforderungen an die Gatekeeper (Abs. 1). Art. 1 Abs. 1 EMIR benennt den Gegenstand der Verordnung hinsichtlich zweier Hauptdimensionen: für die Pflichten, die sich aus jeder Marktransaktion ergeben und für die organisationsbezogenen Anforderungen an diejenigen Hauptspieler in den Derivatemärkten, die als die beiden Gatekeeper zu sehen sind: die zentralen Gegenparteien (Central Counterparties, CCPs) einerseits und die Transaktionsregister andererseits. 668 Für die erstgenannte Dimension (markttransaktionsbezogene Pflichten) umreißt Art. 1 Abs. 1 EMIR (1. Satzteil) den Gegenstand hinsichtlich (i) der erfassten Instrumente und (ii) der Regulierungsinhalte (Arten von Regulierungszugriff), nicht hingegen hinsichtlich (iii) der Normadressaten. Deren Bestimmung bildet dann jedoch (unmittelbar nachfolgend) den Gegenstand der Regel(n) zum Anwendungsbereich (Art. 1 Abs. 2 EMIR). Bei den erfassten Instrumenten wird auf OTC-Derivate einerseits und allgemein auf Derivatekontrakte andererseits abgehoben. Der Schwerpunkt liegt bei Ersteren, d.h. denjenigen Derivatekontrakten, deren Ausführung (im konkreten Fall) nicht auf einem organisierten Handelsplatz im Sinne des Europäischen Kapitalmarktrechts (vgl. oben 5. Teil Rn 66–71; einschließlich gleichwertigem Drittland-Markt) erfolgt (Art. 2 Nr. 7 EMIR, dazu noch unten Rn 687). Auf sie werden alle Regulierungsinhalte bezogen – für sie wurde die Einschaltung von zentralen Gegenparteien – mit Clearing – verpflichtend gemacht, und, soweit diese Pflicht bei bestimmten Formen von OTC-Derivaten nicht besteht, zumindest eine Risikominimierungspflicht. Und – um die Differenzierungen im „Anwendungsbereich“ nach Abs. 2 vorwegzunehmen – dies gilt für finanzielle Gegenparteien flächendeckend (Abs. 2 S. 1), während das gleiche für nichtfinanzielle Gegenparteien nur ab Überschreiten einer bestimmten Schwelle gilt (Art. 1 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 10 EMIR, unten Rn 727–730). Dies sind die Regulierungsinhalte, die vor allem einer Abfederung des Ausfallrisikos der Gegenpartei und des systemischen Risikos dienen sollen (vgl. Erw.gründe 8, 9 und auch 13). Anders als in der EU-Leerverkaufs-VO stehen diese Regulierungsgehalte mit inhaltlichen Vorgaben und Anforderungen auch an der Spitze des regulierenden Teils der EMIR (Art. 4 ff. EMIR). Hinzu treten – in der EMIR erst im Anschluss daran – Transparenz-, namentlich Meldepflichten (Art. 9 EMIR), die ebenfalls für OTC-Derivate, darüber hinaus jedoch allgemein für Derivatekontrakte gelten. Für die demnach wichtige Definition der (Typen von)

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Derivatekontrakten und die Differenzierung zwischen ihnen stützt sich diese Bestimmung des Gegenstandes der EMIR auf die Begriffsbestimmungen in Art. 2 Nr. 5–7 EMIR, die freilich überwiegend selbst wiederum auf die Begriffsbestimmungen in MiFID I, heute MiFID II verweisen (vgl. daher näher unten Rn 685–687). Den Gegenstand im Hinblick auf organisationsbezogene Anforderungen benennt Art. 1 669 Abs. 1 EMIR (2. Satzteil) – trotz deren großer Bedeutung – hingegen nur pauschal, verweist also schlicht auf die Titel III bis VII der EMIR – d.h. auf die organisatorischen Anforderungen an CCPs und Transaktionsregister (dazu unten 7. Teil Rn 200 f., 198, 187–194). b) Umfassender persönlicher Anwendungsbereich: CCPs und ihre Clearingmitglieder, 670 finanzielle Gegenparteien und Transaktionsregister, Abs. 2 S. 1). Umfassend ist der persönliche Anwendungsbereich für den Kreis von Personen, der in Abs. 2 S. 1 umrissen wird. Diese Vorschrift freilich verweist nur auf die entsprechenden Begriffsbestimmungen in Art. 2 Nr. 1, 2, 8 und 14 EMIR. Dabei handelt es sich auf der einen Seite um die beiden Gatekeeper, auf deren systematisches Eingreifen und organisatorische Ausstattung die EMIR zugeschnitten ist, die zentralen Gegenparteien (CCPs) und die Transaktionsregister (Nr. 1, 2). Gatekeeper sind sie für die zentralen Regulierungsinhalte. Das ist einerseits bei den zentralen Gegenparteien die Funktion, zwischen die Transaktionspartner von OTC-Derivaten zu treten sowie beim Clearing hinreichende Absicherung zu gewährleisten und damit das Ausfallrisiko (und in der Folge das systemische Risiko) zu minimieren (Art. 2 Nr. 1 EMIR, näher unten Rn 680). Das ist andererseits die Funktion der Transaktionsregister, Derivatekontrakte möglichst umfassend, transparent und gut zugänglich zu erfassen (Art. 2 Nr. 2 EMIR, näher unten Rn 681). Ebenfalls umfassend eröffnet ist der persönliche Anwendungsbereich außerdem für zwei (weitere) Typen von Unternehmen, die gleichfalls dem Finanzsektor zugerechnet werden können und die in die Transaktionen bzw. die Transaktionsabwicklung zwingend einbezogen erscheinen. Das sind einerseits die Clearingmitglieder der CCPs, also solche Unternehmen, die in die Erfüllung der Clearings- und Haftungsübernahmefunktion der CCPs eingeschaltet sind und folglich an dieser teilhaben (Art. 2 Nr. 14 EMIR, näher unten Rn 693). Das ist andererseits derjenige Teil der Marktteilnehmer (Partner eines Derivatekontrakts), der selbst wiederum dem Finanzwesen zugeordnet werden kann, d.h. das ganze breite Spektrum derjenigen Gegenparteien, die einer eigenen finanzrechtlichen Beaufsichtigung unterliegen und unter dem Begriff der „finanziellen Gegenparteien“ zusammengefasst werden (Art. 2 Nr. 8 EMIR, näher unten Rn 689). Sie unterliegen alle der Clearingpflicht, hilfsweise der Risikominimierungspflicht, sowie den Meldepflichten umfassend, die CCPs und Transaktionsregister als die zentralen Gatekeeper zudem umfangreichen organisatorischen Anforderungen, finanzielle Gegenparteien als Marktteilnehmer ebenfalls zum Teil. c) Exkurs: Sachlicher und räumlicher Anwendungsbereich. Neben dem ausdrücklich 671 geregelten persönlichen Anwendungsbereich tritt der – erst aus den Begriffsbestimmungen und einigen regulierenden Normen ableitbare – sachliche Anwendungsbereich (sowie der ebenfalls indirekt zu ermittelnde räumliche Anwendungsbereich, nächste Rn). Die großen Normgruppen zu den Transaktionen – Clearing- bzw. Risikominimierungspflicht zum Einen und Meldepflicht zum Anderen – beziehen sich auf OTC-Derivatekontrakte einerseits (Art. 4, 11 EMIR) und alle Derivatekontrakte andererseits (Art. 9 EMIR) (näher zu diesen Begriffen unten Rn 687). Obwohl die zweite Regulierungsgruppe, die Transparenzgebote, auf alle Derivatekontrakte Anwendung findet, wird der Titel der EU-Verordnung unzutreffend auf OTC-Derivate verengt. Für die Erfüllung der Meldepflichten sind dann alle zentral Beteiligten kumulativ – sowohl die CCPs als auch jede der Parteien der Derivatekontrakte (Gegenparteien), gleichgültig ob finanzielle oder nichtfinanzielle Gegenpartei – verantwortlich (näher unten Rn 720–723). Stefan Grundmann

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6. Teil. Marktregeln

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Hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereichs der EMIR ist zwischen den Vertragsparteien (Gegenparteien), die der Clearing- und Meldepflicht, ggf. auch Risikominimierungspflicht unterliegen, und den CCPs zu unterscheiden (zu den Zweitgenannten nächste Rn). Bei den Vertragsparteien (Gegenparteien) ergibt sich der räumliche Anwendungsbereich aus den Begriffsbestimmungen, namentlich in Art. 2 Nr. 8 und 9 EMIR. Erfasst sind grundsätzlich nur Unternehmen mit Sitz in der EU, bei den finanziellen Gegenparteien diejenigen, die einer (Finanz-)Aufsicht in der EU unterliegen (Nr. 8, mit abschließender Liste). Rechtskonstruktiv ergibt sich das daraus, dass alle inhaltlichen Pflichten im regulierenden Teil nur an die solchermaßen definierten Gegenparteien anknüpfen286 (formal selbst in Art. 4 EMIR trotz Abs. 1 lit. a) Nr. (v)). Damit wird auf einer ersten Ebene – anders als sonst gerade im Marktrecht – kein Marktauswirkungsprinzip zugrunde gelegt (vgl. 5. Teil Rn 39–40). Von der Sache her liegt die Rechtfertigung für die Beschränkung auf Unternehmen mit EU-Sitz darin, dass die Stabilität der Unternehmen in der EU primär gewährleistet werden soll. Unternehmen aus Drittstaaten werden also auf dieser ersten Ebene nicht erfasst. Freilich ist zugleich eine zweite Ebene nicht zu verkennen, auf der im regulierenden Teil Anordnungen getroffen werden. Aus diesen Anordnungen können sich auch für Drittstaatsunternehmen Verpflichtungen ergeben. Dies betrifft zumindest diejenigen Unternehmen aus Drittstaaten, die in der EU der Finanzaufsicht unterlägen, wenn sie in ihr ansässig wären. Bei der Ausübung einer aktiven Dienstleistungsfreiheit in der EU setzt dies eine Zulassung voraus in Form der Anerkennung (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. a) Nr. (iv) EMIR, näher unten Rn 708). Und dies betrifft in Bezug auf die Clearingpflicht offenbar diejenigen OTC-Derivate-Transaktionen, die „unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkungen“ in der EU haben (Art. 4 Abs. 1 lit. a) Nr. (v) EMIR, näher unten Rn 708). In der Tat kann auch der Ausfall von Drittstaatsunternehmen Stabilitätsrisiken für einzelne EU-Unternehmen und allgemein in der EU begründen. 673 Umgekehrt sind CCPs zwar auch selbst in vielerlei Hinsicht verpflichtet und bei den Meldepflichten sogar parallel zu den Gegenparteien (Art. 9 EMIR), primär jedoch bilden sie die einzuschaltende Institution, durch die die Gegenparteien ihrer Clearingpflicht nachkommen. Der räumliche Anwendungsbereich für die Anforderungen an CCPs ergibt sich – anders als der der Gegenparteien – nicht (jedenfalls primär) aus den Begriffsbestimmungen der EMIR, sondern gänzlich allein aus dem regulierenden Teil. In Art. 2 Nr. 1 EMIR wird nämlich allein darauf abgestellt, dass das Unternehmen als eigener Rechtsträger zwischen die Gegenparteien (Vertragspartner eines Derivatekontrakts) tritt und für die Vertragspflichten selbst einsteht – ohne dass auf den Sitz der zentralen Gegenpartei abgehoben würde. Freilich ergibt sich aus den Anforderungen im regulierenden Teil, dass bei CCPs, die einer Drittstaatsaufsicht unterliegen, zwischen solchen Regeln der EMIR zu unterscheiden ist, die durchaus auf CCPs aus Drittstaaten Anwendung finden, und solchen, bei denen es zur Anerkennung des im Drittstaat erfüllten Standards kommt. Ersteres ist typisch für die Pflichten nach außen, in den Transaktionen, etwa die Pflicht zur diskriminierungsfreien Zulassung nach Art. 7 Abs. 1 1. UAbs. EMIR,287 Letzteres hingegen grds. bei Organisationsanforderungen, wo dies ja auch explizit angeordnet ist (Erw.gründe 7 f., 59, Art. 13 Abs. 2, 25, 75 f. EMIR). Beides ist bei den einzelnen Regeln wieder aufzunehmen (etwa unten 7. Teil Rn 198, 200).

286 287

So auch Pankoke/Wallus WM 2014, 4 (6); Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2130 f.). Zur Anwendung auch auf CCPs aus Drittstaaten: Köhling/Adler WM 2012, 2125

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(2132); Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (184 und 196).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

d) Beschränkte Anwendungsbereiche für nichtfinanzielle Gegenparteien und Interope- 674 rabilitätsvereinbarungen (Abs. 2 S. 2 und Abs. 3). Der dritte Regelungskomplex in Art. 1 EMIR – neben Gegenstand und positiver Bestimmung des Anwendungsbereichs – gilt den Ausnahmen und Teilausnahmen (Abs. 2 S. 2 bis Abs. 5). Teilausnahmen werden als beschränkte Anwendung der VO, also als Beschränkungen des Anwendungsbereichs ausgestaltet (vgl. nächste Rn und Abs. 5, unten Rn 678). Die erste Beschränkung des Anwendungsbereichs (ratione personae) betrifft alle nicht- 675 finanziellen Gegenparteien, die in Art. 2 Nr. 9 EMIR (negativ) definiert sind. Sie sind nur von denjenigen Normen erfasst, in denen ausdrücklich Pflichten nichtfinanzieller Gegenparteien geregelt sind, vor allem Art. 10 EMIR (zur schwellenbezogenen Clearingpflicht), oder von Normen, die sich auf Gegenparteien ganz generell (oder explizit auf beide Gruppen) beziehen.288 Letzteres gilt namentlich für die Meldepflicht nach Art. 9 EMIR (generell auf alle Gegenparteien bezogen)289 und für die Risikominimierungspflicht (bei Nichteingreifen einer Clearingpflicht) nach Art. 11 EMIR, dort allerdings mit einer erheblichen Abstufung innerhalb der Anforderungen, die überwiegend allein auf finanzielle Gegenparteien bezogen werden (vgl. jeweils bei diesen Normen). Im Ergebnis sind also nichtfinanzielle Gegenparteien den Meldepflichten (und Rumpfrisikominimierungspflichten) allgemein unterworfen, ab Überschreiten der festgelegten Schwelle den meisten Pflichten, die finanzielle Gegenparteien treffen (Ausnahmen nach Art. 11 Abs. 3 und 4 EMIR). Die Teilausnahme kann also – je nach Umfang des Derivateportfolios der nichtfinanziellen Gegenpartei – von einer fast vollständigen Anwendung der Verordnung bis hin zu in der Tat erheblichen Ausnahmen reichen. Erst bei den organisatorischen Anforderungen sind dann in der Tat primär nur die finanziellen Gegenparteien erfasst. Eine zweite – nun in der Tat sehr allgemeine – Beschränkung des Anwendungsbereichs 676 (ratione materiae) betrifft die Interoperabilitätsvereinbarungen, bezieht sich freilich nur auf Titel V., wo diese geregelt sind (vgl. daher unten Rn 764). e) Generalausnahme für Zentralbankwesen, öffentliche Schuldenverwaltung der EU 677 und BIZ (Abs. 4). Eine Generalausnahme gilt für das Zentralbankwesen.290 Da für den persönlichen Anwendungsbereich zentral auf einen Sitz in der EU abgestellt wird (oben Rn 672), musste im Gesetzgebungsakt selbst insoweit nur das Zentralbankwesen der EU bzw. der Mitgliedstaaten genannt werden. Freilich ist eine Erstreckung auch auf das Zentralbankwesen von Drittstaaten möglich, soweit dieses für manche Pflichten doch einmal der Verordnung unterfällt (vgl. Abs. 6 a.E.).291 Die Erstellung einer Liste vergleichbarer 288

289

290

Ebenso Grüning/Cieslarczyk RdE 2013, 354 (356 f.); Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (197). Ebenso Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (210); noch weiter verstehen dies Zenke/Fischer EnWZ 2013, 211 (215), die auch Drittstaatsunternehmen erfasst sehen. Dazu näher: Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 594; Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (193); Köhling/ Adler WM 2012, 2125 (2129); sehr kritisch Clements/Lemma Open Review of Management, Banking and Finance 2015 (Forthcoming), abrufbar unter „http://papers.ssrn.com/ sol3/papers.cfm?abstract_id=2589827“ unter Nr. 5 (Transparenzziel deutlich beschädigt).

291

Dazu näher: Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1002/2013 der Kommission vom 12. Juli 2013 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister in Bezug auf die Liste der von ihrem Anwendungsbereich ausgenommenen Stellen, ABl.EU 2013 L 279/2 (Gleichstellung USA und Japan); dann Delegierte Verordnung (EU) 2017/979 der Kommission vom 2. März 2017 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister in Bezug auf die Liste der von ihrem Anwen-

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6. Teil. Marktregeln

(und ebenfalls freigestellter) Aufgaben wurde in die Hand der EU-Kommission gelegt.292 Eine vergleichbare Ausnahme gilt für die öffentliche Schuldenverwaltung293 und für die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel.

678

f) Bloße Meldepflicht bei multilateralen Entwicklungsbanken, vom Zentralstaat garantierten öffentlichen Stellen sowie EFSF und ESM (Abs. 5). Bei weiteren Finanzinstitutionen mit öffentlicher Aufgabensetzung werden die Ausfallrisiken für so unbedeutend gehalten, dass eine Clearing- und Risikominimierungspflicht allgemein als unangebracht erscheint. Anders ist das hier nun bei der Meldepflicht, weil bei diesen Institutionen auch keine gegenläufigen Geheimhaltungsinteressen bestehen.294

679

2. Artikel 2: Kernbegriffe. Mit Ausnahme des allein für Titel V bedeutsamen Begriffs der Interoperabilitätsvereinbarungen (Nr. 12, vgl. unten Rn 764) unterfallen die Kernbegriffe in sieben Gruppen: (i) zu den eigentlichen Gatekeepern in der EMIR, den CCPs und den Transaktionsregistern, (ii) zur sachlichen Grundlage des regulierten Geschäfts (Clearing, Handelsplatz und Derivatetypen), (iii)-(v) zu weiteren Marktteilnehmern mit speziellen Rollen (die Vertragsseiten des Derivatekontrakts [Gegenseiten], Clearingmitglieder, Kunden und der Finanzsektor) sowie zu den zuständigen Behörden, und schließlich zu Sonderregeln (vi) zu (Unternehmens-)Gruppen und – damit überwiegend zusammenhängend – zu (vii) Kapital und Organen. Auch die Begriffsbestimmungen sind also ausgelegt auf den janusförmigen Zuschnitt der Regulierung: sie sind auf die Transaktionen und auf die internen Organisation(sanforderungen) bezogen.

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a) Gatekeeper: CCPs und Transaktionsregister (Nr. 1 und 2). Zentrale Gegenparteien (Central Counterparties, CCPs, Nr. 1) sind diejenigen Gatekeeper, die als Rechte- und Pflichtenträger zwischen die Vertragsparteien eines Derivatekontrakts treten, also in ihre Rechte und Pflichten eintreten und ihnen so das gegenseitige Ausfallrisiko abnehmen, damit auch zur Minderung des systemischen Risikos beitragen. Darin gleicht ihre Funktion im Rahmen der EMIR derjenigen im Rahmen der EU-Leerverkaufs-VO (oben Rn 619), in der EMIR liegt ihre Verantwortung im Bereich des zwingenden Clearing für OTC-Derivate (Art. 4–7 EMIR), während die bei nicht geclearten bzw. nicht clearungspflichtigen OTC-Derivaten eingreifende Risikominimierungspflicht die Gegenseiten trifft (Art. 11 EMIR). Wie in der EU-Leerverkaufs-VO ist die Definition (Nr. 1) auch eher rudimentär – freilich in der EMIR an die Spitze aller Begriffsbestimmungen gerückt, das größere Gewicht unterstreichend, vor dungsbereich ausgenommenen Einrichtungen, ABl.EU 2017 L 148/1 (Gleichstellung Australien, Kanada, Hongkong, Singapur, Mexiko, Schweiz); sowie der Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: KOM(2013) 158 endg.; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 594; Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (193, 195, 210); Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2129); sehr kritisch Clements/Lemma Open Review of Management, Banking and Finance 2015 (Forthcoming), abrufbar unter „http://papers.ssrn. com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2589827“ unter Nr.5 (Transparenzziel deutlich beschädigt und Gegenparteirisiko für öffentliche Finanzgeschäfte beibehalten).

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294

Zu dieser vgl. Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 594; Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (193); Köhling/ Adler WM 2012, 2125 (2129); Nachw. für diese Liste voriger Fn VO 1002/2013. Dazu näher: Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 594; Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (193); Köhling/ Adler WM 2012, 2125 (2129). Hierzu (auch im Vergleich zu den in Abs. 4 aufgeführten Institutionen): Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 594; Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (193); Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2129).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

allem jedoch Grundlage für einen in der EMIR ungleich wichtigeren Regelungskomplex, den der organisatorischen und inhaltlichen Anforderungen an CCPs (unten Rn 712–719 und 7. Teil Rn 187–194, 200 f.). Die Absicherungsfunktion ist also deutlich stärker unterfüttert. Die Kernelemente der Begriffsbestimmung sind in beiden EU-Verordnungen jedoch die gleichen.295 Es muss sich um eine juristische Person handeln,296 die bei Kontrakten, die auf einem oder verschiedenen Finanzmärkten gehandelt werden, zwischen beide Vertragsparteien tritt, also nicht nur vermittelt, sondern selbst als Vertragspartei (für beide Gegenparteien) auftritt. Zugleich muss sie für jede Gegenpartei (diskriminierungsfrei) zur Verfügung stehen, also eine entsprechende Erklärung an die Öffentlichkeit abgegeben haben.297 Da Derivatekontrakte in Rechten und Pflichten ganz unterschiedlich ausgestaltet sind – vom Festgeschäft über die Stillhaltepflichten bis hin zum Optionsrecht mit Zahlungspflicht (unten Rn 685–687) – tritt an die Stelle der Bezeichnung „[Leer-]Verkäufer“ und „Käufer“ diejenige der „Gegenpartei(en)“ (näher unten Rn 688–691). Anders als in der Begriffsbestimmung der EU-Leerverkaufs-VO wird in derjenigen von EMIR nicht betont (aber dennoch ersichtlich vorausgesetzt), dass die CCPs selbst ein Clearingsystem betreiben (mit gewissen Möglichkeiten eines Outsourcing). Denn für OTC-Derivate wird ein zwingendes Clearing vorgeschrieben (Art. 4–7 EMIR). Selbstverständlich sind die betroffenen Kontraktformen verschiedene, wenn auch mit einer großen Schnittmenge – hier Derivatekontrakte, dort Leerverkäufe. Die Transaktionsregister werden als zweiter Gatekeeper noch rudimentärer definiert 681 (Nr. 2): als juristische Personen (s.o.), die Informationen („Aufzeichnungen“) zu Derivatekontrakten sammeln und verwahren, also entgegennehmen und speichern.298 Nicht einmal die Verwendung – etwa Veröffentlichung – wird in der Begriffsbestimmung angesprochen. Es handelt sich hier um den Gatekeeper, der für die Transparenzfunktion eingeschaltet wird. Das eigentliche Profil geben dieser Definition erst die (weiteren) Regeln zur Frage, welche Informationen wann und in welcher Form zu verwenden – etwa zu veröffentlichen – sind (namentlich Art. 9 EMIR, unten Rn 720–726), und die Regeln zur Frage, welche Funktionen durch das Vorhalten organisatorischer Instrumente ermöglicht werden müssen (etwa Verknüpfen, Ordnen u.a., näher Art. 78–81 EMIR, unten Rn 764). b) Sachliche Grundlagen: Clearing, Handelsplatz und Typen von Derivaten (Nr. 3–7). 682 Mit dem Clearing (Art. 2 Nr. 3 EMIR) wird die (i) Ermittlung der gegenseitigen Positionen, (ii) ihre Abwicklung, die (iii) Etablierung von Nettoverbindlichkeiten durch Verrechnung und die (iv) Einbeziehung von Kollateralvereinbarungen, insbesondere auch die Besicherung bezeichnet.299 In der Begriffsdefinition der EMIR (Art. 2 Nr. 3) fehlt die eigentliche 295

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Zu den im Folgenden benannten Elementen näher Habersack/Ehrl ZfpW 2015, 312 (313 f.); Gergen jM 2015, 139 (139 ff.); Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2132). Anders als in der EU-Leerverkaufs-VO freilich nicht jede rechtsfähige Personenhandelsgesellschaft; wohl aber solche, die keinen persönlich haftenden Gesellschafter haben (zur Vermeidung der Umgehung): zur LeerverkaufsVO vgl. 6. Erw.grund der VO 236/2012 sowie Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Barac Handbuch, Teil 4 B Rn 14. Vgl. zur Diskriminierungsfreiheit Grüning/ Cieslarczyk RdE 2013, 354 (358).

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Vgl. zu dieser Begriffsbestimmung auch Art. 5 Abs. 2 (Registrierung eines Transaktionsregisters) Verordnung (EU) 2015/2365 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und der Weiterverwendung sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2015 L 337/1; sowie Köhling/Adler WM 2012, 2173 (2176 ff.) und Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (184). Vgl. zu diesen Inhalten des Clearing etwa Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/ Blum Handbuch, Teil 2 A Rn 12; Gstädtner RdF 2012, 145 (149); Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 578.

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6. Teil. Marktregeln

Abwicklung, sie wird also nicht zwingend vorausgesetzt – wohl weil man von ordnungsgemäßer Abwicklung der Vertragspflichten seitens der CCPs ausgeht (und diese auch die Durchsetzung ihrer Ansprüche betreiben). Da bei Derivatekontrakten – etwa Termingeschäften mit Lieferpflichten – die Abwicklung dinglicher Positionen (etwa Lieferung von Aktien) zwar in vielen Fällen nicht Hauptziel ist (anders als beim klassischen Wertpapierhandel), jedoch durchaus ebenfalls geschuldet sein kann (etwa beim Termingeschäft ohne Ausschluss der Lieferpflicht), ist die Abwicklung, soweit nötig, durchweg mit dem Clearing verbunden. Umgekehrt ist die Einbeziehung der Kollateral-, insbes. Besicherungsvereinbarungen bereits in die Begriffsbestimmung bemerkenswert und dem Umstand geschuldet, dass CCPs im regulierenden Teil verpflichtet werden, solche Besicherung vorzusehen (unten Rn 704, vgl. auch Rn 728–729).300 683 Das Clearing kann durch die Parteien des jeweiligen Derivatekontrakts selbst – auch aller Kontrakte zwischen diesen Parteien – erfolgen („bilateral“). Hier müsste es nicht notwendig auch zu Besicherungsabreden kommen, obwohl sie auch hier üblich sind. Schon das rein bilaterale Clearing mit den oben genannten zwingenden Gehalten „Feststellung der Positionen“ und „Errechnung von Nettoverbindlichkeiten“ kann komplex sein, jedenfalls die Einbeziehung der sonstigen offenen Risikopositionen aus Derivaten („Exposure“) bei der jeweiligen Gegenpartei sind Grenzen gesetzt.301 Deswegen ist der Ansatz der EMIR, jedenfalls bei OTC-Derivaten grds. ein zwingendes Clearing durch CCPs vorzusehen (dazu und zum Grund der Fokussierung auf dieses näher unten Rn 703–711 und 727–730). 684 Der Begriff des Handelsplatzes (Art. 2 Nr. 4 EMIR) ist einer des allgemeinen Europäischen Kapitalmarktrechts (ursprünglich in Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 und 15 MiFID I umrissen, heute in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1, 18, 20 und bes. Nr. 24 MiFID II), weil auf ihn alle späteren Rechtsakte des Europäischen Kapitalmarktrechts verweisen und er deswegen auch einheitlich auszulegen ist (vgl. daher dazu oben 5. Teil Rn 66–76, auch zur systematischen Internalisierung). Wichtig ist der Begriff (außer für einige Überwachungsregeln, unten Teil 7 Rn 141 ff.) vor allem für den Zugang von CCPs zu Handelsplätzen und umgekehrt. Die Ausnahme der systematischen Internalisierung aus dem Kreis der erfassten Handelsplätze beruht auf der Überlegung, dass diese gegenseitigen Zugangsregeln (Art. 7 und 8 EMIR) hier nicht sinnvoll angewendet werden könnten.302 685 (Alle) Derivatekontrakte (Art. 2 Nr. 5–7 EMIR)303 beziehen sich auf einen zugrundeliegenden Wert („Underlying“) (etwa Wertpapiere, Emissionsrechte, Rohstoffe) und hän-

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Zur Einbeziehung auch der Besicherungsabreden in den Clearingbegriff etwa Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (194); mit Verweis auf die Art. 1 ff. auch Schuster/Ruschkowski ZBB/JBB 2014, 123 (128). Zur Begrenztheit einer Risikoabsicherung bei bilateralem Clearing etwa Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Blum Handbuch, Teil 2 A Rn 12; Gstädner RdF 2012, 145 (148). Anders als Handelsplätze führen systematische Internalisierer nicht Angebot und Nachfrage zwischen Dritten zusammen, sondern betreiben selbst Eigenhandel, d.h. sie erwerben oder veräußern Finanztitel für eigene Rechnung und führen sie intern zusammen (gleichen sie aus). Der von Art. 7, 8 EMIR

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303

bezweckte Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen, die durch gegenseitige Zugangsverwehrung entstehen können (vgl. 34. Erw.grund), ist hier also per se ausgeschlossen. Umfassend hierzu und zur systematischen Internalisierung und ihrer Behandlung unter der MiFID II/MIFIR allgemein Schelling Die systematische Internalisierung in Nichteigenkapitalinstrumenten nach MiFID II und MiFIR, BKR 2015, 221. Der Begriff ist nicht vergleichbar für das gesamte Europäische Kapitalmarktrecht vereinheitlicht wie derjenige des Handelsplatzes oder des Finanzinstruments, dennoch wird er in MAR, SSR und EMIR ähnlich verwendet, vgl. daher auch bereits oben Rn 287–290 und 583.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

gen in ihrer Wertentwicklung von der Wertentwicklung des „Underlying“ ab, 304 wobei der Wertausschlag bezogen auf die nötige Investition in beide Richtungen durchweg (erheblich) höher ausfällt als beim „Underlying“ (bis hin zum Totalverlust).305 Derivatekontrakte unterfallen – bezogen auf die Form der Abhängigkeit – in drei große Gruppen: Festkontrakte, vor allem Termingeschäfte mit gegenseitigen Verpflichtungen bei hinausgeschobenem Erfüllungszeitpunkt; (idR dauerhafter und abgestimmter) Austausch von Risiken aus einzelnen Festkontrakten (Swaps) mit genauerer Risikosteuerung und daher auch besonders großen Marktvolumina;306 und einseitige (vergütete) Einräumung von Optionsrechten, die dem Berechtigten erlauben, im vereinbarten Optionszeitraum ein bestimmtes (Bündel von) Recht(en) vom Stillhalter zu einem bereits festgesetzten Preis zu erwerben bzw. gegen ihn geltend zu machen. Der Verweis auf Anh. I Abschnitt C Nummern 4–10 MiFID I (12. Erw.grund), heute auf Anh. I Abschnitt C Nummern 4–10 MiFID II entspricht dem in Art. 3 MAR zu findenden Verweis auf ebendiese Derivateformen (vgl. daher zu den Einzelheiten des danach erfassten Kreises der Derivate oben Rn 280–285). Unter den Begriffsbestimmungen werden außerdem zwei Einteilungen von Derivate- 686 kontrakten für Anwendungszwecke verschiedener Normen im regulierenden Teil vorgenommen. Beide Einteilungen haben erhebliche Bedeutung quer durch die Verordnung: Je nach Derivatekategorien (Art. 2 Nr. 6 EMIR) wird eine Clearingpflicht bejaht oder verneint (Art. 4 Abs.1 EMIR), dies durch Etablierung einer entsprechenden Liste seitens der ESMA/EU-Kommission nach Art. 5 Abs. 2 EMIR, die laufend an die Marktbedingungen angepasst wird (Art. 11 Abs. 13 EMIR). Ebenfalls je nach Derivatekategorien getrennt wird die Zulassung für CCPs zum Clearing erteilt (Art. 5 Abs. 1, 14 und 15 EMIR, mit laufender Registrierung, vgl. Art. 6 Abs. 2 und 3 EMIR), wobei die ESMA aufgefordert ist, für Derivategruppen mit Clearingpflicht, für die keine CCPs zugelassen sind, aktiv nach solchen zu suchen, um die Clearingpflicht operabel zu machen Art. 5 Abs. 3 EMIR). Nach Derivatekategorien getrennt sind zudem die Meldungen zu erteilen (Art. 9 Abs. 5 EMIR), woran dann die (organisatorischen) Pflichten der Transaktionsregister nach getrennter Speicherung etc. anknüpfen (Art. 80, 81 EMIR, und die Verstoßregeln in Art. 65 EMIR und in den Anhängen zur EMIR, unten 7. Teil Rn 197 f.). Die Begriffsdefinition in Art. 2 Nr. 6 EMIR soll sicherstellen, dass die Derivate einer Kategorie hinreichend vergleichbar sind und eine hinreichend konturscharfe Gruppe bilden.307 Wenn Vergleichbarkeit „im Wesentlichen“ verlangt wird, so ist damit eine im Wesentlichen vergleichbare wirtschaftliche Funktionsweise, vor allem jedoch eine vergleichbare Begründung von Ausfall- und systemischen Risiken gemeint. Angesichts der Wertungsbedürftigkeit und Vagheit dieses Kriteriums werden Mindestbedingungen festgelegt: Namentlich darf sich eine einzige De304

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Näher zur Definition und den verschiedenen Kategorien Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/ Sigmundt/Sigmundt Handbuch, Teil 1 A Rn 2–10; Zerey/Schüwer/Steffen Finanzderivate Teil 1 § 1 Rn 1–8; Sernetz Derivate und Corporate Governance, 2005, S. 54 f. Überblick zu Derivatemärkten und ihrem Volumen etwa bei Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Blum Handbuch, Teil 2 B; Zerey/Schüwer/Steffen Finanzderivate Teil 1 § 1 Rn 9–11. Zu dieser Hebelwirkung vgl. nur Harder Grundlagen derivativer Finanzinstrumente, in: Derivative Finanzinstrumente bei Kreditinstituten. Business, Economics, and Law.

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Springer Gabler, Wiesbaden, 2015; Zerey/ Schüwer/Steffen Finanzderivate Teil 1 § 5 Rn 2. Zu dieser Funktion „maßgeschneiderten“ Risikomanagements von Swaps vgl. nur Zerey/Schüwer/Steffen Finanzderivate Teil 1 § 1 Rn 27 und § 3 Rn 41. Zu den Marktvolumina vgl. etwa BIS http://www.bis.org/ statistics/d10_1.pdf: 9.800 Mrd. US Dollar. Vgl. allgemein Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 599; vgl. zur Bedeutung der Abgrenzbarkeit: Köhling/ Adler WM 2012, 2125 (2131) und Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (196).

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6. Teil. Marktregeln

rivategruppe jeweils auf nur eine einzige Art von „Underlying“ beziehen (keine Derivatekategorie mit mehr als einer Art von underlying),308 das (Wertentwicklungs-)Verhältnis des Derivats zum „Underlying“, also die Berechnungsformel, muss „gemeinsam“ sein, und die Währung, in welcher der Preis im Derivatekontrakt ausgedrückt ist („Nominalwert“), muss die gleiche sein. Hingegen sind unterschiedliche Fälligkeiten als solche nicht schädlich, es sei denn sie begründen ausnahmsweise einen Unterschied „im Wesentlichen“. Letztlich bilden diese Kriterien bei der täglichen Anwendung der EMIR nur den Hintergrund, weil die fragliche Liste konstitutiv die Derivategrenzen festlegt und von der ESMA dauerhaft veröffentlicht wird (Art. 6 EMIR).309 687 Die zweite Einteilung von Derivatekontrakten von Bedeutung für die Gesamtarchitektur der EMIR ist die nach OTC-Derivaten/Derivatekontrakte und sonstigen (Nicht-OTC) Derivatekontrakten (Art. 2 Nr. 7 EMIR). Nach dem Gesagten unterscheidet sich danach die Anwendbarkeit der Kernregulierungsinstrumente: Nur OTC-Derivate/Derivatekontrakte unterliegen der Clearingpflicht (Art. 4–7, 10 EMIR), hilfsweise einer Risikominimierungspflicht (Art. 11 EMIR), während die Meldepflichten sich auf alle (auch NichtOTC) Derivatekontrakte beziehen (Art. 9 EMIR). Und auch in den Teilen zu organisatorischen Anforderungen wird mehrfach auf die Unterteilung Bezug genommen (vgl. näher 7. Teil Rn 187 ff.). Die Abgrenzung (Art. 2 Nr. 7 EMIR) erfolgt nach dem Markt, auf dem die konkrete Transaktion vorgenommen wird. Handelt es sich um einen geregelten Markt iSv Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 MiFID I, heute Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 MiFID II (vgl. oben 5. Teil Rn 67–69) bzw. um einen als gleichwertig anerkannten Markt in einem Drittstaat (näher unten 7. Teil Rn 141 ff.), so greifen nur die Transparenzregeln, vor allem Melderegeln. Keine Anwendung finden dann hingegen die weiterreichenden Regeln zu OTC-Derivaten, weil für jene Marktformen bereits weiterreichende Regulierung für eine Reduktion des Ausfallrisikos besteht.310 Typischerweise werden massenweise standardisierte Derivate auf (darauf spezialisierten) geregelten Märkten, etwa dem European Exchange oder der Chicago Mercantile Exchange, gehandelt, während umgekehrt OTC-Derivate meist entweder nicht hinreichend massenweise gehandelt werden oder gar nicht hinreichend standardisiert sind, um anders als einzeln „over the counter“ gehandelt werden zu können.311 Bei der zweitgenannten Kategorie der OTC-Derivate wird freilich, weil sie sich für Abwicklung über CCPs nicht eignen, wiederum der Kern der Regulierung der OTC-Derivate, das zwingende Clearing, nicht angeordnet, sondern nur (subsidiär) eine Risikominimierungspflicht nach Art. 11 EMIR (näher unten Rn 705–706, 713–715 und 738–740).

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c) Vertragsparteien (finanzielle und nichtfinanzielle Gegenparteien), auch Altersversorgungssysteme und ihr Ausfallrisiko (Nr. 8–11). Die Vertragsparteien von Derivatekontrakten werden als Gegenparteien umschrieben, soweit es sich um Unternehmen handelt – ein neutraler Begriff, der jedenfalls nicht auf bestimmte Vertragspflichten abstellt (etwa „Käufer“ oder „Verkäufer“), ja nicht einmal darauf, dass Derivate in allen Fällen als ver-

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Etwa (alle) Aktien desselben Emittenten, die Obligationen desselben Emittenten (fraglich, ob aus/einschließlich Wandelschuldverschreibungen). Vgl. ausführliche Auflistung in der nächsten Fn. Veröffentlicht ist die (ständig fortgeschriebene) Liste unter https://www.esma.europa. eu/sites/default/files/library/public_register_ for_the_clearing_obligation_under_emir. pdf.

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Vgl. Grüning/Cieslarczyk RdE 2013, 354 (356) (sowie weiterführender Hinweis in der Fn 11). Näher zu den wichtigsten solchen Märkten und zu dieser Verteilung Gstädtner RdF 2012, 145 (145 und 151); sowie bpb Börsengehandelte Finanzderivate vom 25.9.2010: http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlenund-fakten/globalisierung/52602/finanz derivate.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

tragliche Instrumente zu qualifizieren sein müssen. Drei Kategorien sind zu unterscheiden (unten Rn 689–691), obwohl Nr. 8 und 9 nur zwei ausdrücklich benennen.312 Alle drei Kategorien – und auch andere Parteien – können ausfallen, bevor das Geschäft ganz abgewickelt ist, idR durch die abschließende Zahlung; Nr. 11 („Ausfallrisiko“), der das nur für Gegenparteien klarstellt, ist als Definition ohnehin selbstverständlich. Finanzielle Gegenparteien sind diejenigen Vertragspartner, die einer der ausdrücklich 689 genannten Finanzaufsichtsformen nach EU-Recht unterliegen: (i) Wertpapierfirmen mit Zulassung nach der MiFID, heute MiFID II (unten 7. Teil Rn 3, 27 ff.); (ii) Kreditinstitute mit Zulassung nach CRD IV/CRR (oben 1. Teil Rn 93); (iii) Versicherungsunternehmen mit Zulassung nach den EU-Versicherungs-Richtlinien;313 (iv) Rückversicherungsunternehmen mit Zulassung nach den EU-Rückversicherungs-Richtlinien;314 und (v.-vii.) Organismen für die gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) sowie (die Verwalter von) Alternativen Investmentfonds und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung nach den entsprechenden EU-Richtlinien.315 Es handelt sich demnach um eine enumerativ abschließende Aufzählung, sämtlich Einrichtungen zur Entgegennahme von Geldern für die Durchführung von Finanztransaktionen mit Investment- oder Versicherungscharakter, die sämtlich der Zulassung bedürfen und einer Finanzaufsicht unterliegen. 312

313

Von auslaufender Bedeutung ist der Begriff der Altersversorgungssysteme (Nr. 10), die für die ersten drei Jahre ab Inkrafttreten von der Clearingpflicht freigestellt wurden (vgl. Art. 89 EMIR, Verlängerung durch Delegierte VO (EU) Nr. 2015/1515 bis zum 16.8.2017, vgl. oben Rn 26, sowie nochmals durch Delegierte VO (EU) 2017/610 bis zum 16.8.2018), für die jedoch auf der Grundlage des Berichts nach Art. 85 Abs. 2 EMIR ein angepasstes Clearingregime entwickelt werden soll (26.–28. Erw.grund). Vgl. zu dieser Entwicklung die Erw.gründe der letztgenannten Verordnung. Vgl. Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl.EG 2009 L 335/1; zuletzt geändert durch Richtlinie 2014/51/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinien 2003/71/EG und 2009/138/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009, (EU) Nr. 1094/2010 und (EU) Nr. 1095/2010 im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) und der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), ABl.EU 2014 L 153/1 (sog. Omnibus-II-RL); dazu BankR-Hdb/Jahn/Reiner, § 114 Rn 220; Wendt in Staudinger/Halm/

314 315

Wendt (Hrsg.), Versicherungsvertragsrecht Kommentar, 2. Aufl. 2017, X.1. Rn 6 ff.; Mönnich in Beckmann/Matusche-Beckmann (Hrsg.), Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 2 Rn 88 ff.; Sasserath-Alberti in Langheid/Wandt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 2. Aufl. 2017, Nr. 100 Rn 91 ff.; Schröder in Looschelders/Pohlmann (Hrsg.), Versicherungsvertragsgesetz Kommentar, 3. Aufl. 2016, D. Rn 20 ff., insb. zur Zulassungsaufsicht Rn 71–79. Vgl. vorherige Fn. Vgl. Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), ABl. 2009 L 302/32, in der Neufassung vom 23. Juli 2014, ABl.EU 2014 L 257/186; Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010, ABl.EU 2011 L 174/1; Richtlinie (EU) 2016/ 2341 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV), ABl.EU 2016 L 354/37. Die teils erheblichen Übergangsfristen, insbesondere bei AIFs, sind seit 7/2015 abgelaufen.

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6. Teil. Marktregeln

690

Nichtfinanzielle Gegenparteien sind demgegenüber negativ definiert als Unternehmen, die weder CCPs noch finanzielle Gegenparteien (vorige Rn) sind, so dass allein eine unternehmerische Tätigkeit gefordert wird. Dies ist freilich weit auszulegen, so dass allein reine Privatpersonen (einschließlich nichtwirtschaftlicher Vereine u.ä., auch Arbeitnehmer) ausgeschlossen sind316 und staatliche Einheiten, soweit sie keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, also nicht Waren und Dienstleistungen an Märkten anbieten (vgl. Art. 1 Abs. 4 und 5 EMIR e contrario).317 691 Unternehmen aus Drittstaaten fallen als solche nicht unter den Begriff der Gegenpartei. Deswegen werden sie vom EMIR-Regime nur aufgrund gesonderter Anordnung erfasst:318 so etwa bei der Clearingpflicht nach Art. 4 Abs. 1 lit. a) Nr. (iv) und (v) EMIR aufgrund weiterer enger Bezugspunkte zur EU, hingegen bei der Meldepflicht nach Art. 9 EMIR gar nicht (unten Rn 720), und bei der Risikominimierungspflicht wiederum aufgrund weiterer enger Bezugspunkte zur EU (vgl. Art. 11 Abs. 12 EMIR, unten Rn 732).

692

d) Zuständige Behörde (Nr. 13). Zuständige Behörde ist primär diejenige, die der jeweilige Mitgliedstaat im Rahmen der EMIR benennt (3. Alt.), in Deutschland die BaFin (§ 18, heute § 30 WpHG n. F.). Für die Einhaltung der Pflichten hinsichtlich Derivatekontrakten mit nichtfinanziellen Gegenparteien könnte eine andere Behörde benannt werden (2. Alt. i.V.m. Art. 10 Abs. 5 EMIR),319 in Deutschland ist freilich auch insoweit die BaFin zuständig (§ 18, heute 30 WpHG n. F,). Schließlich handelt es sich in Alt. 1 nur um einen Verweis auf diejenige Behörde, die nach den verschiedenen Rechtsakten eingesetzt wurde, die die verschiedenen Formen von „finanziellen Gegenparteien“ iSv Nr. 8 regulieren (nach dem Gesagten verschiedene Arten von Finanzinstituten und [regulierten] Fonds, oben Rn 689). Da all diese Rechtsakte freilich wiederum die Bestimmung jeweils dem mitgliedstaatlichen Recht überlassen,320 ist Nr. 13 insgesamt dahin zu verstehen, dass als die „zuständige Behörde“ die nach mitgliedstaatlichem Recht für die Aufsicht nach dem jeweiligen Rechtsakt zuständige Behörde zu verstehen ist.

693

e) Clearingkette (Clearingmitglieder und Kunden, Nr. 14, 15). Die Clearingbeziehung, die bei Clearingpflicht nach Art. 4, 10 EMIR einzugehen ist, können Gegenparteien nicht direkt zu CCPs knüpfen (außer Clearingmitglieder beim Eigengeschäft). Vielmehr übernehmen Clearingmitglieder (Nr. 14), die an einer CCP „teilnehmen“ – vergleichbar einer 316

317

318

Vgl. Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/ Achtelik Handbuch, Teil 3 B Rn 12; Köhling BKR 2013, 491 (493); Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2130) sowie darin Rn 31; Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (193). Vgl. Europäische Kommission, EMIR: Frequently Asked Questions vom 10.07. 2014 (http://ec.europa.eu/internal_market/ financial-markets/docs/derivatives/emirfaqs_en.pdf), II.14 und 15); Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2130); Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (193); Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Kunschke/Schaffelhuber Handbuch, Teil 3 B Rn 12; Wilhelmi/ Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 A Rn 21–23 (die Ausnahme freilich hier zu allgemein). Zur bewussten Ausnahme von Drittstaatenunternehmen (mit gezielter Anwendung von

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319 320

EMIR in Einzelkonstellationen) vgl. Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (191); Zerey/Donner Finanzderivate Rn 105; Köhling/Adler WM 2012, 2173 (2176). So wohl auch Pankoke/Wallus WM 2014, 4 (10) (Sache „nationaler Aufsicht“). Vgl. etwa § 1 Abs. 1 Nr. 8 lit. a) WpHG n.F. für die Einsetzung der BaFin für Wertpapierfirmen auf der Grundlage von Art. Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 MiFID I (RL 2004/39/EG), heute Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 MiFID II (RL 2014/65/EU) und § 6 Abs. 1c KWG für die Einsetzung der BaFin für Kreditinstitute auf der Grundlage von Art. 4 Nr. 4 Banken-RL 2006/48/EG, heute Art. 4 Abs. 1 CRD IV (RL 2013/36/EU) (zu dieser Abfolge von Richtlinien vgl. oben 1. Teil Rn 33–38 bzw. 5. Teil Rn 37, 38).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Konsortialbank (oben 6. Teil Rn 1–48) –, Teile der OTC-Derivate, die zum Clearing anstehen, und damit auch das aus dem Zwischentreten zwischen beide Gegenparteien resultierende Ausfallrisiko.321 Die Clearingbeziehung ist also eine dreistufige. Der Verteilungsmechanismus geht jedoch (anders als beim Konsortialgeschäft) nicht dahin, eine bestimmte Quote des anfallenden Geschäfts zu übernehmen, sondern das Ausfallrisiko des- oder derjenigen Kunden (Nr. 15), der/die das Clearing über dieses Clearingmitglied wählt/wählen. Dabei sind General-Clearingmitglieder aufgrund der Zulassung durch die CCP befugt, neben dem Eigengeschäft auch das Geschäft für bei ihnen registrierte Kunden, aber auch für sonstige Kunden zu tätigen, Direkt-Clearingmitglieder hingegen nur für registrierte Kunden.322 Da zwar die Clearingmitglieder für Verpflichtung und Ausfallrisiko ihrer Kunden einstehen, umgekehrt jedoch das Ausfallrisiko der Clearingmitglieder, die CCP selbst trägt, kann sie risikobezogene Vorsorgeanforderungen an jene stellen und hat entsprechende Einsichtsrechte nach Art. 37 EMIR (vgl. unten Rn 750–755, bes. 753). f) Gruppen, Finanzinstitute und -gruppen, Gruppenmitglieder und Beteiligungen 694 (Nr. 16–24). Für die Definition des Begriffs der Unternehmensgruppe verweist Art. 2 Nr. 16 auf den Gruppenbegriff der Konzernbilanz-Richtlinie (RL 83/346/EWG)323 bzw. – für Kreditinstitute – der Banken-Richtlinie 2006/48/EG.324 Von Bedeutung sind diese Begriffe vor allem für das Konzept der gruppeninternen Geschäfte (Art. 3 EMIR, unten Rn 698–701) und die daran anknüpfenden Ausnahmen von der Clearingpflicht (Art. 4, unten Rn 710) und – unter weiteren Voraussetzungen – auch von der Risikominimierungspflicht nach Art. 11 EMIR (unten Rn 738–739). Im Rahmen der gruppeninternen Geschäfte wird unterschieden zwischen Geschäften, die in einer Unternehmensgruppe außerhalb des Finanzsektors, und solchen, die in einer Unternehmensgruppe des Finanzsektors vorgenommen werden (trotz weitgehender Parallelität der Voraussetzungen). Hierfür dehnen Art. 2 Nr. 17–19 EMIR den Umfang des Konzepts „Finanzsektor“ weit aus, indem sie auf Ebene der Einzelunternehmen, jedoch auch bei der Finanzholdinggesellschaft, allein darauf abstellen, ob (einzelne) Bankgeschäfte betrieben werden, auch indirekt, oder gar nur damit in Bezug stehende Nebendienstleistungen, ohne dass es sich jeweils um ein Kre-

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322

323

Näher zu diesem Eintreten und der entstehenden Rechtsbeziehung (mit Übernahme des Ausfallrisikos): Decker BKR 2014, 397 (400 ff.); Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2132). Eingehend hierzu Dwyer/Tredgett 9 Capital Markets Law Journal 342 (2014): zur Formenvielfalt bei den Verträgen zwischen Kunden und Clearing-Mitgliedern und Einordnungsproblemen (S. 343–345), zu den typischen Klauseln (S. 345–353) und zu den wichtigsten Besicherungsabreden (S. 351 f.). Listen für General- und Direkt-Clearingmitglieder finden sich z.B. für die Eurex unter http://www.eurexchange.com/exchange-de/ ressourcen/teilnehmerlisten/boersenmit glieder: insgesamt 42 General- und 40 Direktclearingmitglieder zum Stand: 31.7. 2017; davon 12 bzw. 15 aus Deutschland. Heute Art. 2 Nr. 11 der Richtlinie 2013/ 34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresab-

324

schluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl.EU 2013 L 182/19. Zum Gruppenbegriff in dieser Richtlinie etwa: Pankoke/Wallus 2014, 4 (7); Grundmann EU-Gesellschaftsrecht Rn 579. Heute Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012, ABl.EU 2013 L 176/1, die gemeinsam mit der Richtlinie 2013/36/EU die Bankenrichtlinie ersetzt hat. Zum Gruppenbegriff in dieser Richtlinie etwa: Pankoke/Wallus 2014, 4 (7).

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6. Teil. Marktregeln

ditinstitut selbst handeln muss. An den Begriff Finanzinstitut knüpfen zudem Regeln zur Anlagepolitik an (Art. 47 Abs. 3 und 4 EMIR, vgl. dort 7. Teil Rn 193 f.). 695 Demgegenüber beziehen sich die im Recht der Beteiligungstransparenz, jedoch ebenfalls im Konzernrecht fußenden Begriffsbestimmungen (bloße) qualifizierte Beteiligung (Nr. 20) bzw. Mutter- und Tochterunternehmen sowie Kontrolle als das Band zwischen beiden (Nr. 21, 22, 23) allein auf die Informations- und Meldepflichten nach Art. 30 und 31 EMIR (sowie das Diskriminierungsverbot in Art. 32 Abs. 5 EMIR) (vgl. daher unten 7. Teil Rn 190 f.) bzw. auf die organisatorischen Regeln zu Interessenkonflikten, die Kontrolle von Liquiditätsrisiken und zur Anlagepolitik in Art. 33, 44 und 47 EMIR (vgl. unten Teil 7 Rn 190 f., 193 f.; sowie wiederum auch auf die gruppeninternen Geschäfte, vorige Rn). 696 Schließlich bezieht sich der Begriff der „engen Verbindung“ (Nr. 24), der auch denjenigen der Kontrolle zwischen Mutter- und Tochterunternehmen umfasst, jedoch niedriger ansetzt und insbesondere auch bereits das direkte Halten oder die Kontrolle von 20 % des Kapitals oder der Stimmrechte einschließt, und das Verhältnis gemeinsamer Tochtergesellschaften zueinander, vor allem auf die beiden organisationsrechtlichen Fragen, ob diese keine der Zulassung entgegenstehenden Abhängigkeitslagen schafft (Art. 30 Abs. 3 und 5 EMIR, unten 7. Teil Rn 190 f.) und wie sie sich auf Interessenkonflikte auswirkt (vgl. Art. 33 Abs. 1 und Art. 78 Abs. 2 EMIR, unten 7. Teil Rn 190 f., 198).

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g) Eigenkapital, Rücklagen, Leitungsorgane und deren Mitglieder (Nr. 25–29). Auch die in dieser Gruppe zusammengefassten Begriffsbestimmungen betreffen sämtlich die organisationsrechtlichen Anforderungen der Art. 14 ff. EMIR (vgl. unten 7. Teil Rn 187 f.) – mit Ausnahme der wenig spezifischen Risikominimierungspflicht nach Art. 11 Abs. 4 EMIR (Eigenkapitalanforderungen bei finanziellen Gegenparteien, unten Rn 740). 3. Artikel 3: Insbesondere Gruppeninterne Geschäfte.

698

a) Bedeutung und Überblick. Bei gruppeninternen Geschäften gelten Ausnahmen von der Clearingpflicht (Art. 4 Abs. 2 EMIR, mit Offenlegungspflichten, unten Rn 710) und von der (mangels Clearingpflicht hilfsweise) eingreifenden Risikominimierungsflicht (Art. 11 Abs. 5–10 EMIR, mit Offenlegungspflichten nach Abs. 11, unten Rn 738–739). Für die Definition gruppeninterner Geschäfte unterscheidet Art. 3 EMIR zwischen solchen, die nichtfinanzielle Gegenparteien, und solchen, die finanzielle Gegenparteien mit Gruppenmitgliedern abschließen (Abs. 1 bzw. Abs. 2), wobei sich die Konzernzugehörigkeit nach Abs. 3 beurteilt. Die Struktur der Norm ist nicht sehr klar; hilfreich ist zunächst klarzustellen, dass sich die Konzerndefinition in Abs. 3 lit. a) auf die Tatbestände in Abs. 1 und in Abs. 2 lit. a) und d) bezieht, während sich die Konzernaufsichtsdefinition in Abs. 3 lit. b) auf Abs. 2 lit. b) und c) bezieht. (Relativ) klar wird die Struktur der Norm letztlich jedoch erst,325 wenn man zwischen klassischer Konzernzugehörigkeit als Basis von gruppeninternen Geschäften und spezifischen aufsichtsrechtlichen Instrumenten und Konstellationen, die ebenfalls ein gruppeninternes Geschäft begründen, unterscheidet. Die erstgenannte Basis steht nichtfinanziellen und finanziellen Gegenparteien gleichermaßen und weitestgehend unter gleichen Bedingungen offen (so Abs. 1 für nichtfinanzielle Gegenparteien und Abs. 2 lit. a) und d) für finanzielle Gegenparteien, unten Rn 699–700), wohingegen die Zweitgenannte nur für finanzielle Gegenparteien eröffnet ist (so Abs. 2 lit. b) und c), unten Rn 701).

325

Erklärungen zur Struktur (teils eher rudimentär) auch bei Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2131, bes. Fn 39); Pankoke/Wallus 2014, 4 (8); Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/

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Sigmundt/Achtelik Teil 3 B Rn 18 (vier Tatbestände bei finanziellen Gegenparteien – nach Abs. 2 lit. a) bis d)).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

b) Gruppeninterne Geschäfte aller Gegenparteien aufgrund von Konzernzugehörig- 699 keit (Abs. 1, 2 lit. a) und d) i.V.m. Abs. 3 lit. a)). Gruppeninterne Geschäfte kraft Konzernzugehörigkeit können unter drei Bedingungen angenommen werden, setzen diese jedoch auch zwingend voraus. Vorausgesetzt wird zunächst, dass beide Gegenparteien nach EU-Bilanzrecht in dieselbe Vollkonsolidierung einzubeziehen sind (vgl. hierzu Abs. 3). Dies gilt gleichermaßen für nichtfinanzielle Gegenparteien (Abs. 1) und für finanzielle Gegenparteien (Abs. 2, hier konkret: lit. a) lit. iii) bzw. lit. d)). Dabei wird in der EMIR das mehrspurige Regime des EU-Bilanzrechts (mit seinen Mitgliedstaaten- und seinen Unternehmenswahlrechten) nachvollzogen und gleichermaßen anerkannt, wenn die Vollkonsolidierung (nach Ausübung des jeweiligen Wahlrechts) auf der EU-Konzernbilanz-Richtlinie326 oder wenn sie auf der EU-IFRS-Verordnung beruht (Abs. 3 lit. a)).327 Gleichgestellt wird Vollkonsolidierung nach dem Bilanzrecht eines Drittstaates, das als den IFRS gleichwertig anerkannt wurde (namentlich US-GAAP).328 Zwei weitere Voraussetzungen müssen – wiederum gleichermaßen bei finanziellen wie bei nichtfinanziellen Gegenparteien – hinzukommen. Das ist einerseits, dass der (gruppenzugehörige) Vertragspartner (die andere Gegenpartei) in der EU ansässig ist oder dass der Drittstaat, in dem er ansässig ist, und sein Rechtssystem kraft Durchführungsakt nach Art. 13 Abs. 2 als gleichwertig anerkannt wurden (vgl. Abs. 1 bzw. Abs. 2 lit. a) Nr. i) und lit. d)). Das ist darüber hinaus und andererseits auch, dass die Gruppe über „geeignete zentralisierte Risikobewertungs-, -messund -kontrollverfahren“ verfügt (Abs. 1 bzw. Abs. 2 lit. a) Nr. iv) und lit. d)). Damit ist nach Interpretation der ESMA gemeint, dass die antragstellende Gegenpartei zumindest die Risikomanagementpolitik und -kontrollen sowie deren zentrale Anwendung beschreiben und darlegen muss, dass diese bestimmten Mindeststandards genügen.329 Während diese drei Bedingungen bei nichtfinanziellen Gegenparteien den Kreis der 700 Voraussetzungen erschöpfen, scheint Abs. 2 lit. a) Nr. ii) bei finanziellen Gegenparteien eine weitere Voraussetzung zu formulieren. Diese Norm ist jedoch in Verbindung mit der (in den ersten drei Voraussetzungen gänzlich gleich gefassten) Regelung in Abs. 2 lit. d) zu sehen. Beide Normalternativen ergeben, dass Geschäfte von finanziellen Gegenparteien mit nichtfinanziellen Gegenparteien als gruppenintern immer schon dann zu qualifizieren sind, wenn die oben genannten ersten drei Voraussetzungen (vorige Rn) erfüllt sind (lit. d)) – also unter den gleichen Voraussetzungen wie Geschäfte von nichtfinanziellen Gegenparteien (bei denen nicht nach der Gruppenzugehörigkeit der anderen Gegenpartei gefragt wird). Doch auch in dem Fall, dass die andere Gegenpartei (ebenfalls) dem Finanzsektor entstammt (lit. a)), formuliert dessen Nr. ii) nicht nur eine weitere Voraussetzung, sondern weitet zugleich auch den Kreis potentieller Gegenparteien aus. Denn selbst wenn es sich bei 326

327

Freilich gilt insoweit nicht mehr die in der EMIR genannte Richtlinie (EWG) 83/349, sondern die Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/ EWG des Rates, ABl.EU 2013 L 182/19. Knappe Zusammenfassung zu diesem zweispurigen System: Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 592–595.

328

329

Vgl. Entscheidung der Kommission 2008/ 961/EG vom 12. Dezember 2008, ABl.EG 2008D0961 – DE – 01.01.2012 – 001.001 – 2 (desgleichen diejenigen Japans). Vgl. für den Wortlaut: OTC Answer 6 (d) der ESMA Questions and Answers – Implementation of the Regulation (EU) No 648/2012 on OTC derivatives, central counterparties and trade repositories (EMIR) (https://www.esma.europa.eu/sites/ default/files/library/2015/11/2015–1485_ qa_xiv_on_emir_implementation_october_ 2015.pdf).

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6. Teil. Marktregeln

der anderen Gegenpartei nicht um eine finanzielle Gegenpartei (mit Beaufsichtigung) iSv Art. 2 Nr. 8 EMIR handelt, sondern um eine reine Finanzholding (ohne eigenes Geschäft und daher kein Kreditinstitut nach § 1 Abs. 1 KWG), um ein Finanzunternehmen (vgl. § 1 Abs. 3 KWG) oder um einen Anbieter einer Nebendienstleistung, wird das Geschäft als gruppenintern qualifiziert. Dies wird dann unter die (einzige) Voraussetzung gestellt, dass diese Gegenparteien einer finanzrechtlichen Aufsicht unterliegen müssen.

701

c) Gruppeninterne Geschäfte von finanziellen Gegenparteien aufgrund aufsichtsrechtlicher Gestaltungen (Abs. 2 lit. b) und c) i.V.m. Abs. 3 lit. b)). Bei finanziellen Gegenparteien werden in zwei weiteren – aufsichtsrechtlich definierten – Konstellationen Geschäfte als gruppenintern qualifiziert. Dabei wird wieder auf Sitz der anderen Gegenpartei in der EU bzw. – bei Sitz in Drittstaaten – auf eine Anerkennung als gleichwertig abgestellt (vgl. Abs. 3 lit. b)). Sind diese Rahmenbedingungen gegeben, werden Geschäfte auch ohne Vorliegen der konzernrechtlichen Voraussetzungen, insbesondere von bilanzrechtlicher Vollkonsolidierung (oben Rn 699), als gruppenintern qualifiziert, wenn eine von zwei Voraussetzungen gegeben ist. Beide Gegenparteien unterfallen entweder einem gemeinsamen institutsbezogenen Sicherungssystem nach Art. 80 Abs. 8 der Banken-Richtlinie (heute Art. 113 bes. Abs. 7 CRR)330 oder – für Deutschland praktisch irrelevant – sind Teil einer Zentralorganisation im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Banken-Richtlinie (heute Art. 10 Abs. 1 CRR).331

III. Clearing, Meldung und Risikominderung von OTC-Derivaten und Derivaten (Art. 4–13)

702

Titel II Clearing, Meldung und Risikominderung von OTC-Derivaten Artikel 4 Clearingpflicht (1) Gegenparteien sind zum Clearing aller OTC-Derivatekontrakte verpflichtet, die zu einer Derivatekategorie gehören, die der Clearingpflicht gemäß Artikel 5 Absatz 2 unterliegt, wenn die Kontrakte die beiden folgenden Bedingungen erfüllen: a) Sie wurden wie folgt abgeschlossen: i) zwischen zwei finanziellen Gegenparteien, ii) zwischen einer finanziellen Gegenpartei und einer nichtfinanziellen Gegenpartei, die die Bedingungen des Artikels 10 Absatz 1 Buchstabe b erfüllt, iii) zwischen zwei nichtfinanziellen Gegenparteien, die die Bedingungen des Artikels 10 Absatz 1 Buchstabe b erfüllen, iv) zwischen einer finanziellen Gegenpartei oder einer nichtfinanziellen Gegenpartei, die die Bedingungen des Artikels 10 Absatz 1 Buchstabe b erfüllt, und einer in einem Drittstaat ansässigen Einrichtung, die der Clearingpflicht unterliegen würde, wenn sie in der Union ansässig wäre, oder v) zwischen zwei in einem oder mehreren Drittstaaten ansässigen Unternehmen, die der Clearingpflicht unterliegen würden, wenn sie in der Union ansässig wären, sofern der Kontrakt unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkungen innerhalb der Union hat oder sofern diese Pflicht notwendig oder zweckmäßig ist, um die Umgehung von Vorschriften dieser Verordnung zu verhindern, und 330

Früher Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl.EG 2006 L 177/1 (Bankenrichtlinie), abgelöst durch die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom

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26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012, ABl.EU 2013 L 176/1 (CRR). Ersichtlich nur für die Niederlande relevant: Pankoke/Wallus 2014, 4 (8).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks b) sie wurden geschlossen oder verlängert i) am oder nach dem Tag, an dem die Clearingpflicht wirksam wird, oder ii) am oder nach dem Tag, an dem die Mitteilung gemäß Artikel 5 Absatz 1 erfolgt, jedoch vor dem Tag, ab dem die Clearingpflicht wirksam wird, sofern die Restlaufzeit dieser Kontrakte länger ist als die von der Kommission gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c festgelegte Mindestrestlaufzeit. (2) Unbeschadet der Risikominderungsverfahren nach Artikel 11 unterliegen OTC-Derivatekontrakte, bei denen es sich um gruppeninterne Geschäfte im Sinne des Artikels 3 handelt, nicht der Clearingpflicht. Die in Unterabsatz 1 genannte Ausnahme gilt nur: a) wenn zwei in der Union ansässige, derselben Gruppe angehörende Gegenparteien die jeweils zuständigen Behörden vorab schriftlich darüber informiert haben, dass sie die Ausnahme für die zwischen ihnen geschlossenen OTC-Derivatekontrakte in Anspruch zu nehmen beabsichtigen. Die Mitteilung muss spätestens dreißig Kalendertage vor der Inanspruchnahme der Ausnahme erfolgen. Die zuständigen Behörden können binnen 30 Kalendertagen nach Erhalt dieser Mitteilung Einwände gegen die Inanspruchnahme dieser Ausnahme erheben, wenn die Geschäfte zwischen den Gegenparteien nicht den in Artikel 3 festgelegten Bedingungen entsprechen; das Recht der zuständigen Behörden, auch nach Ablauf dieser Frist von 30 Kalendertagen Einwände zu erheben, wenn diese Bedingungen nicht länger erfüllt werden, bleibt davon unberührt. Wenn die zuständigen Behörden zu keiner Einigung gelangen, kann die ESMA die Behörden im Rahmen ihrer Befugnisse nach Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 im Einigungsprozess unterstützen; b) für OTC-Derivatekontrakte zwischen zwei derselben Gruppe angehörenden Gegenparteien, die in einem Mitgliedstaat und in einem Drittstaat ansässig sind, wenn der in der Union ansässigen Gegenpartei von der entsprechend zuständigen Behörde binnen 30 Kalendertagen nach Erhalt der von der in der Union ansässigen Gegenpartei übermittelten Mitteilung gestattet wurde, die Ausnahme in Anspruch zu nehmen und die Bedingungen nach Artikel 3 erfüllt sind. Die zuständige Behörde unterrichtet die ESMA über die entsprechende Entscheidung. (3) Das Clearing der OTC-Derivatekontrakte, die gemäß Absatz 1 clearingpflichtig sind, wird von einer CCP durchgeführt, die für das Clearing dieser Kategorie von OTC-Derivaten nach Artikel 14 zugelassen oder nach Artikel 25 anerkannt und gemäß Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b im Register aufgeführt ist. Hierzu wird die Gegenpartei zu einem Clearingmitglied oder einem Kunden, oder sie trifft indirekte Clearingvereinbarungen mit einem Clearingmitglied, sofern durch diese Vereinbarungen das Risiko der Gegenpartei nicht steigt und sichergestellt ist, dass die Vermögenswerte und Positionen der Gegenpartei gleichermaßen geschützt sind wie im Falle der Schutzvorkehrungen der Artikel 39 und 48. (4) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen angegeben ist, welche Kontrakte unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkungen innerhalb der Union haben dürften oder in welchen Fällen es notwendig oder zweckmäßig ist, die Umgehung von Vorschriften dieser Verordnung im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a Ziffer v zu verhindern, und welche Arten von mittelbaren vertraglichen Vereinbarungen die Bedingungen gemäß Absatz 3 Unterabsatz 2 erfüllen. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 5 Verfahren in Bezug auf die Clearingpflicht (1) Erteilt eine zuständige Behörde einer CCP gemäß Artikel 14 oder 15 die Zulassung zum Clearing einer OTC-Derivatekategorie, so unterrichtet sie die ESMA unverzüglich über diese Zulassung.

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6. Teil. Marktregeln Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen festgelegt ist, welche Angaben die im ersten Unterabsatz genannten Mitteilungen enthalten müssen. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 2 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. (2) Innerhalb von sechs Monaten nach Erhalt der Mitteilung nach Absatz 1 oder nach Abschluss eines Anerkennungsverfahrens gemäß Artikel 25 werden von der ESMA – nach öffentlicher Anhörung und nach Anhörung des ESRB und gegebenenfalls der zuständigen Behörden von Drittstaaten – Entwürfe für technische Regulierungsstandards erarbeitet und der Kommission zur Billigung übermittelt, in denen Folgendes festgelegt ist: a) die Kategorien von OTC-Derivaten, die der Clearingpflicht gemäß Artikel 4 unterliegen sollten, b) der Zeitpunkt oder die Zeitpunkte, ab dem bzw. denen die Clearingpflicht wirksam wird, einschließlich einer etwaigen Übergangsphase und der Kategorien von Gegenparteien, für die die Clearingpflicht gilt, und c) die Mindestrestlaufzeit der OTC-Derivatekontrakte gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Bei der Erarbeitung der Entwürfe technischer Regulierungsstandards nach diesem Absatz lässt die ESMA die Übergangsbestimmungen für C.6-Energiederivatkontrakte nach Artikel 95 der Richtlinie 2014/65/EU332 unberührt. (3) Die ESMA ermittelt von sich aus nach Durchführung einer öffentlichen Anhörung und nach Anhörung des ESRB sowie gegebenenfalls der zuständigen Behörden von Drittstaaten anhand der in Absatz 4 Buchstaben a, b und c genannten Kriterien diejenigen Kategorien von Derivaten, die der Clearingpflicht nach Artikel 4 unterliegen sollten, für die jedoch noch keine CCP eine Zulassung erhalten hat, und setzt die Kommission darüber in Kenntnis. Nach einer solchen Meldung veröffentlicht die ESMA eine Aufforderung zur Ausarbeitung von Vorschlägen für das Clearing dieser Derivatekategorien. (4) Da das übergeordnete Ziel darin besteht, das Systemrisiko zu verringern, sind in den Entwürfen für diejenigen technischen Regulierungsstandards, die in Absatz 2 Buchstabe a genannt sind, die folgenden Kriterien zu berücksichtigen: a) der Grad der Standardisierung der Vertragsbedingungen und operativen Prozesse bei der betreffenden Kategorie von OTC-Derivaten, b) das Volumen und die Liquidität der jeweiligen Kategorie von OTC-Derivaten, c) die Verfügbarkeit von fairen, zuverlässigen und allgemein akzeptierten Preisbildungsinformationen in der jeweiligen Kategorie von OTC-Derivaten. Bei der Ausarbeitung dieser Entwürfe für technische Regulierungsstandards kann die ESMA der Vernetzung zwischen den Gegenparteien, die die einschlägigen Kategorien von OTC-Derivaten nutzen, den voraussichtlichen Auswirkungen auf die Höhe des Gegenparteiausfallrisikos sowie den Auswirkungen auf den Wettbewerb innerhalb der Union Rechnung tragen. Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen die Kriterien nach Unterabsatz 1 Buchstaben a, b und c näher festgelegt sind. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. 332

Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie

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zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 3 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. (5) In den Entwürfen für diejenigen technischen Regulierungsstandards, die in Absatz 2 Buchstabe b genannt sind, werden die folgenden Kriterien berücksichtigt: a) das erwartete Volumen der jeweiligen Kategorie von OTC-Derivaten, b) ob das Clearing ein und derselben Kategorie von OTC-Derivaten bereits durch mehr als eine CCP erfolgt, c) die Fähigkeit der jeweiligen CCPs zur Bewältigung des erwarteten Volumens und zur Beherrschung der mit dem Clearing der betreffenden Kategorie von OTC-Derivaten verbundenen Risiken, d) die Art und Zahl der Gegenparteien, die in dem Markt für die jeweilige Kategorie von OTCDerivaten aktiv sind oder voraussichtlich aktiv werden, e) der Zeitraum, den eine clearingpflichtige Gegenpartei benötigt, um Vorkehrungen für ein Clearing ihrer OTC-Derivatekontrakte durch eine CCP zu treffen, f) das Risikomanagement und die rechtliche und operative Leistungsfähigkeit der im Markt für die jeweilige Kategorie von OTC-Derivaten tätigen Gegenparteien, die der Clearingpflicht gemäß Artikel 4 Absatz 1 unterliegen würden. (6) Wenn es für eine Kategorie von OTC-Derivatekontrakten keine CCP mehr gibt, die gemäß dieser Verordnung für das Clearing dieser Kontrakte zugelassen oder entsprechend anerkannt ist, unterliegt diese Kontraktkategorie nicht länger der Clearingpflicht gemäß Artikel 4, und Absatz 3 dieses Artikels findet Anwendung. Artikel 6 Öffentliches Register (1) Die ESMA erstellt und führt ein öffentliches Register, in dem die clearingpflichtigen Kategorien von OTC-Derivaten ordnungsgemäß und eindeutig erkennbar verzeichnet sind, und hält dieses auf dem neuesten Stand. Das öffentliche Register wird auf der Website der ESMA veröffentlicht. (2) Das Register enthält a) die Kategorien von OTC-Derivaten, die gemäß Artikel 4 clearingpflichtig sind, b) die für die Wahrnehmung der Clearingpflicht zugelassenen oder entsprechend anerkannten CCPs, c) den Zeitpunkt, ab dem die Clearingpflicht wirksam wird, einschließlich einer schrittweisen Umsetzung, d) die von der ESMA gemäß Artikel 5 Absatz 3 ermittelten Kategorien von OTC-Derivaten, e) die Mindestrestlaufzeit der Derivatekontrakte gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii, f) die CCPs, die der ESMA von der zuständigen Behörde als für die Wahrnehmung der Clearingpflicht befugt gemeldet wurden, und das Datum jeder Meldung. (3) Wenn eine CCP nicht länger gemäß dieser Verordnung für das Clearing einer bestimmten Derivatekategorie zugelassen oder anerkannt ist, wird sie von der ESMA unverzüglich für die betreffende Kategorie von OTC-Derivaten aus dem öffentlichen Register entfernt. (4) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, kann die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards erarbeiten, in denen festgelegt ist, welche Angaben in das öffentliche Register nach Absatz 1 aufgenommen werden. Die ESMA legt der Kommission bis 30. September 2012 Entwürfe für entsprechende technischer Regulierungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 7 Zugang zu einer CCP (1) Eine zum Clearing von OTC-Derivatekontrakten zugelassene CCP muss das Clearing solcher Kontrakte – auch in Bezug auf Anforderungen für Sicherheiten, mit dem Zugang verbundene Gebühren und unabhängig vom Handelsplatz – diskriminierungsfrei und transparent akzeptieren.

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6. Teil. Marktregeln Damit wird insbesondere sichergestellt, dass ein Handelsplatz das Recht hat, dass auf dem Handelsplatz gehandelte Kontrakte nichtdiskriminierend behandelt werden in Bezug auf: a) Anforderungen für Sicherheiten und das Netting wirtschaftlich gleichwertiger Kontrakte, sofern die Glattstellung oder sonstige Aufrechnungsverfahren einer CCP aufgrund des geltenden Insolvenzrechts durch die Einbeziehung solcher Kontrakte nicht unterbrochen oder gestört, ungültig oder in Bezug auf ihre Durchsetzbarkeit beeinträchtigt werden, und b) das Cross-Margining mit korrelierten Kontrakten, die im Rahmen eines Risikomodells gemäß Artikel 41 von derselben CCP gecleart werden. Eine CCP kann verlangen, dass ein Handelsplatz den von ihr geforderten operativen und technischen Anforderungen, auch für das Risikomanagement, genügt. (2) Wenn ein Handelsplatz einem förmlichen Antrag auf Zugang stellt, muss die CCP binnen drei Monaten ab Antragstellung diesem Antrag stattgeben oder ihn ablehnen. (3) Wenn eine CCP den Zugang gemäß Absatz 2 verweigert, muss sie dies gegenüber dem Handelsplatz ausführlich begründen. (4) Mit Ausnahme der Fälle, in denen die zuständige Behörde des Handelsplatzes und die zuständige Behörde der CCP den Zugang verweigern, gewährt die CCP dem Handelsplatz vorbehaltlich des Unterabsatzes 2 binnen drei Monaten nach der Entscheidung, mit der dem förmlichen Antrag des Handelsplatzes gemäß Absatz 2 stattgegeben wurde, den Zugang. Die zuständige Behörde des Handelsplatzes und die zuständige Behörde der CCP können einem Handelsplatz, der einen förmlichen Antrag gestellt hat, den Zugang zur CCP nur dann verweigern, wenn ein solcher Zugang das reibungslose und ordnungsgemäße Funktionieren der Märkte beeinträchtigen oder zu einer Verstärkung der Systemrisiken führen würde. (5) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den zuständigen Behörden regelt die ESMA die betreffenden Streitigkeiten in Ausübung ihrer Befugnisse nach Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010. (6) Die Bedingungen für eine nichtdiskriminierende Behandlung der an dem betreffenden Handelsplatz gehandelten Kontrakte, was die Anforderungen an die Besicherung, die Aufrechnung wirtschaftlich gleichwertiger Kontrakte und das Cross-Margining mit korrelierenden, von derselben CCP geclearten Kontrakten betrifft, werden in den technischen Standards festgelegt, die gemäß Artikel 35 Absatz 6 Buchstabe e der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 angenommen werden. Artikel 8 Zugang zu einem Handelsplatz (1) Ein Handelsplatz stellt CCPs, die zum Clearing von an diesem Handelsplatz gehandelten OTC-Derivatekontrakten zugelassen sind, auf deren Antrag diskriminierungsfrei und auf transparente Weise Handelsdaten zur Verfügung. (2) Wenn eine CCP einen förmlichen Antrag auf Zugang zu einem Handelsplatz gestellt hat, muss der Handelsplatz binnen drei Monaten auf den Antrag der CCP reagieren. (3) Wenn der Handelsplatz den Zugang verweigert, muss er die CCP entsprechend benachrichtigen und dies ausführlich begründen. (4) Unbeschadet der Entscheidung der zuständigen Behörden des Handelsplatzes und der CCP muss der Handelsplatz den Zugang binnen drei Monaten nach einem positiven Bescheid auf den entsprechenden Antrag ermöglichen. Der Zugang der CCP zu dem Handelsplatz wird nur gewährt, wenn ein solcher Zugang keine Interoperabilität erfordern oder das reibungslose und ordnungsgemäße Funktionieren der Märkte insbesondere aufgrund einer Fragmentierung der Liquidität gefährden würde und wenn der Handelsplatz angemessene Mechanismen zur Verhinderung einer solchen Fragmentierung eingerichtet hat. (5) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen das Konzept der Fragmentierung der Liquidität näher bestimmt wird. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 9 Meldepflicht (1) Gegenparteien und CCPs stellen sicher, dass die Einzelheiten aller von ihnen geschlossenen Derivatekontrakte und jeglicher Änderung oder Beendigung von Kontrakten an ein gemäß Artikel 55 registriertes oder gemäß Artikel 77 anerkanntes Transaktionsregister gemeldet werden. Die Einzelheiten sind spätestens an dem auf den Abschluss, die Änderung oder Beendigung des Kontraktes folgenden Arbeitstag zu melden. Die Meldepflicht gilt für Derivatekontrakte, die a) vor dem 16. August 2012 geschlossen wurden und zu diesem Zeitpunkt noch ausstehen, b) am oder nach dem 16. August 2012 geschlossen werden. Eine der Meldepflicht unterliegende Gegenpartei oder CCP kann die Meldung der Einzelheiten zu den Derivatekontrakten delegieren. Gegenparteien und CCPs stellen sicher, dass die Einzelheiten ihrer Derivatekontrakte ohne Mehrfachmeldung gemeldet werden. (2) Die Aufzeichnungen für von ihnen geschlossene Derivatekontrakte und Änderungen werden von den Gegenparteien noch mindestens fünf Jahre nach Beendigung des Kontrakts aufbewahrt. (3) Wenn kein Transaktionsregister zur Verfügung steht, um die Einzelheiten eines Derivatekontrakts aufzuzeichnen, stellen die Gegenparteien und CCPs sicher, dass solche Einzelheiten an die ESMA gemeldet werden. In diesem Fall stellt die ESMA sicher, dass alle in Artikel 81 Absatz 3 genannten einschlägigen Stellen Zugang zu allen Einzelheiten der Derivatekontrakte haben, die sie für die Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben und Mandate benötigen. (4) Eine Gegenpartei oder eine CCP, die einem Transaktionsregister oder der ESMA die Einzelheiten eines Derivatekontrakts meldet, oder eine Einrichtung, die die Meldung solcher Angaben im Namen einer Gegenpartei oder einer CCP übernimmt, verstößt nicht gegen Beschränkungen, die aufgrund des betreffenden Kontrakts oder aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften für die Weitergabe von Informationen gelten. Die meldende Einrichtung oder ihre Leitungsmitglieder bzw. Beschäftigten haften nicht für diese Weitergabe von Informationen. (5) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen die Einzelheiten und die Art der in den Absätzen 1 und 3 genannten Meldungen für die verschiedenen Derivatekategorien festgelegt sind. Die Meldungen gemäß den Absätzen 1 und 3 enthalten zumindest folgende Informationen: a) die Identität der Parteien des Derivatekontrakts und – falls mit diesen nicht identisch – der Träger der daraus erwachsenden Rechte und Pflichten; b) die wesentlichen Merkmale der Derivatekontrakte, darunter die Art, die Fälligkeit, der Nominalwert, der Preis und das Abwicklungsdatum der Kontrakte. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. (6) Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Anwendung der Absätze 1 und 3 erarbeitet die ESMA Entwürfe für technische Durchführungsstandards, in denen Folgendes festgelegt ist: a) das Format und die Häufigkeit der in Absatz 1 und 3 genannten Meldungen für die verschiedenen Derivatkategorien,

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6. Teil. Marktregeln b) der Zeitpunkt, bis zu dem Derivatkontrakte gemeldet werden müssen, einschließlich einer etwaigen Übergangsphase für Kontrakte, die vor dem Beginn der Meldepflicht geschlossen wurden. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Durchführungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 10 Nichtfinanzielle Gegenparteien (1) Wenn eine nichtfinanzielle Gegenpartei Positionen in OTC-Derivatekontrakten eingeht und diese Positionen die nach Absatz 3 festgelegte Clearingschwelle übersteigen, dann gilt Folgendes: a) die betreffende nichtfinanzielle Gegenpartei teilt diese Tatsache der ESMA und der zuständigen Behörde nach Absatz 5 unverzüglich mit, b) die betreffende nichtfinanzielle Gegenpartei wird in Bezug auf künftige Kontrakte gemäß Artikel 4 clearingpflichtig, wenn die gleitende Durchschnittsposition die Clearingschwelle für einen Zeitraum von 30 Tagen übersteigt, und c) die betreffende nichtfinanzielle Gegenpartei cleart alle entsprechenden künftigen Kontrakte innerhalb von vier Monaten, nachdem die Clearingpflicht wirksam wird. (2) Eine nichtfinanzielle Gegenpartei, die gemäß Absatz 1 Buchstabe b clearingpflichtig geworden ist und in der Folge der gemäß Absatz 5 benannten Behörde gegenüber den Nachweis dafür erbringt, dass ihre gleitende Durchschnittsposition die Clearingschwelle für einen Zeitraum von 30 Tagen nicht übersteigt, unterliegt nicht mehr der Clearingpflicht gemäß Artikel 4. (3) Bei der Berechnung der in Absatz 1 genannten Positionen berücksichtigt die nichtfinanzielle Gegenpartei alle von ihr oder anderen nichtfinanziellen Einrichtungen innerhalb der Gruppe, zu der sie gehört, geschlossenen OTC-Derivatekontrakte, die nicht objektiv messbar zur Reduzierung der Risiken beitragen, die unmittelbar mit der Geschäftstätigkeit oder dem Liquiditäts- und Finanzmanagement dieser Gegenpartei oder Gruppe verbunden sind. (4) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA nach Anhörung des ESRB und anderer einschlägiger Behörden Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen Folgendes festgelegt ist: a) Kriterien, anhand derer festgestellt wird, welche OTC-Derivatekontrakte objektiv messbar zur Reduzierung der Risiken beitragen, die unmittelbar mit der Geschäftstätigkeit oder dem Liquiditäts- und Finanzmanagement gemäß Absatz 3 verbunden sind, und b) Werte für die Clearingschwellen, die unter Berücksichtigung der Systemrelevanz der Summe aller Nettopositionen und -forderungen je Gegenpartei und Kategorie von Derivaten ermittelt werden. Nach Durchführung einer offenen öffentlichen Anhörung legt die ESMA der Kommision diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Die ESMA überprüft nach Anhörung des ESRB und anderer einschlägiger Behörden regelmäßig die Schwellen und schlägt gegebenenfalls technische Regulierungsstandards zu ihrer Änderung vor. (5) Jeder Mitgliedstaat benennt eine Behörde, die dafür zuständig ist, die Einhaltung der Pflicht nach Absatz 1 sicherzustellen. Artikel 11 Risikominderungstechniken für nicht durch eine CCP geclearte OTC-Derivatekontrakte (1) Finanzielle Gegenparteien und nichtfinanzielle Gegenparteien, die einen nicht durch eine CCP geclearten Derivatekontrakt abschließen, gewährleisten mit der gebührenden Sorgfalt, dass angemessene Verfahren und Vorkehrungen bestehen, um das operationelle Risiko und das Gegenparteiausfallrisiko zu ermessen, zu beobachten und zu mindern; diese umfassen zumindest Folgendes: a) die rechtzeitige Bestätigung der Bedingungen des betreffenden OTC-Derivatekontrakts, gegebenenfalls auf elektronischem Wege;

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks b) formalisierte Prozesse, die solide, belastbar und prüfbar sind, zur Abstimmung von Portfolios, zur Beherrschung der damit verbundenen Risiken, zur frühzeitigen Erkennung und Ausräumung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Parteien sowie zur Beobachtung des Werts ausstehender Kontrakte. (2) Finanzielle Gegenparteien und nichtfinanzielle Gegenparteien gemäß Artikel 10 ermitteln täglich auf der Basis der aktuellen Kurse den Wert ausstehender Kontrakte. Wenn die Marktbedingungen eine Bewertung zu Marktpreisen nicht zulassen, wird eine zuverlässige und vorsichtige Bewertung zu Modellpreisen vorgenommen. (3) Finanzielle Gegenparteien müssen über Risikomanagementverfahren verfügen, die einen rechtzeitigen und angemessenen Austausch von Sicherheiten, bei dem diese angemessen von eigenen Vermögenswerten getrennt sind, in Bezug auf OTC-Derivatekontrakte vorschreiben, die am oder nach dem 16. August 2012 abgeschlossen wurden. Nichtfinanzielle Gegenparteien gemäß Artikel 10 müssen über Risikomanagementverfahren verfügen, die einen rechtzeitigen und angemessenen Austausch von Sicherheiten, bei dem die Sicherheiten angemessen von eigenen Vermögenswerten getrennt sind, in Bezug auf OTC-Derivatekontrakte vorschreiben, die am oder nach dem Tag abgeschlossen wurden, an dem die Clearingschwelle überschritten wurde. (4) Finanzielle Gegenparteien müssen eine geeignete und angemessene Eigenkapitalausstattung zur Absicherung der Risiken vorhalten, die nicht durch einen entsprechenden Austausch von Sicherheiten gedeckt sind. (5) Die Anforderung nach Absatz 3 dieses Artikels gilt nicht für gruppeninterne Geschäfte im Sinne des Artikels 3, die zwischen im selben Mitgliedstaat ansässigen Gegenparteien abgeschlossen werden, sofern ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis für die unverzügliche Übertragung von Eigenmitteln oder die Rückzahlung von Verbindlichkeiten zwischen den Gegenparteien weder vorhanden noch abzusehen ist. (6) Ein gruppeninternes Geschäft im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 Buchstaben a, b oder c, das zwischen Gegenparteien abgeschlossen wird, die in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind, wird auf der Grundlage einer positiven Entscheidung der beiden zuständigen Behörden ganz oder teilweise von der Anforderung nach Absatz 3 dieses Artikels befreit, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: a) Die Risikomanagementverfahren der Gegenparteien sind hinreichend solide und belastbar und entsprechen dem Komplexitätsgrad des Derivategeschäfts; b) ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis für die unverzügliche Übertragung von Eigenmitteln oder die Rückzahlung von Verbindlichkeiten zwischen den Gegenparteien ist weder vorhanden noch abzusehen. Gelangen die zuständigen Behörden innerhalb von 30 Kalendertagen nach Erhalt des Antrags auf Befreiung zu keiner positiven Entscheidung, so kann die ESMA in Ausübung ihrer Befugnisse nach Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 dabei helfen, eine Einigung zwischen den Behörden zu erzielen. (7) Ein gruppeninternes Geschäft im Sinne des Artikels 3 Absatz 1, das zwischen nichtfinanziellen Gegenparteien abgeschlossen wird, die in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind, wird von der Anforderung nach Absatz 3 dieses Artikels befreit, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: a) Die Risikomanagementverfahren der Gegenparteien sind hinreichend solide und belastbar und entsprechen dem Komplexitätsgrad des Derivategeschäfts; b) ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis für die unverzügliche Übertragung von Eigenmitteln oder die Rückzahlung von Verbindlichkeiten zwischen den Gegenparteien ist weder vorhanden noch abzusehen. Die nichtfinanziellen Gegenparteien benachrichtigen die zuständigen Behörden nach Artikel 10 Absatz 5 über ihre Absicht, die Befreiung in Anspruch zu nehmen. Die Befreiung ist gültig, sofern nicht eine der benachrichtigten zuständigen Behörden innerhalb von drei Monaten ab dem Tag der Benachrichtigung erklärt, dass die Voraussetzungen der Buchstaben a oder b des Unterabsatzes 1 nicht erfüllt sind.

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6. Teil. Marktregeln (8) Ein gruppeninternes Geschäft im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 Buchstaben a bis d, das zwischen einer in der Union ansässigen und einer in einem Drittstaat ansässigen Gegenpartei abgeschlossen wird, wird auf der Grundlage einer befürwortenden Entscheidung der zuständigen Behörde, der jeweils die Aufsicht über die in der Union ansässige Gegenpartei obliegt, ganz oder teilweise von der Anforderung nach Absatz 3 dieses Artikels befreit, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: a) Die Risikomanagementverfahren der Gegenparteien sind hinreichend solide und belastbar und entsprechen dem Komplexitätsgrad des Derivategeschäfts; b) ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis für die unverzügliche Übertragung von Eigenmitteln oder die Rückzahlung von Verbindlichkeiten zwischen den Gegenparteien ist weder vorhanden noch abzusehen. (9) Ein gruppeninternes Geschäft im Sinne des Artikels 3 Absatz 1, das zwischen einer in der Union ansässigen nichtfinanziellen Gegenpartei und einer in einem Drittstaat ansässigen Gegenpartei abgeschlossen wird, wird von der Anforderung nach Absatz 3 dieses Artikels befreit, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: a) Die Risikomanagementverfahren der Gegenparteien sind hinreichend solide und belastbar und entsprechen dem Komplexitätsgrad des Derivategeschäfts; b) ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis für die unverzügliche Übertragung von Eigenmitteln oder die Rückzahlung von Verbindlichkeiten zwischen den Gegenparteien ist weder vorhanden noch abzusehen. Die nichtfinanzielle Gegenpartei benachrichtigt die zuständige Behörde nach Artikel 10 Absatz 5 über ihre Absicht, die Befreiung in Anspruch zu nehmen. Die Befreiung ist gültig, sofern nicht die benachrichtigte zuständige Behörde innerhalb von drei Monaten ab dem Tag der Benachrichtigung erklärt, dass die Voraussetzungen der Buchstaben a oder b des Unterabsatzes 1 nicht erfüllt sind. (10) Ein gruppeninternes Geschäft im Sinne des Artikels 3 Absatz 1, das zwischen einer nichtfinanziellen Gegenpartei und einer finanziellen Gegenpartei abgeschlossen wird, die in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind, wird auf der Grundlage einer befürwortenden Entscheidung der zuständigen Behörde, der jeweils die Aufsicht über die finanzielle Gegenpartei obliegt, ganz oder teilweise von der Anforderung nach Absatz 3 dieses Artikels befreit, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: a) Die Risikomanagementverfahren der Gegenparteien sind hinreichend solide und belastbar und entsprechen dem Komplexitätsgrad des Derivategeschäfts; b) ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis für die unverzügliche Übertragung von Eigenmitteln oder die Rückzahlung von Verbindlichkeiten zwischen den Gegenparteien ist weder vorhanden noch abzusehen. Die zuständige Behörde, der jeweils die Aufsicht über die finanzielle Gegenpartei obliegt, unterrichtet die zuständige Behörde nach Artikel 10 Absatz 5 über jede derartige Entscheidung. Die Befreiung ist gültig, sofern nicht die benachrichtigte zuständige Behörde erklärt, dass die Voraussetzungen der Buchstaben a oder b des Unterabsatzes 1 nicht erfüllt sind. Besteht zwischen den zuständigen Behörden eine Meinungsverschiedenheit, so kann die ESMA diese Behörden in Ausübung ihrer Befugnisse nach Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 dabei unterstützen, eine Einigung zu erzielen. (11) Die Gegenpartei des gruppeninternen Geschäfts, das von der Anforderung nach Absatz 3 befreit wurde, veröffentlicht die Informationen über die Freistellung. Eine zuständige Behörde unterrichtet die ESMA über jede Entscheidung gemäß den Absätzen 6, 8 oder 10 und über jede gemäß den Absätzen 7, 9 oder 10 eingegangene Benachrichtigung und teilt der ESMA die Einzelheiten des betreffenden gruppeninternen Geschäfts mit. (12) Die Pflichten nach den Absätzen 1 bis 11 gelten für OTC-Derivatekontrakte, die zwischen Drittstaatseinrichtungen, die diesen Pflichten unterliegen würden, wenn sie in der Union ansässig wären, geschlossen werden, sofern diese Kontrakte unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkungen innerhalb der Union haben oder sofern diese Pflichten notwendig oder zweckmäßig sind, um die Umgehung von Vorschriften dieser Verordnung zu verhindern.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks (13) Die ESMA kontrolliert den Handel mit nicht clearingfähigen Derivaten regelmäßig, um Fälle zu erkennen, in denen eine bestimmte Derivatekategorie ein Systemrisiko darstellen könnte, und um eine Aufsichtsarbitrage zwischen geclearten und nicht geclearten Derivatetransaktionen zu verhindern. Insbesondere trifft die ESMA – nach Anhörung des ESRB – Maßnahmen gemäß Artikel 5 Absatz 3 oder überprüft die für Einschussanforderungen geltenden technischen Regulierungsstandards gemäß Absatz 14 dieses Artikels und Artikel 41. (14) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen Folgendes festgelegt wird: a) die Verfahren und Vorkehrungen nach Absatz 1, b) die Marktbedingungen, die eine Bewertung zu Marktpreisen verhindern, und die Kriterien für eine Bewertung nach Modellpreisen gemäß Absatz 2, c) die Angaben zu freigestellten gruppeninternen Geschäften, die in der Benachrichtigung gemäß den Absätzen 7, 9 und 10 enthalten sein müssen, d) die genauen Angaben, die in der Mitteilung über freigestellte gruppeninterne Geschäfte nach Absatz 11 enthalten sein müssen, e) die Kontrakte, die unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkungen innerhalb der Union haben dürften, und die Fälle, in denen es notwendig oder zweckmäßig ist, die Umgehung von Vorschriften dieser Verordnung zu verhindern, wie in Absatz 12 vorgesehen; die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. (15) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA allgemeine Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen Folgendes festgelegt wird: a) die Risikomanagementverfahren, einschließlich der Höhe und der Art der Sicherheiten sowie der Abgrenzungsmaßnahmen, die zur Einhaltung der Vorschriften des Absatzes 3 erforderlich sind, b) die Eigenkapitalausstattung, die zur Einhaltung der Vorschriften des Absatzes 4 erforderlich ist, c) die Verfahren, die die Gegenparteien und die jeweils zuständigen Behörden bei Freistellungen gemäß den Absätzen 6 bis 10 zu befolgen haben, d) die maßgeblichen Kriterien nach den Absätzen 5 bis 10, insbesondere die Umstände, die als tatsächliches oder rechtliches Hindernis für die unverzügliche Übertragung von Eigenmitteln oder die Rückzahlung von Verbindlichkeiten zwischen den Gegenparteien betrachtet werden sollten. Die ESA legen der Kommission diese allgemeinen Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. In Abhängigkeit von der Rechtsform der Gegenpartei wird der Kommission die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010, (EU) Nr. 1094/2010 oder (EU) Nr. 1095/ 2010 zu erlassen. Artikel 12 Sanktionen (1) Die Mitgliedstaaten legen Vorschriften über Sanktionen bei Verstößen gegen die Bestimmungen dieses Titels fest und ergreifen alle erforderlichen Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Sanktionen. Diese Sanktionen umfassen zumindest Geldbußen. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. (2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die für die Beaufsichtigung von finanziellen und gegebenenfalls nichtfinanziellen Gegenparteien zuständigen Behörden die wegen Verstößen gegen Artikel 4, 5 und 7 bis 11 verhängten Sanktionen öffentlich bekanntgeben, es sei denn, diese Bekanntgabe würde die Stabilität der Finanzmärkte erheblich gefährden oder den Beteiligten einen unverhältnismäßig hohen Schaden zufügen. Die Mitgliedstaaten veröffentlichen in regelmäßigen Abständen Berichte über die Bewertung der Wirksamkeit der geltenden Sanktionsbestimmungen.

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6. Teil. Marktregeln Personenbezogene Daten im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 95/46/EG sind nicht Teil der Offenlegung und Veröffentlichung dieser Informationen. Bis zum 17. Februar 2013 melden die Mitgliedstaaten der Kommission die in Absatz 1 genannten Bestimmungen. Sie teilen der Kommission jede spätere Änderung derselben unverzüglich mit. (3) Die Wirksamkeit eines OTC-Derivatekontrakts oder die Möglichkeit der Parteien zur Durchsetzung der Bestimmungen eines OTC-Derivatekontrakts bleibt von Verstößen gegen die Bestimmungen dieses Titels unberührt. Aus Verstößen gegen die Bestimmungen dieses Titels ergeben sich keine Schadenersatzansprüche gegen eine Partei eines OTC-Derivatekontrakts. Artikel 13 Mechanismus zur Vermeidung doppelter oder kollidierender Vorschriften (1) Die Kommission wird von der ESMA bei der Überwachung der internationalen Anwendung der in den Artikeln 4, 9, 10 und 11 festgelegten Grundsätze, insbesondere in Bezug auf etwaige doppelte oder kollidierende Anforderungen an die Marktteilnehmer, und bei der Erstellung einschlägiger Berichte an das Europäische Parlament und den Rat unterstützt, und sie empfiehlt mögliche Maßnahmen. (2) Die Kommission kann Durchführungsrechtsakte erlassen, in denen sie erklärt, dass die Rechts-, Aufsichts- und Durchsetzungsmechanismen eines Drittstaats a) den durch diese Verordnung in den Artikeln 4, 9, 10 und 11 festgelegten Anforderungen entsprechen; b) einen Schutz des Berufsgeheimnisses gewährleisten, der dem dieser Verordnung gleichwertig ist, und c) wirksam angewandt und auf faire und den Wettbewerb nicht verzerrende Weise durchgesetzt werden, damit eine funktionierende Aufsicht und Rechtsdurchsetzung in diesem Drittstaat gewährleistet ist. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach Maßgabe des in Artikel 86 Absatz 2 genannten Prüfverfahrens erlassen. (3) Ein Durchführungsrechtsakt über die Gleichwertigkeit gemäß Absatz 2 impliziert, dass die in den Artikeln 4, 9, 10 und 11 dieser Verordnung vorgesehenen Pflichten der Gegenparteien, die ein Geschäft im Rahmen dieser Verordnung abschließen, nur dann als erfüllt gelten, wenn mindestens eine der Gegenparteien in dem betreffenden Drittstaat niedergelassen ist. (4) Die Kommission überwacht in Zusammenarbeit mit der ESMA die wirksame Umsetzung der Anforderungen, die den in den Artikeln 4, 9, 10 und 11 festgelegten Anforderungen gleichwertig sind, durch die Drittstaaten, für die ein Durchführungsrechtsakt über die Gleichwertigkeit erlassen worden ist, und erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat regelmäßig und mindestens einmal jährlich Bericht. Sofern aus diesem Bericht hervorgeht, dass eine unzureichende oder inkohärente Umsetzung der Gleichwertigkeitsanforderungen durch Drittstaatsbehörden vorliegt, nimmt die Kommission innerhalb von 30 Kalendertagen nach Vorlage des Berichts die Anerkennung der Gleichwertigkeit des betreffenden Rechtsrahmens des Drittstaats zurück. Wird ein Durchführungsrechtsakt über die Gleichwertigkeit zurückgenommen, so unterliegen die Gegenparteien automatisch wieder allen Anforderungen dieser Verordnung.

1. Artikel 4: Reguläres Clearing von OTC-Derivaten – Clearingpflicht

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a) Clearingpflicht – Ziel und Überblick (mit Ausführungsregeln, Abs. 4). Vorrangiges Regulierungsinstrument der EMIR für OTC-Derivate ist die Clearingpflicht nach Art. 4. Das Ziel der Clearingpflicht ist nach dem Gesagten die Minimierung des Ausfallrisikos der Gegenpartei sowie (nach Art. 5 Abs. 4 EMIR noch vorrangig) die Minimierung des systemischen Risikos, das sich namentlich aus massenweisem Ausfall ergeben kann (oben Rn 655–658). Diese Regelung ist auf OTC-Derivate fokussiert, weil an geregelten Märkten gehandelte Derivate bereits den Absicherungsformen unterliegen, die in der dortigen Marktregulierung vorgesehen sind. Die Kernregelung findet sich in Art. 28, 29 MiFIR, die zeitlich erst an die EMIR anschließen – das Problem der OTC-Märkte erschien noch bren-

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

nender –, inhaltlich jedoch insofern mit dieser verknüpft ist, als durch Herausnahme eines Teils des Geschäfts aus dem OTC-Transaktionsbereich das dort angesiedelte Risiko ebenfalls gemindert wird.333 In der Tat erfassen Art. 28 und 29 EMIR denselben Kreis an Personen – finanzielle Gegenparteien und nichtfinanzielle Gegenparteien bei Überschreitung einer bestimmten volumenmäßigen Schwelle an nicht absicherungsbezogenen Derivaten (unten Rn 706–717 und 727–730). Die Normen eröffnen dann im Verhältnis zu diesen die Möglichkeit, (durch Durchführungsakt der Kommission) für bestimmte Derivategruppen, die ohnehin bereits an geregelten Märkten oder multilateralen bzw. organisierten Handelssystemen gehandelt werden (sog. Venue Test), eine Pflicht anzuordnen, in der Tat allein über diese Handelsplätze abzuschließen (Handelspflicht, Art. 28 MiFIR).334 Voraussetzung ist hierfür ist freilich, dass diese Derivategruppe nicht nur bereits solch einen Handelsplatz oder mehrere hat (Venue Test), sondern dass das an diesen Handelsplätzen vorhandene Liquiditätsvolumen auch groß genug erscheint, um den bestehenden oder zu erwartenden Bedarf zu bedienen (sog. liquidity Test). Verbunden sind damit dann – wie im OTC-Handelsbereich und diesen Regeln nachgebildet – ein zwingendes Clearing über CCPs (Art. 29 Abs. 1 MiFIR)335 und eine Pflicht zu zeitgleicher Erfüllung (Art. 29 Abs. 1 MiFIR).336 Unterstützt werden diese Anordnungen durch umfangreiche organisatorische Vorkehrungen (vgl. bes. unten 7. Teil Rn 183). Umgekehrt können und sollen CCPs, über die das zwingende Clearing erfolgt, auch beim OTC-Derivatehandel zum Clearing (nach Zulassung) auch nur für blockweise zu bewertende und abwicklungsfähige, d.h. standardisierte OTC-Derivate verpflichtet werden, um übermäßige regulative Belastungen zu vermeiden (15./16. Erw.grund), übermäßig namentlich auch im Verhältnis zum denkbaren Ausfall- und systemischen Risiko (17. Erw.grund).337 Ohne Clearingpflicht wurde die Möglichkeit eines Clearing über CCPs nicht hinreichend genutzt, um diese Ziele zu erreichen (13. Erw.grund). Gerade die Clearingpflicht zieht jedoch in speziellen Sektoren oder Transaktionen der Realwirtschaft, etwa in der Energiewirtschaft oder bei Mergers & Acquisitions, erhebliche Belastungen nach sich.338 333

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Zu diesem Konnex und dem Hintergrund in der globalen Finanzkrise vgl. Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Binder 37 Kapitel Rn 37a; Stegeman/Berket in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 391 (bes. 391–394). Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 37 Kapitel Rn 37a; ausf. Peery The Post-Reform guide to derivatives and futures, 2012; Stegeman/Berket in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 391 (bes. 394–404). Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 37 Kapitel Rn 37a; ausf. Hasenpusch Clearing Services for Global Markets – a Framework for the future development of the clearing industry, 2011; Stegeman/Berket in: Busch/ Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 391 (bes. 404–411). Ausf. Stegeman/Berket in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 391 (bes. 411–420). Vgl. Grüning/Cieslarczyk RdE 2013, 354 (356); Gergen jM 2015, 139 (139 f.); Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 37 Kapitel Rn 38; Kounadis Journal of Internatio-

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nal Banking Law and Regulation 29 (2014) 556 (563); Wettbewerbsverzerrungen befürchtend (bei ansonsten positiver Bewertung der Stabilitätsauswirkungen, speziell auch für Deutschland): von Hall WM 2013, 673; zu den damit zwangsläufig verbundenen Regulierungskosten, zur Bedeutung von Standardisierung zur relativen Senkung dieser Kosten und allgemein die Vor- und Nachteile der Clearingpflicht breit abwägend Kounadis Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 556 (562–567). Zur erheblichen Auswirkung speziell in der Energiewirtschaft: Funke WM 2012, 202; Funke/Neubauer CCZ 2012, 6; Grüning/ Cieslarczyk RdE 2013, 354; von Hoff/von Watzdorf ET 2013, 107; Kox ET 2013, 42; speziell zu Transparenzpflichten Zenke/ Fischer EnWZ 2013, 211 und speziell zur Auswirkung auf Mergers & Acquisitions: Pankoke/Wallus Europäische Derivateregulierung und M&A, WM 2014, 4.

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Der Tatbestand der Clearingpflicht wird vor allem durch die Festlegung der erfassten Instrumente und der erfassten Personen umrissen: der clearingpflichtigen OTC-Derivate (unten Rn 706, auch zum konstitutiven Registereintrag, der auf den Art. 4 Abs. 1 EMIR verweist) und der clearingpflichtigen Gegenparteien (Rn 707–708). Dabei umfasst die Clearingpflicht (nach dem Gesagten, namentlich Art. 2 Nr. 3 EMIR, oben Rn 682–683) die Ermittlung der sog. Positionen, d.h. die Ermittlung der positiven und negativen Marktwerte aller Derivate,339 die darauf aufbauende Ermittlung der Nettopositionen durch Saldierung, sowie die Absicherung der aus den offenen Nettopositionen resultierenden Ausfallrisiken durch Bereitstellung von Sicherheiten (anfänglich und kontinuierlich angepasst/ ergänzt, sog. „initial margins“ und „variation margins“, d.h. mit Nachschusspflicht).340 705 Im Rest der Regelung (Art. 4 Abs 3 bis Art. 7 EMIR) sind – abgesehen von Ausnahmen für gruppeninterne Geschäfte (Art. 4 Abs. 2 EMIR, unten Rn 710) – die Verfahren spezifiziert, nach denen die clearingpflichtigen OTC-Derivate bestimmt und von nicht clearingpflichtigen (nur der Risikominimierungspflicht unterliegenden) OTC-Derivaten unterschieden werden, einschließlich dem entsprechenden Register (bes. Art. 5 und 6 EMIR, unten Rn 712–716 und 717) und nach denen die Clearingpflicht durchgeführt wird (bes. Art. 4 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 EMIR, unten Rn 711–712 und 718). Teils betreffen die Regeln in Art. 5–7 EMIR beide Verfahren gemeinsam (etwa Art. 6 Abs. 2 EMIR). Die wichtigsten Ausführungsregeln zu diesem Komplex finden sich in Delegierte Verordnung (EU) 2015/2205 (vgl. Art. 5 Abs. 2), Delegierte Verordnung (EU) Nr. 149/2013 (vgl. Art. 6 Abs. 4) und Delegierte Verordnung (EU) Nr. 285/2014 (vgl. Art. 4 Abs. 4) (Nachw. für alle Rn 662).

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b) Clearingpflichtige OTC-Derivate (Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 2) – Verweis. Clearingpflichtig (durch Einschaltung von CCPs) sind nach EMIR allein OTC-Derivate (vgl. dazu oben Rn 703), freilich nicht alle OTC-Derivate. Die Bestimmung des Kreises der clearingpflichtigen OTC-Derivate (und damit umgekehrt auch des Kreises der OTC-Derivate, die keiner Clearingpflicht, sondern allein den Risikominimierungspflichten durch die Parteien nach Art. 11 EMIR unterliegen) ist Gegenstand einer eingehenden Regelung in Art. 5 und 6 EMIR – mit Bestimmungen zu den Kriterien, zum Listeneintrag und zum öffentlichen Register (dazu dann näher unten Rn 713–717).

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c) Clearingpflichtige Gegenparteien (Abs. 1 lit. a)). Die Clearingpflicht ratione personae umreißt Abs. 1 lit. a). Aus der Liste von fünf Konstellationen ergibt sich, dass eine Clearingpflicht nur besteht, wenn beide (Gegen-)Parteien (nach den Kriterien der EMIR) clearingpflichtig sind341 – und sei dies auch nur hypothetisch. Unter den in der EU ansässigen Parteien sind dies (abgesehen von den Generalausnahmen, oben Rn 677) (i) alle finanziellen Gegenparteien, also alle einer Aufsicht in der EU unterliegenden Finanzinstitute und Fonds (zum Kreis näher oben Rn 689), und (ii) die nichtfinanziellen Gegenparteien, soweit sie die nach Art. 10 EMIR maßgeblichen Schwellen von (Netto-)Positionen überschreiten und zwar für Positionen ohne nachweisbaren Absicherungszweck. Dabei wird

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Näher hierzu Zerey/Donner Finanzderivate § 34 Rn 108; Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (194); EBJS/König BankR Rn VIII 18. Zur Auswirkung auf eine Finanzmarkttransaktionssteuer vgl. Heber/Sternberg RdF 2014, 211. Vgl. Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (194); Funke WM, 2012, 202 (207); Coridaß WM 2015, 268 (272); ausf. (vor allem im Hin-

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blick auf das Geschäft der Investmentfonds) Decker RdF 2014, 23. So auch Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B Rn 7; Coridaß/Müller in: Temporale (Hrsg.), Europäische Finanzmarktregulierung, S. 125 (134); Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2129); vgl. auch 22. Erw.grund; Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (195).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

bei beiden Arten von Gegenpartien der Sitz in der EU bereits als Teil der Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 8 und 9 EMIR vorausgesetzt (im Falle von Nr. 8 in den Rechtsakten, auf die Bezug genommen wird). Alle möglichen Kombinationen von (in der EU ansässigen) finanziellen und clearingpflichtigen nichtfinanziellen Gegenparteien werden in Abs. 1 lit. a) Nr. (i) bis (iii) aufgezählt und damit erfasst. In allen Fällen sind beide Vertragsparteien schon individuell clearingpflichtig. Im Ergebnis sind also vor allem das Interbankengeschäft und das Geschäft von nichtfinanziellen Gegenparteien mit erheblichem Spekulationsgeschäft erfasst. In Abs. 1 lit. a) Nr. (iv) und (v) werden demgegenüber der Clearingpflicht auch Parteien 708 (und von ihnen abgeschlossene Derivatekontrakte) unterworfen, wenn eine oder beide Parteien zwar nicht der Clearingpflicht nach der EMIR unterliegen, dies jedoch nur mangels Sitz in der EU so ist – also die Äquivalente zu finanziellen Gegenparteien und nichtfinanziellen Gegenparteien mit erheblichem Spekulationsgeschäft. Diese werden daher auch nicht mit dem Begriff „Gegenpartei“, sondern mit den abweichenden Termini „Einrichtung“ oder „Unternehmen“ umschrieben. Solche Parteien mit Sitz in Drittstaaten werden für Zwecke der Ermittlung der Clearingpflicht hypothetisch an den Kriterien der EMIR gemessen. Gleichartige Finanzinstitute und Fonds, die einer Aufsicht unterliegen, und andere Parteien, die einer Clearingpflicht nach den Kriterien in Art. 10 EMIR unterlägen (also Schwellenüberschreitung und fehlende Absicherungszielrichtung),342 werden ebenfalls der Clearingpflicht nach Art. 4 Abs. 1 EMIR unterworfen, wenn eine von zwei Voraussetzungen gegeben ist. Entweder ist die andere Gegenpartei eine finanzielle oder clearingpflichtige nichtfinanzielle Gegenpartei (d.h. mit Sitz in der EU) – in diesem Falle wird der hinreichende EU-Bezug unwiderleglich vermutet, weil eine Partei mit Sitz in der EU von einem Ausfallrisiko ihres Vertragspartners betroffen ist343 oder alternativ – d.h. wenn beide Vertragsseiten ihren Sitz in einem Drittstaat haben – muss die erhebliche Auswirkung in der EU positiv nachgewiesen werden. Die Verordnung sieht hierfür vor, dass entweder „unmittelbar, wesentlich und vorhersehbar“ Auswirkungen in der EU gezeitigt werden, also ein erhebliches systemisches Risiko zu befürchten ist, namentlich wegen der finanziellen Verflechtung einer der Parteien mit solchen in der EU,344 oder dass beim gewählten Arrangement eine Umgehung der Anwendung von EMIR – wohl vorsätzlich – treibend war.345 Nähere Spezifikationen hierzu finden sich in den technischen Regulierungsstandards nach Art. 4 Abs. 4 EMIR.346 d) Stichtag (Abs. 1 lit. b)). Die Clearingpflicht kann sich mit der Zeit ändern. Ratione 709 personae geschieht dies namentlich, weil nichtfinanzielle Gegenparteien durch (nachhaltige) Schwellenüberschreitung in die Clearingpflicht hineinwachsen oder durch (nachhaltige) Schwellenunterschreitung wieder aus ihr herausfallen. Den genauen Zeitpunkt regelt Art. 10

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Näher zu dieser hypothetischen Ermittlung der Clearingpflicht nach EMIR: Wilhelmi/ Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B Rn 14; Köhling/Adler 2012, 2125 (2130 f.); und Hartenfels ZHR 178 (2014) 174 (195). Vgl. Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/ Achtelik Handbuch, Teil 3 B Rn 14; Schuster/Ruschkowski ZBB/JBB 2014, 123 (126). Näher Aron/Lalone/Jackson 14 Journal of Investment Compliance 57 (58) (2/2013) (auch zur Anwendbarkeit auf Initiative der

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CCPs selbst); Kounadis Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 556 (559); Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B Rn 15; Schuster/Ruschkowski ZBB/ JBB 2014 123 (126). Näher Gstädtner RdF 2012, 145 (148 f.); Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B Rn 14. Vgl. Delegierte VO (EU) Nr: 285/2014 der Kommission ABl.EU 2014 L 85/1 (oben Fn 275).

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6. Teil. Marktregeln

EMIR (vgl. daher dazu unten Rn 727–730). Rationae materiae kann sich die Clearingpflicht dadurch ändern, dass ein OTC-Derivat nach Art. 5 Abs. 2 EMIR in den Kreis der clearingpflichtigen OTC Derivate aufgenommen oder aus ihm herausgenommen wird. Wieder ist der genaue Zeitpunkt dort geregelt (vgl. daher herzu unten Rn 713–715). Dies kann auch davon abhängen, dass erstmals ein CCP für diese Derivatekategorie zur Verfügung steht (vgl. Art. 5 Abs. 3 EMIR, außerdem 16. Erw.grund). Abs. 1 lit. b) legt in diesen Fällen fest, dass die Clearingpflicht in jedem Fall bereits am selben Tag für ab diesem Zeitpunkt geschlossene Kontrakte greift (Nr. (i)), zudem jedoch auch (rückwirkend), wenn bei Entstehen der Clearingpflicht der fragliche Kontrakt zwar bereits geschlossen ist, seine Restlaufzeit jedoch noch die von der EU-Kommission für diese Art Kontrakt festgelegte clearingpflichtige Mindestrestlaufzeit überschreitet (lit. (ii) i.V.m. Art. 5 Abs. 2 lit. e) EMIR).347 Solch eine Rückwirkung – durch Festlegung der Restlaufzeit – ist für das Anerkennungsverfahren im Verhältnis zu Drittstaaten freilich nicht vorgesehen und daher nicht möglich.348

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e) Ausnahme für gruppeninterne Geschäfte (Abs. 2). Gruppeninterne Geschäfte iSd Art. 3 EMIR (oben Rn 698–701) werden grundsätzlich nicht als (risikoträchtige) Positionen verstanden und entsprechend nicht bei der Berechnung von Nettopositionen herangezogen, soweit es um die Clearingpflicht geht (Art. 4 Abs. 2 EMIR). Die wirtschaftliche Einheit einer derart stark integrierten Unternehmensgruppe leitet diese Bewertung.349 Freilich stellt Art. 4 Abs. 2 EMIR diese Ausnahme von der Clearingpflicht unter einen Transparenz- bzw. Genehmigungsvorbehalt. Bei EU-internen Sachverhalten müssen die Gegenparteien nur entsprechend lit. a) ordnungsgemäß ihrer jeweils zuständigen Behörde melden, mit einem 30-tägigen Prüfrecht, jedoch mit einem Vetorecht nur, wenn die Voraussetzungen des Art. 3 EMIR nicht erfüllt sind.350 Umgekehrt hat die zuständige Behörde bei Geschäften mit einer nicht in der EU ansässigen Gegenpartei ein echtes Vetorecht (lit. b).351

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f) Erfüllung der Clearingpflicht durch Einschaltung von CCP (Abs. 3). Die Clearingpflicht können clearingpflichtige Gegenparteien nicht wirksam durch eigene Abwicklungsund Absicherungsmaßnahmen erfüllen, sondern nur durch Einschaltung von hierzu zugelassenen CCPs (Art. 14 EMIR), auch solchen aus Drittstaaten (Art. 25 EMIR, zu deren Zulassung dann unten 7. Teil Rn 23, 189 und 192 ff.).352 Abs. 3 scheint davon auszugehen, dass die Eintragung in das Register nach Art. 6 Abs. 2 lit. b) EMIR konstitutiv sei.353 Hierzu werden alle Gegenparteien entweder Mitglieder der fraglichen CCPs, treten zu solchen Mitgliedern in Kundenbeziehung (Art. 2 Nr. 15 EMIR)354 oder schaffen eine indirekte Kundenbeziehung zu diesen, um so eine Vertragskette zu schaffen, in der die Letzt-

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Zu dieser Regelung näher Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B Rn 27–31. Vgl. Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (196). Vgl. 38. Erw.grund; Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B Rn 17. Zum Koordinierungsverfahren, das ESMA bei unterschiedlicher Beurteilung durch die beiden zuständigen Behörden leitet (vgl. lit. a) a.E.), vgl. näher Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B Rn 24 f. Zur ordnungsgemäßen Ermessensausübung in diesem Fall näher vgl. Merkblatt der Ba-

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fin – Anzeigen/Anträge Intragruppenausnahmen nach Art. 4 EMIR sowie bei Drittstaatensachverhalten; Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B Rn 24. Vgl. Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (194); Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B Rn 37; Zerey/Donner Finanzderivate § 34 Rn 108, 122. Ebenso Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 598. Vgl. Schuster/Ruschkowski ZBB/JBB 2014 123 (124 f.); Zerey/Donner Finanzderivate § 34 Rn 110; Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (194 f.).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

haftung die zentrale Gegenpartei trifft. Wichtig ist, dass auf jeder Stufe gesichert ist, dass Kundenvermögenswerte von solchen des Dienstleisters, etwa des Mitglieds der CCP getrennt sind, dass auch die eingeschossenen Sicherheiten bei Insolvenz des Dienstleisters weiter dem Kunden zustehen und eine Verfügung über diese Werte und Sicherheiten möglich bleibt (vgl. 64. Erw.grund, und im einzelnen Art. 39 und 46 EMIR sowie unten Rn 759–763 und 7. Teil Rn 189–194). Nähere Spezifikationen finden sich in den technischen Regulierungsstandards nach Art. 4 Abs. 4 EMIR.355 2. Artikel 5, 6: Reguläres Clearing von OTC-Derivaten – Festlegungsverfahren und Registrierung für CCPs und clearingpflichtige OTC-Derivate a) Festlegung zugelassener CCPs (Art. 5 Abs. 1). Über die Zulassung von CCPs ent- 712 scheidet allein die (nationale) zuständige Behörde, sie hat hiervon die ESMA nur (unverzüglich) zu unterrichten. ESMA erstellt hieraus das Register nach Art. 6 EMIR (unten Rn 717). Die Voraussetzungen einer Zulassung regeln Art. 14, 15 EMIR, die eine möglichst einheitliche Praxis gewährleisten sollen (vgl. hierzu, mit Ausführungsvorschriften, unten 7. Teil Rn 187 f.). Die Spezifikationen in den technischen Regulierungsstandards nach Art. 5 Abs. 1, 2.–4. UAbs. EMIR betreffen nicht diese Voraussetzungen, sondern allein die Inhalte der Meldung an die ESMA.356 b) Festlegung clearingpflichtiger OTC-Derivate und Gegenparteien (Art. 5 Abs. 2, 4 713 und 5). Die Festlegung clearingpflichtiger OTC-Derivatekategorien (Abs. 2) – genauer: von OTC-Derivatekategorien, die zwingend durch CCP und nicht durch die Parteien allein oder auf anderem Wege gecleart werden müssen/dürfen – setzt voraus, dass mindestens eine CCP hierfür zugelassen ist. Erst wenn mindestens eine CCP für das Clearing der fraglichen Derivatekategorie zugelassen ist (vorige Rn), kann die Clearingpflicht für diese Derivatekategorie statuiert werden (Begründung unten, Rn 716). Dies geschieht durch Erlass technischer Regulierungsstandards nach Abs. 2,357 die a) die clearingpflichtige Derivatekategorie, b) den Zeitpunkt, zu dem die Clearingpflicht einsetzt, und die pflichtigen Gegenparteien sowie c) die Mindestrestlaufzeit festlegen. Letztere Festlegung ist wichtig für die rückwirkende Erstreckung der Clearingpflicht auf solche Derivatekontrakte, die bereits vor Einsetzen der Clearingpflicht verabredet wurden (vgl. oben Rn 709). Wichtiger – weil die Clearingpflicht wirklich konstituierend – sind jedoch die ersten bei- 714 den (oder drei) Festlegungen (erfasste OTC-Derivatekategorie, Anfangszeitpunt, erfasste Gegenparteien). Für diese beiden Festlegungen durch technische Regulierungsstandards

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Vgl. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/11 (oben Fn 268); vgl. auch: Decker BKR 2014, 397; Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B Rn 39. Vgl. Kapitel III bzw. Artikel 6 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/11 (oben Fn 268). Vgl. beispielsweise die Delegierte Verordnung (EU) 2015/2205 der Kommission vom 6. August 2015 zur Ergänzung der Verord-

nung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Clearingpflicht, ABl.EU 2015 L 314/13, in der bestimmte Basisswaps, Fixed-to-Float-Zinsswaps, Forward Rate Agreements und Overnight-Index-Swaps erfasst wurden. Die Aufstellung aller Derivatekategorien, die derzeit der Clearingpflicht unterworfen sind in: Public Register for the Clearing Obligation under EMIR (https://www.esma. europa.eu/sites/default/files/library/public_ register_for_the_clearing_obligation_under_ emir.pdf).

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stellen daher Abs. 4 (für die OTC-Derivatekategorien) und Abs. 5 (für den Anfangszeitpunkt und die erfassten Gegenparteien) nähere Kriterien auf, nach denen hierbei zu verfahren ist. Für die Festlegung der OTC-Derivatekategorien wird zunächst betont, dass das Hauptziel die Vermeidung systemischer Risiken bildet, also das einzelne Ausfallrisiko die Clearingpflicht noch nicht rechtfertigt, sondern erst die Summe der Ausfallrisiken, durch die die Gefahr systemischer Risiken begründet wird.358 Unter diesem Leitgesichtspunkt sind dann vor allem zwei Aspekte zueinander ins Verhältnis zu setzen: einerseits wie hoch die von der OTC-Derivatekategorie ausgehende Gefahr ist, andererseits ob das massenweise Clearing den CCPs überhaupt möglich bzw. zumutbar ist.359 Zentral für die Abwicklungsfähigkeit über CCPs (in hoher Zahl) ist ein Mindestmaß an Standardisierung der Vertragsbedingungen und der operativen Prozesse beim Clearing selbst (Abs. 4 lit. a)), was vor allem bei Aktienderivaten ein Problem war.360 Mit dem Volumen steigt die Summe der Ausfallrisiken, während umgekehrt geringe Liquidität das operationelle Risiko und damit auch das Ausfallrisiko steigen lassen kann und für eine Verbesserung der Liquidität durch (zwingende) Einschaltung von CCPs sprechen kann (Abs. 4 lit. b)).361 Ähnlich wie die Standardisierung sind faire, zuverlässige und allgemein akzeptierte Preisbildungsinformationen für die zwingende Abwicklung durch CCPs wichtig, umgekehrt aber problematisch etwa in Fällen von Preisen, die allein auf Umfragen beruhen.362 Die Vernetzung von Gegenparteien kann, muss aber nicht in Erwägung gezogen werden.363 Die Spezifikation der genannten Kriterien ist so wichtig, dass für sie nochmals eigene präzisierende technische Regulierungsstandards angedacht sind364 – so dass die Festlegung nach Abs 2 lit a) zweistufig erfolgt. 715 Ungleich eindimensionaler ist die Ausrichtung der fünf Kriterien, die bei der Festlegung der verpflichteten Gegenparteien und des Eintrittszeitpunkts der Clearingpflicht (und bei der Frage nach der Einräumung von Übergangsfristen) zu berücksichtigen sind. Vorausgesetzt wird hier bereits, dass die Anordnung einer zwingenden Clearingpflicht aus Gründen der Risikoprävention wünschenswert und auch verhältnismäßig wäre (vorige Rn). Es ist hier auch nicht die Stufe eines weiteren präzisierenden Sets von technischen Regulierungsstandards vorgesehen (keine vergleichbare Zweistufigkeit wie in Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 lit. a)). Alle Kriterien in Abs. 5 zielen dann nur noch darauf ab, ob einerseits das Clearingvolumen von der/den hierzu zugelassenen CCP(s) sinnvoll zu bewältigen ist und ob über-

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Vgl. schon die klare Fokussierung des 21. Erw.grundes; sowie Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B I Rn 32 und II Rn 70; Zenke/Fischer EnWZ 2013, 211 (Fn 38); Funke/Neubauer CCZ 2012, 6 (9). Vgl. zu den hohen Anforderungen an CCPs Gstädtner RdF 2012, 145 (152); Jaskulla BKR 2012, 441 (spezifisch am Beispiel von Eurex Clearing AG); Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2132). Zur Wichtigkeit der Standardisierung von Abreden und Abwicklungsprozessen für die Clearingpflicht allgemein Schuster/Ruschkowski ZBB/JBB 2014, 123 (127 f.); Köhling BKR 2013, 491 (493); Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B I Rn 32. Speziell zu den Problemen beim Aktienclearing: Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (196). Zum Abwicklungs-

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risiko als gegenüber dem Ausfallrisiko eigenständigem Risiko vgl. auch 19. Erw.grund S. 3. Zu diesen Aspekten näher Zerey/Schaffelhuber Finanzderivate Teil 4 § 29 Rn 46 und Zerey/Altroch/Stähler Finanzderivate Teil 5 § 31 Rn 68–91; Decker RdF 2014, 23; Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B I Rn 32. Vgl. Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (196); Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B I Rn 32. Vgl. 17. Erw.grund; Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B I Rn 32. Vgl. Kapitel 4 bzw. Artikel 7 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/11 (oben Fn 268).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

haupt und wie schnell die Kategorien von verpflichteten Gegenparteien die nötigen Vorkehrungen vernünftigerweise ergreifen können.365 Bei der Etablierung des Kreises der zu verpflichtenden Gegenparteien („Art und Zahl“) ist freilich auch die jeweilige Auswirkung auf das systemische Risiko zentral zu berücksichtigen – etwa, ob bestimmte Kategorien „vernachlässigbar“ sein mögen, so dass die Kriterien nach Art. 10 EMIR ebenso wie die Begriffsbestimmung nach Art. 2 Nr. 8 EMIR bloße Mindestvoraussetzungen für die Einbeziehung bilden, jedoch nicht zwingend zur Einbeziehung führen (keine „hinreichende“ Bedingung).366 c) Fehlen zugelassener CCPs bei clearingpflichtigen OTC-Derivaten (Art. 5 Abs. 3, 6). 716 Fehlt – anfänglich (Abs. 3) oder nachträglich (Abs. 6) – eine CCP, die für das Clearing einer OTC-Derivatekategorie zugelassen wäre, die als clearingpflichtig eingeordnet werden soll, so besteht keine Clearingpflicht (Unmöglichkeit).367 Dies statuiert bei nachträglichem Entfall – durch Entzug der Zulassung bei der letzten zugelassenen CCP – Abs. 6 ausdrücklich. Gleiches hat jedoch bei anfänglichem Fehlen (mangels bisheriger Zulassung, Abs. 3) zu gelten. Zugleich jedoch ist die ESMA in diesem Fall verpflichtet, aktiv nach möglichen CCPs zu suchen, indem sie die fraglichen Kategorien ermittelt, der EU-Kommission zur Kenntnis gibt und eine Aufforderung veröffentlicht, Anträge auf Zulassung zu erarbeiten (Abs. 3, vgl. auch 18. Erw.grund). Abs. 3 sieht dies für das anfängliche Fehlen von CCPs vor, gleiches ist jedoch kraft Verweises in Abs. 6 für den Fall des Entfallens der letzten Zulassung einer CCP für diese Derivatekategorie vorgesehen.368 d) Öffentliches Register für clearingpflichtige OTC-Derivate und zugelassene CCPs 717 (Art. 6). Die Festlegungen für die clearingpflichtigen Derivatekategorien und für die CCPs – namentlich für welche Derivatekategorien sie zum Clearing zugelassen sind – werden beide in einem von der ESMA geführten Register „ordnungsgemäß und eindeutig“ festgehalten und veröffentlicht, dies stets auf dem neuesten Stand (Abs. 1).369 Dabei nennt Art. 6 Abs. 1 EMIR nur die Derivatekategorien, die CCP-Zulassung wird also ersichtlich als (nur) dienend verstanden. Beide sind jedoch untrennbar aufeinander bezogen und bilden daher auch die beiden ersten und wichtigsten Inhalte des Registers nach Abs. 2 lit. a) und b). Zentral ist, dass beide Inhalte stetig auf neuestem Stand zu halten sind (vgl. Abs. 1 S. 1 a.E.). Für die CCPs wird dies nochmals wiederholt in Abs. 3, der die unverzügliche Löschung jeder CCP für diejenige(n) Derivatekategorie(n) vorsieht, für die sie nicht mehr zugelassen ist. Der Grundsatz einer Wiedergabe des Zulassungsstatus „in Echtzeit“ gilt jedoch allgemein.370 Für die Derivatekategorien regelt die Norm ansonsten zwar fast nur Informationen, die sich auf das (erstmalige) Entstehen der Clearingpflicht beziehen: so Abs. 2 lit. c) mit dem Einsetzen der Clearingpflicht; so aber auch Abs. 2 lit. e) mit der Regelung der

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Vgl. Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/ Achtelik Handbuch, Teil 3 B I Rn 31. Sondern konkrete Festlegung in technischen Standards vgl. Köhling/Adler WM 2012, 2125 (2130), wie für die Derivatekategorien nach Delegierte Verordnung (EU) 2015/2205 der Kommission ABl.EU 2015 L 314/13 (oben Fn 357). Vgl. Aron/Lalone/Jackson 14 Journal of Investment Compliance 57 (59) (2/2013); Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (195); Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B I Rn 34.

368 369

370

Vgl.Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/ Achtelik Handbuch, Teil 3 B I Rn 34. Zu diesem öffentlichen, bei der ESMA geführten Register (https://www.esma.europa. eu/sites/default/files/library/public_register_ for_the_clearing_obligation_under_emir.pdf) ausführlich Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B I Rn 42. Vgl. Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/ Achtelik Handbuch, Teil 3 B I Rn 42, der von „aktuell“ spricht.

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6. Teil. Marktregeln

Mindestrestlaufzeit, nach der sich ermitteln lässt, welche bereits früher eingegangenen Derivatekontrakte noch rückwirkend der Clearingpflicht unterworfen werden (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. b) Nr. (ii) EMIR); so schließlich auch Abs. 2 lit. f), nach dem das Meldedatum für jede CCP festzuhalten ist, um den Marktteilnehmern für die Erfüllung der Clearingpflicht eine verlässliche Handhabe der verfügbaren CCPs zu geben. Dennoch sind auch alle Entfallenstatbestände festzuhalten (vgl. Abs. 2 lit. a) und b)). Von allen Inhalten des Registers ist nur einer – in lit. d) – prospektiv ausgelegt, unterrichtet also über eine bevorstehende Clearingpflicht. Denn Art. 5 Abs. 3 EMIR, auf den hier verwiesen wird, regelt die Aufforderung an Unternehmen, einen Antrag auf Zulassung für eine oder mehrere OTC-Kategorie(n) auszuarbeiten und zu stellen, für deren Clearing (bisher) keine CCP zugelassen ist und daher (noch) keine Clearingpflicht besteht (vgl. oben Rn 713, 716). Nähere Spezifikationen zu allen Inhalten (nach Abs. 2) finden sich in den technischen Regulierungsstandards nach Art. 6 Abs. 4 EMIR.371 3. Gegenseitiger diskriminierungsfreier, transparenter Zugang (Art. 7, 8)

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a) Artikel 7: Zugang zu CCPs. Auf Handelsplätzen können OTC-Derivatekontrakte – also Kontrakte, die nicht auf geregelten Märkten (einschließlich dem amtlichen Handel an Börsen) eingegangen werden (Art. 2 Nr. 7 EMIR, oben Rn 687) – grds. nicht abgeschlossen werden, ohne eine Clearingpflicht nach Art. 4 EMIR auszulösen. Und diese kann allein durch ein Clearing seitens CCPs (dort Abs. 3) erfüllt werden. Dies begründet das Interesse aller Handelsplätze, Zugang zu den CCPs zu erhalten, die zum Clearing der für diese Handelsplätze relevanten Derivatekategorien zugelassen sind (weil oder soweit deswegen die Clearingpflicht angeordnet wurde, vgl. Art. 5 Abs. 3 EMIR). Diesen Zugang zu CCPs regelt Art. 7 dahingehend, dass die CCPs zwar verlangen können, dass der jeweilige Handelsplatz ihren jeweiligen „operativen und technischen Anforderungen“ (an Clearing und Risikomanagement) Genüge leistet, dass jedoch Handelsplätze, soweit sie diese Anforderungen erfüllen, ein Recht auf Zugang haben (Abs. 1).372 Jede CCP, bei der diese Voraussetzung gegeben ist, hat also den jeweiligen Handelsplatz für ein Clearing derjenigen OTCDerivate, die auf ihm eingegangen werden, zuzulassen. Um dies sicherzustellen, dürfen die Anforderungen nur einheitlich („diskriminierungsfrei“) angewandt werden und müssen hinreichend klar aufgedeckt werden („auf transparente Weise“) (vgl. insgesamt 34. Erw.grund). Der Rest der Regelung regelt das Zulassungsverfahren (drei + drei Monate und Begründungspflicht bei Ablehnung, Abs. 2–4). Auch die zuständigen Behörden für Handelsplatz und CCP dürfen ein Veto nur einlegen, wenn das Regulierungsinteresse dies gebietet (Sicherstellung von „reibungslosem und ordnungsgemäßem Funktionieren der Märkte“ einerseits sowie Vorsorge gegenüber einer „Verstärkung der Systemrisiken“ andererseits).373 ESMA hat bei Meinungsverschiedenheiten ein Letztentscheidungsrecht nach Art. 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2012 (mit direkter Eingriffsbefugnis).374 371

372

Vgl. Kapitel 5 bzw. Artikel 8 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/11 (oben (Fn 268). Vgl. zum Recht auf Zugang (und den genannten Voraussetzungen) etwa Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 602; Gstädtner RdF 2012, 145 (150 f.).

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373 374

Jeder dieser Gründe trägt allein schon das Vetorecht. Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/ EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl.EU 2010 L 331/84.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

b) Artikel 8: Zugang zu Handelsdaten und Handelsplätzen. Umgekehrt haben CCPs, 719 um die eigene Risikoabsicherung namentlich durch Bewertung der Positionen und Besicherungsanforderungen zu gewährleisten, ein Interesse an den Handelsdaten der verschiedenen Handelsplätze,375 aber auch das geschäftliche Interesse, ihre Investitionen in Information und Clearing in ein bestimmtes Derivat durch möglichst umfangreiches Geschäft zu amortisieren. Art. 8 gewährt daher CCPs zwei Arten von Zugangsrechten: zu den Handelsdaten (Abs. 1; „diskriminierungsfrei“ und ohne weitere Voraussetzungen, die nicht durch Datensicherheit und Geheimhaltungsinteressen begründet wären) und zur Übernahme von Clearingaufgaben für OTC-Derivate (Abs. 2–4), die auf diesem Handelsplatz gehandelt werden. Auch auf diesen Zugang besteht ein Recht bei Erfüllung der Voraussetzungen, die Abs. 4 2. UAbs. spezifiziert, und auch das Zulassungsverfahren ist parallel zu demjenigen in Art. 7 EMIR geregelt (drei + drei Monate und Begründungspflicht bei Ablehnung, Abs. 2–4). Voraussetzung ist hier nun, dass (i) der Zugang nicht abhängt vom Abschluss einer Interoperabilitätsabrede zwischen CCPs (mit ihren gesonderten Risikomanagementanforderungen nach Art. 51 ff. EMIR, vgl. unten 7. Teil Rn 195 f.),376 und dass (ii) die Eröffnung des Zugangs nicht die Gefahr heraufbeschwört, dass die Liquidität fragmentiert wird oder auf andere Weise die Marktfunktionen gestört werden. Dies ist namentlich möglich, wenn infolge der Zulassung weiterer CCPs auf dem Handelsplatz kein einzelner CCP mehr agiert, zu dem alle Marktteilnehmer durch Abschluss einer Clearing-Abrede Zugang haben. Dies würde dazu führen, dass Transaktionen zwischen den solchermaßen „unverknüpften“ Marktteilnehmern ausbleiben müssten.377 Die zweitgenannte Voraussetzung – ungleich wichtiger und nicht nur primär abwicklungstechnischer Art – wurde durch technische Regulierungsstandards näher spezifiziert.378 4. Artikel 9: Meldung aller Derivatekontrakte an das Transaktionsregister a) Meldepflicht und Ersatzmeldung (Abs. 1, 3). Die Meldepflicht ist breit sowohl im 720 persönlichen als auch im sachlichen Anwendungsbereich. Erfasst sind alle Gegenparteien (Abs. 1 S. 1), zentrale Gegenparteien, finanzielle Gegenparteien und auch nichtfinanzielle Gegenparteien – und dies unabhängig davon, ob sie die in Art. 10 EMIR genannten Schwellen überschreiten.379 Freilich sind zwar alle verpflichtet, die Meldepflicht muss je375

376

377

Zur Bedeutung einer breiten Abdeckung bei diesen Informationen für die Risikoabsicherung/Anforderungen adäquater Absicherung, vgl. Gstädtner RdF 2012, 145 (148). Vgl. zur Belastung der Handelsplätze durch Interoperabilitätsabreden Garvin Reserve Bank of Australia Bulletin, June Quarter 2012, 59 (63 f.). Siehe ferner 73. Erw.grund. Diese Fragmentierung vor allem ein Problem, seitdem MiFID I und II (aus wettbewerblichen Gründen) die Etablierung alternativer Handelsplätze fördern (Wettbewerb zwischen den Märkten): Clements/Lemma Open Review of Management, Banking and Finance 2015 (Forthcoming), abrufbar unter „http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm? abstract_id=2589827“ unter Nr. 1 und Nr. 6 (Informationsinstrumente zur Bekämpfung dieser Fragmentierung). Näher zu Fällen von Liquiditätsfragmentierung und ihren Aus-

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wirkungen ESMA Consultation Paper, Draft Technical Standards for the Regulation on OTC Derivatives, CCPs and Trade Repositories, 25.6.2012, ESMA/2012/379, Rn 47–53 (S. 13 f.). Vgl. Art. 9 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/11 (oben Fn 268). Dazu, dass sie (trotz dem restriktiv klingenden Art. 1 Abs. 2 S. 2 EMIR) erfasst sind, weil sie unter den allgemeinen Begriff der „Gegenpartei“ fallen: Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (210); Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 604; Köhling/Adler WM 2012, 2173 (2176); Litten/Schwenk DB 2013, 857 (860); Schuster/ Ruschkowski ZBB 2014, 123 (130 f.); Wulff/ Kloka WM 2015, 215 (219 f.).

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6. Teil. Marktregeln

doch nur einmal erfüllt werden380 und kann auch delegiert werden (Abs. 1 S. 3, nächste Rn), insbesondere auf die CCPs, die andere Gegenpartei, aber auch auf Dritte381 (auch in Drittstaaten Ansässige).382 IdR werden daher Meldepflichten von den CCPs oder jedenfalls von finanziellen Gegenparteien mit ihrer professionellen Expertise übernommen/erfüllt.383 Nicht meldepflichtig ist umgekehrt, wer keine Gegenpartei ist. Das sind namentlich alle Marktteilnehmer, die nicht als Unternehmen zu qualifizieren sind, vor allem jedoch alle Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU – Letzteres eine durchaus bewusst hingenommene Lücke, weil die meisten G20-Staaten eine Meldepflicht einführten (bzw. einführen wollten) und die Daten unter den Behörden ausgetauscht werden.384 721 Erfasst sind alle Gegenparteien – anders als für die Clearing- und Risikominimierungspflichten – auch für die gruppeninternen Geschäfte.385 Für sie sieht Art. 9 EMIR (anders als Art. 4 und 11 EMIR) keine Ausnahme vor. Da umgekehrt insoweit eine Ausnahme zur Clearingpflicht eingreift (Art. 4 Abs. 2 EMIR, oben Rn 710), also keine CCP eingeschaltet wird, muss die Meldung von einem Konzernmitglied übernommen werden. Hier kann es, wenn es sich um keinen Finanzkonzern handelt (allein mit nichtfinanziellen Gegenparteien), zu Abweichungen von der oben genannten Handhabe kommen (vorige Rn) – hier ist daher die Delegationsmöglichkeit an Dritte besonders wichtig. Delegation führt zwar nicht zum Entfallen der eigenen Meldepflicht,386 wohl aber die Erfüllung derselben (gleichgültig ob durch einen anderen Beteiligten oder durch den Auftragnehmer bei Delegation, vgl. vorige Rn). Bei Delegation – zumal bei allseitiger Delegation an die CCP – gestaltet sich zudem die weitere Pflicht, Mehrfachmeldungen zu vermeiden (Abs. 1 S. 5), leichter. Sie gilt jedoch wiederum in allen Konstellationen, insbesondere auch für nichtfinanzielle Gegenparteien. 722 Breit ist die Meldepflicht auch hinsichtlich der erfassten Derivate. Sie gilt für alle Derivatekontrakte, nicht nur OTC-Derivate und erst recht nicht nur für clearingpflichtige OTC-Derivate (zum Unterschied zwischen den beiden zuletzt genannten Kategorien oben Rn 685–687).387 Auch aus diesem Grund muss nicht notwendig eine CCP eingeschaltet sein, wieder kann es dazu kommen, dass allein nichtfinanzielle Gegenparteien meldepflichtig sind (und ggf. eine Delegation vorziehen).

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Zum Ersten (keine Entpflichtung durch Pflicht anderer): Kommission EMIR: Frequently Asked Questions vom 10.7.2014 (abrufbar unter: http://ec.europa.eu/ internal_market/financial-markets/docs/ derivatives/emir-faqs_en.pdf), Abschnitt II. 3. Zum Zweiten (einmalige Erfüllung wirkt für alle befreiend): Vgl. Art. 1 Abs. 3 bis 5 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 148/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/11 (oben Fn 269); vgl. ferner a.a.O.; 1. und 3. Erw.grund sowie Grüning/Cieslarczyk RdE 2013, 354 (359 f.). Vgl. Art. 1 Abs. 5 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 148/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/11 (oben Fn 269).

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Vgl. dazu Kommission EMIR: Frequently Asked Questions vom 10.7.2014 (oben Fn 380), Abschnitt II. 4. Vgl. Gstädtner RdF 2012, 145 (153); Litten/ Schwenk DB 2013, 857 (860); Kounadis Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 556 (561). Vgl. dazu Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (210). Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (210); Litten/Schwenk DB 2013, 857 (860). Kommission EMIR: Frequently Asked Questions vom 10.7.2014 (oben Fn 380), Abschnitt II. 3; Kounadis Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 556 (561). Für diesen breiten sachlichen Anwendungsbereich etwa EBJS/König BankR Rn VIII 28; Wulff/Kloka WM 2015, 215 (219 f.); Köhling/Adler WM 2012, 2173 (2174); Grüning/Cieslarczyk RdE 2013, 354 (359).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Die Meldung erfolgt an ein zugelassenes Transaktionsregister, ggf. auch in Drittstaaten 723 (Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 55, 77 EMIR),388 falls ein solches fehlt an die ESMA direkt, die dann kanalisierte Verbreitung selbst sichert (Abs. 3). b) Zeitpunkt und Inhalt der Meldung (mit Ausführungsregeln, Abs. 1 S. 1–3 und 724 Abs. 5–6). Alle Abschlüsse, aber auch Änderungen oder Beendigungen eines Derivatekontrakts sind zu melden – dies spätestens am Folgetag des jeweils maßgeblichen Ereignisses (Abs. 1 S. 1 und 2). Die Meldepflicht setzte ein am 16.8.2012 und erfasste auch noch die zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgewickelten Kontrakte (Abs. 1 S. 3). Während solchermaßen die maßgeblichen Meldezeitpunkte, aber auch der Beginn der Meldepflicht sehr konkret geregelt sind, wurden dennoch weitere Punkte durch technische Durchführungsstandards näher geregelt (Abs. 6):389 insbesondere die Einräumung von Übergangsfristen bei Altkontrakten (lit. b)) sowie vor allem Format und Häufigkeit der Meldung. Diese Ermächtigung macht deutlich, dass Meldungen (entgegen dem, was Abs. 1 suggeriert) auch wiederholt gefordert werden können müssen, namentlich um die Werte der offenen Positionen zu aktualisieren. Der Inhalt der Meldung ist ebenfalls im Grundsatz in Abs. 1 vorgegeben – gefordert 725 werden alle „Einzelheiten“ –, zugleich jedoch ebenfalls durch technische Durchführungsstandards näher geregelt (Abs. 5).390 Wie in Abs. 5 lit. a) und b) wird auch im Register selbst zwischen Angaben zum Pflichtigen (den Gegenparteien und den von ihnen gestellten Sicherheiten, mit 26 Datenfeldern) und solchen zum Derivatekontrakt (mit 32 Datenfeldern) unterschieden.391 c) Aufbewahrungs- und Geheimhaltungspflichten (Abs. 2 und 4). Alle Gegenparteien – 726 nicht nur diejenigen, die die Meldung vorgenommen haben – haben die Unterlagen zu allen meldepflichtigen Inhalten für fünf Jahre nach Ablaufdatum des Kontrakts aufzubewahren (Abs. 2). Die Partei, die die Meldung vornimmt, oder eine für sie insoweit agierende Person, gibt Informationen aufgrund einer gesetzlichen Pflicht und daher nicht unbefugt weiter. Entsprechend verletzt sie keine Geheimhaltungspflichten – gleichgültig ob vertraglicher oder gesetzlicher Art – und kann daher hierfür auch keiner Haftung (etwa nach nationalem Recht) unterworfen werden (Abs. 4). 5. Artikel 10: Clearingpflicht nichtfinanzieller Gegenparteien ab bestimmter Schwelle a) Melde- und Clearingpflicht: Entstehen und Entfallen (Abs. 1 und 2). Nach Abs. 1 727 unterliegen nichtfinanzielle Gegenparteien – also Unternehmen mit Sitz in der EU, die nicht CCPs sind und auch nicht dem Kreis der in Art. 2 Nr. 8 EMIR aufgelisteten und beaufsichtigten Finanzdienstleister angehören (oben Rn 688–690) – zwei Pflichten: der Clearingpflicht (lit. b)) nach Art. 4 EMIR und – vorher und unterstützend – bereits einer Meldepflicht (lit. a)). Abs. 2 lässt die Clearingpflicht wieder enden, für die Meldepflicht ist eine Parallelregel überflüssig. 388 389

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Zur Zulässigkeit auch dieser Meldung: Köhling/Adler WM 2012, 2173 (2176 f.). Diese technischen Durchführungsstandards wurden umgesetzt in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1247/2012 der Kommission vom 19. Dezember 2012, ABl.EU 2012 L 352/20 (oben Fn 269). Diese technischen Regulierungsstandards wurden umgesetzt in der Delegierten Verord-

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nung (EU) Nr. 148/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/11 (oben Fn 269). Näher zu diesen Registerinhalten: Grüning/ Cieslarczyk RdE 2013, 354 (359 f.); Gstädtner RdF 2012, 145 (153); Köhling/Adler WM 2012, 2173 (2177); Litten/Schwenk DB 2013, 857 (860).

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6. Teil. Marktregeln

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Vorausgesetzt wird jeweils die Überschreitung der in Abs. 3 näher definierten Schwelle, mit der auf den Umfang der Positionen aus OTC-Derivatekontrakten abgestellt wird, die nicht objektiv und messbar Absicherungszwecken dienen, also ein „erhebliches Spekulationsvolumen“ (vgl. nächste Rn) (Beendigung nach Abs. 2 spiegelbildlich bei entsprechendem Unterschreiten). Unterschiedlich ist der Zeitraum, für den die Überschreitung zu konstatieren sein muss. Schon beim ersten Überschreiten (auch nur für einen kurzen Zeitraum) ist die Überschreitung der ESMA und der zuständigen nationalen Behörde (Abs. 5), in Deutschland der BaFin (§ 19, heute § 31 WpHG n.F.), (schriftlich) zu melden.392 Hingegen greift die Clearingpflicht erst ein, wenn die „gleitende Durchschnittsposition“ die Clearingschwelle im Durchschnitt von 30 Tagen übersteigt, also wenn die Summe der für jeden Tag festgestellten Einzelwerte – geteilt durch 30 – über dem Schwellenwert liegt393 und wenn zudem ab Ablauf dieser 30 Tage nochmals vier Monate verstrichen sind (lit. c). Auf diese Weise kann die nichtfinanzielle Gegenpartei entweder die nötigen Clearingvereinbarungen abschließen oder umgekehrt die Summe der Positionen – im Durchschnittswert für mindestens 30 Tage – unter die maßgeblich Schwelle absenken und damit die Clearingpflicht gemäß Abs. 2 wieder entfallen lassen.394

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b) Schwellenbestimmung und -anwendung (Abs. 3–5). Für die Schwellenbestimmung sind zwei Parameter zentral, die beide durch technische Regulierungsstandards nach Abs. 4 (lit. a) und b)) näher spezifiziert sind: einzubeziehen sind nur solche Positionen, die nicht objektiv und nachweisbar der Absicherung anderer Risiken gelten (sog. Hedging). Hierfür wird auf IFRS und namentlich IAS 39 und seine Standards für Absicherungsgeschäfte verwiesen,395 darüber hinaus jedoch weitet der Regulierungsstandard das Konzept auf Derivate aus, die nur eine starke gegenläufige Korrelation zum Underlying des Derivats aufweisen.396 Einzubeziehen sind dabei alle Positionen der Gruppe, auch gruppeninterne Geschäfte, soweit sie nicht solchen Absicherungscharakter haben,397 und dies auch von „nichtfinanziellen Einrichtungen“, was (anders als der Begriff „Gegenparteien“) alle Unternehmen der Gruppe unabhängig von einem Sitz in der EU einschließt.398

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Hierzu Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (199); Pankoke/Wallus WM 2014, 4 (9). Zu den Formularsätzen, die zu verwenden sind, vgl. https://www.bafin.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Formular/WA/emir_ art10.1_bafin_pdf.html. Zur Berechnung und insbes. zum Zeitpunkt der Feststellung am jeweiligen Einzeltag: Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/ Heist Handbuch, Teil 4 A Rn 9; Coridaß/ Müller in: Temporale (Hrsg.), Europäische Finanzmarktregulierung, S. 125 (135 f.). Vgl. Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (197). Vgl. Art. 10 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/11 (oben Fn 268); und zu Absicherungsgeschäften iSv IAS 39: Boos/Fischer/SchulteMattler/Wiehagen-Knopke/Karnaoukh, KWG, CRR-VO, Vorbem. zu Art. 33–35 CRR-VO, Rn 71 ff.; ausf. Dilger 30 Journal

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of International Banking Law and Regulation 116 (2015). Vgl. näher Dilger 30 Journal of International Banking Law and Regulation 116 (2015); Litten/Schwenk DB 2013, 857 (862); Schwenk jurisPR-BKR 11/2012 Anm. 1, B.I.2.c)(2)(b); vgl. ferner ESMA, Final Report, Draft technical standards under the Regulation (EU) No 648/2012 of the European Parliament and of the Council of 4 July 2012 on OTC Derivatives, CCPs and Trade Repositories (ESMA/2012/600) vom 27.9.2012, Rn 58. Vgl. ESMA, Questions and Answers Implementation of the Regulation (EU) No 648/2012 on OTC derivatives, central counterparties and trade repositories (EMIR) vom 10.7.2017, Antwort OTC 3(b.1), S. 17; Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (198). Vgl. ESMA, Q&A (vorige Fn), Antwort OTC 3(b.4), S. 18; Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (198).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Die Summe dieser Positionen muss zudem die in Art. 11 VO (EU) Nr 149/2013 näher 730 spezifizierten Schwellen überschreiten, entscheidend ist also ein insgesamt erhebliches Spekulationsvolumen.399 Dabei wird nach fünf Kategorien unterschieden, wobei, wie Erw.grund 25 dieser VO klarstellt, die Überschreitung in einer Kategorie eine Clearingpflicht für alle begründet.400 Maßgeblich ist der Wert des Underlying: bei Kredit- und Aktienderivaten jeweils 1 Milliarde €, bei den – für die Realwirtschaft wohl operational wichtigeren – Zins-, Devisen- und Warenderivaten jeweils 3 Milliarden €, wobei die letzte Kategorie als Auffangkategorie für alle anderen Derivatetypen verstanden wird.401 Ab einem Gesamtnominalvolumen von 10 Mio. € bzw. 100 OTC-Derivatkontrakten im abgelaufenen Geschäftsjahr greift nach § 20, heute § 32 WpHG n.F., die Pflicht ein, einen Wirtschaftsprüfer bzw. vereidigten Buchprüfer prüfen und bestätigen zu lassen, dass die eingesetzten Systeme für die Erfüllung der Pflichten aus Art. 4 und 10 EMIR geeignet sind.402 6. Artikel 11: Risikominimierung für nicht durch CCPs geclearte OTC-Derivate-Geschäfte a) Überblick und gemeinsame Regeln, u.a. zu Extraterritorialität (Abs. 12–15). Art. 11 731 Abs. 1–4 EMIR sieht verschiedene Techniken der Risikominimierung für diejenigen OTCDerivate vor, bei denen kein Clearing durch CCPs stattfindet, greift also hilfsweise ein, um die bei Clearing durch die Einschaltung der CCPs minimierten Risiken (abgestuft) ebenfalls zu verringern. Dabei ist nach verpflichteten Personen (Gegenparteien und teils Unternehmen aus Drittstaaten) und Risiken bzw. diese betreffenden Risikominimierungstechniken zu unterscheiden. Die allgemeine Minimalpflicht, die Kontraktbedingungen zu klären und formalisierte Risikobeobachtungsprozeduren einzuführen, trifft alle Gegenparteien, auch nichtfinanzielle Gegenparteien, die nicht die Clearingschwellen nach Art. 10 EMIR überschreiten, und soll das operationelle Risiko verringern (Abs. 1). Die Pflichten zu täglicher Bewertung und angemessener Besicherung treffen alle clearingpflichtigen Gegenparteien und sollen vor allem das Kreditrisiko minimieren (Abs. 2 und 3), wobei freilich von der Besicherungspflicht umfangreiche Ausnahmen für gruppeninterne Geschäften statuiert werden (Abs. 5–11). Schließlich gilt die Pflicht zur Vorhaltung von Eigenkapital für ungedeckte Risiken allein für finanzielle Gegenparteien und betrifft ebenfalls das Kreditrisiko. Für alle Kernparameter sehen Abs. 14 und 15 den Erlass von technischen Regulierungsstandards vor, wobei sich das Verabschiedungsverfahren nur minimal unterscheidet: in Abs. 14 für alle Pflichten nach Abs. 1 und 2 (unten Rn 733–737) sowie Einzelheiten der Benachrichtigung nach Art. 7, 9, 10 und 11403 und in Abs. 15 für alle Pflichten nach Abs. 3 und 4 (unten Rn 738–740) sowie Einzelheiten für die Voraussetzungen und Verfahren einer Inanspruchnahme von Ausnahmen nach Abs. 5–10.404 399

400

Delegierte Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/11 (oben Fn 268), im Folgenden vielfach zitiert. Vgl. zum erheblichen Spekulationsvolumen als Regulierungsansatz Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 596 (notwendig sei eine systemische Signifikanz der Hedging-Aktivitäten nichtfinanzieller Gegenparteien); und auch Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (195). Vgl. Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (199); Grüning/Cieslarczyk RdE 2013, 354 (357);

401 402 403

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Schwenk jurisPR-BKR 11/2012 Anm. 1, B.I.2.c)(2)(a). Vgl. Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/ Heist Handbuch, Teil 4 A Rn 9. Dazu näher KölnKommWpHG/Mock § 20 Rn 10 ff. sowie Schüttler DStR 2016, 2006. Art. 12 ff. der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/11 (oben Fn 268). Delegierte Verordnung (EU) 2016/2251 der Kommission vom 4. Oktober 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012

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6. Teil. Marktregeln

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Eine Teilregelung in der Frage drittstaatenbezogener Anwendbarkeit von Art. 11 EMIR findet sich in Abs. 12, dennoch ist die Frage teils ungeklärt. Abs. 12 selbst ist identisch im Wortlaut zu Art. 4 Abs. 1 lit. a) Nr. (v) EMIR – und daher auch wie diese Regel auszulegen (näher also oben Rn 708). Ersichtlich geht es insoweit (auch) um die Verhinderung von einer Aufsichtsarbitrage (mit speziellem Prüfungsauftrag an die ESMA im Hinblick auf Aufsichtsarbitrage und – damit jedenfalls auch zusammenhängend – systemischen Risiken, Abs. 13).405 Umstritten – oder jedenfalls ungeklärt – ist demgegenüber die Frage nach der Anwendbarkeit, wenn Unternehmen mit Sitz in der EU mit solchen mit Sitz außerhalb der EU kontrahieren. Ausgangspunkt ist, dass Abs. 1–4 die jeweiligen Pflichten für Gegenparteien gerade nicht davon abhängig machen, dass auch die andere Vertragspartei entsprechend verpflichtet ist (Sitz beider Vertragspartner in der EU genügt).406 Nach diesem Modell muss sich jede verpflichtete Gegenpartei bei ihrem Vertragspartner die notwendigen Handlungsrechte ausbedingen. Gleiches wird jedoch teils bezweifelt bei Verträgen zwischen einer Partei mit Sitz in der EU und einer mit Sitz in einem Drittstaat. Teils wird in diesem Fall darauf verwiesen, dass dann bereits Abs. 1–4 die jeweilige Pflicht begründen, ohne weitere Vorbedingungen, also die Drittstaatenansässigkeit des Partners irrelevant ist (Art. 4 Abs. 1 lit. a) Nr. (i) bis (iv) EMIR e contrario).407 Teils wird jedoch – den Anwendungsbereich einengend – das Modell des Art. 4 Abs. 1 lit. a) Nr. (iv) EMIR herangezogen.408 Auch danach ist freilich der räumliche Anwendungsbereich von Art. 11 EMIR jedenfalls bei solchen (räumlich) gemischten Kontrakten unstreitig, für die der Partner mit Sitz im Drittland ebenfalls nach Art. 11 EMIR verpflichtet wäre, hätte er seinen Sitz in der EU.

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b) Universale Minimalpflicht: Klärung der Kontraktbedingungen und formalisierte Risikokanalyse (Abs. 1). Jeder Gegenpartei (also allen Unternehmen mit Sitz in der EU, unabhängig von der Erreichung der Schwellen nach Art. 10) erlegt Art. 11 Abs. 1 eine Pflicht zur Klärung der Kontraktbedingungen (lit. a)) und verschiedene Pflichten zur formalisierten Risikobeobachtung (lit. b)) auf. Die Pflicht zur Bestätigung und Klärung der Kontraktbedingungen (lit. a)) wird in Art. 12 Delegierte VO (EU) Nr. 149/2013 näher spezifiziert, der insbesondere Bestätigung „so früh wie möglich“ fordert,409 abgestuft nach Art der be-

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des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister durch technische Regulierungsstandards zu Risikominderungstechniken für nicht durch eine zentrale Gegenpartei geclearte OTC-Derivatekontrakte, ABl.EU 2016 L 340/9, idF der Delegierten Verordnung (EU) 2017/323 der Kommission vom 20. Januar 2017 zur Berichtigung der Delegierten Verordnung (EU) 2016/2251 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister durch technische Regulierungsstandards zu Risikominderungstechniken für nicht durch eine zentrale Gegenpartei geclearte OTC-Derivatekontrakte, ABl.EU 2017 L 49/1. Hierzu näher Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/ Sigmundt/Achtelik/Steinmüller Handbuch, Teil 3 B II Rn 70. Allgemeiner zu Fragen der

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extraterritorialen Anwendung: Okonjo 7 Indian J. Int’l Econ. L. 1 (2015); Quaglia 38 West European Politics 167 (2015); speziell zu Clearinghouses: Yadav/Turing 2 Journal of Financial Regulation 21 (2016); allgemeiner zum Konzept von Extraterritorialität im EU-Recht jüngerer Zeit Scott Common Market Law Review 51 (2014) 1343. Zum Verhältnis insbes. zu den USA (und zum Vergleich mit ihnen) vgl. bereits oben Fn 265. Vgl. Köhling/Adler WM 2012, 2173 (2174) sowie (implizit) auch Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Achtelik/Steinmüller Handbuch, Teil 3 B II Rn 10. ESMA Q&A (oben Rn 166), Antwort OTC 12(b), S. 28. Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (201). Klare Auflistung und Kurzabhandlung der vier allgemein geltenden Pflichten (Bestätigung, Portfolioabgleich, Streitschlichtung und Portfoliokompression) und der zwei nur bei clearingpflichtigen Parteien geltenden

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

teiligten Gegenparteien (clearingpflichtig oder nicht).410 Bei der Bestätigung selbst muss zugleich die Gegenbestätigung vorgesehen werden (Art. 1 lit. c) VO (EU) Nr. 149/2013 [„Zustimmung der Gegenparteien“]), wobei ESMA jedenfalls eine Abrede genügen lässt, die Schweigen nach Ablauf einer bestimmten Frist als Zustimmung qualifiziert – was dann auch als Beweis in gerichtlichen Verfahren hinreichen sollte.411 Bei finanziellen Gegenparteien müssen Vorkehrungen getroffen sein, mindestens monatlich die nicht bestätigten Kontrakte ESMA zu melden (Art. 12 Abs. 4 Delegierte VO (EU) Nr. 149/2013). Unter den (formalisierten) Risikokanalysierungsplichten (lit. b)), bei denen jeweils Pro- 734 zesse gefordert werden, die solide (nachhaltig), belastbar (hinreichend effizient im Ergebnis) und prüfbar (vor allem dokumentiert) sein müssen, steht die Pflicht zum (kontinuierlichen) Portfolioabgleich und entsprechendem Risikomanagement (1. Alt.) am Anfang. Wieder ist fraglich, ob die Pflicht nur gilt, wenn beide Vertragspartner Gegenparteien und damit verpflichtet sind.412 Inhaltlich konkretisiert wird die – periodisch zu erfüllende Pflicht – durch Art. 13 Delegierte VO (EU) Nr. 149/2013 und die Abrede der Parteien, wobei die Taktung wiederum nach Typ der Gegenparteien (clearingpflichtig oder nicht) sowie Größe des Portfolios variiert (zwischen täglich, wöchentlich und quartalsweise – oder gar jährlich).413 Ergänzt wird diese erste Risikokanalisierungspflicht in lit. b) durch eine Zweite und 735 Dritte: eine Pflicht zur frühen Streiterkennung und -schlichtung (2. Alt.) (mit Einrichtung entsprechender Prozeduren, Spezifikation in 15 Delegierte VO (EU) Nr. 149/2013), die ausdrücklich nur für das Verhältnis von EU-Gegenparteien gilt, sich auf alle zentralen Punkte bezieht (Existenz und Bewertung von Einzelabschlüssen, Besicherung) und eine schnelle Streitbeilegung (idR in fünf Geschäftstagen) vorsieht,414 und eine Pflicht zur kontinuierlichen Risikobeobachtung (3. Alt.),415 die für clearingpflichtige Gegenparteien nach Art. 11 Abs. 2 EMIR zu einer Pflicht zur täglichen Barwertermittlung verschärft wird (unten Rn 738).

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Pflichten (tägliche Bewertung und Besicherung/Sicherheitenaustausch) bei Aron/Lalone/Jackson 14 Journal of Investment Compliance 57 (59) (2/2013); Kounadis Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 556 (566 f.); bei der Bestätigungspflicht streitig, ob auch gegenüber Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten: so ESMA Q&A (oben Fn 397), Antwort OTC 12(b), S. 28; aA Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (202). Für die letztgemeinte Meinung spricht, dass nur bei Bestätigung (d.h. Bestätigungspflicht) für beide Parteien die gewünschte Rechtssicherheit zu schaffen ist und Art. 1 lit. c der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/11 (oben Fn 268) von „Zustimmung der Gegenparteien“ spricht. Vgl. auch die allgemeine Lit. oben Fn 405 f. Zu den Fristen näher Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (201 ff.). ESMA Q&A (oben Fn 397), Antwort OTC 5(a), S. 19 f.; zweifelnd Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (203 f.).

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So Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (204 f.); aA ESMA Q&A (oben Fn 397), Antwort OTC 12(b), S. 28; Schuster/Ruschkowski ZBB 2014, 123 (129); ausführlich zum Ganzen Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/ Sigmundt Handbuch, Teil 3 B IV Rn 23 ff. Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik/Steinmüller Handbuch, Teil 3 B II Rn 29 ff.; Coridaß/Müller in: Temporale (Hrsg.), Europäische Finanzmarktregulierung, S. 125 (141). Ein täglicher Barwertabgleich ist Teil dieses Portfolioabgleichs nur für diejenigen (clearingpflichtigen) Gegenparteien, die nach Art. 11 Abs. 2 EMIR zur täglichen Barwertermittlung verpflichtet sind: ESMA, Q&A (oben Fn 397), Antwort zu OTC 14(e); S. 32; Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (205). Hierzu näher Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/ Sigmundt/Achtelik/Steinmüller Handbuch, Teil 3 B II Rn 36 ff. Hierzu näher Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/ Sigmundt/Achtelik/Steinmüller Handbuch, Teil 3 B II Rn 43.

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6. Teil. Marktregeln

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Schließlich ist lit. b) – entsprechend seinem Wortlaut – als nicht abschließend zu verstehen und statuiert Art. 14 Delegierte VO (EU) Nr. 149/2013 in der Tat und insbesondere – über lit. b) hinaus gehend – auch eine Pflicht zur Portfoliokomprimierung. Danach haben Gegenparteien bei Portfolien mit mehr als 500 Einzelabschlüssen mindestens halbjährlich zu prüfen, ob keine Portfoliokomprimierung in Betracht käme – also die gegenseitige Anrechnung und Novation, ggf. in saldierter Höhe –,416 oder zu begründen, warum dies nicht angemessen wäre (vor allem wenn Absicherungsgeschäfte verloren gingen oder das Risiko durchweg in eine Richtung ausgerichtet ist).417

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c) Pflicht clearingpflichtiger Gegenparteien zu täglicher Bewertung (Abs. 2). Bei clearingpflichtigen Gegenparteien steigert sich die Pflicht, die Entwicklung der Werte der ausstehenden Kontrakte zu beobachten (Abs. 1 lit. b)), (unabhängig von der Natur der jeweils anderen Gegenpartei) zu einer Pflicht, die Werte täglich konkret zu ermitteln: die festzustellenden Marktpreise, hilfsweise, wenn solche mangels Marktaktivitäten nicht zu ermitteln oder zu widersprüchlich (volatil) sind, aufgrund von Modellrechnungen.418 Bei Letzterem ist nach Art. 17 Delegierte VO Nr. 146/2013 sicherzustellen, dass alle maßgeblichen Informationen einbezogen sind, das Verfahren anerkannter ökonomischer Modellbildung entspricht, die dann anhand der tatsächlichen Preisentwicklung für das konkrete Instrument genauer zu kalibrieren ist, dies von einer Abteilung, die von der für den Abschluss des Kontrakts zuständigen Abteilung unabhängig ist, und all dies bei hinreichender Dokumentation (die BaFin lässt alternative Methoden nach CRD IV/CRR nicht genügen).419

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d) Pflicht clearingpflichtiger Gegenparteien zu angemessener Besicherung (Abs. 3) und sechs Ausnahmetatbestände (Abs. 5–11). Bei clearingpflichtigen Gegenparteien besteht zudem die Pflicht, die Risikopositionen angemessen zu besichern (lassen), freilich nach h.M nur, wenn die andere Gegenpartei ebenfalls clearingpflichtig ist, also beide Parteien (passiv bzw. aktiv) zur Besicherung verpflichtet sind.420 Dabei unterscheiden sich S. 1 (für finanzielle Gegenparteien) und S. 2 (für clearingpflichtige nichtfinanzielle Gegenparteien) allein durch den Zeitpunkt, ab dem die Pflicht eingreift: in dem einen Fall bei Abschluss des Kontrakts seit dem 16.8.2012, in dem anderen bei Abschluss des Kontrakts ab dem Tag des (erstmaligen) Überschreitens der Clearingschwelle. Die Besicherungspflicht selbst ist zweiteilig. Die Anerkennungsfähigkeit von Sicherheiten im Rahmen von Art. 11 Abs. 3 EMIR wird durch die Art. 4 ff. Delegierte VO (EU) 2016/2251 konkretisiert.421 Die allgemeine Besicherung knüpft an die tägliche Bewertung aller gegenseitigen Positionen an (entweder 416

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Zu diesem Verfahren, seiner Komplexität (und der regelmäßigen Einschaltung spezialisierter Dienstleister) näher Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (206); Zerey/Dittrich/Fried Finanzderivate, § 33 Rn 45. Hierzu näher ESMA, Q&A (oben Fn 397), Antwort zu OTC 11(a), S. 27. Kounadis Journal of International Banking Law and Regulation 29 (2014) 556 (567); Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik/Steinmüller Handbuch, Teil 3 B Rn 45; Zerey/Dittrich/Fried Finanzderivate, § 33 Rn 40. Konkretisiert nach Art. 16, 17 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/11 (oben Fn 268).

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Zum Gesamtkomplex Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Achtelik/Steinmüller Handbuch, Teil 3 B Rn 47. Zerey/Dittrich/Fried Finanzderivate, § 33 Rn 47; Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik/Steinmüller Handbuch, Teil 3 B II Rn 48; Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (207). Delegierte Verordnung (EU) 2016/2251 der Kommission vom 4. Oktober 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2016 L 340/9 (oben Fn 404); ausf. (wenn auch vor allem im Hinblick auf das Geschäft der Investmentfonds) Decker RdF 2014, 23.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

nach Marktwerten oder hilfsweise nach anerkannten ökonomischen Bewertungsmodellen, oben Rn 737) und dies vom ersten $/€ einer offenen Nettoposition an (keine Schwelle vorgesehen). Darüber hinaus ist für jede neue (Einzel-)Position gesondert und von jeder Seite ein sog. „Initial Margin“ zu besichern, in dem sich die realistische Möglichkeit ausdrückt, dass Wertveränderungen die jeweilige Risikoposition ansteigen lassen können (Potential Future Exposure, also eine präventive Besicherung). Den Wert dieser Besicherung können die Parteien nach denjenigen finanzmathematischen Modellen festlegen, die sie selbst bestimmen (allerdings Genehmigungspflicht), die Ausgestaltung muss jedoch so erfolgen, dass die jeweilige Sicherheit allein diesem Zweck dient und insbesondere der Sicherungsnehmer sie sich nicht aneignen oder als Sicherheit selbst weiterverwenden kann.422 Die erheblichen Bedenken gegen diese zweite Art der Besicherung (u.a. administrativer Aufwand) führten u.a. dazu, dass diese Besicherungspflicht erst ab einer Schwelle von 50 Mio. € eingreift.423 Alle sechs Ausnahmetatbestände, die Abs. 5–11 vorsehen, gelten allein für gruppenin- 739 terne Geschäfte und im Hinblick auf die Besicherungspflicht nach Abs. 3. Die Ausnahmen gelten teils ex lege, teils erst nach Anzeige bzw. Behördenentscheidung und unterscheiden nach räumlichen Kriterien (innerstaatlich, innerhalb der EU, mit Drittstaaten) und nach Kategorien von Gegenparteien. Aus Transparenzgründen haben die Gegenparteien bzw. entscheidenden Behörden alle Ausnahmen, von denen Gebrauch gemacht wird, zu veröffentlichen bzw. der ESMA zu melden (Abs. 11).424 Innerstaatlich werden gruppeninterne Geschäfte ex lege freigestellt, wenn nur sichergestellt ist, dass keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse bestehen, Eigenmittel zwischen den Gruppenmitgliedern zu transferieren und Verbindlichkeiten zu begleichen (Abs. 5).425 Materiell setzen alle anderen Freistellungen ebendies ebenfalls voraus, zusätzlich jedoch, dass jede Gegenpartei über Risikomanagementverfahren verfügt, die dem Komplexitätsgrad ihres Derivatgeschäfts angemessen sind.426 Bei gruppeninternen Geschäften innerhalb der EU müssen beide zuständigen Behörden zustimmen (Abs. 6, bei Mediationsrecht der ESMA), wobei bei nichtfinanziellen Gegenparteien die Zustimmung auch bei dreimonatigem Nichteinschreiten auf Meldung hin fingiert wird (Abs. 7). Wenn finanzielle und nichtfinanzielle Gegenparteien miteinander abschließen, wird beides so verknüpft, dass die zuständige Behörde für die finanzielle Gegenpartei ihre Zustimmung derjenigen für die nichtfinanzielle Gegenpartei kommuniziert (Abs. 10, wieder mit Mediationsrecht der ESMA). Bei gruppeninternen Geschäften zwischen Gegenparteien mit Sitz in der EU und mit Sitz in einem Drittstaat gilt grds. die gleiche prozedurale Unterscheidung – mit dem einzigen Unterschied, dass jetzt nur noch die jeweilige Behörde in der EU Entscheidungsträger ist bzw. ihr Veto allein relevant ist (vgl. Abs. 8 und 9). e) Eigenkapitalpflicht bei finanziellen Gegenparteien für ungesicherte Positionen 740 (Abs. 4). Allein finanziellen Gegenparteien wird die Pflicht auferlegt, angemessenes Eigen-

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Art. 20 Abs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/2251 der Kommission vom 4. Oktober 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2016 L 340/9 (oben Fn 404); vgl. auch Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (208). Zu den Zweifeln und der Schwelle vgl. Hartenfels 178 ZHR (2014) 173 (208). Zur Veröffentlichung Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Achtelik/Steinmüller Handbuch, Teil 3 B II Rn 67.

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Zur freien Transferierbarkeit in beiden Formen vgl. nur Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/ Sigmundt/Achtelik/Steinmüller Handbuch, Teil 3 B II Rn 59. Vgl. Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/ Achtelik/Steinmüller Handbuch, Teil 3 B II Rn 61 ff. Bei rein innerstaatlichen Geschäften wird die Komplexität offenbar für geringer und solch eine Vorkehrung für nicht vergleichbar unverzichtbar gehalten.

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kapital vorzuhalten. Große Bedeutung hat diese Vorgabe für das Bankrecht nicht, da jedenfalls ein flächendeckendes Eigenkapitalregime wie dasjenige nach CRD IV/CRR für Kreditinstitute (oben 1. Teil Rn 36–38 sowie oben Rn 663), jedoch auch dasjenige nach MiFID II/MiFIR für Wertpapierfirmen (bes. Art. 3 f., 7 f. für die Markttransparenz und Art. 47 Abs. 1 lit. b) für die Gleichwertigkeit bei Drittstaatunternehmen, vgl. unten 7. Teil Rn 200 f.) dieser Anforderung bereits genügt.427 7. Artikel 12, 13: Sanktionen und Vermeidung doppelter und kollidierender Anwendung

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a) Sanktionen – mit Straf- und Zivilrecht (Art. 12). Die Sanktionen sind – wie auch in der EU-Leerverkaufs-VO und in gewissem Umfang dann auch noch in der MAR (vgl. oben Rn 647–650 bzw. 363, 546–547 und unten 8. Teil Rn 292 ff., bes. 305–307) – primär dem nationalen Recht überantwortet (Abs. 1 S. 1). Es handelt sich dabei freilich nicht nur um eine Anerkennung ihrer Kompetenz in diesen Fragen, sondern auch um einen bindenden Regelungsauftrag.428 Wie bereits im EU-Primärrecht verankert, aber auch in den genannten anderen EU-Verordnungen betont, sind die nationalen Sanktionskataloge zudem auch inhaltlich am europarechtlichen Effizienz- und Abschreckungsmaßstab zu messen: Schon der EuGH leitete aus der Umsetzungspflicht ebenso wie dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue ab, dass die Maßnahmen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen (Abs. 1 S. 3). In der EuGH-Rechtsprechung ist dieses Gebot zweigeteilt – und steht dann unter dem allgemeinen Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit: Sanktionen müssen hinreichend abschreckend (effizient) sein und mindestens so scharf wie die Sanktionierung vergleichbar nationaler Normen (nicht diskriminierend).429 Spezifiziert wird das für den Bereich der EMIR dahingehend, dass zumindest Geldbußen vorgesehen werden müssen (Abs. 1 S. 2), im deutschen Recht in § 39, heute § 120 WpHG, wobei freilich zu beachten ist, dass nach der Grande-Rechtsprechung des EGMR solche (straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen) Geldbußen und Verwaltungsstrafen (vgl. etwa Art. 65 Abs. 4 UAbs. 2 EMIR) nicht kumuliert werden dürfen („ne bis in idem“ hier anwendbar).430 Während die EuGH-Rechtsprechung hierbei vor allem das Mindestmaß an Durchsetzungsintensität betont – die Mitgliedstaaten müssen EU-rechtliche Vorgaben auch de facto durchsetzen –, gilt (schon) nach Primärrecht und ausdrücklich nach Art. 12 Abs. 1 S. 3 EMIR umgekehrt und zur Beschränkung übermäßiger Sanktionen der dreiteilige Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.431 Die Mitgliedstaaten werden zudem angehalten, die Wirksamkeit periodisch selbst zu bewerten und dazu zu berichten (Abs. 2 S. 2). 427

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ESMA/EBA/EIOPA Joint Discussion Paper on Draft Regulatory Technical Standards on risk mitigation techniques for OTC derivatives not cleared by a CCP under the Regulation on OTC derivatives, CCPs and Trade Repositories, JC/DP/2012/1, 6.3.2012, Rn 12 (S. 9); Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/ Sigmundt/Achtelik/Steinmüller Handbuch, Teil 3 B Rn 57. Ebenso der Gesetzentwurf des EMIR-Umsetzungsgesetzes, BR-Drs. 606/12, S. 1. EuGH Urt. v. 21.9.1989 – Rs. 68/88 – Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 2965 (2985) = NJW 1990, 2245; Urt. v. 10.7.1990 – Rs. C-326/88 – Hansen, Slg. 1990, I-2911 (2935) = RIW 1991, 683; wei-

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tere Nachw. 1. Teil Rn 113; ausführlich: Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl. 2006, Rn 220–225a. Für Beispiele aus dem deutschen Kapitalmarktrecht: Grundmann/Selbherr WM 1996, 985 (987–989 und 991 f.). EGMR Urt. v. 4.3.2014 Rs. 18640/10, 18647/10, 18663/10, 18668/10 und 18698/10 (Grande Stevens ./. Italien), ECLI:CE:ECHR:2014:0304JUD00186401–0 = NJOZ 2015, 712; dazu etwa Gargantini 1 Journal of Financial Regulation 149 (2015); Ventoruzzo (2015) 16 EBOR 145. Vgl. EuGH Urt. v. 9.2.2012 – Rs.C-210/10 – Urban, EU:C:2012:64 Rn23; EuGH Urt. v. 12.7.2012 – Rs.C-262/99 – Louloudakis,

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Die Bußgeldbewehrung für Verstöße gegen die Pflichten aus der EMIR, insbesondere 742 gegen die Clearing-, Melde- und Risikominderungspflichten (Art. 4 ff., 9, 11 EMIR), wurde im § 39 Abs. 2e Nr. 1–10 WpHG (a.F.) durch das EMIR-Ausführungsgesetz mit Wirkung vom 16.2.2013 eingeführt (heute § 120 Abs. 7 Nr. 1–10 WpHG n.F.), um die nach Art. 12 Abs. 1 EMIR zumindest geforderten Geldbußen einzuführen.432 Besonders schwerwiegend (jeweils bis 500.000 €) werden die Verstöße gegen Meldepflichten nichtfinanzieller Gegenparteien (Abs. 2e Nr. 5) eingestuft – naheliegend, weil sie den Aufsichtszugriff ganz vereiteln – und Verstöße, die eine besondere Gefahr systemischer Risiken begründen (kein Eigenkapital vorhalten, die Besicherungsregeln nicht beachten, Nr. 8 und 9). Unter den am mildesten sanktionierten Verstößen (bis 100.000 €) finden sich – ebenfalls naheliegenderweise – Verstöße gegen Risikominderungsmechanismen bei den nicht von der Clearingpflicht erfassten Marktteilnehmern nach Art. 11 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 EMIR (praktisch gar kein systemisches Risiko, da außerhalb Finanzsektor und auch kein umfangreiches Spekulationsportfolio) (bei Leichtfertigkeit jeweils die Hälfte, § 17 Abs. 2 OWiG). Eine besondere Form der Sanktion – das sog. „naming and shaming“, die Veröffentli- 743 chung aller Sanktionen wegen Verstoßes gegen Art. 4, 5 und 7–11 EMIR – sieht Abs. 2 selbst bereits unionsrechtlich vor.433 Diese Sanktion wird sichtlich als Ausdruck des unionsrechtlichen Effizienz- und Abschreckungsmaßstabes (oben Rn 741) gesehen (wobei es aus diesem zwar zu erklären ist, sich jedoch nicht zwingend ergeben würde). Zugleich wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch insoweit fruchtbar gemacht und ein „unverhältnismäßig hoher Schaden“ für den Betroffenen als Grenze gesehen, der Veröffentlichung ausschließt (Abs. 2 S. 3 2. Alt.).434 Zugleich soll die Veröffentlichung das primäre Schutzziel der EMIR nicht konterkarieren. In diesem Fall entfällt die Veröffentlichungspflicht (Abs. 2 S. 3 1. Alt.).435 In beiden Fällen entfällt die Veröffentlichungspflicht nicht nur, sondern, angesichts des Vorrangs des (auch europarechtlichen) Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bzw. der Zielsetzung der EMIR, sind Veröffentlichungen durch die nationale Behörde auch nicht gestattet.436 Ebenfalls aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz i.V.m. dem auch grundrechtlich verankerten Persönlichkeitsschutz ergibt sich die strikte Ausnahme von personenbezogenen Daten (Abs. 2 S. 4).437 Der deutsche Gesetzgeber hat dies zum Anlass genommen, die Sanktion mit rein generalpräventivem Ziel auszugestalten.438

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Slg. 2001, I-5547 Rn 67; EuGH Urt. v. 29.7.2010 – Rs.C-188/09 – Profaktor Kulesza, Frankowski, Józ´wiak, Orłowski, Slg2010, I-7639 Rn 29. Ausführungsgesetz zur Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR-Ausführungsgesetz) vom 13.2.2013, BGBl. 2013 I, S. 174; zum genannten Ziel BT-Drucks. 17/11289, S. 25; ausführlicher zum Bußgeldregime zur EMIR etwa Fuchs/ Waßner § 39 Rn 238–260 und § 40b Rn 35–39; Diversy/Köpferl in: Graf/Jäger/ Wittig (Hrsg.) Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 39 Rn 51–60; Schuster/Ruschkowski ZBB 2014, 123 (131). Zu diesem Institut, namentlich in der EMIR, näher Fuchs/Waßner WpHG § 40b Rn 1 ff.; Gurlit WM 2016, 2053 (2059); KölnKommWpHG/Altenhain § 40b Rn 3 und 8 f.

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Dazu näher etwa Begründung RegE EMIRAusfG BT-Drucks. 17/11289, S. 25; Fuchs/ Waßner WpHG § 40b Rn 37; KölnKommWpHG/Altenhain § 40b Rn 24. Ebenso Fuchs/Waßner WpHG § 40b Rn 37; KölnKommWpHG/Altenhain § 40b Rn 24. Ebenso Fuchs/Waßner WpHG § 40b Rn 37. Näher hierzu EuGH Urt. v. 14.2.2008 – Rs. C-450/06 – Varec, Slg.2008, I-581 (Rn48); Jarass Charta der Grundrechte der EU, 2016, Art. 7 Rn 17. Fuchs/Waßner 40b Rn 4 f., 35–39; Assmann/ Schneider/Vogel § 40b Rn 4: KölnKommWpHG/Alternhain § 40b Rn 10 (aus diesem Grunde auch Anonymisierung natürlicher Personen, was jedoch Benennung Juristischer Personen nicht ausschließt – außer hier dann bei schwerem Schaden für die Betroffenen).

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Zivilrechtliche Folgen von Verstößen gegen EMIR scheint Abs. 3 grundsätzlich auszuschließen. Soweit das Ziel ein rein öffentliches ist, namentlich das im Vordergrund stehende Ziel der Zurückdrängung systemischer Risiken (oben Rn 657), ist das naheliegend und entspricht den allgemeinen Grundsätzen.439 Soweit jedoch EMIR auch das Ziel hat, bereits das Ausfallrisiko zu minimieren (oben Rn 655, 657, 703), handelt es sich (jedenfalls auch) um ein privates individualschützendes Ziel. Auch bei Normen mit dieser Zielsetzung kann es jedoch durchaus vereinbar sein, bei Verstößen nicht von Unwirksamkeit auszugehen (Abs. 3 1. Alt).440 Denn mit der Meldepflicht wird ohnehin vor allem die behördliche Aufsicht mit dem Ziel einer Zurückdrängung des systemischen Risikos unterstützt, und die Risikominimierungspflicht ist eine Pflicht vor allem zum eigenen Risikomanagement – nicht zur Beförderung der Interessen der Gegenpartei. Wichtiger jedoch – und auch von Bedeutung für die Clearingpflicht, die durchaus die Absicherung der anderen Gegenpartei, des Vertragspartners, zum Ziel hat – ist es, dass mit einer Nichtigkeitssanktion weder das allgemeine Stabilitätsziel (systemisches Risiko) besser bedient werden muss noch das individuelle Ziel, vor Ausfall der Gegenpartei geschützt zu werden. Eine Nichtigkeit kann im Gegenteil geschaffene Absicherungsstrukturen zerstören. Insoweit verzichtet die Norm umgekehrt auf (generalpräventive) Abschreckung. Das Gesagte spricht nicht dagegen, EMIR insoweit zivilrechtliche Bedeutung zuzusprechen, als ein individualrechtlicher, durchsetzbarer Anspruch auf Clearing durch eine CCP gegen den Vertragspartner, die andere Gegenpartei, anzunehmen ist (auch wenn das im fraglichen Derivatekontrakt nicht verabredet wurde).441 Dass dann Schadensersatzsprüche umgekehrt wieder ausgeschlossen sind (Abs. 3 2. Alt.), offenbar auch bei Verstoß gegen die Clearingpflicht als die am stärksten individualschützende Pflicht, mag damit zu begründen sein, dass primär der Anspruch auf Clearing durchgesetzt werden soll und ein Schadensersatzanspruch nach Ausfall der Gegenpartei (das wäre der wichtigste denkbare Schaden) idR ungleich weniger werthaltig ist und zugleich das Insolvenzverfahren mit schwer zu handhabenden Ansprüchen belasten würde.442 Insoweit hat die Norm sicherlich generalpräventiven Charakter und soll Gegenparteien, die auch nicht den Anspruch auf CCP-Clearing durchsetzen, entsprechend bestrafen. Daraus wird auch praktisch einheitlich – und auch zwingend wegen der Verordnungsvorgabe, die damit offensichtlich insoweit den Stabilitätsschutz in den Vordergrund rückt – geschlossen, dass es sich bei den Anordnungen in der EMIR nicht um Schutzgesetze iSv § 823 Abs. 2 BGB handelt443 – was freilich einen Schadensersatzanspruch nur für die reinen EMIR-Verstöße präkludiert, nicht auch für einen potentiell darüber hinaus noch verwirklichten Marktmanipulationstatbestand.

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b) Vermeidung doppelter und kollidierender Anwendung (Art. 13). Die Norm will Belastungen durch OTC-Derivateregulierung in Grenzen halten (in allen drei Teilen, der 439

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Vgl. nur Grundmann Regulierung und Privatrecht, FS Canaris 2017, S. 907 (910, 943–946); sowie Hellgardt Regulierung und Privatrecht, 2016, bes. S. 708–709; auch Fuchs/Waßner WpHG § 39 Rn 239. Ähnlich wie im Folgenden vor allem Schuster/Ruschkowski ZBB/JBB 2014, 123 (131) und dort auch näher zur fehlenden Unwirksamkeitssanktion. Jedenfalls von einem auch zivilrechtlichen Pflichtenverstoß – einer Vertragsverletzung – bei Verstoß gegen die Clearingpflicht gehen offensichtlich auch Wulff/Kloka WM 2015,

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215 (217) aus. Im System grundsätzlicher Durchsetzbarkeit von Vertragspflichten (wie im deutschen Privatrecht) spricht dies dann auch für einen Erfüllungsanspruch. Die Kündigung eines Rahmenvertrages ist bei Pflichtverstoß hingegen nicht ausgeschlossen, vgl. etwa Fußnote zu Nr. 3 Timely Confirmation Amendment Agreement (mit Verweis auf die Kündigungsgründe in Nr. 5 Abs. a); Wulff/Kloka WM 2015, 215 (217). Etwa Schuster/Ruschkowski ZBB 2014, 123 (131); Fuchs/Waßner § 39 Rn 239.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Clearing-, Melde- und Risikominimierungspflicht nach Art. 4, 9–11 EMIR), freilich nur im Verhältnis zu Drittstaaten und auch nur bei erheblichem Drittstaatenbezug (Sitz mindestens einer Gegenpartei in einem Drittstaat, Abs. 3).444 Da hiermit nur eine Erleichterung bezweckt ist (keine doppelte Anwendung von Regulierung), bleibt die individuelle Anerkennung von CCPs und Transaktionsregistern aus Drittstaaten (unten 7. Teil Rn 200 f., 198) unberührt, auch wenn die Voraussetzungen nach Art. 13 nicht vorliegen und kein entsprechendes generelles Gleichwertigkeitsurteil gefällt wurde (6. Erw.grund, S. 5 und 6). Entsprechend dem robusten Regulierungsbedürfnis und -ziel (oben Rn 657) wird für die Erleichterung nach Art. 13 jedoch nicht etwa auf Ausnahmen gesetzt (vgl. freilich oben Rn 672 und 720 zur Meldepflicht), sondern auf bloße Vermeidung doppelter und kollidierender Anwendung von gleichwertigen Vorschriften in der EU und im Drittstaat. Entsprechend wird die Gleichwertigkeit(sprüfung) besonders ausgestaltet, aber auch zum Widerrufsgrund erklärt (Abs. 4, Rückruf als gebundene Entscheidung ohne Ermessen). Ausgestaltet wird sie durch die drei in Abs. 2 niedergelegten Kriterien und die konkretisierende Anwendung derselben in Durchführungsakten der EU-Kommission.445 Neben der Gleichwertigkeit des Drittstaatregimes im funktionalen Sinn und bezogen auf alle Regimeinhalte und alle drei im 7./8. Erw.grund aufgezählten Regelungsziele (lit. a))446 tritt als

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Spiegelbildlich soll die Einschränkung (Sitz mindestens eines Beteiligten im Drittstaat – offensichtlich zu verstehen als Hauptverwaltungssitz) ersichtlich Aufsichtsarbitrage entgegenwirken. Demnach ist nach Durchführungsbeschlüssen für die Gleichwertigkeit des Regulierungsrahmens (Art. 13, 75 EMIR) und der Handelsplätze (Art. 2a Abs. 2 EMIR) zu unterscheiden (und zu der Gleichwertigkeit der zentralen Gegenparteien, vgl. Art. 25 EMIR). 1. Durchführungsbeschlüsse der Kommission über die Gleichwertigkeit des Regulierungsrahmens von Drittländern: Durchführungsbeschluss 2014/754/EU der Kommission vom 30. Oktober 2014 (Hong Kong); Durchführungsbeschluss 2014/753/EU der Kommission vom 30. Oktober 2014 (Singapur); Durchführungsbeschluss 2014/752/EU der Kommission vom 30. Oktober 2014 (Japan); Durchführungsbeschluss 2014/755/EU der Kommission vom 30. Oktober 2014 (Australien); Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2042 der Kommission vom 13. November 2015 (Schweiz); Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2038 der Kommission vom 13. November 2015 (Republik Korea); Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2039 der Kommission vom 13. November 2015 (Südafrika); Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2041 der Kommission vom 13. November 2015 (Mexiko); Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2040 der Kommission vom 13. November 2015 (bestimmte Provinzen Kanadas); Durchführungsbe-

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schluss (EU) 2016/377 der Kommission vom 15. März 2016 (USA); Durchführungsbeschluss (EU) 2016/2269 der Kommission vom 14. Dezember 2016 (Indien); Durchführungsbeschluss (EU) 2016/2274 der Kommission vom 14. Dezember 2016 (Neuseeland); Durchführungsbeschluss (EU) 2016/2275 der Kommission vom 15. Dezember 2016 (Japan); Durchführungsbeschluss (EU) 2016/2276 der Kommission vom 15. Dezember 2016 (Brasilien); Durchführungsbeschluss (EU) 2016/2277 der Kommission vom 15. Dezember 2016 (Dubai); Durchführungsbeschluss (EU) 2016/2278 der Kommission vom 15. Dezember 2016 (VAE) 2. Durchführungsbeschlüsse der Kommission zur Gleichwertigkeit von Börsen/ Finanzmärkten/Kontraktmärkten: Durchführungsbeschluss (EU) 2016/2271 der Kommission vom 15. Dezember 2016 (Japan); Durchführungsbeschluss (EU) 2016/2273 der Kommission vom 15. Dezember 2016 (Kanada); Durchführungsbeschluss (EU) 2016/2272 der Kommission vom 15. Dezember 2016 (Australien); Durchführungsbeschluss (EU) 2016/2270 der Kommission vom 15. Dezember 2016 (Singapur); Durchführungsbeschluss (EU) 2016/1073 der Kommission vom 1. Juli 2016 (USA) Zu Gleichwertigkeit und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz breiter auch: Okonjo Indian J. Int’l Econ. L. 7 (2015) 1; Quaglia West European Politics 38 (2015) 167. Vgl. zur Rangordnung der Regelungsziele näher oben Rn 657 f., 703.

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ebenso wichtig der Umstand, dass es sich um angewandtes und durchgesetztes Recht handeln muss (kein „law in the books“, lit. c) und 7./8. Erw.grund), und schließlich – ungleich punktueller – dass das Berufsgeheimnis im Drittstaatregime effizient gewahrt ist (lit. b)). Als gleichwertig sind derzeit insbes. die oben aufgelisteten OTC-Derivateregime anerkannt (vorvorige Fn).

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IV. Zulassung und Beaufsichtigung von sowie Anforderungen an CCPs (Art. 14–35) – Verweis Titel III Zulassung und Beaufsichtigung von CCPs [Art. 14–25: Organisationsbezogene Zulassungs- und Aufsichtsregeln für CCPs – Kommentierung wegen des Sachzusammenhangs unten 7. Teil Rn 187 f.] Titel IV Anforderungen an CCPs [Kapitel 1 – Art. 26–35: Organisatorische Anforderungen an CCPs – und Kapitel 3 – Art. 40–50: Beaufsichtigung von CCPs – Kommentierung wegen des Sachzusammenhangs unten 7. Teil Rn 189–194]

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V. Wohlverhaltensregeln (Art. 36–39) Kapitel 2 Wohlverhaltensregeln Artikel 36 Allgemeine Bestimmungen (1) Bei der Erbringung von Dienstleistungen für ihre Clearingmitglieder und gegebenenfalls für deren Kunden handelt eine CCP fair und professionell im besten Interesse dieser Clearingmitglieder und Kunden und im Sinne eines soliden Risikomanagements. (2) Eine CCP muss über zugängliche, transparente und faire Vorschriften für die zügige Bearbeitung von Beschwerden verfügen. Artikel 37 Vorschriften über die Teilnahme (1) Nach Beratung durch den Risikoausschuss gemäß Artikel 28 Absatz 3 legt eine CCP – gegebenenfalls für jede dem Clearing unterliegende Produktkategorie – fest, welche Kategorien von Clearingmitgliedern zugelassen und welche Zulassungskriterien angewandt werden. Die Kriterien müssen im Interesse eines fairen und offenen Zugangs zur CCP nichtdiskriminierend, transparent und objektiv sein und müssen gewährleisten, dass Clearingmitglieder über ausreichende finanzielle Mittel und operationelle Kapazitäten verfügen, um den aus der Anbindung an eine CCP als Teilnehmer erwachsenden Verpflichtungen nachkommen zu können. Kriterien, die den Zugang beschränken, sind nur insoweit zulässig, als sie auf eine Kontrolle der Risiken für die CCP abzielen. (2) Eine CCP trägt dafür Sorge, dass die gemäß Absatz 1 festgelegten Kriterien dauerhaft angewandt werden, und muss rechtzeitig Zugang zu den für die Bewertung relevanten Informationen haben. Eine CCP nimmt mindestens einmal jährlich eine umfassende Überprüfung der Einhaltung dieses Artikels seitens ihrer Clearingmitglieder vor. (3) Clearingmitglieder, die Transaktionen im Namen ihrer Kunden clearen, müssen über die für die Ausübung dieser Tätigkeit erforderlichen zusätzlichen finanziellen Mittel und operationellen Kapazitäten verfügen. Die Vorschriften der CCP für Clearingmitglieder ermöglichen die Einholung relevanter grundlegender Informationen für die Ermittlung, Überwachung und Steuerung

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks relevanter Risikokonzentrationen im Zusammenhang mit der Erbringung von Diensten für Kunden. Die Clearingmitglieder informieren die CCP auf Anfrage über die Kriterien, die sie einführen, und die Vorkehrungen, die sie treffen, um ihren Kunden den Zugang zu den Dienstleistungen der CCP zu ermöglichen. Die Clearingmitglieder bleiben dafür verantwortlich, dass die Kunden ihren Verpflichtungen nachkommen. (4) Eine CCP muss über objektive und transparente Verfahren für die Aussetzung der Anbindung an eine CCP als Teilnehmer und die ordentliche Beendigung der Clearingmitgliedschaft von Teilnehmern verfügen, die nicht mehr die in Absatz 1 genannten Kriterien erfüllen. (5) Clearingmitgliedern, die die in Absatz 1 genannten Kriterien nicht mehr erfüllen, kann eine CCP nur dann den Zugang verweigern, wenn dies in schriftlicher Form und auf der Grundlage einer umfassenden Risikoanalyse hinreichend begründet wird. (6) Eine CCP kann Clearingmitgliedern spezifische zusätzliche Verpflichtungen auferlegen, wie etwa die Beteiligung an Auktionen zur Ersteigerung der Position eines ausfallenden Clearingmitglieds. Solche zusätzlichen Verpflichtungen müssen dem von dem betreffenden Clearingmitglied eingebrachten Risiko angemessen sein und dürfen nicht dazu führen, dass die Teilnahme auf bestimmte Kategorien von Clearingmitgliedern beschränkt wird. Artikel 38 Transparenz (1) Eine CCP und ihre Clearingmitglieder machen die im Zusammenhang mit den erbrachten Dienstleistungen zu zahlenden Preise und Entgelte öffentlich bekannt. Sie legen die Preise und Entgelte für jede separat erbrachte Dienstleistung und Aufgabe offen, einschließlich der Abschläge und Rabatte sowie der Bedingungen für die Gewährung entsprechender Nachlässe. Eine CCP ermöglicht ihren Clearingmitgliedern und gegebenenfalls deren Kunden einen separaten Zugang zu den erbrachten spezifischen Dienstleistungen. Eine CCP rechnet die Aufwendungen für die erbrachten Dienstleistungen und daraus resultierenden Einkünfte getrennt ab und legt diese Informationen der zuständigen Behörde gegenüber offen. (2) Eine CCP legt den Clearingmitgliedern und Kunden gegenüber offen, welche Risiken mit den erbrachten Dienstleistungen verbunden sind. (3) Eine CCP legt die Preisinformationen, die bei der Berechnung ihrer Risikopositionen gegenüber ihren Clearingmitgliedern am Tagesende zugrunde gelegt werden, gegenüber ihren Clearingmitgliedern und der für sie zuständigen Behörde offen. Eine CCP macht bei jeder durch die CCP geclearten Kategorie von Instrumenten das Volumen der geclearten Transaktionen in zusammengefasster Form öffentlich bekannt. (4) Eine CCP macht die betrieblichen und technischen Vorschriften in Zusammenhang mit den Nachrichtenprotokollen öffentlich bekannt, welche sich auf die Inhalts- und Nachrichtenformate erstrecken, die sie für die Kommunikation mit Dritten verwendet, einschließlich der operativen und technischen Anforderungen, die gemäß Artikel 7 vorgesehen sind. (5) Eine CCP macht Verstöße von Clearingmitgliedern gegen die in Artikel 37 Absatz 1 genannten Kriterien und die in Absatz 1 dieses Artikels genannten Anforderungen öffentlich bekannt, es sei denn, die zuständige Behörde gelangt nach Anhörung der ESMA zu dem Schluss, dass eine solche Veröffentlichung eine Bedrohung für die Stabilität der Finanzmärkte oder das Vertrauen in die Märkte schaffen würde oder die Finanzmärkte erheblich gefährden oder zu einem unverhältnismäßigen Schaden bei den Beteiligten führen würde. Artikel 39 Trennung und Übertragbarkeit (1) Eine CCP führt getrennte Aufzeichnungen und Abrechnungskonten, die es ihr ermöglichen, in den bei ihr geführten Konten jederzeit unverzüglich die im Namen eines Clearingmitglieds gehaltenen Vermögenswerte und Positionen von den im Namen eines anderen Clearingmitglieds gehaltenen Vermögenswerten und Positionen sowie von den eigenen Vermögenswerten zu unterscheiden. (2) Eine CCP bietet die Möglichkeit, getrennte Aufzeichnungen und Abrechnungskonten zu führen, die es jedem Clearingmitglied ermöglichen, in Konten bei der CCP zwischen seinen eige-

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6. Teil. Marktregeln nen Vermögenswerten und Positionen und den im Namen seiner Kunden gehaltenen zu unterscheiden (im Folgenden „Omnibus-Kunden-Kontentrennung“). (3) Eine CCP bietet die Möglichkeit, getrennte Aufzeichnungen und Abrechnungskonten zu führen, die es jedem Clearingmitglied ermöglichen, in Konten bei der CCP die im Namen eines Kunden gehaltenen Vermögenswerte und Positionen von den im Namen anderer Kunden gehaltenen zu unterscheiden (im Folgenden „Einzelkunden-Kontentrennung“). Auf entsprechenden Wunsch räumt die CCP Clearingmitgliedern die Möglichkeit ein, weitere Konten im eigenen Namen oder im Namen ihrer Kunden zu eröffnen. (4) Ein Clearingmitglied führt getrennte Aufzeichnungen und Abrechnungskonten, die es ihm ermöglichen, sowohl in den bei der CCP geführten als auch in seinen eigenen Konten zwischen seinen eigenen Vermögenswerten und Positionen und den im Namen seiner Kunden bei der CCP gehaltenen Vermögenswerten und Positionen zu unterscheiden. (5) Ein Clearingmitglied räumt seinen Kunden mindestens die Möglichkeit ein, zwischen einer „Omnibus-Kunden-Kontentrennung“ und einer „Einzelkunden-Kontentrennung“ zu wählen, und informiert sie darüber, welche Kosten und welches Schutzniveau nach Absatz 7 mit der jeweiligen Option einhergehen. Der Kunde bestätigt seine Wahl schriftlich. (6) Entscheidet sich ein Kunde für die Einzelkunden-Kontentrennung, so muss jeder über die Einschussforderung an den Kunden hinausgehende Überschuss ebenfalls bei der CCP hinterlegt und von den Einschusszahlungen anderer Kunden oder Clearingmitglieder unterschieden werden und darf nicht dafür verwendet werden, Verluste im Zusammenhang mit Positionen eines anderen Abrechnungskontos zu tragen. (7) Die CCPs und die Clearingmitglieder veröffentlichen die Schutzniveaus und die Kosten, die mit dem jeweiligen Grad der von ihnen angebotenen Kontentrennung verbunden sind, und bieten diese Dienste zu handelsüblichen Bedingungen an. Die Erläuterungen der einzelnen Stufen der Trennung umfassen eine Beschreibung der wesentlichen rechtlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen angebotenen Trennungsgrads einschließlich Informationen zum Insolvenzrecht der jeweiligen Rechtsordnung. (8) Einer CCP steht ein Verfügungsrecht in Bezug auf die Einschusszahlungen oder Beiträge zu einem Ausfallfonds zu, die als Finanzsicherheiten in Form eines beschränkten dinglichen Rechts im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 Buchstabe c der Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten447 eingenommen werden, sofern die Nutzung derartiger Sicherungsvereinbarungen durch ihre Betriebsvorschriften vorgesehen ist. Das Clearingmitglied hat schriftlich zu bestätigen, dass es die Betriebsvorschriften akzeptiert hat. Die CCP gibt öffentlich bekannt, dass sie dieses Verfügungsrecht besitzt, dessen Ausübung sich nach Artikel 47 bestimmt. (9) Die Anforderung, dass die bei der CCP gehaltenen Vermögenswerte und Positionen in den Abrechnungskonten zu unterscheiden sind, gilt als erfüllt, wenn a) die betreffenden Vermögenswerte und Positionen in getrennten Abrechnungskonten geführt werden, b) die Aufrechnung von Positionen in unterschiedlichen Abrechnungskonten gegeneinander nicht möglich ist, c) die den Positionen eines Abrechnungskontos entsprechenden Vermögenswerte nicht verwendet werden, um Verluste im Zusammenhang mit Positionen eines anderen Abrechnungskontos zu tragen. (10) Vermögenswerte bezeichnen Sicherheiten, die zur Deckung von Positionen gehalten werden, und umfassen das Recht auf Übertragung von Vermögenswerten, die der betreffenden Sicherheit gleichwertig sind, oder den Gewinn aus der Veräußerung einer Sicherheit, nicht jedoch Beiträge zu einem Ausfallfonds.

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ABl. L 168 vom 27.6.2002, S. 43.

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1. Artikel 36: Allgemeine Pflichten a) Interessenwahrungspflicht ieS und professionelle Sorgfaltspflicht (Abs. 1). CCPs 748 treten nach Art. 2 Nr. 1 EMIR als Rechte- und Pflichtenträger zwischen die Vertragsparteien eines Derivatekontrakts und nehmen ihnen so das gegenseitige Ausfallrisiko ab, idR vermittelt über die eigenen Clearingmitglieder (oben Rn 680, 693; vgl. auch Art. 36 Abs. 1 EMIR selbst: „im Sinne eines soliden Risikomanagements“). Dabei handelt es sich um eine Geschäftsbesorgung iSv § 675 BGB. So ist das Arrangement aus vertragsrechtlicher Sicht einzuordnen, wenn Art. 36 Abs. 1 EMIR sie – wie etwa Wertpapierdienstleister als Beratungs- und Informationsintermediäre im Wertpapierhandel (unten 8. Teil Rn 132–143) – zwei Kardinalpflichten unterwirft. Dies ist einerseits eine Interessenwahrungspflicht stricto sensu, aufgrund derer (allein) das Kundeninteresse die Leitschnur des Handelns der CCP und jeder Ausübung bestehenden Ermessens sein muss.448 Da die Konditionen des Kontrakts durch die Gegenparteien verabredet werden bzw. ohnehin standardisiert festgelegt sind, um Handelbarkeit zu gewährleisten, bezieht sich diese Interessenwahrungspflicht nicht auf diese Konditionen, sondern vor allem auf die Beratung der Gegenparteien sowie die Festlegung und Verwaltung von Sicherheiten.449 Widersprechen sich – gerade bei Letzterem – Interessen von Kunden (zwei Gegenparteien), denen eine CCP gleichermaßen strikte Interessenwahrung schuldet, so erfüllt sie ihre Pflicht, indem sie die gegenläufigen Kundeninteressen „fair“ gegeneinander abwägt. Die professionelle Sorgfaltspflicht (vergleichbar § 347 HGB und § 93 AktG), die den CCPs den im Verkehrskreis zentraler Gegenparteien zu erwartenden sehr hohen Expertisegrad abverlangt, ist etwa bei der genannten Abwägung anzuwenden, desgleichen bei der Verwaltung der Sicherheiten und allgemein bei allen erbrachten Dienstleistungen.450 b) Vorhaltung effizienter Beschwerdeverfahren (Abs. 2). Beschwerdeverfahren, die 749 nach Abs. 2 vorzuhalten sind, müssen vier Anforderungen entsprechen. Sie müssen (i) überhaupt unschwer offenstehen, also keine unverhältnismäßigen rechtlichen oder tatsächlichen Barrieren errichten.451 Sie müssen (ii) als solche erkennbar und in ihrem Funktionieren verständlich („transparent“) sein.452 Sie müssen (iii) inhaltlich einen fairen Ausgleich bereithalten,453 wozu m.E. auch die Einhaltung der Standards der EMIR zählt.454 Schließlich müssen sie (iv) zügig zu Ergebnissen führen, weil sonst nicht nur die Parteiinteressen berührt sind, sondern das (vorrangige!) Absicherungsziel leidet. 2. Artikel 37: Nichtdiskriminierender, transparenter, dauerhafter Zugang zur CCP a) Festlegung fairer, transparenter, risikominimierender Zugangskriterien (Abs. 1). 750 Während Art. 7 und 8 bereits im „Allgemeinen Teil“ den gegenseitigen Zugang zwischen Handelsplattformen und CCPs regeln – gleichsam als strukturelle Grundlage des Clearings 448

449 450

Speziell für CCPs Schuster/Ruschkowski ZBB/JBB 2014 123 (132); Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Richter/Eue Handbuch, Teil 5 E Rn 1; allgemeiner (vor allem auch dazu, dass sich das Interesse des Geschäftsbesorgers auf die vereinbarte Vergütung beschränkt): Grundmann Treuhandvertrag, 4. Kapitel; oben 2. Teil Rn 12 f., 17–23. Vgl. auch Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Richter/Eue Handbuch, Teil 5 E Rn 3. Vgl. Redeke WM 2015, 554 (556).

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Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 608. Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 608. Eher eine nur rahmenhafte Vorgabe, da dies überwiegend vom jeweiligen materiellen Recht abhängt, das jedoch nicht umfassend harmonisiert ist. M.E. macht diese Vorschrift zugleich auch klar, dass Vorgaben der EMIR im Verhältnis zur CCP auch als privatrechtlicher Standard zu verstehen sein müssen.

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(oben Rn 718–719) –, klärt (erst) Art. 37 die Eckpunkte für einen Zugang der Clearingmitglieder und ihrer Kunden zu CCPs. Die Eckpunkte unterfallen in prozedurale und inhaltliche. Prozedural wird die Zuständigkeit der CCPs anerkannt, die Kategorien von Clearingmitgliedern und die Zulassungskriterien festzulegen,455 dies zwingend unter Einschaltung eines gesonderten Risikoausschusses und als Vorstandsentscheidung (S. 1). Denn mit dieser Festlegung wird maßgeblich das (unternehmerische) Risiko der CCP vorgeprägt. Inhaltlich wird freilich vorgegeben, dass beschränkende Kriterien und Festlegungen allein aus dem Aspekt des Risikos für die jeweilige CCP gerechtfertigt werden dürfen (S. 3).456 Dazu freilich gehört auch, dass die Clearingmitglieder hinreichende operationelle und finanzielle Kapazitäten haben, um das Clearing durchführen und die damit verbundenen Risiken tragen zu können (S. 2 a.E.). Es wird also zwar das Risikominimierungsinteresse der CCP – als eigenes unternehmerisches Interesse, jedoch zugleich auch als Regulierungsinteresse – anerkannt und in den Vordergrund gerückt. Soweit dieses jedoch gewährleistet ist, ist Leitschnur, dass genügend Clearingmitglieder teilnehmen können sollen, um das obligatorische Clearing zu gewährleisten.457 Deswegen auch müssen die risikobezogenen Kriterien als solche nachvollziehbar („objektiv“) sein, offengelegt und so überprüfbar werden („transparent“), und sie dürfen nicht diskriminierend – auch nicht indirekt diskriminierend – ausgestaltet sein (S. 2).458 Solchermaßen ist der geforderte „faire und offene“ Zugang umrissen.

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b) Dauerhafte und transparente Anwendung der Kriterien (Abs. 2). Die Pflicht der CCPs, die festgelegten Kriterien dauerhaft anzuwenden (S. 1), besteht im Interesse der Clearingmitglieder (strategische Planbarkeit) ebenso wie (vor allem) im öffentlichen (Regulierungs-)Interesse, ist also vor allem auch der Aufsichtsbehörde geschuldet. Dies dient gleichermaßen der kontinuierlichen Abdeckung mit clearingfähigen Anbietern (Clearingmitgliedern) wie auch deren kontinuierlichen Überwachung zur Risikovorsorge. Daher auch hat die CCP die notwendigen Informationen einzuholen (und schon in der Abrede mit den Clearingmitgliedern die Zugangsrechte sicherzustellen). Insoweit sind Abs. 2 S. 1 (2. HS) und Abs. 3 (vgl. nächste Rn) miteinander verzahnt. Und aus diesem Grunde auch besteht eine Pflicht, die Clearingmitglieder auf ihre Compliance mit dem Regime hin mindestens einmal jährlich zu überprüfen.459 Es besteht also eine Organisationsverantwortung der CCP für die gesamte ihr unterstellte/verbundene Organisation im öffentlichen Interesse.460

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c) Anforderungen an Clearingmitglieder und Informations- und Einsichtsrechte der CCP (Abs. 3). Abgestützt wird diese Organisationsverantwortung der CCPs auf Einsichtsund Fragerechte der CCPs (S. 2), die sie selbst – zugeschnitten auf ihr jeweiliges Geschäftsund Risikomodell – in der Abrede mit den Clearingmitgliedern bzw. in der Satzung verankern. Diese Rechte, Informationen einzuholen, umfassen alle Fragen aus dem Bereich der 455

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Dies ebenfalls betonend Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Richter/Eue Handbuch, Teil 5 E Rn 3 u. 11; eher die Vorgaben der EMIR hervorhebend: Grüning/Cieslarczyk RdE 2013, 354 (358). Dazu Grüning/Cieslarczyk RdE 2013, 354 (358). Ebenso – wenn auch in leicht anderem Kontext – Funke/Neubauer CCZ 2012, 6 (9 f.).

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Vgl. hierzu auch Grüning/Cieslarczyk RdE 2013, 354 (358); Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 5 E Rn 3 ff. Näher zum Inhalt dieser Pflicht, auch auf Ebene der Clearingmitglieder Durchsetzungsmaßnahmen vorzuhalten: Wilhelmi/ Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Richter/Eue Handbuch, Teil 5 E Rn 5 f. Ebenso Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Richter/Eue Handbuch, Teil 5 E Rn 8.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Clearingmitglieder, die für das Risikomanagement der CCP von Bedeutung sind.461 Hinzu kommen zudem alle Fragen, die den Zugang zu den Clearingmitgliedern betreffen (S. 3), weil dieser über die gewünschte Breite der Clearingangebote entscheidet. Umgekehrt regelt Abs. 3 (S. 1 und 4) auch Anforderungen an die Clearingmitglieder direkt – nicht nur Frageund Einsichtsrechte der CCPs. Diese müssen über die hinreichenden operationellen und finanziellen Kapazitäten verfügen, um das Clearing durchzuführen und die mit dem Clearing verbundenen (Ausfall-)Risiken tragen zu können (S. 1)462 – Anforderungen, deren Fehlen in Abs. 1 S. 2 bereits als möglicher Ausschlussgrund formuliert wird (oben Rn 750). Während die CCPs für die Clearingmitglieder und deren Eignung (mit-)verantwortlich sind (vorige Rn) und daher auch die genannten Einsichtsrechte haben, bleibt die (Primär)Verantwortlichkeit (auch) bei den Clearingmitgliedern selbst (S. 4). d) Aussetzung und Beendigung des Zugangs (Abs. 4, 5). Abs. 4 begründet das Recht 753 der CCP, die Mitgliedschaft eines Clearingmitglieds zu beenden, wenn die Kriterien, die die CCP nach Abs. 1 aufgestellt haben, nicht mehr erfüllt sind. Aus den Bindungen, denen sie nach Abs. 1 unterworfen ist, wird man entnehmen müssen, dass die CCP dabei einem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen ist. Daher ist nicht nur eine Aussetzung der Mitgliedschaft möglich (ebenfalls Abs. 4), sondern bei ausräumbaren Problemen (je nach Zügigkeit einer Behebung) auch vorzuziehen.463 Milder ist insbesondere auch die nach Art. 38 Abs. 5 EMIR mögliche Sanktion, Verstöße von Clearingmitgliedern zu veröffentlichen (unten Rn 758). Vorausgesetzt wird in beiden Fällen eine objektiv nachvollziehbare Feststellung, dass die nach Abs. 1 festgelegten Kriterien nicht mehr erfüllt sind. Umgekehrt wird man aus der Pflicht von CCPs zur Risikominimierung und zur Vorhaltung entsprechender Verfahren auch zu entnehmen haben, dass jedenfalls wenn ein Clearingmitglied die Kriterien längerfristig nicht mehr erfüllt, die CCP auch zur Aussetzung oder Beendigung verpflichtet ist. Aussetzung und Beendigung setzen das Durchlaufen eines objektiven und transparen- 754 ten Verfahrens voraus (Einleitung zu Abs. 4), dessen Grundlage die genannte strikte Bindung an die nach Abs. 1 festgelegten Kriterien auch bei der Aussetzungs- bzw. Beendigungsentscheidung bildet.464 Hierher zählt auch die Pflicht zu schriftlicher Begründung mit Aufzeigen der für die Entscheidung maßgeblichen Risikoanalyse (Abs. 5). e) Auferlegung von Sonderpflichten (Abs. 5). Um Flexibilität bei der Abdeckung ihrer 755 Clearingpflichten zu gewährleisten, dürfen CCPs ihren Clearingmitgliedern oder einigen unter ihnen auch Sonderaufgaben, etwa bei Auktionen auferlegen – freilich unter Berücksichtigung des übernommenen Risikoumfangs, d.h. gleichsam als ergänzende Vertragsauslegung. Zugleich darf die Maßnahme nicht de facto zum Ausschluss anderer Clearingmitglieder vom allgemeinen Geschäft oder Teilen desselben führen.465 3. Artikel 38: Pflichten zu Preis- und Risikotransparenz a) Pflichten zu Preisaufschlüsselung und -transparenz und Bündelungsverbot (Abs. 1). 756 CCPs haben die Preise und Entgelte für die eigentliche Dienstleistung – die Übernahme der 461 462

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Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/ Richter/Eue Handbuch, Teil 5 E Rn 5 ff. Dazu näher Grüning/Cieslarczyk RdE 2013, 354 (358); Gstädtner RdF 2012, 145 (152). Ebenso Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Richter/Eue Handbuch, Teil 5 E Rn 9.

464 465

Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/ Richter/Eue Handbuch, Teil 5 E Rn 8. Für diese Lesart der Einschränkung auch etwa Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Richter/Eue Handbuch, Teil 5 E Rn 10.

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6. Teil. Marktregeln

jeweiligen Vertragspflichten und des Ausfallrisikos – zu veröffentlichen (S. 1), um so die Auswahl (mit Preiswettbewerb) zu erleichtern – desgleichen dann Clearingmitglieder für ihre Kunden.466 Fast noch wichtiger ist, dass sie für jede (auch weitere) Dienstleistung separat die Preise und Entgelte offenzulegen haben, einschließlich der Abschläge und Rabatte und die dafür bestehenden Bedingungen (S. 2).467 Auch sind CCPs verpflichtet, jede Dienstleistung separat anzubieten (Bündelungsverbot, S. 3).468 Nicht zu veröffentlichen, sondern nur der zuständigen Behörde zu melden ist eine Gegenüberstellung von Aufwendungen und Einkünften aus der jeweiligen Dienstleistung (S. 4) – eine zwar für die Bewertung des Geschäfts- und Risikomodells wichtige Information, auf Märkten jedoch der Marktgegenseite typischerweise und bewusst gerade nicht zugänglich. Nicht jedoch geregelt ist die Offenlegung möglicher Entgelte und Provisionen, die Dritte den CCPs in Aussicht stellen oder zahlen.469

757

b) Weitere Offenlegungspflichten zu Risiko, Volumina und technischen Formaten (Abs. 2–4). Weitere Offenlegungspflichten der CCPs sollen den Clearingmitgliedern bzw. ihren Kunden die maßgeblichen Risiken und Risikoberechnungsgrundlagen deutlich machen. Diesem Ziel dient zunächst die Aufklärung über Risiken, die mit dem Zwischentreten der CCPs (Dienstleistung) weiterhin verbunden sind (Abs. 2).470 Weiter dient der Risikotransparenz auch die Aufdeckung der Preise und Preisermittlungsmethoden, die für offene Positionen täglich angesetzt werden, um diese zu bewerten (Abs. 3 S. 1).471 Gleiches gilt schließlich für die Veröffentlichung der geclearten (zusammengefassten) Volumina je Derivatekategorie (Abs. 3 S. 2).472 Hingegen zielt die Offenlegung betrieblicher und technischer Vorschriften (Abs. 4) vor allem auf die reibungslose Abwicklung im Verhältnis zu Clearingmitgliedern und Kunden.

758

c) Offenlegung von Verstößen („naming and shaming“, Abs. 5). Die Preistransparenz (oben Rn 756) und die Beachtung der risikominimierenden Anforderungen an einen Zugang zu CCPs (oben Rn 750) bilden auch bei den Clearingmitgliedern die Kardinalpflichten. Daher ziehen Verstöße in diesen Punkten auch für Clearingmitglieder eine besonders strenge Sanktion nach sich: die Veröffentlichung durch die CCPs (sog. „naming and shaming“).473 Die Ausnahmen – entweder Gefährdung des angestrebten öffentlichen (Stabilitäts-)Ziels oder Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Interessen des Clearingmitglieds – entsprechen denen, die auch sonst vom „naming und shaming“ vorgesehen werden (vgl. daher näher etwa oben Rn 743). Die Ausnahmen werden jedoch, weil sie eine Ermessensausübung voraussetzen, in die Hände der Aufsichtsbehörden gelegt, so dass die Entscheidung zwischen CCPs und ihnen aufgeteilt ist.

466 467 468

469

470

Hierzu näher Funke WM, 2012, 202 (207); Funke/Neubauer CCZ 2012, 6 (11). Funke/Neubauer CCZ 2012, 6 (11). Hierzu näher (teils auch zur Rechtfertigung mit Wettbewerbsgesichtspunkten, d.h. oligopolistischer Struktur): Grüning/Cieslarczyk RdE 2013, 354 (356). Zum gegenteiligen Ansatz in der MiFID II für Wertpapierhandel unten 8. Teil Rn 154 f., 243–252. Vgl. hierzu etwa Funke/Neubauer CCZ 2012, 6 (11); Funke WM, 2012, 202 (207).

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Hierzu näher Grüning/Cieslarczyk RdE 2013, 354 (358); Funke/Neubauer CCZ 2012, 6 (11). Hierzu (etwa auch zur Aussagekraft dieser Information zur Markttiefe und -liquidität): Funke WM, 2012, 202 (207). Schuster/Ruschkowski ZBB/JBB 2014 123 (131); und schon Nachw. oben Fn 433. Zu der parallelen Sanktionsvorschrift in Art. 12 Abs. 2 EMIR, nun zulasten von finanziellen und nichtfinanziellen Gegenparteien, vgl. oben Rn 743.

Stefan Grundmann

4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

4. Artikel 39: Trennungspflicht und Übertragbarkeit von Sicherheiten a) System der Trennung von Vermögenswerten (Abs. 10) und Positionen. Das obliga- 759 torische Clearing erfolgt in einer Kaskade von Beteiligten. Verantwortlich für das Gesamtsystem ist nach dem Gesagten die CCP (vgl. bereits Rn 693 und 750 f.), die das Clearing selbst durch ihre Clearingmitglieder vornehmen lässt, für die sie jeweils Konten für die verschiedenen Derivatekategorien hält (unten Rn 760). Die Clearingmitglieder ihrerseits haben die Vermögenswerte, die ihre Kunden einschießen, getrennt zu verzeichnen und zu verwalten (Rn 761). Art. 39 EMIR zielt darauf ab, die Zuordnung zu den einzelnen Clearingmitgliedern und – ausgehend von diesen – dann zu den Einzelkunden möglichst verlässlich und individuell zu verbürgen, damit der Beteiligte, der die Vermögenswerte zu einem bestimmten Zweck einschießt, diese auch (zu diesem Zweck) zugeordnet behält.474 In dieser Funktion gleicht Art. 39 EMIR – nunmehr bezogen auf Vermögenswerte/Sicherheiten und ihren Wert – weitgehend Art. 16 Abs. 8, 9 MiFID II, dem Trennungsgrundsatz für die Investitionen im Wertpapierhandel, der ungleich umfangreicher kommentiert wird und als Parallelregel aufschlussreich erscheint (vgl. unten 7. Teil Rn 111–114). Mit der Omnibus-Verwaltung wird freilich auch eine ganz eigene Gestaltungsform als Option vorgesehen (unten Rn 761 f.). In der Tat werden mit der „Omnibus-Kunden-“ und der „Einzelkunden-Trennung“ zwei unterschiedlich aufwändige, jedoch auch in der (Verlust-) Risikoabwehr unterschiedlich weitgehende Gestaltungen vorgesehen, zwischen denen Einzelkunden wählen können (unten Rn 762). Eng verknüpft ist der Trennungsgrundsatz mit seiner Funktion, das Risiko des Verlusts von eingeschossenen Vermögenswerten an Dritte oder andere Beteiligte zu minimieren, mit den Anforderungen an CCPs in Art. 48 EMIR, die eingreifen, wenn Clearingmitglieder die Vorgaben nach Art. 37 nicht erfüllen (dazu unten 7. Teil Rn 190–194). Die genannten Ebenen und Gestaltungsformen einer Trennung beziehen sich alle auf Vermögenswerte, wie sie in Abs. 10 definiert sind: eingeschossene Sicherheiten und andere Werte, die von (Sicherungs-)funktion und Werthaltigkeit vergleichbar sind, namentlich Übertragungsrechte, im Falle der Liquidierung solcher Werte dann auch der Erlöswert.475 Hingegen handelt es sich bei Beiträgen zu einem Ausfallfonds nicht um eine individuell einem Kunden/Clearingmitglied zuzuordnende Sicherheit, sondern um eine für einen Gemeinschaftszweck zu entrichtende Abgabe, die daher auch vereinnahmt wird und nicht getrennt zu verwahren ist. b) Trennung auf Ebene der CCP-Konten (Abs. 1, 9). Letztlich ist die gesamte Regelung 760 als Schutz von Vermögenswerten der Kunden zu verstehen. Auf der Ebene der CCP muss die Sicherheitenrechnung daher eine Trennung im Verhältnis zwischen Clearingmitgliedern und Kunden ermöglichen. Die Anforderungen hierbei statuiert Abs. 1 näher, Abs. 9 führt hingegen genauer aus, was Erfüllung im Detail bedeutet. Die Anforderungen an die Trennungsrechnung von CCPs (Abs. 1) gehen dahin, das CCPs Konten, auf denen die Sicherheiten verzeichnet sind (für die verschiedenen Derivatekategorien), zwischen jedem einzelnen ihrer Clearingmitglieder, jedoch auch zwischen diesen und Eigenkonten der CCP selbst in ihren Aufzeichnungen trennen, d.h. dauerhaft objektiv und nachvollziehbar unterscheidbar halten müssen.476 Erfüllt sind diese Anforderungen nach Abs. 9 (allein) unter 474

475

Zu dieser Zielsetzung etwa von Hall WM 2013, 673 (674); ausf. (wenn auch vor allem im Hinblick auf das Geschäft der Investmentfonds) Decker RdF 2014, 23. Vgl. zum Kreis dieser Werte (Sicherheiten, Äquivalente und Substitute) näher Decker RdF 2014, 23 (26); sowie Art. 38 f. und An-

476

hang I und II der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 153/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl.EU 2013 L 52/41 (oben Fn 271). Dies wohl ebenfalls voraussetzend Funke, Neubauer CCZ 2012, 6 (11).

Stefan Grundmann

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6. Teil. Marktregeln

drei – eigentlich zwei – Voraussetzungen, die in gewissem Maße auch redundant zu Abs. 1 sind. Zum einen müssen überhaupt getrennte Konten eingerichtet werden, also eine Trennung in der Aufzeichnung erfolgen. Dabei wird entweder (nur) zwischen verschiedenen Clearingmitgliedern (und den CCP-Eigenkonten) unterschieden (bei der Omnibus-Kunden-Trennung) oder zusätzlich zwischen den einzelnen Kunden der Clearingmitglieder (soweit diese Einzel-Kunden-Trennung gewählt haben), wobei im zweiten Fall diese Trennung nur den Clearingmitgliedern ermöglicht werden muss, die sie dann in ihren Aufzeichnungen gewährleisten (näher unten Rn 761, 762). Andererseits muss es ausgeschlossen sein, dass Verluste zwischen solchermaßen getrennten Konten aufgerechnet oder in irgendeiner anderen Form angerechnet werden.477 Ist dies verbürgt – und nur wenn dies der Fall ist –, ist die Trennung auf CCP-Ebene ordnungsgemäß vollzogen.

761

c) Trennung auf Ebene der Clearingmitglieder-Konten (Abs. 2–4). Die Trennung der Eigenkonten und Kundenkonten („Omnibus-Kunden-Kontentrennung“), ggf. zusätzlich die Trennung einzelner Kundenkonten von den anderen Kundenkonten („EinzelkundenKontentrennung“), die die Clearingmitglieder ihren Kunden als zwei alternative Modelle zur Wahl stellen müssen (nächste Rn), können sie nur zur Wahl stellen, wenn ihnen die CCPs in der Gestaltung der Konten auf dieser obersten Ebene solch eine Trennung ermöglichen. Dazu verpflichten Abs. 2 und 3. Im ersten Fall, in der „Omnibus-Kunden-Kontentrennung“ (Basislösung) erfolgt dies durch Trennung der Eigenkonten der CCPs von allen Konten der Clearingmitglieder und unter deren Konten, all dies bei gleichzeitiger Ermöglichung einer Trennung zwischen den Konten jedes Clearingmitglieds von den bei ihm gehaltenen Kundenkonten in ihrer Gesamtheit (Abs. 2). Im zweiten Fall, bei der weitergehenden Einzelkunden-Kontentrennung, muss die CCP weitergehend auch die Ausbildung von Einzelkonten für die Einzelkunden, die dies wünschen, technisch ermöglichen, also die Trennung von Einzelkundenkonten von allen anderen Kundenkonten dieses Clearingmitglieds (Abs. 3).478 Diese Gestaltungsformen aufzunehmen und die eigenen Aufzeichnungen entsprechend auszugestalten und ggf. weiterzuleiten, ist dann Aufgabe und Pflicht der Clearingmitglieder. Nach Abs. 4 müssen sie in der Basislösung in ihrer Aufzeichnung zumindest zwischen Eigenkonten und Kundenkonten (als Gesamtheit) trennen, nach Abs. 6 dann bei entsprechender Wahl („Einzelkunden-Kontotrennung“) auch in ihren Aufzeichnungen die Einzelkundenpositionen festhalten und auch nach außen hin entsprechend kommunizieren, d.h. bei der Hinterlegung bei der CCP.479

762

d) „Omnibus-Kunden-“ oder „Einzelkunden-Trennung“ – Wahl, Rechtsfolgen, Informationspflichten (Abs. 5–7). Die Clearingmitglieder müssen jedem Kunden die Wahl einräumen zwischen Einzelkunden-Kontotrennung und Omnibus-Kunden-Kontentrennung – bei vorheriger Information über die unterschiedlichen Rechtsfolgen und Kosten (dazu sogleich). Für die – als rechtsgeschäftlich zu qualifizierende – Wahl gilt die Schriftform (Abs. 5).480 Die Rechtsfolgen für beide Gestaltungsformen ergeben sich aus Abs. 6, ob477

478

479

Zu den unzulässigen Formen der Verlustanrechnung näher von Hall WM 2013, 673; Köhling BKR 2013, 491 (495). Zur technischen Ausstattung, mit der die verschiedenen Arten der Kundentrennung ermöglicht werden, vgl. von Hall WM 2013, 673; Decker BKR 2014, 397; Decker RdF 2014, 23. Zu den Aufzeichnungen bei den Clearingmitgliedern und zur Kommunikation der Daten

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480

an die jeweilige CCP näher von Hall WM 2013, 673 (674); Decker BKR 2014, 397; Decker RdF 2014, 23 (26). Da die Schriftform dem Kunden vor allem klarmachen soll, dass die Omnibus-KundenKontentrennung zwar kostengünstiger ist, aber weniger weit reicht in der Absicherung, scheint mir ein Verstoß gegen die Schriftform nicht dagegen zu sprechen, dass der Kunde, der mündlich Einzelkunden-Kontentrennung

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

wohl diese Regelung nur die Einzelkunden-Kontentrennung direkt anspricht. Bei Einzelkunden-Kontentrennung muss jede von einem Einzelkunden erbrachte Einschussforderung für diesen Einzelkunden nach außen, d.h. der CCP gegenüber, als solche dieses Einzelkundens ausgewiesen werden („hinterlegt“ werden). Diese Selbstverständlichkeit hinsichtlich der Einschussforderungen481 gilt gem. Abs. 6 gleichermaßen für Überschüsse, die sich ergeben, wenn sich offene Positionen des Einzelkunden aufgrund der Wertentwicklung des Derivats vermindern. Dies muss in einer Form der CCP gegenüber (!) geschehen, die es ausschließt, dass Einschüsse oder Überschüsse für Verluste des Clearingmitglieds (aus Eigengeschäften) oder anderer Einzelkunden dieses Clearingmitglieds verwendet werden können (Abs. 6) oder dass ein anderer Beteiligter als der berechtigte Einzelkunde über sie verfügen kann.482 Auch in der Insolvenz aller dieser anderen Beteiligten darf nicht auf diese Vermögenswerte des Einzelkunden zugegriffen werden können.483 Bei der OmnibusKunden-Kontentrennung gilt gleiches, aber nur im Verhältnis der Kunden als Gesamtheit zum Clearingmitglied (mit seinen Eigengeschäften) und auch zu anderen Clearingmitgliedern,484 aber nicht im Verhältnis der Kunden dieses Clearingmitglieds zueinander. Über diese Unterschiede ist umfassend und klar zu informieren – und zwar durch Veröffentlichung sowohl des Schutzniveaus als auch der daran geknüpften Kosten (Abs. 7). Zugleich besteht eine Pflicht, diese Trennungsformen überhaupt anzubieten – dies zu handelsüblichen Bedingungen, namentlich Art. 4 Delegierte VO (EU) 149/2013.485 e) Verfügungsrecht der CCP über Finanzsicherheiten (Abs. 8 i.V.m. Art. 47). Bedingt 763 sich eine CCP in ihren Betriebsvorschriften ebendies aus, bestätigt dies zudem das Clearingmitglied schriftlich und wird schließlich diese Anforderung seitens der CCP auch öffentlich bekanntgemacht, so kann die CCP Einschusszahlungen und Beiträge zu einem Ausfallfonds in begrenztem Umfang für seine Forderungen verwenden. Die CCP kann, falls es in diesem Fall die Einschusszahlungen und Beiträge zu einem Ausfallsfonds, die sie als Finanzsicherheiten nach Art. 2 Nr. 1 lit. c) RL 2002/47/EG (heute RL 2009/44/EG) einnimmt, diese namentlich mit dem Ziel der Deckung von Verlusten, die aus dem Ausfall eines oder mehrerer Clearingteilnehmer resultieren können, auch zur Weiterverpfändung im Wege des unregelmäßigen Pfandrechts (sog. rehypotecation) verwenden.486

481

wählte, auch diesen Schutzstandard genießt, umgekehrt das Clearingmitglied bei Schriftformverstoß jedoch nicht die höheren Gebühren verlangen kann. Wurde mündlich ohnehin Omnibus-Kunden-Kontentrennung gewählt auch nachdem ordnungsgemäß über die Risiken aufgeklärt wurde, bleibt es m.E. bei diesem Basisstandard. Auch sie sind entsprechend für die Einzelkunden abzutrennen, obwohl Abs. 6 dies nicht ausdrücklich sagt. Ebenso von Hall WM 2013, 673 (674); Decker BKR 2014, 397 (398); Decker RdF 2014, 23 (26); Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Gallei/ Schmidt Handbuch, Teil 5 E Rn 23.

482

483 484 485 486

Zu diesen Rechtsfolgen näher: von Hall WM 2013, 673 (674); Decker BKR 2014, 397 (398); Decker RdF 2014, 23 (26) (insb. auch zu Verfügungsrechten der CCP über die Sicherheiten, vgl. dazu auch nächste Rn); Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Gallei/ Schmidt Handbuch, Teil 5 E Rn 23. Ausführlich von Hall WM 2013, 673 (675) sowie Decker BKR 2014, 397 (398). Ebenso von Hall WM 2013, 673 (675) sowie Decker BKR 2014, 397 (398). Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik Handbuch, Teil 3 B II Rn 41. Vgl. etwa Schwenk jurisPR-BKR 11/2012 Anm. 1 S. 6.

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6. Teil. Marktregeln

764

VI. Aufsichtsrechtliche Anforderungen an CCPs, Interoperabilitätsvereinbarungen, Registrierung, Beaufsichtigung und Anforderungen an Transaktionsregister, Gemeinsame und Schlussbestimmungen (Art. 40–84) – Verweis Titel V Interoperabilitätsvereinbarungen [Art. 51–54: Anforderungen an Interoperabilitätsvereinbarungen zwischen CCPs und ihre Beaufsichtigung – Kommentierung wegen des Sachzusammenhangs unten 7. Teil, Rn 195 f.] Titel VI Registrierung und Aufsicht von Transaktionsregistern [Art. 55–77: Transaktionsregister für alle Geschäfte von CCPs und seine Beaufsichtigung – Kommentierung des Sachzusammenhangs unten 7. Teil, Rn 197 f.] Titel VII Anforderungen an Transaktionsregister [Art. 78–82: Organisatorische Anforderungen an das Transaktionsregister nach Titel VI – Kommentierung des Sachzusammenhangs unten 7. Teil, Rn 197 f.] Titel VIII Gemeinsame Bestimmungen [Art. 83–84: Berufsgeheimnis und Informationsaustausch – Kommentierung des Sachzusammenhangs unten 7. Teil, Rn 199 f.] Titel IX Übergangs- und Schlussbestimmungen [Art. 85–91: Überprüfung, Veröffentlichung auf Website, Änderungs- und Übergangsbestimmungen und Inkrafttreten – Kommentierung des Sachzusammenhangs unten 7. Teil, Rn 199–201; sonstige Normen unkommentiert]

C. Kommentierung: Verordnung (EU) 2016/1011 über Indizes, die als Referenzwert u.ä. verwendet werden (Benchmark-VO) Schrifttum a) Monographien, Sammelbände, Kommentare: Hull Optionen, Futures und andere Derivate, 9. Aufl. 2015; Jahn/Reiner § 114. Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate), Rn 221 f., in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017; Kübler § 35. Finanzderivate und Kartellrecht: Aktuelle Entwicklungen, in: Zerey (Hrsg.), Finanzderivate – Rechtshandbuch, 4. Aufl. 2016; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 744– 750; Park Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, Teil 1: Einleitung, Rn 11 ff. b) Aufsätze und Beiträge: Abrantes-Metz/Evans Replacing the LIBOR with a Transparent and Reliable Index of Interbank Borrowing: Comments on the Wheatley Review of LIBOR Initial Discussion Paper, Chicago Institute for Law and Economics Working Paper No. 620, abrufbar unter: http:// chicagounbound.uchicago.edu/law_and_economics/422/; Abrantes-Metz/Kraten/Metz/Seow Libor manipulation?, 36 Journal of Banking and Finance 136 (2012); Abrantes-Metz/Rauterberg/Verstein

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Stefan Grundmann

4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks Revolution in Manipulation Law: The New CFTC Rules and the Urgent Need for Economic and Empirical Analyses, 15 Univ. of Pennsylvania Journal of Business Law 357 (2012); Abtrantes-Metz/Sokol The Lessons from Libor for Detection and Deterrence of Cartel Wrongdoing, 3 Harvard Business Law Review Online 10 (2012); Bächstädt/Pietrzak Manipulationen von LIBOR und EURIBOR – Referenzzinssätze auf dem Prüfstand, Kredit & Rating Praxis 5/2012, 19; Bainbridge Reforming Libor: Wheatley Versus the Alternatives, 9 NYU Journal of Law & Business 789 (2013); Bausch/Wittmann Schadensersatzklagen vor deutschen Gerichten im Zusammenhang mit der Manipulation von Libor und Euribor, WM 2014, 494; Beißer/Read Libor- und Euribor-Skandal und erste Konsequenzen, ZfgK 2016, 219; Buck-Heeb LIBOR- und EURIBOR-Manipulationen – Haftungsrechtliche Fragen, WM 2015, 157; Chiu Regulating financial benchmarks by ‚Proprietization‘: a critical discussion, 11 Capital Markets Law Journal 191 (2016); Duffie/Dworczak Robust benchmark design, NBER Working Paper 20540, 10/2014, abrufbar unter http://www.nber.org/papers/w20540.pdf; Duffie/ Dworczak/Zhu Benchmarks in Search Markets, Stanford University Graduate School of Business Research Paper No. 14–47, November 21, 2016, Journal of Finance, Forthcoming, abrufbar unter: https://ssrn.com/abstract=2515582; Duffie/Skeie/Vickery A Sampling-Window Approach to Transactions-Based Libor Fixing, Federal Reserve Bank of New York Staff Report 596, February 2013, abrufbar unter: https://www.newyorkfed.org/medialibrary/media/research/staff_reports/sr596.pdf; Duffie/Stein Reforming LIBOR and other financial market benchmarks, 29 The Journal of Economic Perspectives 191 (2015); Eisl/Jankowitsch/Subrahmanyam The Manipulation Potential of Libor and Euribor, February 8, 2017, abrufbar unter: http://people.stern.nyu.edu/msubrahm/papers/LIBOR.pdf; ESMA-EBA Principles for Benchmark-Setting Processes in the EU, 2013/659, 6 June 2013; Feldkamp Alle ein bisschen LIBOR? Die neue Referenzwertverordnung und ihre Folgen, RdF 2016, 180; Financial Stability Authority (FSA) The regulation and supervision of benchmarks, PS 13/06, März 2013; Financial Stability Board (FSB) – Official Sector Steering Group Reforming Major Interest Rate Benchmarks, 22 July 2014, abrufbar unter http://www.financialstabilityboard.org/publications/r_ 140722.pdf; Fleischer/Bueren Die Libor-Manipulation zwischen Kapitalmarkt- und Kartellrecht, DB 2012, 2561; Friedrich Milliardenregress für Banken, VW 24/2013, 37; Gandhi/Golez/Jackwerth/ Plazzi, Financial market misconduct and public enforcement: the case of Libor manipulation, Working Paper, 10 February 2016, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=2342075; Hockett/Omarova Systemically Significant Prices, 2 Journal of Financial Regulation 1 (2016); Hou/Skeie LIBOR: origins, economics, crisis, scandal and reform, in: Durlauf/Blume (Hrsg.), The New Palgrave Dictionary of Economics, Online Edition, 2013, abrufbar unter http://www.dictionaryofeconomics.com/down load/pde2013_L000246.pdf; International Organization of Securities Commissions (IOSCO) Principles for Financial Benchmarks: Final Report, FR07/13, July 2013, abrufbar unter http://www. iosco.org/library/pubdocs/pdf/IOSCOPD415.pdf; Janin/Stamegna Regulating global finance: the EU benchmarks regulation as a ‚benchmark‘? a political reading, 5 Law and Economics Yearly Review 58 (2016); Löw/Crameri Referenzzinssätze und -preise im Fokus internationaler Regulierungsinitiativen, Die Volkswirtschaft 1/2–2014, 58; Pirana The Wheatley Report on Reforming LIBOR: A Step in the Right Direction?, 68 Univ. of Miami Law Review 883 (2014); Rau Private Enforcement bei Referenzwertmanipulationen vor dem Hintergrund des neuen Missbrauchsregimes, BKR 2017, 57; Rauterberg/Verstein Index Theory: The Law, Promise, and Failure of Financial Indices, 30 Yale J. on Regulation 1 (2013); Spindler Der Vorschlag einer EU-Verordnung zu Indizes bei Finanzinstrumenten (Benchmark-VO), ZBB 2015, 165; Walker Reference Rate Regulation and LIBOR, 28 Banking & Finance Law Review 351 (2013); Weck Die Manipulation des LIBOR als Referenzzinssatz in kommunalen Derivate-Geschäften – Teile 1 und 2, KommJur 2013, 247 und 281; Wheatley Review of LIBOR – Final Report, September 2012; Wundenberg Regulierung von Benchmarks: § 30 Grundlagen, in Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, S. 653; ders. Regulierung von Benchmarks: § 31 Marktaufsicht und organisatorische Anforderungen, ebenda, S. 659.

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6. Teil. Marktregeln

Übersicht Rn

Rn

Verordnung (EU) Nr. 2016/1011 (Benchmarks): Titel und Erwägungsgründe . . . . . . 765

III. Integrität und Zuverlässigkeit von Referenzwerten (Art. 4–16) sowie Anforderungen an verschiedene Arten von Referenzwerten (Art. 17–26) – Verweis . . 805

I. Regelungsumfeld, -ziele und -entwicklung 1. Ausgangspunkt und Regelungsziele . . a) Libor/Euribor – Krise und Regulierungsansätze . . . . . . . . . b) Einzelne Regulierungsziele . . . . . . 2. Regelungsentwicklung . . . . . . . . . . a) Internationaler Hintergrund . . . . . b) EU-Benchmark-Verordnung – mit Ausführungsrechtsakten . . . . . . . c) Fragen der Einbettung ins nationale Recht – insbes. Straf- und Zivilrecht II. Gegenstand, Anwendungsbereich und Kernbegriffe (Art. 1–3) . . . . . . . . . . . 1. Artikel 1: Gegenstand . . . . . . . . . . 2. Artikel 2: Anwendungsbereich . . . . . a) Anwendungsbereich (Abs. 1) . . . . b) Ausnahmen für Währungs-, Stabilitäts- und Wirtschaftspolitik (Abs. 2 lit. a)-c)) . . . . . . . . . . . c) Ausnahme für die Presse (Abs. 2 lit. e)) . . . . . . . . . . . . . d) Ausnahmen für geschäftsbezogene Einzelangaben (Abs. 2 lit. d) und f)) e) Bedingte Ausnahmen bei RohstoffReferenzwerten und Index-Anbietern (Abs. 2 lit. g) und h)) . . . . . . . . 3. Artikel 3: Kernbegriffe . . . . . . . . . a) Indices und Referenzwerte(gruppen) (Nr. 1, 3–4) . . . . . . . . . . . . . . b) Bereitstellung und Verwendung von Referenzwerten (Nr. 2, 5–7) . . . . . c) Erstellungsprozess für Referenzwerte und Beteiligte (Nr. 8–15) . . . . . . d) Betroffene Instrumente und weitere Beteiligte (sowie Leitungsorgane) (Nr. 16–21) . . . . . . . . . . . . . . e) Verschiedene Arten von Referenzwerten (Nr. 22–27) . . . . . . . . . . f) Ansiedlung und Behörden (Nr. 28–29) . . . . . . . . . . . . . .

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766 766 766 770 774 774 775 778 783 784 786 786

787 788 789

791 793 794 796 798

801 803

IV. Transparenz und Verbraucherschutz (Art. 27–28) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Artikel 27: Referenzwert-Erklärung . a) Ziel und Abgabe einer Erklärung je Referenzwert (Abs. 1 UA 1–3) . b) Inhalt der Referenzwert-Erklärung (Abs. 1 UA 4 und Abs. 2, 3) und Schadensersatz . . . . . . . . . . . 2. Artikel 28: Änderung oder Einstellung eines Referenzwerts – Präventivpflichten . . . . . . . . . . . . . . . .

. 806 . 807 . 807

. 809

. 811

V. Verwendung der Referenzwerte in der Union (Art. 29–33) (Überblick) . . . . . . 1. Art. 29: Verwendung und Verwendungsschranken bei Referenzwerten von EU-Administratoren . . . . . . . . 2. Art. 30–32: Verwendung von Referenzwerten von Drittland-Administratoren nach Registrierung bzw. Anerkennung . 3. Art. 33: Übernahme von Referenzwerten von Drittland-Administratoren durch EU-Administratoren . . . . . . .

812

813

816

819

VI. Zulassung, Registrierung und Beaufsichtigung von Administratoren (Art. 34–48) (Überblick) . . . . . . . . . . 820 1. Art. 34–36: Zulassungs- und Registrierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 821 2. Art. 37–48: Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden, Befugnisse, Sanktionen und Berufsgeheimnis . . . . . . . . . . 822 VII. Delegierte Rechtsakte und Schlussbestimmungen (Art. 49–59) (Überblick) . . . . . 824 1. Artikel 49–50: Delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte . . . . . 825 2. Artikel 51–59: Übergangs- und Schlussbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . 826

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016

über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (Text von Bedeutung für den EWR) Amtsblatt EU 2016 L 171/1 Das Europäische Parlament und des Rat der Europäischen Union – gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme der Europäischen Zentralbank487 nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses488, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren489, in Erwägung nachstehender Gründe: (1)

(2)

487 488 489

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Bei zahlreichen Finanzinstrumenten und -kontrakten hängt die Preisbildung von der Genauigkeit und Integrität bestimmter Referenzwerte ab. Die schweren Manipulationen bei Referenzzinssätzen wie LIBOR und EURIBOR sowie die Manipulationsvorwürfe in Bezug auf Energie-, Öl- und Devisen-Referenzwerte zeigen, dass Referenzwerte Interessenkonflikten unterliegen können. Die Ausnutzung von Ermessensspielräumen und schwache Unternehmensführungsstrukturen erhöhen die Anfälligkeit von Referenzwerten für Manipulationen. Versagen oder Zweifel in Bezug auf die Genauigkeit und Integrität von Indizes, die als Referenzwerte verwendet werden, können das Marktvertrauen untergraben, Verbrauchern und Anlegern Verluste verursachen und Verzerrungen der Realwirtschaft zur Folge haben. Aus diesem Grund ist es notwendig, die Genauigkeit, Robustheit und Integrität der Referenzwerte und des Verfahrens zu ihrer Bestimmung sicherzustellen. Die Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates490 enthält bestimmte Anforderungen hinsichtlich der Zuverlässigkeit von Referenzwerten, die für die Preisbildung eines börsennotierten Finanzinstruments verwendet werden. Die Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates491 enthält bestimmte Anforderungen für Referenzwerte, die von Emittenten verwendet werden. Die Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates492 enthält bestimmte Anforderungen für die

ABl. C 113 vom 15.4.2014, S. 1. ABl. C 177 vom 11.6.2014, S. 42. Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 28. April 2016 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 17. Mai 2016. Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung des Richtlinien 2011/61/EU und 2002/92/EG (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349). Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November

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2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. L 345 vom 31.12. 2003, S. 64). Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 32).

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Verwendung von Referenzwerten durch Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW). Die Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates493 enthält Bestimmungen, die die Manipulation von Referenzwerten, die für Energiegroßhandelsprodukte verwendet werden, untersagen. Allerdings decken diese Rechtsakte nur bestimmte Aspekte bestimmter Referenzwerte ab, und sie behandeln weder alle Schwachstellen bei der Bereitstellung aller Referenzwerte, noch decken sie alle Verwendungsarten finanzieller Referenzwerte in der Finanzwirtschaft ab. Referenzwerte sind für die Preisbildung bei grenzüberschreitenden Transaktionen von grundlegender Bedeutung, damit erleichtern sie das wirksame Funktionieren des Binnenmarkts für ein breites Spektrum von Finanzinstrumenten und -dienstleistungen. Viele Referenzwerte, die bei Finanzkontrakten, insbesondere Hypotheken, als Referenzzinssatz herangezogen werden, werden in einem Mitgliedstaat bereit gestellt, aber von Kreditinstituten und Verbrauchern in anderen Mitgliedstaaten verwendet. Hinzu kommt, dass solche Kreditinstitute für ihre Risikoabsicherung oder die für die Gewährung solcher Finanzkontrakte benötigte Finanzierung häufig den länderübergreifenden Interbankenmarkt in Anspruch nehmen. Nur wenige Mitgliedstaaten haben nationale Rechtsvorschriften über Referenzwerte erlassen, doch ihre jeweiligen Rechtsrahmen für Referenzwerte weisen in Bezug auf Aspekte wie den Anwendungsbereich bereits Divergenzen auf. Darüber hinaus hat die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) am 17. Juli 2013 Grundsätze zu finanziellen Referenzwerten (im Folgenden „IOSCO-Grundsätze zu finanziellen Referenzwerten“) und Grundsätze für Ölpreismeldestellen am 5. Oktober 2012 (im Folgenden „IOSCO-Grundsätze für Ölpreismeldestellen“) (zusammen im Folgenden „IOSCO-Grundsätze“) vereinbart, und da diese Grundsätze eine gewisse Flexibilität in Bezug auf ihren genauen Anwendungsbereich und Umsetzungsweg lassen, ist es wahrscheinlich, dass die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene Rechtsvorschriften erlassen, die diese Grundsätze auf unterschiedliche Weise umsetzen. Diese divergierenden Ansätze würden zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts führen, da Administratoren und Nutzer von Referenzwerten in verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlichen Regelungen unterlägen. Folglich könnte die Verwendung der in einem Mitgliedstaat bereit gestellten Referenzwerte in anderen Mitgliedstaaten verhindert werden. In Ermangelung eines harmonisierten Rahmens, der die Genauigkeit und Integrität der Referenzwerte sicherstellt, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten oder zur Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds verwendet werden, ist es daher wahrscheinlich, dass durch Unterschiede in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten Hindernisse für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für die Bereitstellung von Referenzwerten entstehen. Der Aspekt der angemessenen Informationen über Referenzwerte für Finanzkontrakte wird in den Unions-Verbraucherschutzvorschriften nicht eigens geregelt. Infolge von Verbraucherbeschwerden und Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Verwendung von Referenzwerten in mehreren Mitgliedstaaten ist es wahrscheinlich, dass aufgrund legitimer Verbraucherschutzanliegen auf nationaler Ebene unterschiedliche Maßnahmen eingeführt würden, was zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts führen könnte, da ein unterschiedliches Verbraucherschutzniveau divergierende Wettbewerbsbedingungen mit sich bringt. Daher ist es angemessen, auf Unionsebene einen Regulierungsrahmen für Referenzwerte festzulegen, um für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts zu sorgen und die Voraussetzungen hierfür insbesondere in Bezug auf die Finanzmärkte zu verbessern und um einen hohen Verbraucher- und Anlegerschutz sicherzustellen. Es ist angemessen und notwendig für diesen Rahmen die Form einer Verordnung festzulegen, um sicherzustellen, dass die Bestimmungen, die unmittelbare Pflichten für Personen mit sich bringen, die an der Bereitstellung, Beitragsleistung und Nutzung von Referenzwerten

Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Integrität und

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Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts (ABl. L 326 vom 8.12.2011, S. 1).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks beteiligt sind, unionsweit einheitlich angewandt werden. Da ein Rechtsrahmen für die Bereitstellung von Referenzwerten notwendigerweise Maßnahmen zur Festlegung der genauen Anforderungen für Aspekte der Bereitstellung von Referenzwerten umfasst, könnten selbst geringe Unterschiede in dem bei einem dieser Aspekte verfolgten Ansatz zu erheblichen Behinderungen der grenzüberschreitenden Bereitstellung von Referenzwerten führen. Daher würde der Einsatz einer Verordnung, die unmittelbar anwendbar ist, die Möglichkeit einschränken, dass auf nationaler Ebene divergierende Maßnahmen erlassen werden, und einen kohärenten Ansatz sowie größere Rechtssicherheit sicherstellen und verhindern, dass bei der grenzüberschreitenden Bereitstellung von Referenzwerten signifikante Behinderungen auftreten. (8) Der Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte so umfassend sein, wie es die Schaffung eines präventiven Regulierungsrahmens erfordert. Zur Bereitstellung von Referenzwerten gehört ein Ermessensspielraum bei deren Bestimmung, und sie unterliegt naturgemäß bestimmten Arten von Interessenkonflikten, was impliziert, dass auch Möglichkeiten und Anreize für die Manipulation von Referenzwerten bestehen. Diese Risikofaktoren sind allen Referenzwerten gemein und sollten angemessenen Anforderungen an Unternehmensführung und Kontrolle unterworfen werden. Der Grad des Risikos variiert allerdings, und bei dem verfolgten Ansatz sollte deshalb den besonderen Gegebenheiten Rechnung getragen werden. Da sich Anfälligkeit und Bedeutung eines Referenzwerts im Zeitverlauf verändern, würde die Einschränkung des Anwendungsbereichs durch Bezugnahme auf Indizes, die gegenwärtig bedeutend oder anfällig sind, nicht den Risiken gerecht, die ein Referenzwert künftig einmal bergen kann. So könnten insbesondere Referenzwerte, die aktuell nicht weit verbreitet sind, später einmal weithin Verwendung finden, so dass bei ihnen selbst geringe Manipulationen möglicherweise große Auswirkungen hätten. (9) Entscheidender Bestimmungsfaktor des Anwendungsbereichs dieser Verordnung sollte sein, ob der berechnete Referenzwert den Wert eines Finanzinstruments oder Finanzkontrakts bestimmt oder die Wertentwicklung eines Investmentfonds misst. Daher sollte der Anwendungsbereich nicht von der Art der Eingabedaten abhängen. Referenzwerte, die aus wirtschaftlichen Eingabedaten, wie Aktienkursen, und aus nichtwirtschaftlichen Zahlen oder Werten, wie Wetterdaten, berechnet werden, sollten deshalb einbezogen werden. Der Rahmen, den diese Verordnung herstellt, sollte auch dem Umstand, dass es sehr viele Referenzwerte gibt, und den unterschiedlichen Auswirkungen Rechnung tragen, die sie auf die Finanzstabilität und die Realwirtschaft haben. Diese Verordnung sollte auch eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechende Antwort auf die Risiken geben, die die verschiedenen Referenzwerte mit sich bringen. Diese Verordnung sollte daher für alle Referenzwerte gelten, die für die Preisbildung von Finanzinstrumenten verwendet werden, die an geregelten Handelsplätzen notieren oder gehandelt werden. (10) Zahlreiche Verbraucher haben Finanzkontrakte, insbesondere hypothekenbesicherte Verbraucherkreditverträge, geschlossen, für die Referenzwerte, die denselben Risiken unterliegen, als Bezugsgrundlage dienen. Diese Verordnung sollte daher auch für Kreditverträge im Sinne der Richtlinien 2008/48/EG494 und 2014/17/EU495 des Europäischen Parlaments und des Rates gelten. (11) Viele Anlageindizes bergen signifikante Interessenkonflikte und werden verwendet, um die Wertentwicklung eines Fonds, etwa eines OGAW-Fonds, zu messen. Einige dieser Referenzwerte werden veröffentlicht, andere werden der Öffentlichkeit oder Teilen derselben kostenlos oder gegen Gebühr bereitgestellt, und ihre Manipulation kann Anlegern schaden. Diese

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Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L 133 vom 22.5.2008, S. 66). Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar

2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. L 60 vom 28.2.2014, S. 34).

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Verordnung sollte daher auch für Indizes oder Referenzzinssätze gelten, die zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden. Alle Kontributoren von Eingabedaten zu Referenzwerten können Ermessen ausüben, und potenziell Interessenkonflikten unterliegen und laufen so Gefahr, die Quelle von Manipulation zu sein. Das Beitragen zu einem Referenzwert ist eine freiwillige Tätigkeit. Verlangt eine Initiative von Kontributoren, dass sie ihr Geschäftsmodell signifikant verändern, stellen diese ihre Beiträge möglicherweise ein. Bei Unternehmen, die bereits der Regulierung und Aufsicht unterliegen, dürfte es jedoch nicht zu erheblichen Kosten oder unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand führen, wenn gute Unternehmensführungs- und Kontrollsysteme vorgeschrieben werden. Deshalb sieht diese Verordnung bestimmte Verpflichtungen für beaufsichtigte Kontributoren vor. Wird ein Referenzwert auf der Grundlage von Daten bestimmt, die ohne weiteres zugänglich sind, sollte die Quelle solcher Daten nicht als Kontributor gelten. Finanzielle Referenzwerte werden nicht nur für die Ausgabe und Konzipierung von Finanzinstrumenten und -kontrakten beschränkt. Die Finanzwirtschaft verwendet Referenzwerte auch zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds zu Zwecken der Rückverfolgung der Rendite, der Bestimmung der Zusammensetzung eines Portfolios oder der Berechnung der Anlageerfolgsprämien (Performance Fees). Ein bestimmter Referenzwert kann direkt als Referenz für Finanzinstrumente und Finanzkontrakte oder zur Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds oder indirekt innerhalb einer Kombination von Referenzwerten verwendet werden. Im letzteren Fall ist die Festlegung und Überprüfung der Gewichtung verschiedener Indizes innerhalb einer Kombination zu Zwecken der Bestimmung des Auszahlungsbetrags oder des Wertes eines Finanzinstruments oder Finanzkontrakts oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds ebenfalls als Verwendung finanzieller Referenzwerte zu werten, da es bei einer solchen Tätigkeit im Gegensatz zur Bereitstellung von Referenzwerten keinerlei Ermessensspielraum gibt. Das Halten von Finanzinstrumenten, für die ein bestimmter Referenzwert als Bezugsgrundlage dient, ist nicht als Verwendung des Referenzwerts zu betrachten. Zentralbanken entsprechen bereits Grundsätzen, Standards und Verfahren, die sicherstellen, dass sie ihre Tätigkeiten mit Integrität und in unabhängiger Weise ausüben. Darum ist es nicht notwendig, dass Zentralbanken dieser Verordnung unterliegen. Wenn Zentralbanken Referenzwerte bereitstellen, insbesondere wenn diese Referenzwerte für Transaktionszwecke bestimmt sind, sind sie dafür verantwortlich, dass geeignete interne Verfahren eingerichtet werden, um für die Genauigkeit, Integrität, Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit dieser Referenzwerte insbesondere hinsichtlich der Transparenz bei der Unternehmensführung und den Berechnungsmethoden zu sorgen. Außerdem sollten Behörden, einschließlich nationaler statistischer Ämter, nicht dieser Verordnung unterliegen, wenn sie Daten zu Referenzwerten beitragen, Referenzwerte bereitstellen oder Kontrolle über die Bereitstellung von Referenzwerten für die staatliche Politik, einschließlich Maßnahmen in den Bereichen Beschäftigung, Konjunktur und Inflation, ausüben. Ein Administrator ist die natürliche oder juristische Person, die die Kontrolle über die Bereitstellung eines Referenzwerts ausübt und die insbesondere die Mechanismen für die Bestimmung eines Referenzwerts verwaltet, die Eingabedaten erhebt und auswertet, den Referenzwert bestimmt und den Referenzwert veröffentlicht. Einem Administrator sollte es gestattet sein, eine oder mehrere dieser Aufgaben, einschließlich der Berechnung oder Veröffentlichung des Referenzwerts oder anderer entsprechender Dienstleistungen und Tätigkeiten bei der Bereitstellung des Referenzwerts, an einen Dritten auszulagern. Sofern eine Person allerdings lediglich im Rahmen ihrer journalistischen Tätigkeit einen Referenzwert veröffentlicht oder als Bezugsgrundlage verwendet, jedoch keine Kontrolle über die Bereitstellung dieses Referenzwerts ausübt, sollte diese Person nicht den Anforderungen dieser Verordnung für Administratoren unterliegen. Ein Index wird nach einer Formel oder anderen Methodik auf der Grundlage von Basiswerten berechnet. Beim Konstruieren dieser Formel, bei der Durchführung der erforderlichen Berechnung oder beim Bestimmen der Eingabedaten besteht ein Ermessensspielraum, der

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ein Manipulationsrisiko schafft. Daher sollte diese Verordnung für alle Referenzwerte gelten, die diese Eigenschaft des Ermessensspielraums aufweisen. Wird als Bezugsgrundlage für ein Finanzinstrument jedoch nur ein einzelner Preis oder Wert herangezogen, beispielsweise der Preis eines einzelnen Wertpapiers als Referenzkurs für eine Option oder einen Terminkontrakt, gibt es keine Berechnung, keine Eingabedaten und keinen Ermessensspielraum. Darum sollten Referenzkurse, die auf Einzelpreisen oder Einzelwerten beruhen, für die Zwecke dieser Verordnung nicht als Referenzwert angesehen werden. Von zentralen Gegenparteien (CCP) ermittelte Referenzpreise oder Abrechnungspreise sollten nicht als Referenzwerte angesehen werden, da sie dazu dienen, Abrechnung, Einschusszahlungen und Risikomanagement festzulegen, und folglich nicht herangezogen werden, um den im Rahmen eines Finanzinstruments zahlbaren Betrag oder den Wert eines Finanzinstruments zu bestimmen. Die Bereitstellung von Sollzinssätzen durch Kreditgeber sollte für die Zwecke dieser Verordnung nicht als Bereitstellung von Referenzwerten angesehen werden. Ein Sollzinssatz, der von einem Kreditgeber bereitgestellt wird, wird entweder durch einen internen Beschluss festgesetzt oder als Zinsmarge oder Aufschlag auf einen Index (zum Beispiel EURIBOR) berechnet. Im ersteren Fall ist der Kreditgeber bei dieser Tätigkeit im Hinblick auf Finanzkontrakte, die der Kreditgeber mit seinen eigenen Kunden abschließt, von dieser Verordnung ausgenommen, wogegen er im letzteren Fall der Kreditgeber lediglich als Nutzer eines Referenzwerts gilt. Um die Integrität der Referenzwerte sicherzustellen, sollten Referenzwert-Administratoren verpflichtet werden, angemessene Regelungen zur Unternehmensführung umzusetzen, um Interessenkonflikte zu kontrollieren und das Vertrauen in die Integrität der Referenzwerte zu erhalten. Selbst bei effektivem Management unterliegen die meisten Administratoren Interessenkonflikten und müssen unter Umständen Beurteilungen abgeben und Entscheidungen fällen, die eine heterogene Gruppe von Interessenträgern betrifft. Daher ist es wichtig, dass Administratoren über eine Funktion verfügen, die integer arbeitet, um die Durchführung und Wirksamkeit der Regelungen zur Unternehmensführung zu überwachen, mit denen für eine wirksame Kontrolle gesorgt wird. Durch Manipulation oder Unzuverlässigkeit von Referenzwerten kann Anlegern und Verbrauchern Schaden entstehen. Darum sollte diese Verordnung einen Rahmen für die Aufbewahrung von Aufzeichnungen durch Administratoren und Kontributoren sowie zur Herstellung von Transparenz hinsichtlich des Zwecks eines Referenzwerts und der hierfür angewandten Methodik festlegen, was eine effizientere und gerechtere Beilegung potenzieller Schadenersatzforderungen in Einklang mit einzelstaatlichem Recht oder Unionsrecht ermöglicht. Prüfungen und die wirksame Durchsetzung dieser Verordnung erfordern nachträgliche Analysen und Belege. Durch diese Verordnung sollten daher Anforderungen für die angemessene Aufbewahrung von Aufzeichnungen über die Berechnung des Referenzwerts durch die Referenzwert-Administratoren für einen ausreichend langen Zeitraum festgelegt werden. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Realität, die ein Referenzwert messen soll, und die Rahmenbedingungen, unter denen sie gemessen wird, im Zeitverlauf verändern. Deshalb ist es notwendig, dass der Prozess und die Methodik der Bereitstellung von Referenzwerten regelmäßig überarbeitet werden, um Unzulänglichkeiten oder Verbesserungsmöglichkeiten zu ermitteln. Viele Interessenträger können durch Versäumnisse bei der Bereitstellung des Referenzwerts in Mitleidenschaft gezogen werden und können helfen, diese Unzulänglichkeiten zu erkennen. Durch diese Verordnung sollte daher ein Rahmen für die Einrichtung eines Mechanismus zur Bearbeitung von Beschwerden durch die Referenzwert-Administratoren festgelegt werden, damit die Interessenträger die Möglichkeit haben, den Referenzwert-Administrator über Beschwerden zu unterrichten, und damit sichergestellt wird, dass der Referenzwert-Administrator die Begründetheit einer jeden Beschwerde objektiv bewertet. Bei der Bereitstellung von Referenzwerten werden oftmals wichtige Funktionen ausgelagert, etwa die Berechnung des Referenzwerts, das Sammeln der Eingabedaten und die Verbreitung des Referenzwerts. Um für die Wirksamkeit der Regelungen zur Unternehmensführung

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zu sorgen, muss sichergestellt werden, dass eine derartige Auslagerung einen ReferenzwertAdministrator von keiner seiner Pflichten und Verantwortlichkeiten entbindet und so erfolgt, dass weder die Fähigkeit des Administrators zur Wahrnehmung dieser Pflichten und Verantwortlichkeiten noch die Fähigkeit der jeweils zuständigen Behörde zu deren Beaufsichtigung beeinträchtigt wird. Der Referenzwert-Administrator ist zentraler Empfänger der Eingabedaten und in der Lage, die Integrität und Genauigkeit dieser Eingabedaten konsistent zu bewerten. Darum ist es notwendig, wenn ein Referenzwert auf Eingabedaten von Kontributoren beruht, dass diese Verordnung den Administratoren die Pflicht zur Ergreifung bestimmter Maßnahmen auferlegt, wenn ein Administrator der Auffassung ist, dass Eingabedaten nicht den Markt oder die wirtschaftliche Realität widerspiegeln, die ein Referenzwert messen soll, einschließlich Maßnahmen zur Änderung der Eingabedaten, des Kontributors oder der Methodik oder andernfalls die Bereitstellung des Referenzwerts einzustellen. Außerdem sollte ein Administrator als Teil seines Kontrollrahmens soweit möglich Maßnahmen zur Überwachung von Eingabedaten vor der Veröffentlichung des Referenzwerts festlegen und Eingabedaten nach der Veröffentlichung validieren, einschließlich, soweit zutreffend, des Vergleichs dieser Eingabedaten mit historischen Mustern. Jeder Ermessensspielraum bei der Bereitstellung von Eingabedaten eröffnet auch die Möglichkeit, einen Referenzwert zu manipulieren. Handelt es sich bei den Eingabedaten um transaktionsbasierte Daten, ist der Ermessensspielraum geringer und die Möglichkeit zur Manipulation der Daten folglich eingeschränkt. In aller Regel sollten Referenzwert-Administratoren als Eingabedaten daher nach Möglichkeit transaktionsbasierte Ist-Daten verwenden, doch können auch andere Daten herangezogen werden, wenn die Transaktionsdaten nicht ausreichen oder nicht geeignet sind, um die Integrität und Genauigkeit des Referenzwerts sicherzustellen. Die Genauigkeit und Zuverlässigkeit eines Referenzwerts bei der Messung der wirtschaftlichen Realität, die er messen soll, hängen davon ab, welche Methodik und welche Eingabedaten verwendet werden. Darum muss eine transparente Methodik eingeführt werden, die die Zuverlässigkeit und Genauigkeit des Referenzwerts sicherstellt. Diese Transparenz bedeutet nicht die Veröffentlichung der für die Bestimmung eines bestimmten Referenzwerts verwendeten Formel, sondern vielmehr die Offenlegung der Elemente, die ausreichen, damit Interessenträger verstehen können, wie dieser Referenzwert entstanden ist, und seinen Repräsentationsgrad, seine Relevanz und seine Eignung für die beabsichtigte Verwendung bewerten können. Um eine kontinuierliche Genauigkeit des Referenzwerts sicherzustellen, könnte es notwendig werden, die Methodik zu verändern, allerdings haben alle Veränderungen der Methodik Auswirkungen auf die Nutzer des Referenzwerts und die Interessenträger. Daher müssen die Verfahren festgelegt werden, die zu befolgen sind, wenn die Referenzwert-Methodik verändert wird, einschließlich des Konsultationsbedarfs, damit Nutzer und Interessenträger anhand dieser Veränderungen die notwendigen Maßnahmen treffen oder den Administrator benachrichtigen können, falls sie Bedenken hinsichtlich dieser Veränderungen hegen. Beschäftigte des Administrators können potenzielle Verstöße gegen diese Verordnung oder potenzielle Schwachstellen, die zu Manipulation oder Manipulationsversuchen führen könnten, feststellen. Daher sollte mit dieser Verordnung ein Rahmen geschaffen werden, der den Beschäftigten die Möglichkeit gibt, Administratoren vertraulich auf potenzielle Verstöße gegen diese Verordnung hinzuweisen. Die Integrität und Genauigkeit von Referenzwerten hängt von der Integrität und Genauigkeit der von Kontributoren bereitgestellten Eingabedaten ab. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Pflichten der Kontributoren in Bezug auf diese Eingabedaten klar festgelegt werden, dass die Einhaltung dieser Pflichten verlässlich ist und dass die Pflichten mit den Kontrollen und der Methodik des Referenzwert-Administrators übereinstimmen. Es ist daher erforderlich, dass der Referenzwert-Administrator einen Verhaltenskodex erstellt, in dem diese Anforderungen und die Verantwortlichkeiten der Kontributoren hinsichtlich der Bereitstellung von Eingabedaten festgelegt sind. Der Administrator sollte davon überzeugt sein, dass sich die Kontributoren an den Verhaltenskodex halten. Wenn sich die Kontribu-

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks toren in Drittstaaten befinden, sollte der Administrator in dem möglichen Umfang davon überzeugt sein. (31) Kontributoren unterliegen möglicherweise Interessenkonflikten und können bei der Bestimmung der Eingabedaten unter Umständen Ermessen ausüben. Daher ist es notwendig, dass Kontributoren Regelungen zur Unternehmensführung unterliegen, um sicherzustellen, dass diese Konflikte geregelt werden und die Eingabedaten genau sind, den Anforderungen des Administrators entsprechen und validiert werden können. (32) Viele Referenzwerte werden anhand einer Formel bestimmt, die Eingabedaten verwendet, welche von den folgenden Einrichtungen bereitgestellt werden: Handelsplätze, genehmigte Veröffentlichungssysteme, Bereitsteller konsolidierter Datenträger oder genehmigte Meldemechanismen, Energiebörsen oder Auktionsplattformen für Emissionszertifikate. In einigen Fällen, in denen die Datenerhebung an einen Dienstleister ausgelagert ist, der die Daten gänzlich oder direkt von diesen Einrichtungen erhält. In diesen Fällen stellen eine bestehende Regulierung und Aufsicht die Integrität und Transparenz der Eingabedaten sicher und sehen Anforderungen an die Unternehmensführung sowie Verfahren für die Meldung von Verstößen vor. Diese Referenzwerte sind daher weniger manipulationsanfällig, unterliegen einer unabhängigen Überprüfung und die betreffenden Administratoren sind folglich von bestimmten Verpflichtungen nach dieser Verordnung freigestellt. (33) Unterschiedliche Arten von Referenzwerten und unterschiedliche Referenzwert- Sektoren weisen unterschiedliche Eigenschaften, Anfälligkeiten und Risiken auf. Für bestimmte Referenzwert-Sektoren und -Arten sollten die Bestimmungen dieser Verordnung näher ausgeführt werden. Referenzzinssätze sind Referenzwerte, die bei der Umsetzung der Geldpolitik eine wichtige Rolle spielen, und daher ist es notwendig, besondere Bestimmungen für derartige Referenzwerte in diese Verordnung aufzunehmen. (34) Die Märkte für physische Rohstoffe weisen einzigartige Merkmale auf, die berücksichtigt werden müssen. Rohstoff-Referenzwerte werden weithin verwendet und können sektorspezifische Eigenschaften aufweisen; daher ist es notwendig besondere Bestimmungen für diese Referenzwerte in diese Verordnung aufzunehmen. Bestimmte Rohstoff-Referenzwerte sind von dieser Verordnung ausgenommen, sollten jedoch dennoch den entsprechenden IOSCOGrundsätzen entsprechen. Rohstoff-Referenzwerte können kritisch werden, denn das System ist nicht auf Referenzwerte beschränkt, die auf Eingaben von Kontributoren beruhen, bei denen es sich mehrheitlich um beaufsichtigte Unternehmen handelt. Für kritische Rohstoff-Referenzwerte, die unter Anhang II fallen, gelten die Anforderungen dieser Verordnung hinsichtlich Beitragspflicht und Kollegien nicht. (35) Das Scheitern kritischer Referenzwerte kann Auswirkungen auf die Integrität des Marktes, die Finanzstabilität, die Verbraucher, die Realwirtschaft oder die Finanzierung von Haushalten und Unternehmen in Mitgliedstaaten haben. Diese potenziell destabilisierenden Auswirkungen des Scheiterns eines kritischen Referenzwerts könnten sich auf einen einzelnen oder mehrere Mitgliedstaaten erstrecken. Daher ist es notwendig, dass in dieser Verordnung ein Verfahren zur Bestimmung derjenigen Referenzwerte vorgesehen wird, die als kritische Referenzwerte gelten sollten, und dass zusätzliche Anforderungen gelten, um für die Integrität und Robustheit solcher Referenzwerte zu sorgen. (36) Kritische Referenzwerte können bestimmt werden, indem ein quantitatives Kriterium oder eine Kombination von quantitativen und qualitativen Kriterien herangezogen wird. Zusätzlich könnte ein Referenzwert, der nicht den geeigneten quantitativen Grenzwert erreicht, dennoch als kritisch anerkannt werden, wenn es keinen oder sehr wenig marktorientierten Ersatz für den Referenzwert gibt und seine Existenz und Genauigkeit für die Integrität des Marktes, die Finanzstabilität oder den Verbraucherschutz in einem oder mehreren Mitgliedstaaten relevant sind und wenn sich alle jeweils zuständigen Behörden einig sind, dass ein solcher Referenzwert als kritisch anerkannt werden sollte. Kommt es unter den jeweils zuständigen Behörden nicht zu einer Einigung, sollte die Entscheidung der zuständigen Behörde des Administrators über die Frage, ob ein Referenzwert als kritisch anerkannt werden sollte, maßgeblich sein. In einem solchen Fall sollte es der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), die durch die Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Euro-

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päischen Parlaments und des Rates496 errichtet wurde, gestattet sein, eine Stellungnahme zu der Bewertung durch die zuständige Behörde des Administrators zu veröffentlichen. Außerdem kann eine nationale zuständige Behörde auch einen Referenzwert aufgrund bestimmter qualitativer Kriterien als kritisch einstufen, wenn der Administrator und die meisten der Kontributoren zu dem Referenzwert in ihrem Mitgliedstaat ansässig sind. Alle kritischen Referenzwerte sollten in eine Liste aufgenommen werden, die im Wege eines Durchführungsrechtsakts der Kommission erstellt wird, der regelmäßig überarbeitet und aktualisiert werden sollte. Die Einstellung der Verwaltung eines kritischen Referenzwerts durch einen Administrator könnte dazu führen, dass Finanzkontrakte und Finanzinstrumente ungültig werden, sie könnte Verbrauchern und Anlegern Verluste verursachen, und sie könnte Auswirkungen auf die Finanzstabilität haben. Daher ist es notwendig, dass die jeweils zuständige Behörde auch die Befugnis erhält, die Pflichtverwaltung kritischer Referenzwerte vorzuschreiben, um die Existenz dieser Referenzwerte zu bewahren. Im Fall eines Insolvenzverfahrens eines Referenzwert-Administrators sollte die zuständige Behörde der jeweiligen Justizbehörde eine Bewertung zur Verfügung stellen, aus der hervorgeht, ob und wie der kritische Referenzwert auf einen neuen Administrator übertragen oder nicht mehr bereitgestellt werden könnte. Unbeschadet der Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union und der Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, um seine Einhaltung zu erleichtern, ist es notwendig, von Administratoren kritischer Referenzwerte, einschließlich kritischer RohstoffReferenzwerte, zu verlangen, dass Lizenzen für den Referenzwert und Informationen über den Referenzwert allen Nutzern in fairer, angemessener, transparenter und nichtdiskriminierender Weise zur Verfügung gestellt werden. Wenn Kontributoren keine Eingabedaten für kritische Referenzwerte mehr beitragen, kann dies die Glaubwürdigkeit dieser Referenzwerte schwächen, da die Fähigkeit dieser Referenzwerte zur Bewertung des zugrunde liegenden Marktes oder der zugrunde liegenden wirtschaftlichen Realität dadurch beeinträchtigt wäre. Daher ist es notwendig, dass die jeweils zuständige Behörde auch die Befugnis erhält, von beaufsichtigten Unternehmen Pflichtbeiträge zu kritischen Referenzwerten zu verlangen, um die Glaubwürdigkeit des betroffenen Referenzwerts zu bewahren. Mit den Eingabedaten-Pflichtbeiträgen soll beaufsichtigten Unternehmen nicht die Pflicht auferlegt werden, Transaktionen zu tätigen oder sich zur Durchführung von Transaktionen zu verpflichten. Da es eine Vielzahl unterschiedlicher Arten und Größen von Referenzwerten gibt, ist es wichtig, in diese Verordnung ein Element der Verhältnismäßigkeit einzufügen und zu vermeiden, den Administratoren von Referenzwerten, deren Einstellung für das Finanzsystem als Ganzes eine geringere Bedrohung darstellt, übermäßige Verwaltungslasten aufzuerlegen. Deshalb sollten zusätzlich zum System kritischer Referenzwerte zwei unterschiedliche Systeme eingeführt werden: eines für signifikante Referenzwerte und eines für nicht signifikante Referenzwerte. Administratoren signifikanter Referenzwerte sollten sich dafür entscheiden können, eine beschränkte Zahl detaillierter Anforderungen dieser Verordnung nicht anzuwenden. Die zuständigen Behörden sollten allerdings weiterhin berechtigt sein, die Anwendung dieser Anforderungen auf der Grundlage der in dieser Verordnung dargelegten Kriterien zu verlangen. Bei delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten, die für Administratoren signifikanter Referenzwerte gelten, sollte der Grundsatz der Angemessenheit gebührend berücksichtigt und das Ziel verfolgt werden, so weit wie möglich die Verwaltungslasten zu vermeiden.

Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde),

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zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/ EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331, vom 15.12.2010, S. 84).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks (42) Die Administratoren nicht signifikanter Referenzwerte unterliegen einem weniger detaillierten System, wodurch die Administratoren in die Lage versetzt werden sollten, sich dafür zu entscheiden, einige Anforderungen dieser Verordnung nicht anzuwenden. In diesem Fall sollte der betreffende Administrator in einer Konformitätserklärung darlegen, warum dies angemessen ist, und diese Erklärung sollte veröffentlicht werden und der für den Administrator zuständigen Behörde zur Verfügung gestellt werden. Diese zuständige Behörde sollte die Konformitätserklärung überprüfen und die Möglichkeit haben, zusätzliche Informationen anzufordern oder Änderungen zu verlangen, um die Vereinbarkeit mit dieser Verordnung sicherzustellen. Auch wenn nicht signifikante Referenzwerte manipulationsanfällig sein könnten, sind sie doch leichter ersetzbar, weswegen Transparenz für Nutzer das Hauptinstrument sein sollte, das von Marktteilnehmern benutzt wird, um eine Entscheidung für diejenigen Referenzwerte in voller Sachkenntnis zu treffen, deren Benutzung sie für sachgerecht halten. Aus diesem Grund sollten die delegierten Rechtsakte in Titel II auf Administratoren nicht signifikanter Referenzwerte keine Anwendung finden. (43) Damit die Nutzer von Referenzwerten eine angemessene Auswahl aus den Referenzwerten treffen und deren Risiken verstehen können, müssen sie wissen, was ein bestimmter Referenzwert messen soll und wie manipulationsanfällig er ist. Darum sollte der Administrator des Referenzwerts eine Referenzwert-Erklärung veröffentlichen, in der diese Angaben gemacht werden. Um für eine einheitliche Anwendung zu sorgen und sicherzustellen, dass Referenzwert-Erklärungen eine angemessene Länge haben, gleichzeitig aber schwerpunktmäßig die Schlüsselinformationen, die Nutzer benötigen, auf leicht zugängliche Weise bieten, sollte die ESMA den Inhalt der Referenzwert-Erklärung genauer regeln, wobei eine sachgerechte Unterscheidung zwischen den Arten und Besonderheiten von Referenzwerten und ihren Administratoren zu treffen ist. (44) Diese Verordnung sollte den IOSCO-Grundsätzen Rechnung tragen, die in Bezug auf die Regulierungsanforderungen an Referenzwerte als globaler Standard dienen. Als übergeordneter Grundsatz sollte die Beaufsichtigung und Regulierung in einem Drittstaat der Beaufsichtigung und Regulierung von Referenzwerten in der Union gleichwertig sein, um den Anlegerschutz sicherzustellen. Deshalb können aus dem jeweiligen Drittstaat stammende Referenzwerte von beaufsichtigten Unternehmen in der Union verwendet werden, wenn von der Kommission eine positive Entscheidung über die Gleichwertigkeit des Systems des Drittstaates getroffen wurde. Unter derartigen Umständen sollten die zuständigen Behörden daher Kooperationsvereinbarungen mit Aufsichtsbehörden in Drittländern schließen. Die ESMA sollte die Ausarbeitung derartiger Kooperationsvereinbarungen und den Austausch von Informationen aus Drittländern zwischen den zuständigen Behörden koordinieren. Um Beeinträchtigungen durch eine mögliche abrupte Einstellung der Verwendung von aus einem Drittstaat stammenden Referenzwerten in der Union zu verhindern, sollten in dieser Verordnung allerdings auch bestimmte andere Mechanismen (nämlich Anerkennung und Übernahme) vorgesehen werden, nach denen Referenzwerte aus Drittstaaten von beaufsichtigten Unternehmen, die in der Union angesiedelt sind, verwendet werden können. (45) Durch diese Verordnung wird ein Verfahren für die Anerkennung von Administratoren, die in einem Drittstaat angesiedelt sind, durch die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats eingeführt. Die Anerkennung sollte Administratoren gewährt werden, die die Anforderungen dieser Verordnung erfüllen. In Würdigung der Rolle der IOSCO-Grundsätze als globaler Standard für die Bereitstellung von Referenzwerten sollte die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats in der Lage sein, Administratoren die Anerkennung aufgrund der Tatsache zu gewähren, dass sie die IOSCO-Grundsätze anwenden. Hierfür sollte die zuständige Behörde die Anwendung der IOSCO-Grundsätze durch einen spezifischen Administrator bewerten und bestimmen, ob diese Anwendung im Fall dieses Administrators der Einhaltung der verschiedenen Anforderungen nach dieser Verordnung gleichwertig ist. Dabei sind die Besonderheiten des Systems der Anerkennung im Vergleich zum System der Gleichwertigkeit zu berücksichtigen. (46) Durch diese Verordnung wird auch ein Übernahmemechanismus eingeführt, der es in der Union angesiedelten Administratoren oder beaufsichtigten Unternehmen unter bestimmten Umständen ermöglicht, Referenzwerte zu übernehmen, die aus einem Drittstaat stammen,

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6. Teil. Marktregeln damit sie in der Union verwendet werden. Hierfür sollte die zuständige Behörde berücksichtigen, ob durch die Bereitstellung des zu übernehmenden Referenzwerts die Einhaltung der IOSCO-Grundsätze der Einhaltung dieser Verordnung gleichwertig wäre. Dabei sind die Besonderheiten des Systems der Anerkennung im Vergleich zum System der Gleichwertigkeit zu berücksichtigen. Ein Administrator oder ein beaufsichtigtes Unternehmen, der/das einen aus einem Drittstaat stammenden Referenzwert übernommen hat, sollte in vollem Umfang für solche übernommenen Referenzwerte und für die Erfüllung der einschlägigen in dieser Verordnung genannten Bedingungen verantwortlich sein. (47) Alle Referenzwert-Administratoren können Ermessen ausüben, potenziell Interessenkonflikten unterliegen und Gefahr laufen, über unzureichende Unternehmensführungs- und Kontrollsysteme verfügen. Da die Administratoren den Prozess der Bestimmung des Referenzwerts kontrollieren, ist eine Zulassungs- oder Registrierungs- und Aufsichtspflicht für Administratoren außerdem das wirksamste Mittel, die Integrität von Referenzwerten sicherzustellen. (48) Der Administrator sollte von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem er angesiedelt ist, zugelassen und beaufsichtigt werden. Bereits der Beaufsichtigung unterliegende Unternehmen, die finanzielle Referenzwerte bereitstellen, die keine kritischen Referenzwerte sind, sollten von der zuständigen Behörde für die Zwecke dieser Verordnung registriert und beaufsichtigt werden. Unternehmen, die nur Indizes bereitstellen, die als nicht signifikante Referenzwerte gelten, sollten auch durch die entsprechende zuständige Behörde registriert werden. Zulassung und Registrierung sollten unterschiedliche Verfahren sein, und die Zulassung sollte eine gründlichere Bewertung des Antrags des Administrators erfordern. Die Frage, ob ein Administrator zugelassen oder registriert ist, sollte keinen Einfluss auf die Überwachung dieses Administrators durch die jeweils zuständigen Behörden haben. Zusätzlich sollte ein Übergangsmechanismus eingeführt werden, nach dem Personen, die Referenzwerte bereitstellen, die nicht kritisch sind und nicht in einem oder mehreren Mitgliedstaaten weithin verwendet werden, registriert werden könnten, um die erste Phase der Anwendung dieser Verordnung zu erleichtern. Die ESMA sollte auf Unionsebene ein Verzeichnis führen, das Informationen über die zugelassenen oder registrierten Administratoren, über Referenzwerte und Administratoren, die diese Referenzwerte aufgrund einer positiven Entscheidung entweder nach dem Gleichwertigkeitssystem oder dem Anerkennungssystem bereitstellen, über Administratoren der Union oder beaufsichtigte Unternehmen, die den Referenzwert von einem Drittstaat übernommen haben und über jeden derartigen übernommenen Referenzwert und seinen in einem Drittstaat angesiedelten Administrator enthält. (49) Unter Umständen kann es vorkommen, dass eine Person einen Index bereitstellt, ohne zu wissen, dass dieser Index als Referenz für ein Finanzinstrument, einen Finanzkontrakt oder einen Investmentfonds verwendet wird. Dies gilt insbesondere, wenn Nutzer und Administratoren des Referenzwerts in unterschiedlichen Mitgliedstaaten angesiedelt sind. Darum ist es notwendig, den Grad an Transparenz bezüglich des im Einzelfall verwendeten Referenzwerts zu erhöhen. Diese Transparenz kann durch Verbesserungen am Inhalt der Prospekte oder der wichtigsten Informationsunterlagen, die gemäß den Rechtsvorschriften der Union erforderlich sind, sowie durch Verbesserungen am Inhalt der Meldungen, die gemäß der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates497 erforderlich sind, erreicht werden. (50) Eine wirkungsvolle Aufsicht wird durch wirksame Instrumente und Befugnisse sowie Ressourcen für die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sichergestellt. Darum sollte diese

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Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Eu-

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ropäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

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Verordnung insbesondere ein Minimum an Aufsichts- und Untersuchungsbefugnissen vorsehen, die den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten in Einklang mit einzelstaatlichem Recht übertragen werden sollten. Bei der Ausübung ihrer Befugnisse gemäß dieser Verordnung sollten die zuständigen Behörden und die ESMA objektiv und unparteiisch handeln und in ihren Entscheidungen unabhängig bleiben. Zur Aufdeckung von Verstößen gegen diese Verordnung müssen die zuständigen Behörden in Einklang mit einzelstaatlichem Recht die Möglichkeit haben, sich Zugang zu den Räumlichkeiten juristischer Personen zu verschaffen, um Dokumente zu beschlagnahmen. Der Zugang zu solchen Räumlichkeiten ist notwendig, wenn der begründete Verdacht besteht, dass Dokumente und andere Daten vorhanden sind, die in Zusammenhang mit dem Gegenstand einer Prüfung oder Untersuchung stehen und Beweismittel für einen Verstoß gegen diese Verordnung sein könnten. Darüber hinaus ist der Zugang zu solchen Räumlichkeiten notwendig, wenn die Person, an die ein Auskunftsersuchen gerichtet wurde, diesem nicht nachkommt, oder wenn berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass im Fall eines Auskunftsersuchens diesem nicht nachgekommen würde oder die Dokumente oder Informationen, die Gegenstand des Auskunftsersuchens sind, beseitigt, manipuliert oder vernichtet würden. Ist gemäß dem jeweiligen einzelstaatlichen Recht eine vorherige Genehmigung der Justizbehörde des betreffenden Mitgliedstaats notwendig, sollte das Betreten von Räumlichkeiten nach Einholung dieser vorherigen Genehmigung erfolgen. Bereits vorhandene Aufzeichnungen von Telefongesprächen und Datenverkehrsaufzeichnungen beaufsichtigter Unternehmen können entscheidende und oftmals die einzigen Beweise für die Aufdeckung und den Nachweis von Verstößen gegen diese Verordnung, insbesondere die Erfüllung der Anforderungen an Unternehmensführung und Kontrolle, darstellen. Derartige Aufzeichnungen können helfen, die Identität der für die Eingabe von Eingabedaten Verantwortlichen und der für deren Billigung Verantwortlichen sowie die Wahrung der organisatorischen Trennung der Beschäftigten nachzuprüfen. Darum sollten die zuständigen Behörden befugt sein, bestehende Aufzeichnungen von Telefongesprächen, elektronischer Kommunikation und Datenverkehrsaufzeichnungen anzufordern, die sich im Besitz beaufsichtigter Unternehmen befinden, wenn es sich um Fälle handelt, in denen der begründete Verdacht besteht, dass diese Aufzeichnungen mit Bezug zum Gegenstand der Prüfung oder Untersuchung für den Nachweis eines Verstoßes gegen diese Verordnung relevant sein könnten. Diese Verordnung steht in Einklang mit den Grundrechten und den Grundsätzen, die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden, insbesondere dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und den Schutz personenbezogener Daten, dem Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit, unternehmerische Freiheit, Eigentum und Verbraucherschutz, wirksamen Rechtsbehelf und Verteidigung. Diese Verordnung sollte folglich in Einklang mit diesen Rechten und Grundsätzen ausgelegt und angewandt werden. Die Verteidigungsrechte der betreffenden Personen sollten in vollem Umfang gewahrt werden. Insbesondere sollten Personen, gegen die sich ein Verfahren richtet, Zugang zu den Feststellungen, auf die die zuständigen Behörden ihre Entscheidung stützen, sowie das Recht auf Anhörung erhalten. Transparenz in Bezug auf Referenzwerte ist aus Gründen der Finanzmarktstabilität und des Anlegerschutzes notwendig. Jeder Austausch und jede Übermittlung von Informationen durch die zuständigen Behörden sollte nach den Vorschriften für die Übermittlung personenbezogener Daten erfolgen, die in der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates498 festgelegt sind. Jeder Austausch und jede Übermittlung von Informationen durch die ESMA sollte nach den Vorschriften für die Übermittlung personenbezogener Da-

Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Ver-

arbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31).

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6. Teil. Marktregeln

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ten erfolgen, die in der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates499 festgelegt sind. Unter Berücksichtigung der in der Mitteilung der Kommission vom 8. Dezember 2010 zur „Stärkung der Sanktionsregelungen im Finanzdienstleistungssektor“ dargelegten Grundsätze und der infolge dieser Mitteilung angenommenen Rechtsakte der Union sollten die Mitgliedstaaten zur Sicherstellung eines gemeinsamen Ansatzes und einer abschreckenden Wirkung, für Verstöße gegen diese Verordnung Verwaltungssanktionen, und andere Verwaltungsmaßnahmen, einschließlich Geldbußen, festlegen und gewährleisten, dass diese angewandt werden. Diese Verwaltungssanktionen und anderen Verwaltungsmaßnahmen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Bei der Festlegung der im Einzelfall zu verhängenden Verwaltungssanktionen und anderer Verwaltungsmaßnahmen sollte je nach Sachlage Faktoren wie der Rückzahlung etwaiger festgestellter finanzieller Vorteile, der Schwere und Dauer des Verstoßes, erschwerenden oder mildernden Umständen und der notwendigen abschreckenden Wirkung von verwaltungsrechtlichen finanziellen Sanktionen Rechnung getragen und je nach Sachlage eine Strafminderung für Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde vorgesehen werden. So sollte insbesondere die tatsächliche Höhe von verwaltungsrechtlichen finanziellen Sanktionen, die im Einzelfall zu verhängen sind, die in dieser Verordnung festgesetzte Obergrenze oder die für sehr schwere Verstöße durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften festgesetzte darüber liegende Obergrenze erreichen können, während bei geringfügigen Verstößen oder im Fall einer Schlichtung verwaltungsrechtliche finanzielle Sanktionen verhängt werden können sollten, die weit unter der Obergrenze liegen. Die zuständige Behörde sollte über die Möglichkeit verfügen, ein vorübergehendes Verbot der Wahrnehmung von Führungsaufgaben innerhalb von Referenzwert-Administratoren oder -Kontributoren zu verhängen. Diese Verordnung sollte die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, höhere Verwaltungssanktionen festzusetzen, unbeschadet lassen und sollte auch alle Vorschriften im Recht der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit strafrechtlichen Sanktionen unberührt lassen. Auch wenn es den Mitgliedstaaten freisteht, Vorschriften über verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Sanktionen für die gleichen Verstöße festzulegen, sollten sie nicht verpflichtet sein, Vorschriften über verwaltungsrechtliche Sanktionen für Verstöße gegen diese Verordnung festzulegen, die dem nationalen Strafrecht unterliegen. Im Einklang mit nationalem Recht sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, für dasselbe Vergehen sowohl verwaltungsrechtliche als auch strafrechtliche Sanktionen zu verhängen, sollten dies aber tun können, wenn es das nationale Recht erlaubt. Die Aufrechterhaltung strafrechtlicher anstelle von verwaltungsrechtlichen Sanktionen für Verstöße gegen diese Verordnung sollte jedoch nicht die Möglichkeit der zuständigen Behörden einschränken oder in anderer Weise beeinträchtigen, sich für die Zwecke dieser Verordnung rechtzeitig mit den zuständigen Behörden in anderen Mitgliedstaaten ins Benehmen zu setzen, um mit ihnen zusammenzuarbeiten, Zugang zu ihren Informationen zu erhalten und mit ihnen Informationen auszutauschen, und zwar auch dann, wenn die zuständigen Justizbehörden bereits mit der strafrechtlichen Verfolgung der betreffenden Verstöße befasst wurden. Die Bestimmungen über den Austausch von Informationen zwischen den zuständigen Behörden sowie deren gegenseitige Verpflichtung zur Amtshilfe und Zusammenarbeit müssen gestärkt werden. In Anbetracht zunehmender grenzüberschreitender Tätigkeiten sollten die zuständigen Behörden einander die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zweckdienlichen Informationen übermitteln, um für eine wirksame Durchsetzung dieser Verordnung auch in Situationen zu sorgen, in denen Verstöße oder mutmaßliche Verstöße die Behörden in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten betreffen können. Bei diesem Informationsaustausch ist die

Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener

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Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks strenge Wahrung des Berufsgeheimnisses erforderlich, um die reibungslose Übermittlung dieser Informationen und den Schutz individueller Rechte sicherzustellen. (61) Damit die Beschlüsse der zuständigen Behörden, eine Verwaltungssanktion oder eine andere Verwaltungsmaßnahme zu verhängen, in der Öffentlichkeit abschreckend wirken, sollten sie öffentlich bekannt gemacht werden. Die Bekanntmachung von Beschlüssen, die eine Verwaltungssanktion oder andere Verwaltungsmaßnahme verhängen, ist auch ein wichtiges Instrument für die zuständigen Behörden zur Unterrichtung der Marktteilnehmer darüber, welches Verhalten als Verstoß gegen diese Verordnung gewertet wird, sowie zur Förderung eines einwandfreien Verhaltens unter den Marktteilnehmern im Allgemeinen. Wenn eine solche Bekanntmachung den beteiligten Personen unverhältnismäßig großen Schaden zuzufügen droht oder die Stabilität der Finanzmärkte oder eine laufende Untersuchung gefährdet, sollte die zuständige Behörde die Verwaltungssanktion oder die andere Verwaltungsmaßnahmen anonym bekannt machen oder die Bekanntmachung zurückstellen. Außerdem sollten in Fällen, in denen die Anonymisierung oder Zurückstellung der Bekanntmachung von Sanktionen als unzureichend dafür erachtet wird, sicherzustellen, dass die Stabilität der Finanzmärkte nicht gefährdet wird, die zuständigen Behörden auch die Möglichkeit haben, eine Entscheidung zur Verhängung von Verwaltungssanktionen oder anderer Verwaltungsmaßnahmen nicht bekannt zu machen. Die zuständigen Behörden sind auch nicht verpflichtet, Verwaltungssanktionen oder andere Verwaltungsmaßnahmen bekannt zu machen, die als unerheblich erachtet werden und bei denen eine Bekanntmachung unverhältnismäßig wäre. (62) Kritische Referenzwerte können Kontributoren, Administratoren und Nutzer in mehr als einem Mitgliedstaat betreffen. Die Einstellung der Bereitstellung eines solchen Referenzwerts oder andere Ereignisse, die deren Integrität signifikant schwächen können, könnten daher Auswirkungen in mehr als einem Mitgliedstaat haben, was bedeutet, dass die Beaufsichtigung eines solchen Referenzwerts allein durch die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Administrator des Referenzwerts angesiedelt ist, insofern nicht effizient und wirksam sein wird, als sie den Risiken, die dieser kritische Referenzwert herbeiführt, nicht gerecht wird. In einem solchen Fall sollten Kollegien gebildet werden, die die zuständigen Behörden und die ESMA umfassen, um den wirksamen Austausch von Aufsichtsinformationen zwischen den zuständigen Behörden und die Abstimmung ihrer Tätigkeiten und Aufsichtsmaßnahmen sicherzustellen. Die Arbeit der Kollegien sollte zur harmonisierten Anwendung der Bestimmungen dieser Verordnung und zur Konvergenz der Aufsichtspraxis beitragen. Die zuständige Behörde des Administrators sollte schriftliche Vereinbarungen über den Informationsaustausch, den Entscheidungsprozess, die Regelungen über Abstimmungsverfahren, die Zusammenarbeit für die Zwecke von Maßnahmen im Bereich der Beitragspflicht und Fälle, in denen sich die zuständigen Behörden gegenseitig konsultieren sollten, festlegen Die rechtlich bindende Vermittlung durch die ESMA ist bei der Verwirklichung der Koordinierung, der Aufsichtskohärenz und der Konvergenz der Aufsichtspraxis ein zentrales Element. (63) Referenzwerte können als Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente und Finanzkontrakte mit langer Laufzeit dienen. In einigen Fällen dürfen diese Referenzwerte nach Inkrafttreten dieser Verordnung möglicherweise nicht mehr bereitgestellt werden, weil sie Eigenschaften aufweisen, die nicht so angepasst werden können, dass sie den Anforderungen dieser Verordnung genügen. Gleichzeitig könnte die Untersagung einer weiteren Bereitstellung eines solchen Referenzwerts zur Aufkündigung oder zum Wegfall der Geschäftsgrundlage der Finanzinstrumente oder Finanzkontrakte führen und so die Anleger schädigen. Daher muss vorgesehen werden, dass diese Referenzwerte während eines Übergangszeitraums weiterhin bereitgestellt werden dürfen. (64) In Fällen, in denen diese Verordnung beaufsichtigte Unternehmen und Märkte betrifft oder potenziell betrifft, die unter die Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 fallen, müsste die ESMA die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) konsultieren, um das Fachwissen der ACER auf den Energiemärkten zu nutzen und Doppelregulierung zu mindern. (65) Um technische Aspekte dieser Verordnung näher auszuführen, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 AEUV Rechtsakte hinsichtlich der techni-

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6. Teil. Marktregeln schen Aspekte der Begriffsbestimmungen; hinsichtlich der Berechnung der Nennbeträge von Finanzinstrumenten, des Nominalwerts von Derivaten und des Nettovermögenswerts von Investmentfonds, für die einen Referenzwert als Bezugsgrundlage dient, um zu bestimmen, ob ein solcher Referenzwert kritisch ist; hinsichtlich der Überprüfung der Berechnungsmethode, die angewandt wird, um den Grenzwert für die Bestimmung kritischer und signifikanter Referenzwerte zu bestimmen; hinsichtlich der Bestimmung der objektiven Gründe für die Übernahme eines Referenzwert oder einer Referenzwert- Familie, der bzw. die in einem Drittstaat bereitgestellt wird; hinsichtlich der Bestimmung der Elemente zur Bewertung der Frage, ob die Einstellung oder die Änderung eines bestehenden Referenzwerts voraussichtlich zu einem Ereignis höherer Gewalt, zur Umgehung oder einem anderweitigen Verstoß gegen die Bestimmungen eines Finanzkontrakts oder eines Finanzinstruments oder der Regeln eines Investmentfonds, bei dem dieser Referenzwert als Bezugsgrundlage dient, führen würde; und hinsichtlich der Verlängerung des Zeitraums von 24 Monaten, der für die Registrierung anstatt der Zulassung bestimmter Administratoren vorgesehen ist, zu erlassen. Wenn sie solche Rechtsakte erlässt, sollte die Kommission den Marktentwicklungen bzw. den technologischen Entwicklungen sowie der internationalen Konvergenz der Aufsichtspraxis in Bezug auf Referenzwerte, insbesondere der Arbeit der IOSCO, Rechnung tragen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, und dass diese Konsultationen mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung des Europäischen Parlaments, des Rates der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016500 niedergelegt wurden. Um insbesondere eine gleichberechtigte Beteiligung an der Ausarbeitung der delegierten Rechtsakte zu gewährleisten, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Ausarbeitung der delegierten Rechtsakte befasst sind. (66) Technische Standards sollten eine kohärente Harmonisierung der Anforderungen an die Bereitstellung von als Referenzwerte verwendeten Indizes und den Beitrag zu ihnen sowie einen angemessenen Schutz von Anlegern und Verbrauchern in der gesamten Union sicherstellen. Da die ESMA über hochspezialisierte Fachkräfte verfügt, wäre es effizient und angemessen, ihr die Aufgabe zu übertragen, Entwürfe technischer Regulierungsstandards, die keine politischen Entscheidungen erfordern, auszuarbeiten und der Kommission vorzulegen. Die Kommission sollte mittels delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 290 AEUV und in Einklang mit den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 von der ESMA ausgearbeitete Entwürfe technischer Regulierungsstandards zu den Verfahren und Merkmalen der Überwachungsfunktion; zur Sicherstellung der Eignung und Überprüfbarkeit der Eingabedaten sowie der internen Überwachungs- und Überprüfungsverfahren eines Kontributors; zu den von einem Administrator bereitzustellenden Informationen über den Referenzwert und die Methodik; zu den Elementen des Verhaltenskodex; zu den Anforderungen an Systeme und Kontrollen; zu den Kriterien, die die zuständige Behörde bei der Entscheidung über die Anwendung zusätzlicher Anforderungen berücksichtigen sollte; zu den Inhalten der Referenzwert-Erklärung und den Fällen, in denen eine Aktualisierung einer solchen Erklärung erforderlich ist; zum Mindestinhalt der Kooperationsvereinbarungen zwischen den zuständigen Behörden und der ESMA; zur Form und zum Inhalt des Antrags auf Anerkennung eines in einem Drittstaat angesiedelten Administrators und zur Darstellung der Informationen, die mit einem solchen Antrag vorzulegen sind; sowie zu den Informationen, die in dem Antrag auf Zulassung oder Registrierung vorzulegen sind, annehmen. (67) Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden, um die Liste öffentlicher Behörden in der Union, zu erstellen und zu überarbeiten, die Liste kritischer Referenzwerte zu erstellen und zu überarbeiten und die Gleichwertigkeit des Rechtsrahmens, dem

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

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Bereitsteller von Referenzwerten aus Drittländern unterliegen, für die Zwecke vollständiger oder teilweiser Gleichwertigkeit festzustellen. Diese Befugnisse sollten in Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates501 ausgeübt werden. Außerdem sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, mittels Durchführungsrechtsakten gemäß Artikel 291 AEUV und in Einklang mit Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 von der ESMA ausgearbeitete technische Durchführungsstandards zu erlassen, mit denen Muster für die Konformitätserklärungen sowie Verfahren und Form des Informationsaustauschs zwischen den zuständigen Behörden und der ESMA festgelegt werden. Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich die Festlegung einer kohärenten und wirksamen Regelung, die den durch Referenzwerte entstehenden Anfälligkeiten gerecht wird, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, weil die Gesamtwirkung der mit Referenzwerten verbundenen Probleme nur im Unionskontext in vollem Umfang zu erfassen ist, sondern vielmehr wegen des Umfangs und der Wirkungen dieser Verordnung auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union in Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. Aufgrund der Dringlichkeit, das Vertrauen in Referenzwerte wiederherzustellen und gerechte und transparente Finanzmärkte zu fördern, sollte diese Verordnung am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft treten. Verbraucher können Finanzkontrakte, insbesondere Hypothekar- und Verbraucherkreditverträge, abschließen, für die ein Referenzwert als Bezugsgrundlage dient, aber ungleiche Verhandlungsmacht und die Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen bringen es mit sich, dass ihre Wahlmöglichkeiten in Bezug auf den verwendeten Referenzwert möglicherweise begrenzt sind. Darum muss zumindest sichergestellt werden, dass Kreditgeber oder Vermittler für Verbraucherkredite angemessene Informationen zur Verfügung stellen. Um diese zu erreichen, sollten die Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU daher entsprechend geändert werden. Die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erfordert, dass Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, sowie Personen, die in enger Beziehung zu ihnen stehen, dem Emittenten und der zuständigen Behörde jedes Eigengeschäft mit Finanzinstrumenten melden, die selbst mit Anteilen und Schuldtiteln ihres Emittenten verbunden sind. Es gibt allerdings zahlreiche Finanzinstrumente, die mit Anteilen oder Schuldtiteln eines bestimmten Emittenten verbunden sind. Zu solchen Finanzinstrumenten gehören Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen, strukturierte Produkte oder Finanzinstrumente, in die ein Derivat eingebettet ist, das eine Abhängigkeit von der Wertentwicklung von Anteilen oder Schuldtiteln, die von einem Emittenten ausgegeben werden, bewirkt. Jede Transaktion mit einem solchen Finanzinstrument über einem Schwellenwert sollte dem Emittenten und der zuständigen Behörde gemeldet werden. Eine Ausnahme sollte dann gelten, wenn entweder das verbundene Finanzinstrument eine Risikoposition von höchstens 20 % gegenüber den Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten bewirkt oder wenn die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, oder die Person, die in enger Beziehung zu ihr steht, die Zusammenstellung der Anlage des verbundenen Finanzinstruments nicht kannte und nicht kennen konnte. Die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 sollte daher geändert werden –

haben folgende Verordnung erlassen:

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Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mit-

gliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).

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6. Teil. Marktregeln

I. Regelungsumfeld, -ziele und -entwicklung 1. Ausgangspunkt und Regelungsziele.

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a) Libor/Euribor – Krise und Regulierungsansätze. Die Libor- und auch Euriborkrise, auf die der Erlass der EU-Benchmark-VO letztlich zurückzuführen ist (zur Regelungsgeschichte, auch global, unten Rn 774–777), entwickelte sich parallel zur Weltfinanzkrise. Jene hängt auch mit dieser durchaus teils zusammen. Denn die maßgeblichen Libor- und auch Euribormanipulationen lagen u.a. maßgeblich im Streben der beteiligten global tätigen Großbanken (namentlich Kreditinstitute) danach begründet, ihr Standing bei der (unbesicherten) Kreditaufnahme im Interbankenmarkt positiver erscheinen zu lassen als zum maßgeblichen Zeitpunkt der Fall502 – fraglos als besonders wichtig empfunden in der aufziehenden Weltfinanzkrise. Dennoch ist die Libor-/Euriborkrise jedenfalls nicht ursächlich für die Weltfinanzkrise, sondern eher hat Letztere die Manipulationen (mit-)ausgelöst. Es wird jedoch umgekehrt überwiegend auch davon ausgegangen, dass die Libor-/Euriborkrise die Weltfinanzkrise dann zumindest zusätzlich befeuert hat503 (zu den dafür maßgeblichen Arten des Vertrauensverlusts sogleich noch). Nach ersten Verdachtsmomenten, die bereits 2007 untersucht wurden,504 wurde die Libor-/Euriborkrise in der breiten Öffentlichkeit publik vor allem durch einen am 29. Mai 2008 im Wall Street Journal veröffentlichten Bericht – gut drei Monate vor dem vollen Ausbruch der Weltfinanzkrise. In ihm wurde berichtet von Libor-Festsetzungen durch das dafür zuständige Panel verschiedener global tätiger Kreditinstitute, die deutlich unter denen lagen, die sich aus den damals gängigen Credit Default Swap-Margen hätten ergeben müssen.505 Zwar hielt man sich lange in Presse und wissenschaftlicher Literatur mit dem Vorwurf einer bewussten Manipulation dieses Referenzwertes zurück,506 später jedoch erfolgten Straf- und Bußgeldanordnungen wegen (vorsätzlicher) Marktmanipulation in vielfacher Milliardenhöhe (dazu sogleich). 767 Der LIBOR bildet(e) einen Mittelwert zwischen Zinsniveaus, die die im LIBOR-Panel vertretenen 16 globalen Großbanken angeben, zu denen sie im Interbankenmarkt einen (unbesicherten) Kredit in „handelsüblicher Größe“ jederzeit aufnehmen könnten. Diese Angaben wurden nach Währungen getrennt – im Jahre 2012 10 Währungen, einschließlich dem Euro, am größten jedoch der US-$-LIBOR –507 und nach Fristigkeiten – in vielen Währungen 5–8 Fristigkeiten von overnight bis zu einem Jahr.508 Dies hatte in manchen

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Mollenkamp/Whitehouse Study casts doubt on key rate, Wall Street Journal vom 29. Mai 2008; Hou/Skeie in: Durlauf/Blume (Hrsg.) Palgrave Dictionary Online Edition, 2013 (sub ‚scandal‘). Näher zu Überlegungen der jeweiligen Beeinflussungsströme zwischen beiden Krisen: Bainbridge 9 NYU Journal of Law & Business 789, 797 ff. (2013). Vgl. Wrightson LIBOR: Twin Conundrums, ICAP’s Weekly Papers vom 3.9.2007; dann die Beiträge zum Wall Street Journal vom 16.4. und 23.4.2008 von Mollenkamp LIBOR fog: bankers cast doubt on key rate amid crisis, bzw. Mollenkamp/Whitehouse LIBOR hits US borrowers. Mollenkamp/Whitehouse Study casts doubt on key rate, Wall Street Journal vom 29. Mai

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2008; dazu Hou/Skeie in: Durlauf/Blume (Hrsg.) Palgrave Dictionary Online Edition, 2013 (sub ‚scandal‘); Spindler ZBB 2016, 165 (166) spricht von einer Verdichtung des Verdachts erst 2011, weil offiziell Ermittlungen in den USA und Großbritannien sowie kurz danach durch die BaFin aufgenommen wurden. Aus der ökonomischen Literatur etwa Abrantes-Metz/Kraten/Metz/Seow 36 Journal of Banking and Finance 136 (2012). Beschreibung etwa bei Hou/Skeie in: Durlauf/Blume (Hrsg.) Palgrave Dictionary Online Edition, 2013 (sub ‚History and Methodology‘). Siehe ferner http://www.bbatrent. com/explained/the-basics. Näher etwa a.a.O.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Währungen und für bestimmte Fristigkeiten äußerst geringe Volumina, teils inaktive Märkte zur Folge. Die Libor-Festsetzung erfolgt nun dadurch, dass die jeweils vier höchsten und vier niedrigsten Angaben eliminiert und die restlichen gemittelt werden (sog. getrimmter Mittelwert) (wie vorige Fn). Beim Euribor war/ist der Ermittlungsprozess ein vergleichbarer, das Panel mehr im Euroraum verankert, vor allem jedoch sind nicht Einschätzungen anzugeben (allenfalls hilfsweise), sondern tatsächlich getätigte Kreditaufnahme bzw. zumindest tatsächlich angebotene Sätze.509 Die Intention, das eigene Standing zu schönen, war nicht die einzige, die während der 768 Aufdeckung des Skandals hervortrat. Andere Manipulationsformen und -ziele traten daneben. Ebenso wichtig waren namentlich Beeinflussungen mit klassisch marktmanipulatorischem Charakter, mit denen der Wert des eigenen Bestandes von Finanzinstrumenten gesteigert worden sollte (2013 war der Libor Referenzwert für über 300 Trillionen US$ in Finanzinstrumenten, insbesondere Terminkontrakten und Swaps) oder die Zinserträge aus variabel verzinslichen Darlehen (2013 ebenfalls mehrere Trillionen $ mit dem Libor als Referenzwert).510 Zwingend aufgedeckt wurden die Manipulationen jedoch nicht durch statistische Methoden, mit denen Anomalien in der Referenzzinsentwicklung schlüssig bestimmten manipulatorischen Handlungen zugeordnet worden wären, sondern durch direkten Beweis, namentlich Durchsuchungen und Auswertung von e-mail-Korrespondenz (mit manipulatorischen Anweisungen).511 Dies wiederum lässt den genauen Wirkmechanismus von Manipulationen immer noch ungeklärt und (vor allem in der ökonomischen Literatur) weiterhin umstritten.512 Dies hinderte jedoch nicht die Verhängung von Bußen weltweit zuerst gegen Barclay Bank (ca. 360 Mio. EUR), UBS (ca. 1,2 Mrd. EUR), Royal Bank of Scotland (ca. 455 Mio. EUR), später andere.513 509

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Vgl. das FAQ-Blatt zum EURIBOR (S. 1): „Contributing panel banks must quote the required euro rates to the best of their knowledge; these rates are defined as the rates at which euro interbank term deposits are being offered within the EMU zone by one prime bank to another at 11.00 a.m. Brussels time. Euribor® is not necessarily based on actual transactions, as not all banks will offer deposits in marketable size each day in each maturity they quote.“ https://www.emmi-benchmarks.eu/assets/ files/Euribor%20FAQs%20Final.pdf; den dennoch bestehenden Unterschied m.E. nicht hinreichend würdigend Veil/Wundenberg EuKapMR § 30 Rn 3 (auch der EURIBOR beruhe „nicht auf realen Transaktionsdaten, sondern auf subjektiven Einschätzungen der Banken.“); ebenfalls beide Mechanismen gleichstellend Spindler ZBB 2016, 165 (166); zum Ganzen (Berechnung von LIBOR und EURIBOR) auch Eisl/Jankowitsch/Subrahmanyam The Manipulation Potential of Libor and Euribor, S. 9 ff. Überblick über diese und ähnliche Manipulationsziele etwa bei Abrantes-Metz/Rauterberg/Verstein 15 Univ. of Pennsylvania Journal of Business Law 358, 378 ff. (2012);

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Gandhi/Golez/Jackwerth/Plazzi Financial market misconduct and public enforcement: the case of Libor manipulation, S. 10 ff. So dezidiert Hou/Skeie in: Durlauf/Blume (Hrsg.) Palgrave Dictionary Online Edition, 2013 (sub ‚scandal‘). Guter Überblick über die verschiedenen Erklärungen, von denen sich jedoch keine allgemein durchsetzen konnte: Hou/Skeie in: Durlauf/Blume (Hrsg.) Palgrave Dictionary Online Edition, 2013 (sub ‚studies‘); Rauterberg/Verstein 30 Yale J. on Regulation 1 (2013); Snider/Youle The fix is in: detecting portfolio driven manipulation of the LIBOR. University of Minnesota Working Paper 2012. Die genannten Beträge waren für die LIBORManipulation allein an englische und USamerikanische Aufsichtsbehörden zu zahlen, vgl. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ leitzins-manipulation-durch-royal-bankof-scotland-libor-skandal-kostet-britischebank-millionen-euro-1.1593209. Zum Kreis der Banken und der Höhe der Bußen ausführlicher Beißer/Read ZfgK 2016, 219 (220 f.); Kübler in: Zerey (Hrsg.) Finanzderivate, 4. Aufl. 2016, § 35 Rn 2 ff., 49 ff.

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6. Teil. Marktregeln

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Wegweisend in der Aufarbeitung und in der Formulierung von Regulierungsschritten war der sog. Wheatley-Bericht in Großbritannien,514 der die Manipulationschancen zunächst als größer sah in einem Umfeld von Intransparenz und von übermäßiger Komplexität und daher die deutliche Reduktion der Libor-Festsetzungen und die damit einhergehende Eliminierung unwichtigerer Referenzwährungen, aber auch die drastische Reduktion von Fristigkeiten vorschlug. Sodann schlug der Bericht eine spätere Veröffentlichung der jeweils abgegebenen Quotes vor, um das Verantwortungsbewusstsein zu heben, allgemein eine Beaufsichtigung, die stärkere Unabhängigkeit des maßgeblichen Administrators (oder gar Überführung in eine staatlich finanzierte Agentur) und Maßnahmen gegen Interessenkonflikte. Der Bericht macht auch deutlich, dass neben das klassische Ziel der Erhaltung von Marktvertrauen das Ziel, systemische Risiken zu minimieren, trat, das erstgenannte hier jedoch – anders als etwa bei der Leerverkaufsregulierung und der Regulierung von OTC-Derivaten – eher dominant bleibt, das zweite nur hinzutritt.515 Von den Regulierungsstrategien her spricht sich der Bericht auch dafür aus, nicht etwa die Formen von Referenzwerten radikal zu reduzieren, etwa durch Untersagung jedes subjektiven Elements (Verbots- und Beschränkungslösung), sondern eher die Anforderungen zu verschärfen (Ordnungslösung).516 Damit ist die Stoßrichtung für die Gesetzgebung – auch auf EUEbene – aufgezeigt, auf allen Ebenen die Regulierungsanforderungen zu schärfen, jedenfalls der Vermeidung von Interessenkonflikten zentrales Gewicht zukommen zu lassen, eine Zulassungspflicht einzuführen und eine Gesamtverantwortung der Administratoren, denen eine Gatekeeper-Funktion zugewiesen wird. Zentral sind sie als Gatekeeper für beaufsichtigte Unternehmen, namentlich auch Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (vgl. namentlich Art. 29 Abs. 1 Benchmark-VO und unten Rn 814), obwohl diese teils diese Rolle (jedenfalls für nicht signifikante Referenzwerte) auch selbst übernehmen können (vgl. Art. 33 und Art. 34 Abs. 1 lit. c) Benchmark-VO, und unten Rn 802, 821). Stärker als etwa CCPs (EMIR) – letztere im KWG ja selbst als Kreditinstitute verfasst – stehen sie Kreditinstituten und Wertpapierfirmen daher „von außen“ gegenüber.

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b) Einzelne Regulierungsziele. Legt man die genannten Manipulationen und negativen Einwirkungen auf Märkte und die Stabilität des Finanzsystems insgesamt zugrunde, so kann man die einzelnen Regulierungsziele der EU-Benchmark-VO systematisch wohl am besten auf folgende vier herunterbrechen: Libor- und Euribor- oder sonstige Manipulationen hatten das Ziel, das Standing der Kontributoren-Banken besser erscheinen zu lassen als es der Faktenlage entsprach. Die Aufdeckung dieser Manipulation führte (i) zu Vertrauensverlust im Interbankenhandel, bis heute brach insbesondere die ungesicherte Kreditvergabe im Interbankenhandel dramatisch ein517 (bis dahin, dass gefragt wird, ob es sich in514

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The Wheatley Review of LIBOR: Final Report, September 2012 (abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/uploads/ system/uploads/attachment_data/file/ 191762/wheatley_review_libor_final report_280912.pdf); zu diesem etwa Abrantes-Metz/Evans Replacing the LIBOR with a Transparent and Reliable Index of Interbank Borrowing; Bainbridge 9 NYU Journal of Law & Business 789 (2013); Pirana 68 Univ. of Miami Law Review 883 (2014). Vgl. The Wheatley Review of LIBOR, Vorwort (S. 3) sowie Rn 4.29, 6.5, 6.18. Ebenso auch der Verordnungsentwurf der Kommis-

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sion, COM(2013) 641 final, S. 70 (Finanzbogen) (abrufbar unter: http://eur-lex. europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/ ?uri=CELEX:52013PC0641&from=DE). Vgl. Bainbridge 9 NYU Journal of Law & Business 789, 804 f. (2013); Walker 28 Banking & Finance Law Review 351, 370 f. (2013). Vgl. Zahlen bei EZB Euro Money Market Survey, September 2015, S. 11 ff. (abrufbar unter: https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/ other/euromoneymarketsurvey201509.en. pdf?d267996a6ba5717a11b54689c757 88b4).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

soweit überhaupt noch um eine zukunftsfähige Hauptkreditquelle handelt)518 – u.a. eine zentrale Ursache für die Kreditklemme (credit crunch) in der Finanzkrise.519 Insoweit dienen also Gegenmaßnahmen gegen Manipulationen (Zulassungspflicht, Aufsicht, inhaltliche Anforderungen) dem Zielebündel einer Re-etablierung von Vertrauen in Interbankenmärkten, der Verlässlichkeit der Kreditversorgung und damit auch der Stabilität des Finanzsystems insgesamt (Integritäts-, aber vergleichbar auch Stabilitätsziel). Gleichzeitig (ii) waren die Fakten verzerrende Kontributorenangaben auch dem Um- 771 stand geschuldet, dass teilnehmende Kreditinstitute den Wert ihrer eigenen Positionen in Finanzinstrumenten positiv beeinflussen und entsprechend Gewinne erzielen wollten. Hierbei handelt es sich strukturell um eine Form der Marktpreismanipulation (nach Art. 12 ff. MAR), die auch vor allem als solche bestraft wurden (vgl. oben Rn 768 und unten Rn 779 f.). Die dagegen ergriffenen Maßnahmen bilden also Präventivmaßnahmen – ähnlich wie Ad-hoc-Publizität oder Offenlegungspflichten im Directors’ Dealing, aber auch Leerverkaufsregulierung – gegen Marktmanipulationen, deren Unzulässigkeit sich wiederum bereits aus der MAR ergibt. Zentral als Gegenmaßnahmen sind – wie vorher schon am prominentesten in der MiFID I und II (und schon seit 1993 der EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie) – Regeln gegen Interessenkonflikte, vor allem auch organisatorische, nunmehr jedoch nicht bezogen auf die individuelle Beratungssituation und mit Aufklärungspflichten, sondern nunmehr bezogen auf die Beeinflussung und Schaffung von Referenzwerten, die den Kurs von Finanzinstrumenten beeinflussen. Hier wie dort ist das maßgebliche Regulierungsziel das des Anleger- oder Investorenschutzes, wobei dieses in der MiFID der Anlegerschutz gegen Fehlverhalten von Intermediären in den individuellen Kundenbeziehungen in Sekundärmärkten bildet (unten 8. Teil), in der EU-Benchmark-VO ein mehr auf die Sekundärmärkte allgemein bezogener Anleger- und Investorenschutz („Marktintegrität“ allgemein).520 Die Einbeziehung von Referenzwerten im Bereich Energiehandel und Investmentfonds dient einem strukturell vergleichbaren Ziel. Diese die Fakten verzerrenden Kontributorenangaben beeinflussten zugleich (iii) auch 772 einzelne Finanzkontrakte, namentlich Kreditverträge. Wenn die EU-Benchmark-VO insoweit ebenfalls die Instrumente von Zulassungspflicht, Aufsicht und Ausräumung von Interessenkonflikten vorsieht, so dient dies hier nicht mehr einem Anleger- und Investorenschutz (vorige Rn), sondern spezifisch dem Verbraucherschutz. Denn während die Regulierung bei Finanzinstrumenten auf alle Investoren/Anleger und damit auch auf die Kapitalmärkte insgesamt abzielt (vorige Rn), werden in den Anwendungs- und Schutzbereich der EU-Benchmark-VO für Kreditverträge nur diejenigen gegenüber Verbrauchern einbezogen, obwohl das Schutzbedürfnis gegenüber Manipulationshandlungen bei beruflichen Kreditnehmern strukturell vergleichbar erscheint. Entscheidend für das Regulierungsziel ist in diesem Zusammenhang, dass – wie beim Anleger- und Investorenschutz (vorige Rn) und tendenziell sogar noch prononcierter – der Individual- und Übervorteilungsschutz ganz im Vordergrund steht. Für verschiedene Arten von Manipulationshandlungen und -zielsetzungen antwortet die Regulierung in der EU-Benchmark-VO also mit

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So Hou/Skeie in: Durlauf/Blume (Hrsg.) Palgrave Dictionary Online Edition, 2013 (sub ‚repair and reform, or replace‘). Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Jahresgutachen 2008/2009, Rn 175, 186, 192. Dennoch betont auch hier der KommissionsEntwurf der Benchmark-VO, COM(2013)

641 final, auf S. 2, dass die Benchmark-VO einen angemessenen Verbraucher- und Anlegerschutz bezweckt. Dieser soll u.a. durch „angemessene Regressansprüche“ sichergestellt werden. Die Verordnung zielt also konkret (auch) auf individuellen Anlegerschutz.

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ebenfalls unterschiedlichen Zielsetzungen: teils mit Schwerpunkt auf dem Stabilitätsziel (Minimierung systemischer Risiken), teils mit Schwerpunkt auf dem Interesse an Marktintegritäts- oder aber ganz spezifischem Individualschutz. 773 Ein viertes einzelnes Regulierungsziel wird typischerweise nicht formuliert, ist jedoch in der Breite des Anwendungsbereichs angelegt, der grds. alle Referenzwerte mit Bezug zu Finanzinstrumenten und -kontrakten (und Energiehandel und Investmentfonds) erfasst. Durch diese Anlage des Anwendungsbereichs wird zugleich (iv) auch Umgehungsschutz angestrebt, weil damit auch verhindert werden soll, in alternative Referenzwerte und Gestaltungen auszuweichen.521 2. Regelungsentwicklung

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a) Internationaler Hintergrund. Die Liborkrise löste, sobald die Manipulationen klar zutage getreten waren, eine global konzertierte Regulierungsinitiative aus wie wenige Ereignisse sonst – vergleichbar vielleicht mit der Regulierung des OTC-Derivatehandels (zum internationalen Hintergrund der diesbezüglichen Regulierung in der EMIR vgl. oben Rn 659). Auf Europäischer Ebene führte dies – auch insoweit vergleichbar der Regulierung durch die EMIR und anders als etwa noch bei der EU-Leerverkaufs-VO (oben Rn 659– 664) – dazu, dass eine Welle nationaler Regelungsinitiativen gar nicht erst abgewartet wurde (um dann zu harmonisieren), sondern dass sofort auf eine EU-einheitliche Lösung gesetzt wurde, um einem Entstehen von Divergenz vorzubeugen (3.–6. Erwägungsgrund). Die maßgeblichen Koordinaten in den internationalen Regulierungsvorgaben erarbeiteten die International Organization of Securities Commissions (IOSCO) und – institutionell noch stärker als die Hauptdrehscheibe fungierend –522 der Financial Stability Board (FSB).523 Die IOSCO Principles von 2013 betonen die Notwendigkeit einer Letztverantwortlichkeit eines Administrators, seine Beaufsichtigung, die Vermeidung von Interessenkonflikten, sprechen sich jedoch vor allem dafür aus, nur getätigte Transaktionen zur Grundlage des Referenzwerts zuzulassen (wie – wenn auch mit gewissen Abstrichen – im Euribor, vgl. oben Rn 767, anders als im Libor), freilich mit einem Recht des Administrators, Hilfskriterien hinzuzunehmen (Principles 7 und 8)524 – bei allem unter besonderer Betonung der Flexibilität und einer Absage an ein „one size fits all“. Die breit ausgearbeiteten

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Den flächendeckenden Charakter der VO betonend auch Veil/Wundenberg EuKapMR § 31 Rn 5; Feldkamp RdF 2016, 180 (180 f.); Spindler ZBB 2016, 165 (167 f.). Zwei Kreise wurden organisiert und standen im Vordergrund, einer der Regulatoren und Aufsichtsstellen, der andere der Marktteilnehmer. Vgl. näher Financial Stability Board (FSB) Meeting of the Financial Stability Board in Basel on 24 June 2013; Hou/Skeie in: Durlauf/Blume (Hrsg.) Palgrave Dictionary Online Edition, 2013 (sub ‚Repair and reform, or replace‘). Auch zu weiteren internationalen Initiativen (etwa im Rahmen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich [BIZ]) siehe Löw/Crameri Die Volkswirtschaft 1/2–2014, 58; Hou/Skeie in: Durlauf/Blume (Hrsg.) Pal-

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grave Dictionary Online Edition, 2013 (sub ‚Repair and reform, or replace‘). Im Frühjahr 2016 führte daneben auch das australische Council of Financial Regulators (CFR) basierend auf den Vorschlägen der IOSCO und des FSB eine Konsultation zur Reform der Referenzzinssatzregulierung durch (siehe https://www.cfr.gov.au/media-releases/ 2016/mr-16–01.html). IOSCO Principles for Financial Benchmarks – Final Report, IOSCO 2013 – FR07/13; dazu etwa Chiu 11 Capital Markets Law Journal 191 (2016) sowie Hou/ Skeie in: Durlauf/Blume (Hrsg.) Palgrave Dictionary Online Edition, 2013 (sub ‚Repair and reform, or replace‘); Spindler ZZB 2016, 165 (166)) stellt allein auf dieses Forum als führend ab.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Vorschläge des FSB mahnten vor allem Klärung der Entscheidungsstrukturen, klare Verantwortlichkeiten und eine Zurückdrängung von Möglichkeiten von Interessenkonflikten an525 – wiederum mit einem Plädoyer für eine Verankerung in tatsächlich getätigten Transaktionen (Report vom 22.7.2014, S. 12). b) EU-Benchmark-Verordnung – mit Ausführungsrechtsakten. Auf EU-Ebene wählte 775 man einen umfassenden Ansatz, wiederum einen Ordnungs-, keinen Verbots- oder Beschränkungsansatz (Art. 2 EU-Benchmark-VO). Nicht nur die krisenbefangenen Referenzwerte wurden reguliert, sondern schon der Vorschlag der EU-Kommission für eine EUBenchmark-VO wählte – zwar kriseninduziert, jedoch langfristig angelegt – einen systematischen Ansatz. Dieser kann am besten dahin zusammengefasst werden, dass alle funktional vergleichbaren Referenzwerte einbezogen wurden, soweit sie nur (i) den Wert oder die Zahlungspflicht von Finanzinstrumenten, Finanzkontrakten (vor allem Verbraucherkrediten) oder Zertifikaten im Energiehandel bestimmen oder (ii) die Bewertung von Parametern vorgeben, die für die Bewertung von Investmentfonds oder für bestimmte Zahlungen in diesen für maßgeblich erklärt werden.526 Die EU-Benchmark-VO sollte also grds. alle Referenzwerte für (den Kernbereich der) Finanzgeschäfte erfassen, insbes. eine strenge Zulassungspflicht, inhaltliche Standards und ein Aufsichtsregime einführen. Die eigentliche Differenzierung beruht dann innerhalb dieses sehr breiten Anwendungsbereichs erst darauf, dass die Regulierung für die drei (größen- und einflussabhängigen) Kategorien „kritische Referenzwerte“, „signifikante Referenzwerte“ und „nicht signifikante Referenzwerte“ abgestuft erfolgte. Angesichts der klaren inhaltlichen Leitlinien, die auf internationaler Ebene erarbeitet worden waren (vorige Rn), und angesichts des Vertrauenseinbruchs, den die Liborkrise zusätzlich zur Finanzkrise verursachte,527 verwundert es wenig, dass der Gesetzgebungsprozess nur etwa zwei Jahre dauerte und auch wenig kontrovers durchlaufen wurde.528 Nach dem Gesagten erging die EU-Benchmark-VO im Wesentlichen ohne Vorbilder unter den EU-Mitgliedstaaten. Die eine Ausnahme bildet – naheliegend – das Vereinigte Königreich, das freilich zwar 776 inhaltlich (mit dem Wheatley-Report, oben Rn 769) Einfluss ausübte,529 jedoch gerade nicht für einen vergleichbar systematischen Ansatz optierte und daher insoweit auch nicht als Vorbild dienen konnte. Vielmehr wurde dort als Weg derjenige einer Reform allein des Libors gewählt (vor allem mit der Reduktion der Referenzwährungen und der Referenzzeiträume,530 der Einführung einer eigenen zuständigen Agency mit Wechsel der Adminis-

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Financial Stability Board (FSB) Reforming major interest rate benchmarks, 22 July 2014 (mit ausführlichen currency reports zu den größten Währungen, S. 16 ff.); und Final Report on foreign exchange rate benchmarks, 30 September 2014. Die unter (ii) genannte Erweiterung dann präzisiert und damit wohl auch nochmals verbreitert erst in der verabschiedeten Fassung. Die Bezugnahme auf Investmentfonds war bereits im ersten Verordnungsentwurf der Kommission enthalten. Im Gesetzgebungsverfahren ist der Passus „zwecks Rückverfolgung der Rendite dieses Indexes oder der Bestimmung der Zusammensetzung eines Portfolios oder der Berechnung der Anlage-

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erfolgsprämien (Performance Fees)“ hinzugekommen. Vgl. Nachw. oben. Fn 503. Zu diesem näher etwa Janin/Stamegna 5 Law & Economics Yearly Review 58, 68 ff. (2016). Bereits in ihrem ersten Konsultationsdokument zur Regulierung von Finanzindizes unterbreitete die Kommission ihre Vorschläge auch vor dem Hintergrund des Wheatley-Reports, vgl. Konsultationsdokument vom 5.9. 2012, S. 3 (abrufbar unter: http://ec.europa. eu/finance/consultations/2012/benchmarks/ docs/consultation-document_en.pdf). The Wheatley Review of LIBOR (Fn 514), Rn 5.3 ff.

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tratorenzuständigkeit,531 und mit inhaltlichen Vorgaben, namentlich zu Interessenkonflikten und Verlässlichkeit der Kontributorenangaben).532 777 Die Durchführungsgesetzgebung umfasst die Durchführungsverordnung (EU) 2016/ 1368.533 Sie enthält eine Liste der kritischen Referenzwerte gemäß Artikel 20 Absatz 1 der Benchmark-VO. Weitere Rechtsakte befinden sich in Planung. Von der Kommission bereits als Entwurf ausgearbeitet sind aktuell vier delegierte Verordnungen.534 Diese fußen auf den Ermächtigungen in Art. 3 Abs. 2, Art. 20 Abs. 6 lit. a und c sowie Art. 51 Abs. 6 Benchmark-VO. Schließlich hat die ESMA – beruhend auf den Ermächtigungen in Art. 5 Abs. 5, Art. 11 Abs. 5, Art. 13 Abs. 3, Art. 15 Abs. 6, Art. 16 Abs. 5, Art. 25 Abs. 8, Art. 26 Abs. 5, Art. 25 Abs. 9, Art. 27 Abs. 3, Art. 30 Abs. 5, Art. 32 Abs. 9, Art. 34 Abs. 8, Art. 47 Abs. 3 Benchmark-VO – zum 30.3.2017 bzw. 1.6.2017 verschiedene weitere technische Regulierungsstandards vorgelegt, die noch der Annahme durch die Kommission bedürfen.535

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The Wheatley Review of LIBOR (Fn 514), Rn 3.5 ff. Dem Vorschlag folgend übernimmt seit Februar 2014 die Intercontinental Exchange Benchmark Administration Ltd. (ICE) die Rolle des Administrators und Calculation Agents des LIBOR, Funktionen, die vorher noch die British Bankers’ Association (BBA) übernahm. Vgl. Beißer/Read ZfgK 2016, 219 (222); Spindler ZBB 2016, 165 (166) nennt NYSE Euronext als neuen Administrator. The Wheatley Review of LIBOR (Fn 514), Rn 4.1 ff. Durchführungsverordnung (EU) 2016/1368 der Kommission vom 11. August 2016 zur Erstellung einer Liste der an den Finanzmärkten verwendeten kritischen Referenzwerte gemäß der Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl.EU 2016 L 217/1, zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung (EU) 2017/1147 der Kommission vom 28. Juni 2017 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1368 der Kommission zur Erstellung einer Liste der an den Finanzmärkten verwendeten kritischen Referenzwerte gemäß der Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl.EU 2017 L 166/32. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/ search.html?DB_DELEGATED=32016 R1011&qid=1502205413990&DTS_ DOM=ALL&type=advanced&lang= de&SUBDOM_INIT=ALL_ALL&DTS_ SUBDOM=ALL_ALL. Der auf Art. 3 Abs. 2 Benchmark-VO basierende Entwurf konkretisiert die Termini „Verwaltung der Mechanismen für die Bestimmung eines

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Referenzwerts“ in Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 lit. a Benchmark-VO und „der Öffentlichkeit zugänglich machen“ in Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Benchmark-VO. Der auf Art. 20 Abs. 6 lit. a Benchmark-VO basierende Entwurf spezifiziert die Bewertungskriterien zur Bestimmung des Nennwertes von Finanzinstrumenten mit Ausnahme von Derivaten, der nominellen Werte von Derivaten und der Nettoinventarwerte von Investmentfonds im Rahmen der Schwellenwertanalyse gem. Art. 21 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 lit. a Benchmark-VO. Der auf Art. 20 Abs. 6 lit. c Benchmark-VO basierende Entwurf konkretisiert die in Art. 20 Abs. 1 lit. c Ziff. iii Benchmark-VO genannten Kriterien zur Einstufung bestimmter Referenzwerte als kritische Referenzwerte. Der auf Art. 51 Abs. 6 Benchmark-VO basierende Entwurf konkretisiert die in Art. 51 Abs. 4 Benchmark-VO genannten Kriterien, nach denen die zuständigen Behörden für bestimmte Referenzwerte eine (bis 01.01.2020 befristete) Ausnahme von den Anforderungen der Benchmark-VO erteilen können. Siehe ESMA Final Report: Draft technical standards under the Benchmarks Regulation, ESMA70–145–48 (abrufbar unter: https:// www.esma.europa.eu/sites/default/files/ library/esma70–145–48_-_final_report_ts_ bmr.pdf) und ESMA Final Report: Draft regulatory technical standards on cooperation arrangements with third countries under the Benchmarks Regulation, ESMA70–145–81 (abrufbar unter: https://www.esma.europa. eu/sites/default/files/library/esma70–145– 81_final_report_draft_rts_on_cooperation_ with_third_countries_bmr_0.pdf).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

c) Fragen der Einbettung ins nationale Recht – insbes. Straf- und Zivilrecht. Das deut- 778 sche Ausführungsgesetz536 legt wiederum die BaFin als die zuständige nationale Behörde fest (vgl. Art. 40 EU-Benchmark-VO, § 4 Abs. 4c WpHG (bis 2.1.2018, ab 3.1.2018: § 10 Abs. 2 WpHG), formuliert daneben ordnungswidrigkeitsrechtliche Regeln (nächste Rn), auch weitere organisatorische Anforderungen an zentrale Akteure, namentlich die Administratoren (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 lit. c) und d) WpHG n.F.), ähnlich wie dies auch im Falle der EMIR für die CCPs zu konstatieren ist (vgl. oben Rn 665). Der wichtigste dem nationalen Recht überantwortete Bereich bleibt jedoch wiederum derjenige der Sanktionen, die die Verordnung nicht regelt (abgesehen von Verwaltungssanktionen, unten Rn 823). Während andere EU-Rechtsakte jedenfalls anordnen, dass die Sanktionen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen (vgl. etwa Art. 12 Abs. 1 S. 3 EMIR oder Art. 41 Abs. 1 EG-Leerverkaufs-VO), und während sie teils auch die zivilrechtlichen Ansprüche regeln (vgl. etwa Art. 12 Abs. 3 EMIR mit einem [Teil-]Ausschluss), trifft die EU-Benchmark-VO keine spezifischen Anordnungen. Dennoch gilt auch für sie das sich bereits aus EU-Primärrecht ergebende Gebot, dass die Sanktionen – der Gesamtmix aus ihnen – „jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen, aber auch mit „ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln wie … [für] gleichartige Verstöße gegen nationales Recht“ ausgestattet sein müssen (Diskriminierungsverbot).537 Abgesehen von dieser rahmenhaften Vorgabe ist für das straf- und vor allem ordnungs- 779 widrigkeitsrechtliche Regime, das die Verletzung spezifischer (vorgelagerter) Pflichten in der EU-Benchmark-VO sanktioniert, auf das Ausführungsgesetz zu verweisen, das mit § 39 Abs. 2g WpHG n.F. (bis 2.1.2018, ab 3.1.2018: § 120 Abs. 11 WpHG) einen umfangreichen Bewehrungstatbestand für Vorfeldverstöße formuliert (mit 66 Nummern für Administratoren und weiteren 9 für sonstige Beteiligte). Hingegen unterfällt die Manipulation selbst der Strafandrohung nach § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. d, Abs. 4, Abs. 5 WpHG n.F. (bis 2.1.2018, ab 3.1.2018: §§ 119 Abs. 1, 120 Abs. 2 Nr. 3 WpHG) (bisher §§ 39 Abs. 2 Nr. 11, 38 Abs. 2 WpHG a.F., bis 25.6.2017) (dazu auch unten 8. Teil Rn 292–304). Beim zivilrechtlichen Regime ist bemerkenswert, dass es gleichsam im Vorlauf zur Re- 780 gulierung durch die EU-Benchmark-VO bereits umfangreich – jeweils nach nationalem Recht – diskutiert wurde. Diese Diskussion ist vom 1.1.2018 an, wenn die EU-Benchmark-VO vollumfassend Anwendung findet, dreigeteilt zu sehen: An der Diskussion zu den allgemein zivilrechtlichen Instrumenten – Täuschungsanfechtung etc. – ändert sich nichts (vgl. nächste Rn), desgleichen nicht an der spezifischen Diskussion zur deliktsrechtlichen Haftung wegen Marktmanipulation (vgl. übernächste Rn). Demgegenüber wird die zivilrechtliche Relevanz der Verletzung von Vorfeldpflichten nach der EU-Benchmark-VO noch weniger diskutiert.538 Nach dem Gesagten ist Ausgangspunkt in dieser Frage der Europäische Rechtsakt, namentlich, ob er auch Schutzcharakter für Privatrechtssubjekte beansprucht. Da jedenfalls die in der EU-Benchmark-VO niedergelegten Zentralpflichten, die Sorgfalts- und Wahrheitspflicht der Kontributoren und die Pflicht von Administratoren

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Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz, 2. FiMaNoG) vom 23.6.2017, BGBl. 2017 I, S. 1693; hierzu im Kurzüberblick etwa Parmentier Regierungsentwurf des Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes (2. FiMaNoG) liegt vor, AG 2017, R27.

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Nachw. oben 1. Teil Rn 113. Vgl. jedoch jetzt jedenfalls ansatzweise Rau BKR 2017, 57 (bes. 60 und Fn 22), die eine zivilrechtliche Haftung für Verstöße gegen die Benchmark-VO tendenziell abzulehnen scheint. Prinzipiell offener für eine Haftung wohl Spindler ZBB 2015, 165 (174).

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und Kontributoren, Interessenkonflikten vorzubeugen, sämtlich als anleger- bzw. als verbraucherschützend deklariert werden (vgl. etwa 6. und 22. Erw.grund), muss jedenfalls ihre bewusste Verletzung kraft EU-Rechts als haftungsbegründend verstanden werden. Im deutschen Recht als bestvergleichbares Modell erscheint das der Haftung (nur) für grobfahrlässige Verstöße bei der Ad-hoc-Publizität (§§ 37b, 37c WpHG [bis 2.1.2018, ab 3.1.2018: §§ 97, 98 WpHG]). Denn einerseits sind die Anforderungen vergleichbar konkret umrissen und andererseits ist der betroffene Kreis an Marktteilnehmern offen (nicht individualisiert wie im Beratungsvertrag) und vergütet die Leistung nicht gesondert (vgl. zu diesen Aspekten und Argumenten näher unten 8. Teil Rn 223–225 und 256 ff.). Ersteres spricht dagegen, Verstöße de facto im Zivilrecht sanktionslos zu belassen, Zweiteres dafür, die Haftung nicht bereits bei leichter Fahrlässigkeit einsetzen zu lassen. Angesichts der Vergleichbarkeit der Interessenlagen in beiden Konstellationen spricht wohl auch das EUrechtliche Diskriminierungsverbot bei Sanktionen (oben Rn 778) dafür, dass der deutsche Gesetzgeber/Rechtsanwender in Zukunft Verstöße gegen die Benchmark-VO unter gleichen Voraussetzungen sanktionieren muss wie solche gegen die Ad-hoc-Publizität. 781 Das allgemeine Willensmängel- und Sittenwidrigkeitsregime (§§ 119, 123, 138 BGB) rückt Weck in den Mittelpunkt für eine Rückabwicklung, wobei er vor allem eine arglistige Täuschung, im Ansatz aber auch Sittenwidrigkeit seitens derjenigen Banken für ihre Verträge bejaht, die die Manipulationen vorgenommen haben.539 782 Schadensersatzansprüche, vor allem deliktsrechtlicher Art, untersuchen vor allem Bausch/Wittmann540 und Buck-Heeb541 und übergreifend zuletzt Ray.542 Die beiden erstgenannten Autoren folgen dem BGH in der – m.E. unzutreffenden – Annahme, das Marktmanipulationsverbot sei nicht als Schutzgesetz zu sehen (näher unten 8. Teil Rn 305–307), und ziehen daher nur § 826 BGB heran, während Rau zumindest dann § 823 Abs. 2 BGB heranziehen will, wenn sich der Benchmark-Verstoß auch als Mittel der Marktmanipulation erweist. Vertrags- und deliktsrechtlich unterscheiden Bausch/Wittmann dahingehend, dass die zu positiven Angaben zum eigenen Standing keine (sittenwidrigen) Pflichtverstöße für Kreditverträge unter dem fraglichen Referenzwert darstellen (weder nach § 280 BGB noch nach § 826 BGB), weil nicht hinreichend auf diesen bezogen, hingegen die Manipulation durch Derivathändler, um den Wert von Derivatekontrakten zu beeinflussen, durchaus (allerdings nur bei Vorsatz). Überzeugender scheint mir dann, mit Buck-Heeb jedenfalls zu konstatieren, dass das Wissen um Manipulationen (eigenen, aber auch fremden) und Interessenkonflikten wohl eine Aufklärungspflicht begründet, weil es die allgemeinen Voraussetzungen an das Bestehen einer solchen erfüllt (oben 2. Teil Rn 28–36), dies bei Eingehung von Derivatekontrakten, aber wohl auch in Kreditverträgen, die bereits bestehen.

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540 541

Weck KommJur 2013, 247 und 281 (281 f. für die arglistige Täuschung und 287 für § 138 BGB), daneben außerordentliches Kündigungsrecht (a.a.O. 282–284, aber wegen bloßer ex nun-Wirkung untunlich), §§ 119, 122 BGB hingegen nicht gegeben und wegen Kompensationspflicht nicht hilfreich. Bausch/Wittmann WM 2014, 494. Buck-Heeb WM 2015, 157 (bes. S. 160–162, 165 für vorvertragliche Aufklärungspflicht,

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542

namentlich über Interessenkonflikte, und §§ 241 Abs. 2 und 311 Abs. 2 BGB sowie S. 162 f. für Zurechnung von – auch vorsätzlichem – Mitarbeiterverschulden nach § 278 BGB). Rau BKR 2017, 57 (vor allem 60 ff., die eine Schutzgesetzeigenschaft der Art. 15, 12 Abs. 1 lit. d MAR selbst zwar verneint, als Benchmarkmanipulationstatbestand jedoch bejaht, also insoweit § 823 Abs. 2 BGB heranzieht).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

II. Gegenstand, Anwendungsbereich und Kernbegriffe (Art. 1–3)

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Titel I Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen Artikel 1 Gegenstand Mit dieser Verordnung wird ein gemeinsamer Rahmen zur Sicherstellung der Genauigkeit und Integrität von Indizes eingeführt, die als Referenzwert bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten oder zur Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds in der Union verwendet werden. Diese Verordnung trägt somit zu einem reibungslos funktionierenden Binnenmarkt mit hohem Verbraucher- und Anlegerschutz bei. Artikel 2 Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für die Bereitstellung von Referenzwerten, das Beitragen von Eingabedaten zu einem Referenzwert und die Verwendung eines Referenzwerts in der Union. (2) Diese Verordnung gilt nicht für a) eine Zentralbank; b) eine Behörde, wenn sie Daten zu Referenzwerten beiträgt, Referenzwerte bereitstellt oder Kontrolle über die Bereitstellung von Referenzwerten ausübt, die für staatliche Politik, einschließlich Maßnahmen in den Bereichen Beschäftigung, Konjunktur und Inflation, verwendet werden; c) eine zentrale Gegenpartei (CCP), wenn sie Referenzkurse oder Abrechnungskurse bereitstellt, die zum Zweck des Risikomanagements und der Abrechnung von CCP verwendet werden; d) die Bereitstellung eines einzelnen Referenzkurses für in Anhang I Abschnitt C der Richtlinie 2014/65/EU aufgeführte Finanzinstrumente; e) die Presse, andere Medien und Journalisten, wenn sie einen Referenzwert lediglich als Teil ihrer journalistischen Tätigkeiten veröffentlichen oder darauf Bezug nehmen, ohne Kontrolle über die Bereitstellung dieses Referenzwerts zu haben; f) eine natürliche oder juristische Person, die im Rahmen ihrer geschäftlichen, gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit Kredite vergibt oder die Vergabe von Krediten zusagt, soweit diese Person ihre eigenen festen oder variablen Zinssätze veröffentlicht oder der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, die anhand interner Entscheidungen festgelegt wurden und nur für Finanzkontrakte gelten, die von dieser Person oder einem Unternehmen innerhalb desselben Konzerns mit ihren jeweiligen Kunden abgeschlossen werden; g) einen Rohstoff-Referenzwert, der auf Eingaben von Kontributoren beruht, bei denen es sich mehrheitlich um nicht beaufsichtigte Unternehmen handelt, auf die beide der folgenden Voraussetzungen zutreffen: i) Der Referenzwert wird von Finanzinstrumenten als Bezugsgrundlage verwendet, für die die Zulassung zum Handel an nur einem Handelsplatz im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 24 der Richtlinie 2014/65/EU beantragt wurde oder die an nur einem solchen Handelsplatz gehandelt werden; ii) der nominelle Gesamtwert der Finanzinstrumente, die den Referenzwert als Bezugsgrundlage verwenden, beträgt nicht mehr als 100 Mio. EUR; h) einen Index-Anbieter in Bezug auf einen von ihm bereitgestellten Index, wenn der Anbieter keine Kenntnis davon hat und vernünftigerweise auch keine Kenntnis davon haben konnte, dass dieser Index für die in Artikel 3 Absatz 1 Nummer 3 genannten Zwecke verwendet wird. Artikel 3 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck 1. „Index“ jede Zahl, a) die veröffentlicht oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird; b) die regelmäßig, i) ganz oder teilweise, durch Anwendung einer Formel oder einer anderen Berechnungsmethode oder durch Bewertung bestimmt wird und ii) auf der Grundlage des Werts eines oder mehrerer Basisvermögenswerte oder Basis-

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preise, einschließlich geschätzter Preise, tatsächlicher oder geschätzter Zinssätze, Quotierungen und verbindlicher Quotierungen oder sonstiger Werte oder Erhebungen erfolgt; „Index-Anbieter“ eine natürliche oder juristische Person, die die Kontrolle über die Bereitstellung eines Indexes ausübt; „Referenzwert“ jeden Index, auf den Bezug genommen wird, um den für ein Finanzinstrument oder einen Finanzkontrakt zahlbaren Betrag oder den Wert eines Finanzinstruments zu bestimmen, oder einen Index, der verwendet wird, um die Wertentwicklung eines Investmentfonds zwecks Rückverfolgung der Rendite dieses Indexes oder der Bestimmung der Zusammensetzung eines Portfolios oder der Berechnung der Anlageerfolgsprämien (Performance Fees) zu messen; „Referenzwert-Familie“ eine Gruppe von Referenzwerten, die von demselben Administrator bereitgestellt und aus Eingabedaten derselben Art bestimmt wird und spezifische Messungen desselben oder eines ähnlichen Marktes bzw. derselben oder einer ähnlichen wirtschaftlichen Realität liefert; „Bereitstellung eines Referenzwerts“ a) die Verwaltung der Mechanismen für die Bestimmung eines Referenzwerts; b) die Erhebung, Analyse oder Verarbeitung von Eingabedaten zwecks Bestimmung eines Referenzwerts; c) die Bestimmung eines Referenzwerts durch Anwendung einer Formel oder anderen Berechnungsmethode oder durch Bewertung der zu diesem Zweck bereitgestellten Eingabedaten; „Administrator“ eine natürliche oder juristische Person, die die Kontrolle über die Bereitstellung eines Referenzwerts ausübt; „Verwendung eines Referenzwerts“ a) die Ausgabe eines Finanzinstruments, für das ein Index oder eine Indexkombination als Bezugsgrundlage dient; b) die Bestimmung des im Rahmen eines Finanzinstruments oder – kontrakts zahlbaren Betrags unter Bezugnahme auf einen Index oder eine Indexkombination; c) den Umstand, Vertragspartei eines Finanzkontrakts zu sein, für den ein Index oder eine Indexkombination als Bezugsgrundlage dient; d) die Bereitstellung eines Sollzinssatzes im Sinne von Artikel 3 Buchstabe j der Richtlinie 2008/48/EG, der als Spread oder Aufschlag auf einen Index oder eine Indexkombination berechnet wird und ausschließlich für einen Finanzkontrakt als Bezugsgrundlage verwendet wird, bei dem der Kreditgeber Vertragspartei ist; e) die Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds anhand eines Indexes oder einer Indexkombination zwecks Rückverfolgung der Rendite dieses Indexes oder dieser Indexkombination, Bestimmung der Zusammensetzung eines Portfolios oder Berechnung der Anlageerfolgsprämien (Performance Fees); „Beitragen von Eingabedaten“ die Übermittlung von nicht ohne Weiteres verfügbaren Eingabedaten an einen Administrator oder an eine andere Person zur Weiterleitung an einen Administrator, die im Zusammenhang mit der Bestimmung eines Referenzwerts erforderlich ist und zu diesem Zweck erfolgt; „Kontributor“ eine natürliche oder juristische Person, die Eingabedaten beiträgt; „beaufsichtigter Kontributor“ ein beaufsichtigtes Unternehmen, das Eingabedaten für einen in der Union angesiedelten Administrator beiträgt; „Submittent“ eine natürliche Person, die vom Kontributor zum Zweck des Beitragens von Eingabedaten beschäftigt wird; „Prüfer“ einen Mitarbeiter eines Administrators eines Rohstoff-Referenzwerts oder eine andere natürliche Person, deren Leistungen vom Administrator in Anspruch genommen werden oder der Kontrolle des Administrators unterliegen, und der/die dafür verantwortlich ist, auf Eingabedaten und andere Informationen eine Methodik anzuwenden oder diese zu beurteilen, um zu einer abschließenden Bewertung in Bezug auf den Preis eines bestimmten Rohstoffs zu gelangen; „Experteneinschätzung“ die Ausübung von Ermessen durch einen Administrator oder Kontributor in Bezug auf die Nutzung von Daten zur Bestimmung eines Referenzwerts, ein-

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

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schließlich der Extrapolation von Werten vorausgegangener oder verbundener Transaktionen, Wertbereinigungen für Faktoren, die die Datenqualität beeinflussen können, wie Marktereignisse oder die Verschlechterung der Bonität eines Käufers oder Verkäufers und die stärkere Gewichtung von verbindlichen Geboten oder Offerten gegenüber einer bestimmten abgeschlossenen Transaktion; „Eingabedaten“ die von einem Administrator zur Bestimmung eines Referenzwerts verwendeten Daten in Bezug auf den Wert eines oder mehrerer Basisvermögenswerte oder Preise, einschließlich geschätzter Preise, Quotierungen, verbindlicher Quotierungen oder anderer Werte; „Transaktionsdaten“ überwachbare Preise, Zinssätze, Indizes oder Werte, die Transaktionen zwischen nicht verbundenen Parteien an einem aktiven Markt wiedergeben, der wettbewerblichen Angebots- und Nachfragekräften unterliegt; „Finanzinstrument“ eines der in Anhang I Abschnitt C der Richtlinie 2014/65/EU aufgeführten Instrumente, für das die Zulassung zum Handel an einem Handelsplatz im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 24 der Richtlinie 2014/65/EU beantragt wurde oder das an einem Handelsplatz im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 24 der Richtlinie 2014/65/EU oder über einen systematischen Internalisierer im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 20 dieser Richtlinie gehandelt wird; „beaufsichtigtes Unternehmen“ eines der Folgenden: a) ein Kreditinstitut im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates543; b) eine Wertpapierfirma im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 der Richtlinie 2014/65/EU; c) ein Versicherungsunternehmen im Sinne des Artikels 13 Nummer 1 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates544; d) ein Rückversicherungsunternehmen im Sinne des Artikels 13 Nummer 4 der Richtlinie 2009/138/EG; e) einen OGAW im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 der Richtlinie 2009/65/EG oder gegebenenfalls eine OGAW-Verwaltungsgesellschaft im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b jener Richtlinie; f) einen Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM) im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates545; g) eine Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Artikels 6 Buchstabe a der Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates546; h) einen Kreditgeber im Sinne des Artikels 3 Buchstabe b der Richtlinie 2008/48/EG zu Zwecken von Kreditverträgen im Sinne des Artikels 3 Buchstabe c jener Richtlinie; i) ein Nichtkreditinstitut im Sinne des Artikels 4 Nummer 10 der Richtlinie 2014/17/EU zu Zwecken von Kreditverträgen im Sinne des Artikels 4 Nummer 3 jener Richtlinie; j) einen Marktbetreiber im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 18 der Richtlinie 2014/65/EU;

Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1). Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1).

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Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 (ABl. L 174 vom 1.7.2011, S. 1). Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (ABl. L 235 vom 23.9.2003, S. 10).

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k) eine CCP im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates547; l) ein Transaktionsregister im Sinne des Artikels 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012; m) einen Administrator; „Finanzkontrakt“ a) jeden Kreditvertrag im Sinne des Artikels 3 Buchstabe c der Richtlinie 2008/48/EG; b) jeden Kreditvertrag im Sinne des Artikels 4 Nummer 3 der Richtlinie 2014/17/EU; „Investmentfonds“ einen AIF im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2011/61/EU oder einen OGAW im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 der Richtlinie 2009/65/EG; „Leitungsorgan“ das Organ oder die Organe eines Administrators oder eines anderen beaufsichtigten Unternehmens, das (die) nach nationalem Recht bestellt wurde (wurden) und befugt ist (sind), die Strategie, die Ziele und die allgemeine Richtung des Administrators oder anderen beaufsichtigten Unternehmens vorzugeben, und das (die) Entscheidungen der Geschäftsleitung überwacht (überwachen) und dem (denen) die Personen angehören, die die Geschäfte des Administrators oder anderer beaufsichtigten Unternehmens tatsächlich führen; „Verbraucher“ eine natürliche Person, die bei den unter diese Verordnung fallenden Finanzkontrakten zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer geschäftlichen, beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann; „Referenzzinssatz“ einen Referenzwert, der im Sinne der Nummer 1 Buchstabe b Ziffer ii dieses Absatzes auf der Grundlage des Zinssatz bestimmt wird, zu dem Banken anderen Banken oder anderen Agenten als Banken auf dem Geldmarkt Kredite gewähren oder bei diesen Kredite aufnehmen können; „Rohstoff-Referenzwert“ einen Referenzwert, bei dem der Basisvermögenswert für die Zwecke von Nummer 1 Buchstabe b Ziffer ii dieses Absatzes eine Ware im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006548mit Ausnahme der in Anhang I Abschnitt C Nummer 11 der Richtlinie 2014/65/EU genannten Emissionszertifikate ist; „Referenzwert aus regulierten Daten“ einen durch die Anwendung einer Formel auf der Grundlage von Daten aus folgenden Quellen erstellten Referenzwert: a) Eingabedaten, die vollständig und direkt beigetragen werden von i) einem Handelsplatz im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 24 der Richtlinie 2014/65/EU oder einem Handelsplatz in einem Drittstaat, für den die Kommission einen Durchführungsbeschluss erlassen hat, nach dem der Rechts- und Aufsichtsrahmen dieses Drittstaats als gleichwertig betrachtet wird im Sinne des Artikels 28 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates549, oder einem regulierten Markt, der nach Artikel 2a der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 als gleichwertig angesehen wird, in jedem Fall jedoch nur in Bezug auf Transaktionsdaten betreffend Finanzinstrumente, ii) einem genehmigten Veröffentlichungssystem im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 52 der Richtlinie 2014/65/EU oder einem konsolidierten Datenticker im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 53 der Richtlinie 2014/65/EU, das bzw. der in Einklang mit verbindlichen Transparenzanforderungen für den Nachhandel steht, je-

Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1). Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die

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Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie (ABl. L 241 vom 2.9.2006, S. 1). Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 84).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks doch nur in Bezug auf Transaktionsdaten, die an einem Handelsplatz gehandelte Finanzinstrumente betreffen, iii) einem genehmigten Meldemechanismus im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 54 der Richtlinie 2014/65/EU, jedoch nur in Bezug auf Transaktionsdaten, die an einem Handelsplatz gehandelte Finanzinstrumente betreffen und die in Einklang mit verbindlichen Transparenzanforderungen für den Nachhandel offengelegt werden müssen, iv) einer Strombörse im Sinne des Artikels 37 Absatz 1 Buchstabe j der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates550, v) einer Erdgasbörse im Sinne des Artikels 41 Absatz 1 Buchstabe j der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates551, vi) einer Auktionsplattform im Sinne des Artikels 26 oder des Artikels 30 der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 der Kommission552, vii) einem Dienstleister, an den der Administrator des Referenzwerts die Datenerhebung im Einklang mit Artikel 10 ausgelagert hat, sofern der Dienstleister die Daten vollständig und direkt von einer unter den Buchstaben i bis vi genannten Stelle erhält; b) Nettoinventarwerte von Investmentfonds; 25. „kritischer Referenzwert“ einen Referenzwert, ausgenommen Referenzwerte aus regulierten Daten, der eine der Voraussetzungen des Artikels 20 Absatz 1 erfüllt und der auf der gemäß jenem Artikel von der Kommission erstellten Liste steht; 26. „signifikanter Referenzwert“ einen Referenzwert, der die Voraussetzungen des Artikels 24 Absatz 1 erfüllt; 27. „nicht signifikanter Referenzwert“ einen Referenzwert, der die Voraussetzungen der Artikel 20 Absatz 1 und Artikel 24 Absatz 1 nicht erfüllt; 28. „angesiedelt“ in Bezug auf eine juristische Person, den Staat, in dem diese juristische Person ihren eingetragenen Sitz oder eine andere offizielle Anschrift unterhält, und in Bezug auf eine natürliche Person den Staat, in dem diese natürliche Person ihren Steuerwohnsitz unterhält; 29. „Behörde“ a) eine Regierung oder andere öffentliche Verwaltung, einschließlich der Stellen, die für die Staatsschuldenverwaltung zuständig oder daran beteiligt sind; b) eine Stelle oder Person, die entweder aufgrund innerstaatlichen Rechts Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt oder unter der Kontrolle einer Stelle im Sinne von Buchstabe a öffentliche Zuständigkeiten hat, öffentliche Aufgaben wahrnimmt oder öffentliche Dienstleistungen, einschließlich Maßnahmen in den Bereichen Beschäftigung, Konjunktur und Inflation, erbringt. (2) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 49 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um technische Aspekte der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels festgelegten Begriffsbestimmungen näher auszuführen und insbesondere festzulegen, was für die Zwecke der Bestimmung des Begriffs Index unter Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit zu verstehen ist. Sofern anwendbar, trägt die Kommission den Marktentwicklungen bzw. den technologischen Entwicklungen sowie der internationalen Konvergenz der Aufsichtspraxis in Bezug auf Referenzwerte Rechnung. 550

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Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. L 211 vom 14.8.2009, S. 55). Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG (ABl. L 211 vom 14.8.2009, S. 94).

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Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 der Kommission vom 12. November 2010 über den zeitlichen und administrativen Ablauf sowie sonstige Aspekte der Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft (ABl. L 302 vom 18.11.2010, S. 1).

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6. Teil. Marktregeln (3) Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte, um ein Verzeichnis der unter die Begriffsbestimmung gemäß Absatz 1 Nummer 29 des vorliegenden Artikels fallenden Behörden in der Union zu erstellen und zu überprüfen. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 50 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen. Sofern anwendbar, trägt die Kommission den Marktentwicklungen bzw. den technologischen Entwicklungen sowie der internationalen Konvergenz der Aufsichtspraxis in Bezug auf Referenzwerte Rechnung.

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1. Artikel 1: Gegenstand. Art. 1 umreißt den Gegenstand der EU-Benchmark-VO prägnant dahingehend, dass Indizes (Benchmarks) und die Bezugnahme auf sie als Referenzwert nicht verboten werden, auch nicht auf einige ausgewählte beschränkt werden, sondern dass nur ein gemeinsamer Rahmen geschaffen werden soll (Ordnungs-, kein Verbotsoder Beschränkungsziel). Ähnlich knapp umrissen wird der erfasste Mechanismus, bei dem ein Index so eingesetzt wird (als Referenzwert), dass ein wertbildender Faktor des Finanzinstruments, namentlich Kurswert oder Ertrag, oder eines Finanzkontrakts, namentlich der variable Zins danach bestimmt wird. Nach dem Gesagten wurde – wegen der Vergleichbarkeit des Mechanismus – (in der Gesetzgebungsgeschichte noch geschärft) auch die Wertentwicklung von Investmentfonds gleichgestellt. Ziel ist dabei einerseits die erhöhte „Genauigkeit“, was wohl als eine verlässliche und objektive Nachvollziehbarkeit zu verstehen ist, und andererseits die erhöhte „Integrität“, also namentlich Ausräumung von Einflüssen von Interessenkonflikten. Die eigentliche Einschränkung erfolgt mit der Bestimmung des Kreises von Instrumenten, Kontrakten und Wertträgern, deren Wert bzw. Ertrag durch die Bezugnahme auf den Referenzwert bestimmt werden soll. Sämtliche insoweit verwandten Begriffe (Finanzinstrument, Finanzkontrakt, Investmentfonds) werden in Art. 3 EU-Benchmark-VO näher umrissen (vgl. unten Rn 801–802). Verbindend ist, dass sie alle dem Kredit- und Kapitalanlagegeschäft entnommen sind und dieses offensichtlich auch ausschöpfen sollen (funktional Vergleichbares also möglichst auch gleich behandelt werden soll).553 785 Freilich deutet sich in der Umschreibung der Ziele in S. 2 an, dass im Bereich des Kreditgeschäfts nur Verbraucherschutz angestrebt wird und der Anwendungsbereich entsprechend nur auf Verbraucherkreditverträge erstreckt wird, während umgekehrt im Kapitalanlagebereich alle Anleger geschützt werden, auch berufliche, dass also für beide Geschäftsbereiche unterschiedliche Schutzkonzepte ratione personae zur Anwendung kommen (Bruch im einheitlichen Schutzkonzept) – was freilich bisher nicht thematisiert wird, gerade auch nicht im Gesetzgebungsverfahren. Auch ist die Zieleumschreibung unvollständig, weil etwa die Sorge um systemische Risiken (etwa durch „geschöntes“ Standing im Interbankenkreditmarkt) nicht zum Ausdruck kommt (näher oben Rn 766, 770). 2. Artikel 2: Anwendungsbereich

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a) Anwendungsbereich (Abs. 1). Die Bestimmung des Anwendungsbereichs erscheint schlank und elegant – dies freilich, weil die verwendeten Kernbegriffe des Beitragens von Eingabedaten, der Bereitstellung eines Referenzwerts (mit Zusammenstellung/Konfektionieren desselben) und seiner Verwendung in Art. 3 Abs. 1 Nr. 5, 7, und 8 EU-Benchmark-VO ausführlicher definiert werden (in anderer Reihenfolge). Und auch dies geschieht nochmals unter Weiterverweis auf die zentralen Akteure (Definitionen bes. in Nr. 2, 6,

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Wenig aussagekräftig für diese allgemeine Zielvorstellung freilich 8.–11. Erw.grund und auch die Gesetzgebungsgeschichte.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

9–11), die Referenzgrößen (Definitionen bes. in Nr. 1, 3 f., auch Nr. 22–27) und die Zielinstrumente, auf die diese bezogen werden (Definitionen bes. in Nr. 16, 18 f.). Die Knappheit des Wortlauts hat freilich den Vorteil, (nochmals) kristallin klarzumachen: Es geht um eine ordnende Regulierung – kein Verbot oder eine umfangmäßige Beschränkung (vgl. bereits oben Rn 769, 775, 784) – der drei entscheidenden Schaffungs- und Nutzungsphasen von Benchmarks:554 dem Beitragen von Einzeleingaben, dem Erstellen und vor allem dann auch Bereitstellen eines Referenzwertes aus diesen Einzeldaten nach einer vorher vom Administrator entwickelten und festgelegten Formel und schließlich der Verwendung in einzelnen Markttransaktionen und Berechnungen. b) Ausnahmen für Währungs-, Stabilitäts- und Wirtschaftspolitik (Abs. 2 lit. a)-c)). 787 Eine erste Gruppe von Ausnahmen ergibt sich daraus, dass die Funktionsfähigkeit von Währungspolitik und der Stabilitätspolitik durch Einschaltung von CCPs, aber auch allgemeiner von Politik nicht untergraben werden soll. Zentralbanken (lit. a)) erscheinen durch die Ausrichtung ihrer Politik an währungspolitischen Vorgaben hinreichend reglementiert, um die Gefahr (ungerechtfertigter) Manipulationen zurücktreten zu lassen gegenüber einer Gefahr, dass ohne eine hinreichende Ermessensfreiheit eine effiziente Währungspolitik – in voller Unabhängigkeit (Art. 130, 282 Abs. 3 Satz 2 AEUV) – beeinträchtigt würde – auch in Drittstaaten.555 Auch CCPs (lit. c)) werden in ihrer Zentralaufgabe des Risikomanagements und der Abrechnung beim Clearing durch die EMIR so umfangreich reguliert (hierzu oben Rn 711–717 und 746–764), dass eine Regulierung der hierbei vielfach bereitgestellten, d.h. angebotenen Kurse (für die Transaktionen, für die ja zugleich Abschlusszwang besteht) eine nicht zu rechtfertigende Doppelbelastung bedeuten würde.556 Schließlich soll auch die öffentliche Politik jeglicher Art (lit. b)) – insbesondere auch der Mitgliedstaaten – nicht dadurch behindert werden, dass, wenn sie durch Statistiken und Indices vorbereitet werden soll (potentiell stets auch Referenzwerte, vgl. unten Rn 792, 794 f.),557 sie einer Finanzmarktaufsicht und ihren Vorgaben unterstellt wird. c) Ausnahme für die Presse (Abs. 2 lit. e)). Die Ausnahme für die Presse benennt der 788 16. Erw.grund zwar (a.E.), rechtfertigt sie jedoch nicht. Offenbar ist Hauptteil der Erklärung der Rang der Pressefreiheit auch im EU-Recht (Art. 11 Abs. 2 EU-GrundrechteCharta). Die Pressearbeit wäre übermäßig belastet, wenn journalistische Berichterstattung – auch solche statistischer Art – den vielfältigen Anforderungen der EU-Benchmark-VO unterworfen würde.558 Zugleich scheint die Bildung von Referenzwerten aus der Presse auch praktisch noch nicht relevant genug, um auch unter Berücksichtigung der Pressefreiheit, einen regulierenden Eingriff zu rechtfertigen (Durchbrechung des flächendeckenden Ansatzes mangels Gewichtigkeit, bei erheblichem Gegeninteresse). Voraussetzung für die Ausnahme ist freilich, dass Presse bzw. Pressevertreter den Referenzwert nicht selbst beeinflussen können, sondern nur referieren bzw. berichten.

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Ähnlich (wenn auch nur implizit) bereits ESMA-EBA Principles for benchmark-setting processes in the EU, S. 6. Vgl. 14. Erw.grund. Dazu, dass Zentralbanken von Drittstaaten erst in der verabschiedeten Fassung freigestellt wurden: Spindler ZBB 2016, 165 (168). Vgl. bereits IOSCO Principles for financial benchmarks, S. 31; demgegenüber eher betonend, solche Festsetzungen durch CCPs wür-

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den nicht darauf abzielen, den „zahlbaren Betrag“ festzulegen: 19. Erw.grund; Spindler ZBB 2016, 165 (168). Es ist der unmittelbare Politikbezug, den die Freistellung ex lege zwingend voraussetzt; eher nur referierend freilich 15.SErw.grund. Das ergibt sich schon aus der Normhierarchie. Wiederum nicht wirklich aussagekräftig 16. Erw.grund S. 3.

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6. Teil. Marktregeln

789

d) Ausnahmen für geschäftsbezogene Einzelangaben (Abs. 2 lit. d) und f)). Wird ein Referenzkurs nicht aus verschiedenen Eingabedaten (Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 EU-Benchmark-VO) aufgrund einer bestimmten Formel erstellt, sondern besteht er nur aus einer Wertbestimmung eines einzelnen Finanzinstruments, so sinkt damit die Manipulationsgefahr erheblich,559 zugleich umgekehrt auch, dass er umfangreich als breiter angewandter – also etwa kritischer oder jedenfalls relevanter – Referenzwert herangezogen wird. 790 Noch konkreter einzelgeschäftsbezogen ist die zweite Ausnahme in dieser Gruppe. Zinssätze für Kreditverträge, die das Unternehmen selbst geschäftsmäßig vergibt oder ein Unternehmen derselben Unternehmensgruppe, bilden essentialia negotii und müssen daher festgelegt werden. Diese Festlegung muss der Kreditgeber selbst sich ausbedingen können („anhand interner Entscheidungen“), ohne (de facto) dazu gezwungen zu sein, dies von anderen Kreditgebern oder Marktteilnehmern zu übernehmen. Gleichzeitig besteht in den meisten Fällen aufgrund von EU-Recht oder auch nationalem Recht eine Veröffentlichungspflicht (vgl. bes. Art. 5 Abs. 1 2. UA lit. f), g) und l) EU-Verbraucherkredit-RL Nr. 2008/48/EG (oben 4. Teil Rn 608–625). Wenn dann andere diesen Zinssatz als Referenzwert nutzen, besteht in dieser Situation keine Möglichkeit, die Aufstellung bzw. Veröffentlichung des Referenzwertes schlicht zu unterlassen (zur Relevanz dieser Möglichkeit unten Rn 792). Daher wäre es dem fraglichen Unternehmen unzumutbar, ohne eigenen freiwilligen Entschluss entweder sein (Kredit-)Geschäft aufgeben oder aber die erheblichen regulatorischen Anforderungen der EU-Benchmark-VO erfüllen zu müssen.560

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e) Bedingte Ausnahmen bei Rohstoff-Referenzwerten und Index-Anbietern (Abs. 2 lit. g) und h)). Ein Index aus dem Bereich des Rohstoffhandels561 ist, wenn vom Handelsplatz (Nr. [i]) und vom Emissionsvolumen her begrenzt (Nr. [ii]),562 gänzlich vom Anwendungsbereich ausgenommen, wenn die Kontributoren mehrheitlich nicht dem Finanzsektor angehören – um in diesem Bereich die entsprechenden Regulierungsbelastungen der EUBenchmark-VO zu vermeiden. 792 Mit der letzten Ausnahme (Abs. 2 lit. h)) sollte dem Problem begegnet werden, dass die Aufstellung von Indices (Benchmarks) in vielen Bereichen möglich ist, auch ohne einen Bezug auf Finanzinstrumente und -kontrakte, etwa Klima- oder Wetterindices, und potentiell in allen Bereichen, um Messbarkeit zu ermöglichen (vgl. näher Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 EUBenchmark-VO und unten Rn 794 f.). In diesen Fällen wird dem Problem, dass der Anbieter selbst nicht die Bezugnahme zu einem Finanzinstrument/kontrakt hergestellt hat bzw. haben muss, damit begegnet, dass er zumindest solange nicht der VO unterfällt – und auch nicht ihren Sanktionen und Zulassungspflichten –, als er von solch einer Bezugnahme durch andere nicht wusste und nicht wissen musste.563 Freilich wird er, sobald dieser Zustand endet, vor die Wahl gestellt, die (durchaus anspruchsvollen) Verordnungsvorgaben

559

560

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Sie entfällt nach 18. Erw.grund („kein Ermessensspielraum“); tendenziell ebenso Spindler ZBB 2016, 165 (167). Wiederum eher nichtssagend 20. Erw.grund S. 3 („Kreditgeber lediglich als Nutzer eines Referenzwerts“). Eine Auflistung von Definitionen von im Rohstoffhandel üblichen Referenzpreisen enthält der Sub-Annex A zu den sog. „2005 ISDA Commodity Definitions“ der Interna-

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tional Swaps and Derivatives Association (ISDA). Namentlich Begrenzung auf nur einen Handelsplatz (Zulassung bzw. Zulassungsantrag) und (Höchst-) Emissionsvolumen (100 Mio. € Nominalwert der Finanzinstrumente, für die der Referenzwert herangezogen wird). Feldkamp RdF 2016, 180 (181). Näher zum Kennenmüssen Spindler ZBB 2016, 165 (168) (grobfahrlässige Unkenntnis).

Stefan Grundmann

4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

zu erfüllen oder seinen Index einzustellen,564 das Marktinteresse also über sein individuelles Handlungs-, etwa auch wissenschaftliches Interesse gestellt. Eine gewisse Abmilderung dieses Dilemmas liegt darin, dass jedenfalls bei nicht signifikanten Indices zahlreiche Einzelabsenkungen der Standards möglich sind. 3. Artikel 3: Kernbegriffe. Umfangreich sind auch in der EU-Benchmark-VO die Be- 793 griffsbestimmungen. Eine nähere Ausgestaltung (Delegation vgl. Abs. 2) ist angedacht in einer delegierten Verordnung, die sich gegenwärtig noch im Entwurfsstadium befindet.565 Denkbar gewesen wäre eine Ordnung nach den zentralen Akteuren (Definitionen bes. in Nr. 2, 6, 9–11), den Arten von Referenzgrößen (Definitionen bes. in Nr. 1, 3 f., auch Nr. 22–27) und den Zielinstrumenten, auf die diese bezogen werden (Definitionen bes. in Nr. 16, 18 f.). Geordnet wurden die Begriffe jedoch (abgesehen von einer gewissen Anlehnung an ihre jeweils erstmalige Nennung in der VO) primär nach dem Lebenszyklus von Benchmarks: Deren „Rohstoff“ bilden die Indices, die zu Referenzwerten werden durch Bezugnahme auf die Bezugsgrößen im Finanzsektor (Nr. 1, 3–4, unten a)); auf deren Klärung folgt im Lebenszyklus eigentlich der Erstellungsprozess von Referenzwerten (Nr. 8–15, unten c)), die Begriffsbestimmungen freilich rücken das Schwergewicht der Regulierung nach vorne, d.h. die spätere Bereitstellung und Verwendung (Nr. 2, 5–7, unten b)), beide Prozesse jeweils mit Verfahren und Akteuren im Verbund. In solch einem Verbund sind die Begriffsbestimmungen auch im Folgenden vorzustellen. Dies ist der Kern der Definitionen. Zuletzt folgt die Gruppe der Begriffsbestimmungen für die betroffenen Instrumente des Finanzsektors (mit weiteren Beteiligten) (Nr. 16–21, unten d)), aber auch – regulierungsbezogen, weil Abstufungen bedingend – eine Definition der jeweiligen praktischen Relevanz der Referenzwerte und ihre Einteilung in drei Gruppen (Nr. 22–27, unten e)). Den Kreis beschließen zwei Begriffsbestimmungen zu Ansässigkeit und zuständiger Behörde (Nr. 28, 29, unten f)). a) Indices und Referenzwerte(gruppen) (Nr. 1, 3–4). Die erste Gruppe von Begriffsbe- 794 stimmungen betrifft den für Benchmarks charakteristischen Wirkmechanismus: formalisierte Berechnungsmechanismen, die öffentlich zugänglich gemacht wurden, insbesondere veröffentlicht sind. Entscheidend ist, dass ein Berechnungsmechanismus formalisiert niedergelegt wird, nach dem sich unter Verwendung einer festgelegten Art und Zahl von Eingabedaten eine Zahl errechnet. Drei Verfeinerungen sind wichtig: Öffentlich zugänglich gemacht ist die Zahl, wenn sie nicht nur der internen Verwendung dient, wobei umgekehrt die Erhebung einer Gebühr für die Nutzung den nötigen öffentlichen Zugang nicht hindert.566 Alternativ zu einem festgelegten Berechnungsmechanismus (Formel, Algorithmus) ist auch eine „Bewertung“ möglich, es wurde also in der EU-Benchmark-VO – entgegen den Empfehlungen von IOSCO und FSB (oben Rn 774) – gerade nicht dafür optiert, dass nur objektivierte Eingabedaten, auf der Grundlage getätigter Transaktionen zugelassen sein sollen (vgl. auch unten Rn 799–800). Schließlich sind die Rohdaten, die einfließen, zwar häufig solche aus dem Finanzsektor (Basispreise, Basisvermögenswerte, Zinssätze), es sind jedoch alle „sonstigen Werte“ und „Erhebungen“, etwa auch Wetterdaten ebenfalls

564 565

Vgl. Feldkamp RdF 2016, 180 (181). Dok. Ares(2017)3137243 (abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ TXT/?uri=PI_COM:Ares(2017)3137243& qid=1501686801170).

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Vgl. 11. Erw.grund und Art. 1 des Entwurfs der delegierten Verordnung (vorige Fn); ferner Feldkamp RdF 2016, 180 (181); Spindler ZBB 2016, 165 (167).

Stefan Grundmann

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6. Teil. Marktregeln

zugelassen.567 Daher ist der Anwendungsbereich denkbar weit (und besteht die Gefahr, dass ein Index-Anbieter aus anderen Branchen ungewollt in die Finanzregulierung einbezogen wird, oben Rn 792). 795 In Nr. 1 und 3 werden Indices von Referenzwerten unterschieden, wobei Zweitere eine Teilmenge von Ersteren bilden. Referenzwerte sind diejenige Teilmenge von Indices (Definition vorige Rn), auf die in Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten (mit Verbrauchern) für Kursbildung und Zahlungen oder für die Berechnung der Wertentwicklung eines Investmentfonds (oder Portfolios), auch für die Berechnung von Erfolgshonoraren, Bezug genommen wird. Die Referenzwerte (als eine Sonderform von Indices) zeichnen sich also durch Bezugnahme im Kernbereich des Finanzsektors aus.568 Referenzwerte sind daher abgekürzt als „Finanzsektor-Indices“ zu umschreiben. Werden verschiedene Referenzwerte von demselben Administrator aus Eingabedaten derselben Art hergestellt, so gehören sie zu einer Referenzwert-Familie (Nr. 4). Dabei handelt es sich um Eingabedaten mit wirtschaftlich vergleichbarer Funktionalität – als Regelbeispiel nennt die VO Messungen im selben oder ähnlichen Markt oder ähnliche wirtschaftliche Realitäten.

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b) Bereitstellung und Verwendung von Referenzwerten (Nr. 2, 5–7). Die zentralen Akteure bei der „Herstellung“ von Indices und Referenzwerten sind die Index-Anbieter (Nr. 2) und die Administratoren (Nr. 6, „Referenzwerte-Anbieter“). Sie sind exakt parallel definiert, nur für Indices einerseits und die Referenzwerte (die Untergruppe der „FinanzsektorIndices“) andererseits (vorige Rn). Entscheidend ist die Kontrolle über die Bereitstellung des jeweiligen (Finanzsektor-)-Index. Diese wiederum ist in Nr. 5 in den drei zentralen Schritten näher definiert:569 Indices und Referenzwerte sind bestimmt durch die Anwendung einer Formel auf (objektive oder durch Bewertung ermittelte) Eingabedaten, also ein formalisiertes Berechnungsverfahren, dessen Durchführung zur Ermittlung einer (Richt-) Zahl führt. Dessen Festlegung und die fortlaufende Überprüfung und Fortentwicklung bildet also den ersten Teil des „Herstellungsprozesses“ (lit. a)). Den zweiten Teil bildet die Ermittlung der Eingabedaten, auch durch Dritte, wobei zur reinen Erhebung auch eine „Analyse“ kommt, also eine Verarbeitung in der Form, dass Gleichförmigkeit, Passgenauigkeit und wohl auch Richtigkeit hergestellt bzw. geprüft werden,570 worauf sich dann die eigentliche Verarbeitung, namentlich die Eingabe ins System anschließt (lit. b)). Diese „Anwendung“ der Formel – oder Bewertung – (lit. c)) führt zur Richtzahl, dem Referenzwert. 797 Die Bereitstellung umfasst also noch nicht die Verwendung, die wiederum in Nr. 7 definiert (und damit auch teilgeregelt) ist. Diese besteht entweder darin, dass die Richtzahl für eines der genannten Instrumente – zur Wertberechnung oder zur Festlegung von Zahlungspflichten (in Finanzinstrumenten bzw. -kontrakten), etwa Zinszahlungen – als Richtgröße vereinbart wird (lit. a) bis c)), wobei allein der Eintritt als Vertragspartner genügt (ausdrücklich lit. c) und auch speziell für Verbraucherkreditverträge, wenn ein variabler Zinssatz durch einen Spread festgelegt wird, lit. d)). Durch die Bezugnahme auf die Be-

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9. Erw.grund S. 2 und 3; Feldkamp RdF 2016, 180 (181); Spindler ZBB 2016, 165 (167). Veil/Wundenberg EuKapMR § 30 Rn 1, § 31 Rn 6; auch 9. Erw.grund S. 1 (Referenzwert als der „entscheidende Bestimmungsfaktor“ für gesamte VO). Zur Konzipierung finanzmarktbezogener Referenzwerte etwa Duffie/Dworczak Robust Benchmark Design, NBER Working Paper 20540; zur Möglichkeit der Auslage-

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rung von Einzelprozessen durch den Administrator 16. Erw.grund S. 2. Zum Ermessen und der damit einhergehenden Manipulationsmöglichkeit bei der Festlegung der Formel als dem Hauptregulierungsgrund vgl. Erw.grund 17. Im Einzelnen dann in anderen Teilen der VO geregelt, aber offenbar auch schon in der Definition angelegt.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

griffe Finanzinstrumente bzw. -kontrakte ist wiederum klargestellt, dass in dem einen Fall die Verwendung gegenüber jedem Anleger einbezogen ist, in dem anderen nur gegenüber Verbraucher-Kreditkunden (vgl. unten Rn 801). Alternativ oder andererseits wird der Referenzwert (oder eine Kombination von Referenzwerten) auch im Rahmen von Investmentfonds „verwendet“, wenn mit ihm die Wertentwicklung des Fonds (oder eines Portfolios) gemessen wird oder Anlageerfolgsprämien berechnet werden (also wiederum Wertberechnungen bzw. Bestimmung von Zahlungspflichten) (lit. e)). Hingegen ist das bloße Halten (und Erwerben) eines Finanzinstruments, in dem ein Referenzwert verwendet wird, als solches noch nicht als „Verwendung“ desselben zu qualifizieren (13. Erw.grund S. 6). c) Erstellungsprozess für Referenzwerte und Beteiligte (Nr. 8–15). Der laufende Erstel- 798 lungsprozess für Indices und (vor allem) für Referenzwerte (als dem Regulierungsgegenstand der EU-Benchmark-VO) hebt, wenn die Formel bzw. der Berechnungs- oder Bewertungsmodus festgelegt sind, mit dem Beitragen der vorgesehenen Eingabedaten an (Nr. 8 i.V.m. Nr. 9–12, 14). Die beitragenden (natürlichen oder juristischen) Personen werden als Kontributoren umschrieben (Nr. 9), aber nicht weiter definiert, ebenso wenig die von diesen in den Eingabeprozess Involvierten, die „Submittenten“ (Nr. 11).571 Sind Kontributoren „beaufsichtigt“ (Nr. 10), so handelt es sich um eines der unter Nr. 17 abschließend aufgelisteten Unternehmen(stypen) (dazu unten Rn 802), freilich nur wenn sie ihre Eingabedaten bei einem in der EU angesiedelten Administrator beitragen – was dann einen (nochmaligen) Nachweis bestimmter Anforderungen erübrigt (vgl. unten Rn 802, 821). Der Begriff der Eingabedaten und des Beitragens derselben (Nr. 8 i.V.m. Nr. 14) ist 799 demgegenüber intensiver definiert. Es darf sich nicht um als solche allgemein („ohne weiteres“) verfügbare Daten handeln – dann fehlt ein Manipulationsrisiko, dem auf Kontributorenebene durch Regulierung zu begegnen wäre –,572 und das Eingabedatum muss „erforderlich“ sein zur Herstellung des Referenzwertes und zu diesem Zweck – direkt oder indirekt über einen Dritten – an den Administrator übermittelt werden. Zentral ist die Eignung der Daten, Werte zu ermitteln oder Preise (jeweils einzelne oder zusammengesetzte) (Nr. 14), auch ggf. im Wege der Schätzung. Eine besondere Gruppe von Eingabedaten, diejenigen, die auf getätigten und nachvollziehbar ermittelbaren Transaktionen beruhen, werden als Transaktionsdaten umschrieben (Nr. 15) – vorausgesetzt, sie erfüllen besondere Voraussetzungen, die sie als besonders immun gegenüber Manipulationen erscheinen lassen:573 Die Preise, Zinssätze etc., aber auch Indices in ihrer Entwicklung müssen überwachbar, also von außen sicher zu beobachten sein, zudem auf Transaktionen beruhen, die zwischen nicht (vor allem konzernmäßig) verbundenen Parteien erfolgten und dies auf einem aktiven Markt, auf dem Nachfrage- und Angebotswettbewerb herrscht. Den eigentlichen Herstellungsprozess betreffen die beiden Begriffsbestimmungen des 800 „Prüfers“ (Nr. 12) und der „Experteneinschätzung“ (Nr. 13), beide primär von Bedeutung für die organisatorischen Anforderungen, die in bestimmten Situationen der Referenzwertherstellung formuliert werden: Das sind einerseits Prüfer, die vor allem bei den besonders

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Nicht notwendig ist die Einbeziehung als Abhängige (aufgrund eines Arbeitsvertrages). Diese Anforderung soll also nicht etwa einem Geheimnis- oder Vertraulichkeitsschutz dienen.

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Zu diesen vgl. bereits IOSCO Principles for financial benchmarks, Prinzip Nr. 7, S. 20. Zu ihrer größeren Verlässlichkeit (gerade auch in den Augen internationaler Regulierungsgremien) vgl. bereits oben Rn 774; sowie Chiu 11 Capital Markets Law Journal 191, 203 f. (2016).

Stefan Grundmann

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6. Teil. Marktregeln

wichtigen kritischen Referenzwerten und bei den Rohstoffreferenzwerten (angesichts des nötigen Expertenwissens) einbezogen werden müssen (vgl. bes. Art. 7 und 8 und Anhang II EU-Benchmark-VO).574 Prüfer werden herangezogen im Rahmen der Referenzwert-Herstellung durch den Administrator, die Definition in Nr. 12 ist jedoch insofern verwirrend, als sie sich nur auf Rohstoffreferenzwerte bezieht („um zu … Bewertung … eines bestimmten Rohstoffs zu gelangen.“), während im regulierenden Teil auch Prüfer für andere, insbesondere kritische Referenzwerte vorgesehen werden. Im regulierenden Teil wird außerdem klar, dass neben den Mitarbeitern des Administrators auch – und sogar vorrangig – unabhängige Prüfer vorgesehen sind. Experteneinschätzungen sind durch den Einfluss von Ermessenentscheidungen auf die jeweilige Festlegung gekennzeichnet (Nr. 13)575 und unterliegen bei beaufsichtigten Kontributoren besonderen Anforderungen und bei Referenzzinssätzen einem gewissen Nachrang (Art. 16 Abs. 3 und Anhang I unter Nr. 1, vgl. auch unten 7. Teil Rn 138).

801

d) Betroffene Instrumente und weitere Beteiligte (sowie Leitungsorgane) (Nr. 16–21). Auf die Sequenzen zu den Eigenarten von Indices/Referenzwerten und ihrer Erstellung/Verwendung folgt diejenige zu den Instrumenten (des Finanzsektors), deren Wert/Preis/Zahlungsverpflichtungen vom Referenzwert abhängig gemacht sein muss, um den Anwendungsbereich zu eröffnen. Dies ist einerseits der offenere Kreis der Finanzinstrumente (Nr. 16), andererseits der Kreis der abschließend aufgezählten und klar umrissenen Finanzkontrakte (Nr. 18) – (Verbraucher-)Kreditverträge nach der EU-Verbraucherkredit- bzw. der (ebenfalls verbraucherbezogenen) EU-Grundpfandrechte-Richtlinie – und Investmentfonds (Nr. 19) – sowohl die klassischen OGAW als auch die Alternativen Investmentfonds (wieder nach den beiden sie regelnden EU-Richtlinien). Erläuterungsbedürftig ist nur der Kreis der Finanzinstrumente (Nr. 16). Dieser entspricht freilich – naheliegend – umfassend demjenigen, auf den die MAR Anwendung findet, der Basisrechtsakt zur Marktmanipulation (und damit auch zur EU-Benchmark-VO). Erfasst sind wie dort Wertpapiere (Aktien, Anleihen und vergleichbare Instrumente), (kurzfristige) Geldmarktpapiere, Fondsanteile und Derivate (vgl. daher näher oben Rn 276–286), diese Instrumente wiederum, wenn entweder ein Antrag auf Zulassung zu einem Handelsplatz576 gestellt ist, oder tatsächlicher Handel an einem solchen bereits stattfindet oder bei einem systematischen Internalisierer (dazu unten 7. Teil Rn 141 ff.). 802 Eingestreut zwischen diese Begriffsbestimmungen zu den maßgeblichen Instrumenten (des Finanzsektors) sind einige Begriffsbestimmungen zu weiteren Beteiligten. Wiederum enumerativ aufgezählt und klar umrissen ist der Kreis der „beaufsichtigten Unternehmen“ (Nr. 17). Es handelt sich neben den Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (und anderen Anbietern von Bankgeschäften), Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen sowie OGAW – alle seit Jahrzehnten mit ihrem umfangreichen Aufsichtsrecht auf EU-Ebene – um die – inzwischen einem ebenfalls umfangreichen EU-Aufsichtsrecht unterliegenden – Verwalter Alternativer Investmentfonds (nach der AIF-Richtlinie), Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (nach der diesbezüglichen EG-Richtlinie), Marktbetreiber mit Regulierung in MiFID II (dazu unten 7. Teil Rn 141 ff.), CCPs und Transaktionsregister mit Regulierung vor allem in EMIR (dazu oben Rn 711–717, 746–764 und unten 7. Teil

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Zu den verschiedenen Formen von Prüfern, die vorgesehen werden, vgl. auch unten 7. Teil Rn 140. Maßgeblich ist also der Bezug auf Ermessensentscheidungen.

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Zum Begriff des Handelsplatzes, für den – wie ebenfalls in der MAR – wieder auf Art. 4 MiFID II (ursprünglich in der MAR noch Art. 4 MiFID I) verwiesen wird, vgl. näher 5. Teil Rn 66–74.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Rn 200 f., 198) und jetzt Administratoren mit ihrer Regulierung in der Benchmark-VO. Bei allen diesen Unternehmen ist – etwa wenn es um die Verwendung von Benchmarks aus Drittstaaten geht – die bereits bestehende aufsichtsrechtliche Regulierung von Belang (vgl. etwa unten 7. Teil Rn 123 ff., 131 ff.). Auch sind bei ihnen bestimmte Anforderungen deswegen verhältnismäßig, weil sie keine nennenswerten Zusatzkosten (mehr) verursachen (vgl. 12. Erw.grund S. 4 und 5). Auch der Verweis in Nr. 19 auf die Begriffsbestimmungen von Investmentfonds in der OGAW- und in der AIF-Richtlinie ist selbsterklärend. Diejenigen für Leitungsorgane (Nr. 20) entsprechen dem sich rechtsvergleichend in der EU entwickelnden Kernbestand bzw. für Verbraucher (Nr. 21) der EuGH-Rechtsprechung zu den EG/EU-Verbraucherrechtsakten. Im ersten Fall ist entscheidend, dass neben die Letztentscheidungs- und Weisungsmacht in allen Geschäftsführungsfragen die Aufgaben der Strategiebestimmung und der letztverantwortlichen Überwachung/Aufsicht treten und dass hierfür die Struktur des Leitungsorgans unerheblich ist (Auslagerung der Überwachungsfunktion im dualistischen System oder Verbindung der Aufgaben im monistischen System).577 Bei der Begriffsbestimmung für Verbraucher wird – klassisch im EU-Vertragsrecht – darauf abgestellt, dass nur natürliche Personen erfasst sind und nur, wenn sie im konkreten Fall – hier bei der Abrede und Entgegennahme eines (ggf. grundpfandrechtlich abgesicherten) Verbraucherkredits – ausschließlich nichtberuflich tätig werden.578 e) Verschiedene Arten von Referenzwerten (Nr. 22–27). In diesem Teil der Begriffsbe- 803 stimmungen werden die einzelnen Arten von Referenzwerten definiert, die in Art. 17–26 Benchmark-VO jeweils eigenen (organisatorischen) Anforderungen unterworfen werden (mit den Referenzwerten aus regulierten Daten, den Referenzzinssätzen und den Rohstoffreferenzwerten in Art. 17–19 Benchmark-VO). Dieser starke Bezug legt es nahe, die Begrifflichkeit in diesem Zusammenhang aufzugreifen (unten 7. Teil Rn 140) – auch wenn sie auch sonst in der VO sporadisch verwendet werden. Das Kerngerüst bildet dann freilich erst die Differenzierung nach Wichtigkeit, mit drei maßgeblichen Stufen (Nr. 25–27 und Art. 20–26), hierfür finden sich die maßgeblichen Tatbestands- und Definitionsmerkmale dann auch tatsächlich erst in Art. 20, 24 und 26 Benchmark-VO und nicht unter den Begriffsbestimmungen, die nur verweisen (vgl. daher näher unten 7. Teil Rn 140). Bei kritischen Referenzwerten (Art. 20–23 Benchmark-VO)579 – mit jedenfalls EU-weiter Bedeutung, hinsichtlich Marktintegritäts- und Stabilitätsziel – ist die gesamte Verordnung anwendbar, bei signifikanten (jedoch noch nicht kritischen) Referenzwerten eröffnet Art. 24 f. EU-Benchmark-VO Administratoren die Möglichkeit, für eine Befreiung von einer Reihe von Anordnungen zu optieren, freilich bei einem weitgehenden Vetorecht der Behörde. Bei nicht signifikanten Referenzwerten schließlich gelten nach Art. 26 Benchmark-VO zahlreiche ex-lege-Ausnahmen und besteht für Administratoren, die ausschließlich solche herstellen, nach Art. 34 Abs. 1 lit. c) Benchmark-VO nur eine Registrierungs-, keine Zulassungspflicht. Neben der Ausnahme für Benchmark-Administratoren, die sich des Referenzcharakters der von ihnen administrierten Benchmark nicht bewusst sind (oben

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578

Zu diesem Aufgabenkreis und zu verschiedenen Strukturen von Leitungsorganen vgl. knappe (vor allem rechtsvergleichende) Zusammenfassung bei Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn 376–392. Insbes. EuGH Urt. v. 3.9.2015 Rs. C-110/14 (Costea/SC Volksbank Romania), ECLI:EU:C:2015:538. Näher hierzu statt

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vieler Grabitz/Hilf/Nettesheim/Pfeiffer (60. EL 2016), Art. 169 AEUV Rn 24 ff. Ausf. Hockett/Omarowa 2 Journal of Financial Regulation 1 (2016); eine Auflistung der kritischen Referenzwerte gem. Art. 20 Abs. 1 der VO 2016/1011 enthält die Durchführungsverordnung 2016/1368, zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung 2017/1147 (Fn 533).

Stefan Grundmann

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6. Teil. Marktregeln

Rn 792), handelt es sich hierbei um den wohl wichtigsten Niederschlag des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in der EU-Benchmark-VO.580

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f) Ansiedlung und Behörden (Nr. 28–29). Mit dem Begriff der Ansiedlung (Nr. 28) – vor allem wichtig für Administratoren (Art. 29 ff. Benchmark-VO) und für die Anwendung von EU-Standards oder aber einer Anerkennungslösung – wählt der EU-Gesetzgeber einen neuartigen Begriff (statt dem üblicheren der Ansässigkeit). Verwiesen wird (primär) auf den registrierten Satzungssitz, also den gewählten Satzungssitz,581 so dass innerhalb EU der Administrator seine Aufsichtsbehörde – durch Registrierung des Sitzes – wählt. Im Verhältnis zu Drittstaaten, in dem die EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungs- und Sitzwahlfreiheit nicht gilt, können Mitgliedstaaten weiterhin verlangen, dass der registrierte Sitz am Hauptverwaltungssitz („real seat“) genommen wird.582 Behörden (Nr. 29) werden definiert als Einheiten mit Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, also der (idR weisungsgebundenen) Durchführung öffentlicher Aufgaben im Einzelfall, auch der Leistungsverwaltung, namentlich im Bereich Beschäftigung, Konjunktur und Inflation. Es wird ein funktionaler Verwaltungsbegriff gewählt, so dass auch Regierungsstellen erfasst sind, soweit sie in der Schuldenverwaltung derartig einzelfallbezogen agieren. Die nach Abs. 3 vorgesehenen Durchführungsakte (mit EU-weiter Liste der einbezogenen nationalen Behörden) sind bisher nicht erlassen worden.583

805

III. Integrität und Zuverlässigkeit von Referenzwerten (Art. 4–16) sowie Anforderungen an verschiedene Arten von Referenzwerten (Art. 17–26) – Verweis Titel II Integrität und Zuverlässigkeit von Referenzwerten [Art. 4–16: Allgemeine Organisatorische Grundlagen für Integrität und Zuverlässigkeit von Referenzwerten: Anforderungen an Unternehmensführung und Kontrolle durch Administratoren {Kapitel 1: Art. 4–10}, Eingabedaten und Methodik [Kapitel 2: Art. 11–14} sowie Verhaltenskodex und Kontributoren {Art. 15–16} – Kommentierung wegen des Sachzusammenhangs unten 7. Teil Rn 123–138]

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Vgl. schon 40–42. und 48. Erw.grund; außerdem Feldkamp RdF 2016, 180 (181 f.); Veil/Wundenberg EuKapMR § 31 Rn 10 ff. Für den Stand der EuGH-Rechtsprechung zur unionsrechtlichen (auf die Niederlassungsfreiheit gestützten) Freiheit, den Satzungssitz frei zu wählen, etwa Grundmann

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Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn 175–189. Vgl. Nachw. vorige Fn dazu, dass es im Verhältnis zu Drittstaaten an einer EU-rechtlich verbürgten Freiheit fehlt, den Satzungssitz frei zu wählen. Auch Entwürfe liegen bisher nicht vor.

Stefan Grundmann

4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

Titel III Anforderungen an verschiedene Arten von Referenzwerten [Art. 17–26: Organisatorische Anforderungen an Referenzwerte aus regulierten Daten {Kapitel 1: Art. 17}, an Referenzzinssätze {Kapitel 2: Art. 18}, an Rohstoff-Referenzwerte {Kapitel 3: Art. 19}, an Kritische Referenzwerte {Kapitel 4: Art. 20–23}, an Signifikante Referenzwerte {Kapitel 5: Art. 24–25} und an Nicht signifikante Referenzwerte {Kapitel 6: Art. 26} – mit Anhängen I und II der VO – Kommentierung wegen des Sachzusammenhangs unten 7. Teil Rn 140]

IV. Transparenz und Verbraucherschutz (Art. 27–28)

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Titel IV Transparenz und Verbraucherschutz Artikel 27 Referenzwert-Erklärung (1) Innerhalb von zwei Wochen nach der Aufnahme des Administrators in das in Artikel 36 genannte Register veröffentlicht der Administrator für jeden Referenzwert bzw. für jede Referenzwert-Familie, die gemäß Artikel 29 in der Union verwendet werden darf, eine Referenzwert-Erklärung mit Mitteln, die den fairen und mühelosen Zugang sicherstellen. Wenn der Administrator beginnt, einen neuen Referenzwert oder eine neue Referenzwert- Familie, der bzw. die gemäß Artikel 29 in der Union verwendet werden darf, bereitzustellen, veröffentlicht er innerhalb von zwei Wochen mit Mitteln, die einen fairen und mühelosen Zugang sicherstellen, eine Referenzwert-Erklärung für jeden neuen Referenzwert bzw. jede neue Referenzwert-Familie. Der Administrator überprüft und aktualisiert, falls notwendig, die Referenzwert-Erklärung für jeden Referenzwert bzw. jede Referenzwert-Familie im Fall von Änderungen an den gemäß diesem Artikel bereitzustellenden Informationen und mindestens alle zwei Jahre. In der Referenzwert-Erklärung: a) werden der Markt oder die wirtschaftliche Realität, der bzw. die durch den Referenzwert gemessen wird, sowie die Umstände, unter denen eine solche Messung möglicherweise an Zuverlässigkeit verliert, klar und unmissverständlich festgelegt; b) werden die technischen Spezifikationen festgelegt, aus denen klar und unmissverständlich hervorgeht, bei welchen Elementen der Berechnung des Referenzwerts Ermessensspielraum besteht, nach welchen Kriterien dieser Ermessensspielraum ausgeübt wird, welche Stellung die Personen innehaben, die über den Ermessensspielraum verfügen können, und wie die Ermessensausübung nachfolgend bewertet werden kann; c) wird auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Faktoren – auch externe Faktoren, die sich der Kontrolle des Administrators entziehen – eine Änderung des Referenzwerts oder dessen Einstellung erforderlich machen könnten, und d) werden die Benutzer darauf hingewiesen, dass Änderungen des Referenzwerts oder dessen Einstellung die Finanzkontrakte und die Finanzinstrumente, bei denen der Referenzwert oder die Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds als Bezugsgrundlage dient, beeinträchtigen können. (2) Eine Referenzwert-Erklärung umfasst mindestens folgende Elemente: a) die Definitionen aller für den Referenzwert relevanten Schlüsselbegriffe, b) die Gründe für die Festlegung der Referenzwert-Methodik und von Verfahren für die Überprüfung und Genehmigung der Methodik, c) die Kriterien und Prozesse der Bestimmung des Referenzwerts, einschließlich einer Beschreibung der Eingabedaten, der Prioritäten der verschiedenen Arten von Eingabedaten, des für eine Referenzwert-Bestimmung benötigten Mindestumfangs an Daten, der Nutzung von Extrapolationsmodellen oder -verfahren sowie jeglicher Verfahren für eine Neugewichtung der Bestandteile eines Referenzwert-Index,

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6. Teil. Marktregeln d) Kontrollen und Regeln für die Wahrnehmung von Beurteilungs- oder Ermessensspielraum durch den Administrator oder Kontributoren zur Wahrung von Kohärenz bei der Ausübung von Beurteilungs- oder Ermessensspielräumen, e) die Verfahren für die Bestimmung des Referenzwerts in Stressphasen oder Zeiten, in denen die Quellen für Transaktionsdaten möglicherweise nicht ausreichen, ungenau oder unzuverlässig sind, und die Angabe möglicher Referenzwert-Einschränkungen in solchen Phasen oder Zeiten, f) Verfahren für den Umgang mit Fehlern bei Eingabedaten oder bei der Bestimmung des Referenzwerts und Angabe, wann eine Neubestimmung des Referenzwerts erforderlich ist, und g) die Ermittlung potenzieller Einschränkungen des Referenzwerts einschließlich seiner Anwendung im Fall illiquider oder fragmentierter Märkte und der möglichen Konzentration von Eingaben. (3) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, um den Inhalt einer Referenzwert-Erklärung und die Fälle, in denen eine Aktualisierung solcher Erklärungen notwendig ist, näher auszuführen. Die ESMA unterscheidet zwischen den einzelnen Referenzwert-Arten und Sektoren gemäß dieser Verordnung und berücksichtigt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 1. April 2017 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards nach dem Verfahren der Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 28 Änderung oder Einstellung eines Referenzwerts (1) Ein Administrator gibt zusammen mit der in Artikel 27 genannten Referenzwert- Erklärung bekannt, welche Maßnahmen er bei Änderung oder Einstellung eines Referenzwerts, der gemäß Artikel 29 Absatz 1 in der Union verwendet werden darf, zu ergreifen hat. Derartige Maßnahmen können entsprechend auch für Referenzwert-Familien ausgearbeitet werden und werden bei jedem Eintritt einer wesentlichen Änderung aktualisiert und veröffentlicht. (2) Beaufsichtigte Unternehmen, mit Ausnahme von Administratoren gemäß Absatz 1, die einen Referenzwert verwenden, stellen robuste schriftliche Pläne auf, in denen sie die Maßnahmen darlegen, die sie ergreifen würden, wenn ein Referenzwert sich wesentlich ändert oder nicht mehr bereitgestellt wird, und pflegen diese Pläne. Soweit dies möglich und angemessen ist, wird bzw. werden in solchen Plänen ein oder mehrere alternative Referenzwerte benannt, die anstelle des nicht mehr bereitgestellten Referenzwerts als Bezugsgrundlage verwendet werden könnten, und es wird angegeben, warum es sich bei solchen Referenzwerten um geeignete Alternativen handeln würde. Die beaufsichtigten Unternehmen legen der jeweils zuständigen Behörde diese Pläne und eventuelle Aktualisierungen auf Anfrage vor und orientieren sich in der Vertragsbeziehung mit Kunden an diesen Plänen.

1. Artikel 27: Referenzwert-Erklärung

807

a) Ziel und Abgabe einer Erklärung je Referenzwert (Abs. 1 UA 1–3). Neben dem Hauptziel, Manipulationen von Referenzwerten mit verschiedenen Mitteln vorzubeugen, verfolgt die Benchmark-VO auch das klassische kapitalmarktrechtliche Ziel, Anleger- und Verbraucherschutz durch Verbesserung ihrer Information zu befördern. Kernziel ist dabei – wie auch etwa im „klassischen“ Informationsregime der MiFID für das individuelle Beratungsgespräch – ein zweifaches: das „Produkt“, hier die Wirkung des Referenzwertes, hinreichend klar und verständlich zu erklären, und (verbleibende) Interessenkonflikte deutlich zu machen, damit sich der Kunde davor selbst schützen, auch etwa Abstand nehmen kann.584 Ebenfalls wie im MiFID-Regime sollen Interessenkonflikte freilich zusätzlich – 584

Vgl. 43. Erw.grund S. 1; auch die Titelüberschrift. Noch zum ursprünglichen Verord-

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nungsentwurf der Kommission (dort Art. 15) siehe Veil/Wundenberg EuKapMR § 31

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

und sogar vorrangig – bereits durch weitere, vor allem organisationsrechtliche Vorgaben ausgeräumt werden (vgl. dazu 7. Teil Rn 139), die Informationspflichten also nur hinzukommen, wo Interessenkonflikte und Manipulationsgefahren verbleiben. Damit wird zugleich auch der Administrator zusätzlich – etwa durch ein mögliches Haftungsrisiko – angehalten, sich der Manipulationsgefahren bewusst zu werden. Innerhalb von zwei Wochen ist zu diesem Zweck eine Referenzwerterklärung abzuge- 808 ben – gerechnet entweder vom erstmaligen Unterfallen unter das neue Regime mit Wirkung für den Binnenmarkt, d.h. ab der erstmaligen Registrierung des Administrators (bzw. eines Referenzwertes eines Administrators aus einem Drittland) nach Art. 36 i.V.m. Art. 29 Benchmark-VO, hier für alle Referenzwerte und Referenzwertfamilien, die der Administrator bereitstellt, oder in der Folgezeit ab der jeweiligen Bereitstellung eines neuen Referenzwertes bzw. einer neuen Referenzwertfamilie, der bzw. die nach Art. 29 Benchmark-VO im Binnenmarkt verwendet werden darf. Bereitstellung in diesem Zusammenhang ist nach Sinn und Zweck der Informationsregel die öffentliche Zurverfügungstellung für eine Verwendung iSv Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 Benchmark-VO. Ab diesem Zeitpunkt kann der Administrator die Information vollständig und akkurat geben und es besteht umgekehrt ein Informationsbedürfnis. Der Zugang zur Erklärung muss fair und mühelos sein, also für alle Betroffenen vergleichbar einfach und für reine Nutzer (anders als die Verwender) wohl auch ohne weitere Kosten.585 Hinzu kommen inhaltliche Anforderungen, namentlich an die Transparenz, die ebenfalls die „mühelose“ Information befördern (nächste Rn). Zur Erklärungspflicht tritt – „falls notwendig“, mindestens jedoch jedes zweite Jahr – eine Aktualisierungspflicht (Abs. 1 UA 3). b) Inhalt der Referenzwert-Erklärung (Abs. 1 UA 4 und Abs. 2, 3) und Schadensersatz. 809 Vor allem der Inhalt der Referenzwert-Erklärung ist auf die genannte doppelte Zielsetzung – Erklärung der Wirkweise und Herausstellung der Interessenkonflikte und Manipulationsgefahren (oben Rn 807) – zugeschnitten. Die bereits detaillierten Inhaltsvorgaben in den Abs. 1 UA 4 und Abs. 2 sollen durch technische Regulierungsstandards weiter verfeinert werden (Abs. 3),586 zudem wird der Inhalt ergänzt um Erklärungen dazu, welche

585

Rn 23 sowie Spindler ZBB 2016, 165 (174). Eine entsprechende Veröffentlichungspflicht sahen auch bereits die ESMA-EBA-Prinzipien vor, vgl. ESMA-EBA Principles for Benchmark-Setting Processes in the EU, Rn B-8. Dass der Begriff der „Mühelosigkeit“ jedenfalls für Verbraucher die Kostenfreiheit des Informationszugangs voraussetzt, hat der EuGH jedenfalls zum Nacherfüllungsanspruch im Verbrauchsgüterkaufrecht angenommen. Dort hatte der EuGH festgestellt, dass eine Nacherfüllung nur dann „ohne erhebliche Unannehmlichkeiten“ i.S.d. Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 Verbrauchsgüterkauf-RL für den Verbraucher erfolgt, wenn aus der Geltendmachung des Anspruches keine negativen finanziellen Folgen resultieren, vgl. EuGH, Urteil v. 17.4.2008, Rs. C-404/06 (Quelle), Slg. 2008, I-02685 = NJW 2008, 1433 (1434, Tz 35). Ein entsprechendes Ver-

586

ständnis scheint auch die ESMA in ihren technischen Regulierungsstandards zu Art. 27 Benchmark-VO zugrunde zu legen. Nach den RTS ist es Administratoren zwar erlaubt, am Ende ihrer Referenzwert-Erklärung zusätzliche Informationen durch Bezugnahme auf extern veröffentlichte Dokumente zur Verfügung zu stellen. Diese externen Dokumente müssen allerdings „free of charge“ zugänglich sein, vgl. ESMA Final Report: Draft technical standards under the Benchmarks Regulation, ESMA70–145–48 (Fn 535), S. 128 (Art. 1 Nr. 8 des Entwurfs der delegierten Verordnung gemäß Art. 27 Abs. 3 Benchmark-VO). Siehe ESMA Final Report: Draft technical standards under the Benchmarks Regulation, ESMA70–145–48 (Fn 535), S. 52 ff. und 125 ff. Die Übernahme durch die Kommission steht indes noch aus.

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6. Teil. Marktregeln

Maßnahmen der Administrator ergreift und ergreifen muss, wenn er einen Referenzwert oder eine Referenzwertfamilie ändert oder einstellt (Art. 28 Abs. 1 Benchmark-VO). Hinzu kommt für diesen Fall der Gefahrenhinweis nach Art. 27 Abs. 1 UA 4 lit. d) (Kursgefahr für die betroffenen Finanzinstrumente bei Referenzwertänderung/-einstellung). Die sonstigen Gehalte sind aufgeteilt in Mindestinhalte (Abs. 2) und Leitlinien, die jedoch ebenfalls ein Mindestniveau festlegen (Abs. 1 UA 4), beide mit vier bis sechs Einzelpunkten. Bei diesen Mindestgehalten dürfte es sich, da sie bereits detailliert sind, zugleich auch um Leitlinien für eine Obergrenze an Informationen halten. Denn das Transparenzgebot, das im Vorschlag noch im regelnden Teil zu finden war, ist im 43. Erw.grund S. 3 weiterhin angelegt, wenn auch dort nur als Vorgabe an den Durchführungsgesetzgeber formuliert: Die Angaben müssen eine „angemessene Länge“ haben und die Information „auf leicht zugängliche Weise bieten“.587 Klar wird aus den Einzelpunkten, dass Einzelheiten zu allen zentralen Punkten der Herstellung des Referenzwertes aufzudecken sind (Formel, Wirkweise der Formel, Eingabedaten, Kontributoren, Herstellungsprozess als solcher mit Absicherungen, insbesondere auch für den Fall, dass die Eingabedaten zu spärlich zur Verfügung stehen u.ä.) – dies jeweils sowohl, um die Wirkweise in einem konkreten Markt so deutlich wie möglich zu machen, als auch, um mögliche Interessenkonflikte und Manipulationsgefahren plastisch hervortreten zu lassen. Insbesondere die Ermessensspielräume sind im Bestand und mit ihren Gefahren darzustellen (Abs. 2 lit. d)). Es spricht auch vieles dafür, dass die Formel an sich in ihrem Kernbestand und Wirkmechanismus – entgegen klassischer Auffassung in Deutschland – nicht mehr als „Geschäftsgeheimnis“ vor Veröffentlichungspflichten geschützt wird (vgl. Abs. 2 lit. a) bis c)).588 Wichtig ist insoweit wiederum: Es handelt sich um eine Europäische Verordnung, die europaeinheitlich – und nicht aus deutscher Sicht – auszulegen ist. 810 Dass Verstöße gegen diese Informationspflichten individuelle Schadensersatzpflichten begründen sollen, scheint mir durch den 43. Erw.grund (bes. S. 1 – auf die einzelnen Nutzer abstellend) und die Titelüberschrift („Verbraucherschutz“) nahegelegt und über Zweifel hat vorrangig der EuGH zu entscheiden. Wie allgemein für die Benchmark-VO bietet sich hier der Haftungsmaßstab für Verstöße gegen die Ad-hoc-Publizität an, ist wohl sogar europarechtlich gefordert (vgl. oben Rn 780). Die Informationsbeschaffung wird – trotz der Veröffentlichungspflichten – häufig problematisch sein, ungeklärt ist insbesondere, inwieweit ein Anspruch auf Herausgabe der von der Behörde ermittelten Daten des konkreten Falles besteht.589

811

2. Artikel 28: Änderung oder Einstellung eines Referenzwerts – Präventivpflichten. Neben der Pflicht der Administratoren, auch bereits vorab über die Schritte zu informieren, die sie ergreifen und ergreifen müssen, wenn sie einen ihrer Referenzwerte oder eine ihrer Referenzwertfamilien ändern oder einstellen (Abs. 1, vgl. bereits vorige Rn), tritt eine zweite Präventivpflicht. Diese trifft Verwender von Referenzwerten, wenn es sich um beaufsichtigte Unternehmen (oben Rn 802) handelt (Abs. 2). Da diese nach den sie betreffenden Aufsichtsrechten durchgehend adäquate Mittel zu hinreichendem Risikomanagement vorzuhalten haben, Kreditinstitute u.a. auch für eine mögliche Krise konkrete Maßnahmenkataloge aus-

587 588

Wohl aA Spindler ZBB 2016, 165 (174) (Transparenzpflicht „ersatzlos gestrichen“). AA Spindler ZBB 2016, 165 (174); wie hier (aber mit Bedenken hinsichtlich bestehender Geheimhaltungsbedürfnisse der Administratoren) wohl Veil/Wundenberg EuKapMR

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589

§ 31 Rn 23; prinzipiell für eine volle Offenlegung der Formel auch bereits ESMA-EBA Principles for benchmark-setting processes in the EU, Rn B.8. Vgl. Spindler ZBB 2016, 165 (174).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

zuarbeiten haben (sog. living wills, vgl. oben 1. Teil Rn 62, 102), wird ihnen eine vergleichbare Pflicht auch hinsichtlich den Benchmarks auferlegt: Sie müssen schriftlich Pläne für den Fall aufstellen, dass die verwandten Referenzwerte geändert oder eingestellt werden, und diese laufend fortschreiben, dabei insbesondere auch die Referenzwerte individualisieren und benennen, die sich aufgrund Ähnlichkeit im Wirkmechanismus am besten als Ersatz eignen (mit Darlegung der Gründe hierfür, S. 2) und diese entsprechend auch in der vertraglichen Grundlage (Finanzinstrument oder -kontrakt bzw. Fonds-Satzung) verankern (S. 3).

V. Verwendung der Referenzwerte in der Union (Art. 29–33) (Überblick) Titel V Verwendung der Referenzwerte in der Union Artikel 29 Verwendung eines Referenzwerts (1) Ein beaufsichtigtes Unternehmen darf einen Referenzwert oder eine Kombination von Referenzwerten in der Union verwenden, wenn der Referenzwert von einem Administrator bereitgestellt werden, der in der Union angesiedelt und in das Register nach Artikel 36 eingetragen ist, oder wenn es ein Referenzwert ist, der in das Register nach Artikel 36 eingetragen ist. (2) Handelt es sich bei dem Gegenstand eines Prospekts, der auf der Grundlage der Richtlinie 2003/71/EG oder der Richtlinie 2009/65/EG zu veröffentlichen ist, um übertragbare Wertpapiere oder sonstige Investmentprodukte, bei denen ein Referenzwert als Bezugsgrundlage dient, stellt der Emittent, Anbieter oder die Person, die die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragt, sicher, dass im Prospekt klare und gut sichtbare Informationen enthalten sind, aus denen hervorgeht, ob der Referenzwert von einem Administrator bereitgestellt wird, der in das Register nach Artikel 36 dieser Verordnung eingetragen ist. Artikel 30 Gleichwertigkeit (1) Damit ein Referenzwert oder eine Kombination von Referenzwerten, der bzw. die von einem in einem Drittstaat angesiedelten Administrator bereitgestellt wird, in der Union im Einklang mit Artikel 29 Absatz 1 verwendet werden kann, müssen der Referenzwert und der Administrator in das Register nach Artikel 36 eingetragen sein. Für eine Aufnahme in das Register müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: a) ein Beschluss über die Gleichwertigkeit wird von der Kommission gemäß Absatz 2 oder 3 des vorliegenden Artikels gefasst; b) der Administrator ist in dem betreffenden Drittstaat zugelassen oder registriert und unterliegt der dortigen Aufsicht; c) Die ESMA wird vom Administrator darüber unterrichtet, dass er sich damit einverstanden erklärt, dass beaufsichtigte Unternehmen seine bestehenden oder künftigen Referenzwerte in der Union verwenden, der ESMA die Liste der Referenzwerte, für deren Verwendung in der Union er seine Zustimmung erteilt hat, übermittelt und ihr die für seine Beaufsichtigung in dem Drittstaat zuständige Behörde mitteilt, und d) die in Absatz 3 genannten Kooperationsvereinbarungen sind wirksam. (2) Die Kommission kann einen Durchführungsbeschluss fassen, in dem festgestellt wird, dass der Rechtsrahmen und die Aufsichtspraxis eines Drittstaates gewährleisten, dass a) die in diesem Drittstaat zugelassenen oder registrierten Administratoren verbindliche Anforderungen erfüllen, die den Anforderungen dieser Verordnung gleichwertig sind, wobei insbesondere berücksichtigt wird, ob Rechtsrahmen und Aufsichtspraxis des jeweiligen Drittstaates die Einhaltung der IOSCO-Grundsätze für finanzielle Referenzwerte bzw. der IOSCOGrundsätze für Ölpreismeldestellen gewährleisten, und b) die verbindlichen Anforderungen in diesem Drittstaat laufend und wirksam beaufsichtigt und durchgesetzt werden. Solche Durchführungsbeschlüsse werden nach dem in Artikel 50 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

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6. Teil. Marktregeln (3) Alternativ kann die Kommission einen Durchführungsbeschluss fassen, in dem erklärt wird, dass a) verbindliche Anforderungen in einem Drittstaat in Bezug auf bestimmte Administratoren oder bestimmte Referenzwerte oder Referenzwert-Familien den Anforderungen dieser Verordnung gleichwertig sind, wobei insbesondere berücksichtigt wird, ob Rechtsrahmen und Aufsichtspraxis des jeweiligen Drittstaates die Einhaltung der IOSCO-Grundsätze für finanzielle Referenzwerte bzw. der IOSCO-Grundsätze für Ölpreismeldestellen gewährleisten, und b) diese bestimmten Administratoren oder bestimmten Referenzwertem oder Referenzwert-Familien in diesem Drittstaat laufend und wirksam beaufsichtigt und durchgesetzt werden. Solche Durchführungsbeschlüsse werden nach dem in Artikel 50 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen. (4) Die ESMA schließt Kooperationsvereinbarungen mit den zuständigen Behörden von Drittländern, deren Rechtsrahmen und Aufsichtspraxis gemäß Absatz 2 oder 3 als gleichwertig anerkannt wurden. In diesen Vereinbarungen wird zumindest Folgendes geregelt: a) der Mechanismus für den Informationsaustausch zwischen der ESMA und den zuständigen Behörden der betreffenden Drittländer, einschließlich des Zugangs zu allen einschlägigen Angaben, die die ESMA zu dem in diesem Drittstaat zugelassenen Administrator verlangt; b) der Mechanismus für eine umgehende Benachrichtigung der ESMA für den Fall, dass die zuständige Behörde eines Drittstaates der Auffassung ist, dass der in diesem Drittstaat zugelassene, von ihr beaufsichtigte Administrator in dem Drittstaat gegen die Voraussetzungen für seine Zulassung oder andere nationale Rechtsvorschriften verstößt; c) die Verfahren für die Koordinierung der Aufsichtstätigkeiten, einschließlich Prüfungen vor Ort. (5) Damit die zuständigen Behörden und die ESMA alle in dieser Verordnung für sie vorgesehenen Aufsichtsbefugnisse wahrnehmen können, arbeitet die ESMA Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, in denen der Mindestinhalt der in Absatz 4 genannten Kooperationsvereinbarungen festgelegt wird. Die ESMA legt der Kommission die Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 1. April 2017 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards nach dem Verfahren der Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 31 Entzug der Registrierung eines in einem Drittstaat angesiedelten Administrators (1) Die ESMA entzieht die Registrierung eines in einem Drittstaat angesiedelten Administrators durch Streichung dieses Administrators aus dem in Artikel 36 genannten Register, wenn sie aufgrund dokumentierter Nachweise zu dem begründeten Schluss gelangt ist, dass der Administrator a) in einer Weise handelt, die den Interessen der Nutzer seiner Referenzwerte oder dem ordnungsgemäßen Funktionieren von Märkten eindeutig abträglich ist, oder b) in gravierender Weise gegen nationale Rechtsvorschriften oder andere für ihn in dem Drittstaat geltende Bestimmungen, auf deren Grundlage die Kommission den Durchführungsbeschluss nach Artikel 30 Absatz 2 oder 3 gefasst hat, verstoßen hat. (2) Die in Absatz 1 genannte Entscheidung wird von der ESMA nur getroffen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: a) Die ESMA hat die Angelegenheit an die zuständige Behörde des Drittstaates verwiesen, und diese hat es versäumt, die zum Schutz der Anleger und des ordnungsgemäßen Funktionierens der Märkte in der Union erforderlichen Maßnahmen zu treffen oder nachzuweisen, dass der betroffene Administrator die für ihn in dem Drittstaat geltenden Anforderungen erfüllt. b) Die ESMA hat der zuständigen Behörde des Drittstaates mindestens 30 Tage vor Entzug der Registrierung mitgeteilt, dass sie dem Administrator die Registrierung entziehen will. (3) Die ESMA teilt den anderen zuständigen Behörden unverzüglich jede nach Absatz 1 getroffene Maßnahme mit und gibt ihre Entscheidung auf ihrer Website bekannt.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks Artikel 32 Anerkennung eines in einem Drittstaat angesiedelten Administrators (1) Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Beschluss über ihre Gleichwertigkeit gemäß Artikel 30 Absatz 2 oder 3 gefasst wurde, darf ein Referenzwert, der von einem in einem Drittstaat angesiedelten Administrator bereitgestellt wird, von beaufsichtigten Unternehmen in der Union unter der Voraussetzung verwendet werden, dass der Administrator eine vorherige Anerkennung durch die zuständige Behörde seines Referenzmitgliedstaats gemäß diesem Artikel erlangt. (2) Ein in einem Drittstaat angesiedelter Administrator, der die in Absatz 1 genannte vorherige Anerkennung erlangen will, muss die in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen, mit Ausnahme derjenigen des Artikels 11 Absatz 4 und der Artikel 16, 20, 21 und 23, erfüllen. Der Administrator kann diese Bedingung erfüllen, indem er die IOSCO-Grundsätze für finanzielle Referenzwerte bzw. die IOSCO-Grundsätze für Ölpreismeldestellen anwendet, vorausgesetzt, diese Anwendung ist der Erfüllung der in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen, mit Ausnahme derjenigen des Artikels 11 Absatz 4 und der Artikel 16, 20, 21 und 23, gleichwertig. Um festzustellen, ob die Bedingung nach Unterabsatz 1 erfüllt ist, und um die Einhaltung der IOSCO-Grundsätze für finanzielle Referenzwerte bzw. der IOSCO-Grundsätze für Ölpreismeldestellen zu bewerten, kann die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats eine Bewertung durch einen unabhängigen externen Prüfer oder, wenn der in einem Drittstaat angesiedelte Administrator einer Aufsicht unterliegt, die Zertifizierung durch die zuständige Behörde des Drittstaates, in dem der Administrator angesiedelt ist, heranziehen. Soweit ein Administrator nachweisen kann, dass ein von ihm bereitgestellter Referenzwert auf regulierten Daten beruht oder dass es sich dabei um einen Rohstoff-Referenzwert handelt, der nicht auf Eingaben von Kontributoren beruht, bei denen es sich mehrheitlich um beaufsichtigte Unternehmen handelt, ist der Administrator nicht verpflichtet, Anforderungen zu erfüllen, die nicht auf die Bereitstellung von Referenzwerten aus regulierten Daten bzw. von Rohstoff-Referenzwerten Anwendung finden, wie in Artikel 17 bzw. Artikel 19 Absatz 1 vorgesehen. (3) Ein in einem Drittstaat angesiedelter Administrator, der die in Absatz 1 genannte vorherige Anerkennung erlangen will, muss über einen in seinem Referenzmitgliedstaat niedergelassenen rechtlichen Vertreter verfügen. Der rechtliche Vertreter muss eine natürliche oder juristische Person sein, die in der Union angesiedelt ist und von dem in einem Drittstaat angesiedelten Administrator ausdrücklich dazu bestellt worden ist, gegenüber den Behörden und allen sonstigen Personen in der Union in Bezug auf die in dieser Verordnung vorgesehenen Pflichten des Administrators in seinem Namen zu handeln. Der rechtliche Vertreter übt die Aufsichtsfunktion in Bezug auf die in dieser Verordnung vorgesehene Bereitstellung von Referenzwerten durch den Administrator gemeinsam mit dem Administrator aus und ist in dieser Hinsicht gegenüber der zuständigen Behörde des Referenzmitgliedstaats rechenschaftspflichtig. (4) Der Referenzmitgliedstaat eines in einem Drittstaat angesiedelten Administrators ist wie folgt zu bestimmen: a) Gehört der Administrator einer Gruppe an, die ein in der Union angesiedeltes beaufsichtigtes Unternehmen umfasst, ist der Referenzmitgliedstaat der Mitgliedstaat, in dem das beaufsichtigte Unternehmen angesiedelt ist. Das genannte beaufsichtigte Unternehmen ist für die Zwecke des Absatzes 3 als rechtlicher Vertreter zu bestellen. b) Findet die Bestimmung unter Buchstabe a nicht Anwendung und gehört der Administrator einer Gruppe an, die mehr als ein in der Union angesiedeltes beaufsichtigtes Unternehmen umfasst, ist der Referenzmitgliedstaat der Mitgliedstaat, in dem die meisten dieser beaufsichtigten Unternehmen angesiedelt sind, oder, wenn es eine gleiche Anzahl von beaufsichtigten Unternehmen gibt, ist derjenige der Referenzmitgliedstaat, in dem der Wert der Finanzinstrumente, Finanzkontrakte oder Investmentfonds, bei denen der Referenzwert als Bezugsgrundlage dient, am höchsten ist. Eines der gemäß diesem Buchstaben bestimmten, in dem Referenzmitgliedstaat angesiedelten beaufsichtigten Unternehmen ist für die Zwecke des Absatzes 3 als rechtlicher Vertreter zu bestellen. c) Findet weder Buchstabe a noch Buchstabe b dieses Absatzes Anwendung und werden ein oder mehrere von dem Administrator bereitgestellte Referenzwerte in einem oder mehreren Mitgliedstaaten an einem Handelsplatz im Sinn der Definition in Artikel 4 Absatz 1 Nummer 24 als Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente zum Handel verwendet, ist der Referenzmitglied-

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6. Teil. Marktregeln staat der Mitgliedstaat, in dem das Finanzinstrument, bei dem einer dieser Referenzwerte als Bezugsgrundlage dient, erstmals an einem Handelsplatz zum Handel zugelassen oder gehandelt wurde und noch immer gehandelt wird. Wurden die einschlägigen Finanzinstrumente gleichzeitig an Handelsplätzen in mehreren Mitgliedstaaten erstmals zum Handel zugelassen oder gehandelt und werden sie dort noch immer gehandelt, ist derjenige der Referenzmitgliedstaat, in dem der Wert der Finanzinstrumente, Finanzkontrakte oder Investmentfonds, bei denen der Referenzwert als Bezugsgrundlage dient, am höchsten ist. d) Finden die Bestimmungen unter den Buchstaben a, b und c keine Anwendung und werden ein oder mehrere von dem Administrator bereitgestellte Referenzwerte von beaufsichtigten Unternehmen in mehreren Mitgliedstaaten verwendet, ist der Referenzmitgliedstaat der Mitgliedstaat, in dem die meisten dieser beaufsichtigten Unternehmen angesiedelt sind, oder, wenn es eine gleiche Anzahl von beaufsichtigten Unternehmen gibt, ist derjenige der Referenzmitgliedstaat, in dem der Wert der Finanzinstrumente, Finanzkontrakte oder Investmentfonds, bei denen der Referenzwert als Bezugsgrundlage dient, am höchsten ist. e) Finden die Bestimmungen unter den Buchstaben a, b, c und d keine Anwendung und schließt der Administrator mit einem beaufsichtigten Unternehmen eine Vereinbarung, in der er der Verwendung eines von ihm bereitgestellten Referenzwerts zustimmt, ist der Referenzmitgliedstaat der Mitgliedstaat, in dem ein solches beaufsichtigtes Unternehmen angesiedelt ist. (5) Ein in einem Drittstaat angesiedelter Administrator, der die in Absatz 1 genannte vorherige Anerkennung erlangen will, muss bei der zuständigen Behörde seines Referenzmitgliedstaats die Anerkennung beantragen. Der antragstellende Administrator stellt sämtliche Informationen zur Verfügung, die erforderlich sind, um der zuständigen Behörde nachzuweisen, dass er zum Zeitpunkt der Anerkennung sämtliche erforderlichen Vorkehrungen zur Einhaltung der Anforderungen nach Absatz 2 getroffen hat, legt eine Liste seiner bestehenden oder künftigen Referenzwerte, die in der Union verwendet werden können, vor und gibt gegebenenfalls die zuständige Behörde an, die in dem Drittstaat für seine Beaufsichtigung zuständig ist. Binnen 90 Tagen nach Eingang des Antrags nach Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes überprüft die zuständige Behörde, dass die Bedingungen der Absätze 2, 3 und 4 erfüllt sind. Ist die zuständige Behörde der Auffassung, dass die in den Absätzen 2, 3 und 4 festgelegten Bedingungen nicht erfüllt sind, lehnt sie den Antrag auf Anerkennung ab und legt die Gründe für diese Ablehnung dar. Darüber hinaus ist die Anerkennung erst dann zu erteilen, wenn folgende zusätzliche Bedingungen erfüllt sind: a) Wenn der in einem Drittstaat angesiedelte Administrator einer Aufsicht unterliegt, besteht zwischen der zuständigen Behörde des Referenzmitgliedstaats und der zuständigen Behörde des Drittstaates, in dem der Administrator angesiedelt ist, eine angemessene Kooperationsvereinbarung, die den gemäß Artikel 30 Absatz 5 angenommenen technischen Regulierungsstandards entspricht und durch die ein wirksamer Informationsaustausch sichergestellt ist, der der zuständigen Behörde die Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen dieser Verordnung ermöglicht. b) Die Gesetze, Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften des Drittstaats, in dem der Administrator angesiedelt ist, und gegebenenfalls die Beschränkungen der Aufsichts- und Ermittlungsbefugnisse der Aufsichtsbehörde dieses Drittstaats hindern die zuständige Behörde nicht an der wirksamen Wahrnehmung ihrer Aufsichtsfunktionen aufgrund dieser Verordnung. (6) Ist die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats der Auffassung, dass ein in einem Drittstaat angesiedelter Administrator einen Referenzwert bereitstellt, der die Voraussetzungen eines signifikanten oder nicht signifikanten Referenzwerts gemäß Artikel 24 bzw. Artikel 26 erfüllt, unterrichtet sie unverzüglich die ESMA davon. Sie begründet diese Einschätzung mit den Informationen, die der Administrator in dem betreffenden Antrag auf Anerkennung vorgelegt hat. Binnen einem Monat nach Eingang der in Unterabsatz 1 genannten Mitteilung gibt die ESMA gegenüber der zuständigen Behörde eine Empfehlung ab bezüglich der Art des Referenzwerts und der aufgrund von Artikel 24, Artikel 25 und Artikel 26 für seine Bereitstellung geltenden Anforderungen. In der Empfehlung kann insbesondere darauf eingegangen werden, ob die ESMA der

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks Auffassung ist, dass die Voraussetzungen für eine solche Art aufgrund der Informationen, die der Administrator in dem Antrag auf Anerkennung vorgelegt hat, erfüllt sind. Die Frist nach Absatz 5 wird ab dem Eingang der Mitteilung bei der ESMA bis zu dem Zeitpunkt, an dem die ESMA die im vorliegenden Absatz genannte Empfehlung abgibt, ausgesetzt. Wenn die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats entgegen der Empfehlung der ESMA gemäß Unterabsatz 2 beabsichtigt, die Anerkennung zu erteilen, setzt sie die ESMA unter Angabe ihrer Gründe davon in Kenntnis. Die ESMA gibt öffentlich bekannt, dass eine zuständige Behörde ihre Empfehlung nicht befolgt oder beabsichtigt, sie nicht zu befolgen. Die ESMA kann zudem von Fall zu Fall beschließen, die von der zuständigen Behörde angegebenen Gründe für das Nichtbefolgen der Empfehlung öffentlich bekannt zu geben. Die betroffene zuständige Behörde wird im Voraus über die Bekanntgabe informiert. (7) Die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats unterrichtet binnen fünf Arbeitstagen die ESMA von einer Entscheidung über die Anerkennung eines in einem Drittstaat angesiedelten Administrators und übermittelt dabei die Liste der von dem Administrator bereitgestellten Referenzwerte, die in der Union verwendet werden können, und gegebenenfalls die Angabe der zuständigen Behörde, die die Aufsicht in dem Drittstaat wahrzunehmen hat. (8) Die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats setzt die gemäß Absatz 5 erteilte Anerkennung aus oder zieht sie, falls angemessen, zurück, wenn sie aufgrund dokumentierter Nachweise zu dem begründeten Schluss gelangt ist, dass die Handlungsweise des Administrators den Interessen der Nutzer seiner Referenzwerte oder dem ordnungsgemäßen Funktionieren von Märkten eindeutig abträglich ist oder dass der Administrator in gravierender Weise gegen die in dieser Verordnung festgelegten einschlägigen Anforderungen verstoßen hat oder dass er falsche Angaben gemacht oder sonstige rechtswidrige Mittel eingesetzt hat, um die Anerkennung zu erhalten. (9) Die ESMA kann Entwürfe technischer Regulierungsstandards ausarbeiten, um die Form und den Inhalt des Antrags nach Absatz 5 und insbesondere die Darstellung der gemäß Absatz 6 erforderlichen Informationen festzulegen. Werden solche Entwürfe technischer Regulierungsstandards ausgearbeitet, legt die ESMA sie der Kommission vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die technischen Regulierungsstandards nach Unterabsatz 1 gemäß dem Verfahren der Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 33 Übernahme von in einem Drittstaat bereitgestellten Referenzwerten (1) Ein in der Union angesiedelter Administrator, der gemäß Artikel 34 zugelassen oder registriert ist, oder jedes sonstige in der Union angesiedelte beaufsichtigte Unternehmen mit einer eindeutigen und genau abgegrenzten Aufgabe in dem Kontroll- oder [Verantwortlichkeits-]Rahmen590 für die Rechenschaftslegung des in einem Drittstaat angesiedelten Administrators, durch den die genannte Person die Bereitstellung eines Referenzwerts wirkungsvoll überwachen kann, kann bei der jeweils zuständigen Behörde die Übernahme eines Referenzwerts oder einer Referenzwert-Familie, der bzw. die in einem Drittstaat zur Verwendung in der Union bereitgestellt wird, beantragen, sofern alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind: a) Der übernehmende Administrator oder das beaufsichtigte Unternehmen hat sich vergewissert und kann seiner zuständigen Behörde laufend nachweisen, dass die Bereitstellung des zu übernehmenden Referenzwerts oder der zu übernehmenden Referenzwert-Familie auf der Grundlage von Verpflichtungen oder der Freiwilligkeit Anforderungen entspricht, die mindestens so streng wie oder strenger als die Anforderungen dieser Verordnung sind; b) Der übernehmende Administrator oder das übernehmende beaufsichtigte Unternehmen verfügt über die notwendigen Fachkenntnisse, um die in einem Drittstaat durchgeführte Tätigkeit der Bereitstellung eines Referenzwerts wirkungsvoll zu überwachen und die damit verbundenen Risiken zu bewältigen;

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Die Weglassung des ersten Wortteils ist ein Redaktionsversehen in der deutschen Fas-

sung, in der englischen Fassung: ‚control or accountability framework‘.

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6. Teil. Marktregeln c) Es bestehen objektive Gründe dafür, den Referenzwert oder die Referenzwert-Familie in einem Drittstaat bereitzustellen und zwecks Verwendung des genannten Referenzwerts oder der genannten Referenzwert-Familie in der Union zu übernehmen. Wenn die zuständige Behörde für die Zwecke des Buchstaben a prüft, ob die Bereitstellung des zu übernehmenden Referenzwerts oder der zu übernehmenden Referenzwert-Familie Anforderungen entspricht, die mindestens so streng wie oder strenger als die Anforderungen nach dieser Verordnung sind, kann sie berücksichtigen, ob bei der Bereitstellung des Referenzwerts oder der Referenzwert-Familie die Einhaltung der IOSCO-Grundsätze für finanzielle Referenzwerte bzw. der IOSCO-Grundsätze für Ölpreismeldestellen der Einhaltung der Anforderungen nach dieser Verordnung gleichwertig wäre. (2) Der Administrator oder das beaufsichtigte Unternehmen, der bzw. das einen Antrag auf Übernahme nach Absatz 1 stellt, stellt alle notwendigen Informationen zur Verfügung, um der zuständigen Behörde nachzuweisen, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung alle Bedingungen dieses Absatzes erfüllt sind. (3) Binnen 90 Arbeitstagen nach Eingang des in Absatz 1 genannten Antrags auf Übernahme prüft die jeweils zuständige Behörde den Antrag und fasst einen Beschluss, entweder der Übernahme stattzugeben oder sie abzulehnen. Ein übernommener Referenzwert oder eine übernommene Referenzwert-Familie wird der ESMA von der zuständigen Behörde gemeldet. (4) Ein übernommener Referenzwert oder eine übernommene Referenzwert-Familie gilt als Referenzwert oder Referenzwert-Familie, die von dem übernehmenden Administrator oder dem übernehmenden beaufsichtigten Unternehmen bereitgestellt wird. Der übernehmende Administrator oder das übernehmende beaufsichtigte Unternehmen darf die Übernahme nicht in der Absicht heranziehen, die Anforderungen dieser Verordnung zu umgehen. (5) Der Administrator, der, oder das beaufsichtigte Unternehmen, das einen in einem Drittstaat bereitgestellten Referenzwert oder eine in einem Drittstaat bereitgestellte Referenzwert-Familie übernommen hat, bleibt in vollem Umfang für den Referenzwert oder die Referenzwert-Familie und die Einhaltung der Verpflichtungen aufgrund dieser Verordnung verantwortlich. (6) Wenn die zuständige Behörde des übernehmenden Administrators oder des übernehmenden beaufsichtigten Unternehmens Grund zu der Annahme hat, dass die Bedingungen des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels nicht mehr erfüllt sind, ist sie befugt, von dem übernehmenden Administrator oder dem übernehmenden beaufsichtigten Unternehmen die Einstellung der Übernahme zu verlangen, und informiert die ESMA darüber. Bei einer Einstellung der Übernahme findet Artikel 28 Anwendung. (7) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 49 delegierte Rechtsakte über Maßnahmen zur Festlegung der Bedingungen zu erlassen, unter denen die jeweils zuständigen Behörden prüfen können, ob ein objektiver Grund für die Bereitstellung eines Referenzwerts oder einer Referenzwert-Familie in einem Drittstaat und für deren Übernahme zur Verwendung in der Union gegeben sind. Die Kommission berücksichtigt dabei Elemente wie die Besonderheiten des zugrunde liegenden Marktes oder der zugrunde liegenden wirtschaftlichen Realität, den bzw. die der Referenzwert messen soll, die Notwendigkeit der räumlichen Nähe zu dem Markt oder der wirtschaftlichen Realität bei der Bereitstellung des Referenzwerts, die Notwendigkeit der räumlichen Nähe zu den Kontributoren bei der Bereitstellung des Referenzwerts, die konkrete Verfügbarkeit von Eingabedaten in Abhängigkeit von verschiedenen Zeitzonen und besondere Kompetenzen, die zur Bereitstellung des Referenzwerts erforderlich sind.

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1. Art. 29: Verwendung und Verwendungsschranken bei Referenzwerten von EU-Administratoren. Referenzwerte – von welchem Administrator auch immer hergestellt – können unter dem EU-Regime (jedenfalls in der EU) grundsätzlich frei verwendet werden (Art. 29 und auch Art. 30 ff. Benchmark-VO e contrario). Schranken formuliert allein Art. 29 Benchmark-VO, dies für zwei Fälle. 814 Für die Verwendung durch beaufsichtigte Unternehmen sieht Abs. 1 vor, dass nur solche Benchmarks verwendet werden dürfen, die Administratoren hergestellt haben, die in

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

der EU angesiedelt sind, oder Drittland-Administratoren mit Registrierung nach Art. 36 Benchmark-VO oder einzelne Benchmarks mit solcher Registrierung (nach vorheriger Gleichwertigkeitsprüfung, unten Rn 817).591 Während also bei der Herstellung hohe Anforderungen gestellt werden – für Administratoren, die in der EU angesiedelt sind, und für Drittlandadministratoren, die eine Verwendung auch durch beaufsichtigte Unternehmen in der EU anstreben (einschließlich Kontributoren) –, ist die Verwendung im Grundsatz frei und ungeregelt. De facto freilich ist durch die Einschränkung bei beaufsichtigten Unternehmen, insbesondere auch Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, doch der Hauptbereich der Verwendung von Benchmarks reguliert. Für beaufsichtigte Unternehmen ist jede Verwendung unter den genannten Vorbehalt gestellt (sog. „robust benchmarks“), auch die interne, da die Verwendung von Benchmarks, für die keine hinreichenden Vorkehrungen gegen Manipulation getroffen wurden, auch (vermeidbare) Risiken für dieses Unternehmen mit sich bringt (Abs. 1 auch als Mittel der Risikoprävention).592 Für die Verwendung von Benchmarks in Prospekten sieht Abs. 2 – weniger streng – ein 815 bloßes Informationsregime vor: Der Prospektverantwortliche bei Pflichtprospekten nach EU-Recht (dazu oben Rn 121) muss „klar und gut sichtbar“ aufdecken, ob es sich um einen nach Art. 36 Benchmark-VO registrierten Administrator/Referenzwert handelt oder nicht. Bei den Risikohinweisen im Prospekt muss dann auch deutlich gemacht werden, welchen Manipulationsgefahren deswegen möglicherweise nicht hinreichend begegnet wurde. Die Transparenzanforderung („klar und gut sichtbar“) ist auch dahingehend zu verstehen, dass der Anleger gleichsam zur Erklärung des Referenzwertes zu führen ist – oder aber deutlich zu machen ist, dass eine Referenzwert-Erklärung gerade fehlt. 2. Art. 30–32: Verwendung von Referenzwerten von Drittland-Administratoren nach 816 Registrierung bzw. Anerkennung. Referenzwerte, die Drittland-Administratoren herstellen, werden auf drei Wegen solchen, die Administratoren der EU-Mitgliedstaaten herstellen, gleichgestellt – namentlich wichtig für die Bereiche, in denen Verwendungsschranken bestehen (Art. 29 Abs. 1 und 2 Benchmark-VO für beaufsichtigte Unternehmen als Verwender und indirekt für die Verwendung in (Pflicht-)Prospekten nach EU-Recht, vorige Rn). Der erste Weg ist der der Anerkennung als gleichwertig mit Registrierung nach Art. 36 817 Benchmark-VO. Registriert wird ein Drittland-Administrator mit seinen Referenzwerten (ggf. auch nur einem Teil derselben, etwa wenn nicht alle für beaufsichtige Unternehmen zur Verfügung stehen sollen) – dies unter den Voraussetzungen der Art. 30, 31 Benchmark-VO. Die vier positiven Voraussetzungen, zusammengefasst unter dem Begriff der Gleichwertigkeit sind in Art. 30 Abs. 1 Benchmark-VO aufgelistet, besonders wichtig zwei, die auch prozedural „abgesichert“ erscheinen:593 die Anerkennung, dass das Drittlandaufsichtssystem so umfassend den IOSCO-Principles entspricht (und auch tatsächlich durchgesetzt wird!), dass die EU-Kommission für alle Administratoren und ihre Referenzwerte pauschal (Abs. 2) oder für bestimmte Administratoren oder bestimmte Referenz-

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Spindler ZBB 2016, 165 (174). Ebenso Spindler ZBB 2016, 165 (174). Den technischen Regulierungsstandard gem. Art. 30 Abs. 5 Benchmark-VO betreffend den Mindestinhalt der in Art. 30 Abs. 1 lit. d, Abs. 4 Benchmark-VO genannten Kooperationsvereinbarungen hat die ESMA am

1.7.2017 veröffentlicht, vgl. ESMA Final Report: Draft regulatory technical standards on cooperation arrangements with third countries under the Benchmarks Regulation, ESMA70–145–81 (Fn 535). Die Umsetzung durch die Kommission steht indes noch aus.

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werte (ausgewählt) (Abs. 3) die Gleichwertigkeit durch Rechtsakt feststellt (lit. a));594 und der Abschluss einer Kooperationsvereinbarung durch die ESMA mit dem Drittland (lit. d)), so dass die effiziente Durchführung der Aufsicht im Drittland gesichert – und auch nachprüfbar gesichert – erscheint. Dass dann der fragliche Administrator dieser Aufsicht auch unterliegen muss (lit. b)), ist naheliegend. Dass er auch der Verwendung seiner Referenzwerte durch beaufsichtigte Unternehmen in der EU schriftlich zustimmen muss (lit. c)), ergibt sich daraus, dass er damit auch die Belastung der aufsichtlichen Anforderungen übernehmen muss und der jeweilige Referenzwert möglichst dauerhaft zur Verfügung stehen soll (Problematik der Einstellung von Referenzwerten minimieren). Hinzu kommen Negativvoraussetzungen nach Art. 31 Benchmark-VO (Aberkennungsgründe) – entweder eine klar Nutzer- oder Marktinteressen beeinträchtigende Verhaltensweise (Abs. 1 lit. a)) oder aber eine gravierende Missachtung der heimischen einschlägigen Regeln (Abs. 1 lit. b)), beides jeweils dokumentiert. Der erste Fall bildet eine ordro-public-Ausnahme nach Maßstäben der EU, der zweite eine Bestätigung des mehreren Regeln zugrundeliegenden Prinzips, dass tatsächliche, nicht nur formale und scheinbare compliance mit dem gleichwertigen Drittlandsystem gefordert – und auch geprüft – wird (kein bloßes „law in the books“). Die Entziehung von Anerkennung als gleichwertig und Registrierung setzt ein formales Verfahren – mit vorrangiger Konsultation der Drittlandbehörde und deren Einschreiten – voraus (Abs. 2, 3). 818 Als zweiter Weg tritt eine Übergangslösung hinzu (Art. 32 Benchmark-VO). Solange keine Registrierung nach Art. 36 Benchmark-VO erfolgt ist – nach der Festlegung durch Rechtsakt durch die EU-Kommission (vorige Rn) –, ist eine Anerkennung eines einzelnen Referenzwertes nach Art. 32 Benchmark-VO möglich, d.h. die Zulassung zur Verwendung durch beaufsichtigte Unternehmen in der EU (so Abs. 1), und auch unter entsprechender Darstellung in (Pflicht-)Prospekten. Übergangsweise greift diese Regelung nur insofern ein, als dieses Verfahren nachrangig zu einer Registrierung nach Art. 36 Benchmark-VO ist – ansonsten bestehen keine zeitlichen Beschränkungen.595 Wieder ist Gleichwertigkeit anhand des Maßstabes der IOSCO-Principles zu überprüfen, ggf. mit gesondertem Prüfer. Das Verfahren – mit besonderer Bedeutung der Festlegung des (federführenden) Referenzmitgliedstaates – ist komplex.596

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3. Art. 33: Übernahme von Referenzwerten von Drittland-Administratoren durch EUAdministratoren. Den dritten Weg bildet die Übernahme eines von einem Drittland-Administrators hergestellten (einzelnen) Referenzwertes durch einen EU-Administrator oder ein beaufsichtigtes Unternehmen in der EU – mit voller Verantwortungsübernahme (vgl. bes. Abs. 1 lit. a) und b)). Trotz der Verantwortungsübernahme ist die Gleichwertigkeit – wieder unter Abstellen auf die IOSCO-Principles – positiv festzustellen.597 In diesem Fall

594

595 596

Eine Liste der diesbezüglichen Durchführungsakte und Drittländer fehlt noch, weil entsprechende Durchführungsbeschlüsse bisher noch nicht ergangen sind. Zur Anlegung des Maßstabes IOSCO-Principles hierbei vgl. auch 44. Erw.grund (robuste Aufsicht besonders herausgestellt). Hierzu 44. Erw.grund S. 6; Spindler ZBB 2016, 165 (175). Zur Heranziehung von IOSCO-Principles und Verfahren näher 45. Erw.grund. Zu den

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technischen Regulierungsstandards (Abs. 9) vgl. ESMA Final Report: Draft technical standards under the Benchmarks Regulation, ESMA70–145–48 (Fn 535), S. 70 ff., 145 ff. Die Übernahme dieser RTS durch die Kommission steht indes noch aus. Zu diesem Verfahren – wiederum um Kontinuität und Verfügbarkeit von ggf. global verwendeten Standards zu verbürgen – vgl. näher 46. Erw.grund; siehe auch Feldkamp RdF 2016, 180 (187).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

nun besteht ein Nachrang gegenüber den anderen beiden Wegen – es müssen „positive Gründe“ (Abs. 1 lit. c)) dargetan werden für die Einschlagung dieses Alternativweges.

VI. Zulassung, Registrierung und Beaufsichtigung von Administratoren (Art. 34–48) (Überblick)

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Titel VI Zulassung, Registrierung und Beaufsichtigung von Administratoren Kapitel 1 Zulassung und Registrierung Artikel 34 Zulassung und Registrierung eines Administrators (1) Eine in der Union angesiedelte natürliche oder juristische Person, die beabsichtigt, als Administrator tätig zu sein, beantragt bei der gemäß Artikel 40 benannten zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem diese Person angesiedelt ist, a) eine Zulassung, wenn sie Indizes bereitstellt oder bereitzustellen beabsichtigt, die als Referenzwerte im Sinne dieser Verordnung genutzt werden oder genutzt werden sollen; b) eine Registrierung, wenn es sich um ein beaufsichtigtes Unternehmen abgesehen von einem Administrator handelt, das Indizes bereitstellt oder bereitzustellen beabsichtigt, die im Sinne dieser Verordnung als Referenzwerte genutzt werden oder genutzt werden sollen, sofern die Tätigkeit der Bereitstellung eines Referenzwerts nicht durch die für das beaufsichtigte Unternehmen geltenden sektorspezifischen Vorschriften verhindert wird und keiner der bereitgestellten Indizes als kritischer Referenzwert im Sinne dieser Verordnung gelten würde; oder c) eine Registrierung, wenn sie nur Indizes bereitstellt oder bereitzustellen beabsichtigt, die als nicht signifikante Referenzwerte gelten würden. (2) Ein zugelassener oder registrierter Administrator erfüllt jederzeit die in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen und teilt der zuständigen Behörde jede diesbezügliche wesentliche Änderung mit. (3) Der Antrag nach Absatz 1 wird innerhalb von 30 Arbeitstagen nach einer Vereinbarung mit einem beaufsichtigten Unternehmen gestellt, einen vom Antragssteller bereitgestellten Index als Bezugsgrundlage für ein Finanzinstrument oder einen Finanzkontrakt oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds zu verwenden. (4) Der Antragsteller liefert alle notwendigen Informationen, um der zuständigen Behörde gegenüber nachzuweisen, dass er zum Zeitpunkt seiner Zulassung oder Registrierung alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, um die Anforderungen dieser Verordnung zu erfüllen. (5) Innerhalb von 15 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags bewertet die zuständige Behörde dessen Vollständigkeit und unterrichtet den Antragsteller entsprechend. Ist der Antrag unvollständig, legt der Antragsteller die von der jeweils zuständigen Behörde verlangten zusätzlichen Angaben vor. Die in diesem Absatz genannte Frist gilt ab dem Zeitpunkt, an dem der Antragsteller diese zusätzlichen Informationen vorlegt. (6) Die jeweils zuständige Behörde a) prüft den Zulassungsantrag und entscheidet innerhalb von vier Monaten nach Eingang eines vollständigen Antrags, ob sie die Zulassung des Antragsstellers gewährt oder verweigert; b) prüft den Registrierungsantrag und entscheidet innerhalb von 45 Arbeitstagen nach Eingang eines vollständigen Antrags, ob sie die Registrierung des Antragstellers gewährt oder verweigert. Die zuständige Behörde teilt dem betreffenden Antragsteller innerhalb von fünf Arbeitstagen nach der Annahme der in Unterabsatz 1 genannten Entscheidung diese mit. Verweigert die zuständige Behörde dem Antragsteller die Zulassung oder Registrierung, so begründet sie dies. (7) Die zuständige Behörde unterrichtet die ESMA über jede Entscheidung, einen antragstellenden Administrator zuzulassen oder zu registrieren, innerhalb von 5 Arbeitstagen ab dem Zeitpunkt des Erlasses der genannten Entscheidung.

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6. Teil. Marktregeln (8) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, um die Angaben näher zu bestimmen, die beim Antrag auf Zulassung und beim Antrag auf Registrierung vorzulegen sind, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Zulassung und Registrierung unterschiedliche Verfahren sind und die Zulassung eine gründlichere Bewertung des Antrags des Administrators erfordert, sowie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der Art der beaufsichtigten Unternehmen, die die Registrierung gemäß Absatz 1 Buchstabe b beantragen, und der Kosten für Antragsteller und zuständige Behörden. Die ESMA legt diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards der Kommission bis zum 1. April 2017 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß dem in Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 festgelegten Verfahren zu erlassen. Artikel 35 Entzug oder Aussetzung der Zulassung oder Registrierung (1) Die zuständige Behörde kann einem Administrator die Zulassung oder Registrierung entziehen oder diese aussetzen, wenn der Administrator a) ausdrücklich auf die Zulassung oder Registrierung verzichtet oder seit zwölf Monaten keinen Referenzwert bereitgestellt hat; b) aufgrund falscher Angaben oder auf sonstige rechtswidrige Weise die Zulassung oder Registrierung erhalten oder einen Referenzwert übernommen hat; c) die Voraussetzungen, unter denen er zugelassen oder registriert wurde, nicht mehr erfüllt oder d) in gravierender Weise oder wiederholt gegen die Bestimmungen dieser Verordnung verstoßen hat. (2) Die zuständige Behörde teilt der ESMA ihre Entscheidung innerhalb von 5 Arbeitstagen ab dem Zeitpunkt des Erlasses der genannten Entscheidung mit. Die ESMA aktualisiert umgehend das in Artikel 36 genannte Register. (3) Nach dem Erlass einer Entscheidung, die Zulassung oder Registrierung eines Administrators auszusetzen, sowie in den Fällen, in denen die Einstellung des Referenzwerts zu einem Ereignis höherer Gewalt, zur Umgehung oder einem anderweitigen Verstoß gegen die Bestimmungen eines Finanzkontrakts oder eines Finanzinstruments oder die Regeln eines Investmentfonds führen würde, bei dem der betreffende Referenzwert, wie in dem gemäß Artikel 51 Absatz 6 erlassenen delegierten Rechtsakt angegeben, als Bezugsgrundlage dient, kann die Bereitstellung des Referenzwerts von der jeweils zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Administrator angesiedelt ist, solange gestattet werden, bis die Entscheidung über die Aussetzung zurückgezogen wird. Während dieses Zeitraums ist die Verwendung dieses Referenzwerts durch beaufsichtigte Unternehmen nur für Finanzkontrakte, Finanzinstrumente und Investmentfonds zulässig, bei denen der Referenzwert bereits als Bezugsgrundlage dient. (4) Nach dem Erlass einer Entscheidung, die Zulassung oder Registrierung eines Administrators zurückzuziehen, findet Artikel 28 Absatz 2 Anwendung. Artikel 36 Register der Administratoren und Referenzwerte (1) Die ESMA erstellt und führt ein öffentliches Register mit den folgenden Angaben: a) die Identität der gemäß Artikel 34 zugelassenen oder registrierten Administratoren sowie die für deren Aufsicht jeweils zuständigen Behörden; b) die Identität der Administratoren, die die in Artikel 30 Absatz 1 genannten Voraussetzungen erfüllen, die in Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe c genannte Liste der Referenzwerte sowie die für deren Aufsicht jeweils zuständigen Behörden eines Drittstaats; c) die Identität der Administratoren, die gemäß Artikel 32 die Anerkennung erlangt haben, die in Artikel 32 Absatz 7 genannte Liste der Referenzwerte sowie gegebenenfalls die für deren Aufsicht jeweils zuständigen Behörden eines Drittstaats; d) die Referenzwerte, die gemäß dem in Artikel 33 festgelegten Verfahren übernommen werden, und die Identität ihrer Administratoren sowie die Identität der übernehmenden Administratoren oder der übernehmenden beaufsichtigten Unternehmen.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks (2) Das in Absatz 1 genannte Register ist auf der Website der ESMA frei zugänglich und wird gegebenenfalls umgehend aktualisiert. Kapitel 2 Zusammenarbeit bei der Aufsicht Artikel 37 Übertragung von Aufgaben zwischen zuständigen Behörden (1) Gemäß Artikel 28 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 kann eine zuständige Behörde ihre Aufgaben im Rahmen dieser Verordnung auf die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats mit deren vorheriger Zustimmung übertragen. Die zuständigen Behörden teilen der ESMA jede beabsichtigte Übertragung 60 Tage vor deren Wirksamwerden mit. (2) Eine zuständige Behörde kann einige ihrer Aufgaben im Rahmen dieser Verordnung auf die ESMA übertragen, wenn diese ihre Zustimmung gegeben hat. (3) Die ESMA unterrichtet die Mitgliedstaaten innerhalb von sieben Tagen über jede geplante Übertragung. Innerhalb von fünf Arbeitstagen nach einer solchen Unterrichtung veröffentlicht die ESMA die Einzelheiten jeder vereinbarten Übertragung. Artikel 38 Offenlegung von Angaben aus einem anderen Mitgliedstaat Die zuständige Behörde darf Angaben, die sie von einer anderen zuständigen Behörde erhalten hat, nur offenlegen, wenn a) sie hierfür das schriftliche Einverständnis dieser zuständigen Behörde erhalten hat und die Angaben nur für die durch diese Einverständniserklärung abgedeckten Zwecke offengelegt werden, oder b) eine solche Offenlegung für Gerichtsverfahren erforderlich ist. Artikel 39 Zusammenarbeit bei Prüfungen und Untersuchungen vor Ort (1) Eine zuständige Behörde kann eine andere zuständige Behörde in Bezug auf Prüfungen oder Untersuchungen vor Ort um Amtshilfe ersuchen. Die zuständige Behörde, bei der ein solches Ersuchen eingeht, kooperiert, soweit dies möglich und sachgerecht ist. (2) Eine zuständige Behörde, die ein Amtshilfeersuchen nach Absatz 1 stellt, teilt dies der ESMA mit. Bei einer Untersuchung oder Prüfung mit grenzübergreifender Wirkung können die zuständigen Behörden die ESMA um Koordinierung der Prüfung oder Untersuchung vor Ort ersuchen. (3) Wird eine zuständige Behörde von einer anderen zuständigen Behörde um eine Prüfung oder Untersuchung vor Ort ersucht, so kann sie a) die Prüfung oder Untersuchung vor Ort selbst durchführen; b) der ersuchenden zuständigen Behörde gestatten, sich an der Überprüfung oder Untersuchung vor Ort zu beteiligen; c) Prüfer oder Sachverständige mit der Unterstützung oder Durchführung der Prüfung oder Untersuchung vor Ort beauftragen. Kapitel 3 Aufgaben der zuständigen Behörden Artikel 40 Zuständige Behörden (1) Jeder Mitgliedstaat benennt die für Administratoren und beaufsichtigte Unternehmen jeweils zuständige Behörde, die für die Erfüllung der Pflichten nach dieser Verordnung verantwortlich ist, und teilt diese der Kommission und der ESMA mit. (2) Benennt ein Mitgliedstaat mehr als eine zuständige Behörde, so legt er die jeweiligen Aufgaben klar fest und benennt eine einzige Behörde, die für die Koordinierung der Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit der Kommission, der ESMA und den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten verantwortlich ist. (3) Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website ein Verzeichnis der gemäß Absatz 1 und 2 benannten zuständigen Behörden.

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6. Teil. Marktregeln Artikel 41 Befugnisse der zuständigen Behörden (1) Um die Pflichten, die ihnen aus dieser Verordnung erwachsen, erfüllen zu können, verfügen die zuständigen Behörden gemäß nationalem Recht zumindest über die folgenden Aufsichtsund Untersuchungsbefugnisse: a) Sie können Unterlagen und Daten gleich welcher Form einsehen und hiervon Kopien erhalten oder anfertigen. b) Sie können von jeder Person, die an der Bereitstellung eines Referenzwerts beteiligt ist und dazu beiträgt, einschließlich der Dienstleister, an die Aufgaben, Dienstleistungen oder Tätigkeiten gemäß Artikel 10 ausgelagert wurden, sowie von deren Auftraggebern Auskünfte verlangen oder anfordern und erforderlichenfalls zum Erhalt von Informationen eine solche Person vorladen und befragen. c) Sie können in Bezug auf Rohstoff-Referenzwerte von Kontributoren gegebenenfalls in standardisierten Formaten Informationen über verbundene Spotmärkte und Transaktionsmeldungen anfordern und direkt auf die Systeme der Händler zugreifen; d) Sie können an anderen Orten als den privaten Wohnräumen natürlicher Personen Prüfungen oder Untersuchungen vor Ort vornehmen. e) Sie können sich unbeschadet der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 Zugang zu den Räumlichkeiten juristischer Personen verschaffen, um Unterlagen und sonstige Daten gleich welcher Form zu beschlagnahmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass Unterlagen und andere Daten vorhanden sind, die mit dem Prüfungs- oder Ermittlungsgegenstand in Zusammenhang stehen und Beweismittel für einen Verstoß gegen diese Verordnung sein können. Ist nach einzelstaatlichem Recht eine vorherige Genehmigung der Justizbehörde des betreffenden Mitgliedstaats notwendig, wird von dieser Befugnis erst bei Vorliegen dieser vorherigen Genehmigung Gebrauch gemacht; f) Sie können bereits existierende Aufzeichnungen von Telefongesprächen, elektronischer Kommunikation oder andere Datenverkehrsaufzeichnungen, die sich im Besitz beaufsichtigter Unternehmen befinden, anfordern. g) Sie können das Einfrieren oder die Beschlagnahme von Vermögenswerten oder beides verlangen. h) Sie können die vorübergehende Einstellung von Praktiken verlangen, die ihres Erachtens gegen diese Verordnung verstoßen. i) Sie können ein vorübergehendes Berufsverbot verhängen. j) Sie können alle notwendigen Maßnahmen treffen, damit die Öffentlichkeit korrekt über die Bereitstellung eines Referenzwerts unterrichtet wird, und zu diesem Zweck unter anderem von dem jeweiligen Administrator oder einer Person, die den Referenzwert veröffentlicht oder verbreitet hat, oder von beiden die Veröffentlichung einer korrigierten Erklärung zu vergangenen Beiträgen zu dem Referenzwert oder den Referenzwert-Werten verlangen. (2) Die zuständigen Behörden nehmen ihre in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Aufgaben und Befugnisse sowie die Befugnisse, gemäß ihren nationalen Rechtsrahmen die in Artikel 42 genannten Sanktionen zu verhängen, auf eine der folgenden Arten wahr: a) direkt; b) in Zusammenarbeit mit anderen Behörden oder mit Marktteilnehmern; c) indem sie als verantwortliche Behörde Aufgaben an solche Behörden oder Marktteilnehmer delegieren; d) indem sie bei den zuständigen Justizbehörden einen Antrag stellen. Für die Ausübung dieser Befugnisse verfügen die zuständigen Behörden über angemessene und wirksame Schutzvorkehrungen in Bezug auf das Verteidigungsrecht und die Grundrechte. (3) Die Mitgliedstaaten stellen durch geeignete Maßnahmen sicher, dass die zuständigen Behörden über alle zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben notwendigen Aufsichts- und Untersuchungsbefugnisse verfügen. (4) Wenn ein Administrator oder ein anderes beaufsichtigtes Unternehmen der zuständigen Behörde gemäß Absatz 1 Informationen meldet, gilt das nicht als Verstoß gegen jedwede durch vertragliche Bestimmungen oder durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelte Einschränkung der Offenlegung von Informationen.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks Artikel 42 Verwaltungssanktionen und andere Verwaltungsmaßnahmen (1) Unbeschadet der Aufsichtsbefugnisse der zuständigen Behörden gemäß Artikel 41 und der Befugnis der Mitgliedstaaten, strafrechtliche Sanktionen vorzusehen und zu verhängen, statten die Mitgliedstaaten die zuständigen Behörden nach ihrem nationalen Recht mit der Befugnis aus, angemessene Verwaltungssanktionen und andere Verwaltungsmaßnahmen zumindest für die folgenden Verstöße zu verhängen: a) wenn gegen die Artikel 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29 und 34 verstoßen wird, soweit jeweils anwendbar und b) wenn bei einer Untersuchung oder Prüfung nicht zusammengearbeitet oder einem unter Artikel 41 fallenden Ersuchen nicht nachgekommen wird. Solche Verwaltungssanktionen und Verwaltungsmaßnahmen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. (2) Bei einem der in Absatz 1 genannten Verstöße übertragen die Mitgliedstaaten den zuständigen Behörden im Einklang mit ihrem nationalen Recht die Befugnis, zumindest die folgenden Verwaltungssanktionen und andere Verwaltungsmaßnahmen zu verhängen: a) eine Anordnung, wonach der für den Verstoß verantwortliche Administrator oder das für den Verstoß verantwortliche beaufsichtigte Unternehmen die Verhaltensweise einzustellen und von einer Wiederholung abzusehen hat; b) den Einzug der infolge des Verstoßes erzielten Gewinne oder der vermiedenen Verluste, soweit sich diese beziffern lassen; c) ein öffentliche Warnung betreffend den für den Verstoß verantwortlichen Administrator oder das verantwortliche beaufsichtige Unternehmen und die Art des Verstoßes; d) den Entzug oder die Aussetzung der Zulassung oder der Registrierung eines Administrators; e) ein vorübergehendes Verbot der Wahrnehmung von Führungsaufgaben bei einem Administrator oder beaufsichtigten Kontributor für jede natürliche Person, die für solch einen Verstoß verantwortlich gemacht wird; f) Verhängung maximaler verwaltungsrechtlicher finanzieller Sanktionen, die mindestens bis zur dreifachen Höhe der durch den Verstoß erzielten Gewinne oder vermiedenen Verluste gehen können, sofern sich diese beziffern lassen; g) bei einer natürlichen Person maximale verwaltungsrechtliche finanzielle Sanktionen von mindestens: i) bei Verstößen gegen Artikel 4, Artikel 5, Artikel 6, Artikel 7, Artikel 8, Artikel 9, Artikel 10, Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe a, b, c und e, Artikel 11 Absatz 2 und 3 und Artikel 12, Artikel 13, Artikel 14, Artikel 15,598 Artikel 16, Artikel 21, Artikel 23, Artikel 24, Artikel 25, Artikel 26, Artikel 27, Artikel 28, Artikel 29 und Artikel 34 500 000 EUR bzw. in den Mitgliedstaaten, deren amtliche Währung nicht der Euro ist, Sanktionen in entsprechender Höhe in der Landeswährung am 30. Juni 2016, oder ii) bei Verstößen gegen Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe d oder Artikel 11 Absatz 4 100 000 EUR bzw. in den Mitgliedstaaten, deren amtliche Währung nicht der Euro ist, Sanktionen in entsprechender Höhe in der Landeswährung am 30. Juni 2016; h) bei einer juristischen Person maximale verwaltungsrechtliche finanzielle Sanktionen von mindestens: i) bei Verstößen gegen Artikel 4, Artikel 5, Artikel 6, Artikel 7, Artikel 8, Artikel 9, Artikel 10, Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe a, b, c und e, Artikel 11 Absatz 2 und 3, Artikel 12, Artikel 13, Artikel 14, Artikel 15, Artikel 16, Artikel 21, Artikel 23, Artikel 24, Artikel 25, Artikel 26, Artikel 27, Artikel 28, Artikel 29 und Artikel 34 1 000 000 EUR bzw. in Mitgliedstaaten, deren amtliche Währung nicht der Euro ist, Sanktionen in entsprechender Höhe in der Landeswährung am 30. Juni 2016 oder 10 % des im letzten verfügbaren, vom Leitungsorgangenehmigten Abschluss ausgewiesenen jährlichen Gesamtumsatzes, je nachdem, welcher Wert höher ist, oder

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Im Original aufgrund eines Redaktionsversehens „Absatz“.

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6. Teil. Marktregeln ii) bei Verstößen gegen Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe d oder Artikel 11 Absatz 4 250 000 EUR bzw. in Mitgliedstaaten, deren amtliche Währung nicht der Euro ist, Sanktionen in entsprechender Höhe in der Landeswährung am 30. Juni 2016 oder – falls höher – 2 % des im letzten verfügbaren, vom Leitungsorgan genehmigten Abschluss ausgewiesenen jährlichen Gesamtumsatzes, je nachdem, welcher Wert höher ist; Für die Zwecke des Buchstaben h Ziffern i und ii ist – wenn die juristische Person ein Mutterunternehmen oder ein Tochterunternehmen eines Mutterunternehmens ist, das gemäß der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates599 einen konsolidierten Abschluss erstellen muss – der maßgebliche jährliche Gesamtumsatz der im letzten verfügbaren, vom Leitungsorgan des Mutterunternehmens an der Spitze genehmigten konsolidierten Abschluss ausgewiesene jährliche Gesamtumsatz oder die in der Richtlinie 86/635/EWG des Rates600 für Banken oder in der Richtlinie 91/674/EWG des Rates601 für Versicherungsunternehmen genannte Art von Einkünften oder – wenn es sich um eine sonstige Vereinigung handelt – 10 % des aggregierten Umsatzes der Anteilseigner. (3) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission und der ESMA ihre die Absätze 1 und 2 betreffenden Vorschriften bis zum 1. Januar 2018 mit. Die Mitgliedstaaten können entscheiden, in Bezug auf die in Absatz 1 genannten Verstöße, die nach ihrem nationalen Recht strafrechtlich verfolgt werden, keine wie in Absatz 1 vorgesehenen Vorschriften über Verwaltungssanktionen festzulegen. In diesem Fall teilen die Mitgliedstaaten der Kommission und der ESMA zusammen mit der in Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes genannten Benachrichtigung die einschlägigen strafrechtlichen Bestimmungen mit. Sie setzen die Kommission und die ESMA unverzüglich über jede nachfolgende Änderung dieser Bestimmungen in Kenntnis. (4) Die Mitgliedstaaten können nach nationalem Recht die zuständigen Behörden mit zusätzlichen, über die Aufstellung in Absatz 1 hinausgehenden Sanktionsbefugnissen ausstatten und können schwerere Sanktionen als in Absatz 2 festlegen. Artikel 43 Wahrnehmung der Aufsichtsbefugnisse und Verhängung von Sanktionen (1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die zuständigen Behörden bei der Bestimmung von Art und Schwere der Verwaltungssanktionen und anderen Verwaltungsmaßnahmen allen maßgeblichen Umständen Rechnung tragen, wozu – soweit relevant – Folgende zählen: a) die Schwere und Dauer des Verstoßes; b) die Gefährlichkeit des Referenzwerts für die finanzielle Stabilität und die Realwirtschaft; c) der Grad an Verantwortung der verantwortlichen Person; d) die Finanzkraft der verantwortlichen Person, wie sie insbesondere aus dem Gesamtjahresumsatz der verantwortlichen juristischen Person oder den Jahreseinkünften der verantwortlichen natürlichen Person hervorgeht; e) die Höhe der von der verantwortlichen Person erzielten Gewinne oder verhinderten Verluste, sofern diese sich beziffern lassen; f) der Umfang der Zusammenarbeit der verantwortlichen Person mit der zuständigen Behörde, unbeschadet des Erfordernisses, die von dieser Person erzielten Gewinne oder verhinderten Verluste einzuziehen;

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Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 19).

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Richtlinie 86/635/EWG des Rates vom 8. Dezember 1986 über den Jahresabschluss und den Konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten (ABl. L L 372 vom 31.12.1986, S. 1). Richtlinie 91/674/EWG des Rates vom 19. Dezember 1991 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen (ABl. L 374 vom 31.12.1991, S. 7).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks g) frühere Verstöße der betreffenden Person; h) die Maßnahmen, die nach dem Verstoß von einer verantwortlichen Person getroffen wurden, um eine Wiederholung des Verstoßes zu vermeiden. (2) Um sicherzustellen, dass die Aufsichts- und Ermittlungsbefugnisse und die Verwaltungssanktionen und andere Verwaltungsmaßnahmen zu den mit dieser Verordnung beabsichtigten Ergebnissen führen, arbeiten die zuständigen Behörden bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse zur Verhängung von Verwaltungssanktionen und zum Erlass anderer Verwaltungsmaßnahmen nach Artikel 42 eng zusammen. Auch koordinieren sie ihre Maßnahmen, um doppelte Sanktionierung und Überschneidungen in Fällen zu vermeiden, in denen sie ihre Aufsichts- und Untersuchungsbefugnisse grenzüberschreitend wahrnehmen und in diesem Rahmen Verwaltungssanktionen, einschließlich Geldbußen, verhängen und andere Verwaltungsmaßnahmen erlassen. Artikel 44 Pflicht zur Zusammenarbeit (1) Mitgliedstaaten, die im Einklang mit Artikel 42 strafrechtliche Sanktionen für Verstöße im Sinne dieses Artikels festgelegt haben, stellen durch angemessene Vorkehrungen sicher, dass die zuständigen Behörden alle notwendigen Befugnisse haben, um mit den Justizbehörden in ihrem Hoheitsgebiet in Kontakt zu treten und spezifische Informationen in Bezug auf strafrechtliche Ermittlungen oder Verfahren zu erhalten, die aufgrund mutmaßlicher Verstöße gegen diese Verordnung eingeleitet wurden. Diese zuständigen Behörden stellen anderen zuständigen Behörden und der ESMA diese Informationen zur Erfüllung ihrer Verpflichtung für die Zwecke dieser Verordnung untereinander sowie mit der ESMA zusammenzuarbeiten, zur Verfügung. (2) Die zuständigen Behörden leisten den zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten Amtshilfe. Sie tauschen insbesondere Informationen aus und arbeiten bei Ermittlungen oder der Überwachung zusammen. Die zuständigen Behörden können auch mit den zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um die Einziehung von Geldbußen zu erleichtern. Artikel 45 Veröffentlichungen von Entscheidungen (1) Vorbehaltlich des Absatzes 2 veröffentlicht die zuständige Behörde jede Entscheidung über die Verhängung einer verwaltungsrechtlichen Sanktion oder anderen verwaltungsrechtlichen Maßnahme in Bezug auf Verstöße gegen diese Verordnung auf ihrer offiziellen Website unverzüglich, nachdem die von der Entscheidung betroffene Person darüber informiert wurde. Dabei werden mindestens Art und Charakter des Verstoßes und die Identität der Personen, an die die Entscheidung gerichtet wurde, bekanntgemacht. Unterabsatz 1 gilt nicht für Entscheidungen, mit denen Maßnahmen mit Ermittlungscharakter verhängt werden. (2) Ist jedoch eine zuständige Behörde der Ansicht, dass die Bekanntmachung der Identität einer juristischen Personen oder der personenbezogenen Daten einer natürlichen Personen einer einzelfallbezogenen Bewertung der Verhältnismäßigkeit dieser Daten zufolge unverhältnismäßig wäre, oder würde die Bekanntmachung die Stabilität der Finanzmärkte oder laufende Ermittlungen gefährden, so handelt die zuständige Behörde wie folgt: a) Sie schiebt die Veröffentlichung so lange auf, bis die Gründe für das Aufschieben wegfallen; b) sie veröffentlicht die Entscheidung im Einklang mit nationalem Recht in anonymisierter Fassung, wenn diese anonyme Fassung einen wirksamen Schutz der betreffenden personenbezogenen Daten gewährleistet; c) sie veröffentlicht die Entscheidung nicht, wenn die zuständige Behörde der Auffassung ist, dass eine Veröffentlichung gemäß den Buchstaben a oder b nicht ausreichend ist, um sicherzustellen, dass i) die Stabilität der Finanzmärkte nicht gefährdet würde oder ii) die Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung derartiger Entscheidungen in Bezug auf unerhebliche Maßnahmen gewahrt bliebe. Trifft die zuständige Behörde die Entscheidung, die Entscheidung in anonymer Fassung gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe b zu veröffentlichen, so kann sie die Veröffentlichung der relevanten Daten um einen angemessenen Zeitraum aufschieben, wenn vorhersehbar ist, dass die Gründe für die anonyme Veröffentlichung innerhalb dieses Zeitraums entfallen werden.

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6. Teil. Marktregeln (3) Werden gegen die Entscheidung bei der nationalen Justiz-, Verwaltungs- oder sonstigen Behörde Rechtsbehelfe eingelegt, so macht die zuständige Behörde auch diesen Sachverhalt und alle weiteren Informationen über das Ergebnis des Rechtsbehelfsverfahrens unverzüglich auf ihrer offiziellen Websitebekannt. Jede Entscheidung zur Aufhebung einer früheren Entscheidung zur Verhängung einer Sanktion oder Maßnahme wird ebenfalls bekannt gemacht. (4) Die zuständige Behörde stellt sicher, dass jede veröffentlichte Entscheidung im Einklang mit diesem Artikel vom Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung an während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren auf ihrer Website zugänglich bleibt. Enthält die Veröffentlichung personenbezogene Daten, so bleiben diese nur so lange auf der Website der zuständigen Behörde einsehbar, wie dies nach den geltenden Datenschutzbestimmungen erforderlich ist. (5) Die Mitgliedstaaten übermitteln der ESMA jährlich eine Zusammenfassung von Informationen über alle gemäß Absatz 42 verhängten Verwaltungssanktionen und andere Verwaltungsmaßnahmen. Diese Verpflichtung gilt nicht für Maßnahmen mit Ermittlungscharakter. Die ESMA veröffentlicht diese Informationen in einem Jahresbericht. Haben sich die Mitgliedstaaten dafür entschieden, im Einklang mit Artikel 42 strafrechtliche Sanktionen für Verstöße gegen Bestimmungen des genannten Artikels festzulegen, übermitteln ihre zuständigen Behörden der ESMA jedes Jahr anonymisierte und aggregierte Daten über alle durchgeführten strafrechtlichen Ermittlungen und verhängten strafrechtlichen Sanktionen. Die ESMA veröffentlicht die Daten zu den verhängten strafrechtlichen Sanktionen in einem Jahresbericht. Artikel 46 Kollegien (1) Innerhalb von 30 Arbeitstagen nach Aufnahme eines Referenzwerts gemäß Artikel 20 Absatz 1 Buchstaben a und c in die Liste kritischer Referenzwerte – mit Ausnahme von Referenzwerten, bei denen die Mehrheit der Kontributoren nichtbeaufsichtigte Unternehmen sind, – richtet die zuständige Behörde ein Kollegium ein. (2) Das Kollegium umfasst die für den Administrator zuständige Behörde, die ESMA und die für die beaufsichtigten Kontributoren zuständigen Behörden. (3) Auch zuständige Behörden anderer Mitgliedstaaten haben ein Anrecht auf Mitgliedschaft in dem Kollegium, wenn für den Fall, dass der betreffende kritische Referenzwert nicht mehr bereitgestellt würde, dies die Marktintegrität, Finanzstabilität, oder die Finanzierung der Haushalte und Unternehmen in diesen Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigen würde. Will eine zuständige Behörde Mitglied eines Kollegiums werden, legt sie der für den Administrator zuständigen Behörde einen entsprechenden Antrag vor und weist darin nach, dass die Anforderungen des Unterabsatzes 1 dieses Absatzes erfüllt sind. Die für den Administrator zuständige Behörde prüft den Antrag und teilt der antragstellenden Behörde innerhalb von 20 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags mit, ob sie diese Anforderungen als erfüllt betrachtet. Hält sie diese Anforderungen für nicht erfüllt, kann die antragstellende Behörde gemäß Absatz 9 die ESMA mit der Angelegenheit befassen. (4) Die ESMA trägt gemäß Artikel 21 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zur Förderung und Überwachung eines effizienten, wirksamen und kohärenten Funktionierens der in diesem Artikel genannten Kollegien bei. Hierzu beteiligt sie sich in angemessenem Umfang an den Arbeiten und wird zu diesem Zweck als zuständige Behörde betrachtet. Wenn die ESMA in Bezug auf einen kritischen Referenzwert gemäß Artikel 17 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 tätig wird, sorgt sie für einen angemessenen Informationsaustausch und eine angemessene Zusammenarbeit mit den übrigen Mitgliedern des Kollegiums. (5) Die für einen Administrator zuständige Behörde führt bei den Sitzungen des Kollegiums den Vorsitz, koordiniert dessen Arbeiten und stellt einen effizienten Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern des Kollegiums sicher. Stellt ein Administrator mehr als einen kritischen Referenzwert bereit, kann die für ihn zuständige Behörde für alle von ihm bereitgestellten Referenzwerte ein einziges Kollegium einrichten.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks (6) Die für einen Administrator zuständige Behörde legt im Rahmen des Kollegiums schriftliche Vereinbarungen zu folgenden Punkten fest: a) den zwischen den zuständigen Behörden auszutauschenden Informationen; b) dem Entscheidungsprozess zwischen den zuständigen Behörden und dem Zeitrahmen, in dem jede einzelne Entscheidung zu treffen ist; c) den Fällen, in denen die zuständigen Behörden einander konsultieren müssen; d) der Zusammenarbeit, die gemäß Artikel 23 Absätze 7 und 8 zu erfolgen hat. (7) Die für einen Administrator zuständige Behörde trägt jeder Empfehlung, die die ESMA zu den schriftlichen Vereinbarungen gemäß Absatz 6 abgibt, vor Vereinbarung des endgültigen Textes gebührend Rechnung. Die schriftlichen Vereinbarungen werden in einem Dokument zusammengefasst, in dem jede wesentliche Abweichung von der Empfehlung der ESMA umfassend begründet wird. Die für den Administrator zuständige Behörde leitet die schriftlichen Vereinbarungen an die Mitglieder des Kollegiums und die ESMA weiter. (8) Bevor die für den Administrator zuständige Behörde eine der in Artikel 23 Absätze 6, 7 und 9 sowie in den Artikeln 34, 35 und 42 genannten Maßnahmen ergreift, konsultiert sie die Mitglieder des Kollegiums. Die Mitglieder des Kollegiums unternehmen alles ihnen nach vernünftigem Ermessen Mögliche, um innerhalb des in den schriftlichen Vereinbarungen gemäß Absatz 6 des vorliegenden Artikels festgelegten Zeitrahmens zu einer Einigung zu gelangen. Jede Entscheidung der für den Administrator zuständigen Behörde zur Ergreifung derartiger Maßnahmen trägt den Auswirkungen auf die anderen betroffenen Mitgliedstaaten, insbesondere den möglichen Auswirkungen auf die Stabilität ihrer Finanzsysteme Rechnung. In Bezug auf die Entscheidung, gemäß Artikel 35 einem Administrator die Zulassung oder Registrierung zu entziehen, wenn die Einstellung der Bereitstellung eines Referenzwerts zu einem Ereignis höherer Gewalt, zur Umgehung oder einem anderweitigen Verstoß gegen die Bestimmungen eines Finanzkontrakts oder eines Finanzinstruments oder der Regeln eines Investmentfonds führen würde, bei dem dieser Referenzwert in der Union als Bezugsgrundlage in der von der Kommission durch einen delegierten Rechtsakt gemäß Artikel 51 Absatz 6 festgelegten Bedeutung dient, prüfen die zuständigen Behörden innerhalb des Kollegiums, ob Maßnahmen zu ergreifen sind, um die in diesem Absatz genannten Auswirkungen zu mildern, u.a.: a) Änderung des in Artikel 15 genannten Verhaltenskodex, der Methodik oder anderer Regeln des Referenzwerts; b) ein Übergangszeitraum, während dem die Verfahren gemäß Artikel 28 Absatz 2 gelten. (9) Können sich die Mitglieder eines Kollegiums nicht einigen, können die zuständigen Behörden die ESMA anrufen, wenn a) eine zuständige Behörde wesentliche Informationen nicht übermittelt hat; b) die für den Administrator zuständige Behörde der antragstellenden Behörde nach einem gemäß Absatz 3 gestellten Antrag mitgeteilt hat, dass die dort festgelegten Anforderungen nicht erfüllt sind, oder nicht in einer vertretbaren Zeitspanne auf einen solchen Antrag reagiert hat; c) die zuständigen Behörden keine Einigung auf die in Absatz 6 genannten Punkte erzielen können; d) es eine Meinungsverschiedenheit in Bezug auf die gemäß den Artikeln 34, 35 und 42 zu treffenden Maßnahme gibt; e) es eine Meinungsverschiedenheit in Bezug auf die gemäß Artikel 23 Absatz 6 zu treffenden Maßnahme gibt; f) es eine Meinungsverschiedenheit in Bezug auf die Absatz 8 Unterabsatz 3 dieses Artikels zu treffenden Maßnahme gibt. (10) Kann die Angelegenheit in den in Absatz 9 Buchstaben a, b, c, d und f genannten Fällen nicht innerhalb von 30 Tagen nach Befassung der ESMA beigelegt werden, trifft die zuständige Behörde des Administrators die endgültige Entscheidung und begründet sie gegenüber den zuständigen Behörden nach jenes Absatzes und der ESMA ausführlich schriftlich. Die in Artikel 34 Absatz 6 Buchstabe a genannte Frist wird ab der Befassung der ESMA so lange ausgesetzt, bis eine Entscheidung gemäß Unterabsatz 1 dieses Absatzes getroffen wird.

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6. Teil. Marktregeln Ist die ESMA der Auffassung, dass die zuständige Behörde des Administrators eine Maßnahme gemäß Absatz 8 des vorliegenden Artikels ergriffen hat, die möglicherweise nicht dem Unionsrecht entspricht, wird sie im Einklang mit Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 tätig. (11) In den in Absatz 9 Buchstabe e des vorliegenden Artikels genannten Fällen und unbeschadet des Artikels 258 AEUV kann die ESMA im Rahmen der ihr durch Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 übertragenen Befugnisse tätig werden. Die Befugnis der zuständigen Behörde des Administrators gemäß Artikel 23 Absatz 6 kann bis zu dem Zeitpunkt ausgeübt werden, an dem die ESMA ihre Entscheidung veröffentlicht. Artikel 47 Zusammenarbeit mit der ESMA (1) Die zuständigen Behörden arbeiten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 für die Zwecke dieser Verordnung mit der ESMA zusammen. (2) Die zuständigen Behörden stellen der ESMA gemäß Artikel 35 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 unverzüglich alle für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen zur Verfügung. (3) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Durchführungsstandards aus, in denen Verfahren und Form des in Absatz 2 genannten Informationsaustauschs festgelegt werden. Die ESMA legt der Kommission bis zum 1. April 2017 die in Unterabsatz 1 genannten Entwürfe technischer Durchführungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 48 Berufsgeheimnis (1) Vertrauliche Informationen, die gemäß dieser Verordnung empfangen, ausgetauscht oder übermittelt werden, unterliegen den in Absatz 2 festgelegten Bestimmungen zum Berufsgeheimnis. (2) Zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet sind alle Personen, die bei der zuständigen Behörde oder bei einer Behörde, einem Marktteilnehmer oder einer natürlichen oder juristischen Person beschäftigt sind oder waren, an die bzw. den die zuständige Behörde ihre Befugnisse delegiert hat, einschließlich der von der zuständigen Behörde unter Vertrag genommenen Prüfer und Sachverständigen. (3) Die unter das Berufsgeheimnis fallenden Informationen dürfen nicht an andere Personen oder Behörden weitergegeben werden, es sei denn, dies geschieht aufgrund Unionsrecht oder nationalem Recht. (4) Alle im Rahmen dieser Verordnung zwischen den zuständigen Behörden ausgetauschten Informationen, die Geschäfts- oder Betriebsbedingungen und andere wirtschaftliche oder persönliche Angelegenheiten betreffen, sind als vertraulich zu betrachten und unterliegen dem Berufsgeheimnis, es sein denn, ihre Weitergabe wird von den zuständigen Behörden zum Zeitpunkt der Übermittlung für zulässig erklärt oder ist für Gerichtsverfahren erforderlich.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks

1. Art. 34–36: Zulassungs- und Registrierungsverfahren. Administratoren bedürfen ei- 821 ner Zulassung (Art. 34 Abs. 1 lit. a) Benchmark-VO), bieten sie nur nicht signifikante Referenzwerte an, nur der Registrierung (lit. c)), bereits zugelassene beaufsichtige Unternehmen in jedem Falle nur einer Registrierung (lit. b)), die freilich in diesem Fall nicht für kritische Referenzwerte erfolgen kann.602 Zulassung und Registrierung sind jedoch weitgehend parallel geregelt: Beide verpflichten zur umfassenden Achtung der Verordnungsvorgaben (Art. 34 Abs. 2 Benchmark-VO). Beide lösen den (für Art. 29 ff. Benchmark-VO und die Verwendungsregeln) zentralen Status einer Registrierung nach Art. 36 Benchmark-VO aus (vgl. schon oben Rn 814, 817). Die Zulassung bringt nur zusätzliche, vor allem organisatorische Anforderungen zum Tragen (näher unten 7. Teil Rn 123–129), die beaufsichtigte Unternehmen schon nach ihrem Aufsichtsrecht vergleichbar zu erfüllen haben und deren Erfüllung bei Bereitstellung allein von nicht signifikanten Referenzwerten unverhältnismäßig erschiene. Das Verfahren regelt Art. 34 Abs. 3–8 Benchmark-VO (mit technischen Regulierungsstandards) näher.603 Nach Art. 35 Benchmark-VO kann die Zulassung/Registrierung entzogen oder ausgesetzt werden, wenn die Voraussetzungen fehlten (bei Falschangabe), entfallen sind oder über ein Jahr keine Referenzwerte mehr angeboten werden bzw. gravierend gegen die VO verstoßen wird. Freilich können in Fällen der bloßen Aussetzung, aber auch wenn der Wegfall dem Verwender eine Umgehung der Verordnung ermöglichen würde, im Interesse der Nutzer Referenzwerte, auf die schon Bezug genommen ist, fortgeführt werden (Abs. 3). Alternativ – und wenn Manipulationen der Aussetzungs- oder Entzugsgrund sind, wohl auch besser – ist auf die Alternativpläne der beaufsichtigen Unternehmen zurückzugreifen (oben Rn 811).604 Über alle zugelassenen bzw. registrierten Unternehmen/Administratoren führt die ESMA das bereits mehrfach erwähnte – frei zugängliche Register nach Art. 36 Benchmark-VO.605 2. Art. 37–48: Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden, Befugnisse, Sanktionen und 822 Berufsgeheimnis. Die primäre Zuständigkeit bleibt im Bereich der Benchmark-VO bei den nationalen Behörden. Die nach Art. 40 Benchmark zu benennende zuständige Behörde ist in Deutschland die BaFin (§ 4 Abs. 4c WpHG [bis 2.1.2018, ab 3.1.2018: § 10 Abs. 2 WpHG]).606 Umfangreich und intensiv geregelt ist jedoch die von der ESMA koordinierte Zusammenarbeit (Art. 27–29 Benchmark-VO).

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Zu Zulassungs- und Registrierungsverfahren und -voraussetzungen näher 47. bis 48. Erw.grund (die Zentralität dieser Anforderungen betonend angesichts des vielfach bestehenden Ermessensspielraums, mit Manipulationsrisiko); allgemein ferner Feldkamp RdF 2016, 180 (184); Spindler ZBB 2016, 165 (175); Veil/Wundenberg EuKapMR § 31 Rn 32 f. Der technische Regulierungsstandard gem. Art. 34 Abs. 8 Benchmark-VO liegt seit dem 30.3.2017 vor, siehe ESMA Final Report: Draft technical standards under the Benchmarks Regulation, ESMA70–145–48 (Fn 535), S. 59 ff. und 131 ff. Die Übernahme dieser RTS durch die Kommission steht indes noch aus.

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Zu den verschiedenen Möglichkeiten vgl. auch Spindler ZBB 2016, 165 (175) (kritisch, teils ratlos). Bisher nicht veröffentlicht, aber auf Website der ESMA angekündigt (ohne Datum), siehe https://www.esma.europa.eu/policy-rules/ benchmarks; sub ‚Regulatory Implementation‘; vgl. auch 48. Erw.grund. Liste der nationalen Aufsichtsbehörden bisher nicht veröffentlicht, aber auf Website der ESMA angekündigt (ohne Datum), siehe https://www.esma.europa.eu/policy-rules/ benchmarks; sub ‚Regulatory Implementation‘.

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6. Teil. Marktregeln

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Unter den Befugnissen (Mindeststandards, Art. 42 Abs. 4 Benchmark-VO, 50. Erw.grund) stechen hervor: ein Durchsuchungsrecht (unter Richtervorbehalt nach nationalem Recht, Art. 41 Abs. 1 lit. e) Benchmark-VO),607 ein Zugriffsrecht auf vorhandene Telefonaufzeichnungen – jedoch kein eigenständiges Abhörrecht nach EU-Recht (Art. 41 Abs. 1 lit. f) Benchmark-VO)608 – beides zentral angesichts der Aufdeckungsgeschichte des LIBOR-Skandals, die nicht aufgrund statistischer Methoden, sondern nur aufgrund solcher direkter Erkenntnisse gelang (oben Rn 768). Die Sanktionen609 bilden: die ordnungswidrigkeitsrechtlichen (Art. 42, 43 Benchmark-VO, in der Benchmark-VO mit Mindestvorgaben auch bei den anzusetzenden Geldbußen, vgl. auch unten 8. Teil Rn 308 f.) – alternativ strafrechtlichen von gleichem Gewicht –; außerdem die Gewinnabschöpfung (einschließlich vermiedener Verluste, Art. 42 Abs. 2 lit. b) Benchmark-VO), die öffentliche Warnung (Art. 42 Abs. 2 lit. c) Benchmark-VO), vor allem aber das naming and shaming (Art. 45 Benchmark-VO). Geheimnisweitergabe, die von der Benchmark-VO gefordert ist, kann nicht als Vertragsverletzung oder Delikt qualifiziert werden (Art. 41 Abs. 4 Benchmark-VO) – die ermittelten Informationen bilden für die Aufsichtsbehörden sämtlich Berufsgeheimnisse (Art. 48 Benchmark-VO).

VII. Delegierte Rechtsakte und Schlussbestimmungen (Art. 49–59) (Überblick)

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Titel VII Delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte Artikel 49 Ausübung der Befugnisübertragung (1) Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen. (2) Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 3 Absatz 2, Artikel 20 Absatz 6, Artikel 24 Absatz 2, Artikel 33 Absatz 7, Artikel 51 Absatz 6 und Artikel 54 Absatz 3 wird der Kommission auf unbestimmte Zeit ab dem 30. Juni 2016 übertragen. (3) Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 3 Absatz 2, Artikel 20 Absatz 6, Artikel 24 Absatz 2, Artikel 33 Absatz 7, Artikel 51 Absatz 6 und Artikel 54 Absatz 3 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit delegierter Rechtsakte, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt. (4) Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission in Einklang mit den Grundsätzen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016610 niedergelegt wurden, die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen.

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Hierzu näher 51. und 53/54. Erw.grund (auch Grundrechtsachtung); Spindler ZBB 2016, 165 (175). Hierzu näher 52. und 53/54. Erw.grund (auch Grundrechtsachtung); Spindler ZBB 2016, 165 (175). Zum Kreis und System der Sanktionen etwa 56. bis 61. Erw.grund; Veil/Wundenberg Eu-

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KapMR § 31 Rn 34 ff.; Spindler ZBB 2016, 165 (176); zum weitgehend parallelen Befugnis- und Sanktionenkreis in Parallelverordnungen etwa oben Rn 644–647, 741–744 und unten 7. Teil Rn 198. ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1–14.

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks (5) Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat. (6) Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 3 Absatz 2, Artikel 20 Absatz 6, Artikel 24 Absatz 2, Artikel 33 Absatz 7, Artikel 51 Absatz 6 und Artikel 54 Absatz 3 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um drei Monate verlängert. Artikel 50 Ausschussverfahren (1) Die Kommission wird vom Europäischen Wertpapierausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 unter Beachtung von deren Artikel 8.

Titel VIII Übergangs- und Schlussbestimmungen Artikel 51 Übergangsbestimmungen (1) Ein Index-Anbieter, der am 30. Juni 2016 einen Referenzwert bereitstellt, beantragt bis zum 1. Januar 2020 eine Zulassung oder Registrierung gemäß Artikel 34. (2) Ab dem 1. Januar 2020 ist die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem der IndexAnbieter angesiedelt ist, der gemäß Artikel 34 eine Zulassung beantragt, befugt, zu entscheiden, den Index-Anbieter unter den folgenden Bedingungen als Administrator zu registrieren, selbst wenn es sich nicht um ein beaufsichtigtes Unternehmen handelt: a) Der Index-Anbieter stellt keinen kritischen Referenzwert bereit. b) Der zuständigen Behörde ist in ausreichendem Umfang bewusst, dass der von dem Index-Anbieter bereitgestellte Index bzw. die dem Index-Anbieter bereitgestellten Indizes im Sinne dieser Verordnung weder in dem Mitgliedstaat, in dem der Index-Anbieter angesiedelt ist, noch in anderen Mitgliedstaaten weithin verwendet wird bzw. werden. Die zuständige Behörde teilt der ESMA ihre gemäß Unterabsatz 1 getroffene Entscheidung mit. Die zuständige Behörde bewahrt Nachweise für die Gründe für ihre gemäß Unterabsatz 1 getroffene Entscheidung in einer Form auf, die es ermöglicht, die von der zuständigen Behörde vorgenommene Bewertung, dass der Index oder die Indizes, die von dem Index- Anbieter bereitgestellt werden, nicht weithin verwendet wird bzw. werden, einschließlich etwaiger Marktdaten, Beurteilungen oder sonstiger Informationen, einschließlich jener Informationen, die der registrierte Index-Anbieter erhalten hat, vollständig nachzuvollziehen. (3) Ein Index-Anbieter kann einen bestehenden Referenzwert, der von beaufsichtigten Unternehmen verwendet werden kann, bis zum 1. Januar 2020 bereitstellen oder wenn der Index-Anbieter einen Antrag auf Zulassung oder Registrierung gemäß Absatz 1 stellt, es sei denn, der Antrag wird abgelehnt, in diesem Fall darf er ihn nur bis zur Entscheidung über die Ablehnung seines Antrags bereitstellen. (4) Wenn ein bestehender Referenzwert nicht den Anforderungen dieser Verordnung entspricht, eine Einstellung der Bereitstellung oder eine Änderung des Referenzwerts mit dem Ziel der Anpassung an die Anforderungen dieser Verordnung jedoch zu einem Ereignis höherer Gewalt, zur Umgehung oder einem anderweitigen Verstoß gegen die Bestimmungen eines Finanzkontrakts oder eines Finanzinstruments oder die Regeln eines Investmentfonds mit Bezug auf diesen Referenzwert führen würde, wird die Verwendung des Referenzwerts von der zuständigen Behörde desjenigen Mitgliedstaats gestattet, in dem der Index- Anbieter angesiedelt ist. Nach dem 1. Januar 2020 können Finanzinstrumente; Finanzkontrakte oder Messungen der Wertentwicklung von Investmentfonds nicht auf einen solchen bestehenden Referenzwert Bezug nehmen.

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6. Teil. Marktregeln (5) Hat die Kommission keinen Beschluss über die Gleichwertigkeit gemäß Artikel 30 Absatz 2 oder 3 gefasst, oder ist Administrator nicht gemäß Artikel 32 anerkannt worden, oder ist ein Referenzwert nicht gemäß Artikel 33 übernommen worden, ist die Verwendung eines Referenzwerts, der von einem Administrator bereitgestellt wurde, der in einem Drittstaat angesiedelt ist und bereits in der Union als Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente und Finanzkontrakte oder zur Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds verwendet wird, durch beaufsichtigte Unternehmen in der Union nur im Fall derjenigen Finanzinstrumente, Finanzkontrakte und Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds gestattet, die am 1. Januar 2020 bereits auf diesen Referenzwert in der Union Bezug nehmen oder die vor dem 1. Januar 2020 Bezug auf einen solchen Referenzwert nehmen. (6) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 49 delegierte Rechtsakte zu erlassen über Maßnahmen zur Festlegung der Bedingungen, anhand deren die jeweilige zuständige Behörde bewerten kann, ob die Einstellung oder Änderung eines bestehenden Referenzwerts mit dem Ziel der Anpassung an die Anforderungen dieser Verordnung nach vernünftigem Ermessen zu einem Ereignis höherer Gewalt, zur Umgehung oder einem anderweitigen Verstoß gegen die Bestimmungen eines Finanzkontrakts oder eines Finanzinstruments oder die Regeln eines Investmentfonds, bei dem dieser Referenzwert als Bezugsgrundlage dient, führen könnte. Artikel 52 Frist für die Aktualisierung der Prospekte und der wichtigsten Informationsunterlagen Artikel 29 Absatz 2 berührt nicht ausstehende Prospekte, die gemäß der Richtlinie 2003/71/ EG vor dem 1. Januar 2018 genehmigt wurden. Im Fall der vor dem 1. Januar 2018 gemäß der Richtlinie 2009/65/EG genehmigten Prospekte werden die zugrunde liegenden Dokumente bei erster Gelegenheit oder spätestens zwölf Monate nach jenem Zeitpunkt aktualisiert. Artikel 53 Überprüfung durch die ESMA (1) Die ESMA ist bemüht, eine gemeinsame europäische Aufsichtskultur und eine kohärente Aufsichtspraxis zu schaffen und bei den zuständigen Behörden für kohärente Ansätze hinsichtlich der Anwendung der Artikel 32 und 33 zu sorgen. Zu diesem Zweck werden die gemäß Artikel 32 erteilten Anerkennungen und die gemäß Artikel 33 genehmigten Übernahmen alle zwei Jahre durch die ESMA überprüft. Die ESMA übermittelt jeder zuständigen Behörde, die einen Administrator aus einem Drittstaat anerkannt oder einen Referenzwert aus einem Drittstaat übernommen hat eine Stellungnahme, in der sie bewertet, wie die zuständige Behörde die anwendbaren Anforderungen der Artikel 32 bzw. 33 sowie der Anforderungen der einschlägigen delegierten Rechtsakte und der technischen Regulierungs- oder technischen Durchführungsstandards, die sich auf diese Verordnung stützen, anwendet. (2) Die ESMA ist befugt, in Bezug auf jede Entscheidung, die gemäß Artikel 51 Absatz 2 Unterabsatz 1, Artikel 24 Absatz 1 und Artikel 25 Absatz 2 getroffen wurde, die dokumentierten Nachweise einer zuständigen Behörde zu verlangen. Artikel 54 Überprüfung (1) Die Kommission überprüft diese Verordnung bis zum 1. Januar 2020 und legt dem Europäischen Parlament und dem Rat einen entsprechenden Bericht vor, insbesondere über: a) die Funktionsweise und Wirksamkeit der Regelung über kritische Referenzwerte, Pflichtverwaltung und Pflichtbeiträge gemäß den Artikeln 20, 21 und 23 sowie die Definition des kritischen Referenzwerts gemäß Artikel 3 Absatz 1 Ziffer 25, b) die Wirksamkeit der Regelung über die Zulassung, Registrierung und Beaufsichtigung von Administratoren nach Titel VI und der Kollegien gemäß Artikel 46 sowie die Zweckmäßigkeit der Beaufsichtigung bestimmter Referenzwerte durch eine Einrichtung der Union, c) die Anwendung und Wirksamkeit von Artikel 19 Absatz 2, insbesondere dessen Geltungsbereich. (2) Die Kommission überprüft die Entwicklung der auf Referenzwerte anwendbaren internationalen Grundsätze sowie der Rechtsrahmen und der Aufsichtspraxis in Drittländern in Bezug auf die Bereitstellung von Referenzwerten und erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat ab dem 1. Januar 2018 alle fünf Jahre Bericht. In dem Bericht wird insbesondere bewertet, ob

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks es erforderlich ist, diese Verordnung zu ändern und es wird ihm gegebenenfalls ein Legislativvorschlag beifügt es. (3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 49 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um den Zeitraum von 42 Monaten gemäß Artikel 51 Absatz 2 um 24 Monate zu verlängern, wenn in dem Bericht gemäß Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels nachgewiesen wird, dass sich die Übergangsregelung für die Registrierung gemäß Artikel 51 Absatz 2 nicht nachteilig auf eine gemeinsame europäische Aufsichtskultur und auf kohärente Aufsichtspraxis und Ansätze bei den zuständigen Behörden auswirkt. Artikel 55 Meldung der als Bezugsgrundlage dienenden Referenzwerte und ihrer Administratoren Wenn ein Referenzwert in einem unter Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 fallenden Finanzinstrument als Bezugsgrundlage dient, umfassen die Meldungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 der genannten Verordnung auch den Namen des als Bezugsgrundlage dienenden Referenzwerts und seines Administrators. Artikel 56 Änderungen der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 Die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 wird wie folgt geändert: 1. Artikel 19 wird wie folgt geändert: a) Nach Absatz 1 wird folgender Absatz eingefügt: „(1a) Die in Absatz 1 genannte Meldepflicht gilt nicht für Geschäfte mit Finanzinstrumenten in Verbindung mit in jenem Absatz genannten Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten, wenn zum Zeitpunkt des Geschäfts eine der folgenden Voraussetzung vorliegt: a) Das Finanzinstrument ist ein Anteil oder eine Aktie an einem Organismus für gemeinsame Anlagen, bei dem die Risikoposition gegenüber den Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten 20 % der von dem Organismus für gemeinsame Anlagen gehaltenen Vermögenswerte nicht übersteigt. b) Das Finanzinstrument stellt eine Risikoposition gegenüber einem Portfolio von Vermögenswerten dar, bei dem die Risikoposition gegenüber den Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten 20 % der Vermögenswerte des Portfolios nicht übersteigt; c) Das Finanzinstrument ist ein Anteil oder eine Aktie an einem Organismus für gemeinsame Anlagen oder stellt eine Risikoposition gegenüber einem Portfolio von Vermögenswerten dar und die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, oder eine zu ihr in enger Beziehung stehende Person kennt und konnte die Anlagezusammensetzung oder die Risikoposition eines solchen Organismus für gemeinsame Anlagen bzw. eines solchen Portfolios von Vermögenswerten gegenüber den Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten nicht kennen, und darüber hinaus für diese Person kein Grund zu der Annahme besteht, dass die Anteile oder Schuldtitel des Emittenten die in Buchstabe a oder Buchstabe b genannten Schwellenwerte überschreiten. Sind Informationen über die Anlagezusammensetzung des Organismus für gemeinsame Anlagen oder die Risikoposition gegenüber dem Portfolio von Vermögenswerten verfügbar, unternimmt die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, oder eine zu ihr in enger Beziehung stehende Person alle zumutbaren Anstrengungen, um diese Informationen zu erhalten.„ b) In Absatz 7 wird folgender Unterabsatz nach Unterabsatz 2 eingefügt: „Für die Zwecke von Buchstabe b brauchen Geschäfte, die in Anteilen oder Schuldtiteln eines Emittenten bzw. Derivaten oder anderen damit verbundenen Finanzinstrumenten von Führungskräften eines Organismus für gemeinsame Anlagen ausgeführt wurden, bei denen die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, oder eine zu ihr in enger Beziehung stehende Person investiert hat, nicht gemeldet zu werden, wenn die Führungskraft des Organismus für gemeinsame Anlagen bei ihren Transaktionen über vollen Ermessensspielraum verfügt, was ausschließt, dass die Führungskraft von Anlegern in diesem Organismus für gemeinsame Anlagen irgendwelche direkten oder indirekten Anweisungen oder Empfehlungen bezüglich der Zusammensetzung des Portfolios erhält.“ 2. Artikel 35 wird wie folgt geändert: a) In den Absätzen 2 und 3 werden die Worte „und Artikel 19 Absätze 13 und 14“ durch die Worte „Artikel 19 Absätze 13 und 14 und Artikel 38“ ersetzt. b) Absatz 5 wird durch Folgendes ersetzt:

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6. Teil. Marktregeln „(5) Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 6 Absätze 5 oder 6, Artikel 12 Absatz 5, Artikel 17 Absatz 2 Unterabsatz 3, Artikel 17 Absatz 3, Artikel 19 Absätze 13 oder 14 oder Artikel 38 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn das Europäische Parlament und der Rat binnen drei Monaten nach seiner Übermittlung keine Einwände gegen ihn erheben oder wenn sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat der Kommission vor Ablauf dieser Frist mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Dieser Zeitraum wird auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates um drei Monate verlängert.“ 3. In Artikel 38 werden die folgenden Absätze eingefügt: „Bis zum 3. Juli 2019 legt die Kommission nach Anhörung der ESMA dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über das in Artikel 19 Absatz 1a Buchstaben a und b festgelegte Niveau der Schwellenwerte betreffend die von Führungskräften durchgeführten Geschäfte vor, bei denen die Anteile oder Schuldtitel des Emittenten Teil eines Organismus für gemeinsame Anlagen sind oder eine Risikoposition gegenüber einem Portfolio von Vermögenswerten darstellen, um zu bewerten, ob dieses Niveau angemessen ist oder angepasst werden sollte. Die Kommission wird ermächtigt, die Anpassung der Schwellenwerte nach Artikel 19 Absatz 1a Buchstaben a und b mittels eines delegierten Rechtsakts gemäß Artikel 35 vorzunehmen, wenn die Kommission in diesem Bericht zu dem Schluss kommt, dass diese Schwellenwerte angepasst werden sollten.„ Artikel 57 Änderungen der Richtlinie 2008/48/EG Die Richtlinie 2008/48/EG wird wie folgt geändert: 1. In Artikel 5 Absatz 1 wird folgender Unterabsatz nach Unterabsatz 2 eingefügt: „Wird in dem Kreditvertrag auf einen Referenzwert im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Nummer 3 der Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlament und des Rates611 Bezug genommen, teilt der Kreditgeber oder gegebenenfalls der Kreditvermittler dem Verbraucher in einem eigenen Dokument, das dem Formular „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ beigefügt werden kann, den Namen des Referenzwerts und seines Administrators sowie dessen mögliche Auswirkungen auf den Verbraucher mit. 2. In Artikel 27 Absatz 1 wird nach dem zweiten Unterabsatz folgender Unterabsatz eingefügt: „Bis zum 1. Juli 2018 beschließen und veröffentlichen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorschriften zur Erfüllung von Artikel 5 Absatz 1 Unterabsatz 3 und teilen sie der Kommission mit. Sie wenden diese Vorschriften ab dem … [24 Monate nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung] an.“ Artikel 58 Änderungen der Richtlinie 2014/17/EU Die Richtlinie 2014/17/EU wird wie folgt geändert: 1. In Artikel 13 Absatz 1 Unterabsatz 2 wird folgender Buchstabe eingefügt: „ea) falls Verträge verfügbar sind, in denen auf einen Referenzwert im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Nummer 3 der Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlament und des Rates612 Bezug genommen wird, die Namen der Referenzwerte und ihrer Administratoren sowie die möglichen Auswirkungen auf den Verbraucher;

611

Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (ABl. L 171 vom 29.6.2016, S. 1).

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612

Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (ABl. L 171 vom 29.6.2016, S. 1).

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4. Abschnitt: Marktverhaltensregeln zu Leerverkäufen und Benchmarks 2. In Artikel 42 Absatz 2 wird nach Unterabsatz 1 folgender Unterabsatz eingefügt: „Bis zum 1. Juli 2018 beschließen und veröffentlichen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorschriften zur Erfüllung von Artikel 13 Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe ea und teilen sie der Kommission mit. Sie wenden diese Vorschriften ab dem 1. Juli 2018 an.“ 3. In Artikel 43 Absatz 1 wird folgender Unterabsatz eingefügt: „Artikel 13 Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe ea findet keine Anwendung auf vor dem 1. Juli 2018 bereits bestehende Kreditverträge.“ Artikel 59 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 1. Januar 2018. Ungeachtet von Absatz 2 des vorliegenden Artikels gelten die Artikel 3 Absatz 2, Artikel 5 Absatz 5, Artikel 11 Absatz 5, Artikel 13 Absatz 3, Artikel 15 Absatz 6, Artikel 16 Absatz 5, Artikel 20 (mit Ausnahme von Absatz 6 Buchstabe b), Artikel 21 und 23, Artikel 25 Absatz 8, Artikel 25 Absatz 9, Artikel 26 Absatz 5, Artikel 27 Absatz 3, Artikel 30 Absatz 5, Artikel 32 Absatz 9, Artikel 33 Absatz 7, Artikel 34 Absatz 8, Artikel 46, Artikel 47 Absatz 3 und Artikel 51 Absatz 6 ab dem 30. Juni 2016. Ungeachtet des Absatzes 2 dieses Artikels gilt Artikel 56 ab dem 3. Juli 2016. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Geschehen zu Straßburg am 8. Juni 2016.

1. Artikel 49–50: Delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte. Die delegierten 825 Rechtsakte sind und waren nach dem Verfahren zu erlassen, das in der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 niedergelegt ist und insbesondere die Konsultation der ESMA regelt (Art. 50, sog. Komitologie-Verordnung).613 Dabei wird zwischen Ersterlass und dauerhafter Delegation unterschieden. Für beide gilt – in Art. 49 Abs. 5 und 6 festgelegt – die Pflicht, den Rechtsakt dem Europäischen Parlament und dem Rat zu übermitteln, worauf beide (getrennt) innerhalb von drei Monaten ihr Widerspruchsrecht ausüben können, wobei bereits ein Widerspruch das Inkrafttreten hindert (Widerspruchsfrist einmal verlängerbar um drei Monate). Dieses Regime gilt gleichermaßen für alle Delegationen, die die EU-Benchmark-VO vorsieht (Art. 3 Abs. 2, Art. 20 Abs. 6, Art. 24 Abs. 2, Art. 33 Abs. 7, Art. 51 Abs. 6, Art. 54 Abs. 3).614 Zwischen Ersterlass und späteren Änderungen wird dann durch eine unterschiedliche Delegationsregelung unterschieden. Der Ersterlass wird zwar – anders als etwa in der Leerverkaufs-VO – nicht sehr zeitnah vorgeschrieben, sondern ist „auf

613

Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl.EU 2011 55/13; näher zu dieser Verordnung etwa Daiber EU-Durchführungsrechtsetzung nach Inkrafttreten der neuen Komitologie-Verordnung, EuR 2012, 240; BankR-Hdb/Kolassa § 135 Rn 54 f.; Siegel Europäisierung des Öffentlichen Rechts: Rahmenbedingungen und Schnitt-

614

stellen zwischen dem Europarecht und dem nationalen (Verwaltungs-)Recht, 2012, Rn 204–209. Dies gilt für Änderungen ebenso wie für den Ersterlass: Die in Art. 49 Abs. 5, 6 Benchmark-VO festgelegte „Widerspruchslösung“ ist primärrechtlich verankert in Art. 290 Abs. 2 Satz 1 lit. b AEUV. Da jede Änderung ihrerseits nur rechtsförmig, d.h. durch neuen Durchführungsrechtsakt, erfolgen kann, müssen für sie dieselben Voraussetzungen für rechtmäßigen Erlass gelten.

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6. Teil. Marktregeln

unbestimmte Zeit“ seit dem 30.6.2016 möglich (Art. 49 Abs. 2 Benchmark-VO). Wartet der Durchführungsgesetzgeber zu lange, vor allem jedoch für spätere Änderungen, die zeitlich unbeschränkt möglich bleiben (Art. 49 Abs. 2 und 3), wird eine Widerrufsoption für die Delegation eröffnet. Die Gesetzgebungsorgane sollten mit der Widerrufsregelung in Art. 49 Abs. 3 in den Stand gesetzt werden, auch ohne Änderung der EU-Benchmark-VO Teile der verfeinernden Regulierung wieder an sich zu ziehen, wenn die Entwicklungen und Erkenntnisse dies angezeigt erscheinen ließen. Als Durchführungsrechtsakte erlassen wurde bisher die Durchführungsverordnung (EU) 2016/1368 (zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung (EU) 2017/1147), welche eine Liste der kritischen Referenzwerte gemäß Artikel 20 Absatz 1 der Benchmark-VO enthält. Weitere Rechtsakte befinden sich in Planung. Von der Kommission bereits als Entwurf ausgearbeitet sind aktuell vier delegierte Verordnungen, die auf den Ermächtigungen in Art. 3 Abs. 2, Art. 20 Abs. 6 lit. a und c sowie Art. 51 Abs. 6 Benchmark-VO beruhen. Schließlich hat die ESMA – beruhend auf den Ermächtigungen in Art. 5 Abs. 5, Art. 11 Abs. 5, Art. 13 Abs. 3, Art. 15 Abs. 6, Art. 16 Abs. 5, Art. 25 Abs. 8, Art. 26 Abs. 5, Art. 25 Abs. 9, Art. 27 Abs. 3, Art. 30 Abs. 5, Art. 32 Abs. 9, Art. 34 Abs. 8, Art. 47 Abs. 3 Benchmark-VO – zum 30.3.2017 bzw. 1.6.2017 verschiedene weitere technische Regulierungsstandards vorgelegt, die noch der Annahme durch die Kommission bedürfen (Einzelnachweise zu allen diesen Rechtsakten oben Rn 777).

826

2. Artikel 51–59: Übergangs- und Schlussbestimmungen. Die – am 8.6.2016 verabschiedete – EU-Benchmark-VO „gilt“ – abgesehen von Änderungen (Art. 56–58) der EUMarktmissbrauchs-VO, der EG-Verbraucherkredit- und der EU-Grundpfandrechte-Richtlinie, die jeweils im Kontext dieser Rechtsakte berücksichtigt werden – mit ihren materiellen Bestimmungen ab/seit dem 1. Januar 2018 (Art. 59 Abs. 2), während die institutionellen Regeln, vor allem Ermächtigungen zum Erlass von Ausführungsgesetzgebung, bereits mit Verabschiedung und Veröffentlichung im Amtsblatt (29.6.2012) in Kraft traten und ab Juni 2016 Anwendung finden (vgl. Art. 59 Abs. 1, 3 und 4, vor allem Art. 49 Abs. 2 Benchmark-VO, vorige Rn). Zunächst entfaltete die VO materiellrechtliche Wirkung nur für die kritischen Referenzwerte – diejenigen mit der breitesten Wirkung auf Marktvertrauen und -stabilität (vgl. Art. 21 und 23 i.V.m. Art. 59 Abs. 3 EU-Benchmark-VO). Mit dem 1. Januar 2018 läuft/lief auch die letzte Übergangsfrist ab (vgl. Art. 59 Abs. 2 EU-Benchmark-VO) und die Übergangsbestimmungen entfalten keine Wirkung mehr (außer für Altfälle, näher Art. 59 VO). Die wichtigsten Übergangsfristen gelten nun noch für Administratoren für die Antragsstellung auf Zulassung und Registrierung (Bestandsschutz bis 2020, bei weniger wichtigen Werten darüber hinaus, bei kritischen Referenzwerten potentiell kürzer, Art. 51 Benchmark-VO)615 sowie (als Bestandsschutz) für die Prospektersteller als Nutzer (ab 1.1.2018 für bis dahin ausgegebene Prospekte, Art. 52 Benchmark-VO). Auch ist wieder ein Bericht der EU-Kommission zur Auswirkung der Regulierung (bes. kritische Referenzwerte und Zulassungspflicht) an das Europäische Parlament und den Rat nach Art. 53, 54 EU-Leerverkaufs-VO vorgesehen (bis 2020).

615

Vgl. näher zu diesem Regime Feldkamp RdF 2016, 180 (187).

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5. Abschnitt: Emittentenkapitalmarktrecht

5. Abschnitt: Emittentenbezogenes und sonstiges Kapitalmarktrecht jenseits des Investment Banking (Überblick) Übersicht Rn A. Gesamtüberblick über die wichtigsten Einzelstücke . . . . . . . . . . . . . . . B. Periodische Folgepublizität (Zwischenund Finanzberichte, §§ 114–118 WpHG n.F., ex-§§ 37v-37z) . . . . . . 1. Regelungsumfeld und -ziel . . . . . 2. Gesamtarchitektur . . . . . . . . . . 3. Zentrale Einzelfragen . . . . . . . . C. Beteiligungstransparenz (§§ 33–47 WpHG n.F., ex-§§ 21–30) . . . . . . . 1. Regelungsumfeld und -ziel . . . . .

. . 827

. . . .

. . . .

830 830 834 837

. . 846 . . 846

2. Gesamtarchitektur . . . . . . . . . 3. Zentrale Einzelfragen . . . . . . . a) Meldepflicht von Anteilsberechtigten – Grundtatbestand und -inhalt . . . . . . b) Zurechnung und Nichtberücksichtigung von Anteilsrechten . c) Weitere Meldepflichten. . . . . d) Verstoßfolgen . . . . . . . . . e) Veröffentlichungspflichten des Emittenten und Verstoßfolgen

Rn . . . 850 . . . 853

. . . 854 . . . 856 . . . 860 . . . 863 . . . 865

A. Gesamtüberblick über die wichtigsten Einzelstücke Investment Banking (Teile 5–8 dieses Kommentars) und Kapitalmarktrecht bilden zwei 827 sich erheblich überlappende Kreise und Schnittmengen. Erhebliche Bereiche liegen auf beiden Seiten jedoch außerhalb. Auf Seiten des Investment Banking etwa die gesamte privatautonome Gestaltung und – wenn man dem WpHG, wie der BGH, keine Wirkung als privatrechtlicher Pflichtenstandard zumisst – auch große Teile des vertragsrechtlich fixierten Pflichtenkanons. Auf Seiten des Kapitalmarktrechts vor allem die Anforderungen, die primär nur die Emittenten oder andere Marktakteure betreffen und von ihnen zu beachten sind. Diese Teile haben also weder Pflichten der Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister dem Markt gegenüber zum Gegenstand (oder nur sporadisch und peripher) (6. Teil), noch betreffen sie ihre Organisation bzw. die Organisation der Märkte selbst (7. Teil), noch regeln sie ihre Pflichten dem einzelnen Kunden gegenüber (Wertpapierhandel ieS, mit Beratungsvertrag; 8. Teil). Dieser Teil des Kapitalmarktrechts, der nicht zugleich dem Investment Banking gilt, wird vorliegend entweder nicht oder nur kursorisch kommentiert (ebenso wie die reine Aufsichtsorganisation über das Kreditwesen). Immerhin (noch) kursorisch werden im Folgenden einige Kernstücke des Kapitalmarktrechts außerhalb des Investment Bankings kommentiert – Pflichtenstandards, die sich an Emittenten, teils auch Anleger richten –, weil sie angesichts ihrer überragenden Bedeutung in der sog. Folgepublizität doch auch Funktionsbezüge zu Teilen haben, die dem Investment Banking angehören. Namentlich die Informationsfunktion, aber auch Belange der Marktintegrität, die etwa das Prospektregime (2. Abschnitt) oder das Marktmissbrauchsregime (3. Abschnitt) zum Gegenstand haben und die das Kreditwesen zentral ansprechen, würden bruchstückhaft erscheinen ohne eine zumindest kursorische Kommentierung der Regeln zur periodischen Publizität (Unterabschnitt B.) und zur Beteiligungstransparenz (Unterabschnitt C.). Diese Generallinie zeitigt für die beiden Hauptbereiche unterschiedliche Wirkung (Rn 828, 829). Legt man die gängige Hauptunterscheidung zwischen Primär- und Sekundärmarkt- 828 recht zugrunde (zu ihrer primär heuristischen Bedeutung und zu funktionalen und dogmatischen Bezügen und Überschneidungen zwischen beiden Bereichen näher oben 5. Teil Rn 60–65), so bedeutet dies, dass die eben genannte Leitlinie sehr unterschiedliche Wirkung in beiden Bereichen zeitigt. Zuerst tritt das Primärmarktrecht, das Regime zur erstStefan Grundmann

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6. Teil. Marktregeln

maligen Markteinführung und Zulassung zum Markt (Emission) – einschließlich der Emissionspublizität –, in den Blick. Dieses ist in allen wesentlichen Teilen an das Kreditwesen adressiert, also Teil des Investment Banking. In diesem Teil bleibt also kein nennenswerter Bestand des Kapitalmarktrechts, der nicht zugleich Teil des Investment Banking wäre (umgekehrt durchaus). Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Das Emissionsgeschäft, also die erstmalige Markteinführung, ist heute – erstmals seit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz 2004 – Wertpapierdienstleistung (§ 2 Abs. 8 Nr. 5 und 6 WpHG n.F.) und damit den Kreditinstituten und Wertpapierdienstleistern vorbehalten (Zulassungspflicht; vgl. Grafik 8. Teil Rn 78). Entsprechend wurden alle Teile des primärmarktrechtlichen Kapitalmarktrechts in Deutschland und der EU vorliegend kommentiert. Das betraf zunächst die Gesamtorganisation durch den Rahmen des Emissionsgeschäfts (1. Abschnitt), sodann die Prospektpublizität als Emissionspublizität (2. Abschnitt), aber dann auch die Organisation von Märkten und auch Wertpapierdienstleistern, in die und durch die Wertpapiere und Finanzinstrumente eingeführt bzw. zugelassen werden können (7. Teil, namentlich Rn 141 ff. und 27 ff.).

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Anders ist das Bild im Sekundärmarktrecht, dem Recht der Zirkulationsmärkte und der Folgepflichten, die sich an eine Einführung bzw. Zulassung der Wertpapiere und Finanzinstrumente anschließen. Manches hier in den Blick zu nehmende Institut ist sicherlich auch bei der erstmaligen Markteinführung bzw. -zulassung von hoher Bedeutung – etwa ein Rating –, dennoch liegt bei den im Folgenden angesprochenen Regimen bzw. Instituten der Schwerpunkt in der dauerhaften Bereitstellung eines Regimes für den fortgesetzten Handel nach dem erstmaligen Absatz (Sekundärmarkt). Hier nun sind drei zentrale Pflichtenadressaten voneinander zu unterscheiden. Dies sind (1) die Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister (Investment Banking); (2) die Emittenten, wobei für die Unterscheidungen im Folgenden zentral ist, ob sie typischerweise die jeweilige Pflichtenerfüllung den Kreditinstituten und Wertpapierdienstleistern überlassen (Geschäftsbesorgung) oder eigenständig übernehmen; und (3) sonstige professionelle Kapitalmarktakteure mit den unterschiedlichsten Funktionen, häufig im Informationsaufbereitungs- oder -bereitstellungsbereich, etwa Rating-Agenturen oder Datenbereitstellungsdienste, auch professionelle Stimmrechtsberater, teils auch im Abwicklungsbereich, wie die zentrale Gegenparteien (central counterparties, CCPs). Sicherlich ist auch die Abgrenzung zwischen diesen weiteren Kapitalmarktakteuren, die zentrale Gatekeeper-Funktionen übernehmen können (zu diesem Konzept oben 5. Teil Rn 43 ff., 47 ff.), und den Kreditinstituten und Wertpapierdienstleistern nicht immer einfach, zumal da sie teils im Wechselspiel und in Zusammenarbeit mit diesen agieren und teils an sehr vergleichbare Anforderungen (insbesondere der Eigenkapitalunterlegung) gebunden sind. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 12 iVm Abs. 31 KWG sind in Deutschland als CCPs sogar zwingend nur Kreditinstitute zugelassen. Dennoch ist konzeptionell ein Schnitt unverkennbar, der im Folgenden fruchtbar gemacht wird. Legt man das Wertpapierhandelsgesetz als das Grundgesetz der sekundärmarktrechtlichen Materien zugrunde, so ergibt sich folgende Aufteilung (abgesehen von den Teilen zum Anwendungsbereich und zur Aufsichtsorganisation, §§ 1–24 WpHG n.F.): – Marktmissbrauchsrecht, mit Ad-hoc-Publizität (MAR, §§ 25–28 WpHG n.F., zentrales Regime für Marktintegrität, auch – freilich nicht nur – an die Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister gerichtet, für diese teils auch speziell ausgeformt; kommentiert in Abschnitt 3); – Recht der Ratingagenturen (EU-Rating-Verordnung, § 29 WpHG n.F.; eigener zentraler Kapitalmarktakteur und Gatekeeper, nicht kommentiert); – Recht der OTC-Derivate (EMIR, §§ 30–32 WpHG n.F.; Bankgeschäft, in das zwingend zentrale Gegenparteien als weitere Kapitalmarktakteure eingeschaltet werden,

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5. Abschnitt: Emittentenkapitalmarktrecht

die zudem ähnlich reguliert sind [Eigenkapitalunterlegung, im KWG als Kreditinstitute qualifiziert], kommentiert in Abschnitt 4 unter B.), parallele Befugniseinräumung für EU-Benchmark-VO in § 10 Abs. 2 WpHG n.F. (zentral im Bankgeschäft, kommentiert in Abschnitt 4 unter C.); – Beteiligungstransparenz (§§ 33–47 WpHG n.F., zentrale Anforderungen an Emittenten, speziell ausformulierte Ad-hoc-Publizität, bei deren Erfüllung Kreditinstitute allenfalls eine periphere Rolle spielen, kursorisch kommentiert in diesem Abschnitt unter C.); – Informationen zur Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren, vor allem an Aktionäre und Obligationäre (§§ 48–52 WpHG n.F., Anforderungen an Emittenten, eher zur Ausübung von Rechten denn Teil der Information für den Zirkulationsmarkt; nicht kommentiert); – Recht der Leerverkäufe (EU-Leerverkaufs-Verordnung, § 53 WpHG n.F.; Bankgeschäft, kommentiert in Abschnitt 4 unter A.); – Positionslimits bei Warenderivaten (vgl. Art. 57, 58 MiFID II); §§ 54–57 WpHG n.F.; Handel in Warenderivaten zwar durchaus auch Bankgeschäft, jedoch sehr speziell und nicht schwerpunktmäßig; nicht kommentiert); – Organisationspflichten für Datenbereitstellungsdienste (EU-DatenbereitstellungsVerordnung = Delegierte Verordnung (EU) 2017/571; §§ 58–62 WpHG n.F.; eigener zentraler Kapitalmarktakteur, eher mit Hilfsfunktionen, nicht kommentiert); – Wohlverhaltensregeln der Wertpapierdienstleister der Kunden gegenüber (MiFID II, §§ 63–71 WpHG n.F., Herzstück des regulierten Wertpapierhandelsrechts, kommentiert im 8. Teil); – Recht der Marktbetreiber und Organisationsanforderungen an Wertpapierdienstleister (MiFID II, §§ 72–96 WpHG n.F., mit weiteren Materien wie dem Recht der Anlageanalyse [Aufsichtsregeln in §§ 84–87 WpHG n.F.] und der Honoraranalageberater [Aufsichtsregeln und Bezeichnungsschutz in §§ 93, 94 WpHG n.F.] und teils weiteren aufsichtsrechtlichen Regeln, kommentiert im 7. Teil, für unkommentierte Stücke vgl. dort); – Haftungsregeln (Ad-hoc-Publizität) (§§ 97, 98 WpHG n.F., wichtigste spezifische Haftungsnorm im Sekundärmarktrecht, als solche Teil des Marktmissbrauchsregimes/Ad-hoc-Publizitätsregimes [vgl. oben MAR]; kommentiert im 8. Teil Rn 256–272); – Sonderregime der Finanztermingeschäfte und Schiedsvereinbarungen (§§ 99–101 WpHG n.F., denkbar als spezielles Bankgeschäft und Rechtsdurchsetzung im Wertpapierhandel; kursorisch kommentiert im 8. Teil Rn 280–289); – Drittlandsmärkte und Überwachung von Unternehmensabschlüssen (§§ 102–113 WpHG n.F., Sonderregime Marktbetreiber aus Drittländern und Anforderungen an Emittenten, in deren Erfüllung Kreditinstitute und Wertpapierfirmen idR nicht eingeschaltet werden; nicht kommentiert, vgl. aber zum Erstgenannten 7. Teil Rn 141 ff.); – Finanzberichterstattung (§§ 114–118 WpHG n.F., zentrale Anforderungen an Emittenten, Kernstück der periodischen Folgepublizität, bei deren Erfüllung Kreditinstitute jedoch allenfalls eine periphere Rolle spielen, kursorisch kommentiert in diesem Abschnitt unter B.); – Straf-, Bußgeld- und Übergangsvorschriften (§§ 119–137 WpHG n.F., Durchsetzung des Wertpapierhandelsrechts, intertemporale Anwendbarkeitsfragen zu diesem; in den wichtigsten Partien kommentiert im 8. Teil) (Rn 292–310). Eine Auflistung der Zuständigkeiten der BaFin (als der in Deutschland einzig zuständigen Aufsichtsbehörde, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 8 WpHG n.F.) findet sich in Teil 8 Rn 50. Stefan Grundmann

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6. Teil. Marktregeln

B. Periodische Folgepublizität (Zwischen- und Finanzberichte, §§ 114–118 WpHG n.F. ex-§§ 37v-37z) Schrifttum a) Monographien, Sammelbände, Kommentare: Brellochs Publizität und Haftung von Aktiengesellschaften im System des Europäischen Kapitalmarktrechts, 2005; Brinckmann Kapitalmarktrechtliche Finanzberichterstattung, 2009. b) Aufsätze und Beiträge: Arcy/Mayer Neue Anforderungen an die Zwischenberichterstattung durch die Transparenzrichtlinie, Der Konzern 2005, 151; Blöink/Kumm Erleichterungen und neue Pflichten – ein Überblick über die Regelpublizität nach der neuen EU-Transparenzrichtlinie, BB 2013, 1963; Böcking/Kiehme Zur Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats im Rahmen der Zwischenberichterstattung, Der Konzern 2010, 296; Bosse Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie: Änderungen bei periodischer Finanzberichtserstattung und Beteiligungstransparenz, BB 2015, 746; Brinckmann Die geplante Reform der Transparenz-RL: Veränderungen bei der Regelpublizität und der Beteiligungstransparenz, BB 2012, 1370; ders. § 18: Periodische Publizität, in Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, S. 339; Cahn/Götz Ad-hocPublizität und Regelberichterstattung, AG 2007, 221; Fleischer Der deutsche „Bilanzeid“ nach § 264 Abs 2 S 3 HGB, ZIP 2007, 7; Heldt/Ziemann Sarbanes-Oxley in Deutschland?, NZG 2006, 652; Hellgardt Europarechtliche Vorgaben für die Kapitalmarktinformationshaftung, AG 2012, 154; Hutter/ Kaulamo Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderungen der Regelpublizität und das neue Veröffentlichungsregime für Kapitalmarktinformationen, NJW 2007, 550; Kleinert/Kleinert Neue Transparenzanforderungen für Unternehmen durch „EHUG“ und „TUG“, GmbHR 2007, R49; Kumm Praxisfragen bei der Regelpublizität nach Inkrafttreten des TUG, BB 2009, 1118; Matyschok Finanzberichterstattung bei Aufnahme und Beendigung der Börsennotierung, BB 2009, 1494; Mock Finanzberichterstattung und Enforcement-Verfahren beim Going Public und Going Private, Der Konzern 2011, 337; Möllers Das Europäische Kapitalmarktrecht im Umbruch, ZBB 2003, 390; Mülbert/Steup Das zweispurige Regime der Regelpublizität nach Inkrafttreten des TUG, NZG 2007, 761; Müller/ Oulds Transparenz im europäischen Fremdkapitalmarkt, WM 2007, 573; Müller/Stute Ausgestaltung der unterjährigen Berichterstattung deutscher Unternehmen: E-DRS 21 im Vergleich mit nationalen und internationalen Regelungen, BB 2006, 2803; Nießen Die Harmonisierung der kapitalmarktrechtlichen Transparenzregeln durch das TUG, NZG 2007, 41; Noack Neue Publizitätspflichten und Publizitätsmedien für Unternehmen – eine Bestandsaufnahme nach EHUG und TUG, WM 2007, 377; Parmentier Die Revision der EU-Transparenzrichtlinie für börsennotierte Unternehmen, AG 2014, 15; Rabenhorst/Wiechens Praxis der Halbjahresfinanzberichterstattungen der DAX 30-Unternehmen, DB 2009, 521; Revell/Cotton The threat to issuers from Europe’s transparency law, International Financial Law Review May 2004, 35; Seibt/Wollenschläger Revision des Europäischen Transparenzregimes: Regelungsinhalte der TRL 2013 und Umsetzungsbedarf, ZIP 2014, 545; Veil Auf dem Weg zu einem Europäischen Kapitalmarktrecht: die Vorschläge der Kommission zur Neuregelung der Transparenzregime, WM 2012, 53; Walz Ökonomische Regulierungstheorien vor den Toren des Bilanzrechts, ZfbF Sonderheft 32 (1993), 85.

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1. Regelungsumfeld und -ziel. §§ 37v-37z WpHG a.F., §§ 114–118 WpHG n.F. verpflichten Wertpapieremittenten zu periodischer Publizität. Inlandsemittenten, die ihre Wertpapiere am geregelten Markt handeln lassen, müssen danach jährlich und halbjährlich Finanzberichte veröffentlichen und bekanntmachen. Im System der Folgepublizität kommt der unterjährigen periodischen Publizität der wichtigsten Unternehmenserfolgszahlen – neben der auf stark kursrelevante Einzelereignisse bezogenen Folgepublizität (oben Rn 486–527 und unten Rn 846–866) – eine zentrale Funktion zu, um die kontinuierliche Information über die zentralen Parameter für Unternehmenserfolg in einer für Kapitalmärkte angemessenen Taktung zu verbürgen (Verdichtung kapitalmarktrechtlicher Information).616 616

Vgl. statt aller (aus Europäischer Sicht) Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht Rn 714–722; Veil/Brinckmann Eu-

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KapMR § 18 Rn 1, 7–10 (mit Kritik); Brellochs Publizität und Haftung von Aktiengesellschaften, S. 35–37; sowie ausf.

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5. Abschnitt: Emittentenkapitalmarktrecht

Die Vorschriften ergänzen freilich im System des deutschen Rechts „nur“ die §§ 325 ff. HGB und dienen der Umsetzung der EG-Transparenz-Richtlinie 2004/109/EG617 sowie ihrer Revision durch die Richtlinie 2013/50/EU.618 Sie wurden durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz619 eingeführt und in Umsetzung der Revisionsrichtlinie zuletzt 2015 inhaltlich modifiziert.620 Mit der WpHG-Reform durch das 2. FiMaNoG (vor allem zur Umsetzung von MiFID II) wurde auch dieser Abschnitt des WpHG komplett neu nummeriert, freilich (mit Ausnahme der in dieser Kurzübersicht nur gestreiften Regeln zu Konzernbilanzen und Ausnahmen, §§ 117 f. WpHG n.F.) inhaltlich unverändert gelassen.621 Für nach deutschem Recht gegründete Gesellschaften (Inlandsemittenten nach § 2 Abs. 14 WpHG n.F.), die bereits nach HGB berichtspflichtig sind, enthalten die §§ 37v ff. WpHG a.F., §§ 114 ff. WpHG n.F. nur begrenzt weitergehende Pflichten zum Jahresbericht,622 führen aber zu einer dichteren Taktung der Information (§§ 37w WpHG a.F., 115 WpHG n.F.). Entscheidend sind sie inhaltlich darüber hinaus insbesondere für ausländische Emittenten (aus EU oder EWR), die zumindest kapitalmarktrechtlich (d.h. aufgrund der Zulassung ihrer Anteile allein in Deutschland) als Inlandsemittenten gelten (§ 2 Abs. 14 Nr. 2 WpHG n.F.), und insbesondere für Emittenten aus Drittstaaten mit entsprechender Zulassung im Inland, die in ihrem Sitzrecht nicht EU-Vorgaben zum Handelsrecht unterliegen, wohl aber dem WpHG (vgl. § 2 Abs. 13, 15 und 16 WpHG n.F., jeweils 2. Alt.). Wenn diese – im System des Kapitalmarktrechts zentralen – Informationsregeln vorliegend nur überblicksweise erörtert werden, so liegt dies an ihrem relativ schwachen Bezug zum Investment Banking, weil diese Form der Folgepublizität in die Verantwortung der Emittenten – idR ohne Einschaltung von Kreditinstituten oder Wertpapierfirmen – gelegt ist. Dass Europarecht zur Kapitalmarktinformation periodische Publizitätspflichten vor- 831 schreibt, datiert zurück bis in die Anfangsjahre eines Europäischen Kapitalmarktrechts: Bereits 1979 verpflichtete die Richtlinie 79/279/EWG (EG-Börsen-Richtlinie) amtlich notierte Gesellschaften, Jahresabschluss und Lagebericht unverzüglich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 1982 erweiterte die Halbjahresberichts-Richtlinie 82/121/EWG die Offen-

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(auch im System des deutschen Rechts) Brinckmann Kapitalmarktrechtliche Finanzberichterstattung, bes. S. 111–133. Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl.EG 2004 L 390/38; namentlich Umsetzung der Art. 4 bis 8, 19 und 21. Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Richtlinie 2004/109/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

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betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG, ABl.EU 2013 L 294/13. Gesetz vom 5.1.2007, BGBl. I 2007, S. 10; dazu Hutter/Kaulamo NJW 2007, 550; Nießen NZG 2007, 41; Noack WM 2007, 377. Gesetz vom 2.11.2015, BGBl 2015 I, S. 2029; zur europäischen Vorgabe Parmentier AG 2014, 15; Blöink/Kumm BB 2013, 1963; Seibt/Wollenschläger ZIP 2014, 545. Gesetz vom 23.6.2017, BGBl 2017 I, S. 1693; dazu ausf. unten 8. Teil Rn 1 ff., bes. Rn 13. Vgl. etwa § 37v Abs. 1 S. 2 und 3 WpHG a.F. § 114 Abs. 1 S. 2 und 3 WpHG n.F.; dazu Assmann/Schneider/Hönsch § 37v WpHG Rn 16; zur Zweispurigkeit nach WpHG/ HGB Mülbert/Steup NZG 2007, 761.

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6. Teil. Marktregeln

legungspflichten.623 Die aktuelle Rechtslage geht zurück auf den europäischen Financial Service Action Plan (FSAP) von 1999.624 Die Transparenzrichtlinie von 2004 ist auf dessen Impuls hin entwickelt worden.625 Sie war darauf ausgerichtet, die jährliche Finanzberichterstattung der Wertpapieremittenten flächendeckend zu verbessern und eine größere Transparenz bei der halbjährigen Berichterstattung zu erreichen. Für jene Emittenten, die lediglich Schuldtitel ausgaben und zuvor nicht zwischenberichtspflichtig waren, sollte sie außerdem die halbjährliche Finanzberichtspflicht einführen. Seit der Revision durch die Richtlinie von 2013 gilt weitestgehend ein Vollharmonisierungsansatz.626 Die zuvor bestehende Publikationspflicht für Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung oder für Quartalsfinanzberichte (Art. 6 Transparenzrichtlinie, § 37x WpHG a.F.) ist danach entfallen. Nach Evaluation der EU-Kommission stellten solche Berichtspflichten eine zu große Bürde für KMU dar. Auch sollten Anreize zugunsten kurzfristiger Ergebnisse vermieden werden. Den Mitgliedstaaten ist es nur noch in Ausnahmefällen gestattet, den Emittenten neben den Jahres- und Halbjahresfinanzberichten weitere periodische Berichte abzuverlangen.627 832 Die genannten EG/EU-Transparenz-Richtlinien verfolgen mit der periodischen Publizität sowohl institutionelle als auch den Einzelnen schützende Zwecke.628 Zum einen sollen sie effiziente, transparente und integrierte Wertpapiermärkte schaffen, indem sie die Emissionsprospektpublizität durch laufende Publizitätspflichten zu Kernparametern des Unternehmenserfolgs ergänzen, und somit zu einem echten Binnenmarkt beitragen. Sie sollen zu einer effizienteren Kapitalallokation sowie einer Senkung von (Transaktions-)Kosten führen.629 Zum anderen zielen die Richtlinien darauf, das Vertrauen der Anleger nachhaltig zu stärken und sie zu schützen. Anleger sollen sich darauf verlassen können, dass in regelmäßigen Abständen zutreffende und fundierte Informationen veröffentlicht werden. Weitere spezifische Zwecke verfolgt im Übrigen der durch Richtlinie 2013/50/EU geänderte Art. 6 der Transparenzrichtlinie, der durch § 37x WpHG (heute § 116 WpHG n.F.) umgesetzt wurde (dazu unten Rn 843). 833 Welcher Informationen es für einen funktionierenden Kapitalmarkt und den Anlegerschutz bedarf, ist nicht unproblematisch. Unterschiedliche Typen von Anlegern haben unterschiedliche Informationsbedürfnisse. Entscheidende Informationen können außerdem stark einzelfallabhängig sein. Auch ist vollständige Information über alle denkbar relevanten Umstände gar nicht möglich – insbesondere sind Unsicherheiten über zukünftige Entwicklungen unvermeidlich.630 Es kann daher nur ein Grundstock an Informationen vorgeschrieben werden, gerade bei der periodischen, also wiederkehrenden Publizität – die Transparenzrichtlinie spricht dementsprechend von „angemessener Transparenz“ (Erw.grund 2). Die Informationen sollten aus ökonomischen Gesichtspunkten die Bedürfnisse jener (in der Regel professionellen) Anleger erfüllen, die tatsächlich informiert handeln.631 Kern der Publizitätspflichten nach den EG/EU-Richtlinien und §§ 37v ff. WpHG a.F. / §§ 114 ff. WpHG n.F. sind Rechnungslegungsinformationen. Diese stellen ein seit Langem etabliertes Instrument dar, in dem besonders relevante Information für Märkte (vor allem zahlenmä623

624 625 626 627 628

Näher etwa Zetzsche/Wachter in: Enzyklopädie Europarecht, 2016, Bd. 6 § 7 D. Rn 85 ff. KOM(1999) 232 vom 11. Mai 1999. Erw.grund 3 der Richtlinie 2004/109/ EG. Brinckmann BB 2012, 1370. Art. 1 Nr. 2 a), b) der Richtlinie 2013/50/EU, Erw.grund 4. Erw.gründe 1–10; Begr. RegE BT-Drs.

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16/2498 S. 26; Fuchs/Zimmermann, Vor §§ 37v-37z, Rn 2. Näher zum ökonomischen Hintergrund Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 661 ff. und oben 5. Teil Rn 8, 14 f. Zum Ganzen Veil/Brinckmann EuKapMR § 18 Rn 7 ff. Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 662 und oben 5. Teil Rn 14–16 und 6. Teil Rn 67–69.

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5. Abschnitt: Emittentenkapitalmarktrecht

ßig) gebündelt wird. Die Rechnungslegung soll die wirtschaftliche Situation der Emittenten aus der Vergangenheit akkurat darstellen, ergänzt um signifikante Entwicklungsanlagen für die Zukunft, um Anlegern eine möglichst treffende Prognose für die Zukunft zu erlauben. Sie bietet Aufschluss über betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie Bilanzpositionen, Umsatz- und Ertragsentwicklung. Berücksichtigt man, dass auch der Kapitalmarkt selbst, beziehungsweise die Preise, die er abbildet, eine Informationsfunktion haben, so wird deutlich, dass die verbesserte Information der Kapitalmarktakteure in einem zweiten Schritt wiederum die Informationsleistung des Kapitalmarktes als Ganzem stärkt.632 Für die Allokationseffizienz des Kapitalmarktes ist es dabei nicht erforderlich, dass alle Marktteilnehmer die Informationen nutzen – es genügt ein gewisser Teil von Anlegern.633 2. Gesamtarchitektur. §§ 37v ff. WpHG a.F., §§ 114 ff. WpHG n.F. sind übersichtlich 834 gehalten. Zunächst werden die grundsätzlichen Berichtspflichten ausformuliert. Im Anschluss folgen spezielle Regeln für bestimmte Unternehmen des Rohstoffsektors und Konzerne sowie Ausnahmevorschriften. Die ersten beiden Paragraphen des Abschnitts regeln die beiden wesentlichen Berichts- 835 pflichten: den Jahresfinanzbericht (§ 37v WpHG a.F., §§ 114 WpHG n.F.) und den Halbjahresfinanzbericht (§ 37w WpHG a.F., § 115 WpHG n.F.). Beide Vorschriften sind zu erheblichen Teilen mit gleicher Struktur aufgebaut. Sie schreiben in Abs. 1 jeweils vor, dass und wie Berichte zu publizieren sind. Neben einer Online-Veröffentlichung, jeweils Abs. 1 S. 2, und der Übermittlung an das Unternehmensregister, jeweils Abs. 1 S. 4, bedarf es einer Bekanntmachung, jeweils Abs. 1 S. 2, 3. In Abs. 2 ist der jeweils notwendige Inhalt der Berichte aufgeführt. Zentraler Bestandteil der Finanzberichte ist danach der periodische Abschluss des Emittenten. Daneben treten Lageberichte. Zwar bestehen hier zwischen den Berichtsformen im einzelnen Unterschiede, doch ist die markante Gemeinsamkeit, dass jeweils auf die inhaltlichen Vorgaben des Bilanzrechts zurückgegriffen wird.634 In beiden Finanzberichten muss darüber hinaus der so genannte „Bilanzeid“ enthalten sein. Sowohl § 114 (ex-37v) WpHG wie auch § 115 (ex-37w) WpHG ermächtigen schließlich das BMF im Einvernehmen mit anderen Ministerien zum Erlass von Rechtsverordnungen zur näheren Konkretisierung der Bestimmungen. Hiervon wurde durch die WpAIV635 und die TranspRLDV636 Gebrauch gemacht. Der später hinzugekommene § 37x WpHG, heute § 116 WpHG n.F., schreibt ergän- 836 zend vor, dass Unternehmen aus der mineralgewinnenden Industrie sowie der Industrie des Holzeinschlags in Primärwäldern einen Zahlungsbericht zu erstellen haben, wenn sie bestimmte Zahlungen an staatliche Stellen geleistet haben. Es handelt sich um eine im Regelungskontext eher isoliert stehende Ausnahmevorschrift.637 § 37y WpHG a.F., § 117 WpHG n.F. modifiziert und erweitert die grundsätzlichen Pflichten aus §§ 37v, w WpHG a.F., §§ 114, 115 WpHG n.F. für Mutterunternehmen in Konzernen. § 37z WpHG a.F.,

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Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 661 bzw. oben 5. Teil Rn 14–16 und 6. Teil Rn 67–69 mit Nachweisen zur ökonomischen Theorie. Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 662 und oben 5. Teil Rn 14–16 und 6. Teil Rn 67–69. Zu dieser „dualistischen Regelungskonzeption“ Veil/Brinckmann EuKapMR § 18 Rn 14 f.; näher zum europäischen Bilanz-

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recht Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 495 ff. §§ 22–24 Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung vom 13. Dezember 2004, BGBl. I S. 3376. §§ 10,11 Transparenzrichtlinie-Durchführungsverordnung vom 13. März 2008, BGBl. I S. 408. Parmentier AG 2014, 15 (17).

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6. Teil. Marktregeln

§ 118 WpHG n.F. nimmt schließlich verschiedene besondere Typen von Emittenten von den Berichtspflichten aus.

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3. Zentrale Einzelfragen. Im Rahmen des skizzierten Gerüstes stellen sich verschiedene Einzelfragen. Die wesentlichen betreffen den Anwendungsbereich, die einzelnen Handlungspflichten, den Inhalt der Berichte, insbesondere den Bilanzeid, die Sonderregeln für bestimmte Unternehmen und Konzerne sowie die Haftung für Verstöße. 838 Der Anwendungsbereich der §§ 37v ff. WpHG a.F., §§ 114 ff. WpHG n.F. erstreckt sich auf Inlandsemittenten iSv § 2 Abs. 7 WpHG a.F. / § 2 Abs. 14 WpHG n.F. (beide wortgleich), d.h. – neben den meisten Emittenten mit Inlandssitz (jeweils Nr. 1) auch auf ausländische Emittenten aus EU/EWR mit Zulassung ihrer Wertpapiere ausschließlich an inländischen Märkten (kapitalmarktrechtlicher Inlandsbegriff, jeweils Nr. 2), die nicht bereits nach HGB publizitätspflichtig sind.638 Umstritten ist, ob neben privatrechtlichen Unternehmen auch öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen adressiert sind.639 Die Vorschriften gelten nur für Emittenten, deren Wertpapiere an einem organisierten Markt gem. § 2 Abs. 5 WpHG a.F., § 2 Abs. 11 WpHG n.F. gehandelt werden.640 Konkret bestehen die Publikationspflichten nach Auslegung der BaFin ab dem Zeitpunkt der Zulassung an einem organisierten Markt bis zum Wirksamwerden des Widerrufs der Zulassung.641 Sie erstrecken sich auch auf insolvente Gesellschaften.642 Der Adressatenkreis von § 37v und § 37w WpHG a.F. bzw. § 114 und § 115 WpHG n.F. ist allerdings nicht ganz deckungsgleich. Er hängt von der Art der am organisierten Markt emittierten Wertpapiere ab. Die Pflicht zum Jahresfinanzbericht trifft einen breiteren Kreis von Emittenten, nämlich all jene, die Wertpapiere gem. § 2 Abs. 1 WpHG (a.F. und n.F.) begeben. Die Pflicht zum Halbjahresfinanzbericht bezieht sich nur auf Emittenten, die Aktien oder Schuldtitel gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 WpHG (a.F. und n.F.) begeben. Ausnahmen vom Adressatenkreis sind in § 37z WpHG a.F., § 118 WpHG n.F. geregelt. Keine Finanzberichte veröffentlichen müssen danach insbesondere Unternehmen, die Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 100.000 Euro begeben, Abs. 1 S. 1 Nr. 1. Außerdem entfällt die Halbjahresfinanzberichtspflicht für bestimmte Kreditinstitute, die dauernd oder wiederholt ausschließlich Schuldtitel begeben, Abs. 2. Damit hat der deutsche Gesetzgeber von dem in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2004/109/EG gebotenen Wahlrecht Gebrauch gemacht. Die Ausnahme in § 37z Abs. 3 WpHG a.F., § 118 Abs. 3 WpHG n.F. betrifft staatlich garantierte Schuldtitel, darunter insbesondere durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds übernommene Garantien.643 Schlussendlich können Emittenten aus Drittstaaten durch die BaFin von ihren Finanzberichtspflichten befreit werden, wenn diese gleichwertigen Regeln eines Drittstaates unterliegen oder sich solchen unterwerfen, § 37z Abs. 4 WpHG a.F., § 118 Abs. 4 WpHG n.F. Damit sollen Emittenten davon befreit werden, zwei verschiedene Regelwerke erfüllen zu müssen. 839 Die Art und Weise der Veröffentlichung der Finanzberichte ist jeweils in Abs. 1 der §§ 37v und 37w WpHG a.F. bzw. §§ 114 und 115 WpHG n.F. geregelt. Der nach § 37v bzw. § 114, jeweils Abs. 1 S. 1, zu erstellende Jahresfinanzbericht muss spätestens vier Mo-

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Näher Mülbert/Steup NZG 2007, 761 (763 f.); Fuchs/Zimmermann § 37v Rn 7. Dafür Assmann/Schneider/Hönsch § 37v Rn 8 („alle Einheiten, die Wertpapiere emittieren können“); dagegen Schwark/Zimmer/ Heidelbach/Doleczik § 37v WpHG Rn 7. Dies ergibt sich aus der Definition des Inlandsemittenten gem. § 2 Abs. 7 WpHG a.F.,

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§ 2 Abs. 14 WpHG n.F. – Fuchs/Zimmermann § 37v Rn 5. BaFin, Emittentenleitfaden, XIV.2; Fuchs/ Zimmermann Vor §§ 37v-37z Rn 10a; Köln KommWpHG/Mock § 37v Rn 64; Schwark/ Zimmer/Heidelbach/Doleczik § 37v Rn 8. BaFin, Emittentenleitfaden, XIV.2.1. Fuchs/Zimmermann § 37z Rn 25; KölnKommWpHG/Mock § 37z Rn 22.

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5. Abschnitt: Emittentenkapitalmarktrecht

nate nach Ablauf des Geschäftsjahres der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Der Halbjahresfinanzbericht ist gem. § 37w bzw. § 115, jeweils Abs. 1 S. 1, unverzüglich, spätestens drei Monate nach Ablauf des Berichtszeitraums der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Publikation hat jeweils im Internet zu erfolgen, was sich in beiden Paragraphen aus Abs. 1 S. 2 (zumindest implizit) ergibt.644 In der Praxis geschieht dies meist auf der unternehmenseigenen Webseite, doch ist dies nicht vorgeschrieben und auch eine Veröffentlichung auf Seiten Dritter möglich.645 Außerdem sind die Finanzberichte an das Unternehmensregister zu übermitteln, jeweils gem. Abs. 1 S. 4. Die Emittenten müssen vor der Publikation eine Bekanntmachung darüber zu veröffentlichen, ab wann und unter welcher URL der Bericht abrufbar ist. Diese Bekanntmachung hat gem. § 22 WpAIV nach den Vorgaben der §§ 3a, b WpAIV zu erfolgen, d.h. die Emittenten müssen sie an verschiedene Medien verschicken, über die eine europaweite Verteilung gewährleistet ist. Die BaFin empfiehlt eine Vorlaufzeit von einer Woche, doch kann es auch ausreichen, wenn die Bekanntmachung kürzer vor Publikation der Berichte folgt. Um den Normzweck zu erfüllen, muss eine europaweite Verteilung der Information durch die eingeschalteten Medien allerdings überhaupt noch möglich sein. Im Regelfall dürfte das über digitale Kanäle nicht mehr als wenige Stunden dauern.646 Die BaFin empfiehlt außerdem, die Bekanntmachung nicht länger als 12 Monate vorher herauszugeben, doch gibt es keine grundsätzlich starre Frist in dieser Hinsicht.647 Im Übrigen muss die Bekanntmachung gleichzeitig der BaFin mitgeteilt sowie an das Unternehmensregister übermittelt werden, jeweils Abs. 1 S. 3 der beiden Paragraphen zu Jahres- und Halbjahresfinanzbericht. Hinsichtlich des vorgeschriebenen Inhaltes unterscheiden sich Jahresfinanzbericht und 840 Halbjahresfinanzbericht. Der Jahresfinanzbericht muss gem. § 37v Abs. 2 WpHG a.F. bzw. § 114 Abs. 2 WpHG n.F. den geprüften Jahresabschluss (Nr. 1), einen Lagebericht (Nr. 2), den so genannten Bilanzeid (Nr. 3, dazu noch Rn 842) sowie eine Bescheinigung der Wirtschaftsprüferkammer (Nr. 4) enthalten. Kurz gesagt enthält der Jahresabschluss eine detaillierte rechnerische Übersicht des Geschäftsjahrs. Maßgeblich für die Anforderungen im Einzelnen sind die jeweiligen nationalen Vorschriften des Sitzstaates des Emittenten, sofern es sich um ein Unternehmen mit EU/EWR-Sitz handelt, jeweils Abs. 2 Nr. 1 a) WpHG. Emittenten aus Drittstaaten müssen einen Jahresabschluss nach den Vorgaben des HGB aufstellen und prüfen lassen, jeweils Abs. 2 Nr. 1 b) WpHG, wenn nicht ausnahmsweise die BaFin die Gleichwertigkeit ausländischer Rechnungslegungsvorschriften anerkannt hat, § 37z Abs. 4 S. 3 WpHG a.F. bzw. § 118 Abs. 4 S. 1 WpHG n.F. (vgl. auch oben Rn 838). Die gleiche Systematik der jeweils anzuwendenden Regeln gilt für den Lagebericht, § 37v Abs. 2 Nr. 2 WpHG a.F. bzw. § 114 Abs. 2 Nr. 2 WpHG n.F. Die inhaltlichen Anforderungen an den Halbjahresfinanzbericht gem. § 37w Abs. 2 841 WpHG a.F., § 115 Abs. 2 WpHG n.F. sind gegenüber dem Jahresfinanzbericht etwas zurückgenommen. Dies soll genügen, um die Lücke zwischen den Jahresfinanzberichten zu schließen bzw. zu reduzieren und Informationsasymmetrien auszugleichen.648 Ausreichend ist zum einen ein verkürzter Abschluss. § 37w Abs. 3 WpHG a.F. bzw. § 115 Abs. 3 WpHG n.F. schreibt insoweit eine verkürzte Bilanz, eine verkürzte Gewinn- und Verlust-

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Assmann/Schneider/Hönsch § 37v WpHG Rn 11; Vor §§ 37v-37z, Rn 12. BaFin, Emittentenleitfaden, XIV.3.3.1; Assmann/Schneider/Hönsch § 37v Rn 16, 21. Sehr weitgehend Fuchs/Zimmermann § 37v Rn 9: „unmittelbar vor Publikation“;

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zurückhaltender Assmann/Schneider/ Hönsch, § 37v Rn 24: „wenige Arbeitstage“. BaFin Emittentenleitfaden, XIV.3.3.2. Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 719.

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6. Teil. Marktregeln

rechnung sowie einen Anhang vor. § 10 der TranspRLDV spezifiziert die näheren Anforderungen.649 Zum anderen ist anstatt eines Lageberichtes (nur) ein Zwischenlagebericht vorzulegen, dessen notwendiger Inhalt in § 37w Abs. 4 WpHG a.F. bzw. § 115 Abs. 4 WpHG n.F. näher umrissen wird. Er muss die wichtigen Ereignisse des Berichtszeitraums im Unternehmen des Emittenten und ihre Auswirkungen auf den verkürzten Abschluss angeben sowie die wesentlichen Chancen und Risiken für die folgenden sechs Monate beschreiben. Eine umfassende Aktualisierung des vorhergehenden Lageberichts ist nicht erforderlich.650 Die TranspRLDV enthält diesbezüglich in § 11 nähere Bestimmungen.651 Schlussendlich gibt es beim Halbjahresfinanzbericht keine Pflicht zur Prüfung oder prüferischen Durchsicht (vgl. S. 1 und 6). § 37w Abs. 5 S. 5 WpHG a.F. bzw. § 115 Abs. 5 S. 5 WpHG n.F. schreibt allerdings vor, den Bestätigungsvermerk oder den Vermerk über dessen Versagung vollständig wiederzugeben und zu veröffentlichen, falls eine prüferische Durchsicht erfolgt ist. Sind prüferische Durchsicht und Abschlussprüfung unterblieben, ist auch dies anzugeben (jeweils Abs. 5 S. 6, „Negativvermerk“).652 842 Nach §§ 37v Abs. 2 Nr. 3, 37w Abs. 2 Nr. 3 WpHG a.F. bzw. §§ 114 Abs. 2 Nr. 3, 115 Abs. 2 Nr. 3 WpHG n.F. müssen die Finanzberichte einen so genannten Bilanzeid enthalten, d.h. eine den Vorgaben der §§ 264 Abs. 2 S. 3, 289 Abs. 1 S. 5 HGB entsprechende Erklärung. Danach müssen die gesetzlichen Vertreter versichern, dass nach ihrem besten Wissen der Abschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild im Sinne des § 264 Abs. 2 S. 1 HGB vermittelt. Des Weiteren müssen sie versprechen, dass im Lagebericht der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage der Gesellschaft so dargestellt sind, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt wird, und dass die wesentlichen Chancen und Risiken im Sinne des § 289 Abs. 1 HGB beschrieben sind. Der Bilanzeid stärkt also die Aussagekraft und Glaubhaftigkeit der übrigen Inhalte der Finanzberichte. Hintergrund dieser an den US-amerikanischen Sarabnes-Oxley Act angelehnten Regelung653 sind Bilanzskandale (Enron, WorldCom, Parmalat etc.) und das Streben, das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen und zu stärken.654 Problematisch mit Blick auf die unionsrechtlich vorgeschriebene effektive Sanktionierung (Art. 28 der Richtlinie 2004/109/EG) und das Gleichbehandlungsgebot (Art. 20 EU-Grundrechtecharta) ist allerdings, dass allein nach WpHG Publizitätspflichtige weniger Sanktionen zu befürchten haben als nach HGB Publizitätspflichtige.655 Bei Letzteren können unrichtige Versicherungen den Straftatbestand des § 331 Nr. 3 a) HGB erfüllen, die übrigen Inlandsemittenten handeln lediglich ordnungswidrig gem. § 39 Abs. 2 Nr. 24 WpHG a.F. bzw. § 120 Abs. 2 Nr. 15 WpHG n.F. Da

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Dazu Assmann/Schneider/Hönsch § 37w WpHG Rn 21; Fuchs/Zimmermann Vor §§ 37w Rn 16 ff. Fuchs/Zimmermann Vor §§ 37w Rn 21; Arcy/Meyer Der Konzern 2005, 151 (156). Dazu Assmann/Schneider/Hönsch § 37w WpHG Rn 31 ff.; Fuchs/Zimmermann Vor §§ 37w Rn 22. Fuchs/Zimmermann Vor §§ 37w Rn 23. So ausdrücklich die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/2498, S. 55; zum US-amerikanischen Vorbild Fleischer ZIP 2007, 97.

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Zur europarechtlichen Grundlage KOM 2003, 284, S. 3; näher Fleischer ZIP 2007, 97 (98); Fuchs/Zimmermann Vor §§ 37v-37z Rn 16. So auch Mülbert/Steup NZG 2007 (769); 769; Fuchs/Zimmermann Vor §§ 37v-37z Rn 15 mit Blick auf Art. 3 GG. Da sich die Regelungen im Anwendungsbereichs des Unionsrechts befinden, dürften allerdings die EU-Grundrechte einschlägig sein, Art. 51 Abs. 1 EU-Grundrechte-Charta.

Stefan Grundmann

5. Abschnitt: Emittentenkapitalmarktrecht

wegen des strafrechtlichen Analogieverbotes Rechtsfortbildungen keine Abhilfe schaffen können, ist hier der Gesetzgeber aufgerufen656 – leider auch noch nach dem 2. FiMaNoG. Bestimmte Rohstoffunternehmen unterliegen einer besonderen Publizitätspflicht gem. 843 § 37x WpHG a.F. bzw. § 116 WpHG n.F., der die §§ 341q ff. HGB ergänzt. Sie haben einen Zahlungsbericht zu veröffentlichen, d.h. sie müssen Zahlungen an staatliche Stellen offenlegen. Konkret sind Inlandsemittenten adressiert, die in der mineralgewinnenden Industrie tätig sind oder Holzeinschlag in Primärwäldern betreiben. Die Vorschrift wurde in Umsetzung der Richtlinie 2013/50/EU eingeführt und nimmt im Gesetz den Platz der weggefallenen Verpflichtung zu Zwischenberichten der Geschäftsführung ein (oben Rn 831). Die Regelungen zielen nach Erw.grund 7 der Richtlinie darauf ab, Zivilgesellschaft und Anlegern Informationen verfügbar zu machen, anhand derer die staatlichen Stellen ressourcenreicher Länder für ihre Einnahmen aus der Ausbeutung von Naturressourcen zur Rechenschaft gezogen werden können. Ebenso wie in den sonstigen Vorschriften dieses Abschnitts geht es also um ein Transparenzziel. Der Zweck geht jedoch über die allgemeinen Erwägungen zu funktionierendem Kapitalmarkt und Anlegerschutz hinaus und zielt im Endeffekt auf die Bekämpfung von Korruption sowie Umweltschutz. Der europäische Gesetzgeber bezog sich dazu ausdrücklich auf die internationale Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft (EITI).657 Der deutsche Gesetzgeber hat in der konkreten Umsetzung die Publizitätspflichten teils unmittelbar in § 37x WpHG a.F. bzw. § 116 WpHG n.F. spezifiziert, teils zur näheren Ausgestaltung auf die §§ 341r bis 341w HGB verwiesen, welche die gleiche Thematik betreffen. Der Adressatenkreis wird in § 341r HGB näher spezifiziert, der Inhalt des Zahlungsberichts in § 341t HGB geregelt. Wie sich aus § 37x Abs. 2 WpHG a.F. bzw. § 116 Abs. 2 WpHG n.F. ergibt, ist eine Veröffentlichung im Internet sowie im Unternehmensregister erforderlich. Außerdem sind in demselben Absatz Bekanntmachungspflichten geregelt, die dem Schema der Abs. 2 der §§ 37v, w bzw. §§ 114, 115 WpHG (a.F. und n.F.) folgen (oben Rn 839).658 Eine besondere Kompetenz der BaFin begründet außerdem § 37x Abs. 3 WpHG a.F. bzw. § 116 Abs. 3 WpHG n.F. Die Anstalt kann Unternehmen auffordern zu erklären, ob sie in der mineralgewinnenden Industrie tätig sind oder Holzeinschlag in Primärwäldern betreiben. Unterbleibt eine Antwort nach angemessener Frist, wird vermutet, dass dies der Fall ist (jeweils Abs. 3 S. 3). In § 37x Abs. 4 WpHG a.F., jetzt § 116 WpHG Abs. 4 n.F. ist außerdem eine Verordnungsermächtigung enthalten, von der mit den §§ 22–24 WpAIV659 Gebrauch gemacht wurde. Für Mutterunternehmen von Konzernen ergänzt(e) § 37y die §§ 37v, w WpHG. a.F. 844 und entsprechend heute § 117 die §§ 114, 115 WpHG n.F. Die Vorschrift enthält Publizitätspflichten für Inlandsemittenten, die anderweitig (z.B. nach HGB) verpflichtet sind, einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufzustellen. Sie verpflichtet zu konzernbezogenen Angaben und ist wiederum eng mit dem Bilanzrecht verzahnt.660 Sie setzt Art. 4 Abs. 3 (bzgl. Jahresfinanzberichte), 5 Abs. 3 (bzgl. Halbjahresfinanzberichte) der EGTransparenz-Richtlinie 2004/109/EG um. Gemäß § 37y Nr. 1 WpHG a.F. bzw. § 117 Nr. 1 WpHG n.F. muss der Jahresfinanzbericht der adressierten Unternehmen zusätzlich einen geprüften IAS/IFRS-Jahresabschluss, einen Konzernlagebericht sowie einen entsprechen-

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Eine Gesetzesänderung regen an Mülbert/ Steup NZG 2007, 761 (769); Fuchs/Zimmermann Vor §§ 37v-37z Rn 15. Erw.grund 7 der Richtlinie 2013/50/EU; dazu auch BT-Drs. 18/5010, S. 1. Zum Gleichlauf der diesbezüglichen Systematik auch BT-Drs. 18/5010, S. 51.

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Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung vom 13. Dezember 2004, BGBl. 2004 I, S. 3376. Vgl. Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 563 ff., 718 ff.

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6. Teil. Marktregeln

den Bilanzeid für den Konzern enthalten. Seit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz von 2009 ist außerdem eine Wirtschaftsprüferbescheinigung vorzulegen. Im Fall des Halbjahresfinanzberichts haben konzernrechnungspflichtige Unternehmen den Halbjahresfinanzbericht unter Einbeziehung aller Tochterunternehmen zu erstellen und zu veröffentlichen (jeweils Nr. 2). Anders als beim Jahresfinanzbericht bedarf es keines gesonderten Halbjahresfinanzberichts für das Mutterunternehmen, es genügt die konsolidierte Fassung.661 Muss das Mutterunternehmen den Konzernabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards erstellen, dann sind diese Regeln auch für den Konzernzwischenabschluss einzuhalten, § 37y Nr. 2 S. 2 WpHG a.F. bzw. § 117 Nr. 2 S. 2 WpHG n.F.662 Der hier einzuhaltende Standard ist IAS 34.663 845 Zur Durchsetzung der Publizitätspflichten schreibt das Europarecht den Mitgliedstaaten vor, angemessene Haftungsregeln für Verstöße bereitzuhalten (Art. 7 der EG-Transparenz-Richtlinie, grundlegend Erw.grund 17). Die §§ 37v ff. WpHG a.F. bzw. § 114 ff. WpHG n.F. enthalten keine eigenen Haftungsregeln, doch werden Verstöße gegen sie über verschiedene straf- bzw. ordnungswidrigkeitsrechtliche wie auch zivilrechtliche Vorschriften sanktioniert. Die unrichtige Darstellung in den Finanzberichten kann den Tatbestand des § 331 Nr. 1–3 HGB erfüllen. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder können sich zudem gem. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG strafbar machen. Vorsätzliche und leichtfertige Verstöße gegen die Vorschriften der §§ 37v ff. WpHG a.F. bzw. §§ 114 WpHG n.F. sind außerdem gem. § 39 Abs. 2 WpHG a.F. bzw. § 120 Abs. 2 WpHG n.F. ordnungswidrig. Hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung ist umstritten, ob bei fehlerhaften Finanzberichten eine Haftung nach der Grundsätzen der Prospekthaftung in Betracht kommt – die hM lehnt dies ab.664 Neben Ansprüchen aus § 826 BGB bildet jedenfalls § 823 Abs. 2 BGB eine mögliche Anspruchsgrundlage. Entscheidend ist, ob die jeweils verletze Vorschrift als Schutzgesetz zu qualifizieren ist. Für die §§ 400 Abs. 1 AktG, 331 HGB ist dies anerkannt.665 Im Falle der §§ 37v ff. a.F. bzw. §§ 114 ff. WpHG n.F. selbst muss dies jedenfalls aufgrund richtlinienkonformer Auslegung angenommen werden.666 Schließlich zielt die EG-Transparenz-Richtlinie, wie erörtert, gerade auch auf Anlegerschutz und schreibt angemessene Haftungsregeln vor. Eine auf Vorsatz beschränkte Haftung (über die genannten Straftatbestände vermittelt) würde dem nicht genügen.667 Für eine Klassifizierung als Schutzgesetz spricht zudem, dass diese für die 325 ff. HGB anerkannt ist.668 Überzeugende

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BT-Drs. 16/2498, S. 46; Assmann/Schneider/ Hönsch § 37y Rn 6; Schwark/Zimmer/Heidelbach/Doleczik § 37y Rn 6; Kumm BB 2009, 1118 (1121). Näher Veil/Brinckmann EuKapMR § 18 Rn 39 f.; Fuchs/Zimmermann Vor §§ 37w Rn 18. Veil/Brinckmann EuKapMR § 18 Rn 39; Fuchs/Zimmermann Vor §§ 37w Rn 18. Dagegen etwa Fuchs/Zimmermann Vor §§ 37v-37z, Rn 24; Schwark/Zimmer/Heidelbach/Doleczik § 37v WpHG Rn 44; KölnKommWpHG/Mock § 37v Rn 148; dafür etwa Schwark FS Hadding 2004, 1117 (1128). Zu § 400 AktG: BGH Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, NJW 2004, 2664; Urt. v.

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9.5.2005 – II ZR 287/02, NJW 2005, 2450; zu § 331 HGB: EBJS/Böcking/Gros/Rabenhorst § 331 Rn 8; Fuchs/Zimmermann Vor §§ 37v-37z Rn 27; OLG Düsseldorf Urt. v. 7.4.2011 – 6 U 7/10, BeckRS 2011, 18920; LG Bonn Urt. v. 15.5.2010 – 11 O 181/00, BeckRS 2010, 15014. Ebenso Fuchs/Zimmermann Vor §§ 37v-37z, Rn 32; KölnKommWpHG/Mock § 37v Rn 151. Veil/Brinckmann EuKapMR § 18 Rn 73; Veil, ZBB 2006, 162 (169); Fuchs/Zimmermann Vor §§ 37v-37z, Rn 32; KölnKommWpHG/Mock § 37v Rn 151 ff. KölnKommWpHG/Mock § 37v Rn 151.

Stefan Grundmann

5. Abschnitt: Emittentenkapitalmarktrecht

Gründe für eine Differenzierung sind nicht ersichtlich, auch ist schließlich das Gleichbehandlungsgebot zu beachten (keine schwächere Sanktionierung von Verstößen gegen Normen europarechtlichen Ursprungs).

C. Beteiligungstransparenz (§§ 33–47 WpHG n.F., ex-§§ 21–30) Schrifttum (Auswahl) a) Monographien, Sammelbände, Kommentare: Brellochs Publizität und Haftung von Aktiengesellschaften im System des Europäischen Kapitalmarktrechts, 2005; Heusel Rechtsfolgen einer Verletzung der Beteiligungstransparenzpflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG, 2011; Hildner Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002; Muhr Das Prinzip der Vollharmonisierung im Kapitalmarktrecht am Beispiel des Reformvorhabens zur Änderung der Transparenzrichtlinie, 2014; Wilke Grenzen einheitlicher Rechtsanwendung von Ver- und Geboten des Wertpapierhandelsgesetzes, 2010. b) Aufsätze und Beiträge: Brandt Stimmrechtsmitteilungen nach §§ 21, 25, 25a, 27a WpHG im Aktienemissionsgeschäft, WM 2014, 543; Brellochs Die Neuregelung der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungspublizität – Anmerkungen aus Sicht der M&A- und Kapitalmarktpraxis, AG 2016, 157; Brouwer Stimmrechtsverlust de lege ferenda bei unterlassener Meldung potentieller Stimmrechte (§§ 25, 25a WpHG), AG 2012, 78; Burgard/Heimann Beteiligungspublizität nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, WM 2015, 1445; Cahn Grenzen des Markt- und Anlegerschutzes durch das WpHG, ZHR 162 (1998), 1; Eggers Die Bußgeldleitlinien der BaFin – großer Wurf oder Stolperstein?, BB 2015, 651; Fleischer Rechtsverlust nach § 28 WpHG und entschuldbarer Rechtsirrtum des Meldepflichtigen, DB 2009, 1335; Fleischer/Schmolke Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz nach §§ 21 ff. WpHG und „Hidden Ownership“, ZIP 2008, 1501; Hitzer/Hauser Mitteilungspflichten für Vorkaufs- und ähnliche Rechte in Gesellschaftervereinbarungen, AG 2015, 891; Leyendecker-Langner/Huthmacher Die Aufstockungsabsicht nach § 27a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WpHG im Kontext von öffentlichen Übernahmen, AG 2015, 560; Meyer Erleichterungen im Recht der Stimmrechtsmitteilungen bei Aktienemissionen, BB 2016, 771; Nartowska/Walla Das Sanktionsregime für Verstöße gegen die Beteiligungstransparenz nach der Transparenzrichtlinie 2013, AG 2014, 891; Parmentier Die Revision der EU-Transparenzrichtlinie für börsennotierte Unternehmen, AG 2014, 15; Paudtke/Glauer Nachforschungspflichten der Emittentin hinsichtlich der Richtigkeit der Meldungen nach §§ 21 ff. WpHG, NZG 2016, 125; Piroth Die Klarstellung zur Mitteilungspflicht des Legitimationsaktionärs im Rahmen des geplanten Kleinanlegerschutzgesetzes, AG 2015, 10; H.-P. Roth Das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, GWR 2015, 485; Schilha Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie 2013: Neuregelung zur Beteiligungspublizität und periodischen Finanzberichterstattung, DB 2015, 1821; Schürnbrand Wider den Verzicht auf die gespaltene Auslegung im Kapitalmarktrecht, NZG 2011, 1213; Seibt, Der (Stimm-)Rechtsverlust als Sanktion für die Nichterfüllung kapitalmarktrechtlicher Mitteilungspflichten im Lichte des Vorschlags der Europäischen Kommission zur Reform der Transparenzrichtlinie, ZIP 2012, 797; Seibt/Wollenschläger Revision des Europäischen Transparenzregimes: Regelungsinhalte der TRL 2013 und Umsetzungsbedarf, ZIP 2014, 545; Segna Die sog. gespaltene Rechtsanwendung im Kapitalmarktrecht, ZGR 2015, 84; Veil Wie viel „Enforcement“ ist notwendig? Zur Reform des Instrumentenmix bei der Sanktionierung kapitalmarktrechtlicher Mitteilungspflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG, ZHR 175 (2011), 83; ders. Auf dem Weg zu einem Europäischen Kapitalmarktrecht: die Vorschläge der Kommission zur Neuregelung der Transparenzregime, WM 2012, 53; ders. § 20: Beteiligungstransparenz, in Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, S. 431; Veil/Dolff Kapitalmarktrechtliche Mitteilungspflichten des Treuhänders: Grundsätze und Grenzen der Zurechnung von Stimmrechtsanteilen nach § 22 WpHG, AG 2010, 385; Veil/Ruckes/Limbach/Doumet Today’s or yesterday’s news – eine empirische Analyse von Stimmrechtsmitteilungen nach §§ 21 ff. WpHG und Schlussfolgerungen für die Kapitalmarktregulierung, ZGR 2015, 709.

1. Regelungsumfeld und -ziel. Die §§ 21–30 WpHG a.F., §§ 33–47 WpHG n.F. ver- 846 pflichten zur Offenlegung von wesentlichen Veränderungen des Stimmrechtsanteils an InStefan Grundmann

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landsemittenten mit Zulassung an einem organisierten Markt. Der Normkomplex fußt von Anfang an in Europäischem Recht (nächste Rn), er wird umschrieben als die kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz oder -publizität und so zu benachbarten Regelungsgebieten ins Verhältnis gesetzt.669 Die Vorschriften bezwecken die Veröffentlichung relevanter Informationen am Kapitalmarkt. Dabei handelt es sich um eine Form der (sekundärmarktrechtlichen) Folgepublizität, die an die primärmarktrechtliche Publizität durch den Emissionsprospekt anschließt (oben Abschnitt 2) und der Fortschreibung zentraler Informationen dient. Konkret handelt es sich um eine besondere Form der Ad-hocPublizität, die die periodische Folgepublizität in Form von Jahres- und Halbjahresfinanzberichten nach §§ 114–118 WpHG n.F. (oben Rn 830–845) um Informationen zu einzelnen, erheblich kursrelevanten Informationen ergänzt. Die allgemeine Form der Ad-hoc-Publizität ist demgegenüber seit Verabschiedung der MAR aus dem WpHG ausgegliedert und europaeinheitlich geregelt (Art. 17 MAR, oben Rn 487–527). Insbesondere mit dieser teilt die Beteiligungstransparenz auch die zentralen Regulierungsideen – insbesondere auch den Charakter als Präventivregel zum Schutze von Marktintegrität (Prävention von Insiderhandel bzw. Marktmanipulation, darüber hinaus und spezifisch auch Schutz vor sog. „Anschleichen“; vgl. bereits oben Rn 779 f. und dann unten Rn 848). Trotz der erheblichen Bedeutung des Regimes gilt – wie schon bei der periodischen Publizität, ggf. sogar noch weitergehend als dort –, dass die Beteiligungstransparenz in die Hände der Anteilsberechtigten und Emittenten, also nicht der Kreditinstitute und Wertpapierfirmen gelegt ist, und daher das Investment Banking nur peripher betrifft (und entsprechend kursorisch zu erörtern ist). Pflichten zur Beteiligungstransparenz, die Zwecke jenseits des Kapitalmarkts verfolgen, finden sich außerdem im AktG (§§ 20–22) und im WpÜG (§ 23). 847 Europarechtliche Vorgaben zur Beteiligungspublizität machte erstmals die EG-Transparenz-Richtlinie von 1988 (88/627/EWG).670 Auf dieser Grundlage wurde der Normkomplex der §§ 21 ff. WpHG a.F. in Deutschland 1995 überhaupt erstmals eingeführt.671 Nach einem Intermezzo – mit Übertragung des (ansonsten unverändert belassenen) Normkomplexes in die EG-Börsenrechts-Richtlinie672 – wurde auf den Impuls des Financial Service Action Plan (FSAP)673 hin die EG-Transparenz-Richtlinie 2004 neu aufgelegt (2004/109/EG).674 Sie aktualisierte die Anforderungen für Anleger und Emittenten, setzte auf ein allgemein kapitalmarktorientiertes Regime und schuf insbesondere eine Mittei-

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Fuchs/Zimmermann Vor §§ 21–30 Rn 1 (m.w.Nachw.). Richtlinie 88/627/EWG des Rates vom 12.12.1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG 1988 L 348/1; Veil/Veil EuKapMR § 20 Rn 1. 2. Finanzmarktförderungsgesetz vom 26.7.1994, BGBl. I 1749; dazu Fuchs/Zimmermann Vor §§ 21–30 Rn 7; Emmerich/ Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: Vor §§ 21 ff. WpHG Rn 4. Umfassende Kodifikation des EU-Börsenrechtsregimes: Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und

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über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl.EG 2001 L 184/1; dazu Fuchs/Zimmermann Vor §§ 21–30 Rn 4; Emmerich/Habersack/ Schürnbrand Anhang § 22 AktG: Vor §§ 21 ff. WpHG Rn 8; zur Erklärung der Entwicklung auf Europäischer Ebene vgl. Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 119–124. KOM(1999) 232 vom 11. Mai 1999. Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl.EG 2004 L 390/38.

Stefan Grundmann

5. Abschnitt: Emittentenkapitalmarktrecht

lungspflicht für Finanzinstrumente.675 Dabei schrieb sie lediglich eine Mindestharmonisierung vor. Durch die Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie 2013/50/EU wurden die europäischen Vorschriften abermals abgeändert,676 wobei insbesondere das Sanktionsregime konkretisiert und der Anwendungsbereich erweitert wurde. Außerdem brachte die Richtlinie in wesentlichen Teilen einen Übergang zur Vollharmonisierung.677 Dies soll die Rechtssicherheit verbessern, Transparenz steigern und für grenzüberschreitend tätige Anleger den Verwaltungsaufwand verringern (vgl. Erw.grund 12 der Richtlinie 2013/50/EU). Dementsprechend beruht die aktuelle Systematik des Regimes zur Beteiligungstransparenz auf dem Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie von 2015.678 Freilich wurde das WpHG mit dem 2. FiMaNoG (vor allem zur Umsetzung von MiFID II) auch im 6. Abschnitt (zur Beteiligungstransparenz) komplett neu nummeriert (jetzt §§ 33–47 WpHG n.F.). Es wurde zudem in einigen Einzelpunkten auch inhaltlich geändert679 – eine parallele Zitierung beider Fassungen erscheint derzeit in jedem Falle angezeigt. Der Regelungszweck der europäischen Vorschriften und der §§ 21 ff. WpHG a.F., 848 §§ 33 ff. WpHG n.F. liegt im Anlegerschutz ebenso wie im Funktionsschutz des Kapitalmarktes als Institution.680 Diese Ziele teilen sich die Normen mit den übrigen kapitalmarktrechtlichen Publizitätsgeboten, insbesondere den ebenfalls in der Transparenzrichtlinie geregelten periodischen Publizitätspflichten. Sie sollen zu einem effizienten, transparenten und integrierten Wertpapiermarkt als Teil des Binnenmarktes beitragen. Verbesserte Informationen führen zunächst zu einer Steigerung der Effizienz auf Informationsmärkten, die sich wiederum in einer gesteigerten Allokationseffizienz auf den Kapitalmärkten auswirkt.681 Anleger sollen nach dem Willen des Europäischen Gesetzgebers Kenntnis der Beteiligungsentwicklung besitzen, wenn sie Kauf- und Verkaufsentscheidungen treffen.682 Die Zusammensetzung des Aktionärskreises und Veränderungen maßgeblicher Beteiligungen seien, wie der deutsche Gesetzgeber spezifizierte, wesentliche Kriterien für Anlageentscheidungen und hätten erhebliche Auswirkungen auf die Kursentwicklung.683

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KOM(2003) 138 endg., S. 21; dazu Veil/Veil EuKapMR § 20 Rn 2. Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG, ABl.EU 2013 L 294/13. Fuchs/Zimmermann Vor §§ 21–30 Rn 9 f.; Parmentier AG 2014, 15; Seibt/Wollenschläger ZIP 2014, 545.

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Gesetz vom 20.11.2015, BGBl. I, 2029; zur europäischen Vorgabe Parmentier AG 2014, 15; Blöink/Kumm BB 2013, 1963; Seibt/ Wollenschläger ZIP 2014, 545. Gesetz vom 23.6.2017, BGBl 2017 I, S. 1693; dazu ausf. unten 8. Teil Rn 1 ff., bes. Rn 13. Vgl. etwa Erw.grund 1 der Richtlinie 2004/109/EG. Zur ökonomischen Theorie Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 661 ff. (insbesondere zur sog. Efficient Capital Market Hypothesis [halbstarke Version], nach der sich jedenfalls die öffentlich verfügbaren Information in Kursen niederschlagen, die die tatsächlichen Werte weitgehend zutreffend wiederspiegeln); auch oben 5. Teil Rn 14–16 und 6. Teil Rn 67–69. Erw.grund 1 der RL 2004/106/EG. BT-Drucks. 12/6679, S. 52; dazu Veil/Veil EuKapMR § 20 Rn 3; bezogen auf Insiderinformationen auch Erw.grund 9 der RL 2013/50/EU.

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6. Teil. Marktregeln

Empirische Studien legen die Richtigkeit dieser Einschätzung nahe.684 Außerdem zielen die Vorschriften darauf ab, durch aktuelle und möglichst umfassende Informationen eine Transparenz schaffen, die Insiderinformationen entgegenwirkt.685 Des Weiteren soll ein unbemerktes Anschleichen an Emittenten erschwert werden.686 849 Da §§ 21 ff. WpHG a.F. und §§ 33 ff. WpHG n.F. umfassend auf EG/EU-Richtlinien beruhen, sind sie europarechtskonform auszulegen und ggf. fortzubilden. Umstritten ist, ob bisweilen eine gespaltene Auslegung bzw. Fortbildung geboten ist, d.h. ob die Norminterpretation davon abhängen kann, ob man sich in einem aufsichtsrechtlichen oder zivilrechtlichen Kontext befindet. Das strafrechtliche Analogieverbot schließt es nämlich für die Ordnungswidrigkeitentatbestände des § 39 WpHG a.F. bzw. § 120 WpHG n.F. aus, die §§ 21 ff. WpHG a.F. bzw. §§ 33 ff. WpHG n.F. (etwa die Zurechnung nach §§ 22 bzw. 34) analog anzuwenden. Da durch Anwendung der Transparenzrichtlinie der Anwendungsbereich der EU-Grundrechte eröffnet ist, folgt das Analogieverbot hier aus Art. 49 Abs. 1 S. 1 EU-Grundrechtecharta (häufig wird auch auf Art. 103 Abs. 2 GG verwiesen).687 In zivilrechtlichen Fällen gilt das Analogieverbot jedoch nicht. Der BGH lehnt eine gespaltene Auslegung bzw. Rechtsfortbildung ab und spricht sich etwa gegen eine Auslegung über den Wortlaut bzw. die analoge Anwendung des § 22 Abs. 2 WpHG a.F. bzw. § 34 Abs. 2 WpHG n.F. hinaus auch in zivilrechtlichen Fällen aus.688 Hierfür lässt sich zwar unter anderem das Argument der Einheit der Rechtsordnung anführen.689 Als Frage der Richtlinienauslegung ist zur Beantwortung dieser Frage freilich der EuGH berufen, auch ob eine strengere Auslegung im Zivilrecht geboten ist, weil sich hierauf die Sperrwirkung von Art. 49 Abs. 1 S. 1 EU-Grundrechtecharta nicht erstreckt (mit der Folge einer Vorlagepflicht des BGH). Die Pflicht zu europarechtskonformer Auslegung kann jedenfalls dann eine gespaltene Auslegung/Rechtsfortbildung verlangen,690 wenn nationale Richter hierfür gar nicht contra legem judizieren müssten, weil sie zur europarechtskonformen Auslegung unstreitig bis an die Grenze des methodisch Vertretbaren zu gehen haben.691

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2. Gesamtarchitektur. Die §§ 21 ff. WpHG a.F., §§ 33 WpHG n.F. enthalten sowohl Pflichten für Anleger als auch für Emittenten. Die wesentlichen Mitteilungspflichten für Anleger sind in den §§ 33, 38 WpHG n.F. (ex-§§ 21, 25), §§ 39 und 43 WpHG n.F. (ex-§§ 25a und 27a) niedergelegt. § 21 WpHG bzw. § 33 WpHG n.F. bildet die Ausgangsnorm. Diese Vorschrift verpflichtet Anleger zur Mitteilung, wenn sie bestimmte Schwellen von Stimmrechten aus Aktien börsennotierter Unternehmen zwischen 3 und 75 Prozent erreichen. Die folgenden Normen, §§ 22 ff. WpHG a.F. bzw. §§ 34 ff. WpHG n.F. spezifizieren, welche Stimmrechte bei der Berechnung berücksichtigt bzw. zugerechnet werden oder außen vor bleiben. Die Mitteilungspflicht des § 38 WpHG n.F. (ex-§ 25 WpHG) unterscheidet sich von der des § 33 WpHG n.F. (ex-§ 21 WpHG) dadurch, dass sie sich auf Inhaber bestimmter Finanzinstrumente bezieht. Diese haben, mit Ausnahme der 3 ProzentGrenze, an den gleichen Schwellen wie nach § 33 WpHG n.F. (ex-§ 21 WpHG) eine Mitteilung zu machen. Berühren die nach §§ 33 und 38 WpHG n.F. (ex-§§ 21 und § 25) zu

684 685 686 687

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Veil/Ruckes/Limbach/Doumet ZGR 2015, 709. BT-Drucks. 12/6679, S. 52. BT-Drucks. 16/2498, S. 26. Fuchs/Zimmermann Vor §§ 21–30 Rn 25; Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: Vor § 21 WpHG Rn 12. BGH Urt. 19.7.2011 – II ZR 246/09, NZG 2011, 1147 (1149).

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Fuchs/Zimmermann Vor §§ 21–30 Rn 25. In diese Richtung auch Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 7; vgl. allgemeiner oben 5. Teil Rn 139. Ständige Rechtsprechung des EuGH, z.B. Urt. v. 15.4.2008 – Rs. C-268/06 (Impact), Slg. 2008, I-02483 (Tz. 100 f.) und Verweise vorige Fn.

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5. Abschnitt: Emittentenkapitalmarktrecht

meldenden Stimmrechtsanteile in der Addition die besagten Schwellen, so folgt die Mitteilungspflicht aus § 39 WpHG n.F. (ex-§ 25a). In welcher Form die Mitteilungen zu erfolgen haben, spezifizieren neben den Vorschriften dieses Abschnitts auch §§ 17 ff. WpAIV. Eine Pflicht mit einem inhaltlich anderen Charakter folgt außerdem aus § 43 WpHG n.F. (ex-§ 27a Abs. 1): Hiernach haben Anleger ab der 10 Prozent-Schwelle eine Erklärung über die Absicht ihrer Beteiligung und die Herkunft verwendeter Mittel abzugeben. Pflichten für Emittenten finden sich im Wesentlichen in §§ 40 und 41 WpHG n.F. 851 (ex-§§ 26 und 26a). Daraus ergibt sich ein zweistufiger Mitteilungs- und Veröffentlichungsprozess: Nach § 40 WpHG n.F. (§ ex-§ 26) haben Emittenten die ihnen zugegangenen Anzeigen der nach §§ 33 ff. WpHG n.F. (ex-§§ 21 ff.) Meldepflichtigen (Wertpapierberechtigten) zu veröffentlichen, wobei nähere Details wiederum in der WpAIV geregelt sind. Nach § 41 WpHG n.F. (ex-§ 26a) haben Emittenten außerdem Veränderungen der Gesamtzahl der Stimmrechte zu veröffentlichen. Die BaFin kann (Inlands-)Emittenten mit Sitz in Drittstaaten unter den Voraussetzungen des § 46 WpHG n.F. (ex-§ 29a) von diesen Pflichten befreien. Die Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Mitteilungspflichten ergeben sich teils aus 852 dem Abschnitt selbst, teils greifen sonstige zivilrechtliche und ordnungswidrigkeitsrechtliche Normen ein (näher unten Rn 863 f., 866). Aus § 44 WpHG n.F. (ex-§ 28) folgt, dass Anleger ihre Rechte aus den betroffenen Aktien verlieren, solange sie die Pflichten aus §§ 33, 38 und 39 WpHG n.F. (ex-§§ 21, 25 und 25a) nicht erfüllen (dazu Rn 863). Weniger weit geht die Sanktion im Fall des Verstoßes gegen § 43 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 27a Abs. 1). Hier ist lediglich der betroffene Emittent verpflichtet, den Verstoß öffentlich zu machen, § 43 Abs. 2 WpHG n.F. (ex-27a Abs. 2). Verstoßen Emittenten gegen ihre Publizitätspflichten aus §§ 40, 41 WpHG n.F. (ex-§§ 26, 26a), sehen die §§ 33 ff. WpHG n.F. (ex-§§ 21 ff.) keine eigenen gesellschaftsrechtlichen Rechtsfolgen vor, doch begründet dies eine Ordnungswidrigkeit gem. § 120 Abs. 2 Nr. 10 WpHG n.F. (ex-§ 39 Abs. 2 Nr. 5c). 3. Zentrale Einzelfragen. Im Rahmen des skizzierten Gerüstes stellen sich verschiedene 853 Einzelfragen. Sie betreffen die Voraussetzungen der Mitteilungspflichten der Anteilsberechtigten, insbesondere Zurechnungsfragen, den Inhalt der Pflichten sowie die genauen Folgen von Verstößen, zuletzt auch die darauf folgenden Veröffentlichungspflichten von Emittenten. a) Meldepflicht von Anteilsberechtigten – Grundtatbestand und -inhalt. Die Melde- 854 pflicht nach § 33 WpHG n.F. (ex-§ 21) setzt bereits bei Erreichen von 3 Prozent der Stimmrechte ein – dies geht über die Anforderung der EG-Transparenz-Richtlinie (5 Prozent) hinaus und soll ein Anschleichen verhindern.692 Die weiteren Schwellen sind 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 und 75 Prozent der Stimmrechte. Anleger haben der betroffenen Gesellschaft sowie der BaFin Mitteilung sowohl dann zu erstatten, wenn sie die Schwellen erreichen bzw. überschreiten, als auch dann, wenn sie sie unterschreiten, § 33 Abs. 1 S. 1 (ex-§ 21 Abs. 1 S. 1). Dies gilt für Stimmrechte aus Aktien sämtlicher Emittenten, deren Herkunftsland Deutschland ist (vgl. dazu die Wahlrechte und Veröffentlichungspflichten nach §§ 4, 5 WpHG n.F.), und Inlandsemittenten aus Drittstaaten (dazu oben Rn 838), wenn ihre Aktien an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 33 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 WpHG n.F. ex-§ 21 Abs. 1 S. 1, Abs. 2).693 Der Kreis der adressierten Aktionäre ist grundsätzlich nicht

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Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 634.

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Legaldefinitionen hierzu in § 2 Abs. 13 und 14 WpHG n.F., früher § 2 Abs. 5 und 6 WpHG.

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beschränkt, ausgenommen ist jedoch der Emittent selbst (Umkehrschluss aus § 40 Abs. 1 S. 2WpHG n.F., ex-§ 26 Abs. 1 S. 2). Berücksichtigt werden nach dem seit 2015 geltenden Gesetzeswortlaut ausdrücklich nur Stimmrechte aus den Anlegern gehörenden Aktien, was so genannte Legitimationsaktionäre (z.B. Depotbanken, die nur zur Stimmrechtsausübung ermächtigt werden) ausschließt und die zuvor bestehende Unsicherheit beseitigt.694 § 33 Abs. 3 WpHG n.F. (ex-§ 21 Abs. 1b) bestimmt dabei, dass es für ein „Gehören“ in diesem Sinne genügt, dass jemand einen ohne zeitliche Verzögerung zu erfüllenden Anspruch auf die Übertragung von Aktien hat. Es kommt also auf das schuldrechtliche, nicht erst das dingliche Geschäft an. Diese Vorschrift geht auf die Transparenzrichtlinien-Änderungsrichtlinie von 2015 zurück und bezweckt eine Harmonisierung mit anderen Mitgliedstaaten, in denen kein Abstraktions- oder Trennungsprinzip gilt.695 855 Die Mitteilung nach § 33 WpHG n.F. (ex-§ 21) hat unverzüglich, spätestens aber innerhalb von vier Handelstagen zu erfolgen (zur Definition von Handelstagen vgl. § 47 WpHG n.F., ex-§ 30). Die Frist beginnt mit Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des meldepflichtigen Anlegers, § 33 Abs. 1 S. 3 WpHG n.F. (ex-§ 21 Abs. 1 S. 3). Seit der Gesetzesänderung von 2015 wird gem. § 33 Abs. 1 S. 4 WpHG n.F. (ex-§ 21 Abs. 1 S. 4) unwiderleglich vermutet, dass der Meldepflichtige spätestens zwei Handelstage nach Berühren der Schwelle Kenntnis hat. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Schwellenberührung darauf beruht, dass sich die Gesamtzahl der Stimmrechte ändert – hier hat der Anleger schließlich nicht die wesentliche Ursache gesetzt. Er muss erst ab tatsächlicher positiver Kenntnis Mitteilung erstatten, § 33 Abs. 1 S. 5 WpHG n.F. (ex-§ 21 Abs. 1 S. 5). Zur Form der Mitteilung legt § 18 WpAIV fest, dass diese schriftlich oder per Fax zu erfolgen hat, beziehungsweise im Fall der Mitteilung an die BaFin durch ein von dieser bereit gestelltes elektronisches Verfahren geschehen kann. Eine Mitteilung per Email reicht also nicht aus.696 Zu verwenden ist zwingend das Formular aus der Anlage zur WpAIV. § 42 WpHG n.F. (ex-§ 27) legt außerdem fest, dass auf Verlangen der BaFin oder des Emittenten das Bestehen der mitgeteilten Beteiligung nachzuweisen ist. Die BaFin kann so für eine effektive Kapitalmarktaufsicht sorgen, der Emittent kann sich vor unrichtigen Mitteilungen schützen.697 Mit dieser Nachweispflicht ist der deutsche Gesetzgeber über die EG-TransparenzRichtlinie (idF der Änderungsrichtlinie) hinausgegangen. Nach überzeugender hM ist dies – trotz Vollharmonisierungsgrundsatzes – europarechtlich zulässig, da die Vorschrift von der Ausnahmeregel in Art. 3 Abs. 1a UAbs. 4 ii) Gebrauch macht (Erlaubnis strengerer Verfahrensanforderungen).698 Für den Anspruch gemäß § 42 WpHG n.F. (ex-§ 27) ist im Übrigen nicht ausreichend, dass der Emittent in sonstiger Weise von Stimmrechtsveränderungen Kenntnis erhält, es bedarf nach dem Wortlaut einer vorausgehenden Mitteilung.699

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Dazu Piroth AG 2015, 10; RegE KleinanlegerschutzG, BT-Drucks. 18/3994, S. 53; vgl. zur Vorgeschichte etwa OLG Stuttgart Urt. v. 10.11.2004 – 20 U 16/03, AG 2005, 127; OLG Köln Urt. v. 6.6.2012 – 18 U 240/11, NZG 2012, 946; Nartowska NZG 2013, 124. Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 637 f. Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 21 WpHG Rn 21; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 18/6220, 88.

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Fuchs/Zimmermann § 27 Rn 1; Emmerich/ Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 27 WpHG Rn 1; MünchKommAktG/ Bayer Anh. § 22 AktG: § 27 WpHG Rn 1. Veil WM 2012, 53 (56); Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 27 WpHG Rn 2; KölnKommWpHG/Hirte § 27 Rn 7. OLG Stuttgart Urt. v. 15.10.2008 – 20 U 19/07, AG 2009, 124 (128).

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5. Abschnitt: Emittentenkapitalmarktrecht

b) Zurechnung und Nichtberücksichtigung von Anteilsrechten. Die wohl komplizier- 856 teste Regelung im gesamten Recht der Beteiligungstransparenz bildet die zu Zurechnung oder Nichtberücksichtigung von Anteilsrechten oder indirekten Einflusstatbeständen. § 34 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 22 Abs. 1) weitet den Anwendungsbereich der Pflichten aus § 33 WpHG n.F. (ex-§ 21) aus und bestimmt, dass für die Bestimmung der Höhe des Stimmrechtsanteils einem Anleger bestimmte Aktien zugerechnet werden, die ihm nicht selbst gehören. Entscheidend ist in all diesen Fällen, dass der Meldepflichtige die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung besitzt. Die Zurechnung soll Umgehungen der Meldepflicht ausschließen und so eine für die wirtschaftliche Betrachtung akkurate Information der Marktteilnehmer sicherstellen.700 Aus § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG n.F. (ex-§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1) ergibt sich die Zurechnung der einem Tochterunternehmen gehörenden Aktien für das Mutterunternehmen. Auch hier richtet sich das „Gehören“ nach § 33 Abs. 3 WpHG n.F. (ex-§ 21 Abs. 1b), beginnt also nach den dort niedergelegten Voraussetzungen mit dem schuldrechtlichen Geschäft. Der Begriff des Tochterunternehmens ist in § 35 WpHG n.F. (ex-§ 22a) näher definiert. Nach § 35 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 22a Abs. 1) ist danach grundsätzlich jedes Unternehmen Tochterunternehmen, das nach § 290 HGB als Tochterunternehmen gilt oder auf das ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann. § 35 Abs. 2–4 WpHG n.F. (ex-§ 22a Abs. 2–4) sehen von diesem Grundsatz verschiedene Ausnahmen vor, insbesondere für Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Kapitalverwaltungsgesellschaften. Eine Rückausnahme enthält § 35 Abs. 5 WpHG n.F. (ex-§ 22a Abs. 5). Im Allgemeinen kann es in der Folge von Stimmrechtszurechnungen zu einer doppelten Meldepflicht kommen: Grundsätzlich ist gleichzeitig der Aktionär, dessen Stimmrechte zugerechnet werden, ebenso wie der Aktionär, dem die Stimmrechte zugerechnet werden, meldepflichtig. Bei Tochterunternehmen besteht jedoch eine Ausnahme von einer solchen doppelten Meldepflicht gem. § 37 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 24 Abs. 1). Diese müssen Beteiligungsänderungen nicht melden, wenn die Mitteilung durch das Mutterunternehmen erfolgt.701 Zu den weiteren gem. § 34 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 22 Abs. 1) zuzurechnenden Stimm- 857 rechten zählen zunächst solche aus Aktien, die einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten werden, § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG n.F. (ex-§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2). In diesen Fällen trägt der Meldepflichtige die Risiken und Chancen und kann als wirtschaftlicher Eigentümer bezeichnet werden.702 Hierunter sind etwa Fälle der Treuhand und der mittelbaren Stellvertretung zu fassen.703 Ob die Vorschrift auch für Vermögensverwaltungsgesellschaften und Cash Settled Equity Swaps gilt, ist umstritten.704 Nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG n.F. (ex-§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3) sind außerdem sicherungsübereignete Aktien zuzurechnen. Der Grund hierfür ist, dass der Sicherungsgeber regelmäßig wirtschaftlich Eigentümer bleibt und Weisungen zur Stimmrechtsausübung erteilt.705 Eine Ausnahme von der Zurechnung besteht daher auch aus-

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Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 640. Fuchs/Zimmermann § 24 Rn 1; KölnKommWpHG/Hirte § 24 Rn 2. MünchKommAktG/Bayer Anh. § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 19; KölnKommWpHG/ Hirte § 22 Rn 75; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 644. MünchKommAktG/Bayer Anh. § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 20.

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Assmann/Schneider/U. Schneider § 22 Rn 59 ff.; MünchKommAktG/Bayer Anh. § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 21 f., 26; Fuchs/Zimmermann, § 22 Rn 53 ff.; BuckHeeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 645. Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 646.

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drücklich, wenn der Sicherungsnehmer zur Ausübung der Stimmrechte befugt ist und die Absicht bekundet, die Stimmrechte unabhängig von den Weisungen des meldepflichtigen Sicherungsgebers auszuüben. Gem. § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WpHG n.F. (ex-§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 4) sind des Weiteren Stimmrechte aus Aktien hinzuzurechnen, an denen zugunsten des Meldepflichtigen ein Nießbrauch bestellt ist. In diesem Kontext – aber nicht darüber hinaus – erübrigt sich also die Streitfrage, wem beim Nießbrauch an Aktien die Stimmrechte zustehen.706 Der Zurechnungstatbestand des § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG n.F. (ex-§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5) bezieht sich auf Aktien, die der Meldepflichtige durch eine Willenserklärung erwerben kann. Der alte Streit, ob hierunter der Fall zu fassen ist, dass ein Kaufvertrag geschlossen, die Aktien aber noch nicht übertragen sind, ist wegen § 33 Abs. 3 WpHG n.F. (ex-§ 21 Abs. 1b) obsolet – die Aktien „gehören“ dann schon dem Erwerber und eine Zurechnung ist überflüssig. Sonstige schuldrechtliche Optionen sind nach inzwischen ganz hM nicht erfasst (§ 33 Abs. 3 WpHG n.F. e contrario).707 Es verbleibt die Anwendbarkeit für dingliche Optionen.708 Des Weiteren sind gem. § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 WpHG n.F. (ex-§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 6) Stimmrechte aus Aktien hinzuzurechnen, die dem Meldepflichtigen anvertraut sind. Erforderlich ist hierfür ein besonderes Vertrauensverhältnis, worunter auch gesetzliche Verhältnisse fallen können (z.B. Testamentsvollstreckung, Insolvenzverwaltung).709 Voraussetzung ist dabei nach dem Gesetz ausdrücklich, dass der Meldepflichtige die Stimmrechte nach eigenem Ermessen ausüben kann. § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 WpHG n.F. (ex-§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 7) erfasst die isolierte Übertragung von Stimmrechten. Da dies nach deutschem Gesellschaftsrecht ausgeschlossen ist (aktienrechtliches Abspaltungsgebot), kann die Regelung lediglich für Auslandsfälle relevant werden.710 Schlussendlich sind außerdem gem. § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 WpHG n.F. (ex-§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 8) vom Meldepflichtigen sicherheitsverwahrte Aktien ihm zuzurechnen. Diese Auffangregelung wurde zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie eingefügt und greift, wenn ein Sicherungsnehmer die Aktien nicht übereignet bekommt, sondern lediglich verwahrt, die Stimmrechte ausüben kann und auch die Absicht bekundet, dies tun zu wollen.711 Im Anschluss an die einzelnen Zurechnungstatbestände legen § 34 Abs. 1 S. 2 und 3 WpHG n.F. (ex § 22 Abs. 1 S. 2 und 3) fest, dass dem Meldepflichtigen seine Tochterunternehmen für die Zurechnung nach Nr. 2–8 gleichstehen. Insofern kommt es zu einer Kettenzurechnung. Ob dem Meldepflichtigen auch in anderen Fällen Stimmrechte zugerechnet werden können, wenn sie demjenigen, von dem sie zugerechnet werden, auch lediglich zugerechnet werden, ist umstritten. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift muss dies jedenfalls dann bejaht werden, wenn der Meldepflichtige Einflussmöglichkeiten auf die Stimmrechtsausübung besitzt, da ansonsten einfache Umgehungsmöglichkeiten bestünden.712

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BT-Drucks. 12/6679, S. 53 f.; MünchKommAktG/Bayer Anh. § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 29; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 648. BGH Urt. v. 29.07.2014 – II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 (Tz. 40); BT-Drucks. 14/7034, S. 54; Assmann/Schneider/U. Schneider § 22 Rn 105 ff.; Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 16. BT-Drucks. 14/7034, S. 54; Assmann/Schneider/U. Schneider § 22 Rn 102 ff.; Emmerich/ Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 16.

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Assmann/Schneider/U. Schneider § 22 Rn 116 ff., 119; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 651. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 653; Emmerich/Habersack/ Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 20. Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Anhang § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 21; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 654. Ebenso Fuchs/Zimmermann § 22 Rn 15; Assmann/Schneider/U. Schneider § 22 Rn 21 f.; MünchKommAktG/Bayer Anh.

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5. Abschnitt: Emittentenkapitalmarktrecht

§ 34 Abs. 2 WpHG n.F. (ex-§ 22 Abs. 2) besagt, dass bei abgestimmtem Verhalten in 858 qualifizierter Weise ebenfalls eine Zurechnung erfolgt („acting in concert“).713 Erforderlich ist hierfür ein kommunikativer Vorgang, ein bloßes Parallelverhalten reicht nicht aus.714 Die Abstimmung kann nach dem Gesetz durch Vereinbarung oder in sonstiger Weise erfolgen. Unter Vereinbarungen fallen etwa Stimmrechtsbindungs- oder -überlassungsverträge sowie Poolvereinbarungen.715 Unter ein Zusammenwirken in sonstiger Weise fallen etwa so genannte Gentlemen’s Agreements.716 Die Abstimmung muss sich auf entweder die Ausübung von Stimmrechten des Emittenten beziehen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten erfolgen (§ 22 Abs. 2 S. 2 WpHG n.F., ex-§ 22 Abs. 2 S. 2). Mit der letzteren Alternative wird klargestellt, dass eine Abstimmung auch außerhalb der Hauptversammlung geschehen kann. Durch die qualifizierten Anforderungen wird dabei festgelegt, dass etwa bloße „Stand Still“-Vereinbarungen nicht genügen.717 Es ist nach dem Gesetz des Weiteren ausdrücklich nicht ausreichend, wenn die Abstimmung (in beiden Alternativen) lediglich in Einzelfällen geschieht (§ 34 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 WpHG n.F., ex-§ 22 Abs. 2 S. 1 Hs. 2). Umstritten ist dabei, ob der Begriff des Einzelfalls formal (einmalige Abstimmung würde dann nie genügen) oder materiell auszulegen ist (punktuelle Einflussnahme reicht zwar nicht, aber einmalige Abstimmung über langfristige Strategie genügt).718 § 36 WpHG n.F. (ex-§ 23) regelt, welche Stimmrechte nicht berücksichtigt werden und 859 wirkt damit im Vergleich zu § 34 WpHG n.F. (ex-§ 22) in umgekehrter Richtung. Die Vorschrift betrifft Konstellationen, in denen der Stimmrechtsinhaber an der Ausübung seiner Stimmrechte kein Interesse hat und sie nicht wahrnehmen wird.719 Sie betrifft insbesondere professionelle Kapitalanleger, die Aktien nur kurzfristig halten.720 Ihr Zweck liegt darin, unnötigen Verwaltungsaufwand und eine Irreführung des Marktes zu vermeiden.721 § 36 Abs. 1–5 WpHG n.F. (ex-§ 23 Abs. 1–4) regeln Tatbestände der Nichtberücksichtigung von Stimmrechten, § 36 Abs. 6 WpHG n.F. (ex-§ 23 Abs. 5) die Folgen für die Stimmrechte. Nach § 36 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 23 Abs. 1) werden Wertpapierunternehmen mit Sitz im EWR privilegiert, welche Aktien mit nicht mehr als 5 Prozent der Stimmrechte im Handelsbuch halten und sicherstellen, dass die Stimmrechte nicht zur Einflussnahme genutzt werden. Nach § 36 Abs. 2 WpHG n.F. (ex-§ 23 Abs. 1a) sind Aktien ausgenommen, die allein zur Kursstabilisierung nach der VO (EG) Nr. 2273/2003 erworben wurden. Auch hier ist notwendig, dass der Inhaber sicherstellt, dass die Stimmrechte nicht zur Einfluss-

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§ 22 AktG: § 22 WpHG Rn 8; Emmerich/ Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 7. Der international gängige Begriff taucht auch in der Regierungsbegründung auf: BTDrucks. 14/7034, 54. BaFin Emittentenleitfaden, 2013, VIII.2.5.8.; OLG Frankfurt Urt. v. 25.6.2004 – WpÜG 5/03a, 6/03 und 8/03, NZG 2004, 865; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann § 22 WpHG Rn 89 f.; Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 24. BT Drucks. 12/6679, S. 54; Assmann/Schneider/U. Schneider § 22 Rn 197 ff.; Emmerich/ Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 25; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 656.

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MünchKommAktG/Bayer Anh. § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 47; Emmerich/Habersack/ Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 25. Vgl. dazu BGH Urt. v. 18.9.2006 – II ZR 137/05, NZG 2006, 945; BT-Drucks. 16/9821, S. 11; Assmann/Schneider/U. Schneider, § 22 Rn 184. Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 22 WpHG Rn 25; Assmann/ Schneider/U. Schneider § 22 Rn 191 ff. Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 23 WpHG Rn 1. MünchKommAktG/Bayer Anh. § 22 AktG: § 23 WpHG Rn 1. BT-Drucks. 12/6679, S. 54; BT-Drucks. 16/2498, S. 35.

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nahme genutzt werden. Nach § 36 Abs. 3 Nr. 1 WpHG n.F. (ex-§ 23 Abs. 2 Nr. 1) werden Aktien nicht berechnet, die im Rahmen des Clearing und Settlement gehalten werden.722 Anders als nach § 36 Abs. 1 WpHG ist dies nicht auf eine bestimmte Höhe von Stimmrechten beschränkt, doch ist die Haltefrist auf drei Tage beschränkt. § 36 Abs. 3 Nr. 2 WpHG n.F. (ex-§ 23 Abs. 2 Nr. 2) bezieht sich auf von Verwahrstellen gehaltene Aktien, deren Stimmrechte diese nur nach besonderer Weisung ausüben dürfen. § 36 Abs. 4 WpHG n.F. (ex-§ 23 Abs. 3) privilegiert kurzfristige Geschäfte von Währungsbehörden. § 36 Abs. 5 WpHG n.F. (ex-§ 23 Abs. 4) bietet eine Ausnahmevorschrift für so genannte Market Maker. Nach der Legaldefinition des § 36 Abs. 5 WpHG n.F. (ex-§ 23 Abs. 4) – in der neueren Fassung zwar unverändert, jedoch nicht mehr ausdrücklich als Legaldefinition ausgewiesen – meint dies Personen, die am Markt dauerhaft anbieten, Finanzinstrumente im Wege des Eigenhandels zu selbst gestellten Preisen zu kaufen oder zu verkaufen. Die Regelung bezieht sich, anders als die in den vorherigen Absätzen, lediglich auf die Schwelle von 3 und 5 Prozent. Als Folge der Nichtberücksichtigung nach allen genannten Tatbeständen legt § 36 Abs. 6 WpHG n.F. (ex-§ 23 Abs. 5) fest, dass die betroffenen Stimmrechte nicht ausgeübt werden können, wobei Aktien in Verwahrstellen nach § 36 Abs. 3 Nr. 2 WpHG n.F. (ex-§ 23 Abs. 2 Nr. 2) ausgenommen werden.

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c) Weitere Meldepflichten. § 38 WpHG n.F. (ex-§ 25) erstreckt die Mitteilungspflichten nach § 33 WpHG n.F. (ex-§ 21) auf die Inhaber bestimmter Instrumente. Dies soll Umgehungen vermeiden und insbesondere ein heimliches Anschleichen verhindern.723 Nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers sollen alle Finanzinstrumente erfasst werden, die eine dem Halten von Aktien oder Aktienbezugsrechten vergleichbare wirtschaftliche Wirkung haben.724 § 38 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 25 Abs. 1) sieht in Umsetzung des Art. 1 Nr. 9 der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie hierzu drei verschiedene Tatbestände vor. Dass der deutsche Gesetzgeber dabei den neutraleren Begriff des Instruments verwendet, hat dabei im Übrigen inhaltlich keine Bedeutung.725 Nach S. 1 Nr. 1 a) sind Instrumente meldepflichtig, mit denen der Inhaber die Aktien durch bloßen Zeitablauf erwirbt. S. 1 Nr. 1 b) bezieht sich auf den Fall, dass es im Ermessen des Inhabers steht, ob er die Aktien erwirbt. Eine Auffangfunktion kommt S. 1 Nr. 2 zu, nach dem Instrumente zu berücksichtigen sind, die sich auf Aktien beziehen und eine vergleichbare wirtschaftliche Wirkung haben wie die in Nr. 1 genannten Instrumente. Darunter fallen etwa finanzielle Differenzgeschäfte und Cash Settled Equity Swaps.726 Eine beispielhafte Aufzählung von Instrumenten enthält § 38 Abs. 2 WpHG n.F. (ex-§ 25 Abs. 2): übertragbare Wertpapiere, Optionen, Terminkontrakte, Swaps, Zinsausgleichsvereinbarungen und Differenzgeschäfte. Die Vorschrift ist vor allem illustrierend zu verstehen und weder konstitutiv noch abschließend.727 Die Mitteilungspflicht entsteht jeweils bei Berühren der gleichen Schwellen wie nach § 33 WpHG n.F. (ex-§ 21), mit Ausnahme der 3 Prozent-Schwelle. Näheres zur Berechnung enthält § 38 Abs. 3 WpHG n.F. (ex-§ 25 Abs. 3). Anders als nach der Rechtslage vor 2015 sind die Stimmrechte aus Aktien gem. §§ 33, 34 WpHG n.F. (ex-§§ 21, 22) bei

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Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 23 WpHG Rn 5. BT-Drucks. 16/2498, S. 37; BT-Drucks. 17/3628, S. 2, 19; Erw.grund 9 der Richtlinie 2013/50/EU. Erw.grund 9 der Richtlinie 2013/50/EU. BT-Drucks. 18/5010, S. 46; Burgard/ Heimann WM 2015, 1445 (1450); Buck-

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Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 667. Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 25 WpHG Rn 13 ff., auch zu weiteren Beispielen; vgl. auch Seibt/Wollenschläger ZIP 2014, 545. Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 25 WpHG Rn 4.

Stefan Grundmann

5. Abschnitt: Emittentenkapitalmarktrecht

der Berechnung nicht zu berücksichtigen, die Lücke füllt seitdem der 2015 umgekehrt hinzugekommene § 39 WpHG n.F. (auch ex-§ 25a) (unten Rn 861).728 Für den Inhalt der Pflicht gilt § 33 WpHG n.F. (ex-§ 21) (und damit auch die Ausführungen oben Rn 855) entsprechend, insbesondere auch zu Form und Frist.729 Auch gilt die Privilegierung für Tochterunternehmen des § 37 WpHG n.F. (ex-§ 24) (dazu oben Rn 856). Der erst durch die Richtlinienumsetzung von 2015 eingeführte § 39 WpHG n.F. 861 (ex-§ 25a) begründet eine Meldepflicht für den Fall, dass die Stimmrechte nach §§ 33, 34 WpHG n.F. (ex-§§ 21, 22) und Instrumente nach § 38 WpHG n.F. (ex-§ 25) in der Addition Stimmrechtsschwellen berühren. Wie schon § 38 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 25 Abs. 1) verweist die Norm dabei auf die in § 33 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 21 Abs. 1) genannten Schwellenwerte unter Ausnahme der 3-Prozent-Schwelle. Diese Meldepflicht tritt zu den nach §§ 33, 38 WpHG n.F. (ex-§§ 21, 25) bestehenden hinzu und vervollständigt somit die Transparenz.730 Zum Inhalt der Mitteilungspflicht sowie Form und Frist gilt § 33 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 21 Abs. 1) entsprechend. Auch die Privilegierung des § 37 WpHG n.F. (ex-§ 24) ist anzuwenden. Einen weitergehenden Inhalt hat die Pflicht nach § 43 Abs. 1 WpHG (ex-§ 27a Abs. 1): 862 Anleger haben sich danach über die Ziele des Erwerbs und die Herkunft der verwendeten Mittel gegenüber dem Emittenten (nicht aber der Öffentlichkeit) zu erklären. Die Mitteilungspflicht greift ab der 10 Prozent-Schwelle bei Erreichen (bewusst jedoch nicht Unterschreiten) aller in § 33 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 21 Abs. 1) genannten Schwellen. Sie gilt nur für Stimmrechte aus Aktien gem. §§ 33, 34 WpHG n.F. (ex-§§ 21, 22), wie sich aus § 43 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F. (ex-§ 27a Abs. 1 S. 1) ergibt, der nur auf diese Vorschriften, nicht jedoch auf § 38 f. WpHG n.F. (ex-§§ 25, 25a) verweist. Von der Transparenzrichtlinie wird diese Pflicht nicht vorgegeben, ist aber nach ihrem Art. 3 Abs. 1a UAbs. 4 ii) zulässig. Sie orientiert sich an Vorbildern in den USA und Frankreich.731 Der Inhalt der Mitteilung bezüglich der Absichten wird in § 43 Abs.1 S. 3 WpHG n.F. (ex-§ 27a Abs.1 S. 3) abschließend geregelt. Der Anleger muss danach angeben, ob die Investition strategische Ziele oder bloß Handelsgewinne verfolgt (Nr. 1). Außerdem muss er mitteilen, ob er innerhalb der nächsten zwölf Monate weitere Stimmrechte zu erlangen beabsichtigt (Nr. 2), ob er auf die Besetzung der Organe Einfluss nehmen will (Nr. 3) und er eine wesentliche Änderung der Kapitalstruktur anstrebt (Nr. 4). Der Anleger wird durch seine Mitteilung nicht an seine Ziele gebunden, doch hat er bei Zieländerungen erneut Mitteilung zu erstatten, § 43 Abs.1 S. 2 WpHG n.F. (ex-§ 27a Abs.1 S. 2). Den Inhalt der Mitteilung bezüglich der Mittelherkunft spezifiziert § 43 Abs.1 S. 4 WpHG n.F. (ex-§ 27a Abs.1 S. 4). Anzugeben ist danach, ob es sich um Eigen- oder Fremdkapital handelt. Bei gemischter Finanzierung muss der jeweilige Anteil genannt werden, eine darüber hinausgehende Offenlegung von Details ist aber nicht erforderlich.732 Die Frist für die Mitteilung beträgt gem. § 43 Abs.1 S. 1 WpHG n.F. (ex-§ 27a Abs. 1 S. 1) 20 Handelstage; zum Fristbeginn gilt § 33 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 21 Abs. 1) entsprechend.733 Die Mitteilungspflicht entfällt gem. § 43 Abs.1 S. 5 WpHG n.F. (ex-§ 27a Abs.1 S. 5), wenn der Schwellenwert aufgrund eines An-

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Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 670; Emmerich/Habersack/ Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 25a WpHG Rn 1. Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 25 WpHG Rn 24.

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Parmentier, AG 2014, 15 (22); Emmerich/ Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 25a WpHG Rn 4. BT-Drucks. 16/7438, S. 12. BT-Drucks. 16/7438, S. 12. Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 676.

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6. Teil. Marktregeln

gebots nach dem WpÜG erreicht wurde.734 Angesichts der gem. § 11 Abs. 1 WpÜG zu veröffentlichenden Angebotsunterlage sind weitere Mitteilungen überflüssig.

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d) Verstoßfolgen. Verstoßen Anleger gegen die Pflichten nach §§ 33 ff. WpHG n.F. (ex-§§ 21 ff.), so hat dies gem. § 44 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F. (ex-§ 28 Abs. 1 S. 1) den (zeitweiligen) Rechtsverlust der ihnen gehörenden und zugerechneten Aktien zur Folge. Die Pflichtverletzung muss hierfür nach hM schuldhaft erfolgen,735 wobei umstritten ist, ob außer über § 31 BGB auch eine Zurechnung gem. § 278 BGB erfolgt.736 Der Rechtsverlust betrifft grundsätzlich nicht nur Stimmrechte, sondern auch Verwaltungs- und Vermögensrechte, soweit nicht die Ausnahme des § 44 Abs. 1 S. 2 WpHG n.F. (ex-§ 28 Abs. 1 S. 2) greift. Für Verstöße gegen die Pflichten aus §§ 38, 39 WpHG (ex-§§ 25, 25a) trifft § 44 Abs. 2 WpHG n.F. (ex-§ 28 Abs. 2) eine entsprechende Regelung. Der Rechtsverlust betrifft in diesem Fall aber ebenfalls nur Aktien, die dem Meldepflichtigen gehören oder zuzurechnen sind sowie solche, die ihm später übertragen werden ab dem Zeitpunkt des Erwerbs.737 Die Nichterfüllung der Pflichten ist nicht erst dann zu bejahen, wenn eine Mitteilung ganz ausgeblieben ist. Um Umgehungen zu vermeiden und die Ziele der §§ 33 ff. WpHG n.F. (ex-§§ 21 ff.) effektiv durchzusetzen, greift § 44 WpHG n.F. (ex-§ 28) mit der hM auch dann, wenn die Pflicht unvollständig erfüllt wurde.738 Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit kann aber ein ganz unerheblicher Verstoß nicht ausreichen.739 Der Rechtsverlust als Folge des Pflichtverstoßes tritt automatisch ein und endet automatisch ex nunc mit Nachholen der Pflicht.740 Er betrifft sämtliche Aktien, die dem Meldepflichten gehören – sowie jene, die ihm zugerechnet werden –, und nicht bloß die oberhalb der jeweiligen Schwellen liegenden.741 Wird ein verlorenes Stimmrecht dennoch ausgeübt, führt dies zur Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschusses.742 Bezüglich des Dividendenanspruchs sowie des Anspruchs auf Liquidationserlös bestimmt § 44 Abs. 1 S. 2 WpHG n.F. (ex-§ 28 Abs. 1 S. 2), dass diese nicht verloren gehen, wenn die Mitteilung nicht vorsätzlich unterlassen wurde oder nachgeholt wird. Eine Verschärfung enthält dagegen § 44 Abs. 1 S. 3 WpHG n.F. (ex-§ 28 Abs. 1 S. 3): Erfolgt der Pflichtverstoß vorsätzlich oder grob fahrlässig und betrifft er die Höhe des Stimmrechtsanteils, dann ver-

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Näher zu § 27a WpHG im Kontext von öffentlichen Übernahmen Leyendecker-Langner/Huthmacher AG 2015, 560. BT-Drucks. 16/9821, S. 12; OLG München Urt. v. 9.9.2009 – 7 U 1997/09, NZG 2009, 1386 (1388); KG Berlin Beschl. v. 9.6.2008 – 2 W 101/07, AG 2009, 30 (38); Fuchs/Zimmermann § 28 Rn 16; MünchKommAktG/Bayer Anh. § 22 AktG: § 28 WpHG Rn 11; Emmerich/Habersack/ Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 28 WpHG Rn 10 ff.; aA S. Schneider/U. Schneider ZIP 2006, 493 (496). Überblicke bei MünchKommAktG/Bayer Anh. § 22 AktG: § 28 WpHG Rn 12; BuckHeeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 690 f. Zur Behandlung von Rechtsirrtümern Fleischer DB 2009, 1335 BT-Drucks. 18/5010, S. 48; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 691.

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Zum Meinungsstand MünchKommAktG/ Bayer Anh. § 22 AktG: § 28 WpHG Rn 7; Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 28 WpHG Rn 8 f.; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 687 ff. Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 28 WpHG Rn 8; KölnKommWpHG/Kremer/Oesterhaus, § 28 Rn 31; etwas großzügiger (erheblicher Verstoß) Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 688; Scholz AG 2009, 313; Fuchs/ Dehlinger/Zimmermann § 28 WpHG Rn 12. Assmann/Schneider/U. Schneider § 28 Rn 27. Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 28 WpHG Rn 13, 17 ff. MünchKommAktG/Bayer Anh. § 22 AktG: § 28 WpHG Rn 22; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 692.

Stefan Grundmann

5. Abschnitt: Emittentenkapitalmarktrecht

längert sich der Stimmrechtsverlust um sechs Monate über den Zeitpunkt der nachträglichen Pflichterfüllung hinaus. Diese Regelung soll das Anschleichen kurz vor einer Hauptversammlung verhindern.743 Weitere Folgen von Verstößen gegen §§ 33, 38 und 39 WpHG n.F. (ex-§§ 21, 25 und 864 25a) ergeben sich zum einen aus dem Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 120 WpHG n.F. (ex-§ 39). Verstößt der Meldepflichtige vorsätzlich oder leichtfertig gegen § 33 WpHG n.F. (ex-§ 21), kann dies gem. § 120 Abs. 2 Nr. 2 d), Abs. 4 WpHG n.F. (ex-§ 39 Abs. 2 Nr. 2 f), Abs. 4) mit einem Bußgeld geahndet werden. Im Fall von Verstößen gegen §§ 38, 39 WpHG n.F. (ex-§§ 25, 25a) folgt die gleiche Sanktionsmöglichkeit aus § 120 Abs. Nr. 2 e), Abs. 4 WpHG n.F. (ex-§ 39 Abs. Nr. 2 g), Abs. 4). Bei natürlichen Personen kann das Bußgeld bis zu zwei Millionen Euro betragen, für juristische Personen bis zu 10 Millionen Euro oder 5 Prozent des jährlichen Umsatzes, § 120 Abs. 17 S. 1 WpHG n.F. (ex-§ 39 Abs. 4 S. 1).744 Um Verstöße wirtschaftlich sinnlos zu machen, bestimmt § 120 Abs. 17 S. 3 WpHG n.F. (ex-§ 39 Abs. 4 S. 3) verschärfend, dass über die genannten Höchstgrenzen hinaus die Geldbuße bis zum Doppelten des erlangten Vorteils betragen kann. Des Weiteren muss die BaFin gem. § 124 WpHG n.F. (ex-§ 40c) im Sinne eines „naming und shaming“ eine Bekanntmachung veröffentlichen. Darin muss sie Maßnahmen und Sanktionen wegen Verstößen gegen §§ 33 ff. WpHG n.F. (ex-§§ 21 ff.) unter namentlicher Nennung angeben. Darüber hinaus kommen auch zivilrechtliche Haftungsfolgen gem. § 823 Abs. 2 BGB in Betracht. Bei §§ 33, 38 und 39 WpHG n.F. (ex-§§ 21, 25 und 25a) handelt es sich nach überzeugender hM um Schutzgesetze, da sie auch drittschützende Wirkung haben.745 Dies ergibt sich insbesondere aus der europarechtskonformen Berücksichtigung des Anlegerschutz-Ziels der EG-Transparenz-Richtlinie. Es trägt wesentlich zum Vertrauen der Anleger bei, wenn sie wissen, sich bei (kursrelevanten) Mitteilungsunterlassungen schadlos halten zu können. Außerdem hat der Gesetzgeber auf eine Regelung wie § 15 Abs. 6 WpHG a.F. bewusst verzichtet.746 Möglich sind zudem Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB iVm 263 StGB sowie aus § 826 BGB. e) Veröffentlichungspflichten des Emittenten und Verstoßfolgen. Veröffentlichungs- 865 pflichten des Emittenten sind in §§ 40, 41 und 43 Abs. 2 WpHG n.F. (ex-§§ 26, 26a und 27a Abs. 2) geregelt. Nach § 40 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F. (ex-§ 26 Abs. 1 S. 1) haben Inlandsemittenten (Legaldefinition in § 2 Abs. 14 WpHG n.F.) unverzüglich, spätestens aber nach drei Handelstagen, eine Mitteilung zu veröffentlichen, wenn ihnen eine Anzeige von Anlegern gem. §§ 33, 38 und 39 WpHG n.F. (ex-§§ 21, 25 und 25a) zugegangen ist. Auf diese Weise verwirklichen sie die Beteiligungspublizität: Während die Anleger nach §§ 33 ff. WpHG n.F. (ex-§§ 21 ff.) nur zur Mitteilung an den Emittenten (und die BaFin) verpflichtet sind, muss erst der Emittent die europaweite Öffentlichkeit über ein Bündel von Medien informieren. Die näheren Formvorgaben ergeben sich aus § 40 Abs. 3 Nr. 1

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BT-Drucks. 16/7438, S. 13; Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 28 WpHG Rn 22; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 694. Näher zur Bußgeldzumessung: BaFin, WpHG-Bußgeldleitlinien vom 29.11.2013, abrufbar unter https://www.bafin.de/Shared Docs/Downloads/DE/Leitfaden/WA/dl_buss geldleitlinien_2013.html; dazu Eggers BB 2015, 651.

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Assmann/Schneider/U. Schneider § 28 Rn 79 ff.; KölnKommWpHG/Hirte § 21 Rn 4; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 695 f.; aA Emmerich/Habersack/ Schürnbrand Anhang § 22 AktG: Vor §§ 21 ff. WpHG Rn 16; Fuchs/Zimmermann Vor §§ 21–30 Rn 20 ff. KölnKommWpHG/Hirte § 21 Rn 4; BuckHeeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 695 f.

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6. Teil. Marktregeln

WpHG n.F. (ex-§ 26 Abs. 3 Nr. 1) iVm § 19 WpAIV.747 Die entsprechende Mitteilung ist außerdem an das Unternehmensregister zu übermitteln, § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 WpHG n.F. (ex-§ 26 Abs. 1 S. 1 Hs. 2), und die Veröffentlichung der BaFin mitzuteilen, § 40 Abs. 2 WpHG n.F. (ex-§ 26 Abs. 2). Berührt ein Inlandsemittent durch Erwerb oder Veräußerung eigener Aktien die Schwellen von 5 oder 10 Prozent, hat er eine Mitteilung entsprechend der Vorgaben nach § 21 WpHG zu machen, wie sich aus § 40 Abs. 1 S. 2 WpHG n.F. (ex-§ 26 Abs. 1 S. 2) ergibt. Ist Deutschland der Herkunftsstaat des Inlandsemittenten, ist außerdem bei der 3 Prozent-Schwelle eine Mitteilung erforderlich, § 40 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 WpHG n.F. (ex-§ 26 Abs. 1 S. 2 Hs. 2). Eine weitere Veröffentlichungspflicht ergibt sich aus § 41 WpHG n.F. (ex-§ 26a): Hiernach haben Emittenten unverzüglich über Änderungen der Gesamtzahl von Stimmrechten zu informieren. Diese Informationen sind entscheidend, damit Anleger korrekt berechnen können, ob für sie Meldepflichten nach §§ 33 ff. WpHG n.F. (ex-§§ 21 ff.) bestehen. Die Art und Weise der Veröffentlichung entspricht derjenigen nach § 40 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 26 Abs. 1), mit dem Unterschied, dass statt drei höchstens zwei Tage eingeräumt werden. Befreiungen von den genannten Emittentenpflichten sind nach § 46 WpHG n.F. (ex-§ 29a) durch die BaFin möglich, wenn es sich um Emittenten aus Drittstaaten handelt. Dies soll Doppelbelastungen vermeiden.748 866 Verletzen Emittenten ihre Pflichten aus §§ 40 und 41 WpHG n.F. (ex-§§ 26 und 26a) vorsätzlich oder leichtfertig, handeln sie ordnungswidrig gem. § 120 Abs. 2 Nr. 4 a) und b) WpHG n.F. (ex-§ 39 Abs. 2 Nr. 5 c). Ein hierfür relevanter Pflichtverstoß liegt bereits dann vor, wenn die Veröffentlichung unvollständig oder zu spät erfolgt.749 Ob Verstöße außerdem zivilrechtliche Haftungsfolgen zeitigen können, ist umstritten. Entscheidend für die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB ist, ob §§ 40, 41 WpHG n.F. (ex-§§ 26, 26a) auch dem Schutz von Individualinteressen dienen soll. Konsequenterweise ist dies ebenso wie schon bei §§ 33, 38 und 39 WpHG n.F. (ex-§§ 21, 25 und 25a) zu bejahen (vgl. oben Rn 864).750

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Näher Fuchs/Zimmermann § 26 Rn 8 ff. BT-Drucks. 16/2498, S. 39; Umsetzung von Art. 23 der RL 2004/109/EG. Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 708 f.

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Im Ergebnis ebenso KölnKommWpHG/ Hirte § 26 Rn 53, § 26a Rn 27; aA BuckHeeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rn 710 f.; Emmerich/Habersack/Schürnbrand Anhang § 22 AktG: § 26a Rn 5; Fuchs/Zimmermann § 26 Rn 2.

Stefan Grundmann

6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

6. Abschnitt. Übernahmerecht (Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WpÜG) Schrifttum: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Achleitner Handbuch Investment Banking, 3. Aufl. 2002; Angerer/Geibel/Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz: WpÜG, 3. Aufl. 2017; Angersbach Due Diligence beim Unternehmenskauf, 2002; Assmann/Bozenhardt/Basaldua/Peltzer Übernahmeangebote, 1990; Assmann/Pötzsch/Schneider, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl. 2013; Auerbach (Hrsg.) Corporate Takeovers, 1988; Baums/Cahn (Hrsg.), Die Umsetzung der Übernahmerichtlinie in Europa, 2006; Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, Loseblatt-Kommentar, 9. Lfg., Stand: 11/2015; Beckmann/Kersting/Mielke, Das neue Übernahmerecht, 2003; Beier Die Nachfrage nach M&A Dienstleistungen, 2009; Beisel/Andreas (Hrsg.), Beck’sches Mandatshandbuch Due Diligence, 2. Aufl. 2010; Beitel Investmentbanken in M&A-Transaktionen, 2004; Berens/Brauner/Strauch/Knauer (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, 7. Aufl. 2013; Biais/Pagano (Hrsg.), New Research in Corporate Finance and Banking, 2002; Blumentritt Die privatrechtlich organisierte Börse, 2003; Bock/v. Werder (Hrsg.) Unternehmensübernahmen, Unternehmensaufsicht und Unternehmensberichterstattung, Kongress – Dokumentation 61. Deutscher Betriebswirtschafter-Tag 2007, 2008; Büschgen/Richolt (Hrsg.) Handbuch des internationalen Bankgeschäfts, 1989; Brinker Strategische Herausforderungen im Investment Banking, 1998; Brost/Dahmen/Lippmann (Hrsg.), Corporate Banking, 7. Aufl. 2012; Chiu/McKee (Hrsg.), The Law on Corporate Governance in Banks, 2015; Coffee/Lowenstein/Rose-Ackermann (Hrsg.) Knights, Raiders and Targets, 1988; Dauner-Lieb/Simon (Hrsg.), Kölner Kommentar zum UmwG, 2009; Davies The Regulation of Takeovers and Mergers, 1976; Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2017; Diem Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013; Dreher/Ernst, Mergers & Acquisitions, 2014; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), HGB, Band. 2, 23. Aufl. 2015; Ehricke/Ekkenga/Oechsler (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2003; Epper Die freundliche öffentliche Übernahme, 2008; Essler/Lobe/Röder (Hrsg.), Fairness Opinion, 2008; Etzbach Die Regelung öffentlicher Übernahmeangebote, 2002; Farrar (Hrsg.) Takeovers, Institutional Investors and the Modernization of Corporate Laws, 1993; Fleischer/ Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002; Giovannini/Mayer (Hrsg.) European Financial Integration, 1991; Goette/Habersack (Hrsg.), Münchner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 6, 3. Auflage 2011; Grigoleit (Hrsg.), Aktiengesetz, 2013; Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011; Haarmann/Schüppen (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum WpÜG, 4. Aufl. in Vorbereitung für Oktober 2016; Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Handbuch der Kapitalmarktinformationen, 2. Aufl. 2013; dies. (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl. 2013; Hadding/Hopt/Herbert (Hrsg.), Vermögensverwaltung Übernahmerecht im Gefolge der EU-Übernahmerichtline – Bankrechtstag 2006, 2007; Hahn Die feindliche Übernahme von Aktiengesellschaften, 1992; Heidel (Hrsg.), Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2014; Heinle City Code und Übernahmekodex, 2001; Heiser Interessenkonflikte in der Aktiengesellschaft und ihre Lösung am Beispiel des Zwangsangebots, 1999; Herkenroth Konzernierungsprozesse im Schnittfeld von Konzernrecht und Übernahmerecht, 1994; Hinne Mergers- & Acquisition-Management, 2008; Hipelli Problembehaftete Aspekte von Angebotsbedingungen bei öffentlichen Angeboten nach dem WpÜG, 2015; Hirte (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz – Gesetzestexte, Quellen, Materialien, 2002; ders./v. Bülow, Kölner Kommentar vom WpÜG, 2. Aufl. 2010; Hofmann Der Minderheitsschutz im Gesellschaftsrecht, 2011; Hockmann/Theißen (Hrsg.), Investment Banking, 3. Aufl. 2012; Hohnhaus Erfolg der M&A-Beratung bei Unternehmenstransaktionen, 2004; Holzapfel/Pöllath Unternehmenskauf in Recht und Praxis, 15. Aufl. 2016; Hommelhoff Die Konzernleitungspflicht, 1982; ders./Hopt/Lutter (Hrsg.), Konzernrecht und Kapitalmarktrecht, 2001; Hopt Europäisches Übernahmerecht, 2013; ders./Rudolph/Baums (Hrsg.), Börsenreform, 1997; Hüffer Aktiengesetz, 12. Aufl. 2016; Institut für europäisches und internationales Wirtschafts- und Sozialrecht (Hrsg.), Erwerb von Beteiligungen am Beispiel der öffentlichen Übernahmeangebote, 1990; Jacob/Klein Investment Banking – Bankpolitik, Methoden und Konzepte, 1996; Johnston The City Take-Over Code, 1980; Kainer Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 2004; Kallmeyer (Hrsg.), Umwandlungsgesetz, 5. Aufl. 2013; Kämmerer/Veil (Hrsg.), Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013; Knott (Hrsg.), Unternehmenskauf, 5. Aufl. 2017; Koppenstei-

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6. Teil. Marktregeln ner Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Bd. 6, 3. Aufl. 2004; Kouloridas The Law and Economics of Takeovers: An Acquirer’s Perspective, 2008; Krause Das obligatorische Übernahmeangebot, 1996; Kubalek Stellungnahme der Zielgesellschaft zu öffentlichen Angeboten nach dem WpÜG, 2006; Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011; Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015; Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006; Liese Pflichtenkreis der Investmentbanken, 2005; Löhdefink Acting in Concert und Kontrolle im Übernahmerecht, 2007; Lucks/Meckl Internationale Mergers & Acquisitions, 2. Aufl. 2015; Lutter (Hrsg.) UmwG, 5. Aufl. 2014; Marek Corporate Finance als Herausforderung für das strategische Management von Banken, 2004; MarschBarner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 4. Aufl. 2017; Martin Der konkurrierende Bieter bei öffentlichen Übernahmeangeboten, 2015; Maul/Muffat-Jeandet/Simon (Hrsg.), Takeover bids in Europe, 2008; Mittendorfer Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, 2007; Möschel Das Wirtschaftsrecht der Banken, 1972; Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007; Mühle Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz – im Schnittfeld zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht unter besonderer Berücksichtigung des ökonomischen Rahmenbezugs, 2002; Mülbert/Kiem/Wittig (Hrsg.), 10 Jahre WpÜG: Entwicklungsstand – Praktische Erfahrungen – Reformbedarf – Perspektiven, ZHR-Beiheft 76, 2011; Müller-Stewens/Spickers/Deiss Mergers & Acquisitions, 1999; Nyenhuis Bedingte Übernahmeangebote im Vereinigten Königreich und Deutschland, 2005; Ott/Schäfer (Hrsg.) Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, 1993; Paschos/Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Übernahmerechts nach dem WpÜG, 2017; Pawelka Investment-Banking-Strategien deutscher Banken, 2003; Pitschas (Hrsg.), Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, 2002; Rehbinder Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, 1969; Rengeling (Hrsg.), Europäisierung des Rechts, 1996; Reul Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre bei privaten Kontrolltransaktionen, 1991; Roßkopf Selbstregulierung von Übernahmeangeboten in Großbritannien, 2000; Sagasser/Bula/Brünger Umwandlungen, 4. Aufl. 2011; Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, Bd. 1, 5. Aufl. 2017; Schmidt Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2017; Schmitt/Hörtnagl/Stratz (Hrsg.), UmwG/UmwStG, 7. Aufl. 2016; Schmitz Mergers & AcquisitionsBeratung als Bankdienstleistung, 1993; Schönefelder Unternehmensbewertungen im Rahmen von Fairness Opinions, 2008; Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010; Schwedhelm Die Unternehmensumwandlung, 8. Aufl. 2016; Semler/Stengel (Hrsg.) Umwandlungsgesetz mit Spruchverfahrensgesetz, 3. Aufl. 2012; Spindler/Stilz (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, Bd. 2, 3. Aufl. 2014; Steinert Sicherung der Interessen der Zielgesellschaft mittels einer Investorenvereinbarung, 2013; Steinmeyer (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 3. Aufl. 2013; Tschäni (Hrsg.), Mergers & Acquisition X, 2008; v. Nussbaum Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, 2003; van Aubel Vorstandspflichten bei Übernahmeangeboten, 1996; Verse Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006; Vogel M&A – Ideal und Wirklichkeit, 2002; Weihe Interessenskonflikte zwischen Unternehmensverkäufer und Management, 2003; Westhoff Die Fairness Opinion, 2006; Williamson (Hrsg.), The Investment Banking Handbook, 1988; Windbichler Gesellschaftsrecht, 23. Aufl. 2013; Winner Die Zielgesellschaft in der freundlichen Übernahme, 2002; Wirtz Mergers & Acquisitions Management, 3. Aufl. 2014. 2. Aufsätze und Beiträge: Aha Rechtsschutz der Zielgesellschaft bei mangelhaften Übernahmeangebot, AG 2002, 160; Allen/Jagtiani/Peristiani/Sounders The Role of Bank Advisors in Mergers and Acquisitions, Journal of Money, Credit and Banking 36 (2004), 197; Altenhain Die Neuregelung der Marktpreismanipulation durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, BB 2002, 1874; Angerer Der Squeeze-out, BKR 2002, 260; Assmann Verhaltensregeln für freiwillige öffentliche Übernahmeangebote, AG 1995, 563; ders. Insiderrecht und Kreditwirtschaft, Rechtsanwendungsprobleme des Insiderrechts in Bezug auf die Organisation und die Geschäfte von Kreditinstituten, WM 1996, 1337; ders. Die Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angebotsunterlagen nach § 12 WpÜG, AG 2002, 153; ders./Bozenhardt Übernahmeangebote als Regelungsproblem zwischen gesellschaftsrechtlichen Normen und zivilrechtlich begründeten Verhaltensgeboten, ZGR-Sonderheft 9 (1990), 1; Bachmann Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Kapitalmarktrecht, ZHR 170 (2006), 144; ders. Kapitalmarktrechtliche Probleme bei der Zusammenführung von Unternehmen, ZHR 172 (2008), 597; ders. Rechtsfragen der Wertpapierleihe, ZHR 173 (2009), 596; Baranowski/Glaßl Anforderungen an den Geheimnisschutz nach der neuen EU-Richtlinie, BB 2016, 2563; Barthel Unternehmenswert- und Kaufpreisfundierung mittels Schwerpunktanalyse, DStZ 1999, 365; Baum Funktionale Elemente und Komplementaritäten des britischen Übernahmerechts, RIW 2003, 421; ders. „Öffent-

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) lichkeit“ des Erwerbsangebots als Anwendungsvoraussetzung des Übernahmerechts – Eine rechtsvergleichende Analyse, AG 2003, 144; ders. Rückerwerbsangebote für eigene Aktien: übernahmerechtlicher Handlungsbedarf?, ZHR 167 (2003), 580; Baums Übernahmeregeln in der europäischen Gemeinschaft, ZIP 1989, 1376; ders. Low Balling, Creeping in und deutsches Unternehmensrecht, ZIP 2010, 2374; ders. Vorschlag eines Gesetzes zu öffentlichen Übernahmeangeboten, ZIP 1997, 1310; ders./Sauter Anschleichen an Übernahmeziele mit Hilfe von Aktienderivaten, ZHR 173 (2009), 454; ders./Stöcker Rückerwerb eigener Aktien und WpÜG, in: FS Wiedemann, 703 (704–716); Bayer Aktionärsschutz beim Delisting: Empfehlungen an den Gesetzgeber, ZIP 2015, 853; Bebchuk The Case for Facilitating Competing Tender Offers, Harvard Law Review 95 (1982), 1028; Behnke Erste praktische Erfahrungen mit dem Anschluss ausländischer Anteilsinhaber nach § 24 WpÜG, WM 2002, 2229; Behrens Rechtspolitische Grundsatzfragen zu einer Europäischen Regelung für Übernahmeangebote, ZGR 1975, 433; Benner-Heinacher Mindeststandards für Übernahmeregeln in Deutschland, DB 1997, 2521; Berding Subjektive öffentliche Rechte Dritter im WpÜG, Der Konzern 2004, 771; Berger Unternehmensübernahme in Europa, ZIP 1991, 1644; ders./Filgut „Acting in Concert“ nach § 30 Abs. 2 WpÜG, AG 2004, 592; Berrar/Schnorbus Rückerwerb eigener Aktien und Übernahmerecht, ZGR 2003, 59; Berrar Die Finanzierungsbestätigung nach § 13 WpÜG, ZBB 2002, 174; Bess Eine europäische Regelung für Übernahmeangebote (Teil I), AG 1976, 169; ders. Eine europäische Regelung für Übernahmeangebote (Teil II und Schluß), AG 1976, 206; Bittner Die EG-Übernahmerichtlinie aus englischer Sicht, RIW 1992, 182; Black Constitutionalising Self-Regulation, M.L.R. 59 (1996), 24; ders./Kraakman A Self-Enforcing Model of Corporate Law, Harvard Law Review 109 (1996), 1911; Borges Acting in Concert: Vom Schreckensgespenst zur praxistauglichen Zurechnungsnorm, ZIP 2007, 357; Bosch Expertenhaftung gegenüber Dritten – Überlegungen aus Sicht der Bankpraxis, ZHR 163 (1999), 274; Börner Kompetenzen und Zusammenschlüsse im Investmentbanking: Die Perspektive von Universalbanken, Bank-Archiv 50 (2002), 273; Bosse Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie: Änderungen bei periodischer Finanzberichterstattung und Beteiligungstransparenz, BB 2015, 746; Bovey Self-Regulation, Company Lawyer 12 (1991), 3; Bungert/Leyendecker-Langner Die Neuregelung des Delisting, ZIP 2016, 49; Bunz Suspensiveffekt von Befreiungs- und Nichtberücksichtigungsanträgen im Übernahmerecht (§§ 36, 37 WpÜG), ZIP 2014, 454; ders. Vorbereitungs- und Reaktionsmöglichkeiten börsennotierter Unternehmen auf Shareholder Activism, NZG 2014, 1049; Burgard Die Berechnung des Stimmrechtsanteils nach §§ 21–23 Wertpapierhandelsgesetz, BB 1995, 2069; ders./Heimann Beteiligungspublizität nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, WM 2015, 1445; Busch Bedingungen im Übernahmeangebot, AG 2002, 145; v. Bülow/Bücker Abgestimmtes Verhalten im Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht, ZGR 2004, 669; ders./Petersen Stimmrechtszurechnung zum Treuhänder? NZG 2009, 1373; ders./Stephanblome Acting in Concert und neue Offenlegungspflichten nach dem Risikobegrenzungsgesetz, ZIP 2008, 1797; Cahn Grenzen des Markt- und Anlegerschutzes durch das WpHG, ZHR 162 (1998), 1; Casper Acting in Concert – Grundlage eines neuen kapitalmarktrechtlichen Zurechnungstatbestandes, ZIP 2003, 1469; Cascante/Topf „Auf leisen Sohlen?“ – Stakebuilding bei der börsennotierten AG, AG 2009, 53; Cascante/Tyrolt 10 Jahre WpÜG – Reformbedarf im Übernahmerecht?, AG 2012, 97; Chao Washington Steel Corp. V. TW Corp.: Bank Confidentiality in Corporate Takeovers, California Law Review 68 (1980), 153; Dauner-Lieb Das Tauziehen um die Übernahmerichtlinie – eine Momentaufnahme, DStR 2003, 555; dies./Lemandini Der neue Kommissionsvorschlag einer EU-Übernahmerichtlinie – Stellungnahme der Gutachter des EU-Parlaments, BB 2003, 265; Diekmann Hinweise zur Anwendung des Übernahmekodexes der Börsensachverständigenkommission, WM 1997, 897; ders. Änderungen im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz anlässlich der Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie in das deutsche Recht, NJW 2007, 17; Dimke/Heiser Neutralitätspflicht, Übernahmegesetz und Richtlinienvorschlag 2000, NZG 2001, 241; Dreher Interessenkonflikte bei Aufsichtsratsmitgliedern von Aktiengesellschaften, JZ 1990, 896; Drinkuth Gegen den Gleichlauf des Acting in concert nach § 22 WpHG und § 30 WpÜG, ZIP 2008, 676; Drygala Die neue Übernahmeskepsis und ihre Auswirkungen auf die Vorstandspflichten nach § 33 WpÜG, ZIP 2001, 1861; ders. Deal Protection in Verschmelzungs- und Unternehmenskaufverträgen – eine amerikanische Vertragsgestaltung auf dem Weg ins deutsche Recht, WM 2004, 1413 (Teil I) 1457 (Teil II); Düsterhoff/Wolffson M&A-Welt der zwei Geschwindigkeiten – Jahresrückblick auf das deutsche M&A-Geschehen 2015, M&A Review 27 (2016), 21; Easterbrook/Fischel Corporate Control Transactions, Yale Law Journal 91 (1982), 698; Edwards The Directive on Takeover Bids – Not Worth the Paper it’s Written on?,

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6. Teil. Marktregeln ECFR 2004, 416; Eidenmüller Kapitalgesellschaftsrecht im Spiegel der ökonomischen Theorie, JZ 2001, 1041; Einsele Verhaltenspflichten im Bank- und Kapitalmarktrecht, ZHR 180 (2016), 233; Ekkenga Fragen der deliktischen Haftungsbegründung bei Kursmanipulationen und Insidergeschäften, ZIP 2004, 781; ders./Hofschroer Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, DStR 2002, 724 (Teil I) und 768 (Teil II); Engert Hedgefonds als aktivistische Aktionäre, ZIP 2006, 2105; Ferrarini Le difese contro le o.p.a. ostili: analisi economica e comparazione, Rivista della societa 2000, 737; Fleischer Zum Begriff des öffentlichen Angebots im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, ZIP 2001, 1653; ders. Schnittmengen des WpÜG mit benachbarten Rechtsmarterien – eine Problemskizze, NZG 2002, 545; ders. Konkurrenzangebote und Due Diligence, ZIP 2002, 651; ders. Das neue Recht des Squeeze out, ZGR 2002, 757; ders. Organpublizität im Aktien-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht, NZG 2006, 561; ders. Finanzinvestoren im ordnungspolitischen Gesamtgefüge von Aktien-, Bankaufsichts- und Kapitalmarktrecht, ZGR 2008, 185; ders. Zur rechtlichen Bedeutung der Fairness Opinion im deutschen Aktien- und Übernahmerecht, ZIP 2011, 201; ders./Körber Der Rückerwerb eigener Aktien und das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, BB 2001, 2589; ders./Schmolke Zum Sondervotum einzelner Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder bei Stellungnahmen nach § 27 WpÜG, DB 2007, 95; dies. Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz nach §§ 21 ff. WpHG und „Hidden Ownership“, ZIP 2008, 1501; Florstedt Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit beim verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out, NZG 2015, 1212; Franck Die Stimmrechtszurechnung nach § 22 WpHG und § 30 WpÜG, BKR 2002, 709; Friedl Die Haftung des Vorstands und Aufsichtsrats für eine fehlerhafte Stellungnahme gemäß § 271 WpÜG, NZG 2004, 448; Fuhrmann/ Simon Der Ausschluss von Minderheitsaktionären, WM 2012, 1211; Gätsch/Schäfer Abgestimmtes Verhalten nach § 22 II WpHG und § 30 II WpÜG in der Fassung des Risikobegrenzungsgesetzes, NZG 2008, 846; Gatti Optionality Arrangements and Reciprocity in the European Takeover Directive, EBOR 6 (2005), 553; Geibel/Süßmann Übernahmeangebote nach dem Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetz, BKR 2002, 52; Gegler Die Neuregelung des Delistings – Angemessener Aktionärsschutz oder „Dolchstoß“?, BKR 2016, 273; Georgieff/Hauptmann Die Finanzierungsbestätigung nach § 13 WpÜG – Rechtsfragen im Zusammenhang mit überwiegend fremdfinanzierten öffentlichen Barangeboten, AG 2005, 277; Gericke/Saager Die Weiterleitungspflicht der Depotbank gemäß Nr. 16 der Sonderbedienungen für Wertpapiergeschäfte und Praxisprobleme, WM 2008, 623; Gesmann-Nuissl Die neuen Squeeze-out-Regeln im Aktiengesetz, WM 2002, 1205; Gilson A Structural Approach to Corporations: The Case against Defensive Tactics in Tender Offers, Stanford Law Review 33 (1981), 819; Goslar Verdeckte Beherrschungsverträge, DB 2008, 800; Gower Corporate Control: The Battle for the Berkeley, Harvard Law Review 68 (1955), 1176; Gran Abläufe bei Mergers und Acquisitions, NJW 2008, 1409; Grobys Arbeitsrechtliche Aspekte des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes, NZA 2002, 1; Grundmann Ausbau des Informationsmodells im Europäischen Gesellschaftsrecht, DStR 2004, 232; ders./Möslein Die goldene Aktie – Staatskontrollrechte in Europarecht und wirtschaftspolitischer Bewertung, ZGR 2003, 317; Grunewald Europäisierung des Übernahmerechts, AG 2001, 288; dies. Die neue Squeeze-out-Regelung, ZIP 2002, 18; Habersack/Mayer Der neue Vorschlag 1997 einer Takeover-Richtlinie – Überlegungen zur Umsetzung in das nationale Recht, ZIP 1997, 2141; Hagemeister Die neue Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, WM 2002, 1773; Hamann Die Angebotsunterlagen nach dem WpÜG – ein praxisorientierter Überblick, ZIP 2001, 2249; Hanke/Socher Fachbegriffe aus M&A und Corporate Finance, NJW 2010, 664; Harbarth Kontrollerlangung und Pflichtangebot, ZIP 2002, 321; Harnos Aktionärsschutz beim Delisting, ZHR 179 (2015), 750; Hasselbach/Pröhl Delisting mit oder ohne Erwerbsangebot nach neuer Rechtslage, NZG 2015, 209; Heermann Interessenkonflikte von Bankvertretern in Aufsichtsräten bei (geplanten) Unternehmensübernahmen, WM 1997, 1689; v. Hein Grundfragen des europäischen Übernahmekollisionsrechts, AG 2001, 213; ders. Zur Kodifikation des europäischen Übernahmekollisionsrechts, ZGR 2005, 528; Hentzen/Rieckers Übernahmerechtlicher Squeeze-out – ein Nachruf?, DB 2013, 1159; Herkenroth Bankenvertreter als Aufsichtsratsmitglieder von Zielgesellschaften – Zur beschränkten Leistungsfähigkeit des Rechts bei der Lösung von Interessenkonflikten anläßlich der Finanzierung von Übernahmen, AG 2001, 33; Herzel/Rosenberg Loans to Finance Tender Offers: The Bank’s Legal Problems, Banking Law Journal 96 (1979), 676; Hippeli/Diesing Business Combination Agreements bei M&A-Transaktionen, AG 2015, 185; ders./Hofmann Die Stellungnahme des Vorstands und Aufsichtsrats der Zielgesellschaft nach § 27 WpÜG in dern Anwendungspraxis der BaFin, NZG 2014, 850; Hitz/Simon/Düchtig Behandlung eigener Aktien der Zielgesellschaft bei öffentlichen Übernahmeangeboten, AG 2012, 237; Holzborn

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) Ausschluss ausländischer Aktionäre nach § 24 WpÜG, BKR 2002, 67; ders./Blan Die Nichtzurechnung nach §§ 20, 36 WpÜG und die Befreiung vom Pflichtangebot nach § 37 WpÜG §§ 8 ff WpÜGAngVO, NZG 2002, 948; ders./Israel Einflüsse wettbewerbsrechtlicher Regelungen auf das Übernahmerecht, BKR 2002, 982; ders./Peschke Europäische Neutralitätspflicht und Übernahme Squeeze-Out, BKR 2007, 101; Hopt Aktionärskreis und Vorstandsneutralität, ZGR 1993, 534; ders. Grundsatz- und Praxisprobleme nach dem Wertpapierhandelsgesetz, ZHR 159 (1995), 135; ders. Europäisches und deutsches Übernahmerecht, ZHR 161 (1997), 368; ders. Europäisches Gesellschaftsrecht – Krise und neue Anläufe, ZIP 1998, 96; ders. Company Law in the European Union: Harmonisation and/or Subsidiarity?, International and Comparative Corporate Law Journal 1 (1999), 41; ders. Gemeinsame Grundsätze der Corporate Governance in Europa?, ZGR 2000, 779; ders. Übernahmen, Geheimhaltung und Interessenkonflikte: Probleme für Vorstände, Aufsichtsräte und Banken, ZGR 2002, 333; ders. Grundsatz- und Praxisprobleme nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, ZHR 166 (2002), 383; ders. Takeover Regulation in Europe – the battle for the 13th directive on takeovers, Australian Journal of Corporate Law 15 (2002), 1; ders. Interessenwahrung und Interessenkonflikte im Aktien-, Bank- und Berufsrecht, ZGR 2004, 1; ders. Konzernrecht – Die europäische Perspektive, ZHR 171 (2007), 199; ders./Mülbert/Kumpan Reformbedarf im Übernahmerecht, AG 2005, 109; Houben Die Gestaltung des Pflichtangebots unter dem Aspekt des Minderheitenschutzes und der effizienten Allokation der Unternehmenskontrolle, WM 2000, 1873; Ihrig Rechtsschutz Drittbetroffener im Übernahmerecht, ZHR 167 (2003), 315; Jackson/Hoepner Revisiting the Mannesmann Takeover: How Markets for Corporate Control Emerge, European Management Review 3 (2006), 142; Jensen Agency Costs of Free Cash Flow, Corporate Finance, and Takeovers, American Economic Review 76 (1986), 323; Johnston The European Takeover Directive: Ruined by Protectionism or Respecting Diversity?, The Company Lawyer 25 (2004), 270; Kallmeyer Die Mängel des Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission, ZHR 161 (1997), 435; ders. Zum neuen Kommissionsvorschlag für eine Übernahmerichtlinie, DB 2002, 2695; v. Kaan/Just Der Regierungsentwurf zur Umsetzung der europäischen Übernahmerichtlinie, DStR 2006, 328; Kindler/Horstmann Die EU-Übernahmerichtlinie – Ein europäischer Kompromiss, DStR 2004, 866; Kleindiek Funktion und Gestaltungsanspruch des Pflichtangebots nach dem WpÜG, ZGR 2002, 546; Klem Investorenvereinbarungen im Lichte des Aktien- und Übernahmerechts, AG 2009, 301; Klemm/Wilhelm Vorbereitungshandlungen für eine erfolgreiche Übernahmeverteidigung, NZG 2010, 1006; Koch Der Erwerb eigener Aktien – kein Fall des WpÜG, NZG 2003, 61; ders./ Harnos Die Neuregelung des Delistings zwischen Anleger- und Aktionärsschutz, NZG 2015, 729; Kocher/Seiz Das neue Delisting nach § 39 Abs. 2–6 BörsG, DB 2016, 153; Kopp Das US-Umwandlungsrecht, Vergleich der Umstrukturierungen nach USC 26 Sec. 368(a)(1) IRC mit dem Umwandlungsgesetz, IWB 18/2013, 656; Kossmann Bewertungspflichten von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 27 WpÜG unter Berücksichtigung von IDW ES 8, NZG 2011, 46; Kraft/Redenius-Hövermann Einführung in die Regelungen zum Squeeze-out, JURA 2013, 1; Krause Die geplante Takeover-Richtlinie der Europäischen Union mit Ausblick auf das geplante deutsche Übernahmegesetz, NZG 2000, 905; ders. Das deutsche Übernahmegesetz vor dem Hintergrund der EU-Richtlinie, ZGR 2002, 500; ders. Das neue Übernahmerecht, NJW 2002, 705; ders. Die Abwehr feindlicher Übernahmeangebote auf der Grundlage von Ermächtigungsbeschlüssen der Hauptversammlung, BB 2002, 1053; ders. Prophylaxe gegen feindliche Übernahmeangebote, AG 2002, 133; ders. Der Kommissionsvorschlag für die Revitalisierung der EU-Übernahmerichtlinie, BB 2002, 2341; ders. Die EU-Übernahmerichtlinie – Anpassungsbedarf im Wertpapiererwerbs und Übernahmegesetz, BB 2004, 113; ders. Zwei Jahre Praxis mit dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, NJW 2004, 3681; Krieger Squeeze-Out nach neuem Recht – Überblick und Zweifelsfragen, BB 2002, 53; Land Das neue deutsche Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz – Anmerkungen zum Regierungsentwurf, DB 2001, 1707; ders./Hasselbach Das neue deutsche Übernahmegesetz – Einführung und kritische Anmerkungen zum Diskussionsentwurf des BMF, DB 2000, 1747; Lange Das Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft und sein Einfluss auf die Rechtsstellung der die Übernahme fördernden Aufsichtsratsmitglieder, WM 2002, 1737; ders. Die Auswirkungen der Zurechnungsvorschriften des WpÜG auf Vorstandsmitglieder, Der Konzern 2003, 675; ders. Aktuelle Rechtsfragen der kapitalmarktrechtlichen Zurechnung, ZBB 2004, 22; Legg/Mavrakis ASIC v Citigroup: Fiduciary Duties, Managing Conflicts and Chinese Walls, Macquarie Journal of Business Law 6 (2009), 181; Lenz/Behnke Das WpÜG im Praxistest, BKR 2003, 43; ders./Linke Die Handhabung des WpÜG in der aufsichtsrechtlichen Praxis, AG 2002, 361; dies. Rückkauf eigener Aktien nach dem Wertpapiererwerbs- und Über-

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6. Teil. Marktregeln nahmegesetz, AG 2002, 420; Liebscher Das Übernahmeverfahren nach dem neuen Übernahmegesetz, ZIP 2001, 853; ders. Die Zurechnungstatbestände des WpHG und des WpÜG, ZIP 2002, 1005; Liekefett Bietergleichbehandlung bei öffentlichen Übernahmeangeboten, AG 2005, 802; v. d. Linden Das neue Marktmissbrauchsrecht im Überblick, DStR 2016, 1036; Linke/Fröhlich Gestaltungsoptionen für Vertraulichkeitsvereinbarungen bei Unternehmensaktionen, GWR 2014, 449; Louven/Böckmann Ausgewählte Rechtsprobleme bei M&A-Auktionen, ZIP 2004, 445; Lowenstein Pruning Deadwood in Hostile Takeovers: A Proposal for Legislation, Columbia Law Review 83 (1983), 249; Lutter Bankvertreter im Aufsichtsrat, ZHR 145 (1981), 224; Lyendecker/Kleinhenz Keine Wertindikation im Rahmen der Stellungnahme nach § 27 WpÜG, BB 2011, 2952; Maier-Reimer Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmen, ZHR 165 (2001), 258; Manne Mergers and the Market for Corporate Control, Journal of Political Economy 73 (1965), 110; Maul Die EU-Übernahmerichtlinie – ausgewählte Fragen, NZG 2005, 151; ders./ Muffat-Jeandet Die EU-Übernahmerichtlinie – Inhalt und Umsetzung in nationales Recht (Teil I), AG 2004, 221; dies. Die EU-Übernahmerichtlinie – Inhalt und Umsetzung in nationales Recht (Teil II), AG 2004, 306; Mayer Praxisfragen des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out-Verfahrens, NZG 2012, 561; Mayer-Uellner Die Finanzierung öffentlicher Übernahmen im Lichte des Vollangebotsgrundsatzes, AG 2012, 399; McCahery/Vermeulen The Case Against Reform of the Takeover Bids Directive, EBLR 22 (2011), 541; Meilicke/Meilicke Die Postbank-Übernahme durch die Deutsche Bank – eine Gestaltung zur Vermeidung von Pflichtangeboten nach § 35 WpÜG?, ZIP 2010, 558; Merkner/Sustmann BGH beendet Streit über die Berücksichtigung von Nacherwerben bei der Ermittlung des erforderlichen Aktienbesitzes für übernahmerechtlichen Squeeze-out, NZG 2013, 374; Merkt Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmen, ZHR 163 (2001), 224; Meyer Änderungen im WpÜG durch die Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie, WM 2006, 1135; ders./Lipsky Suspensiveffekt des Antrags gemäß §§ 36, 37 WpÜG, NZG 2009, 1092; Möller Rechtsmittel und Sanktionen nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, AG 2002, 170; ders./Pötzsch Das neue Übernahmerecht – der Regierungsentwurf vom 11. Juli 2001, ZIP 2001, 1256; Möllers Verfahren, Pflichten und Haftung, insbesondere der Banken, bei Übernahmeangeboten, ZGR 2002, 664; Möllers Verfahren, Pflichten und Haftung, insbesondere der Banken, bei Übernahmeangeboten, ZGR 2002, 664; ders. Interessenkonflikte von Vertretern des Bieters bei Übernahme eines Aufsichtsratsmandats der Zielgesellschaft, ZIP 2006, 1615; Möslein Third Parties in the European Banking Union: Regulatory and Supervisory Effects on Private Law Relationships between Banks and their Clients or Creditors, EBOR 16 (2015), 547; Morse The City-Code on Takeovers and Mergers – Self Regulation or Self Protection?, The Journal of Business Law 1991, 509; Mülbert/ Birke Das übernahmerechtliche Behinderungsverbot – Die angemessene Rolle der Verwaltung einer Zielgesellschaft in einer feindlichen Übernahme, WM 2001, 705; Mülbert Die Zielgesellschaft im Vorschlag 1997 einer Takeover-Richtlinie – zwei folgenreiche Eingriffe ins deutsche Aktienrecht, IStR 1999, 83; ders. Übernahmerecht zwischen Kapitalmarktrecht und Aktien(konzern)recht – die konzeptionelle Schwachstelle des RegE WpÜG, ZIP 2001, 1221; ders. Umsetzungsfragen der Übernahmerichtlinie – erheblicher Änderungsbedarf bei den heutigen Vorschriften des WpÜG, NZG 2004, 633; Mukwiri Reforming EU Takeover Law Remains on Hold, European Company Law 12 (2015), 186; Neye Der neue Vorschlag der Kommission für eine dreizehnte Richtlinie über Übernahmeangebote, DB 1996, 1121; ders. Der Vorschlag 1997 einer Takeover-Richtlinie, ZIP 1997, 2172; ders. Der gemeinsame Standpunkt des Rates zur 13. Richtlinie – ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem europäischen Übernahmegesetz, AG 2000, 289; ders. Die EU-Übernahmerichtlinie auf der Zielgeraden, ZIP 2001, 1120; ders. Der Vorschlag 2002 einer Takeover-Richtlinie, NZG 2002, 1144; Oechsler Der Regierungsentwurf zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz – Regelungsbedarf auf der Zielgeraden!, NZG 2001, 817; ders. Rechtsgeschäftliche Anwendungsprobleme bei öffentlichen Übernahmeangeboten, ZIP 2003, 1330; Ogowewo New Takeover Code Rules on Exchange Offers and Auctions, The Company Lawyer 23 (2002), 216; Ogus Rethinking Self-Regulation, Oxford Journal of Legal Studies 15 (1995); 97; Ott Der übernahmerechtliche Squeeze-out nach den §§ 39a f. WpÜG, WM 2008, 384; Paefgen Die Gleichbehandlung beim Aktienrückerwerb im Schnittfeld von Gesellschafts- und Übernahmerecht, ZIP 2002, 1509; ders. Zum Zwangsausschluss im neuen Übernahmerecht, WM 2007, 765; Peltzer Der Kommissionsentwurf für eine 13. Richtlinie über Übernahmeangebote vom 7.2.1996, AG 1997, 145; Pentz Acting in Concert – Ausgewählte Einzelprobleme zur Zurechnung und Rechtsfolgen, ZIP 2003, 1478; Pettet Private versus Public Regulation in the field of takeovers: The future unter the Directive, EBLR 2000, 381; Pfüller/Detweiler

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) Die Haftung der Banken bei öffentlichen Übernahmen nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), BKR 2004, 383; Pluskat Das Scheitern der europäischen Übernahmerichtlinie, WM 2001, 1937; Poelzig Insider- und Marktmanipulationsverbot im neuen Marktmissbrauchsrecht, NZG 2016, 528; Pötzsch/Möller Das künftige Übernahmerecht – Der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen zu einem Gesetz zur Regelung von Unternehmensübernahmen und der gemeinsame Standpunkt des Rates zur europäischen Übernahmerichtlinie, WM 2000, Sonderbeilage Nr. 2, S. 1–18; Prentice Take-Over Bids and the System of Self-Regulation, Oxford Journal of Legal Studies 1 (1981), 406; Rau-Bredow Ökonomische Analyse obligatorischer Übernahmeangebote, DBW 59 (1999), 763; Reiter/Geerlings Die Reform der Bankenaufsicht, DÖV 2002, 562; Riegen Rechtsverbindliche Zusagen zur Annahme von Übernahmeangeboten (sog. „irrevocable undertakings“), ZHR 167 (2003), 702; Riehmer/Schröder Der Entwurf des Übernahmegesetzes im Lichte von Vodafone/Mannesmann, NZG 2000, 820; Roll The Hubris Hypothesis of Corporate Takeovers, Journal of Business 59 (1986), 197; Roos Der neue Vorschlag für eine EG-Übernahme-Richtlinie, WM 1996, 2177; Romano A Guide to Takeovers: Theory, Evidence and Regulation, Yale Journal on Regulation 9 (1992), 119, ebenfalls abgedruckt in Hopt/Wymeersch (Hrsg.), European Takeovers – Law and Practice, 1992, 3; Ruiz de Vargas/Schenk Anteilsbewertung beim Squeeze-out-Fall bei vorliegendem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag: Barwert der Ausgleichszahlungen oder anteiliger Ertragswert?, AG 2016, 354; Rühland Der übernahmerechtliche Squeeze-out im Regierungsentwurf des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes, NZG 2006, 401; Saenger/Kessler Abgestimmtes Verhalten i S d § 30 Abs 2 WpÜG bei der Aufsichtsratswahl, ZIP 2006, 837; Santelmann Notwendige Mindesterwerbsschwellen bei Übernahmeangeboten, AG 2002, 497; Schander Selbstregulierung versus Kodifzierung – Versuch einer Standortbestimmung des deutschen Übernahmerechts, NZG 1998, 799; Schanz Schaeffler/Continental: Umgehung von Meldepflichten bei öffentlichen Übernahmen durch Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten, DB 2008, 1899; Schiessel ECLR – Fairness Opinions im Übernahme- und Gesellschaftsrecht, ZGR 2003, 814; ders. Empfehlungen an Publikumsgesellschaften für den Umgang mit Hedgefonds, ZIP 2009, 689; Schilha Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie 2013: Neuregelungen zur Beteiligungspublizität und periodischen Finanzberichterstattung, DB 2015, 1821; Schilling Takeover, Treupflicht & Shareholder Value, BB 1997, 1909; Schmolke Das Verbot der Marktmanipulation nach dem neuen Marktmissbrauchsregime, AG 2016, 434; Schneider Reichweiter der Expertenhaftung gegenüber Dritten, ZHR 163 (1999), 247; ders. Internationales Kapitalmarktrecht, AG 2001, 269; ders. Acting in Concert: Vereinbarung oder Abstimmung über Ausübung von Stimmrechten?, ZGR 2007, 440; ders./Burgard Übernahmeangebote und Konzerngründung – Zum Verhältnis von Übernahmerecht, Gesellschaftsrecht und Konzernrecht, DB 2001, 963; Schnorbus Drittklagen im Übernahmeverfahren, ZHR 166 (2002), 72; ders. Die Rechtsstellung der Emissionsbank bei der Aktienemission, AG 2004, 113; Schön Mindestharmonisierung im europäischen Gesellschaftsrecht, ZHR 160 (1996), 221; Schockenhoff/Lumpp Der verschmelzungsrechtliche Squeeze-out in der Praxis, ZIP 2013, 749; Schubert Der neue Vorschlag für eine EG-Takeover-Richtlinie und seine Auswirkungen auf den Übernahmekodex, EuZW 1997, 237; Schüppen WpÜG-Reform: Alles Europa, oder was?, BB 2006, 165; Schwetzler/Aders/Salcher/Bornemann Die Bedeutung der Fairness Opinion für den deutschen Transaktionsmarkt, Finanz-Betrieb 2005, 106; Seibt Arbeitsrechtliche Aspekte des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes, DB 2002, 529; ders. Rechtsschutz im Übernahmerecht, ZIP 2003, 1865; ders. Grenzen des übernahmerechtlichen Zurechnungstatbestandes in § 30 Abs 2 WpÜG (Acting in Concert), ZIP 2004, 1829; ders. Stimmrechtszurechnung nach § 30 WpHG zum Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH?, ZIP 2005, 729; ders. Reform der EU-Übernahmerichtlinie und des deutschen Übernahmerechts, ZIP 2012, 1; ders./Heiser Der neue Vorschlag einer EU-Übernahmerichtlinie und das deutsche Übernahmerecht, ZIP 2002, 2193; dies. Analyse der EU-Übernahmerichtlinie und Hinweise für eine Reform des deutschen Übernahmerechts, ZGR 2005, 200; dies. Analyse des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Regierungsentwurf), AG 2006, 301; Seibt/ Wunsch Investorenvereinbarungen bei öffentlichen Übernahmen, Der Konzern 2009, 195; Seiler/ Rath Voraussetzungen des übernahmerechtlichen Squeeze-out – 95 % Anteilsbesitz bis zum Ende der (weiteren) Annahmefrist, AG 2013, 252; Servaes/Zenner The Role of Investment Banks in Acquisitions, The Review of Financial Studies 9 (1996), 787; Sieger/Hasselbach Der Ausschluss von Minderheitsaktionären nach den neuen §§ 327a ff. AktG, ZGR 2002, 120; dies. Wertpapierdarlehen – Zurechnungsfragen im Aktien-, Wertpapierhandels- und Übernahmerecht, WM 2004, 1370; Singhof/Weber Bestätigung der Finanzierungsmaßnahmen und Barabfindungsgewährleistung nach dem

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6. Teil. Marktregeln Wertpapierwerbs- und Übernahmegesetz, WM 2002, 1158; Siol Aufklärungspflichten im Bankrecht bei Immobilienanlagen, DRiZ 2006, 223; Söhner Die Umsetzung der Transparenzrichtlinie III, ZIP 2015, 2451; Skog The Takeover Directive – an endless Saga?, EBLR 13 (2002), 301; Spill Due Diligence – Praxishinweise zur Planung, Durchführung und Berichterstattung, DStR 1999, 1786; Spindler Aufklärungspflichten im Bankrecht nach dem „Zins-Swap-Urteil“ des BGH, NJW 2011, 1920; Stancke Grundlagen des Unternehmensschutzes – gesetzlicher und vertraglicher Schutz unternehmensbezogener Daten im privaten Wirtschaftsverkehr, BB 2013, 1418; Stein Takeover Threats and Managerial Myopia, Journal of Political Economy 96 (1988), 61; Stephanblome Gestaltungsmöglichkeiten beim verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out, AG 2012, 814; Strenger Das deutsche Übernahmegesetz, WM 2000, 952; Süßmann Unerwünschte Übernahme, NZG 2011, 1281; Thaeter/ Barth RefE eines Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes, NZG 2001, 545; Tsagas The Revision of the EU Takeover Directive in light of the 2011 UK Takeover Law Reform, International and Comparative Company Law Journal 10 (2013), 21; ders. The Market for Corporate Control in the Banking Industry, in: Chiu/McKee (Hrsg.) The Law on Corporate Governance in Banks, 2015, S. 285; Ulmer Aktienrecht im Wandel, AcP 202 (2002), 143; Ulrich Non Disclosure Agreements – lästige Notwendigkeit oder wertvolles Vertragsinstrument?, GmbHR 2011, R53; ders. Kein Ersatz von Ausbaukosten bei Gewährleistung zwischen Unternehmern, GmbHR 2012, 305; Vaupel Die Haftung der Banken für die Richtigkeit der Angebotsunterlage bei Umtauschangeboten nach dem WpÜG, WM 2002, 1170; Verhoeven Verdeckter Beherrschungsvertrag durch Vereinbarung des Bietunternehmers mit Vorstand der Zielgesellschaft bei faktischer Beeinflussung („Unicredito/HVB“), EWiR 2008, 163; Verse Übergang von gemeinsamer zu alleiniger Kontrolle – ein Fall für das Pflichtangebot?, NZG 2009, 1331; Vogel Finanzierung von Übernahmeangeboten: Testat und Haftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens nach § 13 WpÜG, ZIP 2002, 1421; Vogt Due Diligence – ein zentrales Element bei der Durchführung von Mergers & Acquisitions, DStR 2001, 2027; Vossius Squeeze-out-Checklisten für Beschlussfassung und Durchführung, ZIP 2002, 511; Wackerbarth Die Zurechnung nach § 30 WpÜG zum Alleingesellschafter – Geschäftsführer einer GmbH, ZIP 2005, 1217; ders. Das neue Delisting-Angebot nach § 39 oder: Hat der Gesetzgeber hier wirklich gut nachgedacht?, WM 2016, 385; ders./Kreße Suspensiveffekt des Antrags nach §§ 36 f WpÜG?, NZG 2010, 418; Weiler/Meyer „Abgestimmtes Verhalten“ gemäß § 30 WpÜG – Neue Ansätze der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht?, NZG 2003, 911; Weisgerber Der Übernahmekodex in der Praxis, ZHR 161 (1997), 421; Werder/Kost Vertraulichkeitsvereinbarungen in der M&A-Praxis, BB 2010, 2903; Wiesner Protektionismus oder Marktöffnung? – Zur Übernahmerichtlinie zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab, ZIP 2002, 208; ders. Binnenmarkt und Wettbewerb bleiben auf der Strecke – Zum Kommissionsvorschlag für eine neue Übernahmerichtlinie, ZIP 2002, 1967; ders. Die neue Übernahmerichtlinie und die Folgen, ZIP 2004, 343; Willsing/Goslar Der Regierungsentwurf des Risikobegrenzungsgesetzes – ein Überblick, DB 2007, 2467; Winter/Hackenbarth Verhaltenspflichten von Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmeangeboten nach dem WpÜG, ZIP 2002, 1; Witt Regelmäßige „Wasserstandsmeldungen“ – unverzichtbarer Bestandteil eines künftigen Übernahmegesetzes, NZG 2000, 809; ders. Die Änderungen der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach §§ 21 ff WpHG durch das geplante Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetz, AG 2001, 233; Zinser Der RefE eines „Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen“ vom 12.3. 2001, NZG 2001, 391; ders. Ein neuer Anlauf – der jüngste Vorschlag einer Übernahmerichtlinie vom 2.10.2002, EuZW 2003, 10; Zschoke Europapolitische Mission: Das neue Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetz, DB 2002, 79.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Übersicht Rn 6. Abschnitt: Übernahmerecht (Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WpÜG) . . Text des WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundlagen, insbesondere zu Übernahmepraxis und (Europäisiertem) Übernahmeregime . . . . . . . . . . . . I. Beratungs- und Finanzierungsgeschäft der (Investment-) Banken . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungsbedarf und -ziele des Übernahmerechts . . . . . . . . . III. Regelungssystem, -entwicklung und Harmonisierungsintensität . . . . . . . . . . . . . B. Anwendungsbereich, Angebotsarten und Kontrollschwelle . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich und Grundbegriffe, Grundsätze und Zuständigkeiten . . . . . . . . . . .

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Rn II. Systematik der Erwerbsangebote . . . . . . . . . . . . III. Kontrollschwelle . . . . . . . C. Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbereitungsphase . . . . . . II. Abgabe des Angebots . . . . . III. Reaktion der Zielgesellschaft IV. Annahme des Angebots . . . V. Nachbereitung . . . . . . . . D. Begleitung des Bieters . . . . . . . . I. Dokumentation . . . . . . . . II. Akquisitionsfinanzierung . . . III. Finanzierungsbestätigung (§ 13 WpÜG) . . . . . . . . . IV. Gewährleistungserklärung (§ 327b Abs. 3 AktG) . . . . E. Begleitung der Zielgesellschaft . . . I. Dokumentation (Verweis) . . II. Defense Manual . . . . . . . III. Fairness Opinion . . . . . . .

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919 936 957 958 965 972 980 987 994 995 998

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. 1013 . 1019 . 1020 . 1022 . 1027

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Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) Vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3822) Zuletzt geändert durch Art. 9 Zweites FinanzmarktnovellierungsG vom 23.6.2017 (BGBl. I S. 1693) Das Gesetz wurde als Artikel 1 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen v. 20.12.2001 I 3822 vom Bundestag erlassen. Es ist gem. Art. 12 Satz 1 dieses Gesetzes am 1.1.2002 in Kraft getreten. Vorschriften, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, sind am 23.12.2001 in Kraft getreten. Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften §1 Anwendungsbereich §2 Begriffsbestimmungen §3 Allgemeine Grundsätze Abschnitt 2 Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht §4 Aufgaben und Befugnisse §5 Beirat §6 Widerspruchsausschuss §7 Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden im Inland §8 Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland §9 Verschwiegenheitspflicht Abschnitt 3 Angebote zum Erwerb von Wertpapieren § 10 Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots § 11 Angebotsunterlage § 11a Europäischer Pass § 12 Haftung für die Angebotsunterlage

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6. Teil. Marktregeln § 13 § 14 § 15 § 16 § 17 § 18 § 19 § 20 § 21 § 22 § 23 § 24 § 25 § 26 § 27 § 28

Finanzierung des Angebots Übermittlung und Veröffentlichung der Angebotsunterlage Untersagung des Angebots Annahmefristen; Einberufung der Hauptversammlung Unzulässigkeit der öffentlichen Aufforderung zur Abgabe von Angeboten Bedingungen; Unzulässigkeit des Vorbehalts des Rücktritts und des Widerrufs Zuteilung bei einem Teilangebot Handelsbestand Änderung des Angebots Konkurrierende Angebote Veröffentlichungspflichten des Bieters nach Abgabe des Angebots Grenzüberschreitende Angebote Beschluss der Gesellschafterversammlung des Bieters Sperrfrist Stellungnahme des Vorstands und Aufsichtsrats der Zielgesellschaft Werbung

Abschnitt 4 Übernahmeangebote § 29 Begriffsbestimmungen § 30 Zurechnung von Stimmrechten; Verordnungsermächtigung § 31 Gegenleistung § 32 Unzulässigkeit von Teilangeboten § 33 Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft § 33a Europäisches Verhinderungsverbot § 33b Europäische Durchbrechungsregel § 33c Vorbehalt der Gegenseitigkeit § 33d Verbot der Gewährung ungerechtfertigter Leistungen § 34 Anwendung der Vorschriften des Abschnitts 3 Abschnitt 5 Pflichtangebote § 35 Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots § 36 Nichtberücksichtigung von Stimmrechten § 37 Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots § 38 Anspruch auf Zinsen § 39 Anwendung der Vorschriften des Abschnitts 3 und 4 Abschnitt 5a Ausschluss, Andienungsrecht § 39a Ausschluss der übrigen Aktionäre § 39b Ausschlussverfahren § 39c Andienungsrecht Abschnitt 6 Verfahren § 40 Ermittlungsbefugnisse der Bundesanstalt § 41 Widerspruchsverfahren § 42 Sofortige Vollziehbarkeit § 43 Bekanntgabe und Zustellung § 44 Veröffentlichungsrecht der Bundesanstalt § 45 Mitteilungen an die Bundesanstalt § 46 Zwangsmittel § 47 Gebühren und Auslagen

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) Abschnitt 7 Rechtsmittel § 48 Statthaftigkeit, Zuständigkeit § 49 Aufschiebende Wirkung § 50 Anordnung der sofortigen Vollziehung § 51 Frist und Form § 52 Beteiligte am Beschwerdeverfahren § 53 Anwaltszwang § 54 Mündliche Verhandlung § 55 Untersuchungsgrundsatz § 56 Beschwerdeentscheidung; Vorlagepflicht § 57 Akteneinsicht § 58 Geltung von Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozessordnung Abschnitt 8 Sanktionen § 59 Rechtsverlust § 60 Bußgeldvorschriften § 61 Zuständige Verwaltungsbehörde § 62 Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im gerichtlichen Verfahren § 63 Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof § 64 Wiederaufnahme gegen Bußgeldbescheid § 65 Gerichtliche Entscheidung bei der Vollstreckung Abschnitt 9 Gerichtliche Zuständigkeit; Übergangsregelungen § 66 Gerichte für Wertpapiererwerbs- und Übernahmesachen § 67 Senat für Wertpapiererwerbs- und Übernahmesachen beim Oberlandesgericht § 68 Übergangsregelungen Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften § 1 Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren, die von einer Zielgesellschaft ausgegeben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. (2) Auf Übernahme- und Pflichtangebote zum Erwerb von Aktien einer Zielgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1, deren stimmberechtigte Aktien nicht im Inland, jedoch in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, ist dieses Gesetz nur anzuwenden, soweit es die Kontrolle, die Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots und hiervon abweichende Regelungen, die Unterrichtung der Arbeitnehmer der Zielgesellschaft oder des Bieters, Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft, durch die der Erfolg eines Angebots verhindert werden könnte, oder andere gesellschaftsrechtliche Fragen regelt. (3) Auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 ist dieses Gesetz vorbehaltlich § 11a nur unter folgenden Voraussetzungen anzuwenden: 1. es handelt sich um ein europäisches Angebot zum Erwerb stimmberechtigter Wertpapiere, und 2. a) die stimmberechtigten Wertpapiere sind nur im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen, oder b) die stimmberechtigten Wertpapiere sind sowohl im Inland als auch in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, jedoch nicht in dem Staat, in dem die Zielgesellschaft ihren Sitz hat, zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen, und

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6. Teil. Marktregeln aa) die Zulassung erfolgte zuerst zum Handel an einem organisierten Markt im Inland, oder bb) die Zulassungen erfolgten gleichzeitig, und die Zielgesellschaft hat sich für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) als zuständige Aufsichtsbehörde entschieden. Liegen die in Satz 1 genannten Voraussetzungen vor, ist dieses Gesetz nur anzuwenden, soweit es Fragen der Gegenleistung, des Inhalts der Angebotsunterlage und des Angebotsverfahrens regelt. (4) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen darüber, in welchem Umfang Vorschriften dieses Gesetzes in den Fällen des Absatzes 2 und des Absatzes 3 anwendbar sind, zu erlassen. (5) Eine Zielgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2, deren stimmberechtigte Wertpapiere gleichzeitig im Inland und in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, jedoch nicht in dem Staat, in dem sie ihren Sitz hat, zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen worden sind, hat zu entscheiden, welche der betroffenen Aufsichtsstellen für die Beaufsichtigung eines europäischen Angebots zum Erwerb stimmberechtigter Wertpapiere zuständig sein soll. Sie hat ihre Entscheidung der Bundesanstalt mitzuteilen und zu veröffentlichen. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen über den Zeitpunkt sowie Inhalt und Form der Mitteilung und der Veröffentlichung nach Satz 2 zu erlassen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen. § 2 Begriffsbestimmungen (1) Angebote sind freiwillige oder auf Grund einer Verpflichtung nach diesem Gesetz erfolgende öffentliche Kauf- oder Tauschangebote zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft. (1a) Europäische Angebote sind Angebote zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft im Sinne des Absatzes 3 Nr. 2, die nach dem Recht des Staates des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem die Zielgesellschaft ihren Sitz hat, als Angebote im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (ABl. EU Nr. L 142 S. 12) gelten. (2) Wertpapiere sind, auch wenn für sie keine Urkunden ausgestellt sind, 1. Aktien, mit diesen vergleichbare Wertpapiere und Zertifikate, die Aktien vertreten, 2. andere Wertpapiere, die den Erwerb von Aktien, mit diesen vergleichbaren Wertpapieren oder Zertifikaten, die Aktien vertreten, zum Gegenstand haben. (3) Zielgesellschaften sind 1. Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien mit Sitz im Inland und 2. Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums. (4) Bieter sind natürliche oder juristische Personen oder Personengesellschaften, die allein oder gemeinsam mit anderen Personen ein Angebot abgeben, ein solches beabsichtigen oder zur Abgabe verpflichtet sind. (5) Gemeinsam handelnde Personen sind natürliche oder juristische Personen, die ihr Verhalten im Hinblick auf ihren Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft oder ihre Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft mit dem Bieter auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmen. Mit der Zielgesellschaft gemeinsam handelnde Personen sind natürliche oder juristische Personen, die Handlungen zur Verhinderung eines Übernahme- oder Pflichtangebots mit der Zielgesellschaft auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmen. Tochterunternehmen gelten mit der sie kontrollierenden Person und untereinander als gemeinsam handelnde Personen. (6) Tochterunternehmen sind Unternehmen, die als Tochterunternehmen im Sinne des § 290 des Handelsgesetzbuchs gelten oder auf die ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann, ohne dass es auf die Rechtsform oder den Sitz ankommt.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) (7) Organisierter Markt sind der regulierte Markt an einer Börse im Inland und der geregelte Markt im Sinne des Artikels 4 Abs. 1 Nr. 14 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. EU Nr. L 145 S. 1) in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums. (8) Der Europäische Wirtschaftsraum umfasst die Staaten der Europäischen Gemeinschaften sowie die Staaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. § 3 Allgemeine Grundsätze (1) Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft, die derselben Gattung angehören, sind gleich zu behandeln. (2) Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft müssen über genügend Zeit und ausreichende Informationen verfügen, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können. (3) Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft müssen im Interesse der Zielgesellschaft handeln. (4) Der Bieter und die Zielgesellschaft haben das Verfahren rasch durchzuführen. Die Zielgesellschaft darf nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit behindert werden. (5) Beim Handel mit Wertpapieren der Zielgesellschaft, der Bietergesellschaft oder anderer durch das Angebot betroffener Gesellschaften dürfen keine Marktverzerrungen geschaffen werden. Abschnitt 2 Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht § 4 Aufgaben und Befugnisse (1) Die Bundesanstalt übt die Aufsicht bei Angeboten nach den Vorschriften dieses Gesetzes aus. Sie hat im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben Missständen entgegenzuwirken, welche die ordnungsmäßige Durchführung des Verfahrens beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für den Wertpapiermarkt bewirken können. Die Bundesanstalt kann Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, diese Missstände zu beseitigen oder zu verhindern. (2) Die Bundesanstalt nimmt die ihr nach diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr. § 5 Beirat (1) Bei der Bundesanstalt wird ein Beirat gebildet. Der Beirat besteht aus 1. vier Vertretern der Emittenten, 2. je zwei Vertretern der institutionellen und der privaten Anleger, 3. drei Vertretern der Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 4 des Wertpapierhandelsgesetzes, 4. zwei Vertretern der Arbeitnehmer, 5. zwei Vertretern der Wissenschaft. Die Mitglieder des Beirates werden vom Bundesministerium der Finanzen für jeweils fünf Jahre bestellt; die Bestellung der in Satz 2 Nr. 1 bis 4 genannten Mitglieder erfolgt nach Anhörung der betroffenen Kreise. Die Mitglieder des Beirates müssen fachlich besonders geeignet sein; insbesondere müssen sie über Kenntnisse über die Funktionsweise der Kapitalmärkte sowie über Kenntnisse auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, des Bilanzwesens oder des Arbeitsrechts verfügen. Die Mitglieder des Beirates verwalten ihr Amt als unentgeltliches Ehrenamt. Für ihre Teilnahme an Sitzungen erhalten sie Tagegelder und Vergütung der Reisekosten nach festen Sätzen, die das Bundesministerium der Finanzen bestimmt. An den Sitzungen können Vertreter der Bundesministerien der Finanzen, der Justiz und für Verbraucherschutz sowie für Wirtschaft und Energie teilnehmen.

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6. Teil. Marktregeln (2) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen über die Zusammensetzung des Beirates, die Einzelheiten der Bestellung seiner Mitglieder, die vorzeitige Beendigung der Mitgliedschaft, das Verfahren und die Kosten erlassen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen. (3) der Beirat wirkt bei der Aufsicht mit. Er berät die Bundesanstalt, insbesondere bei dem Erlass von Rechtsverordnungen für die Aufsichtstätigkeit der Bundesanstalt. Er unterbreitet mit Zustimmung von zwei Dritteln seiner Mitglieder Vorschläge für die ehrenamtlichen Beisitzer des Widerspruchsausschusses und deren Vertreter. (4) der Präsident der Bundesanstalt lädt zu den Sitzungen des Beirates ein. Die Sitzungen werden vom Präsidenten der Bundesanstalt oder einem von ihm beauftragten Exekutivdirektor oder Beamten geleitet. (5) Der Beirat gibt sich eine Geschäftsordnung. § 6 Widerspruchsausschuss (1) Bei der Bundesanstalt wird ein Widerspruchsausschuss gebildet. Dieser entscheidet über Widersprüche gegen Verfügungen der Bundesanstalt nach § 4 Abs. 1 Satz 3, § 10 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3, § 15 Abs. 1 und 2, § 20 Abs. 1, §§ 24, 28 Abs. 1, §§ 36 und 37. (2) Der Widerspruchsausschuss besteht aus 1. dem Präsidenten der Bundesanstalt oder einem von ihm beauftragten Exekutivdirektor oder Beamten, der die Befähigung zum Richteramt hat, als Vorsitzendem, 2. zwei vom Präsidenten der Bundesanstalt beauftragten Beamten als Beisitzern, 3. drei vom Präsidenten der Bundesanstalt bestellten ehrenamtlichen Beisitzern. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende. (3) Die ehrenamtlichen Beisitzer werden vom Präsidenten der Bundesanstalt für fünf Jahre als Mitglieder des Widerspruchsausschusses bestellt. (4) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen über das Verfahren, die Einzelheiten der Bestellung der ehrenamtlichen Beisitzer, die vorzeitige Beendigung und die Vertretung erlassen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen. § 7 Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden im Inland (1) Das Bundeskartellamt und die Bundesanstalt haben einander die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen mitzuteilen. Die Bundesanstalt übermittelt dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die ihr nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und § 35 Abs. 1 Satz 4 mitgeteilten Informationen und auf Ersuchen dieser Behörde die ihr nach § 14 Abs. 1 Satz 1 oder § 35 Abs. 2 Satz 1 übermittelte Angebotsunterlage. Bei der Übermittlung personenbezogener Daten ist § 15 des Bundesdatenschutzgesetzes anzuwenden. (2) Die Bundesanstalt kann sich bei der Durchführung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz privater Personen und Einrichtungen bedienen. § 8 Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland (1) Der Bundesanstalt obliegt die Zusammenarbeit mit den für die Überwachung von Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren, Börsen oder anderen Wertpapier- oder Derivatemärkten sowie den Handel in Wertpapieren und Derivaten zuständigen Stellen anderer Staaten. (2) Im Rahmen der Zusammenarbeit nach Absatz 1 darf die Bundesanstalt Tatsachen übermitteln, die für die Überwachung von Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren oder damit zusammenhängender Verwaltungs oder Gerichtsverfahren erforderlich sind; hierbei kann sie von ihren Befugnissen nach § 40 Abs. 1 und 2 Gebrauch machen. Bei der Übermittlung personenbezogener Daten hat die Bundesanstalt den Zweck zu bestimmen, für den diese verwendet werden dürfen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass die Daten nur zu dem Zweck verarbeitet oder genutzt werden dürfen, zu dessen Erfüllung sie übermittelt wurden. Eine Übermittlung unter-

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) bleibt, soweit Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen wird. Die Übermittlung unterbleibt außerdem, wenn durch sie schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden, insbesondere wenn im Empfängerland ein angemessener Datenschutzstandard nicht gewährleistet wäre. (3) Werden der Bundesanstalt von einer Stelle eines anderen Staates personenbezogene Daten mitgeteilt, so dürfen diese nur unter Beachtung der Zweckbestimmung durch diese Stelle verarbeitet oder genutzt werden. Die Bundesanstalt darf die Daten unter Beachtung der Zweckbestimmung den Börsenaufsichtsbehörden und den Handelsüberwachungsstellen der Börsen mitteilen. (4) Die Regelungen über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen bleiben unberührt. § 9 Verschwiegenheitspflicht (1) Die bei der Bundesanstalt und bei Einrichtungen nach § 7 Abs. 2 Beschäftigten, die Personen, derer sich die Bundesanstalt nach § 7 Abs. 2 bedient, sowie die Mitglieder des Beirates und Beisitzer des Widerspruchsausschusses dürfen ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordene Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse eines nach diesem Gesetz Verpflichteten oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, sowie personenbezogene Daten auch nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses oder ihrer Tätigkeit nicht unbefugt offenbaren oder verwerten. Dies gilt auch für andere Personen, die durch dienstliche Berichterstattung Kenntnis von den in Satz 1 bezeichneten Tatsachen erhalten. Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an 1. Strafverfolgungsbehörden oder für Straf und Buß-geldsachen zuständige Gerichte, 2. Stellen, die kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen, der Überwachung von Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren oder der Überwachung von Börsen oder anderen Wertpapier- oder Derivatemärkten, des Wertpapier- oder Derivatehandels, von Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten, Investmentgesellschaften, Finanzunternehmen oder Versicherungsunternehmen betraut sind, sowie von solchen Stellen beauftragte Personen, 3. das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, soweit die Tatsachen für die Erfüllung der Aufgaben dieser Stellen oder Personen erforderlich sind. Für die bei den in Satz 3 genannten Stellen beschäftigten oder von ihnen beauftragten Personen gilt die Verschwiegenheitspflicht nach den Sätzen 1 bis 3 entsprechend. An eine ausländische Stelle dürfen die Tatsachen nur weitergegeben werden, wenn diese Stelle und die von ihr beauftragten Personen einer den Sätzen 1 bis 3 entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen. (2) Die §§ 93, 97 und 105 Absatz 1, § 111 Absatz 5 in Verbindung mit § 105 Absatz 1 sowie § 116 Absatz 1 der Abgabenordnung gelten für die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Personen nur, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen. Die in Satz 1 genannten Vorschriften sind jedoch nicht anzuwenden, soweit Tatsachen betroffen sind, 1. die den in Absatz 1 Satz 1 oder Satz 2 bezeichneten Personen durch eine Stelle eines anderen Staates im Sinne von Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 oder durch von dieser Stelle beauftragte Personen mitgeteilt worden sind oder 2. von denen bei der Bundesanstalt beschäftigte Personen dadurch Kenntnis erlangen, dass sie an der Aufsicht über direkt von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigte Institute mitwirken, insbesondere in gemeinsamen Aufsichtsteams nach Artikel 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmenverordnung) (EZB/2014/17) (ABl. L 141 vom 14.5.2014, S. 1), und die nach den Regeln der Europäischen Zentralbank geheim sind. (3) Die Mitglieder des Beirates und die ehrenamtlichen Beisitzer des Widerspruchsausschusses sind nach dem Verpflichtungsgesetz vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469, 547), geändert durch

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6. Teil. Marktregeln § 1 Nr. 4 des Gesetzes vom 15. August 1974 (BGBl. I S. 1942), in der jeweils geltenden Fassung von der Bundesanstalt auf eine gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu verpflichten. Abschnitt 3 Angebote zum Erwerb von Wertpapieren § 10 Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots (1) Der Bieter hat seine Entscheidung zur Abgabe eines Angebots unverzüglich gemäß Absatz 3 Satz 1 zu veröffentlichen. Die Verpflichtung nach Satz 1 besteht auch, wenn für die Entscheidung nach Satz 1 der Beschluss der Gesellschafterversammlung des Bieters erforderlich ist und ein solcher Beschluss noch nicht erfolgt ist. Die Bundesanstalt kann dem Bieter auf Antrag abweichend von Satz 2 gestatten, eine Veröffentlichung erst nach dem Beschluss der Gesellschafterversammlung vorzunehmen, wenn der Bieter durch geeignete Vorkehrungen sicherstellt, dass dadurch Marktverzerrungen nicht zu befürchten sind. (2) Der Bieter hat die Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 vor der Veröffentlichung 1. den Geschäftsführungen der Börsen, an denen Wertpapiere des Bieters, der Zielgesellschaft und anderer durch das Angebot unmittelbar betroffener Gesellschaften zum Handel zugelassen sind, 2. den Geschäftsführungen der Börsen, an denen Derivate im Sinne des § 2 Abs. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes gehandelt werden, sofern die Wertpapiere Gegenstand der Derivate sind, und 3. der Bundesanstalt mitzuteilen. Die Geschäftsführungen dürfen die ihnen nach Satz 1 mitgeteilten Entscheidungen vor der Veröffentlichung nur zum Zwecke der Entscheidung verwenden, ob die Feststellung des Börsenpreises auszusetzen oder einzustellen ist. Die Bundesanstalt kann gestatten, dass Bieter mit Wohnort oder Sitz im Ausland die Mitteilung nach Satz 1 gleichzeitig mit der Veröffentlichung vornehmen, wenn dadurch die Entscheidungen der Geschäftsführungen über die Aussetzung oder Einstellung der Feststellung des Börsenpreises nicht beeinträchtigt werden. (3) Die Veröffentlichung der Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 ist 1. durch Bekanntgabe im Internet und 2. über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem, das bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten, nach § 53 Abs. 1 des Gesetzes über das Kreditwesen tätigen Unternehmen, anderen Unternehmen, die ihren Sitz im Inland haben und an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, und Versicherungsunternehmen weit verbreitet ist, in deutscher Sprache vorzunehmen. Dabei hat der Bieter auch die Adresse anzugeben, unter der die Veröffentlichung der Angebotsunterlage im Internet nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 erfolgen wird. Eine Veröffentlichung in anderer Weise darf nicht vor der Veröffentlichung nach Satz 1 vorgenommen werden. (4) Der Bieter hat die Veröffentlichung nach Absatz 3 Satz 1 unverzüglich den Geschäftsführungen der in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 erfassten Börsen und der Bundesanstalt zu übersenden. Dies gilt nicht, soweit die Bundesanstalt nach Absatz 2 Satz 3 gestattet hat, die Mitteilung nach Absatz 2 Satz 1 gleichzeitig mit der Veröffentlichung vorzunehmen. (5) Der Bieter hat dem Vorstand der Zielgesellschaft unverzüglich nach der Veröffentlichung nach Absatz 3 Satz 1 die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots schriftlich mitzuteilen. Der Vorstand der Zielgesellschaft unterrichtet den zuständigen Betriebsrat oder, sofern ein solcher nicht besteht, unmittelbar die Arbeitnehmer, unverzüglich über die Mitteilung nach Satz 1. Der Bieter hat die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots ebenso seinem zuständigen Betriebsrat oder, sofern ein solcher nicht besteht, unmittelbar den Arbeitnehmern unverzüglich nach der Veröffentlichung nach Absatz 3 Satz 1 mitzuteilen. (6) Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung gilt nicht für Entscheidungen zur Abgabe eines Angebots.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) § 11 Angebotsunterlage (1) Der Bieter hat eine Unterlage über das Angebot (Angebotsunterlage) zu erstellen und zu veröffentlichen. Die Angebotsunterlage muss die Angaben enthalten, die notwendig sind, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können. Die Angaben müssen richtig und vollständig sein. Die Angebotsunterlage ist in deutscher Sprache und in einer Form abzufassen, die ihr Verständnis und ihre Auswertung erleichtert. Sie ist von dem Bieter zu unterzeichnen. (2) Die Angebotsunterlage hat den Inhalt des Angebots und ergänzende Angaben zu enthalten. Angaben über den Inhalt des Angebots sind 1. Name oder Firma und Anschrift oder Sitz sowie, wenn es sich um eine Gesellschaft handelt, die Rechtsform des Bieters, 2. Firma, Sitz und Rechtsform der Zielgesellschaft, 3. die Wertpapiere, die Gegenstand des Angebots sind, 4. Art und Höhe der für die Wertpapiere der Zielgesellschaft gebotenen Gegenleistung, 4a. die Höhe der für den Entzug von Rechten gebotenen Entschädigung nach § 33b Abs. 4, 5. die Bedingungen, von denen die Wirksamkeit des Angebots abhängt, 6. der Beginn und das Ende der Annahmefrist. Ergänzende Angaben sind 1. Angaben zu den notwendigen Maßnahmen, die sicherstellen, dass dem Bieter die zur vollständigen Erfüllung des Angebots notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, und zu den erwarteten Auswirkungen eines erfolgreichen Angebots auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Bieters, 2. Angaben über die Absichten des Bieters im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft sowie, soweit von dem Angebot betroffen, des Bieters, insbesondere den Sitz und den Standort wesentlicher Unternehmensteile, die Verwendung des Vermögens, künftige Verpflichtungen, die Arbeitnehmer und deren Vertretungen, die Mitglieder der Geschäftsführungsorgane und wesentliche Änderungen der Beschäftigungsbedingungen einschließlich der insoweit vorgesehenen Maßnahmen, 3. Angaben über Geldleistungen oder andere geldwerte Vorteile, die Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern der Zielgesellschaft gewährt oder in Aussicht gestellt werden, 4. die Bestätigung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 unter Angabe von Firma, Sitz und Rechtsform des Wertpapierdienstleistungsunternehmens. (3) Die Angebotsunterlage muss Namen und Anschrift, bei juristischen Personen oder Gesellschaften Firma, Sitz und Rechtsform, der Personen oder Gesellschaften aufführen, die für den Inhalt der Angebotsunterlage die Verantwortung übernehmen; sie muss eine Erklärung dieser Personen oder Gesellschaften enthalten, dass ihres Wissens die Angaben richtig und keine wesentlichen Umstände ausgelassen sind. (4) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, 1. nähere Bestimmungen über die Gestaltung und die in die Angebotsunterlage aufzunehmenden Angaben erlassen und 2. weitere ergänzende Angaben vorschreiben, soweit dies notwendig ist, um den Empfängern des Angebots ein zutreffendes und vollständiges Urteil über den Bieter, die mit ihm gemeinsam handelnden Personen und das Angebot zu ermöglichen. (5) Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung nach Absatz 4 durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen. § 11a Europäischer Pass Die von der zuständigen Aufsichtsstelle eines anderen Staates des Europäischen Wirtschaftsraums gebilligte Angebotsunterlage über ein europäisches Angebot zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2, deren Wertpapiere auch im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, wird im Inland ohne zusätzliches Billigungsverfahren anerkannt.

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6. Teil. Marktregeln § 12 Haftung für die Angebotsunterlage (1) Sind für die Beurteilung des Angebots wesentliche Angaben der Angebotsunterlage unrichtig oder unvollständig, so kann derjenige, der das Angebot angenommen hat oder dessen Aktien dem Bieter nach § 39a übertragen worden sind, 1. von denjenigen, die für die Angebotsunterlage die Verantwortung übernommen haben, und 2. von denjenigen, von denen der Erlass der Angebotsunterlage ausgeht, als Gesamtschuldnern den Ersatz des ihm aus der Annahme des Angebots oder Übertragung der Aktien entstandenen Schadens verlangen. (2) Nach Absatz 1 kann nicht in Anspruch genommen werden, wer nachweist, dass er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben der Angebotsunterlage nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. (3) Der Anspruch nach Absatz 1 besteht nicht, sofern 1. die Annahme des Angebots nicht auf Grund der Angebotsunterlage erfolgt ist, 2. derjenige, der das Angebot angenommen hat, die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben der Angebotsunterlage bei der Abgabe der Annahmeerklärung kannte oder 3. vor der Annahme des Angebots in einer Veröffentlichung nach Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 oder einer vergleichbaren Bekanntmachung eine deutlich gestaltete Berichtigung der unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Inland veröffentlicht wurde. (4) Der Anspruch nach Absatz 1 verjährt in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem derjenige, der das Angebot angenommen hat oder dessen Aktien dem Bieter nach § 39a übertragen worden sind, von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben der Angebotsunterlage Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung der Angebotsunterlage. (5) Eine Vereinbarung, durch die der Anspruch nach Absatz 1 im Voraus ermäßigt oder erlassen wird, ist unwirksam. (6) Weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf Grund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen erhoben werden können, bleiben unberührt. § 13 Finanzierung des Angebots (1) Der Bieter hat vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlage die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass ihm die zur vollständigen Erfüllung des Angebots notwendigen Mittel zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf die Gegenleistung zur Verfügung stehen. Für den Fall, dass das Angebot als Gegenleistung die Zahlung einer Geldleistung vorsieht, ist durch ein vom Bieter unabhängiges Wertpapierdienstleistungsunternehmen schriftlich zu bestätigen, dass der Bieter die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die zur vollständigen Erfüllung des Angebots notwendigen Mittel zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf die Geldleistung zur Verfügung stehen. (2) Hat der Bieter die nach Absatz 1 Satz 2 notwendigen Maßnahmen nicht getroffen und stehen ihm zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf die Geldleistung aus diesem Grunde die notwendigen Mittel nicht zur Verfügung, so kann derjenige, der das Angebot angenommen hat, von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das die schriftliche Bestätigung erteilt hat, den Ersatz des ihm aus der nicht vollständigen Erfüllung entstandenen Schadens verlangen. (3) § 12 Abs. 2 bis 6 gilt entsprechend. § 14 Übermittlung und Veröffentlichung der Angebotsunterlage (1) Der Bieter hat die Angebotsunterlage innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots der Bundesanstalt zu übermitteln. Die Bundesanstalt bestätigt dem Bieter den Tag des Eingangs der Angebotsunterlage. Die Bundesanstalt kann die Frist nach Satz 1 auf Antrag um bis zu vier Wochen verlängern, wenn dem Bieter die Einhaltung der Frist nach Satz 1 auf Grund eines grenzüberschreitenden Angebots oder erforderlicher Kapitalmaßnahmen nicht möglich ist. (2) Die Angebotsunterlage ist gemäß Absatz 3 Satz 1 unverzüglich zu veröffentlichen, wenn die Bundesanstalt die Veröffentlichung gestattet hat oder wenn seit dem Eingang der Angebots-

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) unterlage zehn Werktage verstrichen sind, ohne dass die Bundesanstalt das Angebot untersagt hat. Vor der Veröffentlichung nach Satz 1 darf die Angebotsunterlage nicht bekannt gegeben werden. Die Bundesanstalt kann vor einer Untersagung des Angebots die Frist nach Satz 1 um bis zu fünf Werktage verlängern, wenn die Angebotsunterlage nicht vollständig ist oder sonst den Vorschriften dieses Gesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung nicht entspricht. (3) Die Angebotsunterlage ist zu veröffentlichen durch 1. Bekanntgabe im Internet und 2. Bekanntgabe im Bundesanzeiger oder durch Bereithalten zur kostenlosen Ausgabe bei einer geeigneten Stelle im Inland; im letzteren Fall ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen, bei welcher Stelle die Angebotsunterlage bereit gehalten wird und unter welcher Adresse die Veröffentlichung der Angebotsunterlage im Internet nach Nummer 1 erfolgt ist. Der Bieter hat der Bundesanstalt die Veröffentlichung nach Satz 1 Nr. 2 unverzüglich mitzuteilen. (4) Der Bieter hat die Angebotsunterlage dem Vorstand der Zielgesellschaft unverzüglich nach der Veröffentlichung nach Absatz 3 Satz 1 zu übermitteln. Der Vorstand der Zielgesellschaft hat die Angebotsunterlage unverzüglich dem zuständigen Betriebsrat oder, sofern ein solcher nicht besteht, unmittelbar den Arbeitnehmern zu übermitteln. Der Bieter hat die Angebotsunterlage ebenso seinem zuständigen Betriebsrat oder, sofern ein solcher nicht besteht, unmittelbar den Arbeitnehmern unverzüglich nach der Veröffentlichung nach Absatz 3 Satz 1 zu übermitteln. § 15 Untersagung des Angebots (1) Die Bundesanstalt untersagt das Angebot, wenn 1. die Angebotsunterlage nicht die Angaben enthält, die nach § 11 Abs. 2 oder einer auf Grund des § 11 Abs. 4 erlassenen Rechtsverordnung erforderlich sind, 2. die in der Angebotsunterlage enthaltenen Angaben offensichtlich gegen Vorschriften dieses Gesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung verstoßen, 3. der Bieter entgegen § 14 Abs. 1 Satz 1 der Bundesanstalt keine Angebotsunterlage übermittelt oder 4. der Bieter entgegen § 14 Abs. 2 Satz 1 die Angebotsunterlage nicht veröffentlicht hat. (2) Die Bundesanstalt kann das Angebot untersagen, wenn der Bieter die Veröffentlichung nicht in der in § 14 Abs. 3 Satz 1 vorgeschriebenen Form vornimmt. (3) Ist das Angebot nach Absatz 1 oder 2 untersagt worden, so ist die Veröffentlichung der Angebotsunterlage verboten. Ein Rechtsgeschäft auf Grund eines nach Absatz 1 oder 2 untersagten Angebots ist nichtig. § 16 Annahmefristen; Einberufung der Hauptversammlung (1) Die Frist für die Annahme des Angebots (Annahmefrist) darf nicht weniger als vier Wochen und unbeschadet der Vorschriften des § 21 Abs. 5 und § 22 Abs. 2 nicht mehr als zehn Wochen betragen. Die Annahmefrist beginnt mit der Veröffentlichung der Angebotsunterlage gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1. (2) Bei einem Übernahmeangebot können die Aktionäre der Zielgesellschaft, die das Angebot nicht angenommen haben, das Angebot innerhalb von zwei Wochen nach der in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Veröffentlichung (weitere Annahmefrist) annehmen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Bieter das Angebot von dem Erwerb eines Mindestanteils der Aktien abhängig gemacht hat und dieser Mindestanteil nach Ablauf der Annahmefrist nicht erreicht wurde. (3) Wird im Zusammenhang mit dem Angebot nach der Veröffentlichung der Angebotsunterlage eine Hauptversammlung der Zielgesellschaft einberufen, beträgt die Annahmefrist unbeschadet der Vorschriften des § 21 Abs. 5 und § 22 Abs. 2 zehn Wochen ab der Veröffentlichung der Angebotsunterlage. Der Vorstand der Zielgesellschaft hat die Einberufung der Hauptversammlung der Zielgesellschaft unverzüglich dem Bieter und der Bundesanstalt mitzuteilen. Der Bieter hat die Mitteilung nach Satz 2 unter Angabe des Ablaufs der Annahmefrist unverzüglich im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Er hat der Bundesanstalt unverzüglich die Veröffentlichung mitzuteilen.

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6. Teil. Marktregeln (4) Die Hauptversammlung nach Absatz 3 ist mindestens 14 Tage vor der Versammlung einzuberufen. Der Tag der Einberufung ist nicht mitzurechnen. § 121 Abs. 7 des Aktiengesetzes gilt entsprechend. Abweichend von § 121 Abs. 5 des Aktiengesetzes und etwaigen Bestimmungen der Satzung ist die Gesellschaft bei der Wahl des Versammlungsortes frei. Wird die Frist des § 123 Abs. 1 des Aktiengesetzes unterschritten, so müssen zwischen Anmeldung und Versammlung mindestens vier Tage liegen und sind Mitteilungen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 des Aktiengesetzes unverzüglich zu machen; § 121 Abs. 7, § 123 Abs. 2 Satz 4 und § 125 Abs. 1 Satz 2 des Aktiengesetzes gelten entsprechend. Die Gesellschaft hat den Aktionären die Erteilung von Stimmrechtsvollmachten soweit nach Gesetz und Satzung möglich zu erleichtern. Mitteilungen an die Aktionäre, ein Bericht nach § 186 Abs. 4 Satz 2 des Aktiengesetzes und fristgerecht eingereichte Anträge von Aktionären sind allen Aktionären zugänglich und in Kurzfassung bekannt zu machen. Die Zusendung von Mitteilungen kann unterbleiben, wenn zur Überzeugung des Vorstands mit Zustimmung des Aufsichtsrats der rechtzeitige Eingang bei den Aktionären nicht wahrscheinlich ist. § 17 Unzulässigkeit der öffentlichen Aufforderung zur Abgabe von Angeboten Eine öffentliche auf den Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft gerichtete Aufforderung des Bieters zur Abgabe von Angeboten durch die Inhaber der Wertpapiere ist unzulässig. § 18 Bedingungen; Unzulässigkeit des Vorbehalts des Rücktritts und des Widerrufs (1) Ein Angebot darf vorbehaltlich § 25 nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden, deren Eintritt der Bieter, mit ihm gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen oder im Zusammenhang mit dem Angebot für diese Personen oder Unternehmen tätige Berater ausschließlich selbst herbeiführen können. (2) Ein Angebot, das unter dem Vorbehalt des Widerrufs oder des Rücktritts abgegeben wird, ist unzulässig. § 19 Zuteilung bei einem Teilangebot Ist bei einem Angebot, das auf den Erwerb nur eines bestimmten Anteils oder einer bestimmten Anzahl der Wertpapiere gerichtet ist, der Anteil oder die Anzahl der Wertpapiere, die der Bieter erwerben kann, höher als der Anteil oder die Anzahl der Wertpapiere, die der Bieter zu erwerben sich verpflichtet hat, so sind die Annahmeerklärungen grundsätzlich verhältnismäßig zu berücksichtigen. § 20 Handelsbestand (1) Die Bundesanstalt lässt auf schriftlichen Antrag des Bieters zu, dass Wertpapiere der Zielgesellschaft bei den ergänzenden Angaben nach § 11 Abs. 4 Nr. 2, den Veröffentlichungspflichten nach § 23, der Berechnung des Stimmrechtsanteils nach § 29 Abs. 2 und der Bestimmung der Gegenleistung nach § 31 Abs. 1, 3 und 4 und der Geldleistung nach § 31 Abs. 5 unberücksichtigt bleiben. (2) Ein Befreiungsantrag nach Absatz 1 kann gestellt werden, wenn der Bieter, die mit ihm gemeinsam handelnden Personen oder deren Tochterunternehmen 1. die betreffenden Wertpapiere halten oder zu halten beabsichtigen, um bestehende oder erwartete Unterschiede zwischen dem Erwerbspreis und dem Veräußerungspreis kurzfristig zu nutzen und 2. darlegen, dass mit dem Erwerb der Wertpapiere, soweit es sich um stimmberechtigte Aktien handelt, nicht beabsichtigt ist, auf die Geschäftsführung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen. (3) Stimmrechte aus Aktien, die auf Grund einer Befreiung nach Absatz 1 unberücksichtigt bleiben, können nicht ausgeübt werden, wenn im Falle ihrer Berücksichtigung ein Angebot als Übernahmeangebot abzugeben wäre oder eine Verpflichtung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 bestünde. (4) Beabsichtigt der Bieter Wertpapiere, für die eine Befreiung nach Absatz 1 erteilt worden ist, nicht mehr zu den in Absatz 1 Nr. 1 genannten Zwecken zu halten oder auf die Geschäftsführung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen, ist dies der Bundesanstalt unverzüglich mitzuteilen. Die Bundesanstalt kann die Befreiung nach Absatz 1 außer nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes widerrufen, wenn die Verpflichtung nach Satz 1 nicht erfüllt worden ist.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) § 21 Änderung des Angebots (1) Der Bieter kann bis zu einem Werktag vor Ablauf der Annahmefrist 1. die Gegenleistung erhöhen, 2. wahlweise eine andere Gegenleistung anbieten, 3. den Mindestanteil oder die Mindestzahl der Wertpapiere oder den Mindestanteil der Stimmrechte, von dessen Erwerb der Bieter die Wirksamkeit seines Angebots abhängig gemacht hat, verringern oder 4. auf Bedingungen verzichten. Für die Wahrung der Frist nach Satz 1 ist auf die Veröffentlichung der Änderung nach Absatz 2 abzustellen. (2) Der Bieter hat die Änderung des Angebots unter Hinweis auf das Rücktrittsrecht nach Absatz 4 unverzüglich gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 zu veröffentlichen. § 14 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 gilt entsprechend. (3) § 11 Abs. 1 Satz 2 bis 5, Abs. 3, §§ 12, 13 und 15 Abs.1 Nr. 2 gelten entsprechend. (4) Im Falle einer Änderung des Angebots können die Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft, die das Angebot vor Veröffentlichung der Änderung nach Absatz 2 angenommen haben, von dem Vertrag bis zum Ablauf der Annahmefrist zurücktreten. (5) Im Falle einer Änderung des Angebots verlängert sich die Annahmefrist um zwei Wochen, sofern die Veröffentlichung der Änderung innerhalb der letzten zwei Wochen vor Ablauf der Angebotsfrist erfolgt. Dies gilt auch, falls das geänderte Angebot gegen Rechtsvorschriften verstößt. (6) Eine erneute Änderung des Angebots innerhalb der in Absatz 5 genannten Frist von zwei Wochen ist unzulässig. § 22 Konkurrierende Angebote (1) Konkurrierende Angebote sind Angebote, die während der Annahmefrist eines Angebots von einem Dritten abgegeben werden. (2) Läuft im Falle konkurrierender Angebote die Annahmefrist für das Angebot vor Ablauf der Annahmefrist für das konkurrierende Angebot ab, bestimmt sich der Ablauf der Annahmefrist für das Angebot nach dem Ablauf der Annahmefrist für das konkurrierende Angebot. Dies gilt auch, falls das konkurrierende Angebot geändert oder untersagt wird oder gegen Rechtsvorschriften verstößt. (3) Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft, die das Angebot angenommen haben, können bis zum Ablauf der Annahmefrist vom Vertrag zurücktreten, sofern der Vertragsschluss vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage des konkurrierenden Angebots erfolgte. § 23 Veröffentlichungspflichten des Bieters nach Abgabe des Angebots (1) Der Bieter ist verpflichtet, die Anzahl sämtlicher ihm, den mit ihm gemeinsam handelnden Personen und deren Tochterunternehmen zustehenden Wertpapiere der Zielgesellschaft einschließlich der Höhe der jeweiligen Anteile und der ihm zustehenden und nach § 30 zuzurechnenden Stimmrechtsanteile und die Höhe der nach den §§ 25 und 25a des Wertpapierhandelsgesetzes mitzuteilenden Stimmrechtsanteile sowie die sich aus den ihm zugegangenen Annahmeerklärungen ergebende Anzahl der Wertpapiere, die Gegenstand des Angebots sind, einschließlich der Höhe der Wertpapier- und Stimmrechtsanteile 1. nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage wöchentlich sowie in der letzten Woche vor Ablauf der Annahmefrist täglich, 2. unverzüglich nach Ablauf der Annahmefrist, 3. unverzüglich nach Ablauf der weiteren Annahmefrist und 4. unverzüglich nach Erreichen der für einen Ausschluss nach § 39a Abs. 1 und 2 erforderlichen Beteiligungshöhe gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 zu veröffentlichen und der Bundesanstalt mitzuteilen. § 14 Abs. 3 Satz 2 und § 31 Abs. 6 gelten entsprechend. (2) Erwerben bei Übernahmeangeboten, bei denen der Bieter die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangt hat, und bei Pflichtangeboten der Bieter, mit ihm gemeinsam handelnde Perso-

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6. Teil. Marktregeln nen oder deren Tochterunternehmen nach der Veröffentlichung der Angebotsunterlage und vor Ablauf eines Jahres nach der Veröffentlichung gemäß Absatz 1 Nr. 2 außerhalb des Angebotsverfahrens Aktien der Zielgesellschaft, so hat der Bieter die Höhe der erworbenen Aktien- und Stimmrechtsanteile unter Angabe der Art und Höhe der für jeden Anteil gewährten Gegenleistung unverzüglich gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 zu veröffentlichen und der Bundesanstalt mitzuteilen. § 31 Abs. 6 gilt entsprechend. § 24 Grenzüberschreitende Angebote Hat der Bieter bei grenzüberschreitenden Angeboten zugleich die Vorschriften eines anderen Staates außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums einzuhalten und ist dem Bieter deshalb ein Angebot an alle Inhaber von Wertpapieren unzumutbar, kann die Bundesanstalt dem Bieter auf Antrag gestatten, bestimmte Inhaber von Wertpapieren mit Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in dem Staat von dem Angebot auszunehmen. § 25 Beschluss der Gesellschafterversammlung des Bieters Hat der Bieter das Angebot unter der Bedingung eines Beschlusses seiner Gesellschafterversammlung abgegeben, hat er den Beschluss unverzüglich, spätestens bis zum fünften Werktag vor Ablauf der Annahmefrist, herbeizuführen. § 26 Sperrfrist (1) Ist ein Angebot nach § 15 Abs. 1 oder 2 untersagt worden, ist ein erneutes Angebot des Bieters vor Ablauf eines Jahres unzulässig. Gleiches gilt, wenn der Bieter ein Angebot von dem Erwerb eines Mindestanteils der Wertpapiere abhängig gemacht hat und dieser Mindestanteil nach Ablauf der Annahmefrist nicht erreicht wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn der Bieter zur Veröffentlichung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und zur Abgabe eines Angebots nach § 35 Abs. 2 Satz 1 verpflichtet ist. (2) Die Bundesanstalt kann den Bieter auf schriftlichen Antrag von dem Verbot des Absatzes 1 Satz 1 und 2 befreien, wenn die Zielgesellschaft der Befreiung zustimmt. § 27 Stellungnahme des Vorstands und Aufsichtsrats der Zielgesellschaft (1) Der Vorstand und der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft haben eine begründete Stellungnahme zu dem Angebot sowie zu jeder seiner Änderungen abzugeben. Die Stellungnahme muss insbesondere eingehen auf 1. die Art und Höhe der angebotenen Gegenleistung, 2. die voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Angebots für die Zielgesellschaft, die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, die Beschäftigungsbedingungen und die Standorte der Zielgesellschaft, 3. die vom Bieter mit dem Angebot verfolgten Ziele, 4. die Absicht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, soweit sie Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft sind, das Angebot anzunehmen. (2) Übermitteln der zuständige Betriebsrat oder, sofern ein solcher nicht besteht, unmittelbar die Arbeitnehmer der Zielgesellschaft dem Vorstand eine Stellungnahme zu dem Angebot, hat der Vorstand unbeschadet seiner Verpflichtung nach Absatz 3 Satz 1 diese seiner Stellungnahme beizufügen. (3) Der Vorstand und der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft haben die Stellungnahme unverzüglich nach Übermittlung der Angebotsunterlage und deren Änderungen durch den Bieter gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 zu veröffentlichen. Sie haben die Stellungnahme gleichzeitig dem zuständigen Betriebsrat oder, sofern ein solcher nicht besteht, unmittelbar den Arbeitnehmern zu übermitteln. Der Vorstand und der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft haben der Bundesanstalt unverzüglich die Veröffentlichung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 mitzuteilen. § 28 Werbung (1) Um Missständen bei der Werbung im Zusammenhang mit Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren zu begegnen, kann die Bundesanstalt bestimmte Arten der Werbung untersagen. (2) Vor allgemeinen Maßnahmen nach Absatz 1 ist der Beirat zu hören.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) Abschnitt 4 Übernahmeangebote § 29 Begriffsbestimmungen (1) Übernahmeangebote sind Angebote, die auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet sind. (2) Kontrolle ist das Halten von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft aus dem Bieter gehörenden Aktien der Zielgesellschaft oder dem Bieter nach § 30 zugerechneten Stimmrechten an der Zielgesellschaft. Stimmrechte aus Aktien, die zu einem von einer Kapitalverwaltungsgesellschaft verwalteten Sondervermögen gehören, das kein Spezialsondervermögen ist und dessen Vermögensgegenstände im Miteigentum der Anleger stehen, gelten für die Anwendung von Satz 1 als Stimmrechte der Kapitalverwaltungsgesellschaft. § 30 Zurechnung von Stimmrechten; Verordnungsermächtigung (1) Stimmrechten des Bieters stehen Stimmrechte aus Aktien der Zielgesellschaft gleich, 1. die einem Tochterunternehmen des Bieters gehören, 2. die einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Bieters gehalten werden, 3. die der Bieter einem Dritten als Sicherheit übertragen hat, es sei denn, der Dritte ist zur Ausübung der Stimmrechte aus diesen Aktien befugt und bekundet die Absicht, die Stimmrechte unabhängig von den Weisungen des Bieters auszuüben, 4. an denen zugunsten des Bieters ein Nießbrauch bestellt ist, 5. die der Bieter durch eine Willenserklärung erwerben kann, 6. die dem Bieter anvertraut sind oder aus denen er die Stimmrechte als Bevollmächtigter ausüben kann, sofern er die Stimmrechte aus diesen Aktien nach eigenem Ermessen ausüben kann, wenn keine besonderen Weisungen des Aktionärs vorliegen, 7. aus denen der Bieter die Stimmrechte auf Grund einer Vereinbarung, die eine zeitweilige Übertragung der Stimmrechte ohne die damit verbundenen Aktien gegen Gegenleistung vorsieht, ausüben kann, 8. die bei dem Bieter als Sicherheit verwahrt werden, sofern dieser die Stimmrechte hält und die Absicht bekundet, sie auszuüben. Für die Zurechnung nach Satz 1 Nummer 2 bis 8 stehen dem Bieter Tochterunternehmen des Bieters gleich. Stimmrechte des Tochterunternehmens werden dem Bieter in voller Höhe zugerechnet. (2) Dem Bieter werden auch Stimmrechte eines Dritten aus Aktien der Zielgesellschaft in voller Höhe zugerechnet, mit dem der Bieter oder sein Tochterunternehmen sein Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt; ausgenommen sind Vereinbarungen in Einzelfällen. Ein abgestimmtes Verhalten setzt voraus, dass der Bieter oder sein Tochterunternehmen und der Dritte sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft in sonstiger Weise zusammenwirken. Für die Berechnung des Stimmrechtsanteils des Dritten gilt Absatz 1 entsprechend. (3) Für die Zurechnung nach dieser Vorschrift gilt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen hinsichtlich der Beteiligungen, die von ihm im Rahmen einer Wertpapierdienstleistung nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 7 des Wertpapierhandelsgesetzes verwaltet werden, unter den folgenden Voraussetzungen nicht als Tochterunternehmen im Sinne des § 2 Absatz 6: 1. das Wertpapierdienstleistungsunternehmen übt die Stimmrechte, die mit den betreffenden Aktien verbunden sind, unabhängig vom Bieter aus, 2. das Wertpapierdienstleistungsunternehmen a) darf die Stimmrechte nur aufgrund von in schriftlicher Form oder über elektronische Hilfsmittel erteilten Weisungen ausüben oder b) stellt durch geeignete Vorkehrungen sicher, dass die Finanzportfolioverwaltung unabhängig von anderen Dienstleistungen und unter Bedingungen erfolgt, die gleichwertig sind denen der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 302 vom 17.11. 2009, S. 32) in der jeweils geltenden Fassung,

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6. Teil. Marktregeln 3. der Bieter teilt der Bundesanstalt den Namen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und die für dessen Überwachung zuständige Behörde oder das Fehlen einer solchen Behörde mit und 4. der Bieter erklärt gegenüber der Bundesanstalt, dass die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt sind. (4) Für die Zurechnung nach dieser Vorschrift gelten Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinne des § 17 Absatz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs und EU-Verwaltungsgesellschaften im Sinne des § 1 Absatz 17 des Kapitalanlagegesetzbuchs hinsichtlich der Beteiligungen, die zu den von ihnen verwalteten Investmentvermögen gehören, unter den folgenden Voraussetzungen nicht als Tochterunternehmen im Sinne des § 2 Absatz 6: 1. die Verwaltungsgesellschaft übt ihre Stimmrechte unabhängig vom Bieter aus, 2. die zum verwalteten Investmentvermögen gehörenden Beteiligungen im Sinne der §§ 29 und 30 werden nach Maßgabe der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 32), die zuletzt durch die Richtlinie 2014/91/EU (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 186) geändert worden ist, verwaltet, 3. das Mutterunternehmen teilt der Bundesanstalt den Namen dieser Verwaltungsgesellschaft und die für deren Überwachung zuständige Behörde oder das Fehlen einer solchen mit und 4. das Mutterunternehmen erklärt gegenüber der Bundesanstalt, dass die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt sind. (5) Ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat, das nach § 32 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 des Kreditwesengesetzes einer Zulassung für die Finanzportfolioverwaltung oder einer Erlaubnis nach § 20 oder § 113 des Kapitalanlagegesetzbuchs bedürfte, wenn es seinen Sitz oder seine Hauptverwaltung im Inland hätte, gilt nicht als Tochterunternehmen im Sinne dieses Abschnitts, wenn 1. das Unternehmen bezüglich seiner Unabhängigkeit Anforderungen genügt, die denen nach Absatz 3 oder Absatz 4, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Absatz 7, jeweils gleichwertig sind, 2. der Bieter der Bundesanstalt den Namen dieses Unternehmens und die für dessen Überwachung zuständige Behörde oder das Fehlen einer solchen Behörde mitteilt und 3. der Bieter gegenüber der Bundesanstalt erklärt, dass die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt sind. (6) Abweichend von den Absätzen 3 bis 5 gelten Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Verwaltungsgesellschaften jedoch dann als Tochterunternehmen im Sinne des § 2 Absatz 6, wenn 1. der Bieter oder ein anderes Tochterunternehmen des Bieters seinerseits Anteile an der von dem Unternehmen verwalteten Beteiligung hält und 2. das Unternehmen die Stimmrechte, die mit diesen Beteiligungen verbunden sind, nicht nach freiem Ermessen, sondern nur auf Grund unmittelbarer oder mittelbarer Weisungen ausüben kann, die ihm vom Bieter oder von einem anderen Tochterunternehmen des Bieters erteilt werden. (7) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über die Umstände, unter denen in den Fällen der Absätze 3 bis 6 eine Unabhängigkeit des Unternehmens vom Bieter gegeben ist. § 31 Gegenleistung (1) Der Bieter hat den Aktionären der Zielgesellschaft eine angemessene Gegenleistung anzubieten. Bei der Bestimmung der angemessenen Gegenleistung sind grundsätzlich der durchschnittliche Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft und Erwerbe von Aktien der Zielgesellschaft durch den Bieter, mit ihm gemeinsam handelnder Personen oder deren Tochterunternehmen zu berücksichtigen. (2) Die Gegenleistung hat in einer Geldleistung in Euro oder in liquiden Aktien zu bestehen, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Werden Inhabern stimmberech-

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) tigter Aktien als Gegenleistung Aktien angeboten, müssen diese Aktien ebenfalls ein Stimmrecht gewähren. (3) Der Bieter hat den Aktionären der Zielgesellschaft eine Geldleistung in Euro anzubieten, wenn er, mit ihm gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen in den sechs Monaten vor der Veröffentlichung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 bis zum Ablauf der Annahmefrist insgesamt mindestens 5 Prozent der Aktien oder Stimmrechte an der Zielgesellschaft gegen Zahlung einer Geldleistung erworben haben. (4) Erwerben der Bieter, mit ihm gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage und vor der Veröffentlichung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Aktien der Zielgesellschaft und wird hierfür wertmäßig eine höhere als die im Angebot genannte Gegenleistung gewährt oder vereinbart, erhöht sich die den Angebotsempfängern der jeweiligen Aktiengattung geschuldete Gegenleistung wertmäßig um den Unterschiedsbetrag. (5) Erwerben der Bieter, mit ihm gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen innerhalb eines Jahres nach der Veröffentlichung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 außerhalb der Börse Aktien der Zielgesellschaft und wird hierfür wertmäßig eine höhere als die im Angebot genannte Gegenleistung gewährt oder vereinbart, ist der Bieter gegenüber den Inhabern der Aktien, die das Angebot angenommen haben, zur Zahlung einer Geldleistung in Euro in Höhe des Unterschiedsbetrages verpflichtet. Satz 1 gilt nicht für den Erwerb von Aktien im Zusammenhang mit einer gesetzlichen Verpflichtung zur Gewährung einer Abfindung an Aktionäre der Zielgesellschaft und für den Erwerb des Vermögens oder von Teilen des Vermögens der Zielgesellschaft durch Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung. (6) Dem Erwerb im Sinne der Absätze 3 bis 5 gleichgestellt sind Vereinbarungen, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann. Als Erwerb gilt nicht die Ausübung eines gesetzlichen Bezugsrechts auf Grund einer Erhöhung des Grundkapitals der Zielgesellschaft. (7) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen über die Angemessenheit der Gegenleistung nach Absatz 1, insbesondere die Berücksichtigung des durchschnittlichen Börsenkurses der Aktien der Zielgesellschaft und der Erwerbe von Aktien der Zielgesellschaft durch den Bieter, mit ihm gemeinsam handelnder Personen oder deren Tochterunternehmen und die hierbei maßgeblichen Zeiträume sowie über Ausnahmen von dem in Absatz 1 Satz 2 genannten Grundsatz und die Ermittlung des Unterschiedsbetrages nach den Absätzen 4 und 5 erlassen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen. § 32 Unzulässigkeit von Teilangeboten Ein Übernahmeangebot, das sich nur auf einen Teil der Aktien der Zielgesellschaft erstreckt, ist unbeschadet der Vorschrift des § 24 unzulässig. § 33 Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft (1) Nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 darf der Vorstand der Zielgesellschaft keine Handlungen vornehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Dies gilt nicht für Handlungen, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, vorgenommen hätte, für die Suche nach einem konkurrierenden Angebot sowie für Handlungen, denen der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft zugestimmt hat. (2) Ermächtigt die Hauptversammlung den Vorstand vor dem in Absatz 1 Satz 1 genannten Zeitraum zur Vornahme von Handlungen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, um den Erfolg von Übernahmeangeboten zu verhindern, sind diese Handlungen in der Ermächtigung der Art nach zu bestimmen. Die Ermächtigung kann für höchstens 18 Monate erteilt werden. Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst; die Satzung kann eine größere Ka-

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6. Teil. Marktregeln pitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. Handlungen des Vorstands auf Grund einer Ermächtigung nach Satz 1 bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats. (3) (weggefallen) § 33a Europäisches Verhinderungsverbot (1) Die Satzung einer Zielgesellschaft kann vorsehen, dass § 33 keine Anwendung findet. In diesem Fall gelten die Bestimmungen des Absatzes 2. (2) Nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 dürfen Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft keine Handlungen vornehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Dies gilt nicht für 1. Handlungen, zu denen die Hauptversammlung den Vorstand oder Aufsichtsrat nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots ermächtigt hat, 2. Handlungen innerhalb des normalen Geschäftsbetriebs, 3. Handlungen außerhalb des normalen Geschäftsbetriebs, sofern sie der Umsetzung von Entscheidungen dienen, die vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots gefasst und teilweise umgesetzt wurden, und 4. die Suche nach einem konkurrierenden Angebot. (3) Der Vorstand der Zielgesellschaft hat die Bundesanstalt sowie die Aufsichtsstellen der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, in denen Wertpapiere der Gesellschaft zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, unverzüglich davon zu unterrichten, dass die Zielgesellschaft eine Satzungsbestimmung nach Absatz 1 Satz 1 beschlossen hat. § 33b Europäische Durchbrechungsregel (1) Die Satzung einer Zielgesellschaft kann vorsehen, dass Absatz 2 Anwendung findet. (2) Nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage nach § 14 Abs. 3 Satz 1 gelten die folgenden Bestimmungen: 1. während der Annahmefrist eines Übernahmeangebots gelten satzungsmäßige, zwischen der Zielgesellschaft und Aktionären oder zwischen Aktionären vereinbarte Übertragungsbeschränkungen von Aktien nicht gegenüber dem Bieter, 2. während der Annahmefrist eines Übernahmeangebots entfalten in einer Hauptversammlung, die über Abwehrmaßnahmen beschließt, Stimmbindungsverträge keine Wirkung und Mehrstimmrechtsaktien berechtigen zu nur einer Stimme und 3. in der ersten Hauptversammlung, die auf Verlangen des Bieters einberufen wird, um die Satzung zu ändern oder über die Besetzung der Leitungsorgane der Gesellschaft zu entscheiden, entfalten, sofern der Bieter nach dem Angebot über mindestens 75 Prozent der Stimmrechte der Zielgesellschaft verfügt, Stimmbindungsverträge sowie Entsendungsrechte keine Wirkung und Mehrstimmrechtsaktien berechtigen zu nur einer Stimme. Satz 1 gilt nicht für Vorzugsaktien ohne Stimmrecht sowie für vor dem 22. April 2004 zwischen der Zielgesellschaft und Aktionären oder zwischen Aktionären vereinbarten Übertragungsbeschränkungen und Stimmbindungen. (3) Der Vorstand der Zielgesellschaft hat die Bundesanstalt sowie die Aufsichtsstellen der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, in denen Wertpapiere der Gesellschaft zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, unverzüglich davon zu unterrichten, dass die Zielgesellschaft eine Satzungsbestimmung nach Absatz 1 beschlossen hat. (4) Für die Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 3 gilt § 16 Abs. 4 entsprechend. (5) Werden Rechte auf der Grundlage des Absatzes 1 entzogen, ist der Bieter zu einer angemessenen Entschädigung in Geld verpflichtet, soweit diese Rechte vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe des Angebots nach § 10 Abs. 1 Satz 1 begründet wurden und der Zielgesellschaft bekannt sind. Der Anspruch auf Entschädigung nach Satz 1 kann nur bis zum Ablauf von zwei Monaten seit dem Entzug der Rechte gerichtlich geltend gemacht werden.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) § 33c Vorbehalt der Gegenseitigkeit (1) Die Hauptversammlung einer Zielgesellschaft, deren Satzung die Anwendbarkeit des § 33 ausschließt, kann beschließen, dass § 33 gilt, wenn der Bieter oder ein ihn beherrschendes Unternehmen einer dem § 33a Abs. 2 entsprechenden Regelung nicht unterliegt. (2) Die Hauptversammlung einer Zielgesellschaft, deren Satzung eine Bestimmung nach § 33b Abs. 1 enthält, kann beschließen, dass diese Bestimmung keine Anwendung findet, wenn der Bieter oder ein ihn beherrschendes Unternehmen einer dieser Bestimmung entsprechenden Regelung nicht unterliegt. (3) Der Vorbehalt der Gegenseitigkeit gemäß den Absätzen 1 und 2 kann in einem Beschluss gefasst werden. Der Beschluss der Hauptversammlung gilt für höchstens 18 Monate. Der Vorstand der Zielgesellschaft hat die Bundesanstalt und die Aufsichtsstellen der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, in denen stimmberechtigte Aktien der Gesellschaft zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, unverzüglich von der Ermächtigung zu unterrichten. Die Ermächtigung ist unverzüglich auf der Internetseite der Zielgesellschaft zu veröffentlichen. § 33d Verbot der Gewährung ungerechtfertigter Leistungen Dem Bieter und mit ihm gemeinsam handelnden Personen ist es verboten, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit dem Angebot ungerechtfertigte Geldleistungen oder andere ungerechtfertigte geldwerte Vorteile zu gewähren oder in Aussicht zu stellen. § 34 Anwendung der Vorschriften des Abschnitts 3 Für Übernahmeangebote gelten die Vorschriften des Abschnitts 3, soweit sich aus den vorstehenden Vorschriften nichts anderes ergibt. Abschnitt 5 Pflichtangebote § 35 Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots (1) Wer unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle über eine Zielgesellschaft erlangt, hat dies unter Angabe der Höhe seines Stimmrechtsanteils unverzüglich, spätestens innerhalb von sieben Kalendertagen, gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 zu veröffentlichen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Bieter Kenntnis davon hat oder nach den Umständen haben musste, dass er die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangt hat. In der Veröffentlichung sind die nach § 30 zuzurechnenden Stimmrechte für jeden Zurechnungstatbestand getrennt anzugeben. § 10 Abs. 2, 3 Satz 3 und Abs. 4 bis 6 gilt entsprechend. (2) Der Bieter hat innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle über eine Zielgesellschaft der Bundesanstalt eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 14 Abs. 2 Satz 1 ein Angebot zu veröffentlichen. § 14 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. Ausgenommen von der Verpflichtung nach Satz 1 sind eigene Aktien der Zielgesellschaft, Aktien der Zielgesellschaft, die einem abhängigen oder im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen der Zielgesellschaft gehören, und Aktien der Zielgesellschaft, die einem Dritten gehören, jedoch für Rechnung der Zielgesellschaft, eines abhängigen oder eines im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens der Zielgesellschaft gehalten werden. (3) Wird die Kontrolle über die Zielgesellschaft auf Grund eines Übernahmeangebots erworben, besteht keine Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1. § 36 Nichtberücksichtigung von Stimmrechten Die Bundesanstalt lässt auf schriftlichen Antrag zu, dass Stimmrechte aus Aktien der Zielgesellschaft bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt bleiben, wenn die Aktien erlangt wurden durch 1. Erbgang, Erbauseinandersetzung oder unentgeltliche Zuwendung unter Ehegatten, Lebenspartnern oder Verwandten in gerader Linie und bis zum dritten Grade oder durch Vermögensauseinandersetzung aus Anlass der Auflösung einer Ehe oder Lebenspartnerschaft,

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6. Teil. Marktregeln 2. Rechtsformwechsel oder 3. Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns. § 37 Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots (1) Die Bundesanstalt kann auf schriftlichen Antrag den Bieter von den Verpflichtungen nach § 35 Abs.1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 befreien, sofern dies im Hinblick auf die Art der Erlangung, die mit der Erlangung der Kontrolle beabsichtigte Zielsetzung, ein nach der Erlangung der Kontrolle erfolgendes Unterschreiten der Kontrollschwelle, die Beteiligungsverhältnisse an der Zielgesellschaft oder die tatsächliche Möglichkeit zur Ausübung der Kontrolle unter Berücksichtigung der Interessen des Antragstellers und der Inhaber der Aktien der Zielgesellschaft gerechtfertigt erscheint. (2) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen über die Befreiung von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs.2 Satz 1 erlassen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen. § 38 Anspruch auf Zinsen Der Bieter ist den Aktionären der Zielgesellschaft für die Dauer des Verstoßes zur Zahlung von Zinsen auf die Gegenleistung in Höhe von fünf Prozentpunkten auf das Jahr über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet, wenn 1. er entgegen § 35 Abs. 1 Satz 1 keine Veröffentlichung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 vornimmt, 2. er entgegen § 35 Abs. 2 Satz 1 kein Angebot gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 abgibt oder 3. ihm ein Angebot im Sinne des § 35 Abs. 2 Satz 1 nach § 15 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 3 untersagt worden ist. § 39 Anwendung der Vorschriften des Abschnitts 3 und 4 Für Angebote nach § 35 Abs. 2 Satz 1 gelten mit Ausnahme von § 10 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 1, § 16 Abs. 2, § 18 Abs. 1, §§ 19, 25, 26 und 34 die Vorschriften der Abschnitte 3 und 4 sinngemäß. Abschnitt 5a Ausschluss, Andienungsrecht § 39a Ausschluss der übrigen Aktionäre (1) Nach einem Übernahme- oder Pflichtangebot sind dem Bieter, dem Aktien der Zielgesellschaft in Höhe von mindestens 95 Prozent des stimmberechtigten Grundkapitals gehören, auf seinen Antrag die übrigen stimmberechtigten Aktien gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung durch Gerichtsbeschluss zu übertragen. Gehören dem Bieter zugleich Aktien in Höhe von 95 Prozent des Grundkapitals der Zielgesellschaft, sind ihm auf Antrag auch die übrigen Vorzugsaktien ohne Stimmrecht zu übertragen. (2) Für die Feststellung der erforderlichen Beteiligungshöhe nach Absatz 1 gilt § 16 Abs. 2 und 4 des Aktiengesetzes entsprechend. (3) Die Art der Abfindung hat der Gegenleistung des Übernahme- oder Pflichtangebots zu entsprechen. Eine Geldleistung ist stets wahlweise anzubieten. Die im Rahmen des Übernahmeoder Pflichtangebots gewährte Gegenleistung ist als angemessene Abfindung anzusehen, wenn der Bieter auf Grund des Angebots Aktien in Höhe von mindestens 90 Prozent des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat. Die Annahmequote ist für stimmberechtigte Aktien und stimmrechtslose Aktien getrennt zu ermitteln. (4) Ein Antrag auf Übertragung der Aktien nach Absatz 1 muss innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist gestellt werden. Der Bieter kann den Antrag stellen, wenn das Übernahme- oder Pflichtangebot in einem Umfang angenommen worden ist, dass ihm beim späteren Vollzug des Angebots Aktien in Höhe des zum Ausschluss mindestens erforderlichen Anteils am stimmberechtigten oder am gesamten Grundkapital der Zielgesellschaft gehören werden. (5) Über den Antrag entscheidet ausschließlich das Landgericht Frankfurt am Main.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) (6) Die §§ 327a bis 327f des Aktiengesetzes finden nach Stellung eines Antrags bis zum rechtskräftigen Abschluss des Ausschlussverfahrens keine Anwendung. § 39b Ausschlussverfahren (1) Auf das Verfahren für den Ausschluss nach § 39a ist das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden, soweit in den nachfolgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist. (2) Das Landgericht hat den Antrag auf Ausschluss nach § 39a in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen. (3) Das Landgericht entscheidet durch einen mit Gründen versehenen Beschluss. Der Beschluss darf frühestens einen Monat seit Bekanntmachung der Antragstellung im Bundesanzeiger und erst dann ergehen, wenn der Bieter glaubhaft gemacht hat, dass ihm Aktien in Höhe des zum Ausschluss mindestens erforderlichen Anteils am stimmberechtigten oder am gesamten Grundkapital der Zielgesellschaft gehören. Gegen die Entscheidung des Landgerichts findet die Beschwerde statt; sie hat aufschiebende Wirkung. (4) Das Landgericht hat seine Entscheidung dem Antragsteller und der Zielgesellschaft sowie den übrigen Aktionären der Gesellschaft, sofern diese im Beschlussverfahren angehört wurden, zuzustellen. Es hat die Entscheidung ferner ohne Gründe in den Gesellschaftsblättern bekannt zu geben. Die Beschwerde steht dem Antragsteller und den übrigen Aktionären der Zielgesellschaft zu. Die Beschwerdefrist beginnt mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, für den Antragsteller und für die übrigen Aktionäre, denen die Entscheidung zugestellt wurde, jedoch nicht vor Zustellung der Entscheidung. (5) Die Entscheidung ist erst mit Rechtskraft wirksam. Sie wirkt für und gegen alle Aktionäre. Mit rechtskräftiger Entscheidung gehen alle Aktien der übrigen Aktionäre auf den zum Ausschluss berechtigten Aktionär über. Sind über diese Aktien Aktienurkunden ausgegeben, so verbriefen sie bis zu ihrer Aushändigung nur den Anspruch auf eine angemessene Abfindung. Der Vorstand der Zielgesellschaft hat die rechtskräftige Entscheidung unverzüglich zum Handelsregister einzureichen. (6) Das Gericht ordnet an, dass die Kosten der Antragsgegner, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, ganz oder zum Teil vom Antragsteller zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Gerichtskosten für das Verfahren erster Instanz können dem Antragsgegner nicht auferlegt werden. § 39c Andienungsrecht Nach einem Übernahme- oder Pflichtangebot können die Aktionäre einer Zielgesellschaft, die das Angebot nicht angenommen haben, das Angebot innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist annehmen, sofern der Bieter berechtigt ist, einen Antrag nach § 39a zu stellen. Erfüllt der Bieter seine Verpflichtungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 oder Satz 2 nicht, beginnt die in Satz 1 genannte Dreimonatsfrist erst mit der Erfüllung der Verpflichtungen zu laufen. Abschnitt 6 Verfahren § 40 Ermittlungsbefugnisse der Bundesanstalt (1) Die Bundesanstalt kann von jedermann Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien verlangen sowie Personen laden und vernehmen, soweit dies auf Grund von Anhaltspunkten für die Überwachung der Einhaltung eines Gebots oder Verbots dieses Gesetzes erforderlich ist. Sie kann insbesondere die Angabe von Bestandsveränderungen in Finanzinstrumenten sowie Auskünfte über die Identität weiterer Personen, insbesondere der Auftraggeber und der aus Geschäften berechtigten oder verpflichteten Personen, verlangen. Gesetzliche Auskunfts- oder Aussageverweigerungsrechte sowie gesetzliche Verschwiegenheitspflichten bleiben unberührt. (2) Während der üblichen Arbeitszeit ist Bediensteten der Bundesanstalt und den von ihr beauftragten Personen, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist, das Betreten der Grundstücke und Geschäftsräume der nach Absatz 1 auskunftspflich-

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6. Teil. Marktregeln tigen Personen zu gestatten. Das Betreten außerhalb dieser Zeit oder das Betreten von Geschäftsräumen, die sich in einer Wohnung befinden, ist ohne Einverständnis nur zulässig und insoweit zu dulden, wie dies zur Verhütung von dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist und bei der auskunftspflichtigen Person Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen ein Verbot oder Gebot dieses Gesetzes vorliegen. Das Grundrecht des Artikels 13 des Grundgesetzes wird insoweit eingeschränkt. (3) Der zur Erteilung einer Auskunft Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Der Verpflichtete ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. § 41 Widerspruchsverfahren (1) Vor Einlegung der Beschwerde sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Verfügungen der Bundesanstalt in einem Widerspruchsverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält. Für das Widerspruchsverfahren gelten die §§ 68 bis 73 der Verwaltungsgerichtsordnung, soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes geregelt ist. (2) Die Bundesanstalt trifft ihre Entscheidung innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Eingang des Widerspruchs. Bei besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten oder bei einer Vielzahl von Widerspruchsverfahren kann die Bundesanstalt die Frist durch unanfechtbaren Beschluss verlängern. (3) Die Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken, wie es einem auf Förderung und raschen Abschluss des Verfahrens bedachten Vorgehen entspricht. Den Beteiligten können Fristen gesetzt werden, nach deren Ablauf weiterer Vortrag unbeachtet bleibt. (4) Der Widerspruchsausschuss kann das Verfahren ohne mündliche Verhandlung dem Vorsitzenden durch unanfechtbaren Beschluss zur alleinigen Entscheidung übertragen. Diese Übertragung ist nur zulässig, sofern die Sache keine wesentlichen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufweist und die Entscheidung nicht von grundsätzlicher Bedeutung sein wird. § 42 Sofortige Vollziehbarkeit Der Widerspruch gegen Maßnahmen der Bundesanstalt nach § 4 Abs. 1 Satz 3, § 15 Abs. 1 oder 2, § 28 Abs. 1 oder § 40 Abs. 1 und 2 hat keine aufschiebende Wirkung. § 43 Bekanntgabe und Zustellung (1) Verfügungen, die gegenüber einer Person mit Wohnsitz oder einem Unternehmen mit Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ergehen, gibt die Bundesanstalt der Person bekannt, die als Bevollmächtigte benannt wurde. Ist kein Bevollmächtigter benannt, so erfolgt die Bekanntgabe durch öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger. (2) Ist die Verfügung zuzustellen, so erfolgt die Zustellung bei Personen mit Wohnsitz oder Unternehmen mit Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes an die Person, die als Bevollmächtigte benannt wurde. Ist kein Bevollmächtigter benannt, so erfolgt die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger. § 44 Veröffentlichungsrecht der Bundesanstalt Die Bundesanstalt kann ihre Verfügungen nach § 4 Abs. 1 Satz 3, § 10 Abs. 2 Satz 3, § 15 Abs. 1 und 2, § 20 Abs. 1, § 28 Abs. 1, § 36 oder § 37 Abs. 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Abs. 2, auf Kosten des Adressaten der Verfügung im Bundesanzeiger veröffentlichen. § 45 Mitteilungen an die Bundesanstalt Anträge und Mitteilungen an die Bundesanstalt haben in schriftlicher Form zu erfolgen. Eine Übermittlung im Wege der elektronischen Datenfernübertragung ist zulässig, sofern der Absender zweifelsfrei zu erkennen ist.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) § 46 Zwangsmittel Die Bundesanstalt kann Verfügungen, die nach diesem Gesetz ergehen, mit Zwangsmitteln nach den Bestimmungen des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes durchsetzen. Sie kann auch Zwangsmittel gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts anwenden. Widerspruch und Beschwerde gegen die Androhung und Festsetzung der Zwangsmittel nach den §§ 13 und 14 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes haben keine aufschiebende Wirkung. Die Höhe des Zwangsgeldes beträgt abweichend von § 11 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes bis zu 500.000 Euro. § 47 Gebühren und Auslagen Die Bundesanstalt erhebt für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen auf Grund des § 10 Absatz 2 Satz 3, der §§ 14 und 15 Absatz 1 oder 2, der §§ 20, 24, 28 Absatz 1, der §§ 36, 37 Absatz 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Absatz 2, oder des § 41 in Verbindung mit § 6 Gebühren und Auslagen. Das Bundesministerium der Finanzen bestimmt die Gebührentatbestände im Einzelnen und die Höhe der Gebühren durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen. Abschnitt 7 Rechtsmittel § 48 Statthaftigkeit, Zuständigkeit (1) Gegen Verfügungen der Bundesanstalt ist die Beschwerde statthaft. Sie kann auch auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden. (2) Die Beschwerde steht den am Verfahren vor der Bundesanstalt Beteiligten zu. (3) Die Beschwerde ist auch gegen die Unterlassung einer beantragten Verfügung der Bundesanstalt statthaft, auf deren Vornahme der Antragsteller ein Recht zu haben behauptet. Als Unterlassung gilt es auch, wenn die Bundesanstalt den Antrag auf Vornahme der Verfügung ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht beschieden hat. Die Unterlassung ist dann einer Ablehnung gleich zu erachten. (4) Über die Beschwerde entscheidet ausschließlich das für den Sitz der Bundesanstalt in Frankfurt am Main zuständige Oberlandesgericht. § 49 Aufschiebende Wirkung Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, soweit durch die angefochtene Verfügung eine Befreiung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 oder § 37 Abs. 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Abs. 2, oder eine Nichtberücksichtigung von Stimmrechtsanteilen nach § 36 widerrufen wird. § 50 Anordnung der sofortigen Vollziehung (1) Die Bundesanstalt kann in den Fällen des § 49 die sofortige Vollziehung der Verfügung anordnen, wenn dies im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten ist. (2) Die Anordnung nach Absatz 1 kann bereits vor der Einreichung der Beschwerde getroffen werden. (3) Auf Antrag kann das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Beschwerde ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen, wenn 1. die Voraussetzungen für die Anordnung nach Absatz 1 nicht vorgelegen haben oder nicht mehr vorliegen, 2. ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen oder 3. die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. (4) Der Antrag nach Absatz 3 ist schon vor Einreichung der Beschwerde zulässig. Die Tatsachen, auf die der Antrag gestützt wird, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen. Ist die Verfügung im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht auch die Aufhebung

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6. Teil. Marktregeln der Vollziehung anordnen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden. (5) Beschlüsse über Anträge nach Absatz 3 können jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Soweit durch sie den Anträgen entsprochen ist, sind sie unanfechtbar. § 51 Frist und Form (1) Die Beschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem Beschwerdegericht schriftlich einzureichen. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe oder der Zustellung des Widerspruchsbescheides der Bundesanstalt. (2) Ergeht auf einen Antrag keine Verfügung, so ist die Beschwerde an keine Frist gebunden. (3) Die Beschwerde ist zu begründen. Die Frist für die Beschwerdebegründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Beschwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Beschwerdegerichts verlängert werden. (4) Die Beschwerdebegründung muss enthalten 1. die Erklärung, inwieweit die Verfügung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird, und 2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt. § 52 Beteiligte am Beschwerdeverfahren An dem Verfahren vor dem Beschwerdegericht sind der Beschwerdeführer und die Bundesanstalt beteiligt. § 53 Anwaltszwang Vor dem Beschwerdegericht müssen die Beteiligten sich durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Bundesanstalt kann sich durch einen Beamten auf Lebenszeit mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. § 54 Mündliche Verhandlung (1) Das Beschwerdegericht entscheidet über die Beschwerde auf Grund mündlicher Verhandlung; mit Einverständnis der Beteiligten kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. (2) Sind die Beteiligten in dem Verhandlungstermin trotz rechtzeitiger Benachrichtigung nicht erschienen oder gehörig vertreten, so kann gleichwohl in der Sache verhandelt und entschieden werden. § 55 Untersuchungsgrundsatz (1) Das Beschwerdegericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. (2) Das Gericht hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. (3) Das Beschwerdegericht kann den Beteiligten aufgeben, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist über aufklärungsbedürftige Punkte zu äußern, Beweismittel zu bezeichnen und in ihren Händen befindliche Urkunden sowie andere Beweismittel vorzulegen. Bei Versäumung der Frist kann nach Lage der Sache ohne Berücksichtigung der nicht beigebrachten Beweismittel entschieden werden. § 56 Beschwerdeentscheidung; Vorlagepflicht (1) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluss nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Beschluss darf nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Das Beschwerdegericht kann hiervon abweichen, soweit Beigeladenen aus berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen Akteneinsicht nicht gewährt und der Akteninhalt aus diesen Gründen auch nicht vorgetragen worden ist. Dies gilt nicht für solche Beigeladene, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) (2) Hält das Beschwerdegericht die Verfügung der Bundesanstalt für unzulässig oder unbegründet, so hebt es die Verfügung auf. Hat sich die Verfügung vorher durch Zurücknahme oder auf andere Weise erledigt, so spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Verfügung der Bundesanstalt unzulässig oder unbegründet gewesen ist, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. (3) Hält das Beschwerdegericht die Ablehnung oder Unterlassung der Verfügung für unzulässig oder unbegründet, so spricht es die Verpflichtung der Bundesanstalt aus, die beantragte Verfügung vorzunehmen. (4) Die Verfügung ist auch dann unzulässig oder unbegründet, wenn die Bundesanstalt von ihrem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht hat, insbesondere wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder durch die Ermessensentscheidung Sinn und Zweck dieses Gesetzes verletzt hat. (5) Der Beschluss ist zu begründen und den Beteiligten zuzustellen. (6) Will das Beschwerdegericht von einer Entscheidung eines Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so legt es die Sache dem Bundesgerichtshof vor. Der Bundesgerichtshof entscheidet anstelle des Oberlandesgerichts. § 57 Akteneinsicht (1) Die in § 52 bezeichneten Beteiligten können die Akten des Beschwerdegerichts einsehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen. § 299 Abs. 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. (2) Einsicht in Vorakten, Beiakten, Gutachten und Unterlagen über Auskünfte ist nur mit Zustimmung der Stellen zulässig, denen die Akten gehören oder die die Äußerung eingeholt haben. Die Bundesanstalt hat die Zustimmung zur Einsicht in die ihr gehörigen Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von berechtigten Interessen Beteiligter oder dritter Personen, geboten ist. Wird die Einsicht abgelehnt oder ist sie unzulässig, dürfen diese Unterlagen der Entscheidung nur insoweit zugrunde gelegt werden, als ihr Inhalt vorgetragen worden ist. Das Beschwerdegericht kann die Offenlegung von Tatsachen oder Beweismitteln, deren Geheimhaltung aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von berechtigten Interessen Beteiligter oder Dritter verlangt wird, nach Anhörung des von der Offenlegung Betroffenen durch Beschluss anordnen, soweit es für die Entscheidung auf diese Tatsachen oder Beweismittel ankommt, andere Möglichkeiten der Sachaufklärung nicht bestehen und nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles die Bedeutung der Sache für die Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrens das Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung überwiegt. Der Beschluss ist zu begründen. In dem Verfahren nach Satz 4 muss sich der Betroffene nicht anwaltlich vertreten lassen. § 58 Geltung von Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozessordnung Im Verfahren vor dem Beschwerdegericht gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, entsprechend 1. die Vorschriften der §§ 169 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes über Öffentlichkeit, Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung und 2. die Vorschriften der Zivilprozessordnung über Ausschließung und Ablehnung eines Richters, über Prozessbevollmächtigte und Beistände, über die Zustellung von Amts wegen, über Ladungen, Termine und Fristen, über die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien, über die Verbindung mehrerer Prozesse, über die Erledigung des Zeugen- und Sachverständigenbeweises sowie über die sonstigen Arten des Beweisverfahrens, über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist.

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6. Teil. Marktregeln Abschnitt 8 Sanktionen § 59 Rechtsverlust Rechte aus Aktien, die dem Bieter, mit ihm gemeinsam handelnden Personen oder deren Tochterunternehmen gehören oder aus denen ihm, mit ihm gemeinsam handelnden Personen oder deren Tochterunternehmen Stimmrechte gemäß § 30 Absatz 1 und 2 zugerechnet werden, bestehen nicht für die Zeit, für welche die Pflichten nach § 35 Abs. 1 oder 2 nicht erfüllt werden. Dies gilt nicht für Ansprüche nach § 58 Abs. 4 des Aktiengesetzes und § 271 des Aktiengesetzes, wenn die Veröffentlichung oder das Angebot nach § 35 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 nicht vorsätzlich unterlassen wurde und nachgeholt worden ist. § 60 Bußgeldvorschriften (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig 1. entgegen a) § 10 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 2 Satz 1 oder § 35 Abs.1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1, b) § 21 Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 oder § 27 Abs. 3 Satz 1 oder c) § 1 Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 5 Satz 3 eine Veröffentlichung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig vornimmt, 2. entgegen a) § 10 Abs. 2 Satz 1, auch in Verbindung mit § 35 Abs.1 Satz 4, § 14 Abs. 1 Satz 1 oder § 35 Abs. 2 Satz 1, b) § 10 Abs. 5, auch in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 4, oder § 14 Abs. 4, auch in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 2 oder § 35 Abs. 2 Satz 2, oder c) § 27 Abs. 3 Satz 2 eine Mitteilung, Unterrichtung oder Übermittlung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig vornimmt, 3. entgegen § 10 Abs. 3 Satz 3, auch in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 4, oder § 14 Abs. 2 Satz 2, auch in Verbindung mit § 35 Abs. 2 Satz 2, eine Veröffentlichung vornimmt oder eine Angebotsunterlage bekannt gibt, 4. entgegen § 10 Abs. 4 Satz 1, auch in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 4, eine Veröffentlichung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig übersendet, 5. entgegen § 14 Abs. 3 Satz 2, auch in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 2, § 23 Abs. 1 Satz 2 oder § 35 Abs. 2 Satz 2, oder entgegen § 27 Abs. 3 Satz 3 eine Mitteilung nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig macht, 6. entgegen § 15 Abs. 3 eine Veröffentlichung vornimmt, 7. entgegen § 26 Abs. 1 Satz 1 oder 2 ein Angebot abgibt, 8. entgegen § 33 Abs. 1 Satz 1 oder § 33a Abs. 2 Satz 1 eine dort genannte Handlung vornimmt, 9. entgegen § 33a Abs. 3, § 33b Abs. 3 oder § 33c Abs. 3 Satz 3 eine Unterrichtung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vornimmt oder 10. entgegen § 33c Abs. 3 Satz 4 eine Veröffentlichung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig vornimmt. (2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. einer vollziehbaren Anordnung nach § 28 Abs. 1 oder § 40 Abs. 1 Satz 1 zuwiderhandelt oder 2. entgegen § 40 Abs. 2 Satz 1 oder 2 ein Betreten nicht gestattet oder nicht duldet. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 3, 6 bis 8 mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe b, Nr. 2 Buchstabe a und Nr. 4 mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro, in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu zweihunderttausend Euro geahndet werden. § 61 Zuständige Verwaltungsbehörde Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Bundesanstalt.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) § 62 Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im gerichtlichen Verfahren (1) Im gerichtlichen Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 60 entscheidet das für den Sitz der Bundesanstalt in Frankfurt am Main zuständige Oberlandesgericht; es entscheidet auch über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 62 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) in den Fällen des § 52 Abs. 2 Satz 3 und des § 69 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten. § 140 Abs. 1 Nr. 1 der Strafprozessordnung in Verbindung mit § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten findet keine Anwendung. (2) Das Oberlandesgericht entscheidet in der Besetzung von drei Mitgliedern mit Einschluss des vorsitzenden Mitglieds. § 63 Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof Über die Rechtsbeschwerde (§ 79 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) entscheidet der Bundesgerichtshof. Hebt er die angefochtene Entscheidung auf, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, so verweist er die Sache an das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, zurück. § 64 Wiederaufnahme gegen Bußgeldbescheid Im Wiederaufnahmeverfahren gegen den Bußgeldbescheid der Bundesanstalt (§ 85 Abs. 4 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) entscheidet das nach § 62 Abs. 1 zuständige Gericht. § 65 Gerichtliche Entscheidung bei der Vollstreckung Die bei der Vollstreckung notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen (§ 104 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) werden von dem nach § 62 Abs. 1 zuständigen Gericht erlassen. Abschnitt 9 Gerichtliche Zuständigkeit; Übergangsregelungen § 66 Gerichte für Wertpapiererwerbs und Übernahmesachen (1) Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus diesem Gesetz ergeben, sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes die Landgerichte ausschließlich zuständig. Satz 1 gilt auch für die in § 12 Abs. 6 genannten Ansprüche und für den Fall, dass die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung abhängt, die nach diesem Gesetz zu treffen ist. Für Klagen, die auf Grund dieses Gesetzes oder wegen der in § 12 Abs. 6 genannten Ansprüche erhoben werden, ist auch das Landgericht zuständig, in dessen Bezirk die Zielgesellschaft ihren Sitz hat. (2) Die Rechtsstreitigkeiten sind Handelssachen im Sinne der §§ 93 bis 114 des Gerichtsverfassungsgesetzes. (3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, für die nach Absatz 1 ausschließlich die Landgerichte zuständig sind, einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zuzuweisen, wenn eine solche Zusammenfassung der Rechtspflege in Wertpapiererwerbs- und Übernahmesachen dienlich ist. Sie werden ferner ermächtigt, die Entscheidungen über Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der nach Absatz 1 zuständigen Landgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten einem oder einigen der Oberlandesgerichte zuzuweisen, wenn in einem Land mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind. Die Landesregierungen können die Ermächtigungen auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Durch Staatsverträge zwischen den Ländern kann die Zuständigkeit eines Landgerichts für einzelne Bezirke oder das gesamte Gebiet mehrerer Länder begründet werden. (4) (weggefallen)

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6. Teil. Marktregeln § 67 Senat für Wertpapiererwerbs- und Übernahmesachen beim Oberlandesgericht In den ihm nach § 48 Abs. 4, § 62 Abs. 1, §§ 64 und 65 zugewiesenen Rechtssachen entscheidet das Oberlandesgericht durch einen Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat. § 68 Übergangsregelungen (1) Auf Angebote, die vor dem 14. Juli 2006 veröffentlicht worden sind, findet dieses Gesetz in der vor dem 14. Juli 2006 geltenden Fassung Anwendung. (2) Für Zielgesellschaften im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2, deren stimmberechtigte Wertpapiere am 20. Mai 2006 zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen waren, ist § 1 Abs. 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass in Nummer 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb an die Stelle der Entscheidung der Zielgesellschaft die Entscheidung der betroffenen Aufsichtsstellen tritt. (3) Wird die Kontrolle über die Zielgesellschaft dadurch erlangt, dass ein vor dem 19. August 2008 abgestimmtes Verhalten auf Grund der Neufassung des § 30 Abs. 2 ab dem 19. August 2008 zu einer Zurechnung von Stimmrechten führt, besteht keine Verpflichtung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1. (4) Auf Angebote, die vor dem 19. August 2008 nach § 14 Abs. 2 Satz 1 veröffentlicht worden sind, findet dieses Gesetz in der vor dem 19. August 2008 geltenden Fassung Anwendung. (5) § 16 Abs. 4 in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2479) ist nicht auf Hauptversammlungen anzuwenden, zu denen vor dem 1. September 2009 einberufen wurde.

A. Grundlagen, insbesondere zu Übernahmepraxis und (Europäisiertem) Übernahmeregime Übersicht Rn I. Beratungs- und Finanzierungsgeschäft der (Investment-)Banken . . . . . . . . . . . . 1. Begleitung unternehmerischer Strukturmaßnahmen (Unternehmenstransaktionen) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten von Unternehmenstransaktionen . a) Mergers & Acquisitions: Verschmelzung vs. Unternehmenskauf . . . . . b) Unternehmenskauf: Asset Deal vs. Share Deal . . . . . . . . . . . . . . c) Share Deal: Paketerwerb vs. öffentliche Übernahme . . . . . . . . . . . 3. Kategorien übernahmespezifischer Bankdienstleistungen und Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungsbedarf und –ziele des Übernahmerechts . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Beurteilung von Unternehmensübernahmen . . . . . . . . . .

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a) (Bank-)Praktische Bedeutung . . . . b) Ökonomische Analyse . . . . . . . . 2. Schutzinteressen . . . . . . . . . . . . . a) Aktionärsgesamtheit der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . b) Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige Interessengruppen der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . d) Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Caveat: Interessenkonflikte der Banken III. Regelungssystem, -entwicklung und Harmonisierungsintensität . . . . . . . . . 1. Systematische Verortung . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte und Rechtsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Europäisierung . . . . . . . . . . . . .

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Ein zentrales Geschäftsfeld des Investment Banking – neben Emissions-, Effekten- und Depotgeschäft – besteht in der Begleitung unternehmerischer Strukturmaßnahmen (Unternehmenstransaktionen), insbesondere von Unternehmenskäufen und speziell von Unternehmensübernahmen. In Anknüpfung an den – rechtlich diffusen – englischen Ausdruck „Mergers and Acquisitions“ ist häufig vom M&A-Geschäft der Investmentbanken die

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Rede.1 Unternehmenskunden, die entsprechende Maßnahmen erwägen, haben auf Grund deren struktureller Bedeutung und Komplexität erheblichen Unterstützungsbedarf in wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen. Sie benötigen daher in aller Regel externe Beratung, die nicht nur von Banken, sondern auch von Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungsgesellschaften erbracht wird.2 Banken spielen in diesem Geschäft jedoch eine besonders wichtige Rolle, da sie neben den reinen Beratungsleistungen auch die bei solchen Transaktionen zwangsläufig erforderlichen Finanzierungsdienstleistungen erbringen können. Aufgrund ihrer sonstigen Geschäftstätigkeit verfügen sie zudem in aller Regel über besondere Sachkenntnis sowohl hinsichtlich der Finanzsituation des betreffenden Unternehmenskunden als auch über die allgemeine Marktsituation, insbesondere auf Kapitalmärkten.3 Angesichts zunehmender Kapitalmarktorientierung der Unternehmen, aber auch angesichts des inhaltlichen Zusammenhangs mit den anderen, gleichermaßen kapitalmarktorientierten Geschäftsfeldern des Investment Banking bildet die Begleitung öffentlicher Übernahmen börsennotierter Aktiengesellschaften den praktisch sicherlich wichtigsten Teil des M&A-Geschäfts der Banken. Diejenige Rechtsmaterie, die entsprechende Transaktionen spezifisch regelt, nämlich 869 das Übernahmerecht, wird in den bankrechtlichen Kommentierungen, Lehrbüchern und Monographien erstaunlich selten und nur vereinzelt behandelt. Umgekehrt gibt es eine kaum übersehbare Fülle an allgemeiner (Kommentar-)Literatur zum Übernahmerecht,4 die zur Rolle der Banken bei Unternehmensübernahmen jedoch, wenn überhaupt, allenfalls punktuell Ausführungen macht. Dass demgegenüber die bankrechtliche Literatur Unternehmensübernahmen weitgehend ausblendet,5 steht nicht nur im Gegensatz zur Behandlung der übrigen Geschäftsfelder des Investment Banking; es läuft vor allem dem Stellenwert dieser Sachmaterie in Bankpraxis und betriebswirtschaftlichem Schrifttum diametral zuwider.6 Die Herausforderung für die Kommentierung liegt somit vor allem darin, einen Spagat zwischen jenem Überfluss an allgemeinen übernahmerechtlichen Schriften und diesem Defizit an bankrechtlicher Spezialliteratur zu schlagen. Aus diesem Grund sind die allgemeinen Ausführungen zu Anwendungsbereich, Angebotsarten und Kontrollschwelle (unten B.) sowie zum Angebotsverfahren (unten C.) vergleichsweise knapp: Sie liefern lediglich das unabdingbare rechtliche Grundgerüst, nehmen aber zugleich bereits dessen Bedeutung für die übernahmebegleitenden Banken mit in den Blick. Andererseits liegt ein Schwerpunkt dieser Kommentierung auf den spezifischen Rechtsfragen, die sich für Banken stellen, wenn sie die beiden entscheidenden unternehmerischen Akteure bei Übernahmeprozessen begleiten, nämlich den Bieter (unten D.) und die Zielgesellschaft (unten E.).

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So etwa Williamson Mergers and Acquisitions, The Investment Banking Handbook, 1988, S. 219 ff.; Beitel Investmentbanken in M&A-Transaktionen, 2004; Brinker Strategische Herausforderungen im Investment Banking, 1998, S. 30–32; Pawelka Investment-Banking-Strategien deutscher Banken, 2003, S. 62–71; Schmitz Mergers & Acquisitions-Beratung als Bankdienstleistung; allgemein auch Hohnhaus Erfolg der M&A-Beratung bei Unternehmenstransaktionen, 2004. Näher Beier Die Nachfrage nach M&ADienstleistungen, 2008, bes. S. 1–3; ferner Achleitner Handbuch Investment Banking, S. 155.

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Zu diesen Synergieeffekten ausführlich Schmitz Mergers & Acquisitions-Beratung als Bankdienstleistung, S. 163–191. Vgl. die Angaben im Verzeichnis des Schrifttums; krit. zu dieser Publikationsflut: Willoweit/Fleischer Rechtswissenschaft und Rechtsliteratur im 20. Jahrhundert, 2007, S. 485 (499 f.) („größte Kommentardichte“). Eine rare Ausnahme bildet Kümpel/Wittig/ Brandt Beratungsgeschäft M&A, Rn 16.1– 16.264; vgl. außerdem, allerdings mit wenig spezifisch bankrechtlichen Bezügen: Derleder/Knops/Bamberger/Lenenbach § 55 (Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz).

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6. Teil. Marktregeln

Diesen beiden „allgemeinen“ bzw. „besonderen“ Teilen zum (Banken-)Übernahmerecht ist der vorliegende Grundlagenteil vorangestellt (hier A.), der zunächst das spezifische Geschäftsfeld näher beleuchtet (sogleich I.), um anschließend Regelungsbedarf und Regelungsziele des Übernahmerechts (unten II.) sowie Regelungsentwicklung und Harmonisierungsintensität (unten III.) zu skizzieren.

I. Beratungs- und Finanzierungsgeschäft der (Investment-)Banken 870

Bevor sich der Blick auf einzelne Transaktionen und Regelungsregime richten kann, ist zunächst das spezifische Geschäftsfeld zu beschreiben, das sich nämlich in mehrfacher Hinsicht als besonders komplex erweist: Erstens stehen aus Kundenperspektive meist verschiedene Arten von Transaktionen zur Auswahl (etwa Verschmelzung vs. Übernahme), zwischen denen zunächst eine Auswahlentscheidung zu treffen ist. Da Finanzierungsfragen insoweit eine entscheidende Rolle spielen können, sind Banken bereits bei dieser Vorentscheidung involviert und müssen folglich jeweils auch Alternativen zu einer Unternehmensübernahme bedenken. Zweitens sind die Transaktionen selbst so grundlegend und vielschichtig, dass sie in zahlreichen Einzelaspekten eine Vielzahl ganz unterschiedlicher – finanzwirtschaftlicher, unternehmensorganisatorischer und auch rechtlicher – Gestaltungsfragen aufwerfen. Aus diesem Grund wird, drittens, häufig eine Vielzahl von Beratern engagiert, die – viertens – unter hohem Zeitdruck agieren, so dass erheblicher Planungs- und Koordinationsaufwand entsteht.7 Vor diesem Hintergrund gilt es zunächst, die Entscheidungssituation der unternehmerischen Bankkunden sowie die Rolle der Banken und anderen Berater zu skizzieren (unten 1.), bevor anschließend die wichtigsten Arten von Unternehmenstransaktionen unterschieden werden (unten 2.). In einem dritten Schritt lassen sich sodann spezifische Kategorien des bankbetrieblichen Übernahmegeschäfts bilden (unten 3.).

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1. Begleitung unternehmerischer Strukturmaßnahmen (Unternehmenstransaktionen). Im Firmenkundengeschäft sind Banken mit zahlreichen Finanzierungsfragen ihrer Unternehmenskunden konfrontiert, die teils unter dem Begriff „Corporate Finance“ (Unternehmensfinanzierung) zusammengefasst werden und ein ganzes Bündel unterschiedlicher Bankdienstleistungen betreffen, von der Kreditvergabe und Einlagenentgegennahme über das Effekten- bis hin zum Emissionsgeschäft.8 Solche Finanzierungsfragen erfordern immer auch eine intensive Beratung des Kunden; an der Finanzierung selbst kann die Bank dann zwar als Gegenpartei beteiligt sein (etwa als Kreditgeber), sie kann jedoch auch als bloßer Vermittler agieren (etwa im Effektengeschäft).9 Finanzierungsfragen stellen sich bereits im laufenden Geschäft der Unternehmenskunden, so etwa, wenn Warenlieferungen vorfinanziert werden müssen. Sie stellen sich aber auch und in besonderem Maße, wenn 6

7 8

Vgl. nur Achleitner Handbuch Investment Banking, S. 150 (M&A-Geschäft als Zentralstück des Investment Banking); Lucks/ Meckl Internationale Mergers & Acquisitions, 2. Aufl. 2015, S. 64 (für Investmentbanken seit jeher „Kerngeschäft“). Ähnlich bspw. Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.1. Hierzu aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive etwa Giovannini/Mayer/Hellwig Banking, financial intermediation and cor-

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9

porate finance, European Financial Integration, 1991, S. 35; Marek Corporate Finance als Herausforderung für das strategische Management von Banken, 2004; vgl. ferner die Beiträge in Brost/Dahmen/Lippmann (Hrsg.), Corporate Banking, 7. Aufl. 2012; Biais/Pagano (Hrsg.) New Research in Corporate Finance and Banking, 2002. Zu dieser gegenseitigen Verschränkung vgl. bereits oben, 1. Teil, Rn 4–6 [Grundmann].

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Firmenkunden unternehmerische Strukturmaßnahmen erwägen, die das Substrat des Unternehmens selbst verändern – wenn sie also zum Beispiel ihren Sitz verlegen, neue Niederlassungen planen oder sich mit anderen Unternehmen zusammenschließen oder umgekehrt in mehrere Unternehmen aufspalten.10 Die unternehmerischen Motive für solche Strukturmaßnahmen sind vielfältig und können beispielsweise auf die Erschließung neuer Märkte, auf Diversifikation oder auch auf Nachfolgeregelung abzielen.11 Auf Bankenseite zählt die Begleitung solcher Unternehmenstransaktionen zum Kernge- 872 schäft der Investmentbanken.12 Die spezifische Ausrichtung dieses Banktypus – als Kapitalgeber institutionelle Investoren anstelle von Sparern, als Kapitalform Wertpapiere anstelle von Krediten, zudem Übernahme von Beratungs- und Analystenfunktionen –13 legt einen solchen Fokus nahe. Zudem entspricht er der langjährigen Bankpraxis vor allem in den USA, wo die Differenzierung zwischen Investment- und Geschäftsbanken besonders ausgeprägt ist und lange Zeit gesetzlich vorgeschrieben war.14 Gleichwohl finden sich zunehmend auch Universalbanken, die unternehmerische Strukturmaßnahmen begleiten und insbesondere M&A-Beratung betreiben; teils werden diese Geschäfte durch spezialisierte Tochtergesellschaften betrieben, so etwa bei einigen Genossenschaftsbanken.15 Die betriebswirtschaftlichen Gründe für diese zusätzliche Betätigung der Universalbanken liegen in der Konkurrenzsituation am Markt für klassische Bankdienstleistungen, in den Ertragspotentialen, die mit der M&A-Beratung verbunden sind, und vor allem im Beratungsbedarf der – auch mittelständischen – Firmenkunden.16 Die Bankdienstleistungen, die sowohl von Investment- als auch von Universalbanken in diesem Geschäftsfeld angeboten werden, sind in jedem Fall ausgesprochen vielfältig: Neben der eigentlichen Finanzierung umfassen sie zahlreiche Beratungsleistungen, die – je nach beabsichtigter Unternehmenstransaktion – von Prozessmanagement über Markt- und Finanzanalyse, Investorenansprache und Bewertung der finanziellen Angemessenheit bis hin zu Verhandlungsbegleitung, Marketing- und Dokumentationstätigkeit reichen.17 Sind einerseits die Dienstleistungen, die von Investment- und auch Universalbanken im 873 Zusammenhang mit den unterschiedlichen Unternehmenstransaktionen nachgefragt werden, ungemein vielfältig, so sind andererseits die Banken keineswegs die einzigen Anbieter solcher Dienstleistungen. Vielmehr gibt es zahlreiche weitere Anbieter transaktionsbezoge10

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Überblicksweise zu Begriff und Arten: Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn 754–759; zur Überformung durch (Europäisches) Gesellschaftsrecht außerdem Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 303–312. Näher, namentlich zu den Motiven von M&A-Transaktionen: Dreher/Ernst, Mergers & Acquisitions, 2014, S. 27–30; Wirtz Mergers & Acquisitions Management: Strategie und Organisation von Unternehmenszusammenschlüssen, 3. Aufl. 2014, S. 61–82. Nachw. oben, Fn 1. Zur Abgrenzung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken im Einzelnen vgl. Achleitner Handbuch Investment Banking, S. 8 ff.; Beitel Investmentbanken in M&A-Transaktionen, 2004, S. 26; Börner Bank-Archiv 50 (2002), 273 (275 ff.).

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Ähnlich Weihe Interessenkonflikte zwischen Unternehmensverkäufer und Management, 2003, S. 50; näher zur Entwicklung MüllerStewens/Spickers/Deiss Mergers & Acquisitions: Markttendenzen und Beraterprofile, 1999, S. 26–35. Lucks/Meckl Internationale Mergers & Acquisitions, 2. Aufl. 2015, S. 64. Ausführlich Schmitz Mergers & Acquisitions-Beratung als Bankdienstleistung, S. 98–110. Schmitz Mergers & Acquisitions-Beratung als Bankdienstleistung, S. 61–88; Büschgen/ Richolt/Schumann Der Investmentbanker als Berater, Handbuch des internationalen Bankgeschäfts, 1989, S. 295; vgl. außerdem den Überblick bei Hockmann/Theißen/ Mohr/Bärtl Mergers & Acquisitions: Die M&A Beratung Investment Banking, 2012, S. 238 (240).

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6. Teil. Marktregeln

ner Dienstleistungen, mit denen die Banken in diesem Geschäftsfeld teils konkurrieren, teils kooperieren.18 Je nach Spezialisierungsgrad unterteilt man diese Anbieter in M&ADienstleister im engeren und im weiteren Sinne: Zur ersten Gruppe, die ganz auf entsprechende Unternehmenstransaktionen fokussiert ist und für alle Phasen solcher Transaktionen Beratungsleistungen erbringt, zählen neben den Investment- und Universalbanken auch die sog. M&A-Boutiquen, also kleinere, unabhängige und hochspezialisierte Beratungseinheiten, die selbst keine Finanzierungsdienstleistungen anbieten, sowie Unternehmensmakler, die sich auf die Vermittlertätigkeit beschränken; zu den M&A-Dienstleistern im weiteren Sinne werden hingegen die Erbringer allgemeinerer, aber dennoch auch für die fraglichen Unternehmenstransaktionen erforderlicher Dienstleistungen gerechnet, namentlich Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte und Unternehmensberater.19 Auch wenn diese Unterteilung keineswegs trennscharf ist, weil sich in beiden Kategorien auch Beispiele schwächer bzw. stärker ausgeprägter Spezialisierung finden, illustriert sie immerhin die Vielfalt des Beraterspektrums, die ihrerseits die Vielfalt der Beratungsaufgaben widerspiegelt. Zugleich zeigt sie bereits, dass bei solchen Unternehmenstransaktionen neben unternehmensstrategischen Management-, finanzwirtschaftlichen Unternehmensbewertungs- und bankspezifischen Finanzierungsfragen auch zahlreiche Rechtsprobleme zu lösen sind, die nur zum Teil von den Rechtsabteilungen der Banken bzw. der Unternehmen selbst bewältigt werden können.20

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2. Arten von Unternehmenstransaktionen. Versteht man unter unternehmerischen Strukturmaßnahmen alle Unternehmenstransaktionen, die das Substrat der unternehmenstragenden Gesellschaft (und damit des Anteilseigentums ihrer Gesellschafter) verändern, so bildet aus gesellschaftsrechtlicher Sicht die Satzungsänderung die Grundform. Insofern sind alle Maßnahmen zu bedenken, die Satzungsänderungen erfordern, beispielsweise Veränderungen des Grundkapitals oder auch die Sitzverlegung.21 Praktisch bedeutsamer und vor allem ungleich komplexer – auch rechtlich – sind jedoch Unternehmenstransaktionen, bei denen mehrere Unternehmen zusammenkommen oder aus denen mehrere Unternehmen entstehen, etwa durch Spaltung. Der Begriff „Mergers & Acquisitions“ deutet an, dass insoweit wiederum die zweite Konstellation in den Hintergrund tritt, und sich die Aufmerksamkeit stattdessen auf Unternehmenszusammenschlüsse und Unternehmenskäufe richtet. Als Instrumente externen Unternehmenswachstums eignen sich nämlich nur diese Unternehmenstransaktionen.22 Sie zeichnen sich freilich ihrerseits durch einigen Formenreichtum aus.

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a) Mergers & Acquisitions: Verschmelzung vs. Unternehmenskauf. Für den Begriff „Mergers & Acquisitions“, der seinen Ursprung im angelsächsischen Sprachraum hat, fehlt selbst im betriebswirtschaftlichen Schrifttum eine allgemein anerkannte Definition.23 18 19

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Achleitner Handbuch Investment Banking, S. 150. Beier Die Nachfrage nach M&A-Dienstleistungen, 2008, S. 51–61; Hinne Mergers & Acquisitions Management, 2007, S. 106–118. Zu Bedeutung, Volumen und wichtigsten Anbietern entsprechender Rechtsberatung vgl. Wirtz Mergers & Acquisitions Management: Strategie und Organisation von Unternehmenszusammenschlüssen, 3. Aufl. 2014, S. 103 f. S. Nachw. Fn 10.

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Vgl. nur Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn 869 f. Zu möglichen Begriffsdefinitionen Hockmann/Theißen/Mohr/Bärtl Investment Banking, S. 238; Vogel M & A – Ideal und Wirklichkeit, 2002, S. 3–5; Wirtz Mergers & Acquisitions Management: Strategie und Organisation von Unternehmenszusammenschlüssen, 3. Aufl. 2014, S. 10 f. (mit tabellarischem Überblick über verschiedene Definitionsansätze).

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Im deutschen Gesellschaftsrecht findet dieser Ausdruck erst recht keine passgenaue Entsprechung, auch weil diese Rechtsordnung teils andere Transaktionsformen vorsieht als etwa das US-amerikanische Recht.24 Ungeachtet dieser Unschärfe lässt sich „Merger“ jedoch mit Fusion oder besser Verschmelzung übersetzen.25 Der Begriff bezeichnet damit jenen Umwandlungsvorgang, der zur Folge hat, dass einer oder auch beide der ursprünglich beteiligten Rechtsträger durch Aufnahme (§ 2 Nr. 1 UmwG) bzw. durch Neugründung (§ 2 Nr. 2 UmwG) ihre Rechtsfähigkeit verlieren (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG) und das Vermögen des bzw. der übertragenden Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden bzw. den neuen Rechtsträger übergehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 36 Abs. 1 UmwG).26 Folge einer Verschmelzung ist mithin ein Einheitsunternehmen, das die beiden ursprünglichen Vermögensmassen in sich vereinigt. Der Begriff „Acquisition“ lässt sich demgegenüber mit Unternehmenskauf übersetzen, der jedoch seinerseits unterschiedliche Formen haben kann. b) Unternehmenskauf: Asset Deal vs. Share Deal. Der Unternehmenskauf kann einer- 876 seits durch Kauf der (wichtigsten) Vermögensgegenstände des Zielunternehmens erfolgen (sog. Asset Deal).27 Der rechtstechnische Unterschied zur Verschmelzung besteht darin, dass die Übertragung im Wege der Einzel-, nicht der Gesamtrechtsnachfolge erfolgt.28 Zudem bestehen beide Rechtsträger fort, auch wenn sich wirtschaftlich die Vermögenswerte beider Ursprungsunternehmen in einem Einheitsunternehmen vereinigen. Andererseits kann der Unternehmenskauf auch durch Kauf der Anteile des Zielunternehmens erfolgen (sog. Share Deal), entweder gegen Barabfindung oder im Austausch gegen eigene Anteile.29 Diese Gegenleistung erhalten in dieser Variante die (ehemaligen) Anteilsinhaber, nicht die Zielgesellschaft selbst. Folge eines Share Deals ist mithin kein Einheitsunternehmen, sondern eine Konzernstruktur, innerhalb derer der Käufer zur Muttergesellschaft und die Zielgesellschaft zur Tochter wird. Zudem sind in zahlreichen rechtlichen Einzelfragen, etwa bei Zustimmungserfordernissen, Informationspflichten oder auch steuerlichen Konsequenzen, Unterschiede zwischen den einzelnen Transaktionsformen zu verzeichnen. Da sich funktional alle diese Formen jedoch gleichermaßen eignen, um externes Unternehmenswachstum zu erzielen, wird die Auswahlentscheidung zur unternehmerischen Gestaltungsaufgabe, die in Finanzierungsfragen, aber auch in rechtlicher Hinsicht umfangreichen Beratungsbedarf aufwirft. c) Share Deal: Paketerwerb vs. öffentliche Übernahme. Beim Anteilserwerb (Share 877 Deal) lassen sich nochmals zwei Formen unterscheiden, die indessen nicht alternativ wählbar sind, sondern von der Streuung der Anteile der Zielgesellschaft abhängen: Werden die Anteile von einem oder nur wenigen „großen“ Anteilseignern gehalten, so ist ein Paketer-

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Rechtsvergleichende Gegenüberstellung etwa bei Kopp IWB 2013, 656. Ähnlich Windbichler Gesellschaftsrecht, 23. Aufl. 2013, § 38 Rn 6 (Fusion „untechnischer Sprachgebrauch“). Dazu näher in der reichhaltigen Kommentarliteratur zum UmwG, etwa in: Dauner-Lieb/ Simon (Hrsg.) Kölner Kommentar zum UmwG, 2009; Kallmeyer (Hrsg.) Umwandlungsgesetz, 5. Aufl. 2013; Lutter (Hrsg.) UmwG, 5. Aufl. 2014; Schmitt/Hörtnagl/ Stratz (Hrsg.), UmwG/UmwStG, 7. Aufl. 2016; Semler/Stengel (Hrsg.) Umwandlungs-

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gesetz mit Spruchverfahrensgesetz, 3. Aufl. 2012; vgl. ferner Sagasser/Bula/Brünger Umwandlungen: Verschmelzung – Spaltung – Formwechsel – Vermögensübertragung, 4. Aufl. 2011; Schwedhelm Die Unternehmensumwandlung, 8. Aufl. 2016. Knott/Becker/Voß Rn 118 f.; Holzapfel/Pöllath Unternehmenskauf in Recht und Praxis, 15. Aufl. 2016, Rsn 34 ff. S. nur Fischinger Handelsrecht, 2015, S. 68 f. Knott/Becker/Voß Rn 120 f.; Holzapfel/Pöllath Unternehmenskauf in Recht und Praxis, 15. Aufl. 2016, Rn 12 ff.

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6. Teil. Marktregeln

werb möglich.30 Der Kreis der potentiellen Anteilsverkäufer ist in diesem Fall so überschaubar, dass der Erwerbsinteressent unmittelbar mit ihnen über den Kauf verhandeln kann. In der Praxis werden häufig auch Auktionsverfahren durchgeführt, um einen möglichst günstigen Preis zu erzielen.31 Bei börsennotierten Unternehmen ist die Anteilsstreuung jedoch typischerweise ungleich größer – und die Anzahl der potentiellen Vertragspartner häufig so unübersehbar, dass an die Stelle individueller Vertragsverhandlungen ein sog. öffentliches Übernahmeangebot tritt. Ebendiese Konstellation ist die Regelungsmaterie des Übernahmerechts, das den Gegenstand der vorliegenden Kommentierung bildet. Empirische Untersuchungen zeigen nämlich, dass (Investment-)Banken primär für Übernahmetransaktionen als M&A-Berater zu Rate gezogen werden, auch weil diese Transaktionsform besonders komplex ist.32 Trotz dieses Fokus auf öffentliche Übernahmen sind die übrigen Gestaltungen immerhin mit zu bedenken, weil sie teils als alternative Gestaltung in Betracht kommen, teils jedoch auch übernahmerechtliche Pflichten auslösen können, insbesondere die Angebotspflicht (dazu näher unten, Rn 928).

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3. Kategorien übernahmespezifischer Bankdienstleistungen und Rechtsfragen. Die Komplexität der übernahmespezifischen Bankdienstleistungen und ihre Gründe wurden bereits angesprochen (vgl. oben Rn 870). Diese Komplexität lässt sich reduzieren, indem man die betreffenden Bankdienstleistungen – und die mit ihnen verbundenen Rechtsfragen – kategorisiert. Diese Kategorienbildung kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen. Erstens könnte man nach der Art der angebotenen Bankdienstleistung zwischen Abwicklungs-, Finanzierungs- und Beratungsleistungen unterscheiden, was sich aber – ähnlich wie bei anderen Bankgeschäften (vgl. bspw. oben, Vierter Teil Rn 164 [Renner]) – als schwierig erweist: Jene Dienstleistungen werden nämlich häufig im Verbund erbracht; auch Finanzierungsdienstleistungen erfordern beispielsweise vorherige Beratung.33 Zweitens kann man nach den Phasen einer Übernahme differenzieren und die Dienstleistungen im Vorfeld einer solchen Transaktion (insbesondere Entwicklung einer Transaktions- und Finanzierungsstruktur, Bewertung und due diligence, ggf. Kontaktaufbau mit der Gegenseite) von den Dienstleistungen während des eigentlichen Übernahmeverfahrens (insbesondere Vorbereitung und Veröffentlichung von Angebot bzw. Stellungnahme) und den Dienstleistungen nach Abschluss dieses Verfahrens (insbesondere Begleitung des squeeze-out) unterscheiden.34 Drittens schließlich lässt sich nach Art des Bankkunden unterscheiden, nämlich danach, ob die Bank den Bieter oder aber die Zielgesellschaft begleitet; eine Begleitung der Verkäufer, nämlich der Aktionäre der Zielgesellschaft, kommt demgegenüber wegen deren definitionsgemäßer Streuung nicht in Betracht.35 In dieser Kommentierung wird die zweit- und die drittgenannte Kategorienbildung kombiniert, indem zum einen der Ablauf des Angebotsverfahrens dargestellt wird (vgl. unten, C.) und zum anderen zwischen Begleitung des Bieters und Begleitung der Zielgesellschaft differenziert wird (vgl. unten, D. und E.).

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Ähnlich etwa Roßkopf Selbstregulierung von Übernahmeangeboten in Großbritannien, 2000, S. 65 f. Zu deren Ablauf ausführlich Hockmann/ Theißen/Mohr/Bärtl Investment Banking, S. 238 (243–248). So namentlich Servaes/Zenner The Review of Financial Studies 9 (1996), 787. S. etwa, mit Blick auf Immobilienfinanzierung, Siol DRiZ 2006, 223 (223 f.); mit Blick

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auf die Vermittlung von Finanzderivaten Spindler NJW 2011, 1920 (1921). Ausführlich Schmitz Mergers & Acquisitions-Beratung als Bankdienstleistung, S. 61–92; vgl. auch Hockmann/Theißen/ Mohr/Bärtl Investment Banking, S. 238 (243–249, 256). Beitel Investmentbanken in M&A-Transaktionen, 2004, S. 52–65; etwas unscharf insoweit Kümpel/Wittig/Brandt, Rn 16.12 f.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Die zahlreichen Rechtsfragen, die solche Transaktionen aufwerfen, reichen vom Ge- 879 sellschafts- und Kapitalmarktrecht über das Steuer- und Kartellrecht bis hin zum Arbeitsrecht.36 Auch wenn dieser gesamte rechtliche Kontext bei Übernahmetransaktionen bzw. deren Begleitung zu beachten ist, bestehen die übernahmespezifischen Dienstleistungen der Banken nicht in umfassender Rechtsberatung, sondern in der Vorbereitung und Durchführung der Transaktion, der Koordinierung aller Beteiligten sowie der finanziellen Beratung und Bewertung; entsprechend haben sich die Rechtsabteilungen der übernahmebegleitenden (Investment-)Banken nicht mit sämtlichen rechtlichen Aspekten und nicht einmal mit allen spezifisch übernahmerechtlichen Fragen zu befassen.37 Folglich bedarf es vorliegend keiner Gesamtdarstellung des Übernahmerechts. Es genügt vielmehr eine überblicksweise Darstellung mit Vertiefung derjenigen rechtlichen Aspekte, die aus Sicht der Rechtsabteilung einer begleitenden Bank besonders relevant sind.

II. Regelungsbedarf und –ziele des Übernahmerechts 1. Wirtschaftliche Beurteilung von Unternehmensübernahmen a) (Bank-)Praktische Bedeutung. Die weltweite Bedeutung von Unternehmensüber- 880 nahmen ist immens. Das Gesamtvolumen betrug im Jahr 2015 fast 5 Billionen US-Dollar, was eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 43 Prozent bedeutet und erstmals wieder die bisherige Höchstmarke von 2007, dem Jahr vor der weltweiten Finanzkrise, übertroffen hat.38 Demgegenüber gilt der deutsche Übernahmemarkt als nach wie vor als entwicklungsfähig. Sein Gesamtvolumen war 2015 rückläufig und betrug lediglich 131 Mrd. USDollar.39 Auch die Volumina der einzelnen Transaktionen sind deutlich geringer als etwa in den USA; dort hatten alleine die zehn größten Übernahmen in 2015 schon ein Gesamtvolumen von etwa 800 Mrd. US-Dollar.40 Vom Volumen her unübertroffen ist in Deutschland daher nach wie vor die Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone im Jahr 1999 mit einem Wert von etwa 200 Mrd. US-Dollar (190 Mrd. Euro). Die Branchenstatistik schließlich zeigt, dass Banken bei Übernahmen nicht nur als Berater, sondern auch als Akteure eine besonders wichtige Rolle spielen: Die Finanzdienstleistungsbranche zählt seit Jahren konstant zu denjenigen Branchen, die auf dem Übernahmemarkt am aktivsten sind, insbesondere auf Bieterseite: Jeder fünfte Erwerber gehörte 2015 zu diesem Sektor.41 Besonders bei großvolumigen Übernahmetransaktionen werden Banken zudem in aller 881 Regel als Berater engagiert.42 Das kumulierte Transaktionsvolumen der zehn größten in

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Näher etwa Schmitz Mergers & Acquisitions-Beratung als Bankdienstleistung, S. 75–80. Ähnlich Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.2 f. Köhler/Landgraf Fusionen und Übernahmen – Das Karussell dreht sich 2016 weiter, Handelsblatt vom 3. Januar 2016. Vgl. nochmals ebda. Düsterhoff/Wolffson M&A Review 27 (2016), 21 (22). Ausführlich Düsterhoff/Wolffson M&A Review 27 (2016), 21 (25). Vgl. ferner Tsagas The Market for Corporate Control in the Banking Industry, in: Chiu/McKee (Hrsg.),

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The Law on Corporate Governance in Banks, 2015, S. 285. So lag der Anteil der grenzüberschreitenden Transaktionen mit einem Volumen von über 250 Mio. Euro, in den Banken als M&A-Berater eingebunden waren, im Jahr 2006 bei 72 % (Verkäuferseite) bzw. 79 % (Käuferseite), vgl. Leithner Die Rolle der Investmentbank in M&A-/Übernahmeprozessen, Unternehmensübernahmen, in: Bock/v. Werder (Hrsg.), Unternehmensaufsicht und Unternehmensberichterstattung, KongressDokumentation 61. Deutscher Betriebswirtschafter-Tag 2007, 2008, S. 185 (187).

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6. Teil. Marktregeln

Deutschland tätigen M&A-Finanzberatungen betrug 2015 knapp 351 Mrd. US-Dollar. Die drei größten beratenden Banken waren die Deutsche Bank mit einem Transaktionsvolumen von knapp 51 Mrd. US-Dollar (2014: 103 Mrd. US-Dollar), JP Morgan mit 49 Mrd. US-Dollar (2014: 71 Mrd. US-Dollar) und Bank of America Merrill Lynch mit 40 Mrd. US-Dollar (2014: 46 Mrd. US-Dollar); die Anzahl der beratenen Transaktionen liegt dabei im unteren bis mittleren zweistelligen Bereich, bei der Deutschen Bank waren es 2015 beispielsweise 31 Transaktionen (2014: 46 Transaktionen).43 Insgesamt geht es bei der Übernahmeberatung demnach um zwar wenige, aber großvolumige Bankgeschäfte. 882 b) Ökonomische Analyse. Die ökonomische Analyse liefert wichtige Einsichten für die gesamtwirtschaftliche Erklärung und Beurteilung von Übernahmen; sie kann somit helfen, den übernahmerechtlichen Regelungsbedarf zu ermessen. Indessen bewertet die Ökonomik Übernahmen keineswegs eindeutig. Ein positives Bild liefern jene Theorieansätze, die durch Übernahmen erzielte Effizienzsteigerungen betonen. Einmal stehen hierbei die Synergieeffekte im Vordergrund, die sich allgemein durch externes Unternehmenswachstum erzielen lassen, namentlich Skalen- und Verbundeffekte (sog. economies of scale bzw. economies of scope): Zum einen führt ein höherer Einsatz von Produktionsfaktoren häufig zu einer überproportionalen Steigerung der Produktionsmenge, so dass Massenherstellung aufgrund sinkender Grenzkosten „billiger“ ist; zum anderen lassen sich durch gemeinsame Herstellung verschiedener Produkte oft Kostenvorteile erzielen, weil die Mehrfachnutzung unternehmerischer Ressourcen eine effizientere Produktion ermöglicht.44 Solche Effekte sind nicht nur hinsichtlich der Produktion, sondern auch in finanzieller Hinsicht zu beobachten, weil die Grenzkapitalkosten sinken, wenn sich der cash flow erhöht.45 Spezifisch auf Übernahmen zugeschnitten – und äußerst wirkmächtig – ist zum anderen die ursprünglich von Henry Manne begründete Theorie des Marktes für Unternehmenskontrolle.46 Diese Theorie basiert auf der Idee eines Wettbewerbs um die beste unternehmerische Strategie. Werden Unternehmensressourcen nicht optimal genutzt, so sinkt der Aktienkurs; Übernahmen durch Investoren mit alternativen strategischen Konzepten werden dadurch attraktiver. Solche Investoren sind nämlich bereit, einen Aufpreis auf den Börsenkurs der Anteile zu bezahlen, um die Kontrolle über die fragliche Gesellschaft zu erlangen, weil sie ja davon ausgehen, mit ihrem eigenen Konzept einen entsprechenden Mehrwert erzielen zu können. Die Anteilseigner, die mit einem solchen Übernahmeangebot konfrontiert sind, müssen deshalb entscheiden, ob sie den Erwartungswert der künftigen Erträge unter der derzeitigen Unternehmensleitung höher einschätzen als den angebotenen Aufschlag; sie wählen somit zwischen konkurrierenden unternehmerischen Strategien. Für das Management bildet der Markt für Unternehmenskontrolle umgekehrt einen Anreiz, die Unternehmensressourcen optimal zu nutzen; er gilt mithin als wichtiges Instrument der externen Leitungskontrolle, weil er zur Reduzierung der Agenturkosten beiträgt, die zwangsläufig entstehen, wenn Unternehmenseigentümer Leitungsaufgaben auf Manager übertragen (principal-agent-Problem).47 Eine Ausprägung der Theorie des Marktes für Unterneh-

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Düsterhoff/Wolffson M&A Review 27 (2016), 21 (27 f.); vgl. ferner Böhmert Deutsche Bank erklimmt M&A-Spitze, Börsenzeitung v. 28. Januar 2015, S. 4. S. vor allem Bebchuk Harv. L. Rev. 95 (1982), 1028 (1031); Gilson Stan. L. Rev. 33 (1981), 819 (873 f.). In diesem Sinne etwa KölnKomm-WpÜG/ Hirte Einl., Rn 13.

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Manne J.Pol.Econ. 73 (1965), 110; vgl. außerdem etwa Black/Kraakman A Self-Enforcing Model of Corporate Law, Harv. L. Rev. 109 (1996), 1911, 1960; Easterbrook/Fischel Yale L. J. 91 (1982), 689. Vgl. nur Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn 87 und 948, m. w. Nachw.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

menskontrolle ist die von Jensen entwickelte sog. „Free Cash Flow“-Theorie, die argumentiert, auch ein Übermaß liquider Mittel könne eine suboptimale Ressourcennutzung bedeuten, weil solche Mittel entweder ertragreich investiert oder aber an die Anteilseigner ausgeschüttet werden müssten.48 Andere Autoren beurteilen Unternehmensübernahmen positiv, weil sie die Effizienz 883 von Kapitalmärkten in Frage stellen und Übernahmen als wichtigen Mechanismus zum Ausgleich von Marktineffizienzen sehen. Zum Teil wird pauschal bezweifelt, dass Börsenkurse den wahren Unternehmenswert widerspiegeln; die Differenz zwischen beiden Bewertungen gilt folglich als zentrales Motiv von Übernahmen.49 Teils nimmt man spezifischer kurzfristige Anlagestrategien in den Blick („market myopia“): Präferieren Anleger „schnelle“ Gewinne, so sind Unternehmen, die langfristig agieren, indem sie beispielsweise in Forschung und Entwicklung investieren, tendenziell unterbewertet und aus diesem Grund lohnende Übernahmeziele.50 Ungleich skeptischer werden Übernahmen demgegenüber von den Vertretern der sog. 884 Umverteilungstheorien beurteilt, die nämlich argumentieren, dass die bei Übernahmen zu beobachtenden Kurssteigerungen nicht auf Effizienzsteigerungen, sondern auf Wohlfahrtsverlusten anderer Interessengruppen beruhen.51 Demnach drohen Übernahmen vor allem zu Lasten der Minderheitsaktionäre zu gehen, weil diese nach Kontrollübernahme keinen Einfluss mehr auf die unternehmerischen Entscheidungen der Gesellschaft nehmen können und daher befürchten müssen, vom Kontrollerwerber ausgebeutet zu werden.52 Allerdings stehen zahlreiche gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismen einer solchen Ausbeutung entgegen. Mit ähnlicher Begründung wird eine Ausbeutung der langfristigen Altgläubiger, insbesondere der Anleihegläubiger, befürchtet, weil nach Übernahmen ein höherer Verschuldungsgrad droht.53 Ebenso wird vor der Schlechterstellung anderer Interessengruppen, insbesondere der Arbeitnehmer, aber auch der Verbraucher und des Fiskus, gewarnt.54 Einer Ausbeutung von Gläubigern, Arbeitnehmern, Verbrauchern und Fiskus stehen aber wiederum zahlreiche Gesetzesregeln oder jedenfalls gebräuchliche Vertragsvereinbarungen entgegen, etwa in Form von Kreditsicherheiten, langfristigen Arbeitsverträgen oder wettbewerbs- bzw. steuerrechtlichen Schutzmechanismen. Andere Autoren sind skeptisch gegenüber Unternehmensübernahmen, weil sie die Mo- 885 tivation der Geschäftsleiter des Bieters kritisch hinterfragen. Sie befürchten entweder einen Drang zu ineffizienter Expansion (sog. empire building), der als Folge persönlicher Machtoder Prestigeinteressen verhindert, dass die Angebotsentscheidung ausschließlich nach Ef-

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Jensen Corporate Finance, and Takeovers, Am. Econ. Rev. 76 (1986), 323. In diesem Sinne namentlich Lowenstein Colum. L. Rev. 83 (1983), 249 (274); Shubik Corporate Control, Efficient Markets and the Public Good, in: Coffee/Lowenstein/ Rose-Ackermann (Hrsg.), Knights, Raiders and Targets 1988, S. 31 (41 f.). Stein J. Pol. Econ. 96 (1988), 61; s. auch Romano Yale J. Reg. 9 (1992), 119 (144 f.). Vgl. KölnKomm-WpÜG/Hirte Einl. Rn 18. In diesem Sinne vor allem Schwartze Europäische Regelungen für Unternehmensübernahmen – eine kapitalmarktorientierte Betrachtung, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts

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1993, S. 264 (271–275); Reul S. 198; Krause Das obligatorische Übernahmeangebot, S. 105–107; Mühle Das Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetz, S. 73–84. S. vor allem Romano Yale J. Reg. 9 (1992), 119 (136 f.). Zu solchen Bedenken vgl. Shleifer/Summers Breach of Trust in Hostile Takeovers, in: Auerbach (Hrsg.), Corporate Takeovers, 1988, S. 33 (37–41) (Arbeitnehmer); Nyenhuis Bedingte Übernahmeangebote im Vereinigten Königreich und Deutschland, 2005, S. 27–34 (Monopolisierung); Hahn Die feindliche Übernahme von Aktiengesellschaften, 1992, S. 104–107 (Fiskus).

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fizienzkriterien getroffen wird;55 oder sie halten das Beurteilungsvermögen dieser Geschäftsleiter auf Grund übersteigerten Selbstvertrauens für eingeschränkt, so dass diese trotz Orientierung an Effizienzzielen entweder den Wert der Zielgesellschaft oder aber die eigenen Fähigkeiten zu dessen effizienter Führung überschätzen (sog. hubris hypothesis).56 2. Schutzinteressen a) Aktionärsgesamtheit der Zielgesellschaft. Wenngleich die ökonomische Beurteilung von Übernahmen demnach äußerst ambivalent ausfällt, deutet sie deutlich auf bestimmte Interessen hin, die potentielle Übernahmeangebote tangieren und die das Übernahmerecht daher schützt bzw. schützen sollte. Schutzbedürftig erscheinen zunächst die Aktionäre der Zielgesellschaft und zwar unter zweierlei Gesichtspunkten, die jeweils an die Theorie des Marktes für Unternehmenskontrolle anknüpfen. Zum einen bedürfen diese Aktionäre hinreichender Information.57 Denn da sie die Entscheidung über den Verkauf ihrer Anteile zu treffen haben, müssen sie den Angebotspreis mit dem (abgezinsten) künftigen Ertrag vergleichen, den sie bei Behalten ihrer Anteile erwarten dürfen. Um diesen Vergleichswert einschätzen zu können, müssen sie wiederum zwei alternative Szenarien bedenken, nämlich entweder die Fortsetzung des status quo (sofern die Übernahme misslingt, weil auch die Mitaktionäre ihre Anteile überwiegend behalten haben) sowie die Stellung als Minderheitsaktionär in einer vom Bieter beherrschten Gesellschaft (sofern die Übernahme erfolgreich ist, weil die Mitaktionäre ihre Anteile überwiegend verkauft haben). Die Ermittlung oder zumindest Schätzung dieser beiden Vergleichswerte erfordert die Kenntnis der strategischen Pläne sowohl der aktuellen Geschäftsleitung als auch des Bieters. Um den Aktionären der Zielgesellschaft eine sinnvolle Entscheidung über den Verkauf ihrer Anteile zu ermöglichen, sollte das Übernahmerecht daher entsprechende Informationspflichten des Bieters sowie des Leitungsorgans der Zielgesellschaft statuieren (dazu ausführlich unten, Rn 966 f.; 973–975). Denn nur wenn diesen Aktionären die konkurrierenden Unternehmensstrategien bekannt sind, kann der Markt für Unternehmenskontrolle sinnvoll funktionieren.58 887 Zum anderen setzt ein funktionsfähiger Markt für Unternehmenskontrolle voraus, dass die Entscheidung über die Übernahme von den Aktionären – und nicht dem Leitungsorgan – der Zielgesellschaft getroffen wird.59 Ansonsten würde nämlich die externe Leitungskontrolle und Disziplinierungsfunktion versagen, die nach dieser Theorie als entscheidender Vorteil von (potentiellen) Übernahmen gilt (vgl. oben, Rn 882). Zudem unterlägen die Geschäftsleiter einem massiven Interessenkonflikt, und es bestünde deshalb die Gefahr, dass sie in ihrem eigenen Interesse – an der Beibehaltung ihrer Leitungsposition und an der

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Näher Kouloridas The Law and Economics of Takeovers: An Acquirer’s Perspective, 2008, S. 11 f. Roll J. Bus. 59 (1986), 197; vgl. auch Romano Yale J. Reg. 9 (1992), 119 (150–152). Vgl. dazu etwa Grundmann DStR 2004, 232 (236); Eidenmüller JZ 2001, 1041 (1048); ausführlich ferner Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 421–470. In diesem Sinne namentlich der allgemeine Transparenzgrundsatz in § 3 Abs. 2 WpÜG („Inhaber von Wertpapieren der Zielgesell-

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schaft müssen über genügend Zeit und ausreichende Informationen verfügen, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können“); dazu näher etwa Angerer/Geibel/Süßmann/Louven § 3 WpÜG, Rn 17 f.; Schwark/Zimmer/Noack/Holzborn § 3 WpÜG Rn 12 f.; MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 14. Ähnlich etwa Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 2 und 91; Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 448.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Durchsetzung ihrer strategischen Pläne – entscheiden, nicht im Aktionärsinteresse.60 Im Gegensatz zu Verschmelzungen, die von den beiden Leitungsorganen initiiert und über die in den beiden Hauptversammlungen entschieden wird, erfolgen Übernahmen – zumindest formal – ohne Beteiligung des Leitungsorgans der Zielgesellschaft: Sie beruhen ja schlicht auf einem Übernahmeangebot des Bieters, das sich unmittelbar an die Anteilseigner der Zielgesellschaft richtet; diese entscheiden zudem individuell (durch Entscheidung über den Anteilsverkauf), nicht kollektiv (durch Hauptversammlungsbeschluss), über die Annahme eines solchen Angebots.61 Faktisch allerdings kann das Leitungsorgan der Zielgesellschaft durchaus Einfluss auf den Erfolg von Übernahmeangeboten nehmen, entweder indem es Übernahmen – ähnlich wie Verschmelzungen – durch Absprachen mit dem Bieter koordiniert (sog. freundliche Übernahmeangebote), oder – praktisch ungleich intensiver diskutiert – indem es gewisse Verteidigungsmaßnahmen ergreift, um die Übernahme zu „torpedieren“ (sog. feindliches Übernahmeangebot).62 Für eine solche Abwehr kommen zahlreiche Gestaltungen in Frage, über die das Management aufgrund seiner umfassenden Leitungsmacht oder aufgrund spezifisch eingeräumter Befugnisse größtenteils selbst entscheiden kann, etwa der Verkauf wesentlicher Vermögensteile oder auch die Änderung der Aktionärs- und Kapitalstruktur (durch genehmigte Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss).63 Sofern man nun auf die Disziplinierungsfunktion von Übernahmen vertraut, wie sie von der Theorie des Marktes für Unternehmenskontrolle postuliert wird, oder sofern man zumindest befürchtet, dass der Interessenkonflikt, dem das Leitungsorgan in Übernahmesituationen unterliegt, einer interessewahrenden Entscheidungsfindung abträglich ist, wird man ein Verbot von Abwehrmaßnahmen (Verhinderungsverbot) oder eine Verpflichtung des Leitungsorgans auf Neutralität (Neutralitätspflicht) zum Schutze der Aktionäre der Zielgesellschaft befürworten (dazu ausführlich unten, Rn 978).64 Da es um Aktionärsschutz geht, zielen beide Ausprägungen wohlgemerkt nicht darauf, solche Maßnahmen pauschal zu verbieten, sondern darauf, diese Maßnahmen nicht dem Leitungsorgan, sondern der Aktionärsgesamtheit der Zielgesellschaft zu überlassen.65 b) Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft. Neben der Aktionärsgesamtheit treten 888 die Minderheitsaktionäre in den Blick, genauer: diejenigen Aktionäre der Zielgesellschaft, die infolge der Übernahme zu Minderheitsaktionären werden. Da Einflussmacht und Anteilseigentum in Aktiengesellschaften nicht proportional miteinander korrelieren, sondern

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Dieser Konflikt rechtfertigt daher auch gesellschaftsrechtlich eine Beschränkung des Leitungsermessens; dieser verbandsrechtliche Ansatz ist (trotz übernahmerechtlicher Überlagerung) rechtsvergleichend durchaus von Bedeutung. Dazu näher Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 562–572. Überblicksweise zu diesen Unterschieden Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn 945–947. Speziell zu Interessenkonflikten (des Leitungsorgans der Zielgesellschaft) bei freundlichen Übernahmen: Epper Die freundliche öffentliche Übernahme, 2008; Winner Die Zielgesellschaft in der freundlichen Übernahme, 2002. Zur Frage einer (konzernrechtlichen) Zustimmungspflicht gem. § 293

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Abs. 1 AktG vgl. LG München I, 5 HK O 19782/06, ZIP 2008, 555; Verhoeven EWiR 2008, 161; Goslar DB 2008, 800; vgl. ferner Hippeli/Diesing AG 2015, 185. Ausführlich zu solchen Verteidigungsmaßnahmen unten, Rn 977–979. Zu diesen (und weiteren) Begrifflichkeiten näher Hopt ZHR 166 (2002), 383 (424); Grunewald AG 2001, 288 (289); Krause BB 2002, 2341 (2341); Maier-Reimer ZHR 165 (2001), 258 (259–262). Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn 990 (kein Verbot, sondern „Kompetenzverlagerung auf die Hauptversammlung“); Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 359 („Entscheidungsregel“).

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6. Teil. Marktregeln

die Erlangung einer einfachen oder jedenfalls qualifizierten Mehrheit von Aktien für einen Kontrollerwerb ausreicht, verlieren diese verbleibenden Aktionäre nämlich an Einfluss, wenn sich die übrigen Anteile in der Hand des Bieters vereinen. War die Zielgesellschaft zuvor im Streubesitz – was bei Übernahmen typischerweise der Fall ist (siehe oben, Rn 877) –, so wechselt die Kontrolle von den bisherigen Geschäftsleitern auf den Bieter.66 Neben dieser Konzernierungsgefahr droht den Minderheitsaktionären das Risiko eines Wertverlustes, und zwar nicht nur aufgrund der veränderten Geschäftspolitik. Ein solcher Wertverlust droht vielmehr auch deshalb, weil die Prämie, die für den Erwerb der Kontrolle vom Bieter als Aufschlag gegenüber dem Börsenkurs gezahlt wird (Kontrollprämie),67 ausschließlich an diejenigen Aktionäre gezahlt wird, die ihre Aktien bis zum Erreichen der Kontrollschwelle an den Bieter veräußert haben, sei es infolge eines Paketerwerbs, sei es durch Veräußerung im Rahmen des Übernahmeangebots. Alle übrigen Aktionäre können nicht mehr an dieser Kontrollprämie partizipieren, weil ihre Anteile für den Kontrollerwerb nicht mehr erforderlich sind. Um eine solche Ungleichbehandlung hinsichtlich der Kontrollprämie zu verhindern, muss das Übernahmerecht Fragen der Verteilungsgerechtigkeit klären, indem es beispielsweise die Gleichbehandlung aller Aktionäre statuiert (dazu unten, Rn 911), allen Aktionären eine Möglichkeit zum Aktienverkauf eröffnet (Pflichtangebot, dazu unten, Rn 928–935) oder ihnen darüber hinaus noch eine zweite Ausstiegsmöglichkeit gewährt, nachdem feststeht, ob sich die Mitaktionäre überwiegend für einen Verkauf entschieden haben (Zaunkönigregelung bzw. Andienungsrecht, dazu unten, Rn 981 bzw. 993). Solche Regelungen bieten, indem sie Ausstiegsmöglichkeiten schaffen, zugleich eine Art Konzerneingangsschutz, ohne sich jedoch auf diese spezifisch konzernrechtliche Schutzdimension zu beschränken.

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c) Sonstige Interessengruppen der Zielgesellschaft. Die ökonomische Analyse deutet schließlich ein gewisses Schutzbedürfnis weiterer Interessengruppen (stakeholder) der Zielgesellschaft an, etwa bestimmte Gläubiger, Arbeitnehmer, Verbraucher und den Fiskus (siehe oben, Rn 884). Dieses Schutzbedürfnis ist allerdings erheblich geringer, weil diese Interessengruppen größtenteils selbst Vorsorge treffen können, indem sie entweder anderweitig eingeräumte gesetzliche Rechte geltend machen oder vertragliche Vorsorge treffen. Entsprechend ist der Schutz, den das Übernahmerecht solchen anderen Interessengruppen gewährt, allenfalls flankierender oder sogar nur reflexartiger Natur (trotz der ausdrücklichen Betonung namentlich der Arbeitnehmerinteressen in der Gesetzesbegründung).68 Dieser Schutz wird primär durch Informationspflichten vermittelt,69 da die Geltendmachung entsprechender Rechte bzw. die vertragliche Vorsorge entsprechende Kenntnis von der Übernahme und ihren Modalitäten erfordert. 890 d) Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Neben dem Schutz einzelner Interessengruppen – der jedoch nicht notwendig mit der Einräumung entsprechender Individualansprüche einhergeht70 – dient das Übernahmerecht auch dem Funktionsschutz, namentlich der 66

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Näher zu dieser Konzernierungsgefahr (und zum Zusammenspiel von Konzern- und Übernahmerecht): Fleischer NZG 2002, 545 (547 f.). Dazu ausführlich Hofmann Der Minderheitsschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 302–306; Verse Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006, S. 180–186. Vgl. (gleich mehrfach) BT-Drs. 14/7034, S. 28.

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In diesem Sinne insbesondere § 27 Abs. 3 S. 2 WpÜG; vgl. ferner die Möglichkeit zur (eigenen) Stellungnahme gem. § 27 Abs. 2 WpÜG; näher zum übernahmerechtlichen Arbeitnehmerschutz Grobys NZA 2002, 1; Seibt DB 2002, 529. Näher etwa Krause NJW 2004, 3681 (3686 f.); Seibt ZIP 2003, 1865 (1868); Ihrig ZHR 167 (2003), 315 (324 f.); Schnorbus ZHR 166 (2002), 72 (85 f., 91).

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Sicherung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte.71 Die Gesetzesbegründung stellt diese Schutzdimension in den Vordergrund, indem sie betont, dass „die Regulierung von Unternehmensübernahmen vor allem einen Rechtsrahmen für ein faires und transparentes Verfahren zur Verfügung stellen“ muss.72 Zugleich heißt es, ein solcher Rechtsrahmen sei „für die unmittelbar an Übernahmen Beteiligten und für die Akteure an den Finanzmärkten“ erforderlich und müsse „die unterschiedlichen Interessen der an einem Übernahmeverfahren beteiligten Parteien berücksichtigen“.73 Mit diesen Formulierungen macht der Gesetzgeber für das Übernahmerecht die bekannte kapitalmarktrechtliche Erkenntnis fruchtbar, dass dieser Funktionsschutz und jener Schutz bestimmter Interessengruppen zwei Seiten ein- und derselben Medaille sind.74 Neben den bereits genannten Interessen dient ein faires und geordnetes Übernahmeverfahren auch den Interessen des Bieters, weil es beispielsweise bestimmten Formen der Ungleichbehandlung gegenüber anderen Bietern entgegensteht.75 Solcher Bieterschutz ist jedoch nachweislich der Gesetzesbegründung nicht als primäres Regelungsziel intendiert, sondern lediglich Nebeneffekt des Funktionsschutzes. Auch dadurch trägt der Funktionsschutz zu dem übergeordneten gesetzgeberischen Ziel bei, Rahmenbedingungen zu schaffen, „die den Anforderungen der Globalisierung und der Finanzmärkte angemessen Rechnung tragen, und hierdurch den Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Deutschland auch im internationalen Wettbewerb weiter stärken“.76 3. Caveat: Interessenkonflikte der Banken. Während sich die ökonomische und über- 891 nahmerechtliche Diskussion auf Interessenkonflikte innerhalb der Zielgesellschaft – vor allem zwischen deren Aktionären und Geschäftsleitern sowie zwischen unterschiedlichen Aktionären – konzentriert, können auch Berater von Übernahmen Interessenkonflikten unterliegen.77 Tatsächlich sind solche Konflikte ebenso häufig wie problematisch und werden (zumindest anlassbezogen) auch kontrovers diskutiert.78 Man kann unterschiedliche Kategorien solcher Interessenkonflikte unterscheiden. Erstens ist denkbar, dass Banken beide Seiten, sowohl Bieter als auch Zielgesellschaft, begleiten; die Fremdinteressen, die sie als deren Berater zu wahren haben, sind dann gegenläufig. Auch frühere Mandate für die jeweilige Gegenpartei können auf Grund der dabei erlangten Informationen problematisch erscheinen.79 Selbst wenn diese Interessen, namentlich bei freundlichen Übernahmen, in

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So bereits Hopt ZHR 161 (1997), 368 (374). BT-Drs. 14/7034, S. 27. Vgl. nochmals BT-Drs. 14/7034, S. 27; ferner auch Assmann/Pötzsch/Schneider Einf. Rn 35 f.; KölnKomm-WpÜG/Hirte Einl. Rn 84; Angerer/Geibel/Süßmann/Zirngibl Einl. Rn 12. So Hopt ZHR 159 (1995), 135 (159); Kümpel/Wittig/Oulds Allgemeiner Teil des Kapitalmarktrechts, Rn 14.141; Möschel Das Wirtschaftsrecht der Banken, 1972, 249; kritisch Ekkenga ZIP 2004, 781 (784 f.). Vgl. Fleischer ZIP 2002, 651 (652 f.); Liekefett AG 2005, 802; Mülbert/Birke WM 2001, 705 (712); monographisch Martin Der konkurrierende Bieter bei öffentlichen Übernahmeangeboten, 2015. BT-Drs. 14/7034, S. 28. So vor allem Hopt ZGR 2002, 333 (364–367).

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Illustrative empirische Untersuchung für die USA: Calomiris/Singer How Often Do Conflicts of Interests in the Investment Banking Industry Arise During Hostile Takeovers?, Working Paper, 2004, abrufbar unter www.ssrn.com (Abstract-ID: 509562). In Deutschland wurden entsprechende Interessenkonflikte der Banken bereits bei einer der ersten großen Übernahmen, Krupp/Thyssen im Jahr 1997, intensiv diskutiert, vgl. dazu nochmals Hopt ZGR 2002, 333 (365); ferner Schilling BB 1997, 1909. In der Rechtssache Mannesmann Aktiengesellschaft v. Goldman Sachs International & Others (1999 WL 1613186) beispielsweise machte Mannesmann als Zielgesellschaft vor dem High Court in London geltend, Goldman Sachs hätte aufgrund der vorangegangenen Beratung der Verschmelzung von Mannesmann und Orange vertrauliche In-

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die gleiche Richtung zu tendieren scheinen, besteht durchaus ein Interessengegensatz, weil sich die Beratung auch in diesem Fall auf einen Austauschvertrag richtet, bei dem die Aktionäre der Zielgesellschaft – und ihr Leitungsorgan als deren „Vertreter“ – einen möglichst hohen Preis erzielen, der Bieter dagegen einen möglichst niedrigen Preis anbieten will. Zweitens ist denkbar, dass die Bank zwar nur eine Seite begleitet, sich der Konflikt aber aus den unterschiedlichen Bankdienstleistungen ergibt, die sie für diese Partei erbringt. Beispielsweise kann eine Bank, die eine Zielgesellschaft berät, der sie zuvor einen Kredit ausgereicht hatte, ein eigenes Interesse am Erfolg der Übernahme haben, weil sich durch deren Eingliederung in einen kapitalstärkeren Konzern potentiell das Kreditausfallrisiko reduziert; umgekehrt kann sich ihr Interesse freilich auch auf das Scheitern der Übernahme richten, wenn eine solche Konzernzugehörigkeit eine Verschlechterung der Kreditwürdigkeit oder den Verlust dieses Kunden zur Folge haben könnte.80 In beiden Fällen steht die Unabhängigkeit der Beratung in Frage, weil die Eigeninteressen der Bank deren Fremdinteressewahrungspflicht zu überlagern drohen. Drittens kann diese Unabhängigkeit schließlich auch auf Grund eines sonstigen, vom konkreten Übernahmemandat losgelösten Engagements der Bank fraglich erscheinen, etwa wenn die Bank vor Begleitung des Bieters der Zielgesellschaft einen Kredit ausgereicht und dadurch potentielle vertrauliche Informationen erlangt hat.81 Entsprechendes Konfliktpotential besteht besonders bei Universalbanken, die viele unterschiedliche Dienstleistungen erbringen, vor allem in (traditionell) bankbasierten Volkswirtschaften wie Deutschland, in denen Banken die Rolle von Kreditgeber und Anteilseigner (mit erheblichen, wenngleich zumeist nicht beherrschenden Beteiligungen) in sich vereinen, teils auch noch (Aufsichtsrats-)Mandate wahrnehmen, zudem über das Depotstimmrecht die Stimmrechtsausübung beeinflussen und schließlich bei Emission und Handel von Anteilen mitwirken.82 892 Die Auflösung dieser Interessenkonflikte der Banken wird indessen nicht als Aufgabe des Übernahmerechts gesehen – mit einer historisch interessanten Ausnahme: Der Londoner City Code (dazu sogleich, Rn 894) untersagte Finanzberatern nämlich einst Eigenhandel, der im Widerspruch zu deren im Rahmen eines Übernahmeverfahrens veröffentlichten Empfehlungen stand.83 Ansonsten aber versucht man, die vielgestaltigen Interessenkon-

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formationen erlangt und solle daher an der Beratung des Bieters Vodafone gehindert werden; das Gericht lehnte diesen Antrag jedoch ab. Näher zu diesem Fall etwa Höpner/ Jackson Revisiting the Mannesmann takeover: How markets for corporate control emerge, European Management Review 3 (2006), 142 (149). Schmitz Mergers & Acquisitions-Beratung als Bankdienstleistung, S. 142–144; Lucks/ Meckl Internationale Mergers & Acquisitions, 2. Aufl. 2015, S. 65; zur empirischen Untermauerung vgl. Allen/Jagtiani/Peristiani/Saunders The Role of Bank Advisors in Mergers and Acquisitions, Journal of Money, Credit and Banking 36 (2004), 197. Zum Aufeinandertreffen der Finanzierung eines Übernahmeangebots und vorheriger Kreditvergabe an die Zielgesellschaft vgl. die US-amerikanische Entscheidung Washington Steel Corp. V. TW Corp, 602 F. 2d 594 (3d

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Cir. 1979); dazu etwa Chao California Law Review 68 (1980), 153; Herzel/Rosenberg Banking L.J. 96 (1979), 676. Allgemein zur Vielfalt des Einflusspotenzials von Universalbanken Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn 473; Hopt ZGR 2000, 779 (802–806). Speziell zum Aufeinandertreffen von Übernahmeberatung (des Bieters) und Eigenhandel (in Aktien der Zielgesellschaft) ergeben können, vgl. die australische Entscheidung ASIC v Citigroup Global Markets Australia Pty Ltd [2007] FCA 363; dazu etwa Legg/ Mavrakis Macquarie Journal of Business Law 6 (2009), 181. Vgl. Note 5 zu rules 4.1 and 4.2 (No dealing contrary to published advice: „Directors and financial advisers to a company who own securities in that company must not deal in such securities (including options and derivatives in respect of or referenced to such secu-

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

flikte der Banken durch anderweitige, jeweils an die kollidierende Bankentätigkeit geknüpfte Rechtsregeln aufzulösen. Beispielsweise steht das Insiderhandelsverbot gem. Art. 14 MAR der Ausnutzung von Informationen im Wertpapierhandel entgegen, die Banken im Rahmen von Übernahmemandaten vertraulich erlangen (zu diesem Verbot ausführlich Bd. 11/1, 6. Teil, Rn 330–430).84 Aktienrecht und Corporate-Governance-Kodex unterwerfen die Mandatsausübung und Stimmrechtsausübung bestimmten Bindungen, um Interessenkonflikte zu vermeiden (vgl. bes. § 114 AktG und Ziff. 5.5.4 DCGK bzw. § 135 f. AktG).85 Dem gleichen Ziel dienen schließlich auch die aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG – die beispielsweise zur Einrichtung sog. Chinese Walls verpflichten (vgl. dazu oben, Bd. 10/1, Zweiter Teil, Zweiter Abschnitt) – sowie privatrechtlich die korrespondierenden Pflichten aus dem Beratungsvertrag. Ähnlich wie bei sonstigen Beratungsleistungen der Banken lässt sich auch bei Begleitung von Übernahmeverfahren die vertragsrechtliche Dogmatik des Geschäftsbesorgungsrechts fruchtbar machen, die darauf abzielt, Interessenkonflikte zu verhindern, aufzulösen oder zumindest offen zu legen.86 Die Wirkkraft all dieser nicht-übernahmerechtlichen Rechtsinstitute ist indessen in den übernahmetypischen Mehr-Personen-Konstellationen beschränkt, und zwar vor allem aus Gründen der Rechtsdurchsetzung. Die jeweiligen Gegenparteien (oder spezifischen Interessengruppen, die sich vom Interessenkonflikt beeinträchtigt fühlen) haben nämlich in aller Regel keine Möglichkeit, sich auf entsprechende Pflichtverletzungen zu berufen; so können beispielsweise die beratungsvertraglichen Interessewahrungspflichten grundsätzlich nur von den Vertragsparteien, nicht jedoch von Dritten – Bieter oder Zielgesellschaft bzw. deren Aktionäre – geltend gemacht werden.87 Ob im Hinblick auf Interessenkonflikte der Banken eine übernahmerechtliche Schutzlücke besteht – und allgemeiner, wo entsprechende Konfliktlösungsmechanismen regelungssystematisch am besten zu verorten sind –, bedarf insofern weiterhin der rechtspolitischen Diskussion.88

III. Regelungssystem, -entwicklung und Harmonisierungsintensität 1. Systematische Verortung. Generell ist das Übernahmerecht eine Schnittstellenmate- 893 rie.89 Es zählt zwar zum Kapitalmarktrecht, weil sein Anwendungsbereich auf Gesellschaften beschränkt ist, deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (§§ 1 Abs. 1 WpÜG), weil seine Einhaltung durch die zuständige Aufsichtsbehörde, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht wird, und weil der Gesetzgeber nachweislich der Gesetzesbegründung vor allem den kapitalmarktrechtlichen Funktionsschutz intendierte.90 Auch bestehen zahlreiche Berührungspunkte mit anderen kapitalmarktrechtlichen Regelungsmaterien, namentlich dem Insiderrecht (vgl. Rn 915),

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rities) contrary to any advice they have given to shareholders, or to any advice with which it can reasonably be assumed that they were associated, without giving sufficient public notice of their intentions together with an appropriate explanation“); dazu bereits Hopt ZGR 2002, 333 (364 f.). Dazu etwa Assmann WM 1996, 1337 (1344). Näher zu diesen Bindungen: Heermann WM 1997, 1689 (1693–1696); Herkenroth AG 2001, 33 (33–35, 39 ff.); Lange WM 2002,

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dem Verbot der Marktmanipulation (vgl. Rn 915) sowie der Ad-hoc-Publizität (vgl. Rn 961).91 Zugleich weist das Übernahmerecht jedoch zahlreiche Schnittmengen mit benachbarten Rechtsmaterien auf. Besonders eng ist das Zusammenspiel mit dem Aktien(konzern-)recht, weil das Übernahmerecht mit der skizzierten Schutzrichtung primär Interessenkonflikte innerhalb der Zielgesellschaft, d.h. innerhalb eines – wenngleich marktoffenen – Verbands, in den Blick nimmt.92 Während ausländische Rechtsordnungen, namentlich das US-amerikanische Recht, diese Konflikte zumindest teilweise verbandsrechtlich lösen, stellen sich im deutschen Recht Konkurrenzfragen, beispielsweise ob das Leitungsermessen des Vorstands der Zielgesellschaft, Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, nicht nur durch die übernahmerechtliche Neutralitätspflicht, sondern zusätzlich auch durch die verbandsrechtliche Pflichtbindung beschränkt ist.93 Auch zum Umwandlungs- und Kartellrecht bestehen Berührungspunkte, die ebenfalls schwierige Abgrenzungs- und Abstimmungsfragen aufwerfen.94 Die Schnittmenge mit dem Bankrecht erscheint auf den ersten Blick geringer, weil Banken als bloße Begleiter von Übernahmeverfahren nicht zu den notwendigen Hauptakteuren zählen.95 Bedenkt man das rechtstatsächliche Einflusspotential von Banken sowie das daraus resultierende, soeben skizzierte Potential bankspezifischer Interessenkonflikte, besteht jedoch auch insoweit Abstimmungsbedarf, der im Folgenden zu bedenken ist, etwa im Hinblick auf die Frage, ob sich die allgemeinen Grundsätze des § 3 WpÜG auch an beratende Banken richten und wie sie ggf. mit anderweitigen Verhaltenspflichten, denen diese Banken unterliegen, zusammenwirken (vgl. etwa unten, Rn 995).

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2. Entstehungsgeschichte und Rechtsqualität. Vorreiter und Vorbild der Regulierung von Unternehmensübernahmen war der Londoner City Code on Takeovers and Mergers:96 Nachdem im Nachgang zum sog. „Battle for the Berkeley“, einem Übernahmekampf um einen exklusiven Londoner Hotelbetreiber, bereits in den 1950er Jahren erste Übernahmeregeln entstanden waren,97 wurde der City Code vom Panel on Takeover and Mergers auf Initiative der Bank of England im Jahr 1968 formuliert und später mehrfach reformiert. In Deutschland begann die Genese des Übernahmerechts im Jahr 1979 mit den Leitsätzen der Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium für Finanzen,

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Ähnlich Assmann/Pötzsch/Schneider Einl. Rn 16; KölnKomm-WpÜG/Hirte Einl. Rn 82. Fleischer NZG 2002, 545 (547 f.); Mülbert ZIP 2001, 1221; Schneider/Burgard DB 2001, 963; KölnKomm-WpÜG/Hirte, Einl., Rn 79; monographisch Herkenroth Konzernierungsprozesse im Schnittfeld von Konzernrecht und Übernahmerecht, 1994. Dazu ausführlich Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 557–606. Näher KölnKomm-WpÜG/Hirte Einl. Rn 79; vgl. ferner Assmann/Pötzsch/Schneider Einl. Rn 15. In den Beiträgen, die in den Vornoten genannt sind, bleibt dieses Schnittfeld in der Tat gänzlich unberücksichtigt. Übernahmekodex des Londoner Takeover Panel (Stand: 11. Aufl., 20. Mai 2013), abrufbar unter www.thetakeoverpanel.org.uk;

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als Loseblatt zu beziehen beim Panel on Takeovers and Mergers, 10 Paternoster Square, London EC4M 7DY. Allgemein zum englischen Übernahmerecht Baum RIW 2003, 421; Payne (Hrsg.) Takeovers in English and German Law, 2002; monographisch Heinle City Code und Übernahmekodex, 2001; Roßkopf Selbstregulierung von Übernahmeangeboten in Großbritannien, 2000. Vgl. den Untersuchungsbericht über die Savoy Hotel Ltd. und die Berkely Hotel Company Ltd. von Mr. E. Milner Holland, Q.C., Her Majesty’s Stationery Office, 1954 (sog. Milner Holland Report); Darstellung und Bewertung der Schlußfolgerungen bei Gower, 68 Harv. L. Rev. (1955), 1176 (1183–1194). Ausführlichere Darstellung außerdem in Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 398 f.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

die allerdings kaum befolgt wurden und beispielsweise noch keinerlei Regeln über Abwehrmaßnahmen enthielten.98 Auf ähnlich geringe Akzeptanz stieß der Übernahmekodex, der am 1.10.1995 auf Vorschlag der gleichen Kommission in Kraft trat.99 Einen ersten Gesetzesvorschlag legte im Juli 1997 die SPD-Fraktion vor; er stützte sich im Wesentlichen auf Vorarbeiten von Theodor Baums. Zum Wegbereiter gesetzlicher Übernahmeregeln wurde dann aber erst die Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone AirTouch plc im Jahr 2000.100 Eine kurzfristig einberufene Expertenkommission formulierte Eckpunkte für ein künftiges Übernahmegesetz, die in einen Diskussionsentwurf des Bundesministeriums für Finanzen vom 29.6.2000, einen Referentenentwurf vom 12.3.2001 und schließlich in einen Regierungsentwurf vom 11.7.2001 mündeten.101 Dieser Entwurf wurde auf Vorschlag des Finanzausschusses vom 14.11.2001 noch einmal in zentralen Punkten verändert und kurz vor Weihnachten 2001 als Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) verabschiedet. Dieses Gesetz trat am 1.1.2002 in Kraft; es wurde durch das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz im Juli 2006 nochmals gründlich reformiert.102 Diese Entstehungsgeschichte geht einher mit einer Transformation der Rechtsqualität 895 der Übernahmeregeln. Der City Code verkörpert von professionellen Marktteilnehmern anerkannte Verhaltensregeln und Gerechtigkeitsmaßstäbe; er war im Ausgangspunkt ein schriftlich niedergelegter Marktverhaltensstandard auf der Grundlage freiwilliger Selbstregulierung.103 Obwohl das Regelwerk ursprünglich weder Gesetzeskraft hatte104 noch Be-

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S. nur Hommelhoff/Hopt/Lutter/Hopt Konzernrecht und Kapitalmarktrecht in Deutschland, Konzernrecht und Kapitalmarktrecht, 31 (64); Weisgerber ZHR 161 (1997), 421 (422); allgemein zu den Leitsätzen außerdem: Angerer/Geibel/Süßmann/Zirngibl Einf. Rn 6; KölnKomm-WpÜG/Hirte Einl. Rn 43. Zu diesem etwa: Assmann AG 1995, 563; Hopt Auf dem Weg zum deutschen Übernahmegesetz – Überlegungen zum Richtlinienentwurf 1997, zum Übernahmekodex (1997) und zum SPD-Entwurf 1997, FS Zöllner 1998, S. 253 (263–267); Kallmeyer ZHR 161 (1997), 435; Diekmann WM 1997, 897; Weisgerber ZHR 161 (1997), 421. Zum SPD-Entwurf: Hopt FS Zöllner, 253 (268–273); Schander NZG 1998, 799 (803–805); vgl. außerdem (Abdruck des Vorschlags): Baums ZIP 1997, 1310. Zum Diskussionsentwurf: Riehmer/Schröder NZG 2000, 820; Land/Hasselbach DB 2000, 1747; zum RefE: Thaeter/Barth NZG 2001, 545; Zinser NZG 2001, 391; zum Regierungsentwurf: Möller/Pötzsch ZIP 2001, 1256; Land DB 2001, 1707; Oechsler NZG 2001, 817. Ausführlichere Darstellungen der Entstehungsgeschichte etwa bei Angerer/Geibel/ Süßmann/Zirngibl Einf. Rn 6–9; KölnKomm-WpÜG/Hirte Einl. Rn 35–59. Zur Umsetzung der Übernahmerichtlinie in

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Deutschland vgl. Diekmann NJW 2007, 17; Meyer WM 2006, 1135; zur rechtspolitischen Diskussion und zu den Vorarbeiten: Hopt/Mülbert/Kumpan AG 2005, 109; von Kann/Just DStR 2006, 328; Mülbert NZG 2004, 633; Seibt/Heiser ZGR 2005, 200; diess. AG 2006, 301. Grundsätzlich zum britischen Ansatz der Selbstregulierung Cheffins, Company Law, 1997, S. 364–420; kritisch: Bovey Company Lawyer 12 (1991), 3; Morse J.B.L. 1991, 509; Prentice Oxford Journal of Legal Studies 1 (1981), 406 (410–412); anderseits zu den Vorteilen: Black M.L.R. 59 (1996), 24 (bes. 25–27, 45 f.); Ogus Oxford Journal of Legal Studies 15 (1995), 97. Für eine übersichtliche Zusammenfassung der Argumente vgl. Pettet EBLR 2000, 381 (382–384). So ursprünglich Introduction 1.c) City Code („The Code has not, and does not seek to have, the force of law.“); auf Grund der Vorgaben der europäischen Übernahmerichtlinie (zu dieser sogleich, Rn 29) basiert der City Code inzwischen auf gesetzlicher Grundlage, vgl. Secs. 942–965 Companies Act 2006. Zur ursprünglichen Rechtsnatur des City Code aufschlussreich die Erwägungen in Dawson International plc v Coats Patrons plc, (1988) 4 BCC 305; die Literaturansichten zusammenfassend Roßkopf Selbstregulierung von Übernahmeangeboten in Großbritannien, 2000, S. 185–191 m.w.N.

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standteil der Börsenzulassungsvoraussetzungen war, wurde es seit jeher von Gesetzgeber und Börsenaufsicht anerkannt; den Gerichten diente es als Auslegungsmaßstab.105 Dass die Regeln von den Marktteilnehmern auf breiter Front befolgt wurden, lag vor allem an der Autorität des Panels on Takeovers and Mergers,106 dessen Mitglieder von Zentralbank und Bankenverbänden ernannt wurden. In Deutschland schlug eine solche Selbstregulierung auf dem Gebiet des Übernahmerechts (anders als beispielsweise in Sachen Corporate Governance) dagegen völlig fehl: Von 1016 börsennotierten inländischen Unternehmen (ohne Freiverkehr) hatten bis zum Frühjahr 2001 lediglich 755 den Kodex anerkannt; selbst in den oberen Segmenten war die Quote nicht signifikant höher, obwohl eine Aufnahme in DAX, MDAX oder Neuen Markt seit 1998 sogar die Anerkennung des Kodex voraussetzte.107 Dass Börsenzulassungsregeln Übernahmevorgaben statuierten oder zumindest inkorporierten, war auch rechtsvergleichend verbreitete Praxis. Entsprechend veränderte sich die Rechtsqualität: Börsenzulassungsregeln unterscheiden sich zwar von Rechtsnormen, weil sie als „Recht der Börse“ regelmäßig von privaten Institutionen erlassen werden; sie wirken aber intensiver als freiwillige Wohlverhaltensregeln, weil sie mit der Sanktion des Börsenausschlusses bewehrt sind.108 Mit der gesetzlichen Normierung im WpÜG erfolgte schließlich der Schritt zur Rechtsnormqualität. Dieses Gesetz zeichnet sich durch drei charakteristische Wesensmerkmale aus, die in rechtsvergleichender Perspektive keineswegs selbstverständlich erscheinen:109 Erstens statuiert der deutsche Gesetzgeber die wesentlichen Norminhalte selbst und überlässt lediglich Detailfragen der Regelung durch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) bzw. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Verordnungswege;110 zweitens erlässt er ein spezielles, eigenstän105

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Dazu näher Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 411 f., m.N. in Fn 2225–2227. Zum Abschreckpotential öffentlicher Rüge und insbesondere eines sog. cold shouldering vgl. Bittner RIW 1992, 182 (186); Defriez Takeover regulation in the United Kingdom, in: v. Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S. 29 (37); Baum RIW 2003, 421 (426 f.). Zu den Zahlen: BT-Drs. 14/7034, S. 27; vgl. außerdem: Börsensachverständigenkommission, Standpunkte der Börsensachverständigenkommission zur künftigen Regelung von Unternehmensübernahmen, 1999, S. 9 f.; Hopt ZHR 161 (1997), 368 (397); Angerer/ Geibel/Süßmann/Zirngibl Einf. Rn 6; KölnKomm-WpÜG/Hirte Einl. Rn 44 (bes. Fn 76). Ausführlich zur Rechtsnatur von Börsenzulassungsregeln (und Legitimationsproblemen): Blumentritt Die privatrechtlich organisierte Börse, 2003, S. 141–221; zur rechtsvergleichenden Bandbreite der Gestaltungen vgl. die Länderberichte in Hopt/Rudolph/Baums (Hrsg.), Börsenreform, 1997. Dazu ausführlich und mit rechtsvergleichenden Einzelnachweisen: Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 418–421.

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Vgl. im Einzelnen: Verordnung über den Inhalt der Angebotsunterlage, die Gegenleistung bei Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten und die Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots (WpÜG-Angebotsverordnung), BGBl. 2001 I S. 4263; Verordnung über Gebühren nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG-Gebührenverordnung), BGBl. 2001 I S. 4267; Verordnung über die Zusammensetzung und das Verfahren des Widerspruchsausschusses beim Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (WpÜG-Widerspruchsausschuss-Verordnung), BGBl. 2001 I S. 4261; Verordnung über die Zusammensetzung, die Bestellung der Mitglieder und das Verfahren des Beirats beim Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (WpÜG-Beiratsverordnung), BGBl. 2001 I S. 4259; Verordnung über die Anwendbarkeit von Vorschriften betreffend Angebote im Sinne des § 1 Abs. 2 und 3 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG-Anwendbarkeitsverordnung), BGBl. 2006 I S. 1698; Verordnung über den Zeitpunkt sowie den Inhalt und die Form der Mitteilung und der Veröffentlichung der Entscheidung einer Zielgesellschaft nach § 1 Abs. 5 S. 1 und 2 des Wertpapiererwerbs-

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diges Gesetz, statt die Regelungen in ein allgemeines Kapitalmarktgesetz zu inkorporieren; und drittens gestaltet er dieses Gesetz hinsichtlich der Überwachungs-, Durchsetzungs- und Sanktionsmechanismen aufsichtsrechtlich, nicht privatrechtlich aus. In systematischer Hinsicht sind alle drei Wesenszüge für die Auslegung und ggf. Fortbildung des Übernahmerechts von Bedeutung. 3. Europäisierung. Da Übernahmen Kapitalmarkttransaktionen betreffen, sind sie von 896 großer Bedeutung für den Binnenmarkt; entsprechend wichtig erscheint die Harmonisierung des Übernahmerechts. Umgekehrt war und ist Harmonisierung auf diesem Feld besonders kontrovers, unter anderem weil mit den Interessenkonflikten innerhalb der Zielgesellschaft die verbandsrechtliche Organisationsverfassung betroffen ist (zwar nur während der Angebotslaufzeit, dafür jedoch auf ganzer Breite). Dass Gesellschaftsorganisationsrecht besonders wenig „harmonisierungstauglich“ ist, zeigte bereits das Scheitern der Vorschläge für eine 5. Richtlinie (Struktur-Richtlinie).111 Dieser integrationspolitische Zwiespalt im Schnittfeld von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsorganisationsrecht erklärt wohl am besten die dramatische, insgesamt 30 Jahre dauernde Entstehungsgeschichte der Übernahmerichtlinie.112 Ein erster Vorentwurf des britischen Rechtsprofessors Pennington von 1974113 wurde erst eine Dekade später im Binnenmarktweißbuch aufgegriffen114 und mündete 1989 in einen ersten Kommissionsvorschlag.115 Die Annahme des zweiten Vorschlags von 1996116 in später erheblich veränderter Form scheiterte im Sommer 2001

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und Übernahmegesetzes (WpÜG-Beaufsichtigungsmitteilungsverordnung), BGBl. 2006 I Nr. 2266. Ende 2001 wurde der seit langem aussichtslose Vorschlag offiziell zurückgezogen, vgl. Mitteilung der Kommission vom 21.12.2001, ABl. EG 2004 C 5/1 (20) (=KOM (2001) 763 endg./2). Näher: Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn 366–369; Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 297 f. Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 312. Zur Geschichte der Richtlinie vgl. vor allem Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten, Brüssel, 10.1.2002, S. 15–18; Edwards ECFR 2004, 416 (417–431); Johnston The Company Lawyer 25 (2004), 270; Skog EBLR 13 (2002), 301; Krause ZGR 2002, 500 (500–508); vgl. außerdem, jeweils bis zur Verabschiedung: Maul/Muffat-Jeandet AG 2004, 221 (223–225); Wiesner ZIP 2004, 343 (343 f.). „Übernahmeangebote und andere Angebote“, Kommissions-Dokument XI/56/74; dazu etwa Behrens ZGR 1975, 433; Bess AG 1976, 169 (206). Europäische Kommission Vollendung des Binnenmarktes – Weißbuch der Kommission

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an den Europäischen Rat, KOM (85) 310 endg., 34; dazu etwa Hopt ZIP 1998, 96 (97); Schön ZHR 160 (1996), 221 (222). In der Folge wurde bereits 1987 ein erster Vorentwurf (Kommissions-Dokument XV/63/87-DE) vorgelegt; zu diesem etwa Etzbach Die Regelung öffentlicher Übernahmeangebote, 2002, S. 121. Vorschlag vom 19.1.1989 für eine dreizehnte Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote, ABl. 1989 C 64/8; dazu Stellungnahmen ABl. 1990 C 38/41 (Europäisches Parlament), 1989 C 298/56 (Wirtschafts- und Sozialauschuss); und daraufhin geänderter Vorschlag vom 14.8.1990 für eine Dreizehnte Richtlinie des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote, ABl. 1990 C 240/7; dazu nochmals: Wirtschafts- und Sozialauschuss ABl. 1991 C 102/49. Zu diesen Entwürfen etwa Hopt Übernahmeangebote im europäischen Recht, FS Rittner 1991, S. 187 (195–209); Baums ZIP 1989, 1376; Berger ZIP 1991, 1644 (1651–1660); Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer Übernahmeangebote nach künftigem Europarecht und dessen Umsetzung in deutsches Recht, Übernahmeangebote, ZGR-Sonderheft 9 (1990), 179. Vorschlag vom 7.2.1996 für eine dreizehnte Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschafts-

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auf den letzten Metern (Stimmengleichheit im Parlament). Nicht zuletzt die deutsche Bundesregierung, die noch ein Jahr zuvor den Gemeinsamen Standpunkt befürwortet hatte,117 befürchtete unter dem Eindruck der Mannesmann-Übernahme das Fehlen eines level playing field, wenn Abwehrmaßnahmen verboten würden, dauerhafte Übernahmehindernisse hingegen zulässig blieben.118 Vorschläge einer daraufhin eingesetzten Hochrangigen Expertengruppe119 und die EuGH-Urteile zu Goldenen Aktien120 ebneten dann zwar schnell den Weg für einen neuen Kommissionsvorschlag vom 2.10.2002.121 Dieser Vorschlag fand aber erst die Zustimmung des Rates, nachdem die Regelungen zu den angesprochenen Streitfragen ins Belieben der Mitgliedstaaten gestellt worden waren. Trotz des Widerstands der Kommission gegen die Verwässerung wurde die Richtlinie am 30.4.2004 verabschiedet und war bis zum 20.5.2006 in nationales Recht umzusetzen (Art. 21 Abs. 1 ÜRL).122 In Deutschland erfolgte die Umsetzung mit dem Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz, das

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rechts über Übernahmeangebote, ABl. 1996 C 162/5, dazu Stellungnahmen ABl. 1997 C 222/20 (Europäisches Parlament), 1996 C 295/1 (Wirtschafts- und Sozialauschuss); und daraufhin geänderter (zweiter) Vorschlag vom 11.11.1997 für eine 13. Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote, ABl. 1997 C 378/10. Zu diesen Entwürfen etwa: Habersack/Mayer ZIP 1997, 2141; Hopt ZHR 161 (1997), 368 (379–393); Mülbert IStR 1999, 83; Neye DB 1996, 1121; Peltzer AG 1997, 145; Roos WM 1996, 2177; Schuster EuZW 1997, 237. Gemeinsamer Standpunkt der Kommission und des Rates, ABL. 2001 C 23/1; dazu Hopt Auf dem Weg zum deutschen Übernahmegesetz – Gemeinsamer Standpunkt des Rates zur 13. Richtlinie und Diskussionsentwurf des Übernahmegesetzes, FS Koppensteiner 2001, 61 (65–70); Krause NZG 2000, 905; Neye AG 2000, 289; Pötzsch/Möller WMSonderbeil. 2/2000, 1 (4–13). Zur Abstimmung stand Richtlinienvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote in der vom Vermittlungsausschuss am 6.6.2001 gebilligten Fassung, PE-CONS/2001/3629, abgedruckt in ZIP 2001, 1123 ff., der gegenüber dem Gemeinsamen Standpunkt noch in Einzelpunkten abgeändert worden war, nachdem das Parlament in einer legislativen Entschließung vom 13.12.2000 15 Änderungswünsche vorgetragen hatte, vgl. ABl. EG 2001 C 232/168; näher zu diesen Änderungen Neye ZIP 2001, 1120 (1221–1123); zu Gründen (und Folgen) des Scheiterns Pluskat WM 2001, 1937; Lehne Die 13. Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschafts-

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rechts betreffend Übernahmeangebote – gescheitert, aber dennoch richtungsweisend für das künftige europäische Übernahmerecht, in: Hirte (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, S. 32 (41–43). Vgl. Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten, Brüssel, vorgelegt am 10.1. 2002. Mitglieder der Expertengruppe waren Jaap Winter (Vorsitzender), Jan Schans Christensen, José Maria Garrido Garcia, Jonathan Rickford, Guido Rossi, Joëlle Simon und von deutscher Seite Klaus J. Hopt. Zum Abschlussbericht namentlich Hopt Australian Journal of Corporate Law 15 (2002), 1 (9–13); Wiesner ZIP 2002, 208. Zum Inhalt dieseer Urteile vgl. nur Grundmann/Möslein ZGR 2003, 317; zu ihrer Triebkraft für die ÜRL etwa Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn 954; Hopt Australian Journal of Corporate Law 15 (2002), 1 (13 f.). Vorschlag vom 2.10.2002 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote, ABl. 2003 C 45E/1 (=KOM(2002) 534 endg.); dazu Stellungnahmen ABl. 2003 C 208/55 (Wirtschafts- und Sozialausschuß) und Gutachten für das Europäische Parlament zu ÜRL-Entwurf 2002. Zu diesem Vorschlag: DaunerLieb DStR 2003, 555; dies./Lamadini BB 2003, 265; Seibt/Heiser ZIP 2002, 2193; Kallmeyer DB 2002, 2695; Krause BB 2002, 2341; Neye NZG 2002, 1144; Wiesner ZIP 2002, 1967; Zinser EuZW 2003, 10. Endgültige Verabschiedung der Richtlinie durch Beschluss des Rates vom 30.3.2004; zur Richtlinie etwa: Edwards ECFR 2004, 416; Kindler/Horstmann DStR 2004, 866; Krause BB 2004, 113; Maul NZG 2005,

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

allerdings verspätet, nämlich größtenteils zum 14.7.2006 in Kraft trat. Die in der Richtlinie selbst vorgesehene Revision123 führte zwar zu einer Überprüfung und einzelnen Reformvorschlägen (primär in Bezug auf das Pflichtangebot, namentlich gemeinsames Handeln von Aktionären sowie nationale Ausnahmespielräume),124 aufgrund politischer Widerstände aber nicht zu einer formellen Änderung des Rechtsakts.125 Stattdessen legte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde am 12.11.2013 einen unverbindlichen Leitfaden zur Zusammenarbeit von Aktionären und zum gemeinsamen Vorgehen zwischen Aktionären vor; er wurde im Rahmen eines Netzwerks mitgliedstaatlicher Aufsichtsbehörden (Takeover Bids Network) erarbeitet und soll institutionellen Aktionären erläutern, welche Möglichkeiten bestehen, im Vorfeld der Hauptversammlung mit anderen Investoren zu Zwecken der internen Corporate Governance in Kontakt zu treten, ohne übernahmerechtliche Pflichten auszulösen.126 Die Harmonisierungswirkung der Übernahmerichtlinie ist in mehrfacher Hinsicht be- 897 schränkt, was sich mit politischen Kompromisserfordernissen und – grundlegender – wiederum mit dem integrationspolitischen Zwiespalt im Schnittfeld von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsorganisationsrecht (soeben, Rn 896) erklären lässt, primärrechtlich aber erhebliche Bedenken weckt. Erstens ist der Angleichungseffekt beschränkt, weil zahlreiche Einzelregeln den Mitgliedstaaten umfangreiche Umsetzungsspielräume belassen, die teils auch Kernfragen betreffen. So sind beispielsweise Höhe und Berechnungsmodalitäten der Kontrollschwelle gem. Art. 5 Abs. 3 ÜRL nicht einheitlich definiert, obwohl das Eingreifen der Angebotspflicht, also eines der beiden zentralen Regelungsinstrumente, von ebendieser Schwelle abhängt.127 Während sich vergleichbare Umsetzungsspielräume auch ansonsten im europäischen Sekundärrecht finden (etwa in Form von Generalklauseln), sieht die Übernahmerichtlinie – zweitens – die Regelungen zu Abwehrmaßnahmen gar nicht erst

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151; dies./Muffat-Jeandet AG 2004, 221 (306); Seibt/Heiser ZGR 2005, 200; Wiesner ZIP 2004, 343. Näher zur Revisionsklausel in Art. 20 ÜRL: Krause BB 2004, 113 (119); Maul/MuffatJeandet AG 2004, 306 (317 f.). Vgl. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Anwendung der Richtlinie 2004/25/EG betreffend Übernahmeangebote, 28.6.2012, KOM 2012 (347) endg.; zu Grunde liegt diesem Bericht eine externe Studie von Marccus Partners in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Europäische Politische Studien (Juni 2012), Study on the Application of Directive 2004/25/EC on Takeover Bids, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/ company/docs/takeoverbids/study/study_en. pdf (zuletzt abgerufen am 3.8.2016). S. außerdem bereits den Umsetzungsbericht der Kommission vom 21.2.2007, SEC (2007) 268, endg., abrufbar unter: http://ec.europa. eu/internal_market/company/docs/takeover bids/2007–02-report_en.pdf (zuletzt abgerufen am 3.8.2016).

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Assmann/Pötzsch/Schneider Einl., Rn 130; Mukwiri European Company Law 12 (2015), 186. Allgemein zur Reformdiskussion: Hopt Europäisches Übernahmerecht: eine rechtsvergleichende, rechtsdogmatische und rechtspolitische Untersuchung, 2013; Hopt Stand der Harmonisierung der europäischen Übernahmerechte – Bestandsaufnahme, praktische Erfahrungen und Ausblicke, in: Mülbert/Kiem/Wittig (Hrsg.), 10 Jahre WpÜG: Entwicklungsstand – Praktische Erfahrungen – Reformbedarf – Perspektiven, 2011, S. 43; Seibt ZIP 2012, 1; McCahery/Vermeulen EBLR 22 (2011), 541; Tsagas International and Comparative Company Law Journal 10 (2013), 21. Information on shareholder cooperation and acting in concert under the Takeover Bids Directive, überarbeitete Fassung vom 20.6.2014 abrufbar unter: https://www. esma.europa.eu/sites/default/files/library/ 2015/11/2014–677.pdf (zuletzt abgerufen am 3.8.2016). Zum Hintergrund näher Assmann/Pötzsch/Schneider Einl., Rn 132 f. Dazu ausführlich etwa Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 221 (230). Nicht in die Berechnung einbezogen werden dürfen jeden-

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zwingend vor, sondern erklärt dieses zweite Zentralstück zu „freiwillige[n] Regelungen“: Neutralitätspflicht und Durchgriff (dazu ausführlich unten, Rn 977–979) brauchen die Mitgliedstaaten daher nicht verpflichtend vorzuschreiben, solange sie den einzelnen Gesellschaften nur die Möglichkeit einräumen, sich diesen Regeln zu unterwerfen (Optionsmodell, Art. 12 ÜRL).128 Drittens schließlich beschränkt die Übernahmerichtlinie ihre eigene Regelungswirkung ganz pauschal, indem sie in Art. 4 Abs. 5 ÜRL erlaubt, dass mitgliedstaatliche Regelgeber oder Aufsichtsbehörden von der Richtlinienvorgabe abweichen dürfen, sofern nur die in Art. 3 Abs. 1 ÜRL festgelegten allgemeinen Grundsätze eingehalten werden. Die Abweichungsbefugnis muss nicht einmal vom einzelstaatlichen Gesetzgeber abstrakt begrenzt werden, solange nur die zuständige Aufsichtsbehörde zur Begründung jeder Einzelfallausnahme verpflichtet ist.129 Eine inhaltlich bindende Vorgabe enthält also eigentlich nur ein einziger Absatz der Richtlinie, nämlich die allgemeinen Grundsätze des Art. 3 Abs. 1 ÜRL.130 898 Primärrechtlich ist zweifelhaft, ob Richtlinien überhaupt soviel „Umsetzungsfreiheit“ einräumen können.131 Erstens erscheint nämlich bereits fraglich, ob der formal richtige Rechtsakttypus gewählt wurde,132 weil Art. 249 Abs. 3 EG für Richtlinien Zielverbindlichkeit vorschreibt, während Empfehlung und Stellungnahme als unverbindliche Rechtsakte

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falls Papiere, die kein Stimmrecht verleihen (wenngleich vorgeschrieben werden darf, dass das Angebot auch solche Papiere erfassen muss), vgl. Erwägungsgrund 10. Zu beachten haben die Mitgliedstaaten zudem, dass Kontrollbegriff und Konzept gemeinsam handelnder Personen bereits anderweitig gemeinschaftsrechtlich vorgezeichnet sind (vgl. namentlich Art. 1 Abs. 1 lit. a) KonzernbilanzRL) und insoweit Ausstrahlungswirkung entfalten können, dazu Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn 966. Eingehend zum Optionsmodell Gatti EBOR 6 (2005), 553; Krause BB 2004, 113 (114–116); Maul NZG 2005, 151; Seibt/ Heiser ZGR 2005, 200 (231–236); Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 366–369. Näher Maul/Muffat-Jeandet AG 2004, 221 (229); Wiesner ZIP 2004, 343 (347); kritisch: Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 317–322; Mülbert NZG 2004, 633 (635 f.). Zur Entwurfsfassung, in der die Abweichungsbefugnis noch deutlich enger begrenzt war, Neye DB 1996, 1121 (1124). Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 319; ebenso Mülbert NZG 2004, 633 (635); ähnlich Maul/Muffat-Jeandet AG 2004, 221 (226). Der Richtliniengeber selbst hält die Wahl der Handlungsform der Richtlinie immerhin für rechtfertigungsbedürftig,

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vgl. Erwägungsgrund 26. In der Tat hatte nämlich Großbritannien eine bloße Empfehlung für vorzugswürdig gehalten, vgl. Neye ZIP 1997, 2172 (2172); dagegen mit Nachdruck („für das Gesellschaftsrecht […] ganz besonders ungeeignet“): Hopt ZHR 161 (1997), 368 (380); Schön ZHR 160 (1996), 221 (240). Ansatzweise in der Diskussion um den ÜRLEntwurf 1996: Hopt ZHR 161 (1997), 368 (408 f.); besonders kritisch: Roos WM 1996, 2177 (2178–2181) und Neye DB 1996, 1121 (1124) („Dieser Frage ist gemeinschaftsrechtlich bisher nicht vertieft nachgegangen worden“). Soweit die Ermächtigungsgrundlage keine bestimmte Handlungsform vorschreibt, besteht zwar grundsätzlich formelle Wahlfreiheit, die aber durch das Prinzip der Sachgerechtigkeit des Rechtsakttyps begrenzt wird, vgl. Grabitz Quellen des Gemeinschaftsrechts: Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane in: Kommission (Hrsg.) Dreissig Jahre Gemeinschaftsrecht, 1983, S. 91 (97). Daraus wird teils „eine Art Mittelhierarchie“ abgeleitet, d.h. ein grundsätzlicher Vorrang von Empfehlungen gegenüber Richtlinien: Calliess/Ruffert EUV/EGV, 5. Aufl. 2016, Art. 5 EUV, Rn 52; kritisch zu einer solchen Mittelhierarchie jedoch Pescatore Mit der Subsidiarität leben – Gedanken zu einer möglichen Balkanisierung der EG, FS Everling Bd. II 1995, S. 1071 (1072 f.) („immanenter Desintegrationseffekt“).

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

zur Auswahl stehen.133 Zweitens werden Erforderlichkeit und Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip in Zweifel gezogen,134 wenn der Richtliniengeber selbst eingesteht, dass praktisch alle Einzelregelungen wirksamer von Mitgliedstaaten (oder ihren Behörden) gestaltet werden können.135 Drittens verbürgen Regeln, von denen Mitgliedstaaten fast beliebig abweichen dürfen,136 umso weniger Rechtssicherheit und Transparenz bei grenzüberschreitenden Transaktionen, je schlechter die geltende Rechtslage von Marktteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten eingeschätzt werden kann.137 Wenn jedoch Binnenmarktziel (Erleichterung der grenzüberschreitenden Transaktion) und die von der Ermächtigungsgrundlage geforderte marktintegrative Wirkung (Koordinierung und Gleichwertigkeit der Schutzbestimmungen) praktisch außer Reichweite geraten, verliert der Rechtsakt seine innere Rechtfertigung.138 Von Harmonisierung kann dann nicht mehr ernsthaft die Rede sein.139 Immerhin spricht viel dafür, dass trotz dieser Abweichungsbefugnisse jeder Einzelfall, in dem ein Mitgliedstaat generell oder konkret hinter einer bestimmten Richtlinienvorgabe zurückbleibt, zumindest dem EuGH zur Kontrolle vorgelegt werden kann bzw. muss.140 133

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Zur Bindungswirkung von Richtlinien grundlegend Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, FS Ophüls 1965, S. 67; vgl. außerdem Scherzberg, Mittelbare Rechtsetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, 572. Zu den anderen beiden Handlungsformen überblicksweise vgl. nur Calliess/Ruffert EUV/ EGV, Art. 288 AEUV, Rn 95 f. Art. 5 Abs. 3 EUV; ähnlich im Grundsatz Hopt ZHR 161 (1997), 368 (379 f.); ders. International and Comparative Corporate Law Journal 1 (1999), 41 (48); vgl. auch Baums Zur Harmonisierung des Rechts der Unternehmensübernahmen in der EG, in: Rengeling (Hrsg.), Europäisierung des Rechts 1996, S. 91 (106–111). So explizit Erwägungsgrund 6 ÜRL. Vgl. Erwägungsgrund 25 ÜRL. Die Notwendigkeit der Verbindlichkeit und Publizität von Richtlinienvorgaben ebenfalls betonend: Hopt ZHR 161 (1997), 368 (408); Kainer, Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 2004, S. 275 f. Eigenes Ermessen will die Richtlinie den Mitgliedstaaten zweifelsohne gewähren, weil Art. 4 Abs. 5 UAbs. 2 ÜRL ausdrücklich vorsieht, dass die Umstände, unter denen vom Richtlinienregime abgewichen werden darf, „auf einzelstaatlicher Ebene“ festgelegt werden dürfen; vgl. demgegenüber die spezielle Abweichungsbefugnis in Art. 5 Abs. 4 UAbs. 2 ÜRL (Gegenleistung des Pflichtangebots), die Leitlinien vorgibt, aus denen sich auf europäischer Ebene zumindest Ermessensgrenzen entwickeln lassen. Hierzu jüngst (allerdings zurückhaltend): EuGH Urt. v. 20.7.2017 – Rs. C-206/16 Marco Tronchetti Provera SpA, ECLI:EU:C:2017:572.

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Das mitgliedstaatliche Ermessen muss nach Art. 4 Abs. 5 UAbs. 2 Alt. 2 ÜRL nicht vom nationalen Gesetzgeber ausgeübt werden, weil die Aufsichtsstelle ausdrücklich auch zur Berücksichtigung (gesetzlich unbenannter) besonderer Umstände ermächtigt werden darf. Dass Verwaltungspraxis und behördeninterne Verwaltungsvorschriften jedoch keine ausreichende Klarheit verbürgen, betont bereits Hopt ZHR 161 (1997), 368 (408). Vgl. die Ermächtigungsgrundlage Art. 44 Abs. 2 lit. g) EG (heute Art. 50 Abs. 2 lit. g) AEUV), auf den sich die ÜRL in Erwägungsgrund 1 stützt. Verfolgt werden müssen jedenfalls marktintegrative Ziele, vgl. dazu näher Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, S. 198 f. und 319, m.w.N., auch zu einer engeren Auffassung (nur Abbau von Niederlassungshemmnissen). Positiver KölnKomm-WpÜG/Hirte Einl. Rn 69 („niedriger Mindeststandard“); vgl. auch Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 14 („erheblicher Spielraum für abweichende Regelungen“). Für ein erstes Beispiel vgl. nochmals EuGH Urt. v. 20.7.2017 – Rs. C-206/16 Marco Tronchetti Provera Spa, ECLI:EU:C: 2017:582 (zu Art. 5 Abs. 4 ÜRL). Ähnlich bereits Neye AG 2000, 289 (292) („Man muß allerdings kein Prophet sein, um absehen zu können, daß die Reichweite dieser Regelung über kurz oder lang den EuGH beschäftigen dürfte“); vgl. außerdem Mülbert NZG 2004, 633 (635 f.). Obwohl der Wortlaut des Art. 4 Abs. 5 UAbs. 2 ÜRL Abweichungen nach unten ausdrücklich zulässt, darf aufgrund der potenziellen Primärrechts-

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6. Teil. Marktregeln

B. Anwendungsbereich, Angebotsarten und Kontrollschwelle Übersicht Rn I. Anwendungsbereich und Grundbegriffe, Grundsätze und Zuständigkeiten . . . . . 1. Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (§§ 1 und 2 WpÜG) . . a) Sachlicher Anwendungsbereich: Angebot, Wertpapiererwerb, Zielgesellschaft, Zulassung . . . . . . . b) Internationaler Anwendungsbereich: Sitz und Zulassung (mit Sondervorschrift zu grenzüberschreitenden Angeboten, § 24 WpÜG) . . . . . . 2. Allgemeine Grundsätze (§ 3 WpÜG) . . 3. Zuständigkeiten (§§ 4–9 WpÜG, mit Hinweis zu Abschnitten 5–9) . . . . . . II. Systematik der Erwerbsangebote . . . . . 1. Einfaches Erwerbsangebote (§§ 10–28 WpÜG) . . . . . . . . . . . .

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Rn 2. Übernahmeangebote (§§ 29–34 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtangebote (§§ 35–39 WpÜG) . . . a) Pflicht zur Veröffentlichung des Kontrollerwerbs gem. § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . b) Pflicht zur Abgabe eines Angebots gem. § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG . . . . III. Kontrollschwelle . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition (§ 29 WpüG) . . . . . . . . 2. Zurechnungstatbestände (§ 30 WpÜG) a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsbasierte Zurechnung (Abs. 1) c) Verhaltensbasierte Zurechnung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zurechnungsschranken . . . . . . .

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Im Einklang mit den Kategorien übernahmespezifischer Bankdienstleistungen und Rechtsfragen zielt diese Kommentierung nicht auf eine Gesamtdarstellung des Übernahmerechts bzw. des deutschen WpÜG, sondern auf eine lediglich überblicksweise Darstellung mit Vertiefung derjenigen rechtlichen Aspekte, die aus Sicht der Rechtsabteilung einer begleitenden Bank besonders relevant sind (vgl. bereits oben, Rdn. 11 f.). Bei der überblicksweisen Darstellung lassen sich wiederum zwei Themenbereiche unterscheiden, nämlich zum einen Regelungen, die den allgemeinen übernahmerechtlichen Rahmen bilden, indem sie einige grundlegende Kategorien definieren, und zum anderen Fragen, die den chronologischen Ablauf von Übernahmeverfahren betreffen. Zu dem allgemeinen Rahmen, der hier unter B. behandelt wird, zählen erstens Regelungen zu Anwendungsbereich und Grundbegriffen, allgemeinen Grundsätzen und Zuständigkeiten (unten I.), zweitens Bestimmungen zu den verschiedenen Arten von Erwerbsangeboten (unten II.), und drittens die Definition der Kontrollschwelle (einschließlich Zurechnungstatbestände, unten III.).

I. Anwendungsbereich und Grundbegriffe, Grundsätze und Zuständigkeiten 900

Regelungen zu Anwendungsbereich und Grundbegriffen, allgemeinen Grundsätzen und Zuständigkeiten finden sich in den ersten beiden Abschnitten des WpÜG, die §§ 1–9 WpÜG umfassen und die der Gesetzgeber mit „Allgemeine Vorschriften“ bzw. mit „Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“ betitelt. Während die Zuständigkeitsvorschriften jenes zweiten Abschnitts (§§ 4–9 WpÜG) hier nur komprimiert behandelt werden (unten 3.), verdienen die Normen zu Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (§§ 1–2 WpÜG) und zu den allgemeinen Grundsätzen (§ 3 WpÜG) jeweils einen separaten Abschnitt (unten 1. bzw. 2.).

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1. Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (§§ 1 und 2 WpÜG). Die ersten beiden Normen des WpÜG greifen eng ineinander, weil die Bestimmungen zum Anwenwidrigkeit dieser Norm nicht auf eine Vorlage verzichtet werden, da die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts unter diesen Umständen nicht „derart offenkundig

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[ist], daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt“ (acte-clair-Doktrin), vgl. EuGH Urt. v. 6.10.1982 – Rs. 283/81 CILFIT, Slg. 1982, 3415, Rn 16.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

dungsbereich in § 1 WpÜG vielfach auf die Definitionsnormen in § 2 WpÜG rekurrieren (etwa: „Angebote“ gem. Abs. 1, „Wertpapiere“ gem. Abs. 2 und „Zielgesellschaften“ gem. Abs. 3). Gemeinsam definieren diese beiden Vorschriften die Reichweite des WpÜG in sachlicher, funktioneller und territorialer Hinsicht.141 Gleichwohl hat § 1 WpÜG durchaus auch eigenständige Bedeutung, insbesondere weil die Norm mit dem Erfordernis der Zulassung der von einem Angebot betroffenen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt eine zusätzliche, über § 2 WpÜG hinausgehende Anwendungsvoraussetzung statuiert.142 Allgemein regelt § 1 WpÜG den sachlichen sowie auch den internationalen Anwendungsbereich des WpÜG, während sich der persönliche Anwendungsbereich aus den jeweiligen Einzelvorschriften des Gesetzes ergibt.143 Der zeitliche Anwendungsbereich folgt schließlich aus Art. 12 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20.12.2001 (Inkrafttreten am 1.1.2002),144 mit einzelnen, inzwischen zeitlich überholten Präzisierungen in den Übergangsvorschriften in § 68 WpÜG.145 a) Sachlicher Anwendungsbereich: Angebot, Wertpapiererwerb, Zielgesellschaft, Zulassung. Gem. § 1 Abs. 1 findet das WpÜG Anwendung auf „Angebote zum Erwerb von 902 Wertpapieren, die von einer Zielgesellschaft ausgegeben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind“. Diese – teils als inhaltsleer, teils als zirkulär kritisierte – Formulierung stellt immerhin klar, dass die Anwendung des Übernahmerechts nicht vom Kontrollerwerb, sondern von der Abgabe eines (öffentlichen) Angebots abhängt. Damit folgt der Gesetzgeber im Einklang mit der Richtlinienvorgabe einem formalen, nicht funktionalen Konzept.146 Nach den Überlegungen zu den Schutzinteressen (oben, Rn 886–890) und auch rechtsvergleichend ist dies keineswegs selbstverständlich: Immerhin folgte der englische City Code vor Umsetzung der Übernahmerichtlinie einer gegenteiligen Konzeption, indem er an den Kontrollerwerb anknüpfte und damit beispielsweise auch Umwandlungen, bestimmte Formen vertraglicher Unternehmensverbindungen und gerichtlich angeordnete Restrukturierungsmaßnahmen erfasste.147 Nach geltendem deutschen Recht greifen übernahmerechtliche Mechanismen dagegen weder bei jedem Kontrollwechsel noch setzen sie umgekehrt einen Kontrollwechsel voraus; nicht jedes öffentliche Angebot führt nämlich zwingend zur Kontrollerlangung oder auch nur zur Verstärkung einer Kontrollposition.148 § 1 Abs. 1 WpÜG stellt eben auf Angebote ab, und § 2 141 142

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Ähnlich etwa Hopt ZHR 166 (2002), 383 (393–399). Ebenso Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 1 WpÜG Rn 1; MünchKommAktG/ Wackerbarth § 1 WpÜG Rn 2. Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 1 WpÜG Rn 4; ähnlich MünchKommAktG/ Wackerbarth § 1 WpÜG Rn 1. BGBl. I 2001, 3822. Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 1 WpÜG Rn 5. Zur Gegenüberstellung näher, auf breiter rechtsvergleichender Basis: Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 471–480; prägnant außerdem Baum AG 2003, 144 (145–150). Näher wiederum Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen

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Verband, 2007, S. 477 f. Zur funktionalen Begründung bereits dezidiert Davies The Regulation of Takeovers and Mergers, 1976, S. 21: „From the point of view of government concern at the possible consequences of such transactions for the efficient conduct of the enterprises involved, however, it makes little difference in what particular way the enterprises are brought under common ownership or control.“; ähnlich Johnston The City Take-Over Code, 1980, S. 153 (funktionale Austauschbarkeit). Dieser Ansatz entspricht freilich einer breiten kontinentaleuropäischen Tradition, vgl. nochmals Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 472–477. Pointiert betont dies beispielsweise der österreichische Verfassungsgerichtshof: „Daß das Gesetz als

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6. Teil. Marktregeln

Abs. 1 WpÜG definiert diesen Begriff als freiwillige oder verpflichtende „öffentliche Kaufoder Tauschangebote zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft“.149 Der Begriff des Angebots soll nach herrschender Ansicht der bürgerlich-rechtlichen Definition entsprechen;150 die invitatio ad offerendum ist jedenfalls in § 17 WpÜG ausdrücklich untersagt. Andererseits ist das tatsächliche Vorliegen eines Angebots keine Anwendungsvoraussetzung, weil mithin auch Sachverhalte im Zusammenhang mit potentiellen Angeboten geregelt werden (vgl. auch § 10 Abs. 1 WpÜG, der zur Veröffentlichung der bloßen Entscheidung zur Angebotsabgabe verpflichtet).151 Wie in den vielen anderen Rechtsordnungen ist das Merkmal „öffentlich“ ganz bewusst nicht gesetzlich definiert.152 Nach überwiegender Ansicht kommt es vor allem auf die Größe des angesprochenen Personenkreises an; Standardisierung bzw. Verhandelbarkeit der Vertragsbedingungen spielen demgegenüber eine untergeordnete Rolle.153 Indem mit öffentlichen Angeboten jedenfalls nur eine bestimmte Form des Wertpapiererwerbs erfasst wird, stellt der Gesetzgeber nicht zuletzt außer Frage, dass das Gesetz (anders als sein Name vermuten lassen könnte) nicht auf jeden solchen Erwerb Anwendung findet und zudem weder den schuldrechtlichen Kauf noch die dingliche Übertragung noch die wirtschaftsverwaltungsrechtliche Beaufsichtigung solcher Erwerbsvorgänge umfassend regelt.154 Stattdessen greift das WpÜG nur einen Teilausschnitt an Erwerbsvorgängen heraus, für den es bestimmte Verfahrensvorgaben macht. 903 Nichtsdestotrotz muss das öffentliche Angebot nach dem Gesetzeswortlaut auf den „Erwerb von Wertpapieren“ (§ 1 Abs. 1 WpÜG) gerichtet sein; erfasst sind gem. § 2 Abs. 1 WpÜG „Kauf- und Tauschangebote“. Nach dieser zweiten Formulierung kommt es nicht darauf an, ob sich das Angebot auf den dinglichen Erwerb (Übereignung) richtet, sondern

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‚Übernahmegesetz‘ bezeichnet ist und unter Übernahme im gegebenen Zusammenhang nach dem üblichen Sprachgebrauch nur der Wechsel der Kontrolle über eine Aktiengesellschaft verstanden wird, gibt dabei für die Lösung der Auslegungsfrage schon deswegen nichts her, weil das ÜbG in Teil 2 unzweifelhaft auch Angebote erfasst (und als Übernahmeangebote bezeichnet), bei denen es zu einem solchen Kontrollwechsel hinsichtlich der Zielgesellschaft nicht kommt.“, VfGH 12.12.2000, B 2010/99=RdW 2001, 216. Ganz ähnlich für die Schweiz Empfehlung der Übernahmekommission, Zurich Allied AG, 12.6.1998, Erw. 1 („The scope of the takeover rules is not limited to transactions which may lead to a shift of control over the offeree“). Dazu im Überblick: Fleischer ZIP 2001, 1653 (1653–1655); Assmann/Pötzsch/ Schneider/Favoccia § 2 WpÜG Rn 5–9; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 2 Rn 11 f.; MünchKommAktG/Wackerbarth § 2 WpÜG Rn 5–9. Vgl. statt aller Assmann/Pötzsch/Schneider/ Favoccia § 2 WpÜG, Rn 6; KölnKommWpÜG/Versteegen § 2 Rn 26–34.

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Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 1 WpÜG Rn 24; vgl. ferner KölnKommWpÜG/Versteegen § 1 Rn 26; MünchKommAktG/Wackerbarth § 1 WpÜG Rn 4. RegE WpÜG, 33; kritisch vor allem: Baum AG 2003, 144 (145); KölnKomm-WpÜG/ Versteegen § 2 Rn 48 f; positiver: Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (393); Assmann/ Pötzsch/Schneider/Favoccia § 2 WpÜG Rn 25–36. Rechtsvergleichender Überblick bei Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 473 f. Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 2 WpÜG, Rn 31 f.; FrankfKommWpÜG/ Schüppen § 2 WpÜG Rn 11 f.; ähnlich im Ergebnis der funktionale Ansatz bei Fleischer ZIP 2001, 1653 (1658–1660); etwas anders (keine individuelle Kommunikation): KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 2 Rn 55–63; auf die Bieterperspektive fokussierend: MünchKommAktG/Wackerbarth § 2 WpÜG Rn 12–18. MünchKommAktG/Wackerbarth § 1 WpÜG Rn 3.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

es reicht aus, dass es auf Abschluss des schuldrechtlichen Grundgeschäfts zielt; in der Praxis freilich fällt – trotz Abstraktionsprinzip – meist beides zusammen.155 Im Übrigen bilden diese beiden Begriffe keine strenge schuldvertragsrechtliche Begrenzung, so dass ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Qualifikation beispielsweise auch Kapitalerhöhungen gegen Sacheinlage Erwerbsangebote darstellen können.156 Letztlich ist das Ziel maßgeblich, Wertpapiere im Austausch gegen eine geldwerte Gegenleistung zu erwerben. Ob auch Angebote zum Rückerwerb eigener Aktien dem WpÜG unterliegen, ist äußerst umstritten, weil Wortlaut und teils auch Regelungszwecke zwar für eine Einbeziehung streiten, in systematischer Perspektive das WpÜG aber ersichtlich auf einer Personenverschiedenheit von Bieter und Zielgesellschaft basiert und ferner bereits das Aktienrecht dem Schutzbedürfnis der Aktionäre Genüge tut (vgl. § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG; ferner § 53a AktG).157 Die – für Auslegungsfragen nicht letztentscheidende – Aufsichtspraxis änderte sich im Jahr 2006, als die BaFin unverhofft und ohne Begründung ankündigte, das WpÜG künftig nicht mehr auf Rückerwerbsangebote anzuwenden.158 Letztlich illustrieren diese Anwendungsfragen die Abstimmungsschwierigkeit zwischen formaler Abgrenzung des Angebotsbegriffes und übernahmerechtlichem Regelungsanliegen, weil ein Rückerwerb jedenfalls keinen Kontrollwechsel nach sich ziehen kann.159 Der Begriff des Wertpapiers schließlich umfasst gem. § 2 Abs. 2 WpÜG Aktien und vergleichbare, die Mitgliedschaft verkörpernde Wertpapiere (Nr. 1), aber auch Derivate, die ein Recht zum Erwerb solcher Mitgliedschaftsrechte verbriefen (Nr. 2).160 Diese Anknüpfung an Mitgliedschaftsrechte bedeutet eine erhebliche Eingrenzung, weil insbesondere Angebote zum Erwerb von Genussscheinen oder Schuldverschreibungen von vorneherein nicht erfasst sind.161 Umgekehrt muss das Angebot keineswegs auf stimmberechtigte Anteile zielen, was wiederum den formalen, nicht funktionalen Ansatz des Gesetzes belegt (vgl. Rn 902).162 Diese Wertpapiere müssen weiterhin „von einer Zielgesellschaft ausgegeben“ worden 904 sein (§ 1 Abs. 1 WpÜG). Dieses Abgrenzungskriterium gewinnt wiederum erst in der Zu155

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Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 2 WpÜG Rn 19; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 2 Rn 38. Vgl. Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 2 WpÜG Rn 23; zur zivilrechtlichen Qualifikation einerseits KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 2 Rn 41 (Vertrag sui generis); andererseits Baums/Thoma/Hecker § 2 Rn 6 (Tauschvertrag). Für eine Anwendung vor allem Fleischer/ Körber BB 2001, 2589 (2592 f.); Oechsler NZG 2001, 817 (818 f.); Hopt ZHR 166 (2002), 383 (393); Lenz/Linke AG 2002, 420 (421); Paefgen ZIP 2002, 1509 (1513 f.); MünchKommAktG/Wackerbarth § 2 WpÜG Rn 23–41; dagegen jedoch: Assmann/ Pötzsch/Schneider/Favoccia § 2 WpÜG, Rn 38–42 (anders noch 1. Aufl., Rn 37–73); Baum ZHR 167 (2003), 580 (bes. 588 f.); Baums/Stöcker FS Wiedemann, 703 (704–716); Berrar/Schnorbus ZGR 2003, 59 (68–86); Koch NZG 2003, 61 (64 f.); KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 2 Rn 64. Bekanntmachung vom 9. August 2006, https://www.bafin.de/SharedDocs/Ver

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oeffentlichungen/DE/Auslegungsentschei dung/WA/ae_060809_rueckerwerb.html; zur vorangegangenen, gegenläufigen Aufsichtspraxis Lenz/Linke AG 2002, 420 (421 f.). Näher etwa Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 2 WpÜG Rn 39. Ausführlich: Assmann/Pötzsch/Schneider/ Favoccia § 2 WpÜG Rn 50–56; KölnKommWpÜG/Versteegen § 2 Rn 86–99; MünchKommAktG/Wackerbarth § 2 WpÜG Rn 43–47; vgl. auch Angerer/Geibel/Süßmann, § 1 Rn 38–45. Vgl. RegE WpÜG, 34 („die ein Mitgliedschaftsrecht verkörpern“); ähnlich etwa Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 2 WpÜG Rn 51; KölnKomm-WpÜG/Versteegen, § 2 Rn 92. Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 2 WpÜG Rn 50; Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 59 f.; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 2 Rn 89.

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6. Teil. Marktregeln

sammenschau mit § 2 WpÜG einen gewissen Gehalt, nach dessen Abs. 3 Zielgesellschaften entweder „Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften mit Sitz im Inland“ (Nr. 1) oder „Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums“ (Nr. 2) sind. Eine echte Begriffsbestimmung leisten diese beiden Formulierungen jedoch allenfalls implizit, indem sie andeuten, dass die Zielgesellschaft diejenige Gesellschaft ist, auf deren Wertpapiere sich das fragliche (potenzielle) Angebot bezieht.163 Sie bezwecken insofern primär eine Eingrenzung, und zwar in sachlicher wie auch in internationaler Hinsicht (zu diesem zweiten Aspekt Rn 906). Den sachlichen Anwendungsbereich allerdings beschränkt § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG in Wahrheit nicht, weil Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften (auf Aktien) – sowie Europäische Aktiengesellschaften, die über Art. 9 SE-VO mit einbezogen sind – ohnehin die einzigen (deutschen) Gesellschaftsformen sind, deren Mitgliedschaftsrechte „zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen“ sein können (zu diesem Kriterium sogleich, Rn 905).164 Entsprechend macht es auch keinen inhaltlichen Unterschied, dass jene rechtsformbezogene Einschränkung in Nr. 2 nicht enthalten ist, weil auch ausländische Zielgesellschaften nur dann dem Gesetz unterliegen, wenn ihre Anteile an einem (inländischen) organisierten Markt zulassungsfähig sind – was wiederum eine der Aktiengesellschaft vergleichbare ausländische Rechtsform voraussetzt.165 Ob inländische Gesellschaften ausländischer Rechtsform, die auf Grund der Rechtsprechung des EuGH „als solche“ Anerkennung finden,166 dem Gesetz unterliegen, ist primär eine Frage des internationalen Anwendungsbereichs: Nur wenn man insoweit – entgegen der h.M. – auf den Verwaltungs- und nicht auf den Satzungssitz abstellt (dazu sogleich, Rn 907), stellt sich die Frage, ob solche Gesellschaften in sachlicher Hinsicht bereits vom Wortlaut von § 2 Nr. 1 WpÜG erfasst sind, weil deren ausländische Bezeichnungen dem deutschen Begriff der Aktiengesellschaft entsprechen, oder ob das WpÜG aus den vorgenannten teleologischen Erwägungen zumindest entsprechend auf sie Anwendung finden muss.167 905 Die betreffenden Wertpapiere müssen schließlich „zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen“ sein (§ 1 Abs. 1 WpÜG a.E.). Was unter einem organisierten Markt zu verstehen ist, ergibt sich wiederum aus § 2 WpÜG; dessen Abs. 7 rekurriert einerseits auf den Begriff des regulierten Marktes im Sinne von §§ 32 ff. BörsG und andererseits auf den Begriff des geregelten Marktes im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 a.F. RL 2004/39/EG (MiFID I), der inzwischen freilich – ohne inhaltliche Änderung – durch Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 RL 2014/65/EU (MiFID II) ersetzt ist. Welche Märkte gemeint sind, ist gem. Art. 56 MiFID II jedenfalls einem laufend aktualisierten Verzeichnis zu entnehmen, das auf der Webseite der European Securities and Market Authority (ESMA) abrufbar ist.168 Nicht zum Anwen-

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Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 2 WpÜG Rn 57; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 2, Rn 104. KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 2, Rn 103; vgl. außerdem MünchKommAktG/Wackerbarth § 2 WpÜG Rn 11 (mit Hinweis auf die teils gleich-, teils gegenläufige Behandlung von REIT- bzw. Investmentaktiengesellschaften). KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 2 Rn 103; ähnlich MünchKommAktG/Wackerbarth § 2 WpÜG Rn 12. EuGH, Urt. v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 Überseering, Slg. 2002, I-9919; BGH NJW 2005, 1648.

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Für direkte Anwendung MünchKommAktG/ Wackerbarth § 1 WpÜG Rn 13; analoge Anwendung zumindest erwägend Oechsler NZG 2001, 817; gegen die (sachliche) Anwendung hingegen Assmann/Pötzsch/ Schneider/Favoccia § 2 WpÜG, Rn 67; Baums/Thoma/Hecker § 2 Rn 87–92; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 2 Rn 112; Schwark/Zimmer/Noack § 2 WpÜG Rn 23; vgl. ferner Angerer/Geibel/Süßmann § 1 WpÜG Rn 52 f. https://registers.esma.europa.eu/publication/ searchRegister?core=esma_registers_mifid_ rma; vgl. außerdem MünchKommAktG/ Wackerbarth § 1 WpÜG Rn 30.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

dungsbereich gehört demgegenüber insbesondere der privatrechtlich organisierte inländische Freiverkehr (§ 48 BörsG).169 Diese Einschränkung entspricht – trotz ansonsten vergleichbarem Schutzbedürfnis – der üblichen, für die Marktteilnehmer erkennbaren Differenzierung segmentspezifisch unterschiedlicher Schutzniveaus.170 Da der Wortlaut alleine auf die Zulassung abstellt, ist unerheblich, ob die betreffenden Wertpapiere auf dem fraglichen Markt tatsächlich gehandelt werden.171 Die Einführung gem. § 38 BörsG spielt mithin ebenso wenig eine Rolle wie eine vorübergehende Aussetzung von Börsenhandel oder -notierung.172 Die Anwendbarkeit des WpÜG endet erst mit Widerruf der Zulassung gem. § 39 BörsG (Delisting), der seit der jüngsten Neuregelung von 2015 gem. Abs. 2 Nr. 1 indessen seinerseits regelmäßig ein öffentliches Angebot voraussetzt.173 Sind Wertpapiere eines Emittenten schließlich nur teilweise zugelassen, so findet das WpÜG auf (freiwillige) Angebote Anwendung, die sich zumindest auch auf die zugelassenen Wertpapiere beziehen; andere, auf nicht zugelassene Wertpapiere beschränkte Angebote können die Angebotspflicht gem. WpÜG auslösen, sofern sie zum Kontrollerwerb führen.174 Daher ist beispielsweise denkbar, dass der Erwerber nicht zugelassener Stimmrechtsaktien ein Pflichtangebot auf zugelassene, stimmrechtslose Vorzugsaktien abgeben muss.175 b) Internationaler Anwendungsbereich: Sitz und Zulassung (mit Sondervorschrift zu grenzüberschreitenden Angeboten, § 24 WpÜG). Die beiden letztgenannten Kriterien, 906 Zielgesellschaft und Marktzulassung (vgl. soeben, Rn 902 f.), grenzen nicht nur den sachlichen, sondern auch den internationalen Anwendungsbereich des WpÜG ein. Dies lässt sich freilich wiederum nicht § 1 Abs. 1 WpÜG selbst entnehmen, sondern erst den entsprechenden Begriffsbestimmungen in § 2 WpÜG. Die wesentlichen Anknüpfungspunkte für die internationale Anwendbarkeit des WpÜG (jedoch nicht notwendig auch für das Statut der schuldrechtlichen Erwerbsverträge zwischen Bieter und Angebotsadressaten!) sind demnach der Sitz der Zielgesellschaft und der Ort, an dem ihre Wertpapiere zugelassen sind. Wohnsitz bzw. Staatsangehörigkeit der Angebotsadressaten – oder gar des Bieters – sind demgegenüber unerheblich. Was zum einen den Sitz angeht, findet das WpÜG sowohl auf Gesellschaften mit Sitz 907 im Inland (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG auch auf Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (Nr. 2) Anwendung. Allerdings regelt das Gesetz nicht, ob es insoweit auf den Satzungs- oder auf den Verwaltungssitz ankommt. Praktisch relevant wird diese Unterscheidung vor allem, wenn eine Zielgesellschaft, deren Anteile zum Handel an einem organisierten Markt in Deutschland zugelassen sind, nach dem Recht eines Staates außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums gegründet worden ist, ihren Verwaltungssitz unter Beibehaltung der ausländischen Rechtsform aber nach Deutschland verlegt hat – was insbesondere bei US-amerikanischen Gesellschaften kolli-

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Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 1 WpÜG Rn 31; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 1 Rn 41. Ebenso KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 1 Rn 41; krit. jedoch MünchKommAktG/Wackerbarth § 1 WpÜG Rn 27. Gleichsinnig außerdem BT-Drs. 14/7034, S. 35 (Begr. RegE zu § 2 Abs. 7). Ähnlich Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 1 WpÜG Rn 32; Angerer/Geibel/Süßmann § 1 WpÜG Rn 60; KölnKommWpÜG/Versteegen § 1 Rn 42.

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Zur Neuregelung Bungert/LeyendeckerLangner ZIP 2016, 49; Gegler BKR 2016, 273; Harnos ZHR 179 (2015), 750; Hasselbach/Pröhl NZG 2015, 209; Kocher/Seiz DB 2016, 153; Wackerbarth WM 2016, 385; zur Reformdiskussion vgl. außerdem Bayer ZIP 2015, 853; Koch/Harnos NZG 2015, 729. Ausführlich Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 1 WpÜG Rn 34–37; Angerer/Geibel/Süßmann § 1 WpÜG Rn 68–89. Krause NJW 2004, 3681 (3682); KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 1 Rn 44.

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sionsrechtlich möglich ist. Wurde die fragliche Gesellschaft (bei ansonsten gleicher Konstellation) nach ausländischem Recht, aber innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums gegründet, kommt das WpÜG zwar jedenfalls zur Anwendung. Die genannte Unterscheidung spielt aber dennoch zumindest eine gewisse Rolle, weil gem. § 2 Abs. 1a WpÜG die Sonderregeln gem. § 1 Abs. 3 und § 11a WpÜG gelten, sofern der Anwendungsbereich über § 2 Abs. 3 Nr. 2 (und nicht über Nr. 1) WpÜG eröffnet ist.176 Ein Gleichlauf des übernahmerechtlichen Sitzbegriffs mit international-gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen erscheint keineswegs zwingend177 und ist auch im Lichte der Grundfreiheitenrechtsprechung des EuGH nicht geboten, weil es hier weder um Anerkennungsfragen noch um eine Überlagerung ausländischer Gesellschaften mit inländischem Gesellschaftsrecht geht.178 Entsprechend kann man – im Einklang mit der h.M. – ausschließlich auf das Bestehen eines inländischen Satzungssitzes, nicht auf die Belegenheit der Verwaltung abstellen.179 Diese Anknüpfungsregel lässt sich mit historischen und systematischen Argumenten sowie mit Praktikabilitätserwägungen begründen.180 Sie entspricht überdies dem Wortlaut von § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG, der von einem Gleichlauf von inländischem Sitz und deutscher Rechtsform („Aktiengesellschaft“) ausgeht. Nicht zuletzt erscheint diese Auslegungsregel auch mit der maßgeblichen Richtlinienvorgabe vereinbar.181 Folglich findet das WpÜG auf die exemplarisch genannte US-amerikanische Gesellschaft keine Anwendung; für die „EWR-ausländische“ Gesellschaft gilt es nur eingeschränkt.182 908 Was zum anderen den Ort angeht, an dem die Wertpapiere der Zielgesellschaft zugelassen sind, ergibt sich aus § 1 Abs. 1 i.V.m § 2 Abs. 7 WpÜG eine räumliche Beschränkung, weil „organisierte Märkte“ demnach nur Märkte innerhalb des Europäischen Wirt-

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Ausführlich zum sog. „Europäischen Angebot“ gem. § 2 Abs. 1a WpÜG: Assmann/ Pötzsch/Schneider/Favoccia § 2 WpÜG Rn 43–45; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 2 Rn 76–78; MünchKommAktG/Wackerbarth § 2 WpÜG Rn 42. So setzte die Anwendbarkeit des City Code früher beispielsweise inländische „residence“ voraus, was im Gegensatz zum englischen Gesellschaftskollisionsrecht sowohl Inkorporation als auch Geschäftsleitung im Inland erforderte, vgl. Ogowewo The Company Lawyer 23 (2002), 216 (216 f.) und pointiert der Diskussionsbeitrag von Lee Takeover Regulation in the United Kingdom in: Institut für europäisches und internationales Wirtschafts- und Sozialrecht (Hrsg.) Erwerb von Beteiligungen am Beispiel der öffentlichen Übernahmeangebote, 1990, 660 („We have learnt that it is crazy to bite off more than we can chew.“); etwas ausführlicher Lee. Takeovers – The UK experience, in: Farrar (Hrsg.), Takeovers, Institutional Investors and the Modernization of Corporate Laws, 1993, 192 (195). Ähnlich Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 2 WpÜG Rn 69; Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 497.

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So vor allem Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 2 WpÜG Rn 68–72; Angerer/Geibel/Süßmann § 1 WpÜG, Rn 51; FrankfKommWpÜG/Schüppen § 2 WpÜG Rn 35; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 2 Rn 112 f.; Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 496 f.; Steinmeyer Der übernahmerechtliche Sitzbegriff, FS Immenga, 743 (745–749); aA v. Hein AG 2001, 213 (231); i. Erg. wohl auch MünchKommAktG/ Wackerbarth § 1 WpÜG Rn 16 f., 24 (für einen eigenständigen übernahmerechtlichen Sitzbegriff). Dazu im einzelnen: Assmann/Pötzsch/ Schneider/Favoccia § 2 WpÜG Rn 69; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 2 Rn 112; Steinmeyer FS Immenga, 743 (747 f.). Zu dieser Richtlinienvorgabe näher Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 316 f. Wie hier Schwark/Zimmer/Noack/Holzborn § 2 WpÜG Rn 20; anders offenbar MünchKommAktG/Wackerbarth § 1 WpÜG Rn 17 f. Ähnlich etwa Schwark/Zimmer/Noack/ Holzborn § 2 WpÜG Rn 20.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

schaftsraums sein können. Zielgesellschaften, deren Anteile ausschließlich außerhalb dieses Wirtschaftsraums zum Handel zugelassen sind (etwa an einer US-amerikanischen Börse), unterliegen dem WpÜG daher nicht.183 Besteht eine Zulassung innerhalb des EWR, findet das WpÜG demgegenüber grundsätzlich Anwendung. Ebenso wie im Fall eines EWR-ausländischen (Satzungs-)Sitzes (hierzu soeben, Rn 907) gelten bei einer Zulassung im EWRAusland jedoch wiederum Sonderregeln, die auf Richtlinienvorgaben beruhen und gem. § 1 Abs. 4 WpÜG durch die WpÜG-Anwendungsverordnung konkretisiert werden. Sofern diese Zulassung ausschließlich im EWR-Ausland besteht, sieht § 1 Abs. 2 WpÜG – der insoweit ausschließlich auf die stimmberechtigten Aktien abstellt184 – eine nur partielle Anwendung des deutschen Übernahmerechts vor, nämlich nur, „soweit es die Kontrolle, die Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots und hiervon abweichende Regelungen, die Unterrichtung der Arbeitnehmer der Zielgesellschaft oder des Bieters, Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft, durch die der Erfolg eines Angebots verhindert werden könnte, oder andere gesellschaftsrechtliche Fragen regelt“. Die genannte Verordnung will hieraus die Anwendbarkeit von §§ 1–9, 29 f., 30, 33–33d, 34, 35 (teilweise), 36 bis 39c und 40–68 WpÜG ableiten, was aber auf Kritik stößt, vor allem, weil nicht jede dieser Vorschriften gesellschaftsrechtlicher Natur ist.185 In Zweifelsfällen kommt es nicht auf die Verordnung, sondern auf das höherrangige Recht an, nämlich auf den Wortlaut von § 1 Abs. 2 WpÜG, der seinerseits richtlinienkonform auszulegen ist. Praktisch sind die genannten Vorschriften freilich bislang mangels entsprechender Fallkonstellationen nicht relevant geworden.186 Eine zweite Sonderregel sieht § 1 Abs. 5 WpÜG schließlich für Konstellationen mit „doppeltem“ EWR-Auslandsbezug vor, nämlich für Fälle EWR-ausländischer Zielgesellschaften, deren stimmberechtigte Anteile sowohl in Deutschland als auch im EWR-Ausland, nicht jedoch im jeweiligen Sitzstaat zugelassen sind (Beispiel: Gesellschaft französischen Rechts mit Zulassung in Deutschland und Luxemburg). Bei solcher Mehrfachzulassung außerhalb des Sitzstaates überlässt § 1 Abs. 5 der Zielgesellschaft selbst die Entscheidung über die zuständige Aufsichtsstelle; zugleich verpflichtet die Vorschrift zur Ausübung dieser Wahl und statuiert entsprechende Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten.187 In engem Zusammenhang mit diesen kollisionsrechtlichen Vorschriften steht die Rege- 909 lung in § 24 WpÜG zu grenzüberschreitenden Angeboten, die ihrerseits jedoch nicht kollisions-, sondern materiell-rechtlicher Natur ist.188 Sie entscheidet nicht über den internationalen Anwendungsbereich des WpÜG, sondern betrifft Konstellationen, in denen die Übernahmerechte mehrerer Staaten zugleich Anwendung finden. Solche Konstellationen sind denkbar, weil ausländische Übernahmerechte außerhalb des Europäischen Wirt-

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Ebenso MünchKommAktG/Wackerbarth § 1 WpÜG Rn 26. Sind beispielsweise lediglich stimmrechtslose Vorzugsaktien zum Handel – außerhalb Deutschlands – zugelassen, so greift die Vorschrift nicht ein: Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 1 WpÜG Rn 39; MünchKommAktG/Wackerbarth § 1 WpÜG Rn 31. Näher Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 1 WpÜG Rn 41 f.; Angerer/Geibel/Süßmann § 1 WpÜG Rn 111–118; KölnKommWpÜG/Versteegen § 1 Rn 52–54; MünchKommAktG/Wackerbarth § 1 WpÜG Rn 32.

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Es gibt offenbar schlicht keine deutschen Gesellschaften, deren Aktien ausschließlich im EWR-Ausland zum Handel zugelassen sind, so jedenfalls Van Kann/Just DStR 2006, 328 (328); Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 1 WpÜG Rn 43. Ausführlich Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 1 WpÜG Rn 51–54; KölnKommWpÜG/Versteegen § 1 Rn 62 f. von Hein ZGR 2005, 528 (543); Assmann/ Pötzsch/Schneider/Rosengarten § 24 WpÜG Rn 5; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 24 Rn 3.

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schaftsraums mangels Vereinheitlichung des internationalen Übernahmekollisionsrechts unter Umständen andere Anknüpfungskriterien definieren als die skizzierten Vorschriften des (harmonisierten) deutschen Rechts.189 Als Folge kann sich eine kumulative Anwendung in- und ausländischen Übernahmerechts ergeben,190 die aufgrund der Doppelung möglicherweise kollidierender Pflichten insbesondere für den Bieter problematisch erscheint. Aus diesem Grund regelt § 24 WpÜG die Möglichkeit, Erwerbsangebote zu beschränken, indem „bestimmte Inhaber von Wertpapieren mit Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichem Aufenthalt“ in dem betreffenden Staat außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums vom Angebot ausgenommen werden. Da solche Beschränkungen, die bereits vor Erlass des WpÜG in Form entsprechender Ausschlusserklärungen in der Angebotsunterlage (sog. „Disclaimer“) praktiziert wurden,191 umgekehrt gegen den grundlegenden, in § 3 Abs. 1 WpÜG vorgesehenen Gleichbehandlungsgrundsatz (zu diesem sogleich, Rn 911) verstoßen, statuiert § 24 WpÜG enge Kautelen: Die Beschränkung setzt eine Gestattung durch die Aufsichtsbehörde voraus, die ihrerseits – neben dem Vorliegen eines grenzüberschreitenden Angebots und der Pflichtbindung durch ein ausländisches Übernahmerecht außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums – Unzumutbarkeit erfordert.192 Nach allgemeiner Lesart bedarf es grundsätzlich einer echten Pflichtenkollision, die es dem Bieter ansonsten unmöglich machen würde, den in- und ausländischen Pflichtvorgaben gleichermaßen Folge zu leisten.193

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2. Allgemeine Grundsätze (§ 3 WpÜG). Gesetzgebungstechnisch ungewöhnlich, aber in Anlehnung an ausländische Regelungsvorbilder194 und im Einklang mit der Richtlinienvorgabe (Art. 3 ÜRL) statuiert § 3 WpÜG in einer Art Präambel zu den spezifischeren Einzelnormen einen Katalog allgemeiner Grundsätze, die laut Regierungsbegründung grundlegende Wertungen des Gesetzgebers wiedergeben sollen.195 Methodisch erfüllen diese Grundsätze zweierlei Zwecke: Zum einen liefern sie Rechtsanwendern, namentlich der Aufsichtsbehörde und den Gerichten, einen Orientierungspunkt, an dem sich im Falle unvermeidbarer gesetzlicher Unschärfen oder auch Regelungslücken die Auslegung bzw. Rechtsfortbildung auszurichten hat; zum anderen bilden sie einen Gestaltungsmaßstab für die untergesetzliche Normsetzung, namentlich für den Verordnungserlass.196 Hingegen

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Näher Assmann/Pötzsch/Schneider/Rosengarten § 24 WpÜG Rn 2 f. Allgemein zur kumulativen Anwendung öffentlichen Kapitalmarktrechts Schneider AG 2001, 269, 273. Holzborn Ausschluss ausländischer Aktionäre nach § 24 WpÜG, BKR 2002, 67; Lenz/ Linke AG 2002, 361 (365); vgl. auch Assmann/Pötzsch/Schneider/Rosengarten § 24 WpÜG, Rn 10–28. Allgemein zu praktischen Erfahrungen mit § 24 WpÜG ferner Behnke WM 2002, 2229. Ausführlich Assmann/Pötzsch/Schneider/Rosengarten § 24 WpÜG Rn 8–35b; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 24 Rn 10–28; MünchKommAktG/Wackerbarth § 24 WpÜG Rn 6–17. Vgl. BT-Drs. 14/7034, S. 51 (Begr. RegE zu § 24), (bloße finanzielle Mehrbelastung des Bieters nicht ausreichend); ferner Assmann/

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Pötzsch/Schneider/Rosengarten § 24 WpÜG Rn 22; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 24 Rn 23 f. Zum Erfordernis einer (teilweise) richtlinienkonformen Auslegung s. unten, Rn 921. Vgl. vor allem die „General Principles“ in Sec. B des Londoner City Code (Fn 96); ferner Art. 1 der Schweizer Verordnung der Übernahmekommission über öffentliche Kaufangebote sowie § 3 des österreichischen Übernahmegesetzes. BT-Drs. 14/7034, S. 35 (Begr. RegE zu § 3). Ausführlich Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 70 f.; ähnlich Assmann/Pötzsch/Schneider/ Stephan § 3 WpÜG Rn 2. Kritisch dagegen KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 3 Rn 2; MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 1 („systematische und inhaltliche Bedeutung zweifelhaft“).

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

statuieren diese Grundsätze – ihrem Charakter als Rechtsprinzipien entsprechend – grundsätzlich keine eigenen Rechtsfolgen, sondern entfalten erst im Zusammenspiel mit den spezifischen Gesetzesregeln ihre Wirkung.197 Lediglich einzelne Vorgaben des § 3 WpÜG, etwa das Gleichbehandlungsgebot in Abs. 1, sind hinreichend konkret, um unmittelbare Geltung beanspruchen zu können.198 Aus dem Prinzipiencharakter folgt schließlich, dass es kein Rangverhältnis zwischen den einzelnen allgemeinen Grundsätzen gibt; als Optimierungsgebote sind diese vielmehr, soweit gleichermaßen einschlägig, im Wege der Abwägung miteinander in Einklang zu bringen.199 Als ersten Grundsatz normiert § 3 Abs. 1 WpÜG ein Gebot der Gleichbehandlung: Die 911 Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft, die derselben Gattung angehören, sind demnach gleich zu behandeln. Da die Vorschrift keinen Normadressaten benennt, ist umstritten, ob sie lediglich den Bieter oder zusätzlich auch die Zielgesellschaft sowie die Aufsichtsbehörde in die Pflicht nimmt.200 Dass die letzteren beiden Akteure bereits durch § 53a AktG bzw. durch Art. 3 GG zur Gleichbehandlung verpflichtet sind, spricht nicht von vorneherein gegen deren Bindung, weil sich Reichweite, Verstoßfolgen und Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung unterscheiden.201 Auch die zentrale Bedeutung dieses Gebots („magna charta des Übernahmerechts“)202 sowie der systematische Abgleich mit anderen Grundsätzen, die zumindest teilweise die Normadressaten explizit benennen (vgl. § 3 Abs. 3 und 4 WpÜG), sprechen dagegen, das Gleichbehandlungsgebot bereits tatbestandlich in seiner Reichweite einzuschränken. Geschützt werden umgekehrt ausschließlich die Aktionäre der Zielgesellschaft, genauer: die Inhaber gattungsgleicher Wertpapiere. Entscheidend ist insoweit, ob die fraglichen Wertpapiere die gleichen Rechte gewähren, was insbesondere bei Stamm- und stimmrechtslosen Vorzugsaktien nicht der Fall ist.203 Auf die Frage, ob konkurrierende Bieter gleich zu behandeln sind, etwa gleichen Zugang zu Informationen zu bekommen haben, liefert die Vorschrift des § 3 Abs. 1 WpÜG andererseits keine Antwort, eben weil sie ausschließlich auf den Schutz der Aktionäre zielt.204 In der Sa197

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Allgemein zur Wirkungsweise von Rechtsprinzipien Bydlinski Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff (1982), S. 467–471; Larenz Methodenlehre (2. Aufl. 1992), S. 362 f.; grundlegend Dworkin Taking Rights Seriously (1977). Zur rechtsökonomischen Diskussion vgl. Kaplow Rules Versus Standards: An Economic Analysis, Duke Law Journal 42 (1992), 557. Assmann/Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 2; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 3 Rn 4. Ähnlich Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 70 f.; allgemein Alexy Recht, Vernunft, Diskurs (1995), S. 216: „Die Abwägung ist die für Prinzipien kennzeichnende Form der Rechtsanwendung“. Vgl. einerseits (nur Bieter): Assmann/ Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 8; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 3 Rn 16; Hopt ZHR 166 (2002), 383, 399 f.; wohl auch („zumindest in erster Linie“) FrankfKommWpÜG/Schüppen § 3 WpÜG, Rn 6; andererseits (auch Zielgesellschaft und Auf-

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sichtsbehörde): Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 72; Angerer/Geibel/Süßmann/Louven § 3 WpÜG Rn 4; MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 5–7. Näher vor allem MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 5–7, 12 f. Assmann/Bozenhardt/Basaldua/Peltzer ZGR-Sonderheft 9, 1990, 179 (187). Ausführlicher vor allem: Assmann/Pötzsch/ Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 10; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 3 Rn 17. Ebenso Assmann/Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 16; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 3 Rn 15; MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 11; Fleischer ZIP 2002, 651, 654; Liekefett AG 2005, 802 (803); anders hingegen: Angerer/Geibel/Süßmann/Louven § 3 WpÜG Rn 14. Ein solches Gebot mag sich freilich aus anderen Rechtsvorgaben ergeben, insbesondere aus der gesellschaftsrechtlichen Interessewahrungspflicht, dazu näher: Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 525–529 und 600 f.

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che formuliert das Gebot einen strengen Maßstab, indem es sich nicht auf ein bloßes Willkürverbot beschränkt, sondern – positiv – die absolute Gleichbehandlung der Schutzadressaten fordert.205 Entsprechend muss der Bieter den Inhabern gattungsgleicher Wertpapiere jeweils den gleichen Angebotspreis anbieten, was insbesondere Paketzuschläge zugunsten von Blockaktionären oder eine zeitliche Staffelung zugunsten schnellerer Verkäufer ausschließt. Diese Vorgabe, die auch in § 31 Abs. 4 und 5 WpÜG ihren Ausdruck findet (ohne dort explizit statuiert zu sein), verhindert sowohl die Zahlung von Kontrollprämien als auch sog. Windhunderennen (vgl. dazu bereits oben, Rn 888).206 Neben Preisdiskriminierung untersagt § 3 Abs. 1 WpÜG auch informationelle Ungleichbehandlung, verbietet also sowohl die frühere als auch die umfassendere Information einzelner Aktionäre.207 Gewisse Bedeutung kann das allgemeine Gleichbehandlungsgebot schließlich auch für die Zuteilung von Aktien entfalten, indem es bei überzeichneten Angeboten zu (gleichmäßiger) Repartierung verpflichtet, auch wenn diese spezifische Rechtsfolge in § 19 WpÜG ausdrücklich normiert ist.208 Sog. Irrevocables, also Verpflichtungserklärungen zur Annahme des Angebots, stellen die betreffenden Wertpapierinhaber zwar effektiv schlechter, verstoßen aber dennoch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil der Verzicht auf Gleichbehandlung möglich ist.209 Rechtliche Grenzen setzt § 3 Abs. 1 WpÜG jedoch umgekehrt der Praxis, dass Bieter Wertpapierinhaber zur Eingehung solcher Verpflichtungen drängen, soweit sie damit deren Entscheidungsfreiheit beschränken.210 912 Der zweite Grundsatz gem. § 3 Abs. 2 WpÜG soll die Möglichkeit einer informierten Entscheidung gewährleisten, indem er verlangt, dass die Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft über genügend Zeit und ausreichende Informationen verfügen müssen, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können. Diese Vorgabe, die sich wiederum nicht nur an den Bieter richtet,211 geht als Optimierungsgebot über die bereits in § 3 Nr. 1 WpÜG verbürgte Pflicht zur informationellen Gleichbehandlung (Rn 911) hinaus und dient dem Schutz der Aktionärsgesamtheit, indem sie deren Informationsbedürfnis und Entscheidungshoheit anerkennt (zu beidem bereits oben, Rn 886 f.). Im Gegensatz zu jenem Gleichbehandlungsgrundsatz ist dieses sog. Transparenzgebot212 jedoch nicht hinreichend konkret, um unmittelbar Anwendung zu finden, zumal sich aus gegenläufigen Rechtsprinzipien und legitimen Schutzinteressen Beschränkungen ergeben können, nament-

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Assmann/Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 9; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 3 Rn 13; einschränkend: MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 10 (Ungleichbehandlung nur, soweit in Einzelvorschriften vorgesehen); Bachmann ZHR 170 (2006), 144 (174, 177) (Ungleichbehandlung nur im Ausnahmefall); anders hingegen Angerer/Geibel/Süßmann/Louven § 3 WpÜG Rn 5; FrankfKommWpÜG/Schüppen § 3 WpÜG Rn 8. Dazu im Einzelnen: Assmann/Pötzsch/ Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 14; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 3 Rn 22 f. Assmann/Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 15; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 3 Rn 25; Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 72 f.

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Ähnlich Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 73. Ausführlich von Riegen ZHR 167 (2003), 702 (708 f.); vgl. ferner KölnKomm-WpÜG/ Versteegen § 3 Rn 26; Angerer/Geibel/Süßmann/Louven § 3 WpÜG Rn 7. Ähnlich Oechsler ZIP 2003, 1330 (1333); großzügiger die in der Vorn. Genannten. Näher MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 14. So etwa Möllers ZGR 2002, 664 (667 f.); Angerer/Geibel/Süßmann/Louven § 3 WpÜG Rn 17; jedoch zu Recht als zu eng kritisiert: Assmann/Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 20; KölnKomm-WpÜG/ Versteegen § 3 Rn 27; MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 16.

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lich aus dem Beschleunigungsgebot gem. § 3 Abs. 4 WpÜG sowie aus unternehmerischen Geheimhaltungsinteressen.213 Stattdessen entfaltet sich dieser Grundsatz in zahlreichen, spezifischer zugeschnittenen Einzelvorschriften, namentlich in den Informationsregeln der §§ 11 ff. (Angebotsunterlage), 23 (Wasserstandsmeldungen), 27 (Stellungnahme), 128 WpÜG (Untersagung bestimmter Werbung) sowie in den Fristvorgaben der §§ 16 Abs. 1 (Annahmefrist), Abs. 2 (weitere Annahmefrist, sog. Zaunkönigregelung) und 21 Abs. 5 WpÜG (Fristverlängerung bei Angebotsänderung). Als dritten Grundsatz sieht § 3 Abs. 3 WpÜG ein Interessenwahrungsgebot vor: Die 913 Norm verpflichtet Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, im Interesse dieser Gesellschaft zu handeln. Parallelen zu aktienrechtlichen Bindungen der Leitungsorgane, wie sie namentlich in §§ 93, 116 AktG bzw. in § 76 AktG Ausdruck finden, liegen auf der Hand.214 Fraglich ist jedoch, in welchem Verhältnis übernahme- und aktienrechtliche Vorgaben stehen, und inwieweit sie jeweils die organschaftliche Leitungsmacht begrenzen.215 Bedeutung hat diese Frage vor allem deshalb, weil die Organe der Zielgesellschaft in einem situativen Interessenkonflikt entscheiden (dazu bereits oben, Rn 887), die übernahmerechtliche Vorschrift in § 33 WpÜG, welche die insoweit vor allem problematischen Verteidigungsmaßnahmen regelt, jedoch keine enge Begrenzung im Sinne einer strikten Neutralitätspflicht oder eines strengen Verhinderungsverbots statuiert, sondern erheblichen Spielraum für – potentiell eigeninteressierte – organschaftliche Entscheidungen lässt (dazu ausführlich unten, Rn 978). Zudem fehlt umgekehrt eine spezifische Regelung zu der Frage, ob die Organe der Zielgesellschaft freundliche Übernahmeangebote fördern dürfen, obwohl dies zu Lasten der Zielgesellschaftsaktionäre gehen kann, etwa wenn dadurch ein potentiell höheres Konkurrenzangebot ausbleibt.216 In beiden Konstellationen – Verhinderung feindlicher Übernahmen und Förderung freundlicher Übernahmen – fragt sich, ob die organschaftliche Leitungsmacht, auch wenn sie nicht durch spezifische Regelungen a limine ausgeschlossen ist, durch jene allgemeineren übernahme- und/oder aktienrechtlichen Pflichtbindungen eingeschränkt wird. Selbst wenn die erforderliche Entscheidungskompetenz besteht, können die jeweiligen Organentscheidungen nämlich beispielsweise einer intensiveren nachträglichen Überprüfung unterworfen und nicht im Sinne der Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG) weitgehend von richterlicher Kontrolle freigestellt sein. Indem § 3 Abs. 3 WpÜG das Interessenwahrungsgebot aufgreift, macht die Norm jedenfalls deutlich, dass die organschaftlichen Pflichtbindungen während des Übernahmeverfahrens fortbestehen und keineswegs suspendiert sind.217 Das potentielle Spannungsverhältnis zwischen § 3 Abs. 3 WpÜG und den angesprochenen aktienrechtlichen Vorgaben wird zugleich entschärft, weil die jeweiligen Handlungsmaximen trotz unterschiedlicher Wortwahl – „Interesse der Zielgesellschaft“ statt Unternehmensinteresse – nachweislich

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Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 73 f.; ähnlich Assmann/Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 20; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 3 Rn 30–34 (mit Einzelfragen); differenzierend MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 17. Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 74. Zu dieser Frage monographisch Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007.

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Ausführlich Winner Die Zielgesellschaft in der freundlichen Übernahme, 2002; s. außerdem Assmann/Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG, Rn 31; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 3 Rn 37; vgl. ferner Hippeli/Diesing AG 2015, 185. Ebenso BT-Drs. 14/7034, S. 35 (Begr. RegE zu § 3 Abs. 3); ähnlich ferner Assmann/ Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG, Rn 33 („fortgelten“); KölnKomm-WpÜG/ Versteegen § 3 Rn 35 („Klarstellung“).

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der Gesetzesbegründung inhaltlich nicht differieren.218 Vielmehr sind sie gleichermaßen vielschichtig (“interessenpluralistisch„), was jedoch zwangsläufig die Überprüfungsdichte reduziert.219 Indem § 3 Abs. 3 WpÜG das Interessewahrungsgebot aufgreift, eröffnet er aber immerhin zusätzliche Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung, etwa durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen der BaFin. In dieser prozeduralen Wirkung dürfte denn auch die entscheidende Bedeutung und der Mehrwert der Doppelung von übernahme- und aktienrechtlicher Interessewahrungspflicht liegen. 914 Der vierte Grundsatz (§ 3 Abs. 4 WpÜG) statuiert ein Beschleunigungsgebot. Er richtet sich an Bieter und Zielgesellschaft gleichermaßen und verpflichtet diese, das Verfahren rasch durchzuführen. Die Regelung bezweckt ausweislich ihres Wortlauts (S. 2), Zielgesellschaften nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit zu behindern;220 zudem sollen Übernahmeverfahren nicht als Mittel der Wettbewerbsbehinderung missbraucht werden können.221 Da dieses Beschleunigungsgebot ein gegenläufiges Prinzip zu § 3 Abs. 2 WpÜG bildet, dem Wertpapierinhaber umgekehrt ausreichend Zeit für seine Entscheidung einräumt (dazu oben, Rn 912), bedarf es eines gegenseitigen Ausgleichs beider Prinzipien.222 Diesen Ausgleich leistet der Gesetzgeber weitgehend bereits selbst, indem er die oben genannten, spezifischen Fristvorgaben statuiert und dabei nicht nur Mindest-, sondern zugleich auch Höchstfristen vorgibt.223 Entsprechend gering wird daher der eigene Bedeutungsgehalt dieses allgemeinen Grundsatzes gemeinhin eingeschätzt.224 915 Der fünfte und letzte Grundsatz, der in § 3 Abs. 5 WpÜG niedergelegt ist, dient der Vermeidung von Marktverzerrungen. Er sieht vor, dass beim Handel mit Wertpapieren der Ziel- oder Bietergesellschaft oder anderer durch das Angebot betroffener Gesellschaften keine solchen Marktverzerrungen geschaffen werden dürfen. Während die vorgenannten Grundsätze den Schutzinteressen einzelner oder aller Aktionäre oder der Zielgesellschaft insgesamt dienen, bezweckt dieses letzte Prinzip den Schutz der Funktionsfähigkeit des Ka-

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S. nochmals BT-Drs. 14/7034, S. 35 (Begr. RegE zu § 3 Abs. 3), („im Interesse des Unternehmens“, zudem „Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und die Interessen der Gesellschaft insgesamt zu berücksichtigen); ebenso Assmann/Pötzsch/Schneider/ Stephan § 3 WpÜG Rn 34–39; KölnKommWpÜG/Versteegen § 3 Rn 36–38; Fleischer/ Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 74; zweifelnd MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 19 f. Ähnlich etwa MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 19 (“undefinierbare Interessenwolke„). Gefordert wird lediglich, das Leitungsorgan habe diese unterschiedlichen Interessen „im Wege praktischer Konkordanz“ auszugleichen, vgl. BT-Drs. 14/7034, S. 52 (zu § 27 Abs. 1 WpÜG) sowie bereits Hopt ZGR 1993, 534 (536). Vereinzelt wird S. 2 ein eigener, über diese Zweckbeschreibung hinausgehender Bedeutungsgehalt zugemessen, vgl. KölnKommWpÜG/Versteegen § 3 Rn 46; zu Recht an-

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ders: Assmann/Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 54; MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 29. Zum zweiten Punkt BT-Drs. 14/7034, S. 35 (Begr. RegE zu § 3 Abs. 4). Ähnlich Assmann/Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 56; MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 28; Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetz, S. 76. Beispiele: Höchstangebotsdauer von zehn Wochen gem. § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG; unverzügliche Offenlegung der Kontrollerlangung gem. § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG. Ausführlicher etwa KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 3 Rn 47; vgl. außerdem Hamann ZIP 2001, 2249 (2250). Übereinstimmend Assmann/Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 59; KölnKommWpÜG/Versteegen § 3 Rn 48; MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 28 („konkreter Sinn […] kaum erkennbar“); FrankfKommWpÜG/Schüppen § 3 WpÜG, Rn 33 („rein deklaratorische Bedeutung“).

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

pitalmarktes (zu allen diesen Schutzzielen bereits oben, Rdn. 19–23). Es ragt mithin über das WpÜG hinaus und findet nicht nur in diesem Gesetz (etwa in §§ 10 Abs. 1 S. 3, 33 Abs. 1 S. 1, 60 Abs. 1 Nr. 8) spezifische Ausprägungen, sondern auch – vor allem – im allgemeinen Kapitalmarktrecht, namentlich im Insiderhandels- und Marktmanipulationsverbot gem. Art. 8 bzw. 12 MAR, aber auch in den diversen Offenlegungspflichten, namentlich in §§ 21 ff. WpHG.225 Zudem richtet es sich nicht nur an die unmittelbaren Verfahrensbeteiligten, sondern auch an all diejenigen, die „beim Handel mit Wertpapieren der in der Vorschrift genannten Gesellschaften Marktverzerrung hervorrufen können“.226 Aus diesem Grund hat das Gebot der Vermeidung von Marktverzerrungen auch für beratende Banken erhebliche Bedeutung. Besonders für sie stellt sich daher die Frage, ob dieses allgemeine Gebot einen eigenen, über die spezifischen Ausprägungen hinausgehenden Bedeutungsgehalt hat und unmittelbar Anwendung finden kann, beispielsweise in Fällen, in denen die genannten Verbotstatbestände nicht einschlägig sind (z.B. Hin- und Herbewegen von Wertpapieren, sog. matched orders).227 Trotz bislang fehlender Anwendungspraxis228 erscheint eine solche Regelungswirkung durchaus denkbar und methodisch sogar geboten. Denn aus systematischen Gründen ist bei diesem Grundsatz fraglich, ob er umgekehrt überhaupt Auslegungsrelevanz entfalten kann, weil seine spezifischen Ausprägungen in Vorschriften außerhalb des WpÜG geregelt sind. Ein solcher Einfluss ist jedenfalls von vorneherein ausgeschlossen, soweit die entsprechenden Verbote durch unmittelbar anwendbares europäisches Verordnungsrecht geregelt sind, so wie dies neuerdings bei den hier zentralen Regeln zu Marktmanipulation und Insiderhandel der Fall ist.229 Fehlt jedoch die Auslegungsrelevanz, wäre der übernahmerechtliche Grundsatz praktisch bedeutungslos, wenn man auch eine unmittelbare Regelungswirkung pauschal ablehnen würde; eine solche Bedeutungslosigkeit widerspräche sowohl der prominenten Stellung dieses Grundsatzes als auch der mutmaßlichen gesetzgeberischen Intention.230 Folglich sollten beratende Banken marktverzerrende Transaktionen im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten besonders sorgfältig vermeiden, selbst wenn diese unterhalb der Schwelle von Marktmanipulation oder Insiderhandel liegen; andernfalls droht (lediglich, aber immerhin) ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde.231 3. Zuständigkeiten (§§ 4–9 WpÜG, mit Hinweis zu Abschnitten 5–9). Der zweite Ab- 916 schnitt des WpÜG regelt die Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Er statuiert in § 4 WpÜG zunächst eine Generalnorm, die der BaFin in Abs. 1 die Überwachungsaufgabe zuweist, diese Aufgabe als Missbrauchsaufsicht definiert und hierfür eine allgemeine Anordnungsbefugnis einräumt; Abs. 2 legt fest, dass die Bundesanstalt die ihr zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse ausschließlich im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Dass die Vorschrift nahezu wortgleich den Regelungen in § 4 Abs. 1 225

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Näher (teils auf veralteter Rechtsgrundlage): Assmann/Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 61; MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 31; Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 76. Assmann/Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG, Rn 63. Hierzu näher MünchKommAktG/Wackerbarth § 3 WpÜG Rn 32; vgl. auch Altenhain BB 2002, 1874 (1877). Diesen Mangel betonend Assmann/Pötzsch/ Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 62, 68;

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ähnlich FrankfKommWpÜG/Schüppen § 3 WpÜG Rn 36. Zu diesem Reformschritt näher: von der Linden DStR 2016, 1036; Poelzig NZG 2016, 528; Schmolke AG 2016, 434. So jedoch Assmann/Pötzsch/Schneider/Stephan § 3 WpÜG Rn 68; wie hier aber KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 3 Rn 52. Zu den beschränkten Sanktionsmöglichkeiten KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 3 Rn 52; auch Assmann/Pötzsch/Schneider/ Stephan § 3 WpÜG Rn 69.

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WpHG bzw. § 4 Abs. 4 FinDAG entspricht, bringt zum Ausdruck, dass die Übernahmeaufsicht als systemkonformer Bestandteil der im Jahr 2002 integrierten Finanzdienstleistungsaufsicht konzipiert ist.232 Nichtsdestotrotz ist die Kompetenz jeweils spezifisch zu prüfen, weil sich § 4 Abs. 1 S. 1 WpÜG auf Angebotsverfahren beschränkt und Aufsichtsmaßnahmen ausschließlich nach den Vorschriften des WpÜG erlaubt.233 Dadurch eröffnet die Norm die Überwachungsaufgabe nicht nur, sondern beschränkt sie zugleich, indem sie die Befugnisnormen des WpÜG als abschließend definiert. Spezifischere Überwachungsbefugnisse sind in den Einzelvorschriften dieses Gesetzes enthalten; entsprechend ist die Überwachungsaufgabe der BaFin nach dem Ablauf von Angebotsverfahren strukturiert und zielt insbesondere auf die ordnungsgemäße Durchführung solcher Verfahren.234 § 4 Abs. 1 S. 2 WpÜG definiert die Überwachungsaufgabe entsprechend als Missstandsaufsicht: Es geht also darum, erheblichen, dauerhaften oder auch wiederkehrenden Regelverstößen (unter Umständen auch vorbeugend) entgegenzuwirken.235 § 4 Abs. 1 S. 3 WpÜG statuiert zu diesem Zweck eine – gegenüber spezielleren Vorschriften subsidiäre – Generalbefugnisnorm, die wiederum an den unscharfen Begriff des Missstandes anknüpft und zu Anordnungen aller Art ermächtigt.236 Die Norm erlaubt somit sowohl informelles Verwaltungshandeln als auch den Erlass von Verwaltungsakten i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG, jedoch jeweils nur im Rahmen der gesetzlichen Ermessensgrenzen (§ 40 VwVfG), die ihrerseits durch die skizzierten allgemeinen Grundsätze des § 3 WpÜG präformiert werden.237 Indem § 4 Abs. 2 WpÜG schließlich die Aufgaben- und Befugniswahrnehmung „im öffentlichen Interesse“ vorsieht, soll er Drittschutz ausschließen.238 Insbesondere individuelle Anleger sollen kein subjektives Recht auf ein bestimmtes Tätigwerden der Aufsichtsbehörde geltend machen können, was zivilrechtliche Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüche (beispielsweise: Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichtveröffentlichung eines Pflichtangebots)239 ebenso ausschließt wie das Recht auf Einsicht in die Akten der BaFin.240 Ob die gleiche Beschränkung auch für die beratenden Banken gilt – die ebenfalls „Dritte“ sind, auch wenn sie immerhin einem der Beteiligten nahestehen – ist nach dem Gesetzeswortlaut zwar anzunehmen, bisher aber nicht geklärt.241 Allgemeiner ist unklar, wie weit

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Näher zu dieser Zusammenlegung Hagemeister WM 2002, 1773; Reiter/Geerlings DÖV 2002, 562; vgl. außerdem Lemmer Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, 2014, sowie die Beiträge in: Pitschas (Hrsg.), Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, 2002. In diesem Sinne BT-Drs. 14/7034, S. 36 (Begr. RegE zu § 4 Abs. 1); vgl. ferner Assmann/Pötzsch/Schneider/Döhmel § 4 WpÜG, Rn 5 f.; MünchKommAktG/Wackerbarth/Kreße § 4 WpÜG Rn 7 („aufgabenbeschränkend“). Assmann/Pötzsch/Schneider/Döhmel § 4 WpÜG Rn 7 f.; MünchKommAktG/Wackerbarth/Kreße § 4 WpÜG Rn 7. Assmann/Pötzsch/Schneider/Döhmel § 4 WpÜG Rn 9–15; KölnKomm-WpÜG/Giesberts § 4 Rn 13; MünchKommAktG/Wackerbarth/Kreße § 4 WpÜG Rn 11–13. Assmann/Pötzsch/Schneider/Döhmel § 4 WpÜG Rn 16–23; KölnKomm-WpÜG/Giesberts § 4 Rn 14–23; MünchKomm-

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AktG/Wackerbarth/Kreße § 4 WpÜG Rn 14–18. In diesem Sinne namentlich KölnKommWpÜG/Giesberts § 4 Rn 22. Dazu ausführlich Assmann/Pötzsch/Schneider/Döhmel § 4 WpÜG Rn 25–41; KölnKomm-WpÜG/Giesberts § 4 Rn 24–86; MünchKommAktG/Wackerbarth/Kreße § 4 WpÜG Rn 19–33; zur Parallelproblematik im Rahmen der Europäischen Bankenaufsicht vgl. Möslein Third Parties in the European Banking Union, EBOR 16 (2015), 547. BGH, Urt. v. 11.6.2013, NZG 2013, 939; vgl. außerdem OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 4.7.2013, BKR 2003, 717 (718–722). OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 15.9.2014, NZG 2015, 230. Keine Erwähnung finden Banken beispielsweise bei KölnKomm-WpÜG/Giesberts § 4 Rn 79–86 (Drittschutz zu Gunsten von Zielgesellschaft, Bieter und konkurrierenden Bietern denkbar, nicht jedoch zu Gunsten von

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

der Ausschluss des Drittschutzes reicht, weil das BVerfG in einem Nichtannahmebeschluss judizierte, dass Dritten der Rechtsschutz gegen Aufsichtsmaßnahmen aus verfassungsrechtlichen Gründen jedenfalls nicht pauschal versagt werden darf.242 Zudem werden bisweilen Zweifel an der Europarechtskonformität geltend gemacht, auch wenn der EuGH die bankenaufsichtsrechtliche Parallelnorm als unbedenklich einstufte243 und die Übernahmerichtlinie die Ausgestaltung des Rechtsschutzes (in den Grenzen des Effektivitätsgebots) ausdrücklich den Mitgliedstaaten überlässt.244 Die übrigen Vorschriften des zweiten Abschnitts enthalten Regeln zur internen Orga- 917 nisationsverfassung der Aufsichtsbehörde, zur Zusammenarbeit mit anderen Stellen und zur Verschwiegenheitspflicht. Erstens sehen §§ 5 und 6 WpÜG nämlich vor, dass innerhalb der BaFin sowohl ein Beirat als auch ein Widerspruchsausschuss zu bilden sind. Der Beirat soll externen Sachverstand in übernahmerechtlichen Fragestellungen fruchtbar machen, wie die Vorschriften zu seiner Zusammensetzung (§ 5 Abs. 1 und 2 WpÜG) sowie zu seinen Aufgaben (§ 5 Abs. 3 WpÜG) belegen.245 Der Widerspruchsausschuss hat die Aufgabe, über Widersprüche gegen bestimmte, in § 6 Abs. 1 S. 2 WpÜG aufgezählte Verfügungen der BaFin zu entscheiden. Das Gesetz regelt vor allem dessen Zusammensetzung (§ 6 Abs. 2 und 3);246 die Verfahrensgestaltung überlässt es dagegen weitgehend dem Verordnungsgeber (Ermächtigung des Bundesministeriums für Finanzen in § 6 Abs. 4).247 Zweitens regeln §§ 7 und 8 WpÜG die Zusammenarbeit sowohl mit inländischen Aufsichtsbehörden als auch mit zuständigen Stellen im Ausland. Im Inland geht es einerseits um das Zusammenspiel mit dem Bundeskartellamt und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (§ 7 Abs. 1 WpÜG), die aus kartell- bzw. außenwirtschaftsrechtlichen Gründen ebenfalls mit der Überwachung von Zusammenschlussvorhaben befasst sind; geregelt werden daher Informationsaustausch und Datenübermittlung.248 Andererseits geht es um den Einsatz privater Personen und Einrichtungen, derer sich die BaFin bei Durchführung ihrer Aufgaben bedient (§ 7 Abs. 2 WpÜG).249 Ein Erfordernis der Kooperation mit ausländischen Stellen ergibt sich demgegenüber aus der Globalisierung der Ka-

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Arbeitnehmern und Anteilseignern der Zielgesellschaft). BVerfG Beschl. v. 2.4.2004, NJW 2004, 3031; dazu näher Berding Der Konzern 2004, 771; KölnKomm-WpÜG/Giesberts § 4 Rn 63a-86. EuGH Urt. v. 12.10.2004, Rs. C-222/02 Peter Paul, Slg. I-9425. Vgl. Art. 4 Abs. 6 ÜRL; ferner 8. Erwägungsgrund, S. 2. Im Ergebnis daher übereinstimmend für Unionsrechtskonformität: Assmann/Pötzsch/Schneider/Döhmel § 4 WpÜG, Rn 39 f.; KölnKomm-WpÜG/Giesberts § 4 Rn 82; MünchKommAktG/Wackerbarth/Kreße § 4 WpÜG Rn 33 (m. Nachw. zur Gegenansicht). Näher Assmann/Pötzsch/Schneider/Döhmel § 5 WpÜG Rn 2–21; KölnKomm-WpÜG/ Holst § 5 Rn 12–31; MünchKommAktG/ Wackerbarth/Kreße § 5 WpÜG Rn 5–15. Dazu ausführlich Assmann/Pötzsch/Schneider/Döhmel § 6 WpÜG Rn 6–13; KölnKomm-WpÜG/Holst § 6 Rn 15–29; Münch-

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KommAktG/Wackerbarth/Kreße § 6 WpÜG Rn 8–12. Im Gesetz ist lediglich geregelt, dass bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden entscheidet (§ 6 Abs. 2 S. 2 WpÜG). Nähere Vorgaben zum Verfahren finden sich jedoch in der auf Grund der Ermächtigung in § 6 Abs. 4 WpÜG ergangenen WpÜG-WiderspruchsausschussVO; zu dieser: Assmann/ Pötzsch/Schneider/Döhmel § 6 WpÜG Rn 14–26; KölnKomm-WpÜG/Holst § 6 Rn 30–45; MünchKommAktG/Wackerbarth/Kreße § 6 WpÜG Rn 13–16. Dazu im Einzelnen Assmann/Pötzsch/Schneider/Döhmel § 7 WpÜG Rn 2–8; KölnKomm-WpÜG/Holst § 7 Rn 13–23; MünchKommAktG/Wackerbarth/Kreße § 7 WpÜG Rn 5–11. Assmann/Pötzsch/Schneider/Döhmel § 7 WpÜG Rn 9–11; KölnKomm-WpÜG/Holst § 7 Rn 24–31; MünchKommAktG/Wackerbarth/Kreße § 7 WpÜG Rn 12–14.

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pitalmärkte und dem daher häufig grenzüberschreitenden Charakter von Übernahmekonstellationen. § 8 WpÜG ermächtigt die BaFin zu solcher Zusammenarbeit (Abs. 1), legt zugleich jedoch auch Grenzen fest und regelt insbesondere die Übermittlung personenbezogener Daten (Abs. 2).250 Drittens schließlich statuiert § 9 WpÜG eine umfassende Verschwiegenheitspflicht der mit der Überwachung des WpÜG betrauten Personen (Abs. 1 S. 1 und 2; vgl. auch Abs. 3 für Beiratsmitglieder) sowie ein korrespondierendes Verwertungsverbot (Abs. 1 S. 3 und Abs. 2).251 918 Eng mit diesem zweiten Abschnitt zusammen hängen die Abschnitte 5–9 zu Verfahren, Rechtsmitteln, Sanktionen und gerichtlichen Zuständigkeiten (samt Übergangsregeln). Diese Vorschriften gestalten die aufsichtsrechtlichen Ermittlungs- und Sanktionsbefugnisse näher aus, machen entsprechende Verfahrensvorgaben und räumen den Adressaten umgekehrt Rechtsschutzmöglichkeiten ein. Beratende Banken können von diesen Regelungen durchaus selbst betroffen sein, weil sich die Befugnisse nicht auf die unmittelbar an der Übernahme beteiligten Personen beschränken, sondern beispielsweise § 40 Abs. 1 S. 1 WpÜG Ermittlungen und insbesondere Auskunftsverlangen gegenüber „jedermann“ ermöglicht.252 Entsprechend stellt sich namentlich die Frage, ob eine solche Auskunft unter Berufung auf das Bankgeheimnis verweigert werden darf – was gemeinhin verneint wird.253 Trotz solcher Berührungspunkte können die Vorschriften dieser Abschnitte nicht im Einzelnen erörtert werden, da sich die vorliegende Kommentierung auf die materiellrechtlichen Vorschriften des WpÜG konzentriert (und selbst diese nur überblicksweise darstellt, soweit sie Banken nicht unmittelbar betreffen).

II. Systematik der Erwerbsangebote 919

Während der Anwendungsbereich des Gesetzes gem. § 2 Abs. 1 WpÜG lediglich davon abhängt, ob ein öffentliches Erwerbsangebot abgegeben wurde (vgl. oben, Rn 902–905), ist für die Frage, welche Regelungen auf das jeweilige Angebot im Einzelnen Anwendung finden, weiter zu differenzieren. Das Gesetz unterscheidet nämlich in einer Art Schichtenmodell zwischen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren (einfache Erwerbsangeboten, Abschnitt 3, §§ 10–28 WpÜG), Übernahmeangeboten (Abschnitt 4, §§ 29–34 WpÜG) und Pflichtangeboten (Abschnitt 5, §§ 35–39 WpÜG). Die bereits oben angesprochene, funktionale Unterscheidung, ob ein Kontrollwechsel erfolgt ist oder angestrebt wird (vgl. oben, Rdn. 34), gewinnt erst auf dieser zweiten Ebene Bedeutung: Während nämlich die Regeln zu einfachen Erwerbsangeboten auf sämtliche öffentlichen Erwerbsangebote Anwendung finden (näher nachfolgend Rn 920–925), setzen die Vorschriften zu Übernahmeangeboten voraus, dass ein Kontrollerwerb angestrebt wird (Rn 926 f.), und es greifen um-

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Assmann/Pötzsch/Schneider/Döhmel § 8 WpÜG Rn 2–18; KölnKomm-WpÜG/Holst § 8 Rn 13–25; MünchKommAktG/Wackerbarth/Kreße § 8 WpÜG Rn 5–25. Abs. 3 regelt überdies die Übermittlung personenbezogener Daten an die Bundesanstalt durch ausländische Stellen (also in „Gegenrichtung“); Abs. 4 sieht vor, dass Regelungen über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen unberührt bleiben. Ausführlich zum Offenbarungs- und Verwertungsverbot des Abs. 1: Assmann/Pötzsch/

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Schneider/Döhmel § 9 WpÜG Rn 4–31; KölnKomm-WpÜG/Holst § 9 Rn 11–39; MünchKommAktG/Wackerbarth/Kreße § 9 WpÜG Rn 4–18. Zu den Normadressaten näher Assmann/ Pötzsch/Schneider § 40 WpÜG Rn 15; KölnKomm-WpÜG/Holst § 40 Rn 30 f.; MünchKommAktG/Wackerbarth/Kreße § 9 WpÜG Rn 4–18. Assmann/Pötzsch/Schneider § 40 WpÜG Rn 50; KölnKomm-WpÜG/Holst § 40 Rn 35.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

gekehrt die Regeln zu Pflichtangeboten ein, wenn ein Kontrollerwerb bereits durch schrittweisen Zukauf erfolgt ist (Rn 928–935). 1. Einfache Erwerbsangebote (§§ 10–28 WpÜG). Der dritte Abschnitt des WpÜG, der 920 §§ 10 bis 28 umfasst und „Angebote zum Erwerb von Wertpapieren“ titelt, gilt für alle Angebote i.S.d. § 2 Abs. 1 WpÜG. Im Gegensatz zu den beiden weiteren Abschnitten, die Angebote regeln, „die auf den Erwerb von Kontrolle gerichtet sind“ (Übernahmeangebote, Abschnitt 4) bzw. den Kontrollerwerb voraussetzen (Pflichtangebote, Abschnitt 5), bedarf die Anwendung der Regeln dieses Abschnitts grundsätzlich keiner weiteren tatbestandlichen Qualifikation. Ausnahmen gelten allerdings für einige Einzelregelungen innerhalb dieses Abschnitts, die ausdrücklich ein Übernahme- bzw. Pflichtangebot voraussetzen (vgl. §§ 16 Abs. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 23 Abs. 2 WpÜG), und die deshalb systematisch zu den anderen beiden Abschnitten gehören, auf Grund ihres Sachzusammenhangs vom Gesetzgeber aber gleichwohl in diesem Abschnitt verortet wurden. Andererseits gilt für den zweiten Abschnitt der Grundsatz, dass das Vorliegen von solchen zusätzlichen Voraussetzungen umgekehrt nicht schadet, dass also die Regelungen dieses Abschnitts auf Übernahme- und Pflichtangebote gleichermaßen anwendbar sind. Allerdings sehen die Abschlussnormen der beiden anderen Abschnitte wiederum Einschränkungen dieses Grundsatzes vor, indem sie die Vorschriften des dritten Abschnitts nur für anwendbar erklären, „soweit sich aus den vorstehenden Vorschriften nichts anderes ergibt“ (§ 34 WpÜG)254 bzw. indem sie ausdrücklich einzelne Vorschriften von der sinngemäßen Geltung ausnehmen (§ 39 WpÜG).255 Insgesamt ähnelt die Regelungsstruktur des WpÜG damit zwar dem Aufbau des BGB, weil dieser dritte Abschnitt eine Art allgemeinen Teil bildet, dessen Vorschriften grundsätzlich auf Angebote aller Art anwendbar sind.256 Gleichwohl gibt es einen wichtigen systematischen Unterschied, der die Übersichtlichkeit des Gesetzes reduziert, indem er die genannten Ausnahmen erfordert. Dieser Unterschied besteht darin, dass der dritte Abschnitt nicht nur einen allgemeinen Teil, sondern zugleich auch den besonderen Teil für die selbständige Angebotsform des freiwilligen, nicht auf Kontrollerwerb gerichteten Erwerbsangebot bildet. Die allgemeinen Regelungen sind mithin nicht konsequent vor die Klammer gezogen, sondern in dem Abschnitt zu einem Grund- oder Basistatbestand, nämlich dem einfachen Erwerbsangebot, enthalten.257 Dieses „Baukastenprinzip“ ähnelt der Regelungstechnik, die zuvor bereits im UmwG Verwendung fand.258 Für die Auslegung hat diese Regelungstechnik insofern Bedeutung, als nur freiwillige 921 Übernahmeangebote und Pflichtangebote, nicht jedoch die einfachen Erwerbsangebote vom Anwendungsbereich der europäischen Übernahmerichtlinie erfasst sind (vgl. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. a ÜRL). Einer richtlinienkonformen Auslegung bedarf es 254

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Eine solche Sonderregel stellt insbesondere § 32 WpÜG zu Teilangeboten dar, der die allgemeine Regel des § 19 ausschließt, vgl. BTDrs. 14/7034, S. 59 (Begr. RegE zu § 34); Assmann/Pötzsch/Schneider § 34 WpÜG Rn 2; KölnKomm-WpÜG/Kremer/Oesterhaus § 34 Rn 4. Aus dem dritten Abschnitt ausdrücklich ausgeschlossen sind § 10 Abs. 1 S. 1 (Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots), § 14 Abs. 1 S. 1 (Übermittlung der Angebotsunterlage), § 16 Abs. 2 (Zaunkönigregelung), § 18 Abs. 1 (Bedingungen), § 19 (Zuteilung), § 25 (Beschluss der Gesell-

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schafterversammlung des Bieters) und § 26 WpÜG (Sperrfrist); hierzu näher: Assmann/ Pötzsch/Schneider § 39 WpÜG Rn 12–26; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 39 Rn 41–78. Ähnlich Assmann/Pötzsch/Schneider § 10 WpÜG Rn 1. Ähnlich etwa Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 20 („Basistypus“); KölnKomm-WpÜG/Hirte/ Heinrich Einl. Rn 85 („Grundfall“). Assmann/Pötzsch/Schneider Einl. WpÜG, Rn 39; vgl. auch KölnKomm-WpÜG/Hirte/ Heinrich Einl. Rn 85.

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nämlich nur, soweit die Richtlinienvorgabe reicht.259 Da die Regelungen des dritten Abschnitts sowohl für einfache Erwerbsangebote gelten, die nicht von der Richtlinienvorgabe erfasst sind, als auch – als „allgemeiner Teil“ – für Übernahme- und Pflichtangebote, für die diese Vorgabe hingegen gilt, ist bei der Auslegung dieser Regeln wie folgt zu unterscheiden: Im zweiten Fall, also bei Anwendung auf Übernahme- und Pflichtangebote, ist eine richtlinienkonforme Auslegung europarechtlich geboten und bedarf es bei Auslegungszweifeln einer Vorlage an den EuGH.260 Im ersten Fall, bei Regelanwendung auf einfache Erwerbsangebote, zwingt europäisches Recht dagegen nicht zu einer solchen Auslegung. Die Regelungstechnik, mit der der Gesetzgeber die unterschiedlichen Angebotsarten möglichst einheitlich regeln wollte, liefert gleichwohl ein systematisches Argument, die Auslegung ebenfalls an der Richtlinie zu orientieren. Nur ist diese sog. quasi-richtlinienkonforme Auslegung nicht europarechtlich geboten, so dass insoweit auch eine gespaltene Auslegung möglich ist, sofern gegenläufige Auslegungserwägungen dafürsprechen, sich im Fall einfacher Erwerbsangebote an der Richtlinie zu orientieren.261 Relevant kann dieser Unterschied beispielsweise im Rahmen von § 24 WpÜG werden, der Beschränkungen des Angebots im Hinblick auf bestimmte ausländische Adressaten erlaubt (dazu oben, Rdn. 41). Solche Beschränkungen werfen Fragen der Europarechtskonformität auf: Sie sind in der Übernahmerichtlinie nicht explizit vorgesehen, konfligieren aber mit dem Gleichbehandlungsgebot, wie es (auch) Art. 3 Abs. 1 a dieser Richtlinie vorschreibt.262 Entsprechend bedarf der Begriff der „Unzumutbarkeit“, der nach deutschem Gesetzeswortlaut die zentrale Voraussetzung einer solchen Beschränkung ist, einer richtlinienkonformen Auslegung und erfordert unter Umständen eine Vorlage an den EuGH – qua Europarecht aber eben nur innerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie, also bei Übernahme- und Pflichtangeboten, nicht jedoch bei einfachen Erwerbsangeboten. 922 Inhaltlich wurde kritisiert, die Regelungstechnik führe zu einer Überregulierung der einfachen Erwerbsangebote, die der unmittelbare Regelungsgegenstand dieses dritten Abschnitts sind.263 In der Tat knüpfen die oben skizzierten Schutzinteressen (Rn 886–890) jeweils an den Wechsel der Kontrolle, nicht an das bloße Vorliegen eines öffentlichen Erwerbsangebots an. Soweit es um den Erwerb einer Einstiegsbeteiligung geht, bestehen zudem die alternativen Möglichkeiten eines schrittweisen Zukaufs von Aktien an der Börse oder eines Paketerwerbs, die ihrerseits keiner vergleichbaren Regulierung unterliegen.264 Andererseits können einfache Erwerbsangebote jedoch auch darauf abzielen, bestehende Kontrollbeteiligungen aufzustocken.265 Solche Aufstockungsangebote unterliegen mangels angestrebtem bzw. erfolgtem Kontrollwechsel weder den Regeln zu Übernahme- noch

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Allgemein zum Erfordernis der richtlinienkonformen Auslegung des WpÜG: KölnKomm-WpÜG/Hirte/Heinrich Einl. Rn 99–99c. In diesem Sinne (jedoch pauschal) KölnKomm-WpÜG/Hirte/Heinrich Einl. Rn 99c; allgemein etwa Lutter Die Auslegung angeglichenen Rechts, JZ 1992, 593, 602 f. Dazu allgemein Hommelhoff Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts in: Festgabe 50 Jahre BGH, 2000, 889 (915 f.); s. auch Canaris Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, FS Bydlinski 2002, S. 47 (74)

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(„Ausstrahlungswirkung der Richtlinie auf das richtlinienfreie Recht“) Assmann/Pötzsch/Schneider/Rosengarten § 24 WpÜG Rn 7; KölnKomm-WpÜG/Versteegen § 24 Rn 4; vgl. ferner Behnke WM 2002, 2229; von Hein ZGR 2005, 528 (560). S. etwa die Stellungnahme des DAV-Handelsrechtsausschusses zum RegE, NZG 2001, 1003. Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 22. Assmann/Pötzsch/Schneider § 34 WpÜG Rn 8; zum Begriff auch KölnKomm-WpÜG/ Versteegen § 2 Rn 15; MünchKommAktG/ Wackerbarth § 2 WpÜG Rn 3.

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zu Pflichtangeboten, blieben also ansonsten ungeregelt. Sie können die Interessen der Minderheitsaktionäre jedoch durchaus berühren. Während nämlich die Kontrollschwelle des WpÜG gem. § 29 Abs. 2 WpÜG bei 30 % der Stimmrechte liegt (dazu ausführlich unten, Rn 937), erfordert die tatsächliche Entscheidungsmacht in Aktiengesellschaften oftmals höhere Beteiligungsquoten; dies hat teils wirtschaftliche Gründe (Beteiligung weiterer Paketaktionäre), ist aber vor allem Folge der aktienrechtlichen Beschlusserfordernisse, die für viele Strukturmaßnahmen deutlich strengere Mehrheits- bzw. Beteiligungserfordernisse vorsehen, etwa für den Abschluss von Unternehmensverträgen (§ 293 Abs. 1 S. 2 AktG: drei Viertel des vertretenen Grundkapitals), die Eingliederung (§ 319 Abs. 2 S. 2: ebenso) oder den Squeeze-Out (§ 327a Abs. 1 AktG bzw. § 39a Abs. 1 S. 1 WpÜG: 95 % des [stimmberechtigten] Grundkapitals).266 Für einfache Erwerbsangebote und insbesondere für Einstiegsangebote von wesensty- 923 pischer Bedeutung ist die Regelung zu Teilangeboten in § 19 WpÜG. Zeichnen sich solche Angebote nämlich in Abgrenzung zu Übernahme- und Pflichtangeboten gerade dadurch aus, dass sie weder auf Kontrollerwerb zielen noch Kontrolle erlangt wird, so muss der Bieter gewährleisten (können), dass sein Angebot nicht genau diese Folge hat: Liegt seine Beteiligung vor Abgabe des Angebots unterhalb der Kontrollschwelle, darf diese Schwelle nicht überschritten werden.267 Gibt er ein öffentliches Angebot ab, nehmen jedoch möglicherweise zu viele Anteilseigner dieses Angebot rechtsverbindlich an. Der Bieter bedarf deshalb einer Möglichkeit, nur einen bestimmten Anteil an der Zielgesellschaft bzw. nur eine bestimmte Anzahl an Aktien zu erwerben. Für einfache Erwerbsangebote setzt § 19 WpÜG ebendiese Möglichkeit eines Teilangebots voraus und sieht vor, dass Annahmeerklärungen bei Überzeichnung grundsätzlich nur verhältnismäßig Berücksichtigung finden (pro-rata-Zuteilung). Umgekehrt gilt § 19 WpÜG bei Übernahme- und Pflichtangeboten gem. § 32 bzw. § 39 WpÜG nicht, so dass solche Angebote zwingend Vollangebote sein müssen;268 § 19 WpÜG ist daher waschechter „besonderer Teil“. Rechtsdogmatisch sind Teilangebote angesichts der eigentlich geltenden Bindungswirkung von Willenserklärungen nicht leicht einzuordnen, weil der Vertrag über eine geringere Anzahl von Aktien zustande kommt als per Annahme erklärt. Man darf wohl von einer – u.U. gesetzlich fingierten – aufschiebenden Bedingung ausgehen, die das vollumfängliche Zustandekommen der entsprechenden Kauf- bzw. Tauschverträge davon abhängig macht, dass nicht mehr (oder: genau so viele) Anteilseigner das Angebot annehmen, als in der Angebotsunterlage bestimmt; für den Fall, dass diese Schwelle überschritten wird, besteht umgekehrt (wiederum aufschiebend bedingtes) Einverständnis mit einem entsprechend reduzierten Vertragsumfang.269 Der Gestaltungsspielraum für die Formulierung solcher Bedingungen in der Angebotsunterlage ist durch § 19 WpÜG mehrfach begrenzt: Tatbestandlich darf die Beschränkung sich lediglich auf den Anteil am Grundkapi-

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Ähnlich Assmann/Pötzsch/Schneider § 34 WpÜG Rn 8. Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 23. Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 19 WpÜG Rn 2; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 19 Rn 2, 13; im Hinblick auf Übernahmeangebote anders (obwohl contra legem): MünchKommAktG/Wackerbarth § 19 WpÜG Rn 7. In diesem Sinne Assmann/Pötzsch/Schneider/ Favoccia § 19 WpÜG Rn 9; Angerer/Geibel/

Süßmann § 19 WpÜG Rn 6; Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 23; i.E. auch KölnKommWpÜG/Hasselbach § 19 Rn 15 f. (gesetzliche Fiktion); MünchKommAktG/Wackerbarth § 19 WpÜG Rn 37 (Zustimmung zu nachträglicher Konkretisierung des Angebotsinhalts). Anders hingegen Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 19 Rn 2; Oechsler ZIP 2003, 1330 (1335) (einseitiges Rechtsgeschäft sui generis mit Ähnlichkeit zum Vorvertrag).

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tal oder die Anzahl an Wertpapieren beziehen, nicht jedoch auf bestimmte Aktionäre oder Aktionärstypen.270 Auf Rechtsfolgenseite darf der Bieter nur ausnahmsweise, d.h. bei sachlicher Rechtfertigung, vom Grundsatz der pro-rata-Zuteilung abweichen: Als zulässig gelten beispielsweise Rundungs- oder de-minimis-Klauseln, um die Zuteilung von Aktienbruchteilen oder Splitterbeteiligungen zu vermeiden; unzulässig sind umgekehrt alternative Zuteilungsverfahren, die nach Losentscheid oder dem Zeitpunkt der Annahmeerklärung entscheiden, auch weil sie mit den allgemeinen Grundsätzen gem. § 3 Abs. 1 und 2 WpÜG nicht vereinbar sind.271 Umstritten ist schließlich, ob der Bieter die Annahmeerklärungen, die den im Angebot festgelegten Schwellenwert übersteigen, doch noch annehmen kann.272 Aus dogmatischen wie auch teleologischen Gründen ist eine solche Möglichkeit jedoch abzulehnen: Einerseits fehlt es am Eintritt der einvernehmlich vereinbarten (oder gesetzlich fingierten) Bedingung. Die Erklärung der Anteilseigner lässt sich daher nicht als neues Angebot interpretieren;273 einer (impliziten) Änderung des ursprünglichen Angebots hingegen steht § 21 WpÜG entgegen.274 Andererseits widerspräche es der Wertung des in § 17 WpÜG statuierten Verbots von invitatio-ad-offerendum-Angeboten, wenn die nachträgliche Annahme alleine im Belieben des Bieters stünde. Auch mit Gleichbehandlungsgebot und Angebotspflicht wäre ein solches Belieben nicht vereinbar, weil es Umgehungsmöglichkeiten eröffnete.275 924 Sieht man die innere Struktur des dritten Abschnitts im Übrigen durch, spiegelt die Abfolge der Vorschriften im Wesentlichen den chronologischen Ablauf des Angebotsverfahrens wider, und zwar – als allgemeiner Teil – weitgehend unabhängig von der spezifischen Qualifikation des Erwerbsangebots: Zunächst geht es in § 10 WpÜG um Offenlegungspflichten im Vorfeld eines solchen Angebots. Sodann finden sich eine Reihe von Regelungen zum Angebot selbst, in § 11 f. WpÜG zu Angebotsunterlage und korrelierender Haftung (mit Finanzierungsvorgabe in § 13 WpÜG), in §§ 14 f. WpÜG zum aufsichtlichen Verfahren (mit Sperrfristregelung in § 26 WpÜG), in §§ 17 f. WpÜG zur Reichweite der Angebotsbindung (mit Werberegulierung in § 28 WpÜG; vgl. außerdem § 25 WpÜG). Im Anschluss an die Veröffentlichung des Angebots durch den Bieter unterliegt der Vorstand der Zielgesellschaft der Pflicht, eine Stellungnahme abzugeben (§ 27 WpÜG) und beginnt die Annahmefrist, die Gegenstand der Vorschriften in §§ 21–23 WpÜG ist (zu Änderungen des Angebots, konkurrierenden Angeboten sowie zu Offenlegungspflichten des Bieters).276 270

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Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 19 WpÜG Rn 4; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 19 Rn 12; MünchKommAktG/Wackerbarth § 19 WpÜG Rn 10–13. Vgl. BT-Drs. 14/7034, S. 48 (Begr. RegE zu § 19); ausführlich außerdem Assmann/ Pötzsch/Schneider/Favoccia § 19 WpÜG Rn 12 f.; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 19 Rn 22–27; MünchKommAktG/Wackerbarth § 19 WpÜG Rn 41–46 (jedoch restriktiver hinsichtlich de-minimis-Klauseln). Bejahend KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 19 Rn 28–32; verneinend dagegen Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 19 WpÜG Rn 15; FrankfKommWpÜG/Scholz § 19 WpÜG Rn 35; Angerer/Geibel/Süßmann § 19 WpÜG Rn 16; MünchKommAktG/Wackerbarth § 19 WpÜG Rn 38 f.

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So jedoch KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 19 Rn 28 (Annahme durch den Bieter gem. § 151 BGB); vgl. demgegenüber MünchKommAktG/Wackerbarth § 19 WpÜG Rn 39. Angerer/Geibel/Süßmann § 19 WpÜG, Rn 16; Assmann/Pötzsch/Schneider/Favoccia § 19 WpÜG Rn 15. Solches Konfliktpotential deutet selbst KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 19 Rn 31 f. an. Etwas aus dem Rahmen fällt die Vorschrift des § 24 WpÜG, die nämlich grenzüberschreitende Angebot betrifft und deshalb bereits oben in Zusammenhang mit den Vorschriften zum internationalen Anwendungsbereich skizziert wurde, vgl. Rn 41.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Die vorliegende Kommentierung folgt diesem Gesetzesaufbau zwar insoweit, als sie 925 diese vier Schritte des Angebotsverfahrens nacheinander abhandelt und um Ausschluss und Andienung als potentiell fünften Schritt ergänzt, der im WpÜG allerdings erst an späterer Stelle, im Abschnitt 5a, geregelt ist. Sie kommentiert dabei nicht jede einzelne Norm separat, sondern fasst – in Teil C, auf den hier zu verweisen ist (s. Rn 957–933) – diejenigen Normen zusammen, die ihrer Sachmaterie nach jeweils einen der genannten Schritte betreffen. Überdies behandelt sie dabei auch diejenigen Normen, die sich im Gesetz zwar in den „besonderen Teilen“ zu Übernahme- und Pflichtangeboten finden (zu diesen sogleich, Rn 926–935), der Sache nach aber gleichwohl zu den jeweiligen Verfahrensschritten gehören. So werden beispielsweise §§ 33 ff. WpÜG, die im Gesetz im Abschnitt zu Übernahmeangeboten geregelt sind, gemeinsam mit der Stellungnahme kommentiert (Rn 972–979), weil sie gleichermaßen die Reaktion der Zielgesellschaft betreffen. Insoweit weicht die Kommentierung von der skizzierten Gesetzesstruktur ab, um dem Leser einen Zugriff im Sachzusammenhang zu ermöglichen. Dieser Sachzusammenhang ist mit den dargestellten Verfahrensschritten jedoch zumindest ansatzweise im Gesetz angelegt, eben in den Vorschriften zum einfachen Erwerbsangebot (§§ 10–28 WpÜG). 2. Übernahmeangebote (§§ 29–34 WpÜG). Der vierte Abschnitt, der die §§ 29 bis 34 926 WpÜG umfasst, regelt Übernahmeangebote und definiert diese gleich zu Beginn als „Angebote, die auf den Erwerb von Kontrolle gerichtet sind“ (§ 29 Abs. 1 WpÜG). Da der Begriff der Kontrolle mithin konstitutive Voraussetzung für das Vorliegen eines Übernahmeangebots ist, macht seine Definition (§ 29 Abs. 2 WpÜG), ergänzt um Zurechnungsregeln (§ 30 WpÜG), einen wesentlichen Teil dieses Abschnitts aus. Indessen ist – vollzogene – Kontrollerlangung zugleich auch konstitutives Merkmal von Pflichtangeboten, die im fünften Abschnitt geregelt sind (vgl. § 35 Abs. 1 WpÜG). Aus diesem Grund lassen sich Kontrollbegriff und Zurechnungsregeln systematisch als eine Art „kleiner allgemeiner Teil“ verstehen, der sich vor die Klammer ziehen lässt, weil er für beide Angebotsarten gleichermaßen gilt; entsprechend werden die betreffenden Vorschriften erst im Anschluss unter III. kommentiert (Rn 68–88). Auch die Vorschriften zur Gegenleistung (§ 31 WpÜG) und zu Abwehrmaßnahmen (§§ 33–33d WpÜG) gelten aufgrund des Verweises in § 39 WpÜG sinngemäß auch für Pflichtangebote; sie werden daher bei den jeweiligen Schritten des Angebotsverfahrens kommentiert (Rn 971 bzw. Rn 977–979). Dass freiwillige Übernahmeangebote und Pflichtangebote in separaten Abschnitten, aber inhaltlich überwiegend gleichförmig geregelt sind, beruht auf folgender Erwägung des Gesetzgebers:277 Wer aufgrund eines freiwilligen Übernahmeangebots Kontrolle erlangt, soll nicht anschließend noch ein weiteres (Pflicht-)Angebot abzugeben brauchen.278 Dem Bieter soll also der Zeitund Kostenaufwand eines „Doppelangebots“ erspart bleiben. Zugleich entspricht dessen Vermeidung dem Beschleunigungsgebot gem. § 3 Abs. 4 WpÜG (oben, Rn 914), weil auch die Zielgesellschaft Interesse daran hat, nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit behindert zu werden. Damit das freiwillige Übernahmeangebot solchermaßen befreiend wirken kann – was an späterer Stelle dann § 35 Abs. 3 WpÜG explizit vorsieht –, muss es aber im Wesentlichen den gleichen Anforderungen genügen wie Pflichtangebote; ansonsten könnten die entsprechenden Schutzmechanismen, insbeson-

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BT-Drs. 14/7034, S. 30; kritisch hingegen Mülbert ZIP 2001, 1221 (1223 ff., 1229). Ähnlich Assmann/Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG Rn 3; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 25 f.; vgl. auch Tyrolt/Cascante

Pflichtangebotsbefreiung durch Übernahmeangebot und Mindestpreisregelungen, in: Mülbert/Kiem/Wittig (Hrsg.), 10 Jahre WpÜG (2011), S. 110 (111–113).

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dere die Mindestpreisregel gem. § 31 WpÜG, durch Abgabe eines freiwilligen Angebots umgangen werden.279 927 Die Definition des Übernahmeangebots in § 29 Abs. 1 WpÜG knüpft an den Begriff des Angebots an, den § 2 Abs. 1 WpÜG wiederum als öffentliches Kauf- oder Tauschangebot zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft definiert (Rn 902), fordert aber als zusätzliches, qualifizierendes Merkmal, dass dieses Angebot „auf den Erwerb von Kontrolle gerichtet“ ist. Was Kontrolle bedeutet, ergibt sich aus Abs. 2 (dazu näher unten, Rn 937–940). Der Begriff des Erwerbs beinhaltet in einem weiten Sinne alle Vorgänge, die das Erreichen oder Überschreiten der Kontrollschwelle zur Folge haben, so dass neben dem Eigentumserwerb an stimmberechtigten Aktien auch Angebote erfasst sind, die per se zwar keinen Kontrollerwerb zur Folge haben können (z.B. weil sie sich auf den Erwerb stimmrechtsloser Aktien richten), die aber an entsprechende Bedingungen geknüpft sind (z.B. an den parallelen Erwerb eines Kontrollpakets).280 Auslegungsbedürftig ist schließlich das Kriterium der „Gerichtetheit“ des Angebots auf den Kontrollerwerb. Angesichts der Schutzzwecke, denen die Regelungen zu Übernahmeangeboten dienen, setzt es weder ein subjektives Element (Absicht des Bieters) noch einen tatsächlichen Erfolg (Erreichen der Kontrollschwelle) voraus, sondern alleine die objektive Geeignetheit zur Kontrollerlangung, zu beurteilen aus ex-ante-Sicht.281 Ob die Kontrollerlangung wahrscheinlich ist, spielt keine Rolle, so dass beispielsweise auch Angebote erfasst sind, bei denen der Kaufpreis unterhalb des aktuellen Börsenkurses liegt (sog. low ball offers).282 Nicht erfasst sind demgegenüber Aufstockungsangebote (Rn 922) und umgekehrt Einstiegsbeteiligungen, die objektiv nicht zum Erreichen der Kontrollschwelle führen können, etwa weil sie in Form entsprechender Teilangebote erfolgen (vgl. Rn 923 zu § 19 WpÜG).283 Übernahmeangebote i.S.v. § 29 Abs. 1 WpÜG dürfen ihrerseits nicht als Teilangebot, sondern nur als Vollangebot erfolgen (§ 32 WpÜG), weil die Anteilsinhaber der Zielgesellschaft ansonsten einem unzulässigen Verkaufsdruck unterworfen wären und ein Konflikt mit dem Gleichbehandlungsgebot gem. § 3 Abs. 1 WpÜG drohte.284 Will der Bieter umgekehrt sicherstellen, dass er die Anteile nur übernehmen muss, wenn er dadurch tatsächlich die Kontrolle erwirbt, so kann er sein Angebot unter die gem. § 18 Abs. 1 WpÜG zulässige aufschiebende Bedingung stellen, dass ausreichend Anteilsinhaber dieses Angebot annehmen; auf diese Weise kann er verhindern, dass er den angebotenen Kontrollzuschlag zahlen muss, ohne im Gegenzug Kontrolle zu erlangen.285 Andererseits ist eine solche Bedingung jedoch 279 280

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Vgl. nochmals BT-Drs. 14/7034, S. 30. In diesem Sinne KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 41 f.; Angerer/Geibel/Süßmann § 29 WpÜG Rn 9. Etwas anderes gilt, wenn eine solche Verknüpfung durch Bedingung fehlt, der Parallelerwerb also zwar während der Annahmefrist, aber rechtlich unabhängig vom Übernahmeangebot erfolgt; zu dieser Konstellation MünchKommAktG/Wackerbarth § 29 WpÜG Rn 29–31 (Pflichtangebot im Anschluß). Assmann/Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG Rn 4; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 44; MünchKommAktG/Wackerbarth § 29 WpÜG Rn 16, 18 f.; FrankfKommWpÜG/Haarmann § 29 WpÜG Rn 18; Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 26; wenig aussage-

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kräftig hingegen BT-Drs. 14/7034, S. 53.0 (Begr. RegE zu § 29 Abs. 1) KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 45; ähnlich MünchKommAktG/Wackerbarth § 29 WpÜG Rn 16. Assmann/Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG Rn 6; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 18 f.; FrankfKommWpÜG/Haarmann § 29 WpÜG Rn 17; Angerer/Geibel/Süßmann § 29 WpÜG Rn 7; Harbarth ZIP 2002, 321 (324); Liebscher ZIP 2001, 853 (857). Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 29. Vgl. nochmals Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 27.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

nicht erforderlich, um das Angebot als Übernahmeangebot zu qualifizieren, eben weil diese Qualifikation gem. § 27 Abs. 1 WpÜG („gerichtet“) das tatsächliche Erreichen der Kontrollschwelle nicht voraussetzt.286 3. Pflichtangebote (§§ 35–39 WpÜG). Der fünfte Abschnitt, der §§ 35 bis 39 WpÜG 928 umfasst, regelt das Pflichtangebot als dritte Angebotsform. Dieses Pflichtangebot unterscheidet sich von den anderen beiden Angebotsformen, weil es nicht freiwillig erfolgt, sondern „erzwungen“ wird: Es ist auf Grund der in § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG vorgesehenen Angebotspflicht abzugeben. Auslöser dieser Pflicht ist die (unmittelbare oder mittelbare) Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft, was tatbestandlich auf die Vorschriften zur Kontrollschwelle im vierten Abschnitt aufbaut (hierzu ausführlich Rn 68–88).287 Überdies löst eine solche Kontrollerlangung noch eine weitere, zeitlich und normlogisch vorgelagerte Verpflichtung aus, nämlich die Pflicht zur Veröffentlichung des Kontrollerwerbs gem. § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG. Neben diesen beiden Pflichten, die den Kern des fünften Abschnitts ausmachen und die nachfolgend kommentiert werden (Rn 61–64), hat dieser Abschnitt folgende Inhalte: Einige flankierende Vorschriften in § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG selbst (zu Fristen, Verfahren und Inhalten); Ausnahmen bzw. Befreiungen von der Angebotspflicht in §§ 35 Abs. 3, 36 und 37 WpÜG; eine Sanktionsvorschrift in § 38 WpÜG (Anspruch auf Zinsen) sowie schließlich die Verweisungsnorm zur sinngemäßen Anwendung von Vorschriften aus den vorangegangenen Abschnitten in § 39 WpÜG. a) Pflicht zur Veröffentlichung des Kontrollerwerbs gem. § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG. Die 929 Pflicht zur Veröffentlichung des Kontrollerwerbs gem. § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG bildet das Pendant zur Regelung des § 10 WpÜG, die im Vorfeld von einfachen Erwerbs- und Übernahmeangeboten die Pflicht statuiert, die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots zu veröffentlichen (hierzu ausführlich unten, Rn 932).288 Da das Pflichtangebot nicht auf selbstbestimmter Entscheidung, sondern auf gesetzlicher Verpflichtung beruht, unterscheidet sich lediglich der Anknüpfungspunkt. Beide Offenlegungspflichten bilden aber gleichermaßen die jeweils erste Stufe des Angebotsverfahrens. Sie dienen überdies dem gleichen Regelungszweck, der darin besteht, die Öffentlichkeit frühzeitig über eine ganz bestimmte, kursrelevante Tatsache zu informieren, nämlich das Bevorstehen eines Angebots; beide Offenlegungspflichten bilden insofern eine spezifische Ausprägung der Ad-hoc-Publizität (und gehen daher § 15 WpHG als lex specialis vor);289 sie korrelieren wie diese mit dem Verbot von Insidergeschäften, weil sie gleichermaßen bezwecken, die Ausnutzung von Insiderwissen möglichst zu verhindern.290 Adressat der Offenlegungspflicht des § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG ist derjenige, der unmit- 930 telbar oder mittelbar die Kontrolle über eine Zielgesellschaft erlangt, also (grundsätzlich) der spätere Bieter i.S.v. § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG. Bei gemeinschaftlichen Erwerbsvorgängen

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KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 44; FrankfKommWpÜG/Haarmann § 29 WpÜG Rn 18; a.A. Santelmann AG 2002, 497. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause/Pötzsch § 35 WpÜG Rn 3. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause/Pötzsch § 35 WpÜG Rn 7; FrankfKommWpÜG/ Hommelhoff/Witt § 35 WpÜGRn 2. Vgl. § 35 Abs. 1 S. 4 i.V.m. § 10 Abs. 6 WpÜG; zu diesem Konkurrenzverhältnis (so-

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wie zum Verhältnis zu den Mitteilungspflichten gem. § 21 WpHG) näher Assmann/ Pötzsch/Schneider/Krause/Pötzsch § 35 WpÜG Rn 182–184; KölnKomm-WpÜG/ Hasselbach § 35 Rn 181–183, 189; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 170–172. Ausführlich KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 35 Rn 5; ähnlich Assmann/Pötzsch/ Schneider/Krause § 35 WpÜG, Rn 7.

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trifft die Offenlegungspflicht die einzelnen Mitglieder, soweit das gemeinsame „Vehikel“ nicht – wie insbesondere die Gesellschaft bürgerlichen Rechts – selbst (teil-)rechtsfähig und deshalb Pflichtadressat ist.291 Ebenso ist bei parallelen Erwerbsvorgängen eine Mehrheit von Pflichtadressaten denkbar, was jeweils die (umstrittene) Frage der Eigenständigkeit der jeweiligen Offenlegungspflichten oder umgekehrt deren gegenseitiger Absorption bzw. zumindest einer gebündelten Offenlegung aufwirft; Wortlaut, Gesetzgebungsgeschichte und vor allem die Richtlinienvorgabe sprechen für grundsätzlich eigenständige Verpflichtungen.292 931 Während der Begriff der Kontrolle auf die Definition in § 29 Abs. 2 WpÜG rekurriert, bedarf das Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren oder mittelbaren Erlangung solcher Kontrolle der Erläuterung: Neben dem Erwerb stimmberechtigter Aktien durch Kauf oder Tausch als Regelfall ist unmittelbare Kontrollerlangung auch durch andere, insbesondere gesetzliche Erwerbsvorgänge (z.B. durch Erbgang, Rechtsformwechsel oder Umwandlung) tatbestandlich erfasst, kann aber gem. § 36 WpÜG bei Einverständnis der Aufsichtsbehörde unberücksichtigt bleiben.293 Mittelbare Kontrollerlangung erfolgt demgegenüber durch Zwischenschaltung von Gesellschaften entweder auf Seiten des Bieters oder der Zielgesellschaft (Erwerb durch Tochtergesellschaft bzw. Erwerb einer Gesellschaft, die ihrerseits eine Tochtergesellschaft kontrolliert).294 Die Tatbestandsvoraussetzung korrespondiert mit der Zurechnungsvorschrift des § 30 WpÜG; dort finden sich weitere Zurechnungstatbestände (etwa Einräumung von Optionen oder abgestimmtes Verhalten), die Pflichten gem. § 35 WpÜG auslösen können.295 Bemerkenswert ist, dass auch die nur vorübergehende und selbst die passive, ohne eigenes Zutun erfolgende Erlangung von Kontrolle (etwa infolge Stimmrechtszurechnung, Erwerbs eigener Aktien oder Kapitalherabsetzung) grundsätzlich den Tatbestand von § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG erfüllt; allerdings kommt in solchen Fällen eine Befreiung gem. § 37 WpÜG in Betracht.296 Ebenfalls tatbestandsmäßig, aber gem. § 35 Abs. 3 WpÜG ausgenommen ist schließlich die Kontrollerlangung auf Grund eines vorangegangenen Übernahmeangebots (hierzu bereits oben, Rn 926).297

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Näher Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 52–54; KölnKomm-WpÜG/ Hasselbach § 35 Rn 65–69; FrankfKommWpÜG/Hommelhoff/Witt § 35 WpÜG Rn 72 (mit Hinweis auf etwaige Befreiungsmöglichkeit gem. § 37 WpÜG). Vgl. Mülbert NZG 2004, 633 (641); Hopt/ Mülbert/Kumpan AG 2005, 109 (113); Hopt ZHR 166 (2002), 383 (416 f.); überblicksweise außerdem Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 57–59; FrankfKommWpÜG/Hommelhoff/Witt § 35 WpÜG Rn 69–72. Näher zu solchen sonstigen (unmittelbaren) Erwerbsvorgängen: Assmann/Pötzsch/ Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 79 f.; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 35 Rn 82 f.; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 73–76. Im Einzelnen: Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause § 35 WpÜG Rn 88–102; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 35 Rn 84–90.

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Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 103–109; KölnKomm-WpÜG/ Hasselbach § 35 Rn 91; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 77– 84b. Auslöser sind jeweils gesellschaftsrechtliche Vorgänge, die zu einer Verschiebung von Stimmgewichten führen können (was beispielsweise bei der Kaduzierung nicht der Fall ist); dazu näher: Assmann/Pötzsch/ Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 110–132; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 35 Rn 92–105; MünchKommAktG/Schlitt/ Ries § 35 WpÜG Rn 85–97. Zu § 35 Abs. 3 WpÜG ausführlich: Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 270–284; KölnKomm-WpÜG/ Hasselbach § 35 Rn 241–256; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 250–264.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Ist der Tatbestand erfüllt (und keine Befreiung oder Ausnahme einschlägig), ergeben 932 sich Frist, Verfahren und Inhalt der Pflichtveröffentlichung ebenfalls aus § 35 Abs. 1 WpÜG, der allerdings weitreichende Verweisungen enthält. Die Veröffentlichung der Kontrollerlangung hat gem. S. 1 unverzüglich, spätestens innerhalb von sieben Kalendertagen zu erfolgen. Diese Frist beginnt gem. S. 2 mit dem Zeitpunkt, zu dem der Bieter Kenntnis vom Kontrollerwerb hat oder haben musste. Auch wenn dem Bieter richtigerweise zumindest gewisse Informationspflichten obliegen,298 können Kontrollerwerb und Fristbeginn besonders in Fällen passiven Kontrollerwerbs oder bei Erfüllung eines Zurechnungstatbestandes zeitlich divergieren. Das Verfahren folgt – weil § 35 Abs. 1 S. 1 und 4 WpÜG auf § 10 Abs. 2 bis 6 WpÜG verweisen – ähnlichen Regeln wie die Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines freiwilligen Angebots: Es bedarf also zunächst einer Mitteilung an die Geschäftsführungen der Börsen, an denen die Papiere der Zielgesellschaft zugelassen sind, sowie an die BaFin, bevor dann die Veröffentlichung im Internet oder bereichsöffentlich erfolgt und unverzüglich den Börsen und der BaFin zu übersenden ist; schließlich sind auch Vorstand der Zielgesellschaft und eigene Arbeitnehmervertretung des Bieters schriftlich zu informieren (dazu unten, Rn 966).299 In der Veröffentlichung ist – neben Zielgesellschaft und eigenen Daten des Bieters – die Höhe des Stimmrechtsanteils anzugeben, und zwar einschließlich etwaiger, jeweils nach Tatbestand getrennt anzugebender Hinzurechnungen gem. § 30 WpÜG.300 Die Angabe sollte, auch wenn vom Wortlaut des S. 1 nicht explizit gefordert, sowohl prozentual (relativer Anteil) als auch absolut (Anzahl der Stimmrechte) erfolgen, um den Gleichlauf mit den Daten zur Hinzurechnung gem. S. 3 zu gewährleisten.301 Dynamischer Angaben zum Zeitverlauf einzelner Anteilserwerbe bedarf es hingegen ebenso wenig wie Angaben zur Identität von Dritten, deren Stimmrechte zugerechnet werden.302 b) Pflicht zur Abgabe eines Angebots gem. § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG. Zentralstück des 933 fünften Abschnitts ist die Angebotspflicht gem. § 35 Abs. 2 S. 1 WpüG. Sie stützt sich auf den Grundgedanken, dass möglichst alle Anteilsinhaber an der Kontrollprämie partizipieren sollen, dient folglich dem Schutz der Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft (oben, Rn 888) und ist zugleich Ausprägung des Gleichbehandlungsgebots gem. § 3 Abs. 1 WpÜG (Rn 911). Die Möglichkeit gleichmäßiger Partizipation ist eröffnet, sobald ein Angebot flächendeckend für alle stimmberechtigten Anteile abgegeben wird; entsprechend entfällt die Angebotspflicht, wenn die Kontrolle auf Grund eines Übernahmeangebots er-

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Die spezifischen Anforderungen an Markbeobachtung und Information sind umstritten, vgl. Steinmeyer/Häger § 35 WpÜG Rn 72 und § 30 Rn 74 (fortlaufende Pflicht); Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 173 (anlassbezogen); KölnKommWpÜG/Hasselbach § 35 Rn 167; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 165 (jeweils nur in Ausnahmefällen). Ausführlich Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause § 35 WpÜG Rn 177–181; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 35 Rn 172–180; MünchKommAktG/Schlitt/ Ries § 35 WpÜG Rn 167–169. Näher Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 163 f.; KölnKomm-WpÜG/

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Hasselbach § 35 Rn 150 f.; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 155 f. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 164; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 35 Rn 152; ebenso, jedoch ohne Begründung: FrankfKommWpÜG/Hommelhoff/Witt § 35 WpÜG Rn 75; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 156. Vgl. einerseits FrankfKommWpÜG/Hommelhoff/Witt § 35 WpÜG Rn 76; andererseits Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 164; KölnKomm-WpÜG/ Hasselbach § 35 Rn 153; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 156.

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worben wurde (§ 35 Abs. 3 WpÜG, vgl. auch Rn 926). Eine strikte Gleichverteilung der Kontrollprämie vermag freilich selbst die Angebotspflicht nicht zu gewährleisten, weil denkbar bleibt, dass Paketaktionären bei außerbörslichem Erwerb einer Einstiegsbeteiligung oder umgekehrt bei Aufstockungsangeboten höhere Prämien gezahlt werden.303 Diesen Gefahren, die man „low balling“ bzw. „creeping in“ bezeichnet, tragen § 31 Abs. 3 und 5 WpÜG zumindest in gewissem Umfang Rechnung, indem sie solche Erwerbsvorgänge bei der Berechnung der Gegenleistung berücksichtigen – freilich nur, wenn sie innerhalb des dort bestimmten Zeitrahmens stattfinden.304 Unabhängig von der Höhe der Gegenleistung eröffnet die Angebotspflicht Minderheitsaktionären jedenfalls eine Austrittsmöglichkeit. Deren regelungssystematische Zuordnung als konzernrechtlicher Eingangsschutz oder (insbesondere angesichts des geltenden Zuschnitts überzeugender) kapitalmarktrechtlicher Funktionsschutz305 ist ebenso umstritten wie deren rechtsökonomische Beurteilung;306 beide Kontroversen haben jedoch primär für die rechtspolitische Beurteilung, weniger für die Rechtsanwendung Bedeutung. 934 In einem ersten Schritt verpflichtet § 35 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 WpÜG den Bieter, innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle über eine Zielgesellschaft der BaFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln. Der Begriff des Bieters umfasst den gleichen Adressatenkreis wie § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG (mit gleicher Wortwahl in S. 2), also jeden, der unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle über eine Zielgesellschaft erlangt.307 Insbesondere in Fällen von Personenmehrheiten oder mehreren Verpflichteten stellen sich daher die gleichen Anwendungsfragen wie in Abs. 1 (Rn 929); angesichts unterschiedlicher Schutzzwecke und vor allem auf Grund der höheren Eingriffsintensität sprechen jedoch im Fall der Angebotspflicht zusätzliche Argumente für eine Absorption.308 Auch die Frist zur Übermittlung der Angebotsunterlage knüpft dem Wortlaut nach an die Veröffentlichung der Kontrollerlangung gem. § 35 Abs. 1 WpÜG an. Aus teleologischen Gründen ist im Falle unterlassener oder verspäteter Veröffentlichung jedoch auf den

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Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 31. Eine Ausweitung wurde aus Anlass konkreter Gestaltungen (namentlich im Fall ACS/ Hochtief AG) rechtspolitisch diskutiert, aber nicht Gesetz: Vgl. den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, BT-Drs. 17/3481; näher Baums ZIP 2010, 2374; Cascante/Tyrolt AG 2012, 97 (104 f.); Cascante/Tyrolt in: Mülbert/Kiem/Wittig (Hrsg.), 10 Jahre WpÜG (2011), S. 110 (140–144). Einerseits etwa Reul S. 303 f.; Hopt ZHR 171 (2007), 199 (233 f.); ders. ZHR 166 (2002), 383 (386, 415); Mülbert ZIP 2001, 1221 (1226 f.); Fleischer NZG 2002, 545 (548); KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 35 Rn 1; FrankfKommWpÜG/Hommelhoff/ Witt vor §§ 35 bis 39 WpÜG Rn 39; andererseits Heiser Interessenkonflikte in der Aktiengesellschaft und ihre Lösung am Beispiel des Zwangsangebots (1999), S. 47–51, 350–377; Houben WM 2000, 1873 (1877); Kleindiek ZGR 2002, 546 (558–561); Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG

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Rn 31 f.; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht vor § 311 AktG Rn 10, 25. Überblicksweise Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 38 f.; Hopt ZHR 161 (1997), 368 (385 f.); vgl. ferner Houben WM 2000, 1873; RauBredow DBW 59 (1999), 763. Grundlegend zur ablehnenden Position, die vor allem Vertreter der Chicago School teilen: Easterbrook/Fischel Yale L.J. 91 (1982), 698. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 186; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 35 Rn 192; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 174. Ähnlich Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 196; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 35 Rn 228 f.; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 50; andererseits stattdessen für Befreiungsmöglichkeit nach § 37 Abs. 1 WpÜG Harbarth ZIP 2002, 321 (323); Kleindiek ZGR 2002, 546 (576, 578); FrankfKommWpÜG/Hommelhoff/Witt § 35

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Zeitpunkt abzustellen, zu dem die Veröffentlichung pflichtgemäß hätte erfolgen müssen.309 Ist die Veröffentlichung umgekehrt irrtümlich erfolgt, obwohl tatsächlich kein Kontrollerwerb stattfand, so bedarf es angesichts der ratio der Angebotspflicht richtigerweise keines solchen Angebots.310 Nach Übermittlung der Angebotsunterlage, die zugleich einen (konkludenten) Antrag auf Gestattung von deren Veröffentlichung beinhaltet, prüft die BaFin diese Unterlage nach den allgemeinen Maßstäben; Untersagungsgründe und Überprüfungsintensität ergeben sich gem. § 39 WpÜG aus § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpÜG.311 Auch die Prüfungsfrist folgt den allgemeinen Regeln und beträgt grundsätzlich zehn Werktage, vgl. §§ 35 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 14 Abs. 2 S. 1 WpÜG.312 Als zweiten Schritt verpflichtet § 35 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 WpÜG den Bieter, ein Angebot zu 935 veröffentlichen. Die Veröffentlichung der Angebotsunterlage hat gem. § 14 Abs. 2 S. 1 WpÜG, auf den die Vorschrift verweist, unverzüglich zu erfolgen.313 Das Verfahren zur Veröffentlichung folgt, weil § 35 Abs. 2 S. 2 WpÜG auf § 14 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 und 4 WpÜG verweist, ebenfalls den allgemeinen Regeln (dazu unten, Rn 970); neben der eigentlichen Bekanntgabe (im Internet sowie entweder im Bundesanzeiger oder per Schalterpublizität) bedarf es insbesondere der unverzüglichen Mitteilung an die BaFin sowie der Übermittlung an den Vorstand der Zielgesellschaft.314 Auch der Angebotsinhalt ergibt sich im Wesentlichen aus den allgemeinen Regeln (dazu unten, Rn 967); insbesondere bedarf es grundsätzlich eines Vollangebots (an alle Aktionäre für alle ihre Aktien, §§ 32 i.V.m. 39 WpÜG), das – obwohl in § 39 WpÜG ein expliziter Verweis in § 18 WpÜG fehlt – an keine Bedingungen geknüpft sein darf und bei dem die Art und Höhe der Gegenleistung gesetzlich vorgegeben sind (§§ 31 i.V.m. 39 WpÜG).315 Besonderheiten ergeben sich dagegen vor allem beim Kreis der Wertpapiere, auf die sich das Pflichtangebot erstrecken muss. Der Spezifizierung bedarf nämlich einerseits der Kreis der betreffenden Wertpapiergattungen:

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WpÜG Rn 69 f.; Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 135; für grundsätzlich eigenständige Angebotspflichten schließlich Angerer/Geibel/ Süßmann § 29 WpÜG Rn 33 (Ausnahme: Bietergemeinschaft). Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 188; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 35 Rn 193; MünchKommAktG/ Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 174. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 190 f.; MünchKommAktG/ Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 176; differenzierend nach unterschiedlichen Inhalten der Pflichtveröffentlichung dagegen KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 35 Rn 194–199. Näher Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 209 f.; KölnKomm-WpÜG/ Hasselbach § 35 Rn 211, 214; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 185 f. Die in § 14 Abs. 2 S. 3 WpÜG vorgesehene Möglichkeit der BaFin zur Fristverlängerung besteht trotz fehlendem Verweis in § 35 Abs. 2 S. 1, 2 WpÜG, da diese Vorschrift

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gem. § 39 WpÜG sinngemäß Anwendung findet; vgl. Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause § 35 WpÜG Rn 211; KölnKommWpÜG/Hasselbach § 35 Rn 216; Angerer/ Geibel/Süßmann/A. Meyer § 35 WpÜG Rn 74. Nach der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 S. 1 BGB bedeutet dies ohne schuldhaftes Zögern, vgl. Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause § 35 WpÜG Rn 214; KölnKommWpÜG/Hasselbach § 35 Rn 219; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 189; FrankfKommWpÜG/Hommelhoff/ Witt § 35 WpÜG Rn 88. Ausführlich Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause § 35 WpÜG Rn 215–218; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 35 Rn 220–224; MünchKommAktG/Schlitt/ Ries § 35 WpÜG Rn 190 f. Näher Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 224, 229–234; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 195–198, 203 f., 216. Zum Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit (und erforderlichen Ausnahmen): Fest ZBB 2017, 178.

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6. Teil. Marktregeln

Während (auch stimmrechtslose) Aktien zwingend einzubeziehen sind, und zwar richtigerweise ungeachtet ihrer Börsenzulassung, braucht sich das Pflichtangebot nicht auf wirtschaftlich vergleichbare Wertpapiere zu erstrecken, die keine Mitgliedschaftsrechte verkörpern und deshalb in der Wertpapierdefinition des § 2 Abs. 2 WpÜG nicht genannt sind (etwa Wandel-, Umtausch- oder Optionsanleihen, American Depositary Receipts oder Tracking Stocks).316 Andererseits statuiert § 35 Abs. 2 S. 3 WpÜG eine spezifische, an die Person des Anteilseigners anknüpfende Ausnahme, nämlich für eigene Aktien der Zielgesellschaft, für Aktien, die einem abhängigen oder im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen der Zielgesellschaft gehören, sowie für Aktien, die zwar einem Dritten gehören, aber für Rechnung der Zielgesellschaft oder eines von ihr abhängigen oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen gehalten werden.317 Hinter dieser Ausnahme steckt der Gedanke, dass den betreffenden Personen das für Minderheitsaktionäre spezifische Schutzbedürfnis fehlt. Da der Gesetzgeber die Regelung nicht pauschal auf alle Zurechnungstatbestände des § 30 WpÜG erstreckte, sondern auf die genannten Fälle beschränkte, sind weitere – ungeschriebene – Ausnahmen abzulehnen, selbst wenn das Schutzbedürfnis auch insoweit zweifelhaft erscheinen mag.318

III. Kontrollschwelle 936

Während der Anwendungsbereich des WpÜG im Ausgangspunkt nicht vom Kontrollwechsel abhängt (Rn 902), baut demnach die gesamte Systematik der Erwerbsangebote auf dem Begriff der Kontrolle auf: Im Gegensatz zu den Regeln des dritten Abschnitts zu einfachen Erwerbsangeboten, die auf sämtliche öffentlichen Erwerbsangebote Anwendung finden (Rn 920–925), setzen die Vorschriften des vierten Abschnitts zu Übernahmeangeboten voraus, dass ein Kontrollerwerb angestrebt wird (Rn 926 f.), und greifen umgekehrt die Regeln des fünften Abschnitts zu Pflichtangeboten ein, wenn ein Kontrollerwerb bereits erfolgt ist (Rn 928–935). Für die Gesetzesanwendung bildet die Kontrollschwelle insofern die zentrale Weichenstellung. Die einschlägigen Regelungen finden sich im vierten Abschnitt: Was Kontrolle bedeutet, definiert § 29 Abs. 2 WpÜG (nachfolgend Rn 937); ergänzend statuiert § 30 WpÜG, welche Stimmrechte bei der Bestimmung der entsprechenden Kontrollschwelle hinzuzurechnen sind (Rn 938).

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1. Definition (§ 29 Abs. 2 WpÜG). Die Regelung in § 29 Abs. 2 WpÜG definiert Kontrolle als „das Halten von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft“. Ob der betreffende Stimmrechtsinhaber – etwa aufgrund niedriger Hauptversammlungspräsenzen – tatsächlich hinreichendes Einflusspotential in der Zielgesellschaft hat, um gesellschaftsinterne Entscheidungen determinieren zu können, oder ob umgekehrt deren Kontrollverhältnisse – etwa aufgrund anderer Großaktionäre – solcher Einfluss-

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Ausführlich, auch zu teils abweichenden Gegenansichten Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause § 35 WpÜG Rn 220–223; vgl. ferner MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 196–198. Vgl. im Einzelnen Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 35 WpÜG Rn 226; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 35 Rn 205; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 199.

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So namentlich Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause/ § 35 WpÜG Rn 227; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 35 WpÜG Rn 207; Steinmeyer/Häger § 35 WpÜG Rn 98; Baums/Thoma/Hecker § 35 Rn 204; anders hingegen Mülbert ZIP 2001, 1221 (1223); Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche § 35 WpÜG Rn 43.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

macht entgegenstehen, ist mithin völlig unerheblich. Im Interesse der Rechtssicherheit und –klarheit entschied sich der Gesetzgeber vielmehr für eine Art Daumenregel, die zumindest „in den meisten Fällen“ (aber eben nicht zwingend) mit tatsächlicher Einflussmacht und insbesondere einer Hauptversammlungsmehrheit korreliert.319 Im deutschen Übernahmerecht gilt mit anderen Worten kein materieller, sondern ein höchst formaler Kontrollbegriff,320 der losgelöst von anderen gesetzlichen Kontrolldefinitionen (vgl. etwa § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB; § 7 Nr. 16 VAG; § 1 Abs. 35 KWG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 37 CRR) auszulegen ist und auch nicht mit konzernrechtlicher Abhängigkeit i.S.v. § 17 AktG verwechselt werden darf.321 Ein solchermaßen formaler Regelungsansatz ist durch die Übernahmerichtlinie, die in Abs. 5 Abs. 3 lediglich auf mitgliedstaatliches Recht verweist, zwar nicht zwingend vorgegeben.322 Er entspricht aber – auch hinsichtlich der gewählten Größenordnung von 30 % – dem überwiegenden rechtsvergleichenden Standard in Europa.323 Soweit sich die starre Schwelle im Einzelfall aus bestimmten, belegbaren Gründen als unpassend erweist, bleibt zumindest die Möglichkeit einer Befreiung nach §§ 36 oder 37 WpÜG.324 Zumindest eines der drei Tatbestandsmerkmale des § 29 Abs. 2 WpÜG wirft nur we- 938 nige spezifische Auslegungsfragen auf: Der Begriff der Zielgesellschaft ist im Sinne von § 2 Abs. 3 WpÜG zu verstehen (vgl. oben, Rn 904). Er umfasst mithin insbesondere auch Kommanditgesellschaften auf Aktien; der aus der KGaA-typischen Organisationsverfassung resultierenden Beschränkung des Einflusspotentials von Kommanditaktionären lässt sich daher alleine im Rahmen einer Befreiung gem. § 37 Abs. 1 WpÜG Rechnung tragen.325 Auf Gesellschaften mit Sitz im EU-Ausland dagegen findet der Kontrollbegriff des deutschen Rechts wegen der Einschränkung in § 1 Abs. 3 S. 2 WpÜG keine Anwendung, sondern derjenige ihres Sitzstaates.326 Der Begriff des Haltens (von Stimmrechten) – als zweites Tatbestandsmerkmal von § 29 939 Abs. 2 WpÜG – ist im sachenrechtlichen Sinne zu verstehen: Entscheidend ist das Eigentum, typischerweise an Aktien, die nämlich gem. § 12 Abs. 1 AktG das Stimmrecht gewähren (hierzu sogleich noch, Rn 940).327 Stimmrechtsvertretung bedeutet deshalb kein

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RegE WpÜG, S. 53. Im Vorfeld war ebendieser Ansatz heftig umstritten, vgl. etwa Benner-Heinacher DB 1997, 2521 (2521 f.) (gegen prozentuale Festlegung an sich); Strenger WM 2000, 952 (zu hoch); Assmann AG 1995, 563 (571) (zu niedrig). So namentlich KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 73. Vgl. RegE WpÜG, S. 53 sowie Assmann/ Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG Rn 10; Schwark/Zimmer/Noack § 29 WpÜG Rn 22; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 79 f. Assmann/Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG, Rn 9. So die ausdrückliche Erwägung des Gesetzgebers, vgl. RegE WpÜG, S. 53 (mit Blick auf Frankreich, Italien, Österreich, Schweiz und Vereinigtes Königreich); vgl. ferner Fleischer/ Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 111; MünchKommAktG/Wackerbarth § 29 WpÜG Rn 43; so-

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wie Assmann/Pötzsch/Schneider/Assmann § 29 WpÜG Rn 9 (mit Einzelnachw. in Fn 2). Assmann/Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG Rn 9; Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 111 f.; vgl. außerdem KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 76. Assmann/Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG Rn 25; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 71; einschränkend dagegen Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Ekkenga/Schulz § 35 Rn 20. Ausführlich KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 72; vgl. auch Meyer WM 2006, 1135 (1137 f.). Assmann/Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG Rn 22; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 94; U. H. Schneider/Anzinger NZG 2007, 88 (94); anders dagegen MünchKommAktG/Wackerbarth § 29 WpÜG Rn 45 (dingliches Eigentum nur einer von mehreren Anhaltspunkten).

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„Halten“ (ist jedoch im Rahmen der Zurechnungstatbestände zu berücksichtigen, s. Rn 947); auch schuldrechtliche Übertragungsansprüche oder dingliche Anwartschaftsrechte erfüllen den Tatbestand – noch – nicht.328 Umgekehrt ist der Zweck der Übereignung unerheblich, so dass namentlich die darlehensweise Übereignung im Rahmen der Wertpapierleihe und die Sicherungsübereignung zu einem Halterwechsel führen, dann aber wiederum eine Zurechnung an den bisherigen Halter in Betracht kommt (Rn 947).329 Der Eigentumserwerb braucht nicht zwingend rechtsgeschäftlich zu erfolgen; in den wichtigsten Fällen gesetzlichen Eigentumsübergangs ist jedoch Befreiung gem. § 36 WpÜG möglich. Kenntnis der eigenen Eigentumsposition setzt § 29 Abs. 2 WpÜG ebenfalls nicht voraus; allerdings beginnt ohne diese Kenntnis die Frist zur Veröffentlichung des Kontrollerwerbs gem. § 35 Abs. 1 S. 2 WpÜG nicht zu laufen.330 Gesellschaften einschließlich der BGB-Außengesellschaft können in eigenem Namen bzw. unter eigener Firma Aktien erwerben und daher als Halter qualifizieren.331 Schwierigkeiten bereiten dagegen (sonstige) Fälle des sachenrechtlichen Mit-, Gesamthands- oder Bruchteileigentums, etwa bei der Erben- oder Gütergemeinschaft: Weil und soweit Stimmrechte insoweit nicht individuell ausgeübt werden dürfen, sind sie den einzelnen Mitgliedern nicht jeweils vollumfänglich, sondern lediglich quotal zuzuordnen, vorbehaltlich wiederum etwaiger Zurechnung gem. § 30 WpÜG.332 Was schließlich die Dauer des Haltens angeht, statuiert § 29 Abs. 2 WpÜG keinerlei Mindestvoraussetzungen, so dass bereits die sprichwörtliche juristische Sekunde ausreicht und eine „gewisse Haltedauer“ nicht erforderlich ist.333 Werden die Papiere allerdings innerhalb eines einzigen Börsentages wieder veräußert, steht die Möglichkeit einer Befreiung gem. § 37 Abs. 1 WpÜG offen.334 940 Zentrale Bedeutung hat schließlich als drittes Tatbestandsmerkmal der – hinreichende, d.h. mindestens 30 Prozent betragende – Stimmrechtsanteil. Einerseits ist angesichts des Wortlauts klar, dass es auf den Stimmrechts-, nicht etwa auf den Kapitalanteil ankommt (anders als etwa bei der konzernrechtlichen Abhängigkeitsvermutung, vgl. §§ 17 Abs. 2 i.V.m. 16 Abs. 1 Alt. 1 AktG).335 Daraus folgt insbesondere, dass Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ebenso wie Bezugs-, Umtausch- und Optionsrechte, aber auch eigene Aktien (vgl. §§ 71b, 71d S. 4 AktG) stets unberücksichtigt bleiben, Mehrstimmrechtsaktien dagegen, soweit trotz § 12 Abs. 2 AktG überhaupt noch ausnahmsweise zulässig, mit entspre-

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Assmann/Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG Rn 22; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 95 und 106; zu schuldrechtlichen Übertragungsverpflichtungen vgl. außerdem OLG Frankfurt a. M. AG 2006, 798 (799) (unter 1.a) am Ende). Assmann/Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG Rn 22; ausführlich, auch zu weiteren Problemfeldern: KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 115 ff. In diesem Sinne (für den Fall unerkannter Nichtigkeit der Anteilsübertragung gem. § 191 AktG) OLG Frankfurt a. M. NZG 2006, 792 (793 f.); anders offenbar (Kenntnis per se erforderlich): Assmann/Pötzsch/ Schneider § 29 WpÜG, Rn 22. Ausführlich KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 97.

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Ebenfalls in diesem Sinne KölnKommWpÜG/von Bülow § 29 Rn 98; Ehricke/ Ekkenga/Oechsler § 29 Rn 15. Ebenso Schwark/Zimmer/Noack § 29 WpÜG Rn 22; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 103–105; anders jedoch Assmann/Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG Rn 22; einschränkend MünchKommAktG/Wackerbarth § 29 WpÜG Rn 46. Im Ergebnis ähnlich MünchKommAktG/ Wackerbarth § 29 WpÜG Rn 46 („Abwarten bis zum Ende des Börsentages“); Schwark/ Zimmer/Noack § 29 WpÜG Rn 22 („über den Tag hinaus“). Assmann/Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG Rn 8; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 75; Schwark/Zimmer/Noack § 29 WpÜG Rn 26.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

chendem Multiplikator in Anrechnung zu bringen sind.336 Vorübergehende Ausübungsoder Rechtshindernisse, wie sie sich beispielsweise aus §§ 67 Abs. 2 S. 1 bzw. 64 AktG (Ausübungshindernisse bei fehlender Eintragung bzw. Kaduzierung) oder umgekehrt aus §§ 59 WpÜG, 28 WpHG bzw. 67 Abs. 2 S. 2, 3 AktG (Rechtsverlust bei Verstößen gegen Veröffentlichungs-, Angebots-, Mitteilungs- bzw. Eintragungspflichten) ergeben können, lassen die Stimmrechte als solche dagegen unberührt und finden deshalb keine Berücksichtigung.337 Andererseits gibt die Norm vor, dass der prozentuale Anteil dieser Stimmrechte zu ermitteln ist, was bedeutet, dass die vom jeweiligen Bieter gehaltenen Stimmrechte ins Verhältnis zu den bei der Zielgesellschaft insgesamt vorhandenen Stimmrechten zu setzen sind: Erstere bilden somit den „Zähler“, letztere den „Nenner“.338 Beträgt der so errechnete Stimmrechtsanteil mindestens 30 Prozent, so besteht Kontrolle i.S.d. § 29 Abs. 2 WpÜG. 2. Zurechnungstatbestände (§ 30 WpÜG) a) Grundlagen. Da im Grundsatz ein höchst formaler Kontrollbegriff gilt (Rn 941), 941 der schematisch auf das Halten eines Stimmrechtsanteils von mindestens 30 Prozent abstellt, findet Einflusspotential, das auf andere Art und Weise vermittelt wird, im Ausgangspunkt keine Berücksichtigung.339 Solches Einflusspotential kann jedoch durchaus bestehen und entweder durch rechtliche Konstruktion oder durch soziales Verhalten vermittelt werden. § 30 WpÜG greift entsprechende Tatbestände in seinen ersten beiden Absätzen 1 und 2 auf und rechnet dem Bieter all diejenigen Stimmrechte zu, „auf deren Ausübung er von Rechts wegen oder tatsächlich Einfluss nehmen kann oder Einfluss hat“.340 Die Norm bildet insofern ein Gegenstück zu den beiden Befreiungstatbeständen in §§ 36 und 37 WpÜG, die in Fällen, in denen Kontrolle und die daran anknüpfenden Rechtsfolgen ansonsten (auch infolge einer Zurechnung gem. § 30 WpÜG) gegeben wäre, aber insbesondere die Angebotspflicht nicht sachgerecht erscheint, umgekehrt „Negativausnahmen“ auf Tatbestands- bzw. Rechtsfolgenseite zulassen.341 Im Gegensatz dazu bezweckt die Zurechnung gem. § 30 WpÜG eine Ausweitung des (eben zu formalen) Kontrollbegriffs, die aufgrund der zentralen Weichenfunktion dieses Begriffs nicht nur für die Abgrenzung von einfachen Erwerbs- und Übernahmeangeboten, sondern auch für das Eingreifen der Angebotspflicht übergreifende Bedeutung hat, und die zugleich Umgehungen – insbesondere ebendieser Angebotspflicht – vorbeugen soll.342 336

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Näher KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 84–91, 109; vgl. außerdem Assmann/ Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG, Rn 18, 20; MünchKommAktG/Wackerbarth § 29 WpÜG Rn 48 f., 52, 54; Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 112 f. Assmann/Pötzsch/Schneider § 29 WpÜG Rn 21; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 110–112. KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 29 Rn 83; MünchKommAktG/Wackerbarth § 29 WpÜG Rn 47; Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 112; ebenso noch zur Parallelvorschrift in § 21 Abs. 1 WpHG a.F.: BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., Stand: 22. Juli 2013, S. 105.

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Kritisch zum formalen Ansatz deshalb Cahn Der Kontrollbegriff des WpÜG, in: Mülbert/ Kein/Wittig (Hrsg.), 10 Jahre WpÜG, 2011, S. 77. Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG, Rn 4; vgl. außerdem OLG Frankfurt a. M. AG 2004, 617 (618); Casper ZIP 2003, 1469; Seibt ZIP 2004, 1829 (1830). Dazu bereits oben, Rn 937 a.E.; vgl. ferner, insbesondere zum umstrittenen Suspensiveffekt: Bunz ZIP 2014, 454; Holzborn/Blank NZG 2002, 948; Meyer/Lipsky NZG 2009, 1092; Wackerbarth/Kreße NZG 2010, 418. Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 4; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 4 f.; MünchKommAktG/Wackerbarth § 30 WpÜG Rn 1 f.

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In der Gesamtschau werfen die Zurechnungsregeln in § 30 WpÜG zunächst übergreifende Auslegungsfragen auf. Allgemein stellt sich die Frage, ob die Einzelregeln eng oder weit auszulegen sind, genauer: ob in Fällen, in denen dem Wortlaut nach zwar keine dieser Einzelvorschriften anwendbar ist, aber ein tatsächlich vergleichbares Einflusspotential besteht, ein Analogieverbot gilt. Rechtsprechung und Literatur nehmen teils ein solches Verbot an.343 Als Begründung dient überwiegend der Blick auf die Rechtsfolgen: Da die Zurechnung Auslöser der Veröffentlichungs- bzw. Angebotspflicht gem. § 35 WpÜG sein kann und diese Pflichten gem. § 60 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) und b) bußgeldbewehrt sind, gelte das Analogieverbot gem. § 3 OWiG auch für die Zurechnungstatbestände gem. § 30 WpÜG.344 Teils wird demgegenüber eine gespaltene Auslegung befürwortet, das Analogieverbot also auf die straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Rechtsfolgen beschränkt, dagegen für sonstige zivil- und aufsichtsrechtliche Konsequenzen die Möglichkeit einer Analogie befürwortet.345 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass bereits auf Tatbestandseite allgemeine Auslegungsgrundsätze für eine enge, wortlautgetreue Interpretation der Zurechnungsvorschriften streiten: Erstens sind Ausnahmeregeln im Zweifel eng auszulegen, zweitens zeigt der formale Gesamtzuschnitt, welchen Stellenwert der Gesetzgeber der Rechtsklarheit einräumen wollte, drittens ist die Aufzählung ausweislich ihres Wortlauts (nicht: „insbesondere“) enumerativ und daher abschließend. Weil bereits diese Gründe gegen eine teleologische Ausweitung sprechen, stellt sich die Frage einer gespaltenen Auslegung gar nicht erst. Eine zweite, speziellere Auslegungsfrage ergibt sich andererseits aus dem Umstand, dass § 22 WpHG eine Parallelvorschrift zu § 30 WpÜG statuiert. Teils nimmt man aufgrund dieses Gleichlaufs an, beide Normen seien „stets parallel und anhand identischer Maßstäbe“ zu interpretieren.346 Diese Ansicht verkennt allerdings, dass die beiden Regelungen erstens unterschiedlichen Zwecken dienen, nämlich einerseits der Kapitalmarkttransparenz, andererseits (auch) dem Minderheitenschutz;347 dass sie zweitens aufgrund zwischenzeitlicher Gesetzesänderungen keineswegs durchgehend identisch formuliert gewesen sind;348 und dass drittens das Gebot richtlinienkonformer Auslegung für die Auslegung von § 22 WpHG, der auf Art. 7 und 9 der Transparenzrichtlinie 1988 beruht, ohnehin Vorrang gegenüber einer parallelen Auslegung zu § 30 WpÜG genießt.349 Eine einheitliche Auslegung beider Vorschriften ist daher „weder zwingend noch überzeugend“.350 § 30 WpÜG kann und sollte vielmehr eigenständig ausgelegt werden.351

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BGH NZG 2006, 945 (946) (Tz. 17); Liebscher ZIP 2002, 1005 (1010); Pentz ZIP 2003, 1478 (1480); Casper ZIP 2003, 1469 (1473); vgl. außerdem von Bülow/Bücker ZGR 2004, 669 (713); Schanz DB 2008, 1899 (1904). So namentlich BGH NZG 2006, 945 (946) (Tz. 17, a.E.). Cahn ZHR 162 (1998), 1 (7 ff.); ders. ZHR 168 (2004), 483; Verse NZG 2009, 1331 (1334); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Grundmann HGB, 3. Aufl. 2015, Bd. 2, Rn VI 32; MünchKommAktG/Wackerbarth § 30 WpÜG Rn 10. KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 19 (selbst allerdings ablehnend); in diesem Sinne: Geibel/Süßmann BKR 2002, 52 (62); Hopt ZHR 166 (2002), 383 (410); Lange ZBB 2004, 22 (24); Liebscher ZIP 2002,

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1005 (1009); Wackerbarth ZIP 2005, 1217 (1218); MünchKommAktG/Wackerbarth § 30 WpÜG Rn 4–8; vgl. außerdem BT-Drs. 14/7034, S. 70. Vgl. statt aller KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 19. Näher Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 12 f.; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 21. Dazu namentlich Fleischer ZGR 2008, 185 (197); Franck BKR 2002, 709; Seibt ZIP 2005, 729 (733). Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 14; ganz ähnlich KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 21 („weder geboten noch im Einzelfall sachgerecht“). In diesem Sinne auch OLG Stuttgart AG 2005, 125 (129); Bachmann ZHR 173 (2009), 596 (635 f.); Caspar ZIP 2003, 1469

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Was die Wirkungsweise der Zurechnung angeht, führt diese zunächst zu einer entspre- 943 chenden Erhöhung des Stimmrechtsanteils eines (potentiellen) Bieters. Entgegen dem insoweit missverständlichen Wortlaut ist die Bietereigenschaft jedoch keine Zurechnungsvoraussetzung, sondern kann auch erst aus der Zurechnung folgen; Zurechnungssubjekt ist insofern jeder, der als Inhaber von Kontrolle i.S.d. § 29 Abs. 2 WpÜG in Frage kommt.352 Die Zurechnung erfolgt ihrerseits wiederum auf formale Weise, weil die tatsächliche Wahrnehmung bzw. Wahrnehmbarkeit der zuzurechnenden Stimmrechte ebenso unerheblich ist wie die Kenntnis jener Ausübungsmöglichkeit; der entsprechende Stimmrechtseinfluss wird vielmehr unwiderleglich vermutet.353 Zugleich hat die Zurechnung eine Mehrfachberücksichtigung der betreffenden Stimmrechte zur Folge, da diese beim eigentlichen Stimmrechtsinhaber trotz Zurechnung nicht spiegelbildlich in Abzug gebracht werden; teils ist deshalb, allerdings missverständlich, von „mehrfacher“ Zurechnung die Rede.354 Dieser Effekt kann jedenfalls zur Folge haben, dass Stimmrechte mehrfach erfasst werden und hinsichtlich ein- und derselben Stimmrechte mehrere Personen nebeneinander der Angebotspflicht unterliegen können.355 Bei ein- und derselben Person ist eine Mehrfachberücksichtigung ein- und desselben Stimmrechts hingegen ausgeschlossen, auch wenn mehrere Zurechnungstatbestände gleichzeitig (oder beim Aktieneigentümer selbst zusätzlich auch noch einer oder mehrere Zurechnungstatbestände) erfüllt sein sollten.356 Überdies stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit einer – sozusagen kaskadenartigen – Kettenzurechnung, ob also einem Bieter Stimmrechte zugerechnet werden müssen, die einem Dritten nicht selbst zustehen, sondern diesem seinerseits nur zuzurechnen sind (etwa: Zurechnung von Stimmrechten aus Aktien, an denen zu Gunsten nicht des Bieters selbst, sondern dessen Tochterunternehmen ein Nießbrauch bestellt ist).357 Jedenfalls in den beiden Fällen des § 30 Abs. 1 S. 2 (Zurechnung der dem Tochterunternehmen zugerechneten Stimmrechte) sowie des § 30 Abs. 2 S. 3 WpÜG (Zurechnung der dem Dritten, mit dem Verhalten abgestimmt wird, zugerechneten Stimmrechte) ist eine solche Kettenzurechnung vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen.358 In der Praxis werfen die Zurechnungsnormen vor allem Fragen der Informationser- 944 mittlung und effektiven Durchsetzung auf.359 Um dem Bieter überhaupt Kenntnis von den zuzurechnenden Stimmrechten (und seiner daraus resultierenden Pflichtenstellung) zu verschaffen, bedarf es vor allem einer zielführenden Informationsordnung: Der Bieter muss einer Informationsbeschaffungspflicht unterliegen, die ihrerseits voraussetzt, dass er selbst entsprechende Auskunftsrechte geltend machen kann und der Dritte umgekehrt korrespondierenden Auskunftspflichten unterliegt.360 Eine solche Informationsordnung statuiert

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(1477); Drinkuth ZIP 2008, 676 (677 ff.); Seibt ZIP 2005, 729 (733). KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 25; MünchKommAktG/Wackerbarth § 30 WpÜG Rn 1. KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 27. S. etwa Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 15. Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 15; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 29. Ähnlich etwa Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 139 f. Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 16; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30

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Rn 30; von Bülow/Bücker ZGR 2004, 669 (713 f.); Burgard BB 1995, 2069 (2077) („kumulierende Zurechnung“); Witt AG 2001, 233 (240). Zu (insbesondere hoheitlichen) Durchsetzungsfragen vgl. MünchKommAktG/Wackerbarth § 30 WpÜG Rn 12–18. Ausführlich Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 22–28; ders. Die kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten von Konzernunternehmen nach §§ 21 ff. WpHG, FS Brandner 1996, S. 565 (574 ff.). Näher KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 46–48.

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das WpÜG zwar nicht explizit, setzt sie aber voraus; entsprechende Bieterpflichten lassen sich insbesondere aus § 35 Abs. 1 S. 2 WpÜG (Kennen-Müssen) ableiten.361 Für Banken, die Depots Dritter führen, fragt sich umgekehrt, ob sie neben den betreffenden Dritten auch selbst zur Auskunft über etwaig zuzurechnende Stimmrechte ihrer Depotkunden verpflichtet sind, oder ob sie sich insoweit auf das Bankgeheimnis berufen können. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Normierung der Auskunftspflicht unterliegen Banken vorbehaltlich einer Einwilligung ihrer Kunden in solchen Fällen grundsätzlich der Verschwiegenheitspflicht (vgl. Nr. 2 Abs. 1 AGB-Banken); auch die Mitteilungspflicht im Sinne von Nr. 16 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte greift nicht, wie hier vorausgesetzt, zu Lasten der Depotkunden.362

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b) Rechtsbasierte Zurechnung (Abs. 1). Die einzelnen Zurechnungstatbestände sind in § 30 Abs. 1 und 2 WpÜG normiert: Während es im ersten Absatz um Einflusspotential geht, das auf rechtlicher Konstruktion beruht, betrifft der zweite Absatz Fälle tatsächlichen, auf sozialem Verhalten basierenden Einflusses.363 Der erste Absatz untergliedert sich seinerseits in acht verschiedene Zurechnungstatbestände. Diese einzelnen, kürzlich erweiterten Tatbestände können hier nur im Überblick dargestellt werden, ergänzt um punktuelle Vertiefungen bei Konstellationen, die speziell für Banken von besonderer Bedeutung sind.364 Eine rechtsbasierte Zurechnung erfolgt demnach bei Stimmrechten, die einem Tochterunternehmen des Bieters gehörten (Nr. 1), die für Rechnung des Bieters gehalten werden (Nr. 2), oder die einem Dritten als Sicherheit übertragen worden sind (Nr. 3). Sie erfolgt außerdem, wenn zugunsten des Bieters ein Nießbrauch bestellt ist (Nr. 4), wenn der Bieter die Stimmrechte durch eine Willenserklärung erwerben kann (Nr. 5), oder wenn ihm die Stimmrechte anvertraut sind und er diese nach eigenem Ermessen ausüben kann (Nr. 6). Nach der jüngsten Gesetzesänderung durch das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie365 erfolgt die Zurechnung schließlich auch dann, wenn Stimmrechte separat übertragen wurden (Nr. 7) oder bei dem Bieter als Sicherheit verwahrt werden und dieser die Stimmrechte hält und auszuüben gedenkt (Nr. 8). Während in allen diesen Fällen das Eigentum an der Aktie einerseits und die – mindestens potentielle – Einflussmacht auf die Stimmrechtsausübung aus dieser Aktie andererseits auf Grund rechtlicher Gestaltung auseinanderfallen, unterscheiden sich diese jeweiligen Gestaltungen: Sie sind nämlich teils gesellschaftsrechtlicher (Nr. 1), teils sachenrechtlicher (Nr. 2 bis 5 und Nr. 7 und 8) und teils vertragsrechtlicher Natur (Nr. 6). So kann sich die Einflussmacht auf eine andere Person, nämlich den Bieter, verlagern, weil dieser Bieter entweder die Entscheidungen einer zumindest teilrechtsfähigen, als Aktieneigentümerin fungierenden Gesellschaft bestimmen kann (hierzu sogleich, Rn 946), oder weil er als zwar nicht rechtlicher, aber wirtschaftlicher Eigentümer fungiert oder zumindest partielle Eigentumsbefugnisse übertragen bekommen hat (Rn 947), oder aber, weil dieser Bieter einseitig einen schuldrechtlichen Übertragungsanspruch begründen kann oder den Aktionär treuhänderisch vertritt (Rn 948).

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Zur Behandlung der gesetzlich nicht geregelten Fälle differenzierend Assmann/Pötzsch/ Schneider § 30 WpÜG Rn 20. Zu dieser Informationspflicht im Einzelnen Gericke/Saager WM 2008, 623. Ähnlich etwa Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 129.

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Umfassendere Darstellungen finden sich namentlich in den Kommentierungen von Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 29–163; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 57–202; Angerer/Geibel/Süßmann § 30 WpÜG Rn 2–30. BGBl. 2015 I, S. 2029, in Kraft seit 26.11. 2015.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Die Zurechnung auf Grund gesellschaftsrechtlicher Gestaltung, die Stimmrechte von 946 Tochterunternehmen betrifft (Nr. 1) und auf deren Definition in § 2 Abs. 6 WpÜG basiert, wirft eine Reihe von Anwendungsfragen auf, weil diese Definition einerseits in § 290 HGB verweist und andererseits auf den in § 17 Abs. 1 AktG ebenfalls verwendeten Begriff des beherrschenden Einflusses rekurriert, sich aber Friktionen ergeben können, weil diese handelsbilanz- bzw. konzernrechtlichen Regelungen teils abweichenden Schutzzwecke dienen.366 Diese Anwendungsfragen sind jedoch für Banken nicht unmittelbar von Bedeutung, jedenfalls sofern sie nicht selbst Bieter oder Zielgesellschaft sind, sondern als Berater Übernahmen begleiten. Andernfalls greifen, sofern die fraglichen Stimmrechte von den Tochterunternehmen nicht zu unternehmerischen Zwecken gehalten werden, umfangreiche Ausnahmeregeln. Aus Bankenperspektive konzentriert sich das Verständnisinteresse entsprechend auf diese Zurechnungsschranken (dazu unten, Rn 954), weniger auf den Zurechnungstatbestand selbst. Die Zurechnung auf Grund sachenrechtlicher Gestaltung ist ungleich vielschichtiger 947 und für Banken zumindest in einigen Punkten unmittelbar von Bedeutung. Eine erste Fallgruppe (Nr. 2) umfasst Stimmrechte aus Aktien, die einem Dritten gehören und von diesem für Rechnung des Bieters gehalten werden, bei denen also rechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinanderfallen. Auf Grund des Regelungszwecks muss das wirtschaftliche Eigentum allerdings auch die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung umfassen.367 Das Tatbestandsmerkmal „für Rechnung“ ist daher einschränkend auszulegen, was für eine Reihe bankpraktisch relevanter Einzelfälle Bedeutung hat: Werden Aktien beispielsweise für Kunden treuhänderisch gehalten, so sind die Stimmrechte dem Treugeber nur im Falle entsprechenden Einflusspotentials zuzurechnen, was insbesondere bei der fremdnützigen Verwaltungstreuhand typischerweise der Fall ist, aber in jedem Einzelfall spezifisch nach den Abreden im Treuhandvertrag zu beurteilen ist.368 Bei Wertpapierpensionsgeschäft und Wertpapierleihe hat der Pensions- bzw. Darlehensgeber umgekehrt typischerweise keine Möglichkeit, auf die Stimmrechtsausübung Einfluss zu nehmen, ist aber ebenfalls auf entsprechende Abreden zu achten.369 Aufgrund gleicher Erwägungen sind schließlich auch die Stimmrechte aus Aktien, die von Vermögensverwaltungs- und Fondsgesellschaften gehalten werden, regelmäßig nicht den einzelnen Anlegern zuzurechnen, auch wenn diese die wirtschaftlichen Chancen und Risiken entsprechender Kurs-

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Dazu ausführlich Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 29–48; KölnKommWpÜG/von Bülow § 30 Rn 91. In diesem Sinne BGH NZG 2014, 985 (990) (Tz. 50: „muss die Möglichkeit hinzukommen, auf die Stimmrechtsausübung des Eigentümers der Aktien Einfluss zu nehmen“); ebenso von Bülow/Petersen NZG 2009, 1373 (1374); Noack/Zetzsche Verdeckter Positionsaufbau in börsennotierten Aktiengesellschaften – Anlegerschutz, Publizität, Enforcement –, FS Schwark 2009, S. 569 (575); W. Meilicke/F. Meilicke ZIP 2010, 558 (562); KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 98; offenbar weiter Assmann/Pötzsch/ Schneider § 30 WpÜG Rn 60 (nicht nur rechtliches, sondern „tatsächliche[s] Weisungsrecht“ ausreichend). Vgl. ferner für die

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Parellelvorschrift in § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG BGHZ 180, 154. Dazu ausführlich von Bülow/Petersen NZG 2009, 1373 (1374 f.); Veil Stimmrechtszurechnungen nach Abstimmungsvereinbarungen gem. §§ 20 u. 30 WpHG, FS K. Schmidt 2009, S. 1645 (1649); Assmann/Pötzsch/ Schneider § 30 WpÜG Rn 61–64; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 101–106. Näher etwa U. Schneider/Brouwer Kapitalmarktrechtliche Transparenz bei der Aktienleihe, FS K. Schmidt 2009, S. 1422; Sieger/ Hasselbach WM 2004, 1370 (1371); KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 113– 122; zu entsprechenden Differenzierungen vor allem Bachmann ZHR 173 (2009), 596 (629); Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 87–98.

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schwankungen tragen; gleiches gilt für Derivatstrukturen mit ebendiesen Effekten.370 Eine zweite Fallgruppe betrifft die Sicherungsübertragung von Aktien; sie regelt einerseits die Zurechnung zum Sicherungsgeber (Nr. 3), andererseits – neuerdings – spiegelbildlich zum Sicherungsnehmer (Nr. 8). Einer Zurechnung bedarf es in beiden Fällen freilich nur, soweit die betreffende Partei nicht ohnehin rechtlicher Eigentümer der fraglichen Aktien ist bzw. bleibt; Nr. 3 gilt folglich nur für die Sicherungsübereignung,371 Nr. 8 dagegen nur für die Verpfändung.372 Die Zurechnung an den Sicherungsnehmer setzt wiederum, hier nun jeweils nach den ausdrücklichen Gesetzeswortlauten, eine – typischerweise im Sicherungsvertrag vereinbarte – Stimmrechtsbefugnis voraus, zusätzlich jedoch die nach außen erkennbare Bekundung der Absicht, die Stimmrechte unabhängig von den Weisungen des Bieters auszuüben – wofür beispielsweise die Anmeldung zur Hauptversammlung alleine nicht ausreicht.373 Bankenspezifische Bedeutung hat dieses letztgenannte Erfordernis der Weisungsunabhängigkeit im Rahmen von Nr. 8 (wo es allerdings nicht explizit formuliert, aber teleologisch zu ergänzen ist) für Depotverträge: Während diese in der Regel sowohl ein Depotpfand- als auch ein -stimmrecht vorsehen, braucht einzig wegen der typischerweise fortbestehenden Weisungsbefugnis des Aktionärs dennoch keine Zurechnung der Stimmrechte aus den verwahrten Aktien zur Depotbank zu erfolgen.374 In einer dritten Fallgruppe (Nr. 4) fehlt zwar wieder ein explizites Erfordernis der Stimmrechtsbefugnis, ist die Norm aber ähnlich wie in Nr. 2 aus teleologischen Gründen einschränkend auszulegen: Während beim Nießbrauch das Stimmrecht nach h.M. grundsätzlich beim Eigentümer verbleibt, setzt die Zurechnung beim Nießbraucher mithin eine spezifische Abrede (z.B. Legitimationszession, Stimmrechtsvollmacht) voraus.375 Eine weitere Fallgruppe, nämlich die Zurechnung von Stimmrechten aus Aktien, die der Bieter durch eine Willenserklärung erwerben kann (Nr. 5), scheint aus dem Rahmen zu fallen: Während es wiederum ausschließlich um sachenrechtliche Gestaltungen geht, nämlich um einseitige dingliche Erwerbsrechte,376 fehlt es insoweit – noch – an einer bestehenden Stimmrechtsbefugnis.377 Weil und soweit der Berechtigte es jedoch selbst in der Hand hat, den Eigentumserwerb und damit auch die Stimmrechtsbefugnis auszulösen, erscheint die aus der Norm resultierende Vorverlagerung gleichwohl systemgerecht; jedenfalls verhindert sie naheliegende Umge-

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Vgl. einerseits Veil FS K. Schmidt 2009, S. 1645 (1657); Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 79–85; KölnKomm-WpÜG/ von Bülow § 30 Rn 109 f. und 136–145; andererseits zu Derivaten: Baums/Sauter ZHR 173 (2009), 454 (470); Cascante/Topf AG 2009, 53 (67 f.); Fleischer/Schmolke ZIP 2008, 1501 (1503 ff.); KölnKomm-WpÜG/ von Bülow § 30 Rn 123–135. So jedenfalls Angerer/Geibel/Süßmann § 30 WpÜG Rn 18 f.; Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 100; KölnKomm-WpÜG/ von Bülow § 30 Rn 154; anders jedoch Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 30 Rn 14. In diesem Sinne Söhner ZIP 2015, 2451 (2454); Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Rothenfußer § 11 Rn 291 f.; anders hingegen Burgard/Heimann WM 2015, 1445 (1448); Schilha DB 2015, 1821 (1824); unklar Angerer/Geibel/Süßmann § 30 WpÜG Rn 30.

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Für Nr. 3 in diesem Sinne: Angerer/Geibel/ Süßmann § 30 WpÜG Rn 19; KölnKommWpÜG/von Bülow § 30 Rn 53; anders jedoch Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche § 30 WpÜG Rn 12. Für Nr. 8 ähnlich Paschos/ Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 295–297. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 296. KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 158 f.; Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche § 30 WpÜG Rn 13; anders jedoch Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 108 f. Veil FS K. Schmidt 2009, S. 1645 (1650); Angerer/Geibel/Süßmann § 30 WpÜG, Rn 22; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 163 f.; anders jedoch Assmann/Pötzsch/ Schneider § 30 WpÜG, Rn 129–136. KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 161 spricht insofern von einem „Fremdkörper“.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

hungsmöglichkeiten.378 Entsprechend muss der Eigentumserwerb ausschließlich im Belieben des Berechtigten stehen und insbesondere nicht von Bedingungen abhängen, deren Eintritt er nicht selbst in der Hand hat (nur sog. Potestativbedingungen).379 Finanzinstrumente, die Erwerbsrechte begründen – zum Beispiel Kaufoptionen oder Wandel- und Optionsanleihen –, haben in aller Regel keine Zurechnung gem. Nr. 5 zur Folge, weil sie entweder nur schuldrechtliche Ansprüche begründen oder für den Eigentumserwerb gar noch weitere Erfordernisse voraussetzen.380 Die separate Übertragung von Stimmrechten (Nr. 7) schließlich ist wegen des im deutschen Aktienrecht geltenden Abspaltungsverbots nur insoweit von Bedeutung, als eine solche Abspaltung zulässigerweise nach ausländischem Recht zustande kommt.381 Die Zurechnung (alleine) auf Grund vertragsrechtlicher Gestaltung betrifft Stimm- 948 rechte aus Aktien, die dem Bieter anvertraut sind oder aus denen er die Stimmrechte als Bevollmächtigter ausüben kann, sofern er die Stimmrechte aus diesen Aktien nach eigenem Ermessen ausüben kann, wenn keine besonderen Weisungen des Aktionärs vorliegen (Nr. 6). Anders als in den vorangegangenen Fallgruppen, bei denen die Stimmrechtsübertragung teils ebenfalls auf vertraglicher Gestaltung beruhte, fehlt es hier an einer sachenrechtlich begründeten Trennung von wirtschaftlichem und rechtlichem Eigentum. Es geht vielmehr um Fälle, in denen ein Aktionär einen anderen aufgrund eines gesonderten schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses mit der Wahrung seiner eigenen Vermögensinsteressen aus den Aktien betraut oder ihn als Stimmrechtsvertreter bevollmächtigt.382 In beiden Fällen ist indessen ein eigener Ermessensspielraum dieser anderen Person erforderlich; ob dieser tatsächlich ausgenutzt wird, ist dagegen unerheblich.383 Bankpraktisch wichtige Fallgestaltungen betreffen insbesondere Kapitalverwaltungsgesellschaften, sofern diese nicht ohnehin selbst Inhaber der verwalteten Aktien sind (also insbesondere im Falle der Miteigentumslösung),384 sowie Depotstimmrechte, die allerdings mangels eigenen Ausübugsermessens der Depotbank auch im Rahmen von Nr. 6 keine Zurechnung zu begründen vermag.385 c) Verhaltensbasierte Zurechnung (Abs. 2). Die Vorschrift in § 30 Abs. 2 WpÜG sieht 949 eine Zurechung auch in Fällen tatsächlichen, auf sozialem Verhalten basierenden Einflusses vor; man spricht von „acting in concert“ (allerdings ohne begrifflichen Mehrwert).386

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So überzeugend Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 262; vgl. ferner MünchKommAktG/Wackerbarth § 30 WpÜG Rn 25. KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 168; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 265. Hierzu im Einzelnen KölnKomm-WpÜG/ von Bülow § 30 Rn 173–185; ähnlich ferner Angerer/Geibel/Süßmann § 30 WpÜG Rn 23 f.; a.A. Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 137–139. Angerer/Geibel/Süßmann § 30 WpÜG Rn 29; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 284–286; vgl. auch Bosse BB 2015, 746 (749). So etwa Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Rothenfußer § 11 Rn 269; vgl. auch KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 188.

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Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 148; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 194; Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Rothenfußer § 11 Rn 271. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 276; KölnKomm-WpÜG/ von Bülow § 30 Rn 198; vgl. auch Angerer/ Geibel/Süßmann § 30 WpÜG Rn 26. So etwa Angerer/Geibel/Süßmann § 30 WpÜG Rn 28; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 200; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 277; im Ergebnis auch Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 154–160 (mit ausführlicher Darstellung des Streitstands). Zur international uneinheitlichen Begriffsverwendung näher: Assmann/Pötzsch/ Schneider § 30 WpÜG, Rn 164.

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6. Teil. Marktregeln

Während das Grundkonzept des Kontrollbegriffes höchst formaler Natur ist und selbst die Zurechnung nach § 30 Abs. 1 WpÜG noch vergleichsweise konkret erfolgt, weil sie auf spezifischen, rechtlich konturierten Tatbeständen erfolgt, hängt die Zurechnung gem. § 30 Abs. 2 WpÜG von der wenig präzisen, generalklauselartig formulierten Frage ab, ob der Bieter oder sein Tochterunternehmen „sein Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt“. Dieses zentrale Tatbestandsmerkmal abgestimmten Verhaltens wird zwar in S. 2, der durch das Risikobegrenzungsgesetz von 2008 neu eingefügt wurde,387 an zusätzliche inhaltliche Voraussetzungen geknüpft, die jedoch ihrerseits offen formuliert sind („oder […] in sonstiger Weise“). Diese Unbestimmtheit von § 30 Abs. 2 WpÜG, die besonders kontroverse Auslegungsfragen aufwirft,388 steht zwar in augenfälligem Kontrast zu dem ansonsten formalen übernahmerechtlichen Kontrollkonzept, dient aber gerade dazu, den Umgehungsgefahren zu begegnen, die solche spezifisch konturierte Tatbestandsmerkmale naturgemäß mit sich bringen. Umgekehrt greift selbst diese tatbestandliche Reichweite teils zu kurz, weil sie bestimmte Fälle gegenseitiger Abstimmung nicht explizit erfasst, die nach der europäischen Übernahmerichtlinie eine Angebotspflicht auslösen (namentlich den abgestimmten Anteilserwerb, hierzu sogleich Rn 953). 950 Hinsichtlich der Beteiligten verlangt § 30 Abs. 2 S. 1 WpÜG, dass neben dem Bieter – der nicht notwendig selbst Aktionär zu sein braucht –389 mindestens eine weitere Person an der gegenseitigen Abstimmung teilhat. Dieser „Dritte“, der weder mit dem Bieter noch mit der Zielgesellschaft personenidentisch sein darf (aber durchaus eine Tochtergesellschaft des Bieters sein kann),390 braucht ebenfalls nicht Aktionär der Zielgesellschaft zu sein; ihm müssen aber angesichts des Wortlauts von § 30 Abs. 2 S. 3 WpÜG zumindest Stimmrechte gem. § 30 Abs. 1 WpÜG zugerechnet werden können.391 951 Hinsichtlich des Abstimmungsvorgangs bedarf es laut Wortlaut nicht notwendig einer ausdrücklich oder konkludent getroffenen vertaglichen Vereinbarung, etwa eines Stimmbindungs- oder Konsortialvertrages. Vielmehr genügen auch informelle Formen gegenseitiger Verhaltenskoordination („gentlemen agreements“), die aber zumindest auf einer – auch mittelbaren – gegenseitigen Kommunikation beruhen und von bewusstem Kooperationswillen getragen sein müssen.392 Nicht erfasst sind deshalb Fälle der unerbetenen Wahrnehmung von Bieterinteressen oder auch des unbewussten Parallelverhaltens,393 während umgekehrt ein Zusammenwirken im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften oder

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BGBl. I 2008, S. 1666. Exemplarisch zur kontroversen Reformdiskussion im Vorfeld des Risikobegrenzungsgesetzes, die durch die Entscheidung BGHZ 169, 98 (WMF) ausgelöst wurde: Paschos/ Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 299; vgl. ferner MünchKommAktG/Wackerbarth § 30 WpÜG Rn 26. Lange Der Konzern 2003, 675 (681); Löhdefink Acting in Concert und Kontrolle im Übernahmerecht, 2007, S. 248 f.; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 209; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 313. Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 231; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30

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Rn 210, 266; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 312. Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 170; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 210; Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Rothenfußer § 11 Rn 313. Vgl. BGH NZG 2006, 945 (946) (Rn 14); OLG Frankfurt a. M. NZG 2004, 865 (867); Drinkuth ZIP 2008, 767; Pentz ZIP 2003, 1478; Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 176; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 214; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 316. OLG München ZIP 2005, 856 (857); KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 215.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Verbänden ausreichen kann.394 Maßgeblich ist schließlich diese Abstimmung selbst, nicht die erfolgreiche Umsetzung der abgestimmten Maßnahmen. Der Erfolgseintritt ist mithin unerheblich; umgekehrt darf von solchem Erfolgseintritt nicht vorschnell auf eine Abstimmung geschlossen werden, wenn diese nicht tatsächlich im Vorhinein stattgefunden hat.395 Eine für Banken besonders wichtige Einzelfage lautet, ob bereits die Beratung ihrer Kunden, etwa im Vorfeld einer M&A-Transaktion oder auch im Rahmen der Anlageberatung, eine Abstimmung darstellt und damit eine Zurechnung begründen kann. Weil und soweit der Kunde ungeachtet dieser Beratung jeweils eigenverantwortlich entscheidet, fehlt es jedoch an der erforderlichen Koordination (anders allerdings u.U. im Rahmen der Vermögensverwaltung).396 Umgekehrt ist allerdings eine solche Abstimmung – und Zurechnung – zu bejahen, wenn die fragliche Bank nicht nur berät, sondern im Auftrag ihres Kunden tätig wird und bspw. Aktien erwirbt (hierzu noch unten, Rn 953).397 Der Inhalt dieser Abstimmung muss den Anforderungen des § 30 Abs. 2 S. 2 WpÜG 952 genügen, der insoweit zwei Fallgruppen unterscheidet. Die erste Fallgruppe betrifft die Verständigung über „die Ausübung von Stimmrechten“. Gemeint ist ausschließlich die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung, nicht etwa im Aufsichtsrat.398 Umgekehrt sind nach dem Wortlaut Zweck, Einflusspotenzial und Dauerhaftigkeit dieser Stimmrechtskoordination ohne Bedeutung, vorbehaltlich freilich der in § 30 Abs. 2 S. 1 a.E. WpÜG vorgesehenen Ausnahme der einzelfallbezogenen Koordination.399 Die Stimmrechte müssen schließlich von mindestens zwei unterschiedlichen Personen ausgeübt werden, so dass Gesellschafterabsprachen zur Ausübung der Stimmrechte ein- und derselben Gesellschaft aus Aktien an einer anderen Gesellschaft vom Tatbestand nicht erfasst sind.400 Die zweite Fallgruppe betrifft das Zusammenwirken in sonstiger Weise mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der Ausrichtung der Zielgesellschaft. Anders als nach der früheren Gesetzesfassung (jedenfalls im Verständnis des BGH)401 sind damit vielfältige Formen faktischer, nicht auf Stimmrechtsausübung beruhender Einflussnahme erfasst, etwa durch Druck auf den Vorstand.402 Das entsprechende Einflusspotential muss allerdings laut Gesetzesbegründung durch gesellschaftsrechtliche Beteiligung vermittelt sein, so dass insbesondere der Einfluss von Banken, die Beratungs- oder Finanzierungsdienstleistungen erbringen, keine entsprechende Zurechnung zu begründen

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Mit Beispielen Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 176. Ähnlich KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 215; Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Rothenfußer § 11 Rn 319. Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 229 f. Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 197; a.A. Mülbert Bankrechtstag 2006/2007, S. 141 (159). So explizit BGH NZG 2006, 945 (947) (Rn 18); vgl. ferner Bericht des Finanzausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz), BT-Drs. 16/9821, S. 12; Weiler/Meyer NZG 2003, 909 (910 f.); KölnKommWpÜG/von Bülow § 30 Rn 275.

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Ausführlich zu dieser Ausnahmevorschrift: Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 199–206; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 234–240; MünchKommAktG/ Wackerbarth § 30 WpÜG Rn 39–41; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 337–343. KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 261 f.; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 324 f. BGHZ 169, 98; dazu näher U. Schneider ZGR 2007, 440 (ablehnend); Borges ZIP 2007, 357 (361) (zustimmend). Näher etwa von Bülow/Stephanblome ZIP 2008, 1797 (1798); Fleischer ZGR 2008, 185 (199); Gätsch/Schäfer NZG 2008, 846 (850); U. Schneider ZGR 2007, 440 (451); Wilsing/Goslar DB 2007, 2467 (2468).

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6. Teil. Marktregeln

vermag.403 Schließlich setzt diese zweite Fallgruppe (anders als die erste) ein subjektives Tatbestandsmerkmal voraus, nämlich die Absicht einer „dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft“. Die gemeinsame Zielsetzung muss mithin unternehmensstrategischer Natur sein: Sie darf sich deshalb von vorneherein nicht nur auf Einzelfallentscheidungen beziehen, sondern muss sich sowohl durch langfristige Orientierung als auch durch inhaltliches Gewicht auszeichnen.404 Überdies darf sie nicht ausschließlich auf die Beibehaltung des status quo gerichtet sein405. 953 Eine für die Bankpraxis besonders wichtige Einzelfrage lautet, ob bereits der abgestimmte Parallelerwerb von Beteiligungen (oder auch deren Parallelveräußerung) von § 30 Abs. 2 WpÜG erfasst ist. Während es an einer Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten in diesen Sachverhalten offensichtlich fehlt, ist die Subsumtion unter die zweite Fallgruppe umstritten:406 Der Wortlaut ist insoweit nicht eindeutig, scheint aber weitergehende Absprachen insbesondere über künftige Einflussnahmen auf die Unternehmenspolitik zu erfordern. Der Wille des historischen Gesetzgebers deutet in die gleiche Richtung, weil der Vorschlag, eine ausdrückliche Regelung zum abgestimmten Parallelerwerb zu statuieren, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aufgegeben wurde, und zwar mit dem expliziten Hinweis, „dass letztlich nur ein Verhalten zu einer Zurechnung führen soll, das eine Abstimmung in Bezug auf den Emittenten bzw. die Zielgesellschaft beinhaltet. Bei einem bloßen – ggf. auch gemeinsam erfolgenden – Aktienerwerb ist dies nicht zwangsläufig der Fall“.407 Gegen diese Auslegung streitet allerdings die Richtlinienvorgabe, da Art. 2 Abs. 1 lit. d) und Art. 5 Abs. 1 ÜRL jeweils bereits gemeinsames Handeln zum Zwecke des Kontrollewerbs ausreichen lassen.408 Da selbst der eindeutige Gesetzge-

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In diesem Sinne Bericht des Finanzausschusses zum Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drs. 16/9821, S. 12 („auf Grund ihres gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflusses“); vgl. ferner Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 330. Ähnlich Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 192; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 231; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 331 f. Bericht des Finanzausschusses zum Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drs. 16/9821, S. 11; Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 190; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 233; Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Rothenfußer § 11 Rn 333; zweifelnd allerdings Krause Die „kalte“ Übernahme, FS U. Schneider 2011, 669. Bejahend Berger/Filgut AG 2004, 592; Borges ZIP 2007, 357 (364); Engert ZIP 2006, 2105 (2111); Assmann/Pötzsch/Schneider § 30 WpÜG Rn 193–198; ablehnend dagegen BGHZ 169, 98 (108) (Rn 25); OLG Frankfurt a. M. ZIP 2003, 1977 (1980); OLG Frankfurt a. M. WM 2004, 1638 (1642); Saenger/Kessler ZIP 2006, 837

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(839); Seibt ZIP 2004, 1829 (1832); Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche § 30 WpÜG Rn 33; Angerer/Geibel/Süßmann § 30 WpÜG Rn 31; KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 277–279; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Rothenfußer § 11 Rn 348. Bericht des Finanzausschusses zum Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drs. 16/9821, S. 11 (zur Parallelvorschrift des § 22 Abs. 2 WpHG); zu dieser Entstehungsgeschichte näher: KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 278; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Rothenfußer § 11 Rn 348. Engert ZIP 2006, 2105 (2111); Berger/Filgut AG 2004, 592 (595 f.); Hopt/Mülbert/Kumpan AG 2005, 109 (111); Mülbert NZG 2004, 633 (641); MünchKommAktG/Wackerbarth § 30 WpÜG Rn 28–31; anders Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche § 30 WpÜG Rn 33 (jedoch auf Grundlage der zu weit reichenden Behauptung, die „Präzisierung des Kontrollbegriffs“ sei – pauschal – den Mitgliedsstaaten überlassen, vgl. demgegenüber Art. 5 Abs. 3 der Übernahmerichtlinie).

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

berwille einer richtlinienkonformen Auslegung nicht notwendig entgegensteht,409 sprechen die besseren Gründe für eine entsprechend weite Gesetzesinterpretation. Klarheit kann hier aber erst der EuGH schaffen, dem der BGH gem. Art. 267 AEUV entsprechende Auslegungsfragen zwingend vorzulegen hätte. Banken, die Übernahmen begleiten, müssen sich einstweilen jedenfalls des Risikos einer entsprechenden Zurechnung bewusst sein: Es besteht namentlich bei Übernahmeverträgen, etwa wenn sich Banken verpflichten, im Interesse ihres Kunden Aktien aufzukaufen, kann aber auch bei sog. Standstill Agreements oder der Vereinbarung von bestimmten Vorerwerbsrechten (Vorkaufs- oder Optionsrechten) sowie bei Paketkaufverträgen und sog. Irrevocables eine Rolle spielen.410 d) Zurechnungsschranken. In bestimmten Fällen, die eigentlich einen Zurechnungstat- 954 bestand erfüllen, greifen gesetzliche Ausnahmeregeln, die diese Zurechnung wiederum beschränken. Einige dieser Regeln sind besonders für die Bankpraxis relevant. Eine erste solche Ausnahme findet sich unmittelbar in § 30 Abs. 3 WpÜG, der in Form einer gesetzlichen Fiktion statuiert, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen hinsichtlich der Beteiligungen, die sie im Rahmen einer Wertpapierdienstleistung nach § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WpHG verwalten, unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Tochterunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 6 WpÜG gelten, mit der Folge, dass Stimmrechte aus den betreffenden Aktien weder über § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpÜG noch über § 30 Abs. 1 S. 2 WpÜG zugerechnet werden. Hinter dieser Ausnahme steckt der Gedanke, dass die Stimmrechte aus im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung verwalteten Aktien zwar nach § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 WpÜG zugerechnet, aber alleine im Kundeninteresse ausgeübt werden; eine Kettenzurechnung dieser Stimmrechte beim Mutterunternehmen des Wertpapierdienstleisters erscheint deshalb mangels entsprechendem Einflusspotenzial nicht unbedingt angemessen.411 Die Stimmrechtszurechnung ist freilich nur unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen, nämlich wenn die Stimmrechtsausübung weisungsabhängig erfolgt oder durch bestimmte Vorkehrungen Gewähr besteht, dass die Finanzportfolioverwaltung unabhängig von anderen Dienstleistungen erbracht wird (Nr. 1), und wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Stimmrechte unabhängig vom Bieter ausübt (Nr. 2). Zudem bestehen zwei formale Erfordernisse, weil der Bieter bestimmten Mitteilungs- und Erklärungspflichten gegenüber der BaFin unterliegt (Nr. 3 und 4). Diese Voraussetzungen werden durch die Transparenzrichtlinie-Durchführungsverordnung konkretisiert, mit der eine europäische Durchführungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt wurde.412

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Vgl. dazu allgemein BGH NJW 2009, 427 (430) (Quelle); erforderlich und ausreichend ist demnach der allgemeine Wille des Gesetzgebers, eine Richtlinie ordnungsgemäß umzusetzen. Im Einzelnen zu diesen Fallgruppen (allerdings die Zurechnung jeweils ablehnend): KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 280–282 und 290–294. So vor allem KölnKomm-WpÜG/von Bülow § 30 Rn 302; vgl. ferner Assmann/Pötzsch/ Schneider § 30 WpÜG Rn 49–54. Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie

2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. EG L 97/27; umgesetzt durch die Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind (TranspRLDV) vom 13.3.2008 (BGBl. I S. 408).

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6. Teil. Marktregeln

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Eine weitere Ausnahme statuiert § 20 WpÜG, der nämlich ermöglicht, dass Wertpapiere im Handelsbestand (unter anderem) bei der Berechnung des Stimmanteils keine Berücksichtigung finden. Wertpapiere, die – insbesondere, aber nicht ausschließlich von Wertpapierdienstleistungsunternehmen – nicht als unternehmerische Beteiligung, sondern zu Zwecken der Vermögensanlage und Spekulation gehalten werden, können demnach bei der Ermittlung der Kontrollschwelle außen vor bleiben, weil ihr Erwerb primär der Weiterveräußerung und somit nicht der dauerhaften Einflußnahme auf die betreffende Gesellschaft dient.413 Es bedarf freilich einer Befreiung durch die BaFin, die gem. § 20 Abs. 2 WpÜG an zwei Voraussetzungen geknüpft ist, nämlich dass die betreffenden Wertpapiere gehalten werden (sollen), „um bestehende oder erwartete Unterschiede zwischen dem Erwerbspreis und dem Veräußerungspreis kurzfristig zu nutzen“ (Nr. 1), und dass mit deren Erwerb „nicht beabsichtigt ist, auf die Geschäftsführung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen“ (Nr. 2).414 956 Bis vor kurzem fanden sich auch außerhalb des WpÜG Ausnahmeregeln zu dessen Zurechnungsvorschriften. Für die Bankpraxis von Bedeutung waren die Sonderregeln des KAGB (früher InvG), die namentlich Kapitalanlage-, Investmentaktien- und Investmentgesellschaften betrafen: § 94 Abs. 2 KAGB (bzw. § 32 Abs. 2 InvG) sahen nämlich vor, dass Kapitalanlagegesellschaften im Regelfall keine Tochterunternehmen i.S.d. § 2 Abs. 6 WpÜG sind, und dass Stimmrechte aus Aktien, die sich in einem nach der Treuhandlösung organisierten Publikumsfonds befinden, nicht nach § 30 Abs. 1 WpÜG zuzurechnen waren. Die Ausnahme, die entsprechend auch für Investmentaktiengesellschaften und Investmentgesellschaften (auch ausländische, allerdings mit gewissen Einschränkungen) Anwendung fand, basierte auf dem Gedanken, dass Anleger eines solchen Fonds regelmäßig keinen Einfluss auf die Ausübung von Stimmrechten aus vom Fonds gehaltenen Aktien haben.415 Da diese Ausnahme keine Entsprechung in der Transparenzrichtlinie findet, wurde sie jedoch mit dem Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie aufgehoben und ist daher seit Ende November 2015 außer Kraft.

C. Ablauf Übersicht Rn I. Vorbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . 958 1. Auswahl und Bewertung der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 959 2. Strukturierung von Transaktion und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . 961 3. Kontaktaufnahme zur Zielgesellschaft . 963 II. Abgabe des Angebots . . . . . . . . . . . . 965 1. Zwecke und Inhalte der Angebotsunterlage . . . . . . . . . . . . . . . . . 966 2. Haftung für unrichtige und unvollständige Angebotsunterlagen . . . . . . 968 3. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . 970 4. Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . 971

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Ähnlich Assmann/Pötzsch/Schneider/Seiler § 20 WpÜG, Rn 4; zur Bedeutung für Banken und andere Finanzdienstleister KölnKomm-WpÜG/Hirte § 20 Rn 16. Ausführlich zu beiden Voraussetzungen: Assmann/Pötzsch/Scheider/Seiler § 20 WpÜG

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III. Reaktion der Zielgesellschaft 1. Stellungnahme . . . . . . . 2. Abwehrmaßnahmen . . . . IV. Annahme des Angebots . . . 1. Verfahrensfragen . . . . . 2. Bindung an das Angebot . 3. Konkurrierende Angebote 4. Abwicklung . . . . . . . . V. Nachbereitung . . . . . . . . 1. Konzernierung . . . . . . . 2. Ausschluss . . . . . . . . . 3. Andienung . . . . . . . . .

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Rn 12–35; KölnKomm-WpÜG/Hirte § 20 Rn 57–82; MünchKommAktG/Wackerbarth § 20 WpÜG Rn 8–22. Ausführlich zum damaligen Regime KölnKomm-WpÜG/Hirte § 20 Rn 4956.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Nach Klärung der wesentlichen Grundkonzepte – und bevor in den beiden abschlies- 957 senden Abschnitten auf die Rolle der Banken als Begleiter des Bieters bzw. der Zielgesellschaft eingegangen werden kann – ist es sinnvoll, den Ablauf von Übernahmen überblicksweise zu skizzieren. Nach typischer Zeitplanung ist insgesamt mit einer Dauer von mindestens vier Monaten zu rechnen.416 Je nach Detailgenauigkeit lassen sich dabei drei bis fünf Zeitabschnitte unterscheiden. Ausser der Angebotsdurchführung selbst gibt es nämlich einerseits eine Phase vor Abgabe des Angebots, die primär der strategischen Vorbereitung der Transaktion dient (Auswahl und Bewertung der Zielgesellschaft, Strukturierung von Transaktion und Finanzierung, Kontaktaufnahme zur Zielgesellschaft), und andererseits eine Phase nach Abwicklung des Angebots, bei der dann vor allem nachbereitende Fragen der Integration der Zielgesellschaft im Mittelpunkt stehen (Konzernierung und besonders auch Ausschluss und Andienung). Die zentrale Phase der Angebotsdurchführung lässt sich ihrerseits nochmals in drei Unterabschnitte unterteilen; diese strukturieren sich vor allem durch die Abgabe des Angebots durch den Bieter (mit Fragen insbesondere zu Angebotsunterlage, Verfahren und Gegenleistung), die Reaktion der Zielgesellschaft (insbesondere Stellungnahme, aber auch Fragen von Abwehrmaßnahmen) und die Annahme des Angebots (insbesondere Verfahren und Abwicklung, Bindungswirkung des Angebots und konkurrierende Angebote). Die exemplarische Aufzählung von Stichworten lässt bereits erahnen, wie viele facettenreiche Rechtsfragen mit den einzelnen Teilabschnitten jeweils verbunden sind. Im vorliegenden Abschnitt können und brauchen alle diese Fragen nicht vertieft behandelt, sondern lediglich skizziert zu werden, da mit Blick auf die nachfolgenden beiden Abschnitte der zeitliche Ablauf lediglich in seinen groben Zügen verdeutlicht werden muss.

I. Vorbereitungsphase Die Phase vor Angebotsabgabe, in der auch über die spezifische Art der Unternehmens- 958 transaktion (siehe dazu oben, Rn 874–877) erst entschieden werden muss, liegt größtenteils noch außerhalb des Anwendungsbereichs des Übernahmerechts. Dessen Wirkung setzt nämlich erst in dem Zeitpunkt ein, in dem der Bieter die Entscheidung zur Abgabe eines öffentlichen Angebots trifft – und gem. § 10 Abs. 1 WpÜG veröffentlichen muss. Vor diesem Zeitpunkt stellen sich vor allem strategische und taktische Fragen der Transaktionsplanung, die der (künftige) Bieter zu erwägen und zu entscheiden hat; gefragt ist deshalb primär die interne Unternehmensplanung und damit betriebswirtschaftliches Kalkül.417 Kapitalmarktrechtliche Regeln, etwa Offenlegungspflichten und Insiderregeln, spielen gleichwohl bereits in dieser Phase eine Rolle. Auch Banken sind bereits involviert, besonders mit Blick auf die Finanzierung. Insgesamt lassen sich in dieser Phase vor allem drei inhaltliche Schwerpunkte ausmachen, nämlich erstens die Auswahl und Bewertung der potentiellen Zielgesellschaft, zweitens die Strukturierung der Unternehmenstransaktion und ihrer Finanzierung, und drittens die Kontaktaufnahme zur Zielgesellschaft, namentlich zu deren Leitungsorgan und Großaktionären. 1. Auswahl und Bewertung der Zielgesellschaft. Die Vorbereitungsphase beginnt mit 959 einem Such- und Auswahlprozess, weil Unternehmen, die sich im Grundsatz für externes 416

Zur zeitlichen Abfolge vgl. Marsch-Barner/ Schäfer/Drinkuth Öffentliche Übernahmen börsennotierter Unternehmen Rn 34 ff.; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 16 Rn 39.

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Ähnlich Derleder/Knops/Bamberger/Lenenbach § 53 Rn 44.

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6. Teil. Marktregeln

Unternehmenswachstum entschieden haben, zunächst Ausschau nach geeigneten Akquisitionszielen halten und sich dann für eine Zielgesellschaft entscheiden müssen. Bereits in diesem Stadium werden häufig externe Berater, auch Banken, zugezogen, weil sie teils einen besseren Marktüberblick, teils auch mehr Erfahrungswissen mit vergleichbaren Transaktionen haben. In diesem Fall bedarf es einer Mandatierung dieser Beratung und regelmässig auch des Abschlusses von Vertraulichkeitsvereinbarungen.418 Kommen als Ergebnis des Suchprozesses mehrere geeignete Akquisitionsziele in Frage, ist eine Auswahlentscheidung zu treffen, die auf einem vielschichtigen Katalog betriebswirtschaftlicher, aber auch rechtlicher Kriterien beruht. Beispielsweise spielen häufig kartellrechtliche Fragen eine Rolle, weil auch eine Übernahme einen Zusammenschluss im fusionskontrollrechtlichen Sinne darstellen und je nach Umsatz und Marktanteil genehmigungsbedürftig sein kann.419 Für die begleitenden Banken ist in diesem Zusammenhang vor allem die Regelung in § 37 Abs. 3 S. 1 GWB von Bedeutung, die zur Folge hat, dass diese Transaktionsbegleiter trotz einer etwaigen Übernahme von Anteilen am Zielunternehmen im Verlaufe der Unternehmenstransaktion nicht selbst der Zusammenschlusskontrolle unterliegen, sofern die Wiederveräußerung der fraglichen Anteile beabsichtigt ist und keine Stimmrecht ausgeübt werden.420 960 Die Auswahlentscheidung setzt jedoch vor allem eine umfassende Unternehmensbewertung voraus, die auf solider Informationsgrundlage erfolgen muss. Erforderlich ist zu diesem Zweck eine systematische Überprüfung der potentiellen Zielgesellschaft in (vor allem) finanzieller, rechtlicher und steuerlicher Hinsicht. Eine solche Überprüfung bezeichnet man üblicherweise mit dem englischen Begriff „Due Diligence“, teils auch spezieller als Legal, Financial oder Tax Due Diligence.421 Eine solche Due Diligence dient der Wert- und Risikoermittlung, erfüllt aber auch Funktionen der Gewährleistung und Dokumentation bzw. Beweissicherung.422 Der (künftige) Bieter unterliegt zwar – ähnlich wie überwiegend auch allgemein für Unternehmenskäufer angenommen – im Außenverhältnis keiner echten Rechtspflicht, eine Due Diligence durchzuführen; soweit er keine öffentlich zugänglichen Informationen außer Acht lässt, droht ihm auch nicht der Verlust etwaiger Gewährleistungsansprüche gem. § 442 Abs. 1 S. 2 BGB (die im übernahmerechtlichen Zusammenhang freilich ohnehin kaum eine Rolle spielen).423 Das Leitungsorgans des Bieters, das eine umfassende Due Diligence unterlässt, kann sich allerdings im Innenverhältnis wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung gem. § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG haftbar machen, weil es die Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots möglicherweise nicht „auf der Grundlage angemessener Information“ (so der Wortlaut von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG) trifft und damit den Rahmen seines unternehmerischen Ermessens überschreitet.424

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Marsch-Barner/Schäfer/Drinkuth Rn 39 (Zeitpunkt VAE –21). Zum Zusammenspiel von Übernahme- und Kartellrecht vgl. Fleischer NZG 2002, 545 (550 f.); Holzborn/Israel BKR 2002, 982. Ähnlich, jedoch mit Blick auf Emissionsbanken: Schnorbus AG 2004, 113 (120). Zu diesen und weiteren Formen (etwa Environmental Due Diligence) etwa Barthel DStZ 1999, 365; Spill DstR 1999, 1786; Vogt DStR 2001, 2027; umfassend Angersbach Due Diligence beim Unternehmenskauf 2002; Beisel/Andreas (Hrsg.), Beck’sches Mandatshandbuch Due Diligence, 2010; Be-

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rens/Brauner/Strauch/Knauer (Hrsg.) Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, 7. Aufl. 2013. Näher Beisel/Andreas Beck’sches Mandatshandbuch Due Diligence § 1 Rn 23–34; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Hofmeister § 7 Rn 11–17. Vgl. etwa in: Berens/Brauner/Strauch/Knauer/Fleischer/Körber Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 314 f.; Paschos/ Fleischer Übernahmerecht-HdB/Hofmeister § 7 Rn 29–31. In diese Richtung OLG Oldenburg NZG 2007, 434, (436 f.) (auch Ls. 2: „Zumindest

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Zulässig ist demgegenüber, die Durchführung der Due Diligence auf externe Berater, auch Banken, zu delegieren: Im Falle von Fehlern stellt sich dann die Frage einer Haftung des Beraters, es braucht aber umgekehrt die Geschäftsleitung nach der Rechtsprechung ihrerseits nicht für entsprechende Schäden einzustehen (keine Zurechnung), soweit die Delegation an einen unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträger erfolgte, dem die erforderlichen Informationen umfassend offengelegt worden sind, und dessen Einschätzung die Geschäftsleitung einer eigenen Plausibilitätskontrolle unterzugen hat.425 2. Strukturierung von Transaktion und Finanzierung. Steht das Zielobjekt als Folge 961 dieser Auswahlentscheidung fest, ist über die Struktur der Erwerbstransaktion und ihrer Finanzierung zu entscheiden. Spätestens in diesem Zeitpunkt stellt sich die Frage, welche Form die Unternehmenstransaktion haben soll, es ist also zwischen Verschmelzung und Unternehmenskauf, beim Unternehmenskauf zwischen Asset und Share Deal und beim Share Deal zwischen Paketerwerb und eben öffentlicher Übernahme zu entscheiden (zu diesen Einzelformen bereits oben, Rn 874–877). Diese Auswahlentscheidung ist wiederum primär betriebswirtschaftlicher Natur; sie hängt insbesondere von der Rechtsform der Zielgesellschaft, der Streuung ihres Anteilseigentums (einige wenige Paketaktionäre oder breiter Streubesitz) und nicht zuletzt der Positionierung ihres Leitungsorgans ab. So kommt eine Verschmelzung nur im Falle gegenseitigen Einvernehmens in Frage, das umgekehrt für eine öffentliche Übernahme nicht erforderlich, aber auch nicht schädlich ist: Im ersten Fall spricht man von einem feindlichen, im zweiten Fall von einem freundlichen Übernahmeangebot (s. bereits oben, Rn 887). In jedem Fall ist auch über den spezifischen „Fahrplan“ der Unternehmensübernahme zu entscheiden, was neben der detaillierten Zeitplanung beispielsweise auch die finale Zusammenstellung des Beraterkreises, Vorklärungen mit Kartell- und Aufsichtsbehörden sowie zahlreiche Überlegungen zu Einzelschritten umfasst, etwa zu vorgelagerten Paketerwerben. Sobald allerdings die Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots (endgültig) getroffen ist, hat der Bieter diese gem. § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG unverzüglich zu veröffentlichen; zuvor muss er diese Entscheidung gem. § 10 Abs. 2 WpÜG der Börsengeschäftsführung und der BaFin mitteilen. Im Falle mehrstufiger Entscheidungsprozesse lässt sich zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts im Ausgangspunkt auf die zu § 15 WpHG (bzw. Art. 17 Abs. 1 VO (EU) Nr. 596/2014) entwickelten Grundsätze rekurrieren, es ist allerdings die größere Tragweite der übernahmerechtlichen Offenlegung zu bedenken und es gelten deshalb tendenziell höhere Anforderungen.426 Da § 10 Abs. 6 WpÜG die Vorschriften zur Ad-hoc-Publizität nach h.M. nicht vollständig verdrängt,427 bedarf es deshalb unter Umständen einer doppelten Offenlegung

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dann, wenn nicht ausreichende, gesicherte Erkenntnisse über das zu erwerbende Unternehmen vorhanden sind oder wenn vorhandene Informationen Unklarheiten aufweisen, wird eine umfassende Due Diligence durchzuführen sein“); vgl. auch LG Frankfurt a. M. ZIP 1998, 641 (644); umgekehrt mit Blick auf den Entlastungsbeschluss den weiten Handlungsspielraum des Vorstands betonend OLG Frankfurt a. M. WM 2011, 116 (122). Vgl. BGH NZG 2011, 1271 (1273); näher Bauer Sorgfaltspflichten und Haftungsrisiken beim Unternehmenskauf in: Gesell-

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schaftsrechtliche Vereinigung Bd. 20 2014, S. 195 (217–220); Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Hofmeister § 7 Rn 49–51. Dazu im Einzelnen Assmann/Pötzsch/Schneider § 10 WpÜG Rn 15; KölnKomm-WpÜG/ Hirte § 10 Rn 34–44; MünchKommAktG/Wackerbarth § 10 WpÜG Rn 32–40; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Technau/Berrar § 13 Rn 69 f. In diesem Sinne etwa Bachmann ZHR 172 (2008), 597 (615); Assmann/Pötzsch/Schneider § 10 WpÜG Rn 78; KölnKomm-WpÜG/ Hirte § 10 Rn 100.

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in zwei unterschiedlichen Zeitpunkten – sofern nicht, wie in diesen Fällen häufig, Selbstbefreiung gem. Art. 17 Abs. 4 VO (EU) Nr. 596/2014 möglich ist. 962 Besondere Bedeutung hat bei der Transaktionsplanung naturgemäß die Klärung und Strukturierung der Finanzierung, mit der jeder Unternehmenserwerb „steht und fällt“. Bei Unternehmensübernahmen unterliegt der Bieter gem. § 13 Abs. 1 WpÜG überdies sogar einer echten Rechtspflicht, die Finanzierung des Angebots sicherzustellen. Diese Pflicht soll die Zielgesellschaft und vor allem deren Aktionäre vor unseriösen, wirtschaftlich nicht erfüllbaren Angeboten schützen, also die Vertrauenswürdigkeit von Übernahmeangeboten verbürgen und damit letztlich die Funktionsfähigkeit des Marktes für öffentliche Übernahmen gewährleisten.428 Die Regelung sieht jedoch nicht nur vor, dass der Bieter „die notwendigen Maßnahmen zu treffen [hat], um sicherzustellen, dass ihm die zur vollständigen Erfüllung des Angebots notwendigen Mittel zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf die Gegenleistung zur Verfügung stehen“ (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpÜG), sondern sie verlangt darüber hinaus bei Barangeboten eine schriftliche Finanzierungsbestätigung, für deren Richtigkeit das ausstellende Wertpapierdienstleistungsunternehmen unter Umständen einzustehen hat (§ 13 Abs. S. 2, Abs. 2 WpÜG). Die Vorschrift hat deshalb (auch) aus Perspektive der den Bieter beratenden Banken zentrale Bedeutung und ist folglich im nächsten Abschnitt noch ausführlich zu behandeln (Rn 1003–1012).

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3. Kontaktaufnahme zur Zielgesellschaft. Die Vorbereitung der Transaktion, insbesondere die Durchführung einer Due Diligence und die Unterscheidung von freundlicher und feindlicher Übernahme, erfordert, dass der Bieter bereits vor Bekanntgabe seiner Entscheidung, ein Übernahmeangebot abzugeben, die Möglichkeit von Vorgesprächen mit dem Leitungsorgan der Zielgesellschaft hat. Einer solchen Gesprächsaufnahme steht das Übernahmerecht ausweislich der Gesetzesbegründung keineswegs entgegen;429 die Beteiligten müssen jedoch die Vorgaben des Insiderrechts und des übernahmerechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung beachten. Die Vorgespräche können – im Falle freundlicher Übernahmen – in vertragliche oder zumindest vertragsähnliche Vereinbarungen münden, etwa in Form von Letter of Intent oder Memorandum of Understanding. In der Praxis haben demgegenüber vor allem sog. Business Combination Agreements an Bedeutung gewonnen, in denen sich die Beteiligten über den Transaktionsablauf einigen und insbesondere Regelungen zu Bewertungsfragen und weiteren Transaktionsbedingungen sowie zu Transaktionsdurchführung und –schutz (sog. deal protection) treffen.430 964 Vorgespräche werden in der Regel nicht nur mit dem Leitungsorgan, sondern auch mit den (Groß-)Aktionären der Zielgesellschaft geführt. Ziel dieser Gespräche kann zum einen ein Beteiligungsaufbau durch Paketerwerb sein. Ein solcher Beteiligungsaufbau – unterhalb der Kontrollschwelle – erhöht die Erfolgsaussichten des späteren Übernahmeangebots, weil er einerseits konkurrierende Angebote unwahrscheinlicher macht und anderer-

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Ähnlich Geibel/Süßmann BKR 2002, 52 (54); Liebscher ZIP 2001, 853 (863); Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1159); Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 3; KölnKomm-WpÜG/Möllers § 13 Rn 1; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Berrar/Schnorbus § 10 Rn 2; vgl. auch Krause NZG 2000, 905 (908). Explizit in diesem Sinne BT-Drs. 14/7034, S. 52 (Begr. RegE zu § 27 Abs. 1); vgl. ferner Geibel/Süßmann BKR 2002, 52 (55).

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Dazu ausführlich Hippeli/Diesing AG 2015, 185; Reichert ZGR 2015, 1; Kämmerer/Veil/ Schall Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion (2013), S. 75; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Oppenhoff § 9 (mit Dokumentation der Übernahmepraxis in Rn 12); Wiegand Investorenvereinbarungen und Business Combination Agreements bei Aktiengesellschaften, 2017; vgl. auch Drygala WM 2004, 1413 und 1457.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

seits Signalwirkung an die übrigen Aktionäre entfaltet; zudem erfolgt er regelmäßig zu einem günstigeren Kurs als nach Bekanntwerden des Übernahmevorhabens, erlaubt also Einsparungen. Zu beachten sind jedoch die Vorgaben des Insiderrechts und der Ad-hocbzw. Beteiligungspublizität, die dem Beteiligungsaufbau Grenzen setzen.431 Zum anderen können Gespräche mit den Zielgesellschaftsaktionären auf Absprachen über deren künftiges Verhalten zielen, etwa über die spätere Annahme des Übernahmeangebots in Form sog. irrevocable undertakings.432 In der Übernahmepraxis setzen sich zunehmend sog. Investment Agreements durch, die gewisse Ähnlichkeiten zu den genannten Business Combination Agreements aufweisen.433 Sie beschränken sich nicht auf die (kapitalmarktbezogene) Verpflichtung zur späteren Annahme des Übernahmeangebots, sondern erstrecken sich auch auf die (gesellschaftsinterne) Ausübung bzw. Nichtausübung bestimmter Aktionärsrechte, indem sie insbesondere Fragen der Stimmrechtsausübung regeln, namentlich im Hinblick auf die Organbesetzung.434

II. Abgabe des Angebots Die Kernphase der Angebotsdurchführung wird mit der Erstellung und Veröffentli- 965 chung der Angebotsunterlage eingeläutet. Das Gesetz regelt deren wesentliche Inhalte in § 11 WpÜG (näher nachfolgend unter 1.) und statuiert in der Folgevorschrift das Haftungsregime (unter 2.). Eine Reihe weiterer Vorschriften regelt das formale Verfahren (unter 3.) sowie inhaltliche Einzelfragen zur Reichweite der Bindungswirkung der Angebotsunterlage (unter 4.). 1. Zwecke und Inhalte der Angebotsunterlage. Die Angebotsunterlage erfüllt drei 966 Hauptzwecke: Sie beinhaltet (1.) das bindende Vertragsangebot gem. § 145 BGB zum Erwerb der betreffenden Wertpapiere; stellt (2.) ein fundamental wichtiges Informationsdokument dar, um den Inhabern eine informierte Entscheidung über den Verkauf ihrer Wertpapiere zu ermöglichen – gleichsam als „Spiegelbild“435 zum Emissionsprospekt –, und dient schließlich (3.) auch dem Leitungsorgan der Zielgesellschaft (und ihrer Arbeitnehmer) als Erkenntnisquelle.436 Der zentralen Informationsfunktion (primär gegenüber den Aktionären) trägt § 11 WpÜG mehrfach Rechnung, insbesondere indem er generalklauselartig vorsieht, dass die Angebotsunterlage alle notwendigen Angaben enthalten muss, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können (Abs. 1 S. 2), indem er die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Angaben postuliert (Abs. 1 S. 3), und indem er Abfassung in deutscher Sprache und verständlicher, auswertbarer Form fordert (Abs. 1 S. 4).

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Zu alledem ausführlich Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Kiesewetter § 8. Ähnlich Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.25. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Oppenhoff § 9 Rn 9; Kämmerer/Veil/Seibt Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion (2013), S. 105 (108); Wiegand Investorenvereinbarungen und Business Combination Agreements bei Aktiengesellschaften, 2017. Ausführlich Kiem AG 2009, 301; Kämmerer/Veil/Seibt Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion (2013),

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S. 105; ders./Wunsch Der Konzern 2009, 195; Steinert, Sicherung der Interessen der Zielgesellschaft mittels einer Investorenvereinbarung, 2013. So etwa Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 51; ähnlich Möllers ZGR 2002, 664 (669). Vgl. Assmann/Pötzsch/Schneider/Meyer § 11 WpÜG Rn 1 f.; KölnKomm-WpÜG/Seydel § 11 Rn 2–6; Habersack/Mülbert/Schlitt/ Riehmer § 16 Rn 2; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos/Goslar § 14 Rn 1.

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Da die Angebotsunterlage zugleich ein Angebot iSv § 145 BGB enthält, das je nach Angebotsart auf Abschluss eines Kauf- oder Tauschvertrags gerichtet ist,437 stellen besonders die umfangreichen Inhaltsanforderungen in § 11 Abs. 2 und 3 WpÜG iVm § 2 WpÜGAngVO sicher, dass dieses Angebot ausreichend bestimmt ist, um durch ein einfaches „Ja“ angenommen werden zu können. Nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen ist unschädlich, dass sich dieses Angebot an einen unbestimmten Personenkreis richtet; umgekehrt schließt § 17 WpÜG eine bloße invitatio ad offerendum, also die Aufforderung, ein Angebot abzugeben, aus.438 In welchem Umfang sonstige vertragsrechtliche Regeln – insbesondere zu Anfechtung (§§ 119 ff. BGB), Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) und zur Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) – auf die Angebotsunterlage anwendbar sind, ist teils umstritten, wird praktisch aber selten relevant.439 Während § 11 WpÜG und § 2 WpÜG-AngVO mit Blick auf den Inhalt der Angebotsunterlage in Anlehnung an die allgemeine vertragsrechtliche Kategorie der essentialia negotii zwischen „Angaben über den Inhalt des Angebots“ und (weiteren) ergänzenden Angaben unterscheiden, spielt diese Unterscheidung weder im Hinblick auf das Haftungsregime gem. § 12 WpÜG – das nämlich auf „wesentliche Angaben“ abstellt, ohne damit jedoch ergänzende Angaben auszuschliessen – noch für den praxisüblichen Aufbau von Angebotsunterlagen eine Rolle.440 Stattdessen hat sich weithin folgender Aufbau durchgesetzt:441 1. Allgemeine Informationen und Hinweise für Aktionäre (insbesondere Rechtsgrundlagen, besondere Hinweise für Adressaten in ausländischen Rechtsordnungen, zur Annahme im Ausland sowie zur Verbreitung; wesentliche Pflichtangaben); 2. Hinweise zu den in der Angebotsunterlage enthaltenen Angaben (begriffliche Erläuterungen; Stand und Quellen der Angaben zur Zielgesellschaft, besonders Due Diligence; Kennzeichnung zukunftsgerichteter Angaben mit entsprechendem Vorbehalt); 3. Zusammenfassung des Angebots (Darstellung der wesentlichen Angaben in Kurzform; im Gegensatz zu § 5 Abs. 2 S. 1 WpPG zwar nicht zwingend erforderlich, aber zweckdienlich); 4. Angebot (Bezeichnung von Kauf- bzw. Tauschgegenstand und Gegenleistung; Angabe der jeweiligen, eindeutigen Wertpapierkennnummern; bei Teilangeboten entsprechende Spezifizierung); 5. Annahmefrist (Beginn und Ende des Zeitraums, in dem das Angebot gem. § 148 BGB angenommen werden kann; Dauer gem. § 16 Abs. 1 S. 1 WpÜG nicht weniger als vier und nicht mehr als zehn Wochen; Beginn gem. S. 2 mit Veröffentlichung der Angebotsunterlage. Zu Verlängerungsmöglichkeiten vgl. §§ 16 Abs. 3 S. 1, 21 Abs. 5 S. 1 und 22 Abs. 2 S. 1 WpÜG. Zusätzlich Hinweis zur weiteren Annahmefrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG, vgl. § 2 Nr. 9 WpÜG-AngVO); 437

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Assmann/Pötzsch/Schneider/Meyer § 11 WpÜG Rn 18; KölnKomm-WpÜG/Seydel § 11 Rn 20. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos/Goslar § 14 Rn 2; vgl. auch Habersack/Mülbert/Schlitt/Riehmer § 16 Rn 6; zu den allgemeinen vertragsrechtlichen Instituten etwa BeckOGK/Möslein § 145 (unter A.IV., Im Erscheinen). Zu alledem im Überblick Assmann/Pötzsch/ Schneider/Meyer § 11 WpÜG Rn 23 f.; KölnKomm-WpÜG/Seydel § 11 Rn 27–35; Habersack/Mülbert/Schlitt/Riehmer § 16 Rn 8;

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Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Paschos/Goslar § 14 Rn 4 f. Assmann/Pötzsch/Schneider/Meyer § 11 WpÜG Rn 65 f.; KölnKomm-WpÜG/Seydel § 11 Rn 46 f.; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos/Goslar § 14 Rn 33 f.; Angerer/Geibel/Süßmann BKR 2002, 52 (57). Darstellung in Anlehnung an Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos/Goslar § 14 Rn 32 (mit Angaben zur Übernahmepraxis entsprechend gestalteter Angebotsunterlagen in Fn 81).

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Beschreibung des Bieters (Angabe von Name oder Firma und Anschrift oder Sitz sowie ggf. Rechtsform des Bieters gem. § 11 Abs. 2 Nr. 1 WpÜG; zusätzlich Angaben zu Registergericht und –nummer sowie zu etwaiger Börsennotierung, zu Unternehmensgegenstand, Geschäftsjahr und Kapital- und Anteilsverhältnissen sinnvoll; weiterhin Angaben zu gemeinsam handelnden Personen, zu Anteilsbesitz sowie zu Wertpapiergeschäften, die für die Bewertung der Gegenleistung relevant sind, vgl. § 2 Nr. 1, 5 und 7 WpÜG-AngVO); Beschreibung der Zielgesellschaft (Firma, Sitz und Rechtsform gem. § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 WpÜG sowie ggf. weitere Angaben, die zur eindeutigen Identifikation erforderlich oder sonst hilfreich sind, etwa zur Geschäftstätigkeit); Hintergrund des Angebots (wirtschaftliche und strategische Erwägungen, etwa zu Wettbewerbsvorteilen und Synergien; ggf. auch Angaben zu Business Combination Agreements, dazu oben, Rdn. 95); Absichten des Bieters (vgl. den Katalog nicht abschließender Regelbeispiele in § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 WpÜG; wichtig für die Beurteilung der Zukunftsperspektiven insbesondere der Zielgesellschaft, jedoch ohne Bindungswirkung; erforderlich zumindest Negativerklärung); Erläuterungen zur Angebotsgegenleistung (für Aktionärsentscheidung zentrale Information, Angaben auch zu angewandten Bewertungsmethoden und deren Angemessenheit; Regelungen zur Mindesthöhe – ausser bei einfachen Erwerbsangeboten – in § 31 WpÜG i.V.m §§ 4 bis 6 WpÜG-AngVO; ggf. auch Angaben zur Entschädigung nach § 33b Abs. 5 WpÜG); Annahme und Abwicklung des Angebots (vgl. § 2 Nr. 4 WpÜG-AngVO; insbesondere erforderliche Erklärungen und Rechtsfolgen); Behördliche Genehmigungen und Verfahren (vgl. § 2 Nr. 8 WpÜG-AngVO; Darstellung insbesondere kartellrechtlicher Genehmigungserfordernisse sowie außenwirtschaftlicher und aufsichtsrechtlicher Verfahren); Voraussetzungen für den Vollzug des Angebots (vgl. § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 WpÜG; Angebotsbedingungen, soweit gem. § 18 WpÜG zulässig); Finanzierung des Angebots (vgl. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 Hs. 1 WpÜG; Nachweis der Befolgung von § 13 Abs. 1 WpÜG mit dem Ziel sicherzustellen, dass Bieter dem die zur Erfüllung des Angebots erforderlichen Mittel tatsächtlich zur Verfügung stehen; insbesondere Finanzierungsbedarf, -maßnahmen und -bestätigung); Erwartete Auswirkungen des Vollzugs des Angebots auf die Vermögens-, Finanzund Ertragslage des Bieters (vgl. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 WpÜG; verbale und zahlenmässige Beschreibung der erwarteten Effekte auf wesentliche wirtschaftliche Kennzahlen); Rücktrittsrecht (vgl. § 2 Nr. 11 WpÜG-AngVO; Hinweise auf im Fall von Angebotsänderungen gem. § 21 Abs. 4 WpÜG bzw. im Fall konkurrierender Angebote gem. § 22 Abs. 3 WpÜG bestehende Rechte und deren Ausübung); Hinweise für Aktionäre der Zielgesellschaft, die das Angebot nicht annehmen (standardisierte Angaben zu zentralen Auswirkungen, etwa künftige Kursentwicklung, geplante Strukturmaßnahmen und Delisting); Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft (vgl. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 WpÜG; Angaben über Geldleistungen und geldwerte Vorteile, um Angebotsadressaten über mögliche Interessenkonflikte zu informieren); Begleitende Banken und Abwicklungsstelle (im Vorfeld beratende und bei Abwicklung koordierende Banken; jedoch keine Pflichtangabe); Steuern (lediglich pauschaler Hinweis mit Empfehlung zur Einholung steuerlichen Rats, jedoch keine Pflichtangabe); Florian Möslein

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21. Veröffentlichungen (Hinweis zur Veröffentlichung von Wasserstandsmeldungen gem. § 23 WpÜG und sonstigen Erklärungen und Mitteilungen); 22. Anwendbares Recht und Gerichtsstand (vgl. § 2 Nr. 2 WpÜG-AngVO; Möglichkeit der Rechtswahl hinsichtlich des auf den schuldrechtlichen Kauf- bzw. Tauschvertrags anwendbaren Rechts); 23. Erklärung über die Übernahme der Verantwortung (vgl. § 11 Abs. 3 WpÜG; Verantwortungsübernahme durch den Bieter gem. § 11 Abs. 1 S. 5 WpÜG). Dieser Angabenkatalog ist auf ein Übernahmeangebot mit ausschließlich in Geld bestehender Gegenleistung zugeschnitten, so dass bei Erwerbs- oder Pflichtangeboten sowie bei Umtauschangeboten teils Besonderheiten zu beachten sind.442 Für die begleitenden Banken sind besonders die Angaben unter 14., 15. und 19. relevant. Im Hinblick auf Haftungsfolgen (hierzu sogleich Rn 968) ist für sie außerdem von Bedeutung, dass sie die Erklärung unter 23. nicht zwingend mitzuunterzeichnen brauchen.443

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2. Haftung für unrichtige und unvollständige Angebotsunterlagen. Dass die Angebotsunterlage „Spiegelbild“ zum Emissionsprospekt ist (oben Rn 966), zeigt sich auch bei der Haftung. In Anlehnung an die Prospekthaftung statuiert § 12 Abs. 1 WpÜG nämlich eine Haftung für Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angebotsunterlage. Die Norm knüpft an die „wesentliche[n] Angaben der Angebotsunterlage“ und erstreckt sich daher grundsätzlich nicht auf Angaben in anderen Informationsmaterialien (etwa Werbung, Zeitungsannoncen oder freiwillige „zusätzliche Informationen; wohl aber auf nachfolgende Berichtigungen und erforderliche Aktualisierungen).444 Sie beschränkt sich zwar auf solche Angaben, die ein durchschnittlicher, verständiger Adressat des Angebots „eher als nicht“ bei seiner Entscheidung berücksichtigen würde, aber diese Qualifikation ist bei vielen der in Rn 967 genannten Angaben erfüllt, nicht nur bei den essentialia negotii.445 Umgekehrt wird die Wesentlichkeit der Absichten des Bieters im Hinblick auf die Zielgesellschaft teils bestritten, allerdings freilich nur bei Bar-, nicht bei Tauschangeboten.446 Unrichtig sind Angaben jedenfalls dann, wenn sie von Anfang an fehlerhaft sind und nicht gem. § 12 Abs. 3 Nr. 3 WpÜG berichtigt werden; unvollständig, wenn entscheidungserhebliche Informationen fehlen.447 Auch bei dieser Beurteilung ist auf durchschnittliche, verständige Adressaten abzustellen.448 Anspruchsberechtigt sind nach dem Wortlaut (nur)

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S. dazu die ausführlichere Darstellung bei Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Paschos/Goslar § 14 Rn 32–130, bes. Rn 128–130. Assmann/Pötzsch/Schneider/Meyer § 11 WpÜG Rn 132; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos/Goslar § 14 Rn 127; Pfüller/Detweiler BKR 2004, 383 (385 f.); Vaupel WM 2002, 1170 (1172). S. dazu OLG Frankfurt a. M. AG 2007, 749; Assmann/Pötzsch/Schneider § 12 WpÜG Rn 8; KölnKomm-WpÜG/Möllers § 12 Rn 23–25. Assmann AG 2002, 153 (154 f.); Hamann ZIP 2001, 2249 (2256); Assmann/Pötzsch/ Schneider § 12 WpÜG Rn 11; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos/Goslar § 14 Rn 187; KölnKomm-WpÜG/Möllers § 12 Rn 77; etwas enger offenbar Möllers

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ZGR 2002, 664 (671) (vor allem essentialia negotii). Vgl. Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 60. Umstritten sind dagegen Fälle nachträglicher Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit (und korrespondierende Aktualisierungspflichten); dazu näher Assmann/Pötzsch/Schneider § 12 WpÜG Rn 30–34; KölnKomm-WpÜG/ Möllers § 12 Rn 71–73; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos/Goslar § 14 Rn 19–24. Assmann/Pötzsch/Schneider § 12 WpÜG Rn 23; KölnKomm-WpÜG/Möllers § 12 Rn 32–35; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos/Goslar § 14 Rn 185, jeweils in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Prospekthaftung: BGH WM 1992, 901 (904); BGH WM 1982, 862 (863).

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

diejenigen, die das Angebot angenommen haben; sie können Ersatz des ihnen aus der Annahme des Angebots entstandenen Schadens verlangen, was trotz des auch insoweit geltenden Grundsatzes der Naturalrestitution regelmäßig auf Entschädigung in Geld hinauslaufen wird, weil sich der status quo ante nach Abwicklung der Übernahme nicht mehr sinnvoll herstellen lässt.449 Die weiterhin erforderliche haftungsbegründende Kausalität wird ausweislich des Wortlauts von § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 WpÜG vermutet; positive Kenntnis führt ebenso wie rechtzeitige Berichtigung gem. § 12 Abs. 3 Nr. 2 und 3 WpÜG zum Haftungsausschluss. Entscheidend für die übernahmebegleitenden Banken ist indessen, ob auch sie (neben 969 dem Bieter) als Anspruchsgegner in Betracht kommen. Eine solche Haftung lässt sich auf § 12 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG stützen, wenn die Banken selbst gem. § 11 Abs. 3 S. 1 WpÜG ausdrücklich erklärt haben, die Verantwortung für die Angebotsunterlage zu übernehmen (s. Rn 367), oder wenn sie zumindest den falschen Rechtsschein einer solchen Erklärung gesetzt haben.450 Andernfalls kommt allenfalls eine Haftung als Veranlasser gem. § 12 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG in Betracht. Eine solche Haftung beschränkt sich jedoch auf Hintermänner, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Übernahme haben, welches selbst durch erfolgsbezogene Honorare oder Provisionen nicht begründet wird.451 Da auch Beiträge zur Angebotsunterlagungenerstellung wie die Beibringung von Inhalten bzw. Erklärungen oder auch die persönliche Erwähnung nicht ausreichen, um die betreffenden Personen zu Veranlassern zu machen, haften Banken, die Übernahmen (lediglich) begleiten, grundsätzlich nicht gem. § 12 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG.452 Unabhängig hiervon kann sich eine Haftung der Bank allerdings aus der eigenständigen Anspruchsgrundlage des § 13 Abs. 2 WpÜG ergeben (s. dazu unten, Rn 1010). 3. Verfahrensfragen. Verfahrensfragen regelt vor allem § 14 WpÜG, der (1.) die Über- 970 mittlung der Angebotsunterlage an die BaFin grundsätzlich innerhalb von vier Wochen nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots gem. § 10 WpÜG bzw. nach Veröffentlichung der Kontrollerlangung vorsieht, (2.) Eingangsbestätigung und Prüfung durch die BaFin grundsätzlich innerhalb von zehn Werktagen erfordert, und (3.) unverzügliche Veröffentlichung der Angebotsunterlage nach erfolgter Gestattung bzw. Ablauf der Prüfungsfrist verlangt.453 § 15 WpÜG statuiert ergänzend, in welchen Fällen die BaFin ein Angebot untersagen darf, und gibt damit zugleich den Prüfungsmaßstab vor (nicht nur formale Kontrolle, sondern auch materielle Evidenzprüfung, vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG). Eine Ausnahme vom Prüfungserfordernis sieht § 11a WpÜG in bestimmten Fällen einer Billigung im EWR-Ausland vor (sog. Europäischer Pass). Für Angebote, die gem. § 15 Abs. 1 oder 2 WpÜG untersagt worden sind, statuiert § 26 WpüG grundsätzlich eine Sperrfrist von einem Jahr.

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Assmann/Pötzsch/Schneider § 12 WpÜG Rn 58 f.; KölnKomm-WpÜG/Möllers § 12 Rn 131 f. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Paschos/Goslar § 14 Rn 127; Assmann/ Pötzsch(Schneider/Meyer § 11 WpÜG Rn 133. In diesem Sinne vor allem Pfüller/Detweiler BKR 2004, 383 (384); Vaupel WM 2002, 1170 (1172); Angerer/Geibel/Süßmann/Louven § 12 WpÜG Rn 25; Assmann/Pötzsch/

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Schneider § 12 WpÜG Rn 39; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos/Goslar § 14 Rn 182. Pfüller/Detweiler BKR 2004, 383 (385 f.); Vaupel WM 2002, 1170 (1176); Assmann/ Pötzsch/Schneider § 12 WpÜG Rn 38; KölnKomm-WpÜG/Möllers § 12 Rn 92. Näher, auch zum Folgenden, etwa Paschos/ Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos/ Goslar § 14 Rn 131–160.

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4. Gegenleistung. Während die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung in marktwirtschaftlichen, auf Privatautonomie basierenden Ordnungen gemeinhin durch Angebot und Nachfrage – also vom Markt, nicht vom Recht – „geregelt“ wird, verpflichtet § 31 Abs. 1 S. 1 WpÜG den Bieter positiv-rechtlich, den Aktionären der Zielgesellschaft eine angemessene Gegenleistung anzubieten. Die Regelung gilt unmittelbar für Übernahmeangebote, über § 39 WpÜG jedoch auch für Pflichtangebote, nicht hingegen für einfache Erwerbsangebote. Während der Regelungsbedarf im zweiten Fall, in dem ja auch das Angebot selbst nicht auf privatautonomer Entscheidung beruht, nachvollziehbar erscheint, ist die Äquivalenzkontrolle im Fall eines freiwilligen Übernahmeangebots schwieriger zu rechtfertigen (und europarechtlich jedenfalls nicht vorgeschrieben); verweisen lässt sich einerseits auf übernahmespezifische Verhaltensanomalien, insbesondere auf die Gefahr irrationalen Herdenverhaltens, andererseits auf das Gebot der Gleichbehandlung gem. § 3 Abs. 1 WpÜG (zu diesem bereits oben Rn 43).454 Entsprechend regelt die Norm die Art der Gegenleistung, die gem. § 31 Abs. 2 S. 1 WpÜG grundsätzlich in Geld oder in liquiden, zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Aktien bestehen darf, aber gem. Abs. 3 zwingend in Geld bestehen muss, wenn bestimmten Aktionären im Vorfeld eine Barleistung gewährt wurde: Damit verhindert die Norm nämlich eine drohende Benachteiligung der verbleibenden Aktionäre durch unattraktive Tauschangebote.455 Hinsichtlich der Höhe der Gegenleistung macht sie die Angemessenheit gem. § 31 Abs. 1 S. 2 WpÜG einerseits vom durchschnittlichen Börsenkurs, andererseits von Vorerwerben des Bieters abhängig.456 Auch indem sie Zuschläge im Falle von Parallel- (§ 31 Abs. 4 WpÜG) und Nacherwerb (§ 31 Abs. 5 WpÜG) vorsieht, sorgt sie für Gleichbehandlung und lässt – zumindest innerhalb des jeweils vorgesehenen zeitlichen Rahmens – grundsätzlich alle Aktionäre an entsprechenden Paketzuschlägen partizipieren.457

III. Reaktion der Zielgesellschaft 972

Das Übernahmeangebot zielt auf den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft ab, also auf einen Vertrag zwischen Bieter und deren Aktionären. Die Zielgesellschaft selbst ist an dieser Transaktion rechtlich nicht unmittelbar beteiligt. Wirtschaftlich ist sie von einer Übernahme indessen sehr wohl betroffen, da ihre Unternehmensstrategie und Geschäftstätigkeit selbstverständlich auch von Anteilseignern und Kontrollverhältnissen abhängen. Zudem begründet die Strategie der derzeitigen Unternehmensleitung für die Adressaten des Übernahmeangebots, die über den Verkauf ihrer Anteile zu entscheiden haben, die alternative Entscheidungsoption: Behalten sie ihre Anteile, determiniert sie deren Wertentwicklung; kalkulatorisch müssen sie den Barwert der abgezinsten künftigen Ertragsaussichten, die jene Unternehmensstrategie verspricht, mit dem Kaufpreis (bzw. bei Tauschangeboten mit dem entsprechenden Barwert auf Grundlage der Bieterstrategie) vergleichen. Eine in-

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Zur sachlichen, besonders verfassungs- und europarechtlichen Kritik vgl. Mülbert ZIP 2001, 1221 (1223–1225); Krause NZG 2000, 905 (908); Houben WM 2000, 1873 (1881); MünchKommAktG/Wackerbarth § 31 WpÜG Rn 6–13; Langenbucher Aktienund Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 137 f. Entsprechend werden diese Vorgaben als Ausdruck des Gleichbehandlungsgebots qualifi-

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ziert, vgl. BT-Drs. 14/7034, S. 55 (Begr. RegE zu § 31 Abs. 3); Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause § 31 WpÜG Rn 66; KölnKommWpÜG/Kremer/Oesterhaus § 31 Rn 40. Vgl. dazu auch §§ 3 bis 7 WpÜGAngebV; zu Einzelfragen Assmann/Pötzsch(Schneider/ Krause § 31 WpÜG Rn 27–36; KölnKommWpÜG/Kremer/Oesterhaus § 31 Rn 21 f. S. etwa Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 18 Rn 141.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

formierte Entscheidung erfordert deshalb die Kenntnis der Einschätzung der derzeitigen Unternehmensleitung. Entsprechend verlangt § 27 WpÜG eine begründete Stellungnahme von Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft (sogleich unter 1.). Aufgrund der wirtschaftlichen Betroffenheit und auch dem drohenden Verlust der eigenen Leitungsposition sind darüber hinaus weitere Reaktionen der Organe der Zielgesellschaft denkbar, insbesondere der Versuch, die Übernahme abzuwehren. Solche Abwehrmaßnahmen, die teils auch präventiv ergriffen werden, drohen die Erfolgsaussichten des Übernahmeangebots zu verzerren. Deshalb setzt ihnen das Übernahmerecht – neben dem Gesellschaftsrecht – gewisse Grenzen (sogleich unter 2.). 1. Stellungnahme. Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft sind gem. § 27 Abs. 1 973 WpÜG verpflichtet, eine begründete Stellungnahme zu dem Angebot sowie zu jeder seiner Änderungen abzugeben. Pflichtadressaten sind mithin die beiden Verwaltungsorgane, die nach den einschlägigen aktienrechtlichen Regeln grundsätzlich einstimmig (Vorstand, vgl. § 77 Abs. 1 AktG) bzw. mehrheitlich (Aufsichtsrat, vgl. § 108 Abs. 1 AktG, § 29 MitBestG) zu entscheiden haben; ob Entscheidungsmehrheiten und etwaige „Sondervoten“ offengelegt werden müssen oder zumindest dürfen, ist umstritten;458 wegen potentieller Verletzung der aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht drohen Haftungsrisiken.459 Beide Organe können auch getrennt und sogar inhaltlich voneinander abweichend Stellung nehmen.460 Die Übertragung der Entscheidung auf einen Ausschuss ist möglich.461 Etwaige Befangenheiten sind zumindest offenzulegen.462 § 27 Abs. 2 WpÜG berechtigt (nicht: verpflichtet) zusätzlich auch den Betriebsrat bzw. die Arbeitnehmer der Zielgesellschaft, ebenfalls zu dem Angebot Stellung zu nehmen, allerdings nur mittelbar, indem er wiederum den Vorstand als Normadressaten verpflichtet, eine solche Stellungnahme der eigenen beizufügen. Eine Beurteilung durch externe, sachverständige Prüfer ist dagegen nicht explizit vorgesehen (vgl. jedoch noch unten, Rn 975), ganz anders als bei vergleichbaren Strukturmaßnahmen wie der Verschmelzung (vgl. § 9 UmwG) und auch im Gegensatz zu vielen ausländischen Übernahmerechten (s. etwa §§ 14 Abs. 2 i.V.m. § 13 öÜbG).463 Was das Verfahren angeht, macht § 27 WpÜG zur Form der Stellungnahme keine spe- 974 zifischen Vorgaben. Im Hinblick auf die vorgeschriebene Veröffentlichung muss sie jedoch 458

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In diesem Sinne jedoch Fleischer/Schmolke DB 2007, 95 (98); Hopt ZGR 2002, 333 (354 f.); ders. ZHR 166 (2002), 383 (419); Kubalek Stellungnahme der Zielgesellschaft, 2006, S. 160; ablehnend bspw. KölnKommWpÜG/Hirte § 27 Rn 20. Rechtsvergleichend ist diese Offenlegung überwiegend üblich, vgl. Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 427 f. Näher Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 428 f. So ausdrücklich Begr. Finanzausschuss, BTDrs. 14/7477, S. 53; vgl. auch BT-Drs. 14/7034, S. 52 (Begr. RegE) („Abgabe einer gemeinsamen Stellungnahme [erhöht] deren Gewicht“). Seibt DB 2002, 529 (531); Assmann/Pötzsch/ Krause/Pötzsch § 27 WpÜG Rn 40; KölnKomm-WpÜG/Hirte § 27 Rn 21.

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Hopt ZGR 2002, 333 (371 f.); ders. ZHR 166 (2002), 383 (420); Fleischer NZG 2006, 561 (565); Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause § 27 WpÜG Rn 37 und 58; KölnKomm-WpÜG/Hirte § 27 Rn 22 f.; zu unterschiedlichen Ansätzen in ausländischen Rechten Hopt Verhaltenspflichten des Vorstands bei feindlichen Übernahmen, FS Lutter 2000, 1361 (1381 (Rn 84)) und ausführlich Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 429 f. Anders auch noch § 14 DiskE WpÜG; ausführlich, auch rechtsvergleichend und zu möglichen Differenzierungsgründen: Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 431–433.

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schriftlich erfolgen; Tatsachendarstellung und Wertungserwägungen sollten auch formal getrennt dargestellt werden (etwa durch einen „Tenor“ am Beginn oder Ende der Stellungnahme).464 Die Stellungnahme ist gem. § 14 Abs. 3 S. 1 WpÜG, auf den § 27 Abs. 3 S. 1 WpÜG verweist, in der gleichen Form wie die Angebotsunterlage zu veröffentlichen (Bekanntgabe im Internet und zumindest grundsätzlich auch im Bundesanzeiger).465 Anders als jene bedarf sie jedoch keiner Genehmigung durch die BaFin, sondern ist dieser gem. § 27 Abs. 3 S. 3 WpÜG lediglich die Tatsache der Veröffentlichung nachzuweisen. Gleichzeitig mit der Pflichtveröffentlichung müssen Vorstand und Aufsichtsrat die Stellungnahme gem. § 27 Abs. 3 S. 2 WpÜG dem Betriebsrat oder den Arbeitnehmern in vollem Wortlaut und ungekürzt übermitteln.466 Eine Übermittlung an konkurrierende Bieter ist umgekehrt nicht vorgesehen. Auch braucht die Zielgesellschaft außer der Stellungnahme keine zusätzlichen Dokumente zur Information der Anteilseigner vorzuhalten, obwohl eine solche Pflicht nach dem Vorbild ausländischer Übernahmerechte durchaus ein Anreiz zu sorgfältiger Informationsbeschaffung sein könnte.467 Die Stellungnahme ist schließlich gem. § 27 Abs. 3 S. 1 WpÜG „unverzüglich nach Übermittlung der Angebotsunterlage und deren Änderungen durch den Bieter“ zu veröffentlichen. Bei der Konkretisierung dieser Fristbestimmung sind das Informationsinteresse der Angebotsadressaten und der Informationsbeschaffungsaufwand der Verwaltungsorgane gegeneinander abzuwägen; die zumeist veranschlagte Fristdauer von zwei Wochen erscheint (auch rechtsvergleichend) eher lange.468 975 Was den Inhalt der Stellungnahme angeht, müssen die Verwaltungsorgane einerseits Vor- und Nachteile des Übernahmeangebots bewerten und damit ihre eigene Einschätzung abgeben, andererseits die Angebotsadressaten jedoch auch objektiv informieren, um ihnen die Ermittlung des „wahren Werts“ ihrer Anteile zu erleichtern.469 Entsprechend sind einerseits neutrale, ergebnisoffene Stellungnahmen, anders als die Gesetzesmaterialien vermuten lassen, allenfalls in Ausnahmefällen zulässig.470 Auch genießen die Verwaltungsorgane bei ihrer Einschätzung umfängliches unternehmerisches Ermessen i.S.v. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, ohne insoweit den engeren Kautelen des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG unterworfen zu sein.471 Andererseits fordert § 27 Abs. 1 S. 1 WpÜG ausdrücklich eine Begründung jener 464

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MünchKommAktG/Wackerbarth § 27 WpÜG Rn 10; ähnlich: Assmann/Bozenhardt ZGR-Sonderheft 9, 1990, 1 (105); Hopt FS Lutter 2000, S. 1361 (1381). Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 27 WpÜG Rn 127; KölnKomm-WpÜG/Hirte § 27 Rn 71. Näher Seibt DB 2002, 529 (535); KölnKomm-WpÜG/Hirte § 27 Rn 73–76; MünchKommAktG/Wackerbarth § 27 WpÜG Rn 39. Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 438. Ausführlich wiederum Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 439 f.; vgl. jedoch OLG Frankfurt a. M. AG 2006, 207 (208); Überblick über das entsprechende Meinungsspektrum etwa bei Assmann/Pötzsch/ Schneider/Krause § 27 WpÜG Rn 125 (in Fn 4); KölnKomm-WpÜG/Hirte § 27 Rn 67 (in Fn 184).

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Näher zu diesem Spannungsfeld Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 440 f. Diese Anforderung ergibt sich aus der Richtlinienvorgabe, dazu näher Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 444; vgl. ferner Hippeli/Hofmann NZG 2014, 850 (852 f.) (soweit Angaben in Angebotsunterlage fehlen oder zu vage). Zu weitgehend deshalb BT-Drs. 14/7034, S. 52 (Begr. RegE). Ähnlich OLG Düsseldorf WM 2004, 728 (732). Grund ist, dass die Stellungnahme informiert, den Aktionären jedoch nicht das Letztentscheidungsrecht nimmt, vgl. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 27 WpÜG Rn 16; Hopt FS Lutter 2000, S. 1361 (1380); Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 445.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Einschätzung und verpflichtet die Verwaltungsorgane dadurch, ihre Wertung mit einschlägiger Information zu untermauern. Nicht präsente Informationen sind möglichst zu beschaffen: Auch wenn die präzise Reichweite entsprechender Ermittlungspflichten vom Gesetz nicht explizit klargestellt wird, gelten aufgrund des Transparenzgrundsatzes gem. § 3 Abs. 2 WpÜG insoweit vergleichsweise strenge Maßstäbe.472 Auch die Einholung externen Sachverstandes, etwa in Form einer sog. fairness opinion kann deshalb – obwohl im WpÜG nicht explizit vorgeschrieben (s. oben, Rn 973) – im Einzelfall erforderlich sein, sofern den Organmitgliedern selbst die entsprechende Sachkunde fehlt.473 Insbesondere können deshalb auch (Investment-)Banken in die Vorbereitung der Stellungnahme eingebunden sein, um Bewertungs- und Finanzierungsfragen mit ihrem spezifischen Sachverstand zu beurteilen.474 Auf welche spezifischen Inhalte die Stellungnahme eingehen muss, illustriert § 27 Abs. 1 S. 2 WpÜG in Form einer kurzen Liste. Diese Aufzählung ist allerdings weder abschliessend („insbesondere“) noch spiegelt sie die gem. § 11 Abs. 2 WpÜG vorgeschriebenen Inhalte der Angebotsunterlage flächendeckend wider. Zwar finden sich einzelne Entsprechungen, weil hier wie dort über die Art und Höhe der angebotenen Gegenleistung (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bzw. § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 WpÜG)475 ebenso wie über die vom Bieter mit dem Angebot verfolgten Ziele bzw. Absichten zu informieren ist (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 bzw. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 WpÜG).476 Eng verknüpft mit dem zweitgenannten Punkt ist außerdem die Prognose über die „voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Angebots für die Zielgesellschaft, die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, die Beschäftigungsbedingungen und die Standorte der Zielgesellschaft“, die auf Grund der größeren Sachnähe in dieser detaillierten Form jedoch nur von den Organen der Zielgesellschaft eingefordert wird (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpÜG).477 Keinerlei Parallele in der Angebotsunterlage findet jedoch – naturgemäss – die rein subjektive Information über „die Absicht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, soweit sie Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft sind, das Angebot anzunehmen“ (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 WpÜG); diese Information liefert Indizien für Eigeninteressen der Geschäftsleiter der Zielgesellschaft und erlaubt Rückschlüsse auf die Attraktivität des Angebots und die Glaub-

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Str.; in diesem Sinne Kort Rechte und Pflichten des Vorstnads bei Übernahmeversuchen, FS Lutter 2000, S. 1421 (1437 f.); Schiessl ZGR 2003, 814 (827); KölnKomm-WpÜG/ Hirte § 27 Rn 17; Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 438; restriktiver etwa van Aubel Vorstandspflichten bei Übernahmeangeboten, 1995, S. 64 f.; MünchKommAktG/Wackerbarth § 27 WpÜG Rn 12. So etwa Decher Die Fairness Opinion in der aktien- und übernahmerechtlichen Praxis, Liber amicorum Winter 2011, 99 (105 f.); Fleischer ZIP 2011, 201 (206); Kossmann NZG 2011, 46 (51 f.); Assmann/Pötzsch/ Schneider/Krause § 27 WpÜG Rn 49; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Goslar § 22 Rn 33. S. nochmals Kossmann NZG 2011, 46 (51 f.); vgl. außerdem Leyendecker/Klein-

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henz BB 2011, 2952 (2954) (jedenfalls „ratsam“). Dazu etwa Maier-Reimer ZHR 165 (2001), 258 (262 f.) („Kern der Stellungnahme“); ferner Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 27 WpÜG Rn 61–73a; KölnKommWpÜG/Hirte § 27 Rn 37–39. Im Gegensatz zu Nr. 2 steht hier die Bieterperspektive im Vordergrund, vgl. Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 449 f.; Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 27 WpÜG Rn 82; KölnKomm-WpÜG/Hirte § 27 Rn 44. Zu Einzelheiten Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 27 WpÜG Rn 61–73a; KölnKomm-WpÜG/Hirte § 27 Rn 40–43; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Goslar § 22 Rn 77–83.

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würdigkeit der Stellungnahme.478 Umgekehrt greift § 27 Abs. 1 S. 2 WpÜG zahlreiche Angaben, die Angebotsunterlagen gem. § 11 Abs. 2 WpÜG enthalten müssen oder üblicherweise enthalten (s. oben Rn 967), nicht explizit auf. Gleichwohl sind auch jene Angaben in der Stellungnahme zu beurteilen, weil angesichts der Zwecke der Stellungnahme grundsätzlich ein Vollständigkeitsgebot gilt (und jene Liste eben nicht abschliessend ist).479 Einschränkungen sind jedoch auf Grund des aktienrechtlichen Verschwiegenheitsgebots denkbar.480 976 Anders als § 12 WpÜG für die Angebotsunterlage enthält § 27 WpÜG keine Regelung zur Haftung für fehlerhafte Stellungnahmen. Mangels entsprechender Rechtsbeziehung kommen jedenfalls keine vertraglichen oder vertragsähnlichen Ansprüche in Betracht.481 Prospekthaftungsansprüche scheiden mangels entsprechender Anspruchsgrundlage aus, aber auch deshalb, weil die Urheber der Stellungnahme weder Anteile absetzen noch erwerben wollen.482 Ein deliktischer Anspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB wird überwiegend abgelehnt, weil die durch eine fehlerhafte Stellungnahme verursachte Anteilsveräußerung nicht zweifelsfrei als Eingriff in das absolute Recht der Mitgliedschaft qualifiziert werden kann.483 Für eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB müsste § 27 WpÜG als Schutzgesetz qualifiziert werden können, wogegen allerdings gewichtige Gründe sprechen – weniger die mehrdeutige Gesetzesbegründung, sondern vor allem die Erwägung, dass eine schärfere Haftung als für die Angebotsunterlage wertungswidrig wäre, eine dem § 12 WpÜG entsprechende Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit für die Stellungnahme jedoch fehlt.484 Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB kommen deshalb bei fehlerhafter Stellungnahme nur in Betracht, wenn ausnahmsweise andere Schutzgesetze verletzt sind.485 Unter den engen Voraussetzungen von Vorsatz und sittenwidriger Schädigung ist außerdem ein deliktischer Anspruch aus § 826 BGB denkbar.486

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Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 27 WpÜG Rn 83; KölnKomm-WpÜG/Hirte § 27 Rn 45; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Goslar § 22 Rn 86; MünchKommAktG/Wackerbarth § 27 WpÜG Rn 28. Hippeli/Hofmann NZG 2014, 850 (853); Hopt FS Lutter 2000, S. 1361 (1381); Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 27 WpÜG Rn 54; Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Goslar § 22 Rn 20; MünchKommAktG/Wackerbarth § 27 WpÜG Rn 28. Für eine entsprechende Checkliste vgl. Seibt FS Hoffmann-Becking 2013, Verhaltenspflichten und Handlungsoptionen des Aufsichtsrats S. 1119 (1133). Zu diesem Spannungsverhältnis (und ausländischen Lösungsansätzen, namentlich im Schweizer Recht): Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 458 f. Friedl NZG 2004, 448 (452); Assmann/ Krause/Pötzsch § 27 WpÜG Rn 141 f. Vgl. nochmals Friedl NZG 2004, 448 (449, 453); Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause

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§ 27 WpÜG Rn 143–145; skeptisch auch Hopt ZGR 2002, 333 (355 f.); a.A. KölnKomm-WpÜG/Hirte § 27 WpüG Rn 27. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 27 WpÜG Rn 149; implizit auch Friedl NZG 2004, 448 (453); a.A. Baums/Thoma/Harbarth § 27 Rn 140. Ausführlich Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 469 f.; in ähnlichem Sinne (teils jedoch für eine entsprechende Anwendung von § 12 Abs. 6 WpÜG): Angerer/Geibel/Süßmann/Louven § 27 WpÜG Rn 52; Hopt FS Lutter, S. 1361 (1399); Merkt ZHR 165 (2001), 224 (246); a.A. Dimke/Heiser NZG 2001, 241 (249); Kubalek Stellungnahme der Zielgesellschaft, 2006, S. 165 (169). Zu diesen ausführlich: Friedl NZG 2004, 448 (451 f.); Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause § 27 WpÜG Rn 152. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 27 WpÜG Rn 153 f.; Angerer/Geibel/Süßmann/ Louven § 27 WpÜG Rn 53.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

2. Abwehrmaßnahmen. Die Leitung der Zielgesellschaft obliegt gem. § 76 Abs. 1 977 AktG dem Vorstand, auch während der Laufzeit des Übernahmeangebots. Angesichts des möglicherweise drohenden Amtsverlusts können Vorstandsmitglieder allerdings ein Interesse am Fortbestand des status quo haben und deshalb versuchen, das Übernahmeangebot durch bestimmte Leitungsmaßnahmen abzuwehren (vgl. bereits oben, Rn 887). Das Arsenal solcher konkreter Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote ist mannigfaltig und reicht von kapital- und vermögensbezogenen Maßnahmen über bestimmte Vertragsgestaltungen bis hin zur unternehmerischen Kommunikation. So kann der Vorstand beispielsweise versuchen, die Übernahme durch Ausgabe junger oder den Verkauf eigener Aktien zu verteuern (oder auch umgekehrt durch Aktienrückerwerb), sie durch Veräußerung von aus Bietersicht wesentlichen Bestandteilen des Gesellschaftsvermögens (sog. crown jewels) weniger attraktiv zu machen, in unternehmenswesentlichen Verträgen mit Dritten Kündigungsklauseln für den Fall eines Kontrollwechsels zu vereinbaren (sog. change of control clauses) oder schlicht Werbeanzeigen zu schalten, die sich gegen das Angebot richten.487 In die Vorbereitung solcher Maßnahmen sind häufig auch Banken eingebunden, insbesondere wenn Kapital- bzw. Finanzierungsbezug besteht (dazu noch unten, Rn 1024). Zu bedenken sind allerdings die rechtlichen Grenzen, denen Leitungsorgane unterlie- 978 gen, wenn sie Abwehrmaßnahmen ergreifen. Solche Grenzen können sich einerseits aus aktienrechtlichen Organpflichten ergeben: Maßnahmen, die alleine durch Übernahmeabwehr motiviert sind, aber nicht dem Unternehmensinteresse entsprechen, überschreiten aufgrund ihrer Zweckwidrigkeit die Grenzen der unternehmerischen Leitungsmacht der Geschäftsleiter und sind daher kompetenz- oder jedenfalls pflichtwidrig.488 Andererseits setzt das Übernahmerecht Abwehrmaßnahmen mit der – de lege ferenda lange Zeit umstrittenen und de lege lata aufgeweichten – Neutralitätspflicht (oder auch Passivitätspflicht bzw. Verhinderungs- oder Vereitelungsverbot) gewisse Grenzen:489 § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG sieht nämlich vor, dass der Vorstand der Zielgesellschaft während der Annahmefrist „keine Handlungen vornehmen [darf], durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte“. Diese nur scheinbar kategorische Regelung erfasst im Grundsatz viele, wenngleich nicht alle der genannten Abwehrmaßnahmen; entsprechende Verhinderungswirkung fehlt insbesondere bei bloßen Werbemaßnahmen.490 Einschränkungen erfährt die Neutralitätspflicht jedoch vor allem durch die drei Ausnahmen, die § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG statuiert. (1.) gilt diese

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Für ausführlichere Überblicke über Abwehrmaßnahmen vgl. etwa Assmann/Pötzsch/ Schneider/Krause/Stephan § 33 WpÜG Rn 88–124; KölnKomm-WpÜG/Hirte § 33 Rn 58–63; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 33 WpÜG Rn 82–126; Angerer/Geibel/ Süßmann/Brandi § 33 WpÜG Rn 19–34; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Paschos § 24 Rn 172–226; rechtsvergleichend ferner Ferrarini Rivista delle società 2000, 737. Näher, auch auf rechtsvergleichender Basis: Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 585–588 (freilich noch auf Basis der inzwischen überholten Macrotron-Entscheidung); vgl. außerdem Winter/Harbarth ZIP 2002, 1 (9 f.); Drygala ZIP 2001, 1861

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(1866–1870); ferner auch Maier-Reimer ZHR 165 (2001), 258 (266–271). Teils wird die Fortgeltung dieser aktienrechtlichen Schranken nach Einführung von § 33 WpÜG bezweifelt, vgl. etwa Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Wolf/Wink § 20 Rn 23– 25; v. Nussbaum Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots 2003, S. 70. Zur rechtspolitischen, aber auch verfassungsrechtlichen Kritik überblicksweise Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause/Stephan § 33 WpÜG Rn 53–55. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause/Stephan § 33 WpÜG Rn 122; KölnKomm-WpÜG/ Hirte § 33 Rn 63; MünchKommAktG/ Schlitt/Ries § 33 WpÜG Rn 122.

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Pflicht nicht für „Maßnahmen, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, getroffen hätte“. Diese Ausnahme soll die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs ermöglichen, wirft aber vor allem wegen des geforderten Drittvergleichs schwierige Anwendungsfragen auf.491 Eine (2.) Ausnahme gilt „für die Suche nach einem konkurrierenden Angebot“, was durchaus zweckgerecht erscheint, weil solche Angebote die Wahlfreiheit der Angebotsadressaten erweitern, statt sie zu reduzieren.492 Ungleich weniger überzeugend und auch europarechtlich fragwürdig ist schließlich die (3.) Ausnahme, die Maßnahmen, denen (lediglich) der Aufsichtsrat zugestimmt hat, ebenfalls von der Neutralitätspflicht befreit – obwohl der Aufsichtsrat in einem vergleichbaren Interessenkonflikt agiert wie der Vorstand.493 Diese Regelung hebelt zudem, wenngleich sie auch unter dem Vorbehalt entsprechender aktienrechtlicher Organkompetenz und Pflichtbindung steht, die anderen beiden Ausnahmen weitgehend aus; auch rechtsvergleichend steht sie völlig alleine und gilt deshalb als „deutsche[r] Sündenfall“.494 § 33 Abs. 2 WpÜG sieht überdies die Möglichkeit von Vorratsbeschlüssen der Hauptversammlung vor: Diese kann den Vorstand demnach im Vorhinein zur Vornahme von Handlungen ermächtigen, die in ihre eigene Zuständigkeit fallen, um den Erfolg von Übernahmeangeboten zu verhindern. Eine solche Ermächtigung kann allerdings für höchstens 18 Monate erteilt werden und bedarf einer qualifizierten Mehrheit.495 Hinzuweisen ist abschließend auf § 33a Abs. 1 S. 1 WpÜG, der in Umsetzung des in der Übernahmerichtlinie vorgesehenen Optionsmodells die gesamte Regelung des § 33 WpÜG für dispositiv, genauer: die Abbedingung per Satzungsklausel für zulässig erklärt; im Falle eines solchen „opt-in“ gilt das – strengere – europäische Verhinderungsverbot gem. § 33a Abs. 2 WpÜG, das jedoch seinerseits gem. § 33c Abs. 1 WpÜG wiederum unter den Vorbehalt der Gegenseitigkeit gestellt werden kann. 979 Eine Verteidigung gegen drohende Übernahmen ist nicht nur während der Annahmefrist denkbar, sondern auch vorbeugend, als strukturelle „Übernahmeprophylaxe“, beispielsweise durch satzungsmäßige Übertragungsbeschränkungen von Aktien, Stimmbindungsverträge oder Entsendungsrechte.496 Solchen präventiven Abwehrmaßnahmen steht die Neutralitätspflicht des § 33 WpÜG aufgrund ihres zeitlich beschränkten Anwendungsbereichs – während der Annahmefrist – nicht entgegen.497 Jedoch sieht § 33b Abs. 2

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Dazu näher Assmann/Pötzsch/SchneiderKrause/Stephan § 33 WpÜG Rn 145–162; KölnKomm-WpÜG/Hirte § 33 Rn 66–73; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 33 WpÜG Rn 130–148. Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 525 f.; näher außerdem Assmann/ Pötzsch/Schneider/Krause/Stephan § 33 WpÜG Rn 163–171; KölnKomm-WpÜG/ Hirte § 33 Rn 74–77; MünchKommAktG/ Schlitt/Ries § 33 WpÜG Rn 149–160. Näher zu dieser Ausnahme Assmann/ Pötzsch/Schneider/Krause/Stephan § 33 WpÜG Rn 172–187; KölnKomm-WpÜG/ Hirte § 33 Rn 78–90; MünchKommAktG/ Schlitt/Ries § 33 WpÜG Rn 161–179. Hopt ZHR 166 (2002), 383 (427); zur Diskussion vgl. außerdem Drygala ZIP 2001, 1861 (1878); Ekkenga/Hofschroer DStR

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2002, 724 (733); Hopt ZGR 2002, 333 (361); Krause AG 2002, 133 (136 f.); ders. BB 2002, 1053 (1053); Winter/Harbarth ZIP 2002, 1 (8); Ulmer AcP 202 (2002), 143 (153 f.). Hierzu wiederum näher Assmann/Pötzsch/ Schneider/Krause/Stephan § 33 WpÜG Rn 200–242; KölnKomm-WpÜG/Hirte § 33 Rn 95–137; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 33 WpÜG Rn 197–232. Zum Begriff sowie für einen ausführlichere Überblicke über die (ebenfalls mannigfaltigen) vorbeugendenen Abwehrmaßnahmen vgl. etwa Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos § 24 Rn 18–85. BT-Drs. 14/7034, S. 58 (Begr. RegE zu § 33 Abs. 1 S. 1); vgl. außerdem Assmann/ Pötzsch/Schneider/Krause/Stephan § 33 WpÜG Rn 70; KölnKomm-WpÜG/Hirte § 33 Rn 44.

Florian Möslein

6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

WpÜG vor, dass zumindest bestimmte solcher struktureller Übernahmehindernisse nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage durchbrochen werden. Diese Vorschrift gilt allerdings gem. § 33b Abs. 1 WpÜG nur, sofern explizit in der Satzung der Zielgesellschaft vorgesehen (opt-in); sie kann zudem gem. § 33c Abs. 2 ebenfalls unter den Vorbehalt der Gegenseitigkeit gestellt werden. Entsprechend gering ist die praktische Bedeutung von § 33b WpÜG.498 Unabhängig davon unterliegen solche Gestaltungen jedoch den allgemeinen aktien- und börsenrechtlichen Beschränkungen, die ihnen teils enge Grenzen setzen.499 Beispielsweise steht die freie Handelbarkeit der Anteile, die § 5 Abs. 1 BörsZulV fordert, einer satzungsmäßigen Vinkulierung regelmäßig entgegen.500 Angesichts der einschneidenden Bedeutung drohender Übernahmen für die Zielgesellschaft sowie für deren Arbeitnehmer und Aktionäre trifft den Vorstand auf Grundlage seiner Leitungsverantwortung gem. §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG allerdings durchaus auch umgekehrt die Pflicht, sich im Vorhinein auf solche potentiellen Übernahmesituationen ordentlich und gewissenhaft vorzubereiten: Es bedarf einer „Analyse der Verwundbarkeit“;501 soweit erforderlich sind „Überlegungen zu Reaktionsmöglichkeiten anzustellen, einzelne Handlungalternativen zu definieren und für diesen Fall einen Organisationsplan aufzustellen“.502 In der Praxis dienen diesem Zweck sog. Defense Manuals, an deren Erstellung typischerweise (Investment-)Banken mitwirken, weil naturgemäß auch Finanzierungsfragen zu erwägen sind (hierzu noch ausführlich unten, Rn 1022–1024).503

IV. Annahme des Angebots Nach allgeimenen vertragsrechtlichen Grundsätzen bedarf das Angebot des Bieters der 980 Annahme durch die Angebotsadressaten, damit ein wirksamer Kauf- oder Tauschvertrag über die betreffenden Anteile zustande kommt. Die übernahmerechtliche Besonderheit liegt vor allem in der Vielzahl der Angebotsadressaten: Sie erfordert ein geordnetes Verfahren (nachfolgend unter 1.) ebenso wie flankierende Regeln zur Bindungswirkung (unter 2.), um echte Gleichbehandlung dieser Adressaten – in Form von Verteilungsgerechtigkeit (s. oben, Rn 888) – zu gewährleisten. Überdies ist der Sonderfall zu bedenken, dass möglicherweise auch andere Bieter auf den Plan treten, mit der Folge konkurrierender Angebote (unter 3.). Fragen der eigentlichen Abwicklung sind im Gesetz nicht geregelt, häufig jedoch in Angebotsunterlagen (dazu 4.) 1. Verfahrensfragen. Um allen Aktionären ausreichend Zeit zu gewähren, um in 981 Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können (vgl. § 3 Abs. 2 WpÜG),

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KölnKomm-WpÜG/Hirte § 33b Rn 8. Zu aktienrechtlichen Grenzen etwa Paschos/ Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos § 24 Rn 14–17. In diesem Sinne Holzborn/Peschke BKR 2007, 101 (104); Maul NZG 2005, 151 (153); Meyer WM 2006, 1135 (1140); Schüppen BB 2006, 165 (167). Krause AG 2002, 133 (134); Assmann/ Pötzsch/Schneider/Krause/Stephan § 33 WpÜG Rn 242; KölnKomm-WpÜG/Hirte § 33 Rn 180; MünchKommAktG/Schlitt/ Ries § 33 WpÜG Rn 254.

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Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Paschos § 24 Rn 81; ähnlich MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 33 WpÜG Rn 254; Klemm/Reinhardt NZG 2010, 1006 (1009); Winter/Harbarth ZIP 2002, 1 (5). S. etwa Krause AG 2002, 133 (144); Klemm/ Reinhardt NZG 2010, 1006 (1007–1009); Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause/Stephan § 33 WpÜG Rn 298 (mit Kritik am Begriff); KölnKomm-WpÜG/Hirte § 33 Rn 182; Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Paschos § 24 Rn 81–85.

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6. Teil. Marktregeln

zugleich jedoch für ein rasches Verfahren zu sorgen (§ 3 Abs. 4 WpÜG), sieht das Gesetz in § 16 Abs. 1 WpÜG zeitliche Grenzen für die Frist für die Annahme des Angebots (Annahmefrist) vor; sie darf demnach nicht weniger als vier und grundsätzlich nicht mehr als zehn Wochen betragen. Die Sonderregeln in Abs. 3 und 4 gelten für den Fall, dass im Zusammenhang mit dem Angebot eine Hauptversammlung der Zielgesellschaft einberufen wird, und dienen dem Abgleich mit den aktienrechtlichen Fristvorgaben für die Hauptversammlungseinberufung. Die „weitere Annahmefrist“, für die Abs. 3 einen Zeitraum von zwei Wochen vorsieht, ermöglicht Aktionären die Annahme des Angebots selbst nach Ablauf der eigentlichen Annahmefrist. Grund dieser sog. Zaunkönigregelung ist das Gefangenendilemma, in dem die Aktionäre entscheiden: Da sie sich nicht untereinander absprechen können, besteht die Gefahr, dass sie das Angebot alleine deshalb annehmen, weil sie eine Annahme durch die Mehrheit ihrer Mitaktionäre befürchten.504 Diesen Entscheidungsdruck reduziert die Nachfrist, indem sie unentschiedenen Aktionären ermöglicht, die Verkaufsentscheidung erst zu treffen, wenn der Kontrollwechsel bereits feststeht (im umgekehrten Fall gilt die Zaunkönigregelung gem. § 16 Abs. 2 S. 2 WpÜG grundsätzlich nicht). Ähnlichen Zwecken dient im Übrigen die Offenlegungsregel gem. § 23 WpÜG, die den Bieter während der Annahmefrist zur regelmäßigen Veröffentlichung sog. „Wasserstandsmeldungen“ verpflichtet, aus denen sich die Höhe der erworbenen Anteile und der damit verbundenen Stimmrechtsanteile ergibt und sich die Erfolgsaussichten des Angebots abschätzen lassen.505 982 Auch im Fall sog. Teilangebote, bei denen der Bieter nur einen Teil der Anteile erwerben möchte, sorgt der Gesetzgeber für Gleichbehandlung. Er verhindert nämlich einen Wettlauf, bei dem nur die am schnellsten entscheidenden Anteilsinhaber zum Zuge kommen (sog. pressue-to-tender-Problem),506 indem er in § 19 WpÜG vorsieht, dass im Falle einer Überzeichnung eine quotale Zuteilung zu erfolgen hat. Da die Annahmeerklärungen jeweils auf eine größere Anzahl an Aktien zielen, als tatsächlich zugeteilt werden, besteht jedoch Streit über die dogmatische Konstruktion (gesetzliche Fiktion, Legalnovation oder entsprechende Auslegung der Annahmeerklärung).507

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2. Bindung an das Angebot. Eine Grundvoraussetzung für die Funktionsfähigkeit der genannten Verfahrensregeln, die für Gleichbehandlung der Angebotsadressaten sorgen sollen (vgl. oben, Rn 981 f.), besteht darin, dass die Bindungswirkung des Angebots grundsätzlich während der gesamten Annahmefrist fortbesteht. Änderungen des Angebots unterliegen deshalb Einschränkungen: Sie sind gem. § 21 WpÜG nur erlaubt, um die Attraktivität des Angebots zu erhöhen, indem die Gegenleistung erhöht (Nr. 1), eine andere Gegenleistung zur Wahl gestellt (Nr. 2), die Mindestannahmeschwelle herabgesetzt (Nr. 3) oder auf Bedingungen verzichtet (Nr. 4) wird. Ergänzend gelten gem. § 21 Abs. 2 und 3 WpÜG entsprechende Veröffentlichungspflichten. Zudem wird Aktionären, die das Angebot bereits angenommen haben, in § 21 Abs. 4 WpÜG ein Rücktrittsrecht gewährt, von dem sie Gebrauch machen können, wenn sie mit den Änderungen – obwohl auch zu

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Näher zu Gefangenendilemma und Zaunkönigregelung etwa Assmann/Pötzsch/Schneider/Seiler § 16 WpÜG Rn 28–31; MünchKommAktG/Wackerbarth § 16 WpÜG Rn 18. Vgl. Witt NZG 2000, 809. Ausführlicher Assmann/Pötzsch/Schneider/ Favoccia § 19 WpÜG Rn 1; KölnKomm-

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WpÜG/Hasselbach § 19 Rn 3; MünchKommAktG/Wackerbarth § 19 WpÜG Rn 4. Vgl. KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 19 Rn 14 (Fiktion); Steinmeyer/Steinmeyer § 19 WpÜG Rn 7 (Novation); Angerer/Geibel/ Süßmann § 19 WpÜG Rn 6 (Auslegung).

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

ihren Gunsten – nicht einverstanden sind.508 In Fällen, in denen die Änderung erst kurz vor Ablauf der Annahmefrist erfolgt, sieht § 21 Abs. 5 WpÜG schließlich eine Verlängerung der Annahmefrist vor, in der dann gem. § 21 Abs. 6 WpÜG keine weiteren Änderungen mehr möglich sind: Die Angebotsempfänger sollen einen Mindestzeitraum von zwei Wochen zur Verfügung haben, um über das – endgültige – Angebot entscheiden zu können, ohne dass andererseits das Verfahren über Gebühr in die Länge gezogen wird.509 Eine Reihe flankierender Vorschriften trägt dazu bei, die Bindungswirkung der Ange- 984 botsunterlage zusätzlich zu betonen. Indem etwa § 17 WpÜG öffentliche Aufforderungen zur Abgabe von Angeboten für unzulässig erklärt, sorgt er dafür, dass entsprechender Kontrollerwerb nur im Wege bindender Angebotserklärungen (nicht durch bloße invitatio ad offerendum, vgl. Rn 967) möglich ist. Auch die Einschränkung der Zulässigkeit von Bedingungen und die Unzulässigkeit von Rücktritt und Widerruf, die § 18 WpÜG statuiert (und § 25 WpÜG für Bedingungen von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung des Bieters ergänzt), dient vergleichbaren Zwecken. Die Regelung zur Werbung im Zusammenhang mit Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren in § 28 WpÜG, die der BaFin im Fall von Missständen deren Untersagung ermöglicht, geht zumindest mittelbar in eine ähnliche Richtung, weil sie eine Gesamtwürdigung von Angebot und begleitender Werbung durch ein- und dieselbe Aufsichtsbehörde ermöglicht und dadurch unter anderem Werbemaßnahmen entgegensteht, die die Bindungswirkung des Angebots zu relativieren versuchen.510 3. Konkurrierende Angebote. Ebenfalls zu Gunsten der Angebotsadressaten – um de- 985 ren Entscheidungsmöglichkeiten zu erweitern – statuiert § 22 WpÜG Regelungen für den Fall, dass während der Annahmefrist ein zweites Angebot eines anderen Bieters gemacht wird. Solche konkurrierenden Angebote erhöhen die Wahlfreiheit der Angebotsadressaten und verbessern nach Art einer Auktion die Preisfindung; sie werden deshalb grundsätzlich positiv bewertet, so dass beispielsweise auch die Neutralitätspflicht der Suche des Vorstands der Zielgesellschaft nach solchen Angeboten nicht entgegensteht (womit freilich noch nicht gesagt ist, ob der Vorstand konkurrierende Bieter gleich zu behandeln hat, etwa im Hinblick auf die Weitergabe unternehmensinterner Informationen).511 Diese das Leitungsorgan der Zielgesellschaft betreffenden Fragen lässt § 22 WpÜG offen und beschränkt sich stattdessen darauf, für einen verfahrensmäßigen Gleichlauf zu sorgen: Die Vorschrift synchronisiert in § 22 Abs. 2 WpÜG nämlich die Annahmefristen von Erst- und konkurrierendem Angebot; zudem gewährt § 22 Abs. 3 WpÜG denjenigen Aktionären, die das Erstangebot bereits angenommen haben, ein Rücktrittsrecht. Auch sie sollen vollumfängliche Wahlfreiheit genießen und insoweit allen übrigen Aktionären gleichgestellt sein.512 4. Abwicklung. Die wertpapiertechnische Abwicklung der Angebotsannahme richtet 986 sich mangels gesetzlicher Regelung nach den Vorgaben der Angebotsunterlage. Sie erfolgt 508

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Zur entsprechend geringen praktischen Bedeutung vgl. nur Assmann/Pötzsch/Schneider/Seiler § 21 WpÜG Rn 45. Vgl. BT-Drs. 14/7034, S. 49 f. (Begr. RegE zu § 21 Abs. 4 und 5); ähnlich Assmann/ Pötzsch/Schneider/Seiler § 21 WpÜG Rn 51; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 21 Rn 58. Näher zu Einzelfällen Assmann/Pötzsch/ Schneider/Assmann § 28 WpÜG Rn 16–19; KölnKomm-WpÜG/Hirte § 28 Rn 22 f. Zu diesen Fragen überblicksweise Paschos/ Fleischer Übernahmerecht-HdB/Apfelba-

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cher/Niggemann § 18 Rn 5–23; vgl. auch Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 525–529 und 595–606. Eine Reihe problematischer Konstellationen bleiben allerdings ungeregelt, vgl. Rothenfußer/Friese-Dormann/Rieger AG 2007, 137; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Apfelbacher/Niggemann § 18 Rn 35–53 und 67 f.; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 22 Rn 21–29.

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6. Teil. Marktregeln

in der Regel durch eine zwischengeschaltete Bank als Abwicklungsstelle, die auf Grundlage eines Abwicklungsvertrags mit dem Bieter von den Depotbanken der Angebotsadressaten bzw. des Bieters die eingelieferten Aktien bzw. die Gegenleistung entgegennimmt.513 Die Abwicklungsstelle koordiniert auch die Annahme des Angebots durch die Angebotsadressaten gegenüber ihren jeweiligen Depotbanken, indem sie diesen Distributionsbestimmungen und Richtlinien zur technischen Abwicklung (mit Muster für Kundenanschreiben und Annahmeerklärungen) übersendet.514 Die Umbuchung der Anteile erfolgt dann über die Clearstream Banking AG, die von den Aktionären über ihre Depotbanken angewiesen und ermächtigt wird, die betreffenten Anteile Zug um Zug gegen Zahlung der Gegenleistung zu übertragen.515 Zentrales Augenmerk gilt dabei den Annahme- und Umbuchungsfristen.516 Im Falle des Nichteintritts von Vollzugsbedingungen oder des Rücktritts bedarf es entsprechender Rückbuchungen.517 Besonderheiten gelten schließlich im Fall von Tauschangeboten, bei denen die Gegenleistung ebenfalls in (per Sachkapitalerhöhung neu geschaffenen) Aktien des Bieters besteht; zu diesem Zweck wird häufig – zusätzlich zur Abwicklungsstelle – ein Umtauschtreuhänder eingeschaltet und durch Umtauschtreuhändervertrag verpflichtet, die Aktien der Zielgesellschaft entgegenzunehmen und im Gegenzug die neuen Aktien des Bieters an die annehmenden Aktionäre der Zielgesellschaft auszugeben.518

IV. Nachbereitung 987

Im Anschluss an ein erfolgreiches Übernahmeangebot bedarf es – übernahmerechtlich nur noch partiell geregelter – Nachbereitungsmaßnahmen. Einerseits stellt sich nämlich für den Bieter die Frage, wie er die Zielgesellschaft ggf. in sein eigenes Unternehmen integrieren kann, insbesondere durch Konzernierungsmaßnahmen (dazu unter 1.), und ob er – auch zu diesem Zweck – noch verbleibende Minderheitsaktionäre ggf. ausschliessen kann (Ausschliessungsrecht, dazu unter 2.). Andererseits stellt sich für solche Aktionäre umgekehrt die Frage, ob sie ihrerseits vom Bieter verlangen können, auch ihre Anteile noch zu übernehmen (Andienungsrecht, dazu unter 3.). Da der betriebswirtschaftliche Erfolg einer Übernahme aus Perspektive des Bieters nicht alleine vom Anteilserwerb, sondern letztlich erst von der erfolgreichen Integration der Zielgesellschaft abhängt, hat der Bieter diese Nachbereitungsmaßnahmen vorausschauend bereits vor und während der Übernahme zu bedenken und gemeinsam mit seinen Beratern, auch den beratenden Banken, zu planen. Er muss sie auch bereits in der Angebotsunterlage als „Absichten des Bieters“ gem. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 WpÜG andeuten (vgl. oben, Rdn. 99). Entsprechend sind diese Maßnahmen zumindest im Überblick zu skizzieren, auch wenn sie teils nicht mehr zum Übernahmerecht im eigentlichen Sinne gehören.

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1. Konzernierung. Auch nach einem sog. Kontrollerwerb kann der (ehemalige) Bieter die (ehemalige) Zielgesellschaft keineswegs vollumfänglich steuern und lenken, weil deren Vorstand diese Aktiengesellschaft gem. § 76 AktG unter eigener Verantwortung zu leiten hat und im Rahmen seines Leitungsermessens die Interessen dieser Gesellschaft sowie ihrer Ak-

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Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Fischer/Taupitz § 17 Rn 2. Näher Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Fischer/Taupitz § 17 Rn 5 f. Dazu im Einzelnen Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Fischer/Taupitz § 17 Rn 7–23.

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Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Fischer/Taupitz § 17 Rn 26–30. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Fischer/Taupitz § 17 Rn 47–52. Vgl. nochmals Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Fischer/Taupitz § 17 Rn 46, 53–66.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

tionäre und Arbeitnehmer (vgl. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG: „Wohle der Gesellschaft“) zu berücksichtigen hat.519 Er ist daher jedenfalls nicht alleine auf die Interessen des ehemaligen Bieters bzw. jetzigen Kontrollinhabers verpflichtet.520 Da die Stellung des Vorstands im deutschen Aktienrecht vergleichsweise unabhängig ausgestaltet ist,521 sind zudem die Einflussmöglichkeiten von Aufsichtsrat und Hauptversammlung auf die laufende Geschäftsführung begrenzt. Immerhin gibt § 84 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat die Möglichkeit, Vorstandsmitglieder zu bestellen und abzuberufen. Die Abberufung ist allerdings gem. § 84 Abs. 3 S. 1 AktG nur aus wichtigem Grund möglich, weshalb der Kontrollerwerb alleine noch keine Abberufung zu rechtfertigen vermag (wohl aber der Vertrauensentzug der – durch den Kontrollinhaber dominierten – Hauptversammlung, vgl. § 84 Abs. 3 S. 2 AktG).522 Wenn der Kontrollinhaber als herrschendes Unternehmen und die Zielgesellschaft als 989 abhängiges Unternehmen im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG zu qualifizieren ist, was jedenfalls bei Mehrheitsbeteiligung gem. § 17 Abs. 2 AktG vermutet wird, ist gem. § 18 Abs. 1 S. 3 AktG die einheitliche Leitung und damit die Bildung eines Konzerns zu vermuten. Da Bieter nach Durchführung des Übernahmeangebots typischerweise mehr als 50 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft halten, bilden beide in der Regel einen faktischen Konzern, mit der Folge, dass die Zielgesellschaft als abhängiges Unternehmen auf Veranlassung des Bieters als herrschendes Unternehmen auch für sie nachteilige Maßnahmen treffen darf; daraus entstehende Nachteile sind allerdings gem. §§ 311 ff. AktG auszugleichen.523 Beispiele für solche (zumindest potentiell nachteiligen) Maßnahmen sind Personalabbau, Unternehmens- und Funktionsverlagerungen, die Bildung von Cash Pools sowie die Weitergabe unternehmensinterner Informationen.524 Um die Steuerung der Zielgesellschaft zu erleichtern – und umgekehrt die Unabhängig- 990 keit von dessen Vorstand gem. § 76 Abs. 1 AktG zu reduzieren – kommt darüber hinaus der Abschluss eines Beherrschungsvertrags gem. § 291 Abs. 1 Alt. 1 AktG in Betracht. Ein solcher Unternehmensvertrag berechtigt das herrschende Unternehmen gem. § 308 Abs. 1 AktG, dem Vorstand des abhängigen Unternehmens hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen; diese Weisungen können für diese Gesellschaft auch nachteilig sein, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder konzernverbundener Unternehmen dienen.525 Der Vorstand der Zielgesellschaft ist umgekehrt gem. § 308 Abs. 2 grundsätzlich verpflichtet, diese Weisungen des herrschenden Unternehmens zu befolgen. Um die abhängige Gesellschaft bzw. deren Gläubiger und Minderheitsaktionäre zu kompensieren, statuiert § 302 AktG eine Verlustausgleichspflicht und die §§ 303–307 AktG sehen eine Reihe von Sicherungs- und Ausgleichsmechanismen vor. Insgesamt sind Beherrschungsverträge ein wichtiges Instrument, um Zielgesellschaften nach Übernahmen zu 519

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Zu dieser interessenpluralen Zielkonzeption (und Gegenauffassungen) vgl. nur Hüffer/ Koch AktG § 76 Rn 28 f. In diesem Sinne etwa OLG Karlsruhe WM 1987, 533 (534). Für einen umfassenden Rechtsvergleich s. Möslein Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 11–62. Es bedarf in jedem Fall eines entsprechenden Beschlusses, vgl. BGH WM 1962, 811; Hüffer/Koch AktG § 84 Rn 38; MünchKommAktG/Spindler § 84 Rn 138. So etwa MünchKommAktG/Bayer § 18 Rn 10; ausführlich außerdem K. Schmidt

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GesR § 31 IV 2; Rehbinder Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht 1969, S. 234–239; Hommelhoff Die Konzernleitungspflicht 1982, S. 109–123; vgl. ferner BVerfG ZIP 2011, 2094 (2096). Hierzu im Einzelnen Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Diekmann § 25 Rn 77–86. Ausführlich zu Umfang und Schranken dieser Leitungsmacht Emmerich/Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR/Emmerich AktG § 308 Rn 36–66; MünchKommAktG/Altmeppen § 308 Rn 84–142; KölnKommAktG/Koppensteiner § 308 Rn 27–54.

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6. Teil. Marktregeln

integrieren; da ihr Abschluss – neben weiteren Kautelen – gem. § 293 Abs. 1 S. 2 AktG eine Beschlussmehrheit von mindestens 75 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals erfordert, stehen Übernahmeangebote entsprechend häufig unter der Bedingung einer Annahmequote von mindestens 75 % der Stimmrechte.526

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2. Ausschluss. Selbst wenn Leitungsmacht besteht, verursachen verbleibende Minderheitsaktionäre Zeitaufwand und Kosten, auch auf Grund der Schutzinstrumente, die das Aktien- und Konzernrecht zu ihren Gunsten vorsieht. Beide Faktoren fallen umso stärker ins Gewicht, je geringer der Anteil dieser außenstehenden Aktionäre ist.527 Bei sehr hoher Anteilskonzentration ermöglicht die Rechtsordnung daher den Ausschluss von Aktionären aus der Gesellschaft – freilich schon aus verfassungsrechtlichen Gründen (Schutz des Eigentums, Art. 14 GG) nur gegen angemessene Kompensation. Sie sieht hierfür verschiedene, alternative Instrumente vor, namentlich im Gesellschafts- und Übernahmerecht (daneben jedoch auch im Verschmelzungsrecht, vgl. § 62 Abs. 5 UmwG).528 §§ 327a bis 327f AktG statuieren den gesellschafsrechtlichen Ausschluss von Minderheitsaktionären und setzen vor allem eine Beteiligung des Hauptaktionärs von mindestens 95 % am Kapital der AG voraus.529 Der ebenfalls erforderliche Hauptversammlungsbeschluss (mit einfacher Mehrheit, vgl. § 133 Abs. 1 AktG) ist bei solchen Beteiligungsverhältnissen eher nur Formsache; zudem bedarf es einer Negativerklärung des Vorstands gem. §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 5 AktG oder eines Freigabeverfahrens gem. §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG. Mit Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses im Handelsregister gehen die Anteile gem. § 327e Abs. 3 S. 1 AktG kraft Gesetzes auf den Hauptaktionär über. Umgekehrt ist zu Gunsten der Minderheitsaktionäre gem. §§ 327a Abs. 1, 327b AktG bereits im Hauptversammlungsbeschluss eine Barabfindung zu beschliessen, deren Angemessenheit in zwei Schritten überprüft wird, zum einen durch sachverständige Prüfung im Vorfeld gem. § 327c Abs. 2 S. 2 AktG, zum anderen durch die Möglichkeit nachträglicher gerichtlicher Überprüfung im Rahmen eines Spruchverfahrens gem. § 327f AktG.530 Für die begleitenden Banken ist jedoch vor allem die Vorschrift des § 327b Abs. 3 AktG von Bedeutung, die zur Sicherung dieser Gegenleistung eine Bankgarantie vorschreibt: Der Hauptaktionär hat demnach dem Vorstand „die Erklärung eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu übermitteln, durch die das Kreditinstitut die Gewährleistung für die Erfüllung der Verpflichtung des Hauptaktionärs übernimmt, den Minderheitsaktionären nach Eintragung des Übertragungsbeschlusses unverzüglich die festgelegte Barabfindung für die übergegangenen Aktion zu zahlen“ (hierzu noch ausführlich unten, Rn 1013). 992 Als Alternative eröffnen §§ 39a f. WpÜG dem Bieter die Möglichkeit eines übernahmerechtlichen Ausschlusses der verbleibenden Aktionäre – gleichsam als gesetzgeberische Kompensation für die zahlreichen Pflichten, insbesondere die Angebotspflicht, die das Übernahmerecht dem Bieter auferlegt („Gegenstück zum Pflichtangebot“).531 Voraussetzung ist gem. § 39a Abs. 1 WpÜG (1.) der Antrag eines Bieters (anders als bei § 327a AktG

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Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Diekmann § 25 Rn 5. Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 19 Rn 1 f. Überblicksweise Kraft/Redenius-Hövermann JURA 2013, 1; insbesondere zum verschmelzungsrechtlichen Squeeze-Out vgl. etwa Florstedt NZG 2015, 1212; D. Mayer NZG 2012, 561; Schockenhoff/Lumpp ZIP 2013, 749; Stephanblome AG 2012, 814.

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Ausführlicher etwa Angerer BKR 2002, 260; Fleischer ZGR 2002, 757; Grunewald ZIP 2002, 18. Zur Angemessenheit der Abfindung vgl. BGHZ 208, 265 und dazu etwa Ruiz de Vargas/Schenk AG 2016, 354. Seibt/Heiser AG 2006, 301 (317); allgemein zum übernahmerechtlichen Squeeze-Out Ott WM 2008, 384; Paefgen WM 2007, 765; Rühland NZG 2006, 401.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

kein Hauptversammlungsbeschluss!), der zuvor ein Übernahme- oder Pflichtangebot abgegeben hat und dem (2.) Aktien der Zielgesellschaft in Höhe von mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals gehören.532 Die Übertragung der Anteile erfolgt gem. § 39a Abs. 1 S. 1 WpÜG durch Gerichtsbeschluss. Umgekehrt erhalten die Aktionäre wiederum eine Abfindung, deren Höhe das Gesetz hier allerdings spezifischer festzulegen vermag, nämlich am Maßstab der Gegenleistung des vorangegangenen Angebots (vgl. § 39a Abs. 3 WpÜG): Wenn auf Grund dieses Angebots Aktien in Höhe von mindestens 90 % des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben wurde, gilt diese Gegenleistung – wohl unwiderleglich – als angemessen.533 Andernfalls muss durch eine Unternehmensbewertung unter Einholung von Sachverständigengutachten eine angemessene Abfindung bestimmt werden.534 Eine Bankgarantie ist, anders als beim gesellschaftsrechtlichen Ausschluss, in § 39a WpÜG nicht vorgesehen, kann aber vom Gericht im Übertragungsbeschluss verlangt werden.535 Einer Verpflichtung, eine solche Sicherheit zu verlangen, unterliegt das Gericht hingegen nach überzeugender Ansicht nicht: Denn einerseits verlangt auch die Richtlinienvorgabe keine Maßnahmen zur Sicherstellung der Leistung; andererseits erfahren die Minderheitsaktionäre beim übernahmerechtlichen Ausschluss bereits durch die Finanzierungsbestätigung gem. § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG zumindest einen gewissen, wenngleich nicht gleichermaßen weitreichenden Schutz; zudem kann die BaFin das Angebot gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1, 2 WpÜG untersagen, sofern die Finanzierung nicht hinreichend gesichert erscheint.536 3. Andienung. Gegenläufig zum übernahmerechtlichen Zwangsausschluss gewährt 993 § 39c WpÜG umgekehrt den verbliebenen Minderheitsaktionären das Recht, ihre Anteile dem neuen Kontrollinhaber anzudienen. Auch ihnen bringt die hohe Anteilskonzentration nämlich erhebliche Nachteile, alleine schon weil in diesem Fall kein liquider Anteilshandel mehr stattfindet.537 Unter den Voraussetzungen des § 39a WpÜG – wenn also der Bieter nach einem Übernahme- oder Pflichtangebot Aktien der Zielgesellschaft in Höhe von mindestens 95 % des stimmberechtigen Grundkapitals hält – sieht § 39c S. 1 WpÜG deshalb vor, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft, die das Angebot nicht angenommen haben, dieses innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist noch annehmen können. Die Übertragung der Anteile erfolgt hier auf rechtsgeschäftlichem Wege, auch wenn dogmatisch schwierig herzuleiten ist, wie das Rechtsverhältnis zwischen Bieter und andienendem Aktionär begründet wird.538 Die Abwicklung erfolgt jedenfalls in gleicher Weise

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Zur Frage, zu welchem Zeitpunkt dieser Schwellenwert erreicht sein muss (relevant insbesondere bei Nacherwerben), vgl. BGH ZIP 2013, 308; OLG Frankfurt a. M. ZIP 2014, 617; dazu auch Hentzen/Rieckers DB 2013, 1159; Merkner/Sustmann NZG 2013, 374; Seiler/Rath AG 2013, 252. Zur Diskussion um die Widerleglichkeit s. etwa Mülbert NZG 2004, 633 (634); Maul NZG 2005, 151 (157); Paefgen WM 2007, 765 (767); Rühland NZG 2006, 401 (407); zur verfassungrechtlichen Beurteilung vgl. außerdem BVerfG NZG 2012, 907. Näher Assmann/Pötzsch/Schneider/Seiler § 39a WpÜG Rn 107–109; KölnKommWpÜG/Hasselbach § 39a Rn 81.

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Vgl. LG Frankfurt a. M., AG 2009, 421 (Rn 39); ferner Assmann/Pötzsch/Schneider/ Seiler § 39a WpÜG Rn 138; KölnKommWpÜG/Hasselbach § 39a Rn 24. So überzeugend Assmann/Pötzsch/Schneider/Seiler § 39a WpÜG Rn 139–141; ähnlich KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 39a Rn 25 f.; MünchKommAktG/Grunewald § 39a WpÜG Rn 39; Angerer/Geibel/Süßmann § 39a WpÜG Rn 23; a.A. Steinmeyer/ Häger/Santelmann § 39a WpÜG Rn 10–13; Heidel/Lochner § 39a WpÜG Rn 24. Langenbucher Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2015, § 19 Rn 28. Näher Assmann/Pötzsch/Schneider/Seiler § 39c WpÜG Rn 22–24; KölnKommWpÜG/Hasselbach § 39c Rn 35 f.

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6. Teil. Marktregeln

wie bei „normaler“ Angebotsannahme, nämlich so wie in den Angebotsunterlagen vorgesehen.539 Die Gegenleistung entspricht in Art und Höhe ebenfalls dem ursprünglichen Übernahme- und Pflichtangebot.540

D. Begleitung des Bieters Übersicht Rn I. Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . 995 1. Mandatsvereinbarung . . . . . . . . . 996 2. Vertraulichkeitsvereinbarung oder -verpflichtung . . . . . . . . . . . . . 997 II. Akquisitionsfinanzierung . . . . . . . . . 998 1. Mittelbedarf . . . . . . . . . . . . . . 999 2. Mittelaufbringung . . . . . . . . . . . 1001 III. Finanzierungsbestätigung (§ 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . 1003 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . 1004

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2. Bestätigungsgeber . . . . . . . . 3. Form, Zeitpunkt und Inhalt . . 4. Rechtsfolgen (§ 13 Abs. 2 und 3 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . IV. Gewährleistungserklärung (§ 327b Abs. 3 AktG) . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . 2. Erklärungsgeber . . . . . . . . . 3. Inhalt, Form und Zeitpunkt . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . .

Rn . . . . 1005 . . . . 1007 . . . . 1010 . . . . .

. . . . .

. . . . .

. 1013 . 1014 . 1015 . 1016 . 1017

Vor diesem Hintergrund der wichtigsten Zeitabschnitte von Unternehmensübernahmen lässt sich nunmehr abschließend die Rolle der begleitenden Banken spezifisch in den Blick nehmen. Auch wenn Banken als Depotbanken und Abwicklungsstellen im Rahmen von Übernahmen auch eine gewisse operative Rolle spielen (vgl. oben, Rn 986), besteht ihre Zentralfunktion in der Beratung der Hauptakteure, also des Bieters und der Zielgesellschaft (vgl. oben, Rn 878). Entsprechend ist im Investmentgeschäft einerseits von buyside mandates, andererseits von sellside bzw. defense mandates die Rede.541 Formal spielt jeweils die Dokumentation eine wichtige Rolle (nachfolgend unter 1.). Inhaltlich stehen bei der Beratung des Bieters naturgemäß Finanzierungsfragen im Vordergrund (nachfolgend unter 2.), deren Klärung die begleitenden Banken in unterschiedlichem Maße zu bestätigen bzw. abzusichern haben, nämlich teils – bei Barangeboten – in einer Finanzierungsbestätigung gem. § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG (nachfolgend unter 3.), teils – im Falle eines gesellschaftsrechtlichen Ausschlusses – sogar durch Bankgarantie gem. § 327b Abs. 3 AktG (nachfolgend unter 4.). Diese Bankgarantie ist ebenfalls zu behandeln, da wiederum nicht nur die Übernahme selbst, sondern auch die nachfolgenden Integrationsmaßnahmen (sog. post merger integration) von vorneherein mit zu bedenken sind.542

I. Dokumentation 995

Ohne begleitende Bank(en) sind Übernahmen in aller Regel nicht zu bewerkstelligen (vgl. oben, Rn 871–873). Noch im Vorfeld der eigentlichen Transaktionvorbereitung (oben, Rn 959) bedarf es deshalb der Auswahl einer oder – im Falle eines Konsortiums – mehrerer Banken, die einerseits geeignet und andererseits bereit sind, eine geplante Über-

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KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 39c Rn 42 f.; MünchKommAktG/Grunewald § 39c WpÜG Rn 17. Näher Assmann/Pötzsch/Schneider/Seiler § 39c WpÜG Rn 30–35; KölnKommWpÜG/Hasselbach § 39c Rn 31–34; Münch-

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KommAktG/Grunewald § 39c WpÜG Rn 16. Vgl. Beitel Investmentbanken in M&A-Transaktionen 2004, S. 52–65; Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.13. S. nochmals Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.13.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

nahme zu begleiten. Als Auswahlverfahren kommen – ähnlich wie im Vorfeld von Börsengängen – sog. beauty contests in Betracht, die in gebündelter Form eine vergleichende Analyse der Leistungsfähigkeit mehrerer Banken erlauben, die bei dieser Gelegenheit ihre einschlägigen transaktionsbezogenen Qualifikationen, Erfahrungen und erste strategische Vorschläge präsentieren.543 Die Zusammenarbeit zwischen Bieter und Bank, die sich an diese Auswahlentscheidung anschließt, basiert mangels gesetzlicher Regelung auf vertraglicher Grundlage, bedarf also der rechtlichen Ausgestaltung durch die beteiligten Parteien. Obwohl die entsprechenden Vereinbarungen somit konstitutiven Charakter für das Beratungsverhältnis haben und wichtige Zusicherungen und Verpflichtungen aller Beteiligten statuieren (also keineswegs nur „dokumentieren“), spricht man üblicherweise von der Dokumentation der Übernahmetransaktion, die in der Praxis je nach den Eigenheiten der geplanten Transaktion ganz unterschiedliche Formen annehmen kann.544 Bei aller Vielfalt lassen sich immerhin zwei Kernelemente ausmachen, nämlich einerseits die Mandatsvereinbarung (nachfolgend unter 1.), andererseits die Vertraulichkeitsvereinbarung (nachfolgend unter 2.). Zusätzlich zu diesem vertraglichen Pflichtengefüge unterliegt die Bank den allgemeinen Verhaltensregeln des § 31 WpHG (dazu ausführlich Bd. 10/1, Zweiter Teil, Zweiter Abschnitt), die selbstredend auch für die Übernahmeberatung gelten: Sie verpflichten die Bank nicht nur zu Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit bei der Leistungserbringung (Abs. 1 Nr. 1), sondern auch zur Vermeidung von Interessenkonflikten (Abs. 1 Nr. 2), was insbesondere die Schaffung getrennter Vertraulichkeitsbereiche (chinese walls) zwischen der Übernahmeberatung des Bieters auf der einen Seite und der Beratung von der Übernahme betroffener Anleger auf der anderen Seite erfordert.545 1. Mandatsvereinbarung. Die sorgfältige, klare, umfassende und anreizorientierte 996 Formulierung der Mandatsvereinbarung (Letter of Engagement, LoE) ist vor allem deshalb wichtig, weil der Bieter während eines laufenden Übernahmeverfahrens schon aus Reputationsgründen nicht ohne Weiteres die begleitende Bank auswechseln kann; die Vereinbarung sollte deshalb möglichst „alle für das Beratungsmandat zwischen Kunde und Investmentbank notwendigen Regelungen“ beinhalten.546 Neben der Beschreibung der geplanten Transaktion bedarf es hinreichender Abreden über die Leistungen und Verpflichtungen der Beteiligten. Zentral sind vor allem drei Regelungsbereiche: (1.) Die Festlegung der Aufgaben der Investmentbank, deren Inhalt und Umfang von der beabsichtigten Transaktion und den spezifischen Umständen – beispielsweise vom Informationsstand und Finanzierungsbedarf – abhängen, und die deshalb jeweils individueller Verhandlung und Formulierung bedarf.547 Da die Bank zur Erfüllung ihrer Aufgaben ihrerseits auf zahlreiche Informationen angewiesen ist, die sie nur von ihrem Kunden, dem künftigen Bieter, erhalten kann, sollte umgekehrt eine Pflicht (und Obliegenheit) zur Erteilung der entsprechenden Informationen verabredet werden, auf deren Richtigkeit und Vollständigkeit sich die beratende Bank verlassen darf.548 (2.) Die Bankenprovision hängt maßgeblich davon ab, welche Aufgaben jeweils übernommen werden, so dass insbesondere die Anzahl der be-

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Näher hierzu (im Rahmen von Emissionen) Habersack/Mülbert/Schlitt/Stäcker/Lange Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl. 2013, § 2 Rn 46–50. Vgl. etwa Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 197 f.; Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.14–16.23. Näher Schimansky/Bunte/Lwowski Bankrechts-HdB/Faust § 109 Rn 63.

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Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.21; vgl. außerdem Habersack/Mülbert/Schlitt/Stäcker/ Lange Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl. 2013, § 2 Rn 52. Ähnlich mit Blick auf Emissionen: Habersack/Mülbert/Schlitt/Stäcker/Lange Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl. 2013, § 2 Rn 52. Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.21.

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6. Teil. Marktregeln

teiligten Banken und deren Rollenverteilung innerhalb eines Konsortiums von Bedeutung ist.549 Verbreitet ist jedenfalls eine Kombination aus (meist geringer) erfolgsunabhängiger Basisvergütung (sog. retainer) und erfolgsabhängigem Honorar, das entweder erst bei closing oder bereits bei Erreichen bestimmter Zwischenschritte fällig wird.550 (3.) Das Haftungsregime schließlich ist – angesichts der hohen Transaktionsvolumina und in Abhängigkeit von der Honorarvereinbarung – üblicherweise durch eine Begrenzung der Haftung der Bank auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gekennzeichnet; es wird zudem durch Freistellungsregelungen ergänzt, in denen sich der Bieter verpflichtet, die Bank im Innenverhältnis von Ansprüchen freizustellen, die Dritte im Zusammenhang mit der Übernahme unmittelbar gegen die Bank geltend machen.551

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2. Vertraulichkeitsvereinbarung oder –verpflichtung. Da Investmentbanken teils bereits vor Mandatierung – etwa im Vorfeld des beauty contests – unternehmensinterne Informationen des Bieters erhalten, spielen Abreden, in denen sich diese Banken zur vertraulichen Behandlung aller Informationen verpflichten, die sie im Rahmen der betreffenden Transaktion erhalten, neben der Mandatsvereinbarung eine eigenständige Rolle.552 Diese Abreden können als zweiseitige Vereinbarung (Non-Disclosure Agreement, NDA) oder als einseitige Verpflichtung ausgestaltet sein (Confidentiality Undertaking).553 Zwar ist die Bank sowohl durch vorvertragliche Nebenpflichten als auch auf Grund des allgemeinen Bankgeheimnisses (zu diesem ausführlich Bd. 10/1, Zweiter Teil, Zweiter Abschnitt, unter B.) – sowie künftig auch auf Grundlage der noch umsetzungbedürftigen Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-Hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (Richtlinie 2016/943) – zur Geheimhaltung verpflichtet.554 Die zusätzlichen privatautonomen Abreden dienen aber der Konkretisierung dieser allgemeinen Pflichten; sie können zudem ggf. eine Selbstbefreiung von der insiderrechtlichen Offenlegungspflicht gem. Art. 17 Abs. 4 lit. c) der Marktmissbrauchsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 596/ 2014) rechtfertigen.555 Typische Inhalte solcher Vertraulichkeitsabreden betreffen die transaktionsspezifische Definition der vertraulichen Information sowie die Festlegung des Umfangs der Vertraulichkeit, samt Ausnahmen etwa zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen.556 Teils werden zusätzlich auch technische Details verabredet, etwa zur automatischen Archivierung sowie zur Vernichtung oder Rückgabe der betreffenden Informationen.557 Zusätzlich finden sich in Vertraulichkeitsvereinbarungen und -verpflichtungen mitunter auch flankierende Regelungen, etwa zu Exklusivitätsvereinbarungen (teils mit break-up fees), Vertragsstrafen oder Verboten der Abwerbung von Mitarbeitern, deren praktische Akzeptanz und Durchsetzbarkeit allerdings eher beschränkt erscheint.558

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Habersack/Mülbert/Schlitt/Stäcker/Lange Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl. 2013, § 2 Rn 53 (wiederum primär mit Blick auf Emissionen). Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.22. Vgl. nochmals Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.21. Hierzu allgemein v. Werder/Kost BB 2010, 2903; Linke/Fröhlich GWR 2014, 449. BeckOGK/Wilhelmi BGB § 453 Rn 338; Hanke/Socher NJW 2010, 664 (665). Näher zu den praktischen Erwägungen Ulrich GmbHR 2011, R53; ders GmbHR

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2012, R306; zum allgemeinen Rahmen des Unternehmensdatenschutzes sowie zur Richtlinie vgl. etwa Stancke BB 2013, 1418; Baranowski/Glaßl BB 2016, 2563. Ähnlich Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.16. Zur Gestaltung im Einzelnen vgl. nochmals Linke/Fröhlich GWR 2014, 449; mit Formulierungsvorschlägen auch v. Werder/Kost BB 2010, 2903. Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.18. Ebenfalls skeptisch Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.19; vgl. ferner Linke/Fröhlich GWR 2014, 449 (452–454).

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

II. Akquisitionsfinanzierung Während das Gesetz in § 13 Abs. 1 S. 1 WpÜG (lediglich) den Bieter in die Pflicht 998 nimmt, „vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass ihm die zur vollständigen Erfüllung des Angebots notwendigen Mittel zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf die Gegenleistung zur Verfügung stehen“, lässt sich diese Pflicht in aller Regel nur durch Einschaltung einer Bank erfüllen. Von einer solchen Bankenbegleitung – wie sie im Diskussionsentwurf noch ausdrücklich vorgeschrieben war und auch in anderen Rechtsordnungen verpflichtend ist –559 geht implizit auch § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG aus, der zumindest in gewissen Fällen eine Finanzierungsbestätigung durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen vorsieht (zu dieser ausführlich unten, Rn 1003–1012). Während das Gesetz die Finanzierungsverantwortung demnach primär dem Bieter auferlegt, bildet die Sicherstellung der Angebotsfinanzierung im Innenverhältnis die zentrale Aufgabe der Bank und zählt entsprechend auch in der Mandatsvereinbarung zu deren Hauptpflichten: Die Mandatsvereinbarung delegiert die Finanzierungsverantwortung des Bieters gleichsam auf die beratende Bank. In der Sache stellt die Akquisitionsfinanzierung eine überaus komplexe Aufgabe dar, die im Rahmen einer umfassenden Finanzierungsstruktur unterschiedliche Instrumente der Eigenund Fremdkapitalfinanzierung miteinander verbindet, und die deshalb eine Kombination unterschiedlicher Bankdienstleistungen aus den Bereichen Kreditgeschäft und Investment Banking erfordert (vgl. bereits oben, Bd. 10/2, Vierter Teil, Rn 376–379). Während Akquistionsfinanzierung deshalb ihrerseits den Gegenstand umfassender bankbetrieblicher Abhandlungen bildet,560 braucht vorliegend nur ein kurzer Überblick gegeben zu werden: Im Kern geht es darum, Mittelbedarf (nachfolgend unter 1.) und Mittelaufbringung (unter 2.) miteinander in Ausgleich zu bringen, um sicherzustellen, dass die für die Übernahme erforderlichen Finanzmittel effektiv zur Verfügung stehen. Die nachfolgende Darstellung orientiert sich an Barangeboten, weil es im Fall von Tauschangeboten gem. § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG keiner Finanzierungsbestätigung der Bank bedarf und sich die Finanzierungsverantwortung deshalb auf den Bieter selbst konzentriert, verbunden allerdings mit entsprechend strengeren Anforderungen der BaFin.561 1. Mittelbedarf. Hauptposten sind die Finanzmittel, die zum Erwerb der vom Angebot 999 umfassten Aktien erforderlich sind. Im Ausgangspunkt errechnet sich der Mittelbedarf deshalb, indem die Anzahl dieser Aktien mit der angebotenen Gegenleistung multipliziert wird. Da Teilangebote gem. § 19 WpÜG nur ausnahmsweise, nämlich bei einfachen Erwerbsangeboten, zulässig sind, entspricht diese Anzahl grundsätzlich der Gesamtzahl der ausgegebenen Aktien.562 Vorsorglich ist mithin eine hunderprozentige Annahmequote zu 559

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Vgl. einerseits § 14 S. 1 DiskE („Der Bieter und die Zielgesellschaft haben bei der Vorbereitung und Durchführung einer Übernahme einen geeigneten Berater hinzuzuziehen“) und dazu Land/Hasselbach DB 2000, 1747 (1749); KölnKomm-WpÜG/Möllers § 13 Rn 9; andererseits Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 13 Rn 6. S. etwa Diem Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013; Mittendorfer Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, 2007. Insbesondere darf die Erbringung der Gegenleistung – also die Beschaffung der Tauschak-

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tien – in diesem Fall nicht von der Mitwirkung eines privaten Dritten, sondern ausschließlich von eigenen internen Maßnahmen des Bieters oder von behördlichen bzw. gerichtlichen Maßnahmen abhängen; näher: Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 63–79; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 103–145. Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.129; Paschos/ Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/ Schnorbus § 10 Rn 13.

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6. Teil. Marktregeln

unterstellen.563 Soweit der Bieter selbst bereits Aktien hält, braucht er diese allerdings nicht mehr zu erwerben, so dass diese Aktien bei der Kalkulation des Mittelbedarfs in Abzug gebracht werden können. Wenn ihm Aktien gem. § 30 WpÜG zuzurechnen sind, ist ein solcher Abzug dagegen nur unter engen Voraussetzungen zulässig (etwa bei Nichtannahmeerklärungen oder entsprechenden Anweisungen).564 Wenn Dritte sich durch Nichtannahmeerklärungen (sog. no-tender-agreements) schuldrechtlich verpflichtet haben, das Angebot nicht anzunehmen, hat die BaFin lange Zeit keinen Abzug zugelassen, so dass zumindest formal auch insoweit die Finanzierung sichergestellt sein musste (sog. no-tenderFinanzierung).565 Neuerdings macht sie hiervon Ausnahmen, allerdings nur unter den engen Voraussetzungen sog. qualifizierter Nichtannahmeversprechen, zu denen bei Barangeboten namentlich die Verbindlichkeit der Abrede, die Sanktionierung durch eine qualifizierte Vertragsstrafe sowie die Absicherung durch Depotsperrvereinbarungen zählen.566 Auch Aktien, die von der Zielgesellschaft selbst gehalten werden, dürfen grundsätzlich nicht in Abzug gebracht werden – außer bei Pflichtangeboten, bei denen sich das Angebot nämlich gem. § 35 Abs. 2 S. 3 WpÜG nicht auf solche Aktien zu beziehen braucht.567 Umgekehrt braucht eine künftige Entstehung neuer Aktien nur einkalkuliert zu werden, wenn sie wirtschaftlich hinreichend wahrscheinlich ist, etwa weil mit einer Ausübung von Wandlungs- oder Optionsrechten durch Dritte oder mit Kapitalmaßnahmen der Zielgesellschaft konkret zu rechnen ist.568 Angebotsänderungen brauchen ebenfalls nicht antizipiert zu werden, sondern müssen erst in dem Zeitpunkt Berücksichtigung finden, in dem sie wirksam werden.569 1000 Darüber hinaus sind Zusatzposten zu berücksichtigen, die zwar nicht unmittelbar für den Erwerb von Aktien aufzuwenden, aber zur Finanzierung des Angebots dennoch erforderlich sind. Hierzu zählen vor allem Transaktionskosten, die der Bieter zu tragen hat – sei es, weil ihm selbst solche Kosten entstehen (insbesondere für Berater, auch Investmentbanken), sei es, weil er entsprechende Kosten der Aktionäre übernimmt.570 Ein pauschaler Sicherheitsaufschlag, etwa für Prognosefehler, braucht dagegen nicht einkalkuliert zu wer-

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Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 17; KölnKomm-WpÜG/Möllers § 13 Rn 52; Lenz/Behnke BKR 2003, 43 (46); Mayer-Uellner AG 2012, 399 (401 f.); Noack Fragen der Finanzierungsbestätigung, FS für Hadding 2004, 991 (996); Singhof/ Weber WM 2002, 1158 (1160 f.). Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Berrar/Schnorbus § 10 Rn 19; kritisch zur Praxis der BaFin hingegen: Assmann/ Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 17 f.; weitergehend: Kümpel/Wittig/ Brandt Rn 16.133. Vgl. Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.135; ferner auch Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 17; MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 7; Cascante/Tyrolt AG 2012, 97 (102); kritisch etwa Schiessl Sicherstellung und Bestätigung der Finanzierung von Übernahmeangeboten, FS Uwe H. Schneider 2011, S. 1107 (1110). Kämmerer/Veil/Klepsch/Schmiady/von Buchwaldt Übernahme- und Kapitalmarkt-

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recht in der Reformdiskussion, 2013, S. 3 (13 f.); Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 26–28. Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.135; Paschos/ Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/ Schnorbus § 10 Rn 16 f.; vgl. ferner Hitzer/ Simon/Düchtig AG 2012, 237 (242). Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1161); Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.131 f.; MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 7. Ausführlich und teils differenzierend Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 21–26a; vgl. außerdem KölnKommWpÜG/Möllers § 13 Rn 53. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 19; Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.138; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 32; a.A. jedoch Lenz/Behnke BKR 2003, 43 (46); Mayer-Uellner AG 2012, 399 (402).

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

den.571 Ebenfalls keine Berücksichtigung zu finden brauchen solche Kosten, die nicht dem Bieter, sondern der (dann von ihm kontrollierten) Zielgesellschaft mit Vollzug der Übernahme entstehen, etwa zur Refinanzierung von Krediten, die infolge von change-of-control-Klauseln vorzeitig fällig gestellt werden: Zwar können solche Kosten die Übernahme – gesamthaft für den künftigen Konzernverbund gesehen – wirtschaftlich verteuern und dadurch unattraktiv machen, sie sind aber lediglich Folge der Übernahme und deshalb nicht für die Finanzierung des entsprechenden Anteilserwerbs erforderlich.572 2. Mittelaufbringung. Zur Aufbringung der nach dieser Kalkulation erforderlichen 1001 Mittel ist eine Finanzierungsstruktur zu entwickeln, die sich aus unterschiedlichsten Elementen der Eigen- und Fremdfinanzierung kombinieren lässt. Sind einerseits Eigenmittel vorhanden, muss die Bank gleichwohl sicherstellen, dass diese Mittel bei Fälligkeit der Gegenleistung effektiv zur Verfügung stehen.573 Deshalb empfiehlt sich beispielsweise, vorhandene Barmittel zu Gunsten der Bank zu verpfänden oder auf Sperrkonten zu übertragen; Fremdwährungsguthaben nur mit Abschlägen für bestehende Kursrisiken einzukalkulieren oder abzusichern, und Vermögenswerte je nach deren Liquidität ebenfalls nur mit Abschlägen zu berücksichtigen.574 Erst recht bedürfen Eigenmittel der wirtschaftlichen Absicherung, die zunächst noch nicht zur Verfügung stehen, sondern erst später zufließen sollen, beispielsweise im Rahmen einer beabsichtigten Barkapitalerhöhung.575 Erfolgt die Mittelaufbringung andererseits durch Fremdmittel, muss deren Verfügbar- 1002 keit ebenfalls sichergestellt sein. Handelt es sich um Fremdmittel Dritter, ist beispielsweise sorgfältig zu prüfen, ob entsprechende Kreditzusagen verbindlich sind oder umgekehrt bei laufenden Krediten Kündigungs- oder Rücktrittsrechte bestehen, insbesondere in Form von sog. material-adverse-change-Klauseln.576 Eine solche Prüfung setzt allerdings die Offenlegung der gesamten Kreditdokumentation voraus; ersatzweise sollte zumindest ein entsprechender Bestätigungsvermerk des Bieters vorliegen.577 Wenn umgekehrt die Bank selbst die Fremdmittel zur Verfügung stellt, bedarf es der üblichen Bonitätsprüfung.578 Bei der Begebung von Unternehmensanleihen ist die Garantie der Platzierung durch einen Dritten erforderlich.579 Wenn schließlich ein sog. Leveraged Buy-Out geplant ist, bei dem

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Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.139. In diesem Sinne Krause NJW 2004, 3681 (3683); Schiessl FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1107 (1111); Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.137; Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause § 13 WpÜG Rn 20; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 33–36; anders jedoch KölnKommWpÜG/Möllers § 13 Rn 54; vgl. außerdem Georgieff/Hauptmann AG 2005, 277 (278 f.) (Einbeziehung in Finanzierungsvorsorge). Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 40; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 61. Ausführlicher Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.141–16.143; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 80–87. Zu den Voraussetzungen im Einzelnen: Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Ber-

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rar/Schnorbus § 10 Rn 88–101; vgl. außerdem Meyer, in: Mülbert/Kiem/Wittig (Hrsg.), 10 Jahre WpÜG (2011), S. 226 (238–240). Näher Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.146–16.150; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 65–76; vgl. außerdem Berrar ZBB 2002, 174 (177); Georgieff/Hauptmann AG 2005, 277 (280 f.); Häuser Die Finanzierungsbestätigung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 WpÜG, FS Hadding 2004, S. 834 (850); Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1164). Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.151. Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.152. Georgieff/Hauptmann AG 2005, 277 (280); Häuser FS Hadding 2004, S. 834 (850); Meyer, in: Mülbert/Kiem/Wittig (Hrsg.), 10 Jahre WpÜG (2011), S. 226 (240); Schiessl FS Uwe H. Schneider 2011, S. 1107 (1117); Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 77.

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6. Teil. Marktregeln

die Finanzierung primär durch Vermögenswerte der Zielgesellschaft selbst gesichert werden soll, so ist zusätzlich die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Absicherung zu hinterfragen.580

III. Finanzierungsbestätigung (§ 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG) 1003

Anders als im Rahmen der Anlageberatung (Pflicht zur Geeignetheitsprüfung gem. § 31 Abs. 4 WpHG, dazu ausführlich 8. Teil, Rn 198–213) und anders als im Rahmen der Kreditvergabe (Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung gem. § 505a Abs. 1 S. 1 WpÜG; zum bisherigen § 18 Abs. 2 KWG vgl. bereits oben, Bd. 10/2, Vierter Teil, Rn 650–655) nimmt der Gesetzgeber die beratenden Banken hinsichtlich der Finanzierungsverantwortung für Übernahmen im WpÜG nicht unmittelbar in die Pflicht (vgl. bereits Rn 998). Vielmehr erlegt er primär dem Bieter in § 13 Abs. 1 S. 1 WpÜG die Pflicht auf, vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass ihm die zur vollständigen Erfüllung des Angebots notwendigen Mittel zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf die Gegenleistung zur Verfügung stehen. Das Gesetz verlangt jedoch in § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG unter bestimmten Voraussetzungen (hierzu nachfolgend unter 1.) die schriftliche Bestätigung eines vom Bieter unabhängigen Wertpapierdienstleistungsunternehmens (hierzu unter 2.), dass der Bieter die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die zur vollständigen Erfüllung des Angebots notwendigen Mittel zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf die Geldleistung zur Verfügung stehen (zu Inhalt und Form unter 3.). Nicht zuletzt statuiert § 13 Abs. 2 WpÜG eine Schadensersatzpflicht des betreffenden Wertpapierdienstleistungsunternehmens für den Fall, dass der Bieter die nach Abs. 1 S. 2 notwendigen Maßnahmen nicht getroffen hat und ihm zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf die Geldleistung aus diesem Grunde die notwendigen Mittel nicht zur Verfügung stehen (hierzu unter 4.). Da die Bank über diese Schadensersatzregelung für die ordnungsgemäße Finanzierung der Übernahme einzustehen hat, unterliegt sie mittelbar ebenfalls der Finanzierungsverantwortung: Um eigenes Haftungsrisiko zu vermeiden, muss sie dazu beitragen, dass der Bieter seiner eigenen, gesetzlich normierten Finanzierungsverantwortung gerecht wird. Allerdings ist die Finanzierungsbestätigung keine Garantie, sondern eine bloße Wissenserklärung über Tatsachen, nämlich die vom Bieter getroffenen Maßnahmen.581 Ihr Zweck liegt in der Verhinderung unseriöser Übernahmeangebote, was nicht nur den Angebotsadressaten, aber auch der Zielgesellschaft zum Schutz gereicht, sondern überdies die Funktionsfähigkeit des Marktes für öffentliche Übernahmen gewährleistet.582

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1. Voraussetzungen. Eine Finanzierungsbestätigung ist gem. § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG nur für den Fall erforderlich, „dass das Angebot als Gegenleistung die Zahlung einer Geldleistung vorsieht“, also bei Barangeboten. Auch bei Angeboten, die eine gemischte Gegen-

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Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 53; Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.154; MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 5; vgl. dazu auch Georgieff/Hauptmann AG 2005, 277 (278 f.); Vogel ZIP 2002, 1421 (1422). Berrar ZBB 2002, 174 (179 f.); Häuser FS Hadding, 2004, S. 834 (854); Schiessl FS Uwe H. Schneider 2011, S. 1107 (1113);

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Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1161); Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 82; anders hingegen Oechsler NZG 2001, 817 (826) („Garantieerklärung“). Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1159); Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 81; Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.102; kritisch jedoch MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 4.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

leistung in Aussicht stellen, bedarf es einer Finanzierungsbestätigung, allerdings nur in Höhe der angebotenen Geldleistung.583 Gleiches gilt bei Wahlangeboten, bei denen jedoch zu unterstellen ist, dass alle Angebotsempfänger die Geldleistung wählen.584 Bei reinen Tauschangeboten bedarf es umgekehrt keiner Finanzierungsbestätigung, selbst wenn Spitzen, die sich aus dem Umtauschverhältnis ergeben, in Geld ausgeglichen werden.585 Kollisionsrechtlich ist die Regelgeltung in Fällen fraglich, in denen Sitz und Börsennotierung der Zielgesellschaft territorial divergieren; angesichts des Regelungszwecks sprechen die besseren Gründe für eine kapitalmarktrechtliche Qualifikation, die auf die inländische Börsenzulassung abstellt, nicht auf den Gesellschaftssitz.586 2. Bestätigungsgeber. Aussteller der Bestätigung muss gem. § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG ein 1005 Wertpapierdienstleistungsunternehmen sein. Dieser in § 2 Abs. 4 WpHG legaldefinierte Begriff umfasst sowohl Kredit- als auch Finanzdienstleistungsinstitute. Die Akquisitionsfinanzierung, auf die sich die Bestätigung bezieht, setzt freilich fast immer Bankgeschäfte i.S.v. § 1 Abs. 1 KWG voraus, weshalb auch die Bestätigung üblicherweise von Kreditinstituten abgegeben wird; ausnahmsweise sind jedoch Kooperationsverhältnisse denkbar, namentlich innerhalb von Konsortien, in denen ein Finanzdienstleistungsinstitut die Finanzierung durch ein Kreditinstitut bestätigt.587 In territorialer Hinsicht soll sich der Begriff des Wertpapierdienstleistungsunternehmens in Anlehnung an das KWG auf Institute mit Sitz im Inland oder im Europäischen Wirtschaftsraum beschränken.588 Auch wenn diese Einschränkung gesetzessystematisch nicht zwingend erscheint, bietet sie immerhin Gewähr für eine effektive Aufsicht durch die BaFin.589 Institute aus Drittstaaten können deshalb nur (aber immerhin) dann eine Finanzierungsbestätigung ausstellen, die den Anforderungen des § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG entspricht, wenn sie inländische Zweigstellen betreiben, die gem. § 53 Abs. 2 KWG der Aufsicht der BaFin unterstehen; Bestätigungsgeber muss dann jedoch die jeweilige Zweigstelle selbst sein.590 Um „Gefälligkeitsbestätigungen“591 zu verhindern und Objektivität zu gewährleisten, 1006 muss der Bestätigungsgeber gem. § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG weiterhin vom Bieter unabhängig sein. Dieses unbestimmte Merkmal der Unabhängigkeit spielt in der Praxis durchaus eine Rolle,592 wird aber vom Gesetz nicht näher konkretisiert. Da laut Gesetzesbegründung der Unabhängigkeit nicht schon die Begleitung und Beratung des Bieters bei Vorbereitung und

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Berrar ZBB 2002, 174 (176); Assmann/ Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 84; Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.109; MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 28; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 170. MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 28. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Berrar/Schnorbus § 10 Rn 171. Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.105–16.108. Näher KölnKomm-WpÜG/Möllers § 13 Rn 73 f. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 89; KölnKomm-WpÜG/Möllers § 13 Rn 70; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 172; Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.112.

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Ausführlich MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 17–20; kritisch jedoch Berrar ZBB 2002, 174 (176); Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1160); Angerer/Geibel/ Süßmann § 13 WpÜG Rn 27. Assmann/Pötzsch/Krause § 13 WpÜG Rn 90; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Berrar/Schnorbus § 10 Rn 172; Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.112. BT-Drs. 14/7034, S. 44 (Begr. RegE zu § 13 Abs. 1); vgl. ferner Hamann ZIP 2001, 2249 (2254 (Fn 71)). Zu Untersagungen der BaFin wegen mangelnder Unabhängigkeit vgl. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 173.

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6. Teil. Marktregeln

Durchführung des Angebots – also eine bloße geschäftliche Verbindung – entgegensteht,593 ist jedenfalls keine völlige Neutralität erforderlich, sondern es darf durchaus ein gewisser Interessengleichlauf bestehen.594 Zudem geht es um „Bestätigung“ der Finanzierung, nicht um deren unbefangene Kontrolle oder Überprüfung,595 so dass der Begriff nicht etwa in Anlehnung an die richterliche Unabhängigkeit i.S.v. Art. 97 Abs. 1 GG zu verstehen ist. Auch persönliche Verflechtungen, etwa auf Grund von Personenidentitäten bei den Organmitgliedern von Bieter und Bank, stehen der Unabhängigkeit nicht notwendig entgegen. Erst wenn solche Verflechtungen – insbesondere weil jeweils auf Vorstandsebene – unmittelbar auf Geschäftsführungsentscheidungen durchschlagen und somit die Ausreichung der Finanzierungsbestätigung beeinflussen können, ist die Schwelle zur Abhängigkeit überschritten.596 Auch bei gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen ist zu unterscheiden, ob eine „abstrakte Gefahr der Erteilung einer Gefälligkeitsbestätigung“ besteht.597 Eine solche Gefahr besteht wegen der Möglichkeit beherrschenden Einflusses jedenfalls bei Tochtergesellschaften des Bieters.598 Umgekehrt sind Mutterunternehmen, auch wenn sie nicht i.S.v. § 17 AktG abhängig sind, gleichwohl nicht zwangsläufig unabhängig i.S.v. § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG, da beide Begriffe trotz der gleichen Wortwahl eigenständig auszulegen sind.599 Auch bei Mutterunternehmen kann nämlich jene abstrakte Gefahr gegeben sein, wenn sie auf Grund ihrer Beteiligung ein substantielles Eigeninteresse am Angebotserfolg haben, etwa bei Mehrheitsbeteiligung i.S.v. § 16 AktG, beherrschendem Einfluss i.S.v. § 17 AktG oder sonstiger Verbundenheit mit dem Bieter i.S.v. § 15 AktG.600 Nach den gleichen Kriterien ist schließlich auch bei Schwestergesellschaften zu unterscheiden.601

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BT-Drs. 14/7034, S. 44 (Begr. RegE zu § 13 Abs. 1); vgl. außerdem Assmann/Pötzsch/ Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 98; KölnKomm-WpÜG/Möllers § 13 Rn 79; Paschos/ Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/ Schnorbus § 10 Rn 174; Kümpel/Wittig/ Brandt Rn 16.113. MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 21. Vgl. nochmals MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 21. Assmann/Pötzsch/Krause § 13 WpÜG Rn 96 f.; Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 179; vgl. ferner, teils weniger differenziert: Georgieff/ Hauptmann AG 2005, 277 (282); Häuser FS Hadding 2004, S. 834 (845); Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1160). Assmann/Pötzsch/Krause § 13 WpÜG Rn 92. Berrar ZBB 2002, 174 (176); Georgieff/ Hauptmann AG 2005, 277 (282); Singhof/ Weber WM 2002, 1158 (1160); Assmann/ Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 93; KölnKomm-WpÜG/Möllers § 13 Rn 76; Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 176; zu weitgehend (jede gesellschaftsrechtliche Verbindung) dagegen Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.113.

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Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 94; ähnlich Georgieff/Hauptmann AG 2005, 277 (282); Häuser FS Hadding 2004, S. 834 (845); Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1160); anders hingegen Berrar ZBB 2002, 174 (176); KölnKomm-WpÜG/ Möllers § 13 Rn 76. Assmann/Pötzsch/Krause § 13 WpÜG Rn 94; Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 177; Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1160); alleine auf finanzielle Unabhängigkeit (und Mithaftung gem. § 12 WpÜG) abstellend dagegen KölnKomm-WpÜG/Möllers § 13 Rn 24. Ebenso Berrar ZBB 2002, 174 (176); Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 95; Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 178; strenger dagegen (stets unzulässig): KölnKommWpÜG/Möllers § 13 Rn 76; Georgieff/ Hauptmann AG 2005, 277 (282); Häuser FS Hadding 2004, S. 834 (844); Vogel ZIP 2002, 1421 (1425); offenbar großzügiger dagegen: Baums/Thoma/Marsch-Barner/Oppenhoff § 13 Rn 56; Schwark/Zimmer/Noack/Holzborn § 13 WpÜG Rn 14.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

3. Form, Zeitpunkt und Inhalt. Die Bestätigung muss gem. § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG 1007 schriftlich erfolgen und daher den Formvorgaben des § 126 BGB genügen. Auch bedarf sie der eigenhändigen Unterschrift mindestens einer für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen vertretungsberechtigten Person.602 Als „ergänzende Angabe“ ist die Bestätigung gem. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 4 WpÜG unter Angabe von Firma, Sitz und Rechtsform des Wertpapierdienstleistungsunternehmens der Angebotsunterlage beizufügen (meist als Anlage).603 Entsprechend ist sie gem. § 11 Abs. 1 S. 4 WpÜG in deutscher Sprache und in einer Form abzufassen, die ihr Verständnis und ihre Auswertung erleichtert.604 Zudem ist sie – vom Bieter (nicht vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen) – gem. § 14 Abs. 1 WpÜG bei der BaFin mit einzureichen und gem. § 14 Abs. 3 Nr. 1 und 2 WpÜG zu veröffentlichen.605 Probleme können sich aus dem Zeitpunkt der Bestätigung ergeben, weil diese Bestäti- 1008 gung nach dem Gesagten bereits bei Einreichung vorliegen muss, sich ihrem Inhalt nach aber – wie sich aus der Zusammenschau mit der Finanzierungsverantwortung des Bieters gem. § 13 Abs. 1 S. 1 WpÜG ergibt – auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Angebotsunterlage bezieht.606 Da in diesem Zeitraum zwischen Einreichung und Gestattung noch Anpassungen der Finanzierung denkbar sind, sollte sich die Bank unmittelbar vor Veröffentlichung vom Bieter bestätigen lassen, dass die Finanzierung – soweit nicht ohnehin von ihr selbst ausgereicht – unverändert fortbesteht. Ansonsten drohen der Bank nämlich Haftungsrisiken, wenn die Vorgaben des § 13 Abs. 1 S. 1 WpÜG nur bei Einreichung, aber nicht mehr zum Zeitpunkt der Veröffentlichung erfüllt sind.607 Schwieriger zu beurteilen sind Änderungen bzw. Korrekturen, die sich erst nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage ergeben: Sofern sich die Finanzierungssituation nachträglich ändert, besteht an sich keine Aktualisierungspflicht hinsichtlich der Finanzierungsbestätigung, weil diese sich ja ausschließlich auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung bezieht.608 Eine Aktualisierung kann sich aber jedenfalls aus Reputationsgründen empfehlen.609 Stellt sich andererseits erst nachträglich heraus, dass die Finanzierung von Anfang an nicht sichergestellt war, muss die Bank schon deshalb berichtigen, um drohende Haftungsrisiken zu beschränken – was freilich ohnehin nur mit ex-nunc-Wirkung möglich ist (also nicht gegenüber den Aktionären, die das Angebot im Vertrauen auf die ursprüngliche Bestätigung bereits angenommen haben).610 602 603

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Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Berrar/Schnorbus § 10 Rn 186. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 100; Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.113. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Berrar/Schnorbus § 10 Rn 186; vgl. auch Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.115. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Berrar/Schnorbus § 10 Rn 187. Ebenso Georgieff/Hauptmann AG 2005, 277 (283); Häuser FS Hadding 2004, S. 834 (851); Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1165); Noack FS Hadding 2004, 991 (995); Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Berrar/Schnorbus § 10 Rn 188; anders hingegen: Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 105 f.; Kümpel/Wittig/ Brandt Rn 16.117 f.

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Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Berrar/Schnorbus § 10 Rn 189. Häuser FS Hadding 2004, S. 834 (859 f.); Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1165); MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 29; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 199; a.A. Noack FS Hadding 2004, S. 991 (999). Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1165); Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 200. Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1165); Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 204–206; weitergehend MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 36 (kein Haftungsausschluss möglich).

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Der Inhalt der Finanzierungsbestätigung ergibt sich aus § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG. Demnach hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen „zu bestätigen, dass der Bieter die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die zur vollständigen Erfüllung des Angebots notwendigen Mittel zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf die Geldleistung zur Verfügung stehen“. In der Praxis empfiehlt sich eine enge Orientierung an diesem Wortlaut, insbesondere um ein Einstehen für die tatsächliche Verfügbarkeit dieser Mittel oder gar für die entsprechende Zahlung an die Aktionäre zu vermeiden.611 Auch braucht die Bestätigung nicht stärker ins Detail zu gehen und etwa einzelne Finanzierungsmaßnahmen aufzuzählen; entsprechende Angaben sind in der Angebotsunterlage gem. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 Alt. 1 WpÜG ohnehin bereits enthalten.612 Klarstellende Ergänzungen sind freilich zulässig, allerdings nur, soweit sie die Verständlichkeit der Bestätigung nicht beeinträchtigen.613 Umgekehrt darf die Bestätigung nicht hinter dem Gesetzeswortlaut zurückbleiben und insbesondere keine Einschränkungen, Vorbehalte („nach bestem Wissen“) oder Bedingungen enthalten.614 Bedingungen, denen die einzelnen Finanzierungsmaßnahmen selbst unterliegen, brauchen und sollten in der Finanzierungsbestätigung nicht repliziert werden. Sie haben nämlich ggf. schlicht zur Folge, dass die Fälligkeit der Gegenleistung niemals eintritt und die Bestätigung folglich ohnehin ins Leere geht – und der Bank bereits deshalb keine Haftung gem. § 13 Abs. 2 WpÜG droht.615

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4. Rechtsfolgen (§ 13 Abs. 2 und 3 WpÜG). Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die eine Finanzierungsbestätigung erteilt haben (aber nicht zwingend auch selbst die Übernahme finanziert zu haben brauchen, vgl. Rn 1005),616 haften unter bestimmten Voraussetzugen auf Schadensersatz, wenn der Bieter die nach § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG notwendigen Maßnahmen nicht getroffen hat und ihm deshalb zum Fälligkeitszeitpunkt die zur Angebotserfüllung notwendigen Mittel fehlen. Anspruchsberechtigt sind die Angebotsadressaten, die das Angebot während der (weiteren) Annahmefrist angenommen haben, nicht hingegen diejenigen, die erst von ihrem Andienungsrecht gem. § 39c WpÜG Gebrauch machen.617 Die Haftungsvoraussetzungen des Anspruchs, der neben etwaige vertragliche Schadensersatzansprüche gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 281 BGB gegen den Bieter tritt, mangels vertraglicher Beziehung zwischen Bank als Bestätigungsgeber und Bestätigungs-

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Vgl. Vogel ZIP 2002, 1421 (1426 (unter 2.5)); MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 26; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 182. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 102; MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 26a; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 182. Näher, teils mit Beispielen: Berrar ZBB 2002, 174 (180); Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause § 13 WpÜG Rn 104; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 183. Berrar ZBB 2002, 174 (178); Georgieff/ Hauptmann AG 2005, 277 (282 f.); Krause NJW 2004, 3681 (3683); Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1162); Assmann/Pötzsch/

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Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 103; KölnKomm-WpÜG/Möllers § 13 Rn 81; Paschos/ Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/ Schnorbus § 10 Rn 184; anders aber Aha AG 2002, 160 (165 (Fn 51: „unklar“)). Berrar ZBB 2002, 174 (178); Assmann/ Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 103; Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 185; anders aber Busch AG 2002, 145 (147). So auch Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 214 („nicht zwingend die Bank […], die die Übernahme finanziert hat“). Vgl. nochmals Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 214; ferner Baums/Thoma/Marsch-Barner/Oppenhoff § 13 Rn 204.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

empfänger jedoch einer gesetzlichen Regelung bedurfte,618 ergeben sich aus § 13 Abs. 2 WpÜG; Abs. 3 verweist ergänzend auf die Vorschriften zu unrichtigen Angaben in der Angebotsunterlage in § 12 Abs. 2 bis 6 WpÜG: Es bedarf (1.) einer Pflichtverletzung des Bieters (nicht der Bank), die in der Nichtvornahme der gem. Abs. 1 S. 2 notwendigen Maßnahmen besteht, entsprechend der Reichweite der Finanzierungsbestätigung allerdings beschränkt auf diejenigen Maßnahmen, die zur Zahlung einer Geldleistung (nicht für einen etwaigen Tausch in bestimmte Wertpapiere) erforderlich sind.619 Ob der Bieter diese Maßnahmen nicht oder nicht ausreichend getroffen hat, ist dabei ex ante zu beurteilen; maßgeblich ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Angebotsunterlage.620 Für Finanzierungslücken, die erst nachträglich entstehen – etwa wegen einer Erhöhung der Gegenleistung oder umgekehrt wegen der Kündigung eines Darlehensvertrags –, braucht die Bank dagegen nicht einzustehen, weil sie keiner Aktualisierungspflicht, sondern lediglich einer Berichtigungspflicht unterliegt (s. bereits Rn 1008).621 Weiterhin müssen (2.) dem Bieter im Zeitpunkt der Fälligeit objektiv die Mittel fehlen, die erforderlich sind, um die aus der – tatsächlichen – Annahme des Angebots resultierenden Ansprüche auf Geldleistung vollständig zu erfüllen. Für die subjektive Leistungsbereitschaft des Bieters braucht das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ebensowenig einzustehen wie für den zusätzlichen Finanzierungsbedarf, der sich hypothetisch bei hunderprozentiger Annahmequote ergäbe.622 Schließlich muss (3.) zwischen der Nichtvornahme der notwendigen Maßnahmen und der Nichtverfügbarkeit der Mittel ein kausaler Zusammenhang („aus diesem Grunde“) bestehen. Die Bank hat mithin weder das allgemeine Insolvenzrisiko des Bieters zu tragen noch braucht sie die tatsächliche Mittelverfügbarkeit zu garantieren, soweit diese aus anderen Gründen fehlgeht.623 Aus dem Verweis von § 13 Abs. 3 WpÜG in § 12 Abs. 2 WpÜG ergibt sich, dass das Ver- 1011 schulden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zwar vermutet wird, Exkulpation aber möglich ist.624 Ein solcher Haftungsausschluss setzt voraus, dass die Bank die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben zur Sicherstellung der Mittelverfügbarkeit in der Finanzierungsbestätigung nicht gekannt hat und diese Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht.625 Die Akquisitionsfinanzierung muss in diesem Fall nach ihrer sorgfältigen

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Näher Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 131 f.; vgl. außerdem Schwark/Zimmer/Noack/Holzborn § 13 WpÜG Rn 26; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 210. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Berrar/Schnorbus § 10 Rn 211 f.; Baums/ Thoma/Marsch-Barner/Oppenhoff § 13 Rn 204; Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.160. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Berrar/Schnorbus § 10 Rn 215. In diesem Sinne ist auch der Verweis in § 13 Abs. 3 auf § 12 Abs. 3 Nr. 3 WpÜG zu verstehen, vgl. Häuser FS Hadding 2004, S. 834 (859); Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1165); Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 115; MünchKommAktG/ Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 29; Paschos/ Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/ Schnorbus § 10 Rn 230; anders offenbar KölnKomm-WpÜG/Möllers § 13 Rn 92 f.

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Vgl. einerseits Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.162; andererseits MünchKommAktG/ Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 32; Paschos/ Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/ Schnorbus § 10 Rn 216. Berrar ZBB 2002, 174 (181); Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1161); Assmann/Pötzsch/ Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 112; Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.163; MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 33–33b; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 217. Zur Darlegungs- und Beweislast vgl. Assmann/Pötzsch/Krause § 13 WpÜG Rn 118; Baums/Thoma/Marsch-Barner/Oppenhoff § 13 Rn 213; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 221. Zum Sorgfaltsmaßstab: Berrar ZBB 2002, 174 (181); Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause § 13 WpÜG Rn 119; Kümpel/Wittig/ Brandt Rn 16.123 und 16.167; Paschos/Flei-

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6. Teil. Marktregeln

Prüfung den oben skizzierten, banküblichen Grundsätzen entsprechen (Rn 998–1002). Die Bank muss mithin die Erledigung zweier Arbeitsschritte darlegen und beweisen können, nämlich (1.) eine ordnungsgemäße Beurteilung von Mittelbedarf und -aufbringung, die auf nachvollziehbaren, plausiblen Zukunftsprognosen beruht,626 und (2.) eine hinreichende Überprüfung, die ordnungungsgemäß dokumentiert sein muss, und die nicht ausschließlich auf schriftlichen Zusicherungen des Bieters bzw. Dritter beruhen, sondern zusätzlich alle verfügbaren Informationen erschließen und regelmäßig auch eine Due Diligence-Prüfung – sowie bei Finanzierungsmaßnahmen Dritter eine Überprüfung von deren Bonität – umfassen sollte.627 Eine solche Exkulpation setzt mit anderen Worten voraus, dass die Bank nachweisen kann, dass ihr weder Beurteilungs- oder Prognosefehler noch Überprüfungsfehler schuldhaft unterlaufen sind. Die Schadensersatzpflicht ist weiterhin ausgeschlossen, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen nachweisen kann, dass die Annahme des Angebots nicht auf der Finanzierungsbestätigung beruht (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 13 Abs. 3 WpÜG), oder dass der betreffende Angebotsadressat deren Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit bei Abgabe seiner Annahmeerklärung nicht kannte (§ 12 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 13 Abs. 3 WpÜG).628 Die Haftung ist schließlich auch bei Verjährung ausgeschlossen, die ein Jahr nach Kenntnis der Unrichtigkeit der Finanzierungsbestätigung und spätestens drei Jahre nach deren Veröffentlichung eintritt (§ 12 Abs. 4 i.V.m. § 13 Abs. 3 WpÜG).629 1012 Der Haftungsumfang beinhaltet gem. § 13 Abs. 2 „den Ersatz des […] aus der nicht vollständigen Erfüllung entstandenen Schadens“: Die Bank hat den betreffenden Wertpapierinhaber deshalb so zu stellen, als hätte der Bieter ordnungsgemäß erfüllt; sie haftet auf das positive Interesse.630 Was (1.) den Inhalt des Schadensersatzanspruchs angeht, ist jedoch umstritten, ob kleiner oder großer Schadensersatz geschuldet ist bzw. wem ein entsprechendes Wahlrecht zusteht.631 Der Grundsatz der Naturalrestitution gem. § 249 S. 1 BGB lässt sich nicht ohne Weiteres zur Anwendung bringen, da originärer Vertragspartner des Anspruchsgläubigers (also des Wertpapierinhabers) der Bieter ist und die Bank nicht in dieses Vertragsverhältnis eintreten kann. Nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen gilt deshalb grundsätzlich die Differenztheorie, schuldet die Bank also lediglich den Differenzbetrag zwischen dem Wert der ausgebliebenen Leistung und dem Wert der erspar-

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scher Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 222. Berrar ZBB 2002, 174 (181); Häuser FS Hadding 2004, S. 834 (858); Kümpel/Wittig/ Brandt Rn 16.170 f.; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 225 f. Cascante/Tyrolt AG 2012, 97 (109); Häuser FS Hadding 2004, S. 834 (858); Kümpel/ Wittig/Brandt Rn 16.169; Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 224. Berrar ZBB 2002, 174 (181); vgl. außerdem Assmann AG 2002, 153 (158) (zu § 12 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG). Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG, Rn 124. Berrar ZBB 2002, 174 (182); Georgieff/ Hauptmann AG 2005, 277 (283 f.); Häuser FS Hadding 2004, S. 834 (860); Zschocke DB 2002, 79 (81 f.); Assmann/Pötzsch/

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Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 125; KölnKomm-WpÜG/Möllers § 13 Rn 96; MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 37. Für großen Schadensersatz bspw. Häuser FS Hadding 2004, 834 (860); Thaeter/Barth NZG 2001, 545 (548); KölnKomm-WpÜG/ Möllers § 13 Rn 96; für kleinen Schadensersatz umgekehrt Noack FS Hadding 2004, S. 991 (1003 f.); Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1166); MünchKommAktG/Wackerbarth § 13 WpÜG Rn 37. Für Wahlrecht der Wertpapierinhaber Berrar ZBB 2002, 174 (183); Häuser FS Hadding 2004, S. 834 (860 f.); für Wahlrecht der Bank umgekehrt Angerer/Geibel/Süßmann § 13 WpÜG Rn 36. Guter Überblick über die verschiedenen Ansichten bei Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 234–239.

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

ten Gegenleistung.632 Den vollen Angebotspreis Zug-um-Zug gegen Herausgabe der Aktien – an den Bieter, nicht die Bank (die häufig schon aus regulatorischen Gründen an einem Aktienerwerb gehindert ist) – kann der Wertpapierinhaber dagegen nur verlangen, wenn ausnahmsweise ein berechtigtes, schutzwürdiges Interesse besteht.633 Soweit nach dem Scheitern des Angebots ein liquider Markt fortbesteht, muss dieses Interesse über den bloßen Wunsch nach einer „exit option“ hinausreichen.634 Hinsichtlich (2.) der Höhe des Anspruchs ist die Differenzmethode zur Anwendung zu bringen, um den Unterschiedsbetrag zwischen Angebotspreis und Kurswert zu ermitteln. Maßgeblicher Stichtag ist der Tag nach Ergebnisbekanntmachung bzw. der Tag, an dem die Erfüllungsunfähigkeit des Bieters bekannt wird.635 Nachfolgende Kursschwankungen vermögen die Schadenshöhe nicht mehr zu ändern, da sie auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung keine Auswirkung gehabt hätten.636 Auch ein Abstellen (ähnlich wie bei der Ermittlung der Gegenleistung gem. § 31 Abs. 3 WpÜG) auf einen Durchschnittskurs ist vom Gesetz nicht vorgesehen und würde überdies die Schadensabwicklung erschweren.637 Nicht ersatzfähig sind schließlich die Nebenkosten der Annahme, soweit sie dem Wertpapierinhaber auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung entstanden wären.638

IV. Gewährleistungserklärung (§ 327b Abs. 3 AktG) Mit der Finanzierungsbestätigung gem. § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG vergleichbar, aber nicht 1013 bei jeder Übernahme, sondern nur im Falle eines aktienrechtlichen Squeeze-Outs gem. §§ 327a ff. AktG (zu diesem oben, Rn 989) erforderlich ist die Gewährleistungserklärung gem. § 327b Abs. 3 AktG. Diese Erklärung dient zwar ähnlichen Zwecken, ist aber im Gegensatz zur Finanzierungsbestätigung (vgl. oben, Rn 1003) nicht lediglich eine – haftungsbewehrte – Wissenserklärung, sondern ein eigenes Zahlungsversprechen, beispielsweise in Form einer Garantie, das den ausscheidenden Minderheitsaktionäre einen unmittelbaren Anspruch gegen den Aussteller einräumt.639 Entsprechend haftet die Bank nicht lediglich für fremde Pflichtverletzungen, sondern wird selbst Anspruchsschuldner. Beide Erklärungen dienen jedoch gleichermaßen der Sicherung der Ansprüche der ausscheidenden Aktionäre auf die geschuldete Gegenleistung. Angesichts dieser funktionalen Parallele können zu Vergleichszwecken in relativ knapper Form die gleichen Punkte wie bei der Finanzierungsbestätigung abgehandelt werden (vgl. oben, Rn 1003), nämlich Voraussetzungen (nachfolgend unter 1.), Erklärungsgeber (unter 2.), Form und Inhalt (unter 3.) sowie Rechtsfolgen (unter 4.). 632 633 634 635

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In diesem Sinne etwa Assmann/Pötzsch/ Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 127. S. nochmals Assmann/Pötzsch/Schneider/ Krause § 13 WpÜG Rn 127. Anders jedoch Berrar ZBB 2002, 174 (183). In diese Richtung Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 245; Baums/Thoma/Marsch-Barner/ Oppenhoff § 13 Rn 231. So überzeugend Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/Schnorbus § 10 Rn 245. Hierfür jedoch Noack FS Hadding 2004, S. 991 (1003); vgl. andererseits Baums/Thoma/Marsch-Barner/Oppenhoff § 13 Rn 230.

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Noack FS Hadding 2004, S. 991 (1003); Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause § 13 WpÜG Rn 126; teils einschränkend jedoch Assmann AG 2002, 153 (159); Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1166); Baums/Thoma/MarschBarner/Oppenhoff § 13 Rn 227; Paschos/ Fleischer Übernahmerecht-HdB/Berrar/ Schnorbus § 10 Rn 246. S. etwa Emmerich/Habersack Aktien-/ GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 12; einschränkend hingegen MünchKommAktG/Grunewald § 327b AktG Rn 18.

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6. Teil. Marktregeln

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1. Voraussetzungen. Eine Gewährleistungserklärung gem. § 327b Abs. 3 AktG ist nur im Falle eines gesellschaftsrechtlichen Ausschluss von Minderheitsaktionären gem. § 327a ff. AktG erforderlich, also nicht bei jeder Übernahme, auch nicht im Falle eines übernahmerechtlichen Ausschlusses von Minderheitsaktionären gem. § 39a f. WpÜG (zur Begründung dieser Unterscheidung bereits oben, Rn 992), und ebenfalls nicht im Falle einer Mehrheitseingliederung gem. § 320b AktG.640 In der Tat ist die Position der ausscheidenden Aktionäre gerade bei dieser Form der Aktienübertragung vergleichsweise schwach ausgeprägt, weil die Aktien gem. § 327e Abs. 3 S. 1 AktG mit Eintragung des Übertragungsbeschlusses kraft Gesetzes übergehen und im Gegenzug ein lediglich schuldrechtlicher Anspruch auf Barabfindung erworben wird, ohne dass Personenidentität, Ansässigkeit oder Kreditwürdigkeit des Gläubigers Einschränkungen unterworfen wären.641 Die Übertragung der Aktien erfolgt also nicht Zug-um-Zug.642 Deshalb bedarf die Vorleistung der ausscheidenden Aktionäre einer besonderen Absicherung, die § 327b Abs. 3 AktG in Form einer Gewährleistungserklärung eines typischerweise solventen Ersatzschuldners vorsieht.643 Eine Ausnahme statuiert § 12 Abs. 4 S. 2 FMStBG für Fälle, in denen der Finanzmarktstabilisierungsfonds den Ausschluss verlangt; in diesem Fall steht die Solvenz des eigentlichen Gläubigers nämlich außer Frage.644

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2. Erklärungsgeber. Aussteller der Gewährleistungserklärung muss gem. § 327b Abs. 3 AktG ein im Geltungsbereich des Aktiengesetzes, also in der Bundesrepublik Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugtes Kreditinstitut sein. Der Begriff des Kreditinstituts ergibt sich wiederum aus dem KWG, genauer aus § 1 Abs 1 KWG; er ist jedoch enger als jener des Wertpapierdienstleistungsunternehmens in § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG (dazu oben, Rn 1005), weil er bloße Finanzdienstleistungsinstitute – die nämlich zu Garantiegeschäften gem. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 KWG nicht befugt sind – nicht mit umfasst. Im Gegensatz zu § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG sieht § 327b Abs. 3 AktG explizit vor, dass das fragliche Institut in der Bundesrepublik Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugt sein muss, also entweder über eine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb gem. § 32 KWG verfügt oder als ausländisches Institut gem. §§ 53b oder 53c KWG Marktzugang genießt.645 Umgekehrt sieht § 327b Abs. 3 AktG, wiederum im Gegensatz zu § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG (dazu oben, Rn 1006), kein Unabhängigkeitserfordernis vor, so dass in diesem Fall selbst Konzernverbundenheit unschädlich ist.646 Personenidentität ist aber nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift aus-

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Zur Begründung der letztgenannten Unterscheidung vgl. Emmerich/Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 11. Anders als namentlich im Fall der Eingliederung vgl. Emmerich/Habersack Aktien-/ GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 11. GroßkommAktG/Fleischer § 327b Rn 43; Angerer/Geibel/Grzimek § 327b AktG Rn 42. Ähnlich Emmerich/Habersack Aktien-/ GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 11; Hüffer/Koch AktG § 327b Rn 11; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 327b AktG Rn 43; MünchKommAktG/Grunewald § 327b AktG Rn 16.

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In diesem Sinne Emmerich/Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 11 („sachgerechte Ausnahme“); vgl. ferner Hüffer/Koch AktG § 327b Rn 11; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 327b AktG Rn 43. Ausführlicher KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 327b AktG Rn 43; MünchKommAktG/Grunewald § 327b AktG Rn 17: vgl. außerdem Angerer/Geibel/Grzimek § 327b AktG Rn 44. LG München I ZIP 2004, 167 (169); Emmerich/Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR/ Habersack AktG § 327b Rn 11; Hüffer/ Koch AktG § 327b Rn 12; KölnKommWpÜG/Hasselbach § 327b AktG Rn 45; MünchKommAktG/Grunewald § 327b

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

geschlossen, so dass es beim Ausschluss durch ein Kreditinstitut der Gewährleistungsübernahme durch ein anderes Kreditinstitut bedarf.647 3. Inhalt, Form und Zeitpunkt. Die Erklärung muss gem. § 327b Abs. 3 WpÜG zum 1016 Inhalt haben, dass das Kreditinstitut „die Gewährleistung für die Erfüllung der Verpflichtung des Hauptaktionärs übernimmt, den Minderheitsaktionären nach Eintragung des Übertragungsbeschlusses unverzüglich die festgelegte Barabfindung für die übergegangenen Aktien zu zahlen“. Eine Finanzierungsbestätigung gem. § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG genügt in diesem Fall nicht, weil sie kein einseitiges, unbedingtes Zahlungsversprechen beinhaltet.648 Andererseits schränkt der Gesetzeswortlaut die Rechtsnatur der erforderlichen Gewährleistung nicht auf eine ganz bestimmte Form der Sicherheitsleistung ein, so dass neben (Bank-)Garantie auch Schuldbeitritt, abstraktes Schuldanerkenntnis oder (selbstschuldnerische) Bürgschaft in Betracht kommen.649 Allerdings darf die Zahlungspflicht des Ausstellers nicht durch Bedingungen, Befristungen, Widerrufsvorbehalte oder eigene, nicht aus dem Hauptschuldverhältnis abgeleitete Einreden eingeschränkt sein: Das Kreditinstitut hat eben „unverzügliche“ Zahlung (durch den Hauptaktionär) zu gewährleisten und muss deshalb auch selbst unverzüglich in Anspruch genommen werden können.650 Die Einrede der Vorausklage muss deshalb ausgeschlossen sein (vgl. ohnehin § 349 S. 1 HGB); Patronatserklärung oder Sicherheitenleistung gem. § 232 Abs. 1 BGB sind nicht ausreichend.651 Höchstbetragsbeschränkungen sind nicht per se unzulässig, müssen aber die vom Hauptaktionär im Übertragungsbeschluss festgelegte Barabfindung einschliesslich etwaiger Abfindungserhöhungen im Hauptversammlungsbeschluss umfassen; vom Gericht im Spruchverfahren gem. § 327f Abs. 1 S. 2 AktG angeordnete Erhöhungen brauchen umgekehrt ebensowenig berücksichtigt zu werden wie die Verzinsung gem. § 327b Abs. 2 AktG.652

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AktG Rn 17; zurückhaltend jedoch LG Frankfurt a. M. NZG 2004, 672 (674) („Bedenken, ob eine Bankgarantie von einem Unternehmen erteilt werden kann, das mit dem Hauptaktionär eng verbunden ist“); unentschieden OLG Stuttgart AG 2009, 204 (208). MünchKommAktG/Grunewald § 327b AktG Rn 17. Ähnlich Emmerich/Habersack Aktien-/ GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 12. Vossius ZIP 2002, 511 (513); Emmerich/Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 12; Hüffer/Koch AktG § 327b Rn 12; KölnKomm-WpÜG/ Hasselbach § 327b AktG Rn 46; MünchKommAktG/Grunewald § 327b AktG Rn 18. BGHZ 189, 32 (Rn 18). In diesem Sinne überzeugend Emmerich/Habersack Aktien-/ GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 12; GroßkommAktG/Fleischer § 327b Rn 48; Krieger BB 2002, 53 (58); vgl. dagegen KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 327b AktG Rn 47; MünchKommAktG/Grune-

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wald § 327b AktG Rn 18; Sieger/Hasselbach ZGR 2002, 120 (151); Fuhrmann/Simon WM 2002, 1211 (1216). Zur Unzulässigkeit von Einschränkungen ferner OLG Stuttgart AG 2009, 204 (208); OLG Hamm AG 2005, 773 (776); Hüffer/Koch AktG § 327b Rn 12; MünchKommAktG/Grunewald § 327b AktG Rn 18; Grigoleit/Rieder § 327b AktG Rn 18. Emmerich/Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 12; Angerer/Geibel/Grzimek § 327b AktG Rn 47; Hüffer/Koch AktG § 327b Rn 12; Grigoleit/ Rieder § 327b AktG Rn 18; großzügiger wiederum MünchKommAktG/Grunewald § 327b AktG Rn 18; KölnKomm-WpÜG/ Hasselbach § 327b AktG Rn 47 f. S. einerseits zu Erhöhungen im Spruchverfahren BVerfG ZIP 2007, 1261 (1263); BGH ZIP 2005, 2107 (2108); BGHZ 180 (154 (Rn 28)); andererseits zu Zinsen OLG Karlsruhe AG 2007, 92; OLG Düsseldorf DB 2005, 713 (714); OLG Frankfurt a. M. AG 2010, 39 (42); vgl. außerdem Emmerich/Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 15; Hüffer/Koch AktG

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6. Teil. Marktregeln

Ähnlich wie bei bei § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG (vgl. Rn 1009) ist insgesamt ausreichend und empfehlenswert, wenn sich die Formulierung der Gewährleistungserklärung möglichst eng am Gesetzeswortlaut orientiert.653 1017 Im Gegensatz zu § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG statuiert § 327b Abs. 3 WpÜG keine Formvorgaben. Je nach Rechtsnatur der Gewährleistung gelten jedoch zivilrechtliche Formvorschriften, namentlich für Bürgschaften gem. § 766 S. 1 BGB bzw. für Schuldversprechen gem. § 780 S. 1 BGB die Schriftform.654 In der Praxis empfiehlt sich aber auch ansonsten, schon zu Beweiszwecken, die schriftliche Form.655 Nach dem Wortlaut ist die Erklärung „vor Einberufung der Hauptversammlung“ vom Hauptaktionär an den Vorstand zu übermitteln. Da diese vorherige Übermittlung lediglich der formalen Überprüfung dient und die Erklärung nicht zu den vorab gem. § 327c Abs. 3 AktG auszulegenden Unterlagen zählt, ist jedoch anerkannt, dass eine Nachreichung zulässig ist, solange die Erklärung spätestens zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegt.656 Andernfalls ist der Übertragungsbeschluss gem. § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar.657

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4. Rechtsfolgen. Die Rechtsfolge der Gewährleistungserklärung gem. § 327b Abs. 3 AktG lässt sich ungleich knapper darstellen als die Rechtsfolge der Finanzierungsbestätigung gem § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG, weil sie schlicht in einem unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen das erklärende Kreditinstitut besteht. Dieser Anspruch ist allen Minderheitsaktionären einzuräumen, einschließlich derjenigen, die erst nach Beschlussfassung, aber vor Eintragung Aktionär geworden sind, und auch einschließlich der Bezugsberechtigten.658 Er hat seine Grundlage in einem (Geschäftsbesorgungs-)Vertrag, den das Kreditinstitut in aller Regel mit dem Hauptaktionär schließt.659 Die Aktionäre sind Drittbegünstige; der Vertrag ist insofern als echter Vertrag zu Gunsten Dritter auszugestalten, ohne dass sich das Kreditinstitut allerdings gem. § 334 BGB auf Einwendungen aus dem De-

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§ 327b Rn 12; Grigoleit/Rieder § 327b AktG Rn 18; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 327b AktG Rn 52. Für einen Formulierungsvorschlag s. KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 327b AktG Rn 55; ähnlich Hüffer/Koch AktG § 327b Rn 12. Vgl. außerdem BGH ZIP 2005, 2107 (2108); OLG Düsseldorf WM 2005, 1948 (1951); OLG Hamburg AG 2003, 696 (697); OLG Hamm AG 2011, 136 (137); OLG Karlsruhe AG 2007, 92 f.; OLG Stuttgart AG 2009, 204 (208). Emmerich/Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 21; Hüffer/Koch AktG § 327b Rn 12; Angerer/Geibel/Grzimek § 327b AktG Rn 49; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 327b AktG Rn 50. Angerer/Geibel/Grzimek § 327b AktG Rn 49; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 327b AktG Rn 50. OLG Hamm ZIP 2005, 1457 (1461 f.); Gesmann-Nuissl WM 2002, 1205 (1208); Krieger BB 2002, 53 (58); Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1167); Emmerich/Habersack

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Aktien-/GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 14; Angerer/Geibel/Grzimek § 327b AktG Rn 50; KölnKomm-WpÜG/ Hasselbach § 327b AktG Rn 56. OLG Frankfurt a. M. AG 2005, 657; Angerer/Geibel/Grzimek § 327b AktG Rn 50; Emmerich/Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 14; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 327b AktG Rn 56; GroßkommAktG/Fleischer § 327b Rn 52; a.A. MünchKommAktG/Grunewald § 327b AktG Rn 24 (Heilung durch Nachreichung möglich). Emmerich/Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 13; MünchKommAktG/Grunewald § 327b AktG Rn 18; tendenziell auch Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1168); anders aber OLG Hamm ZIP 2005, 1457 (1462). Singhof/Weber WM 2002, 1158 (1168 f.); KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 327b AktG Rn 58–60; Grigoleit/Rieder § 327b AktG Rn 17; Spindler/Stilz/Singhof § 327b AktG Rn 15; anders hingegen Fuhrmann/Simon WM 2002, 1211 (1216).

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

ckungsverhältnis berufen darf.660 Die Vertragskosten der Erklärung und namentlich die Avalprovision hat der Hauptaktionär zu tragen, sofern er sie nicht ausnahmsweise gem. §§ 308, 311, 317, 327 AktG auf die betroffene Gesellschaft abwälzen darf.661 Der Zahlungsanspruch erlischt, sobald der Hauptaktionär seine Barabfindungsverpflichtung erfüllt hat; er verjährt wie die Verpflichtung des Hauptaktionärs gem. §§ 195, 199 BGB.662

E. Begleitung der Zielgesellschaft Übersicht I. Dokumentation (Verweis) II. Defense Manual . . . . . 1. Zweck . . . . . . . . . 2. Inhalt . . . . . . . . . . 3. Rechtsfragen . . . . . .

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Rn 1020 1022 1022 1023 1025

III. Fairness Opinion . . . . . . . . 1. Begriff und Zweck . . . . . . 2. Ersteller . . . . . . . . . . . 3. Inhalt, Zeitpunkt und Form . 4. Haftung . . . . . . . . . . .

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Rn . 1027 . 1027 . 1029 . 1031 . 1033

Von ähnlicher praktischer Bedeutung wie die Begleitung des Bieters ist für Investment- 1019 banken die Begleitung potentieller Zielgesellschaften.663 Mitunter mag zu Beginn der Zusammenarbeit noch nicht einmal eindeutig feststehen, ob der zu beratende Kunde Bieter oder Zielgesellschaft sein wird. Rechtlich ist das Beratungs- und Kooperationsverhältnis der sog. defense bzw. sellside mandates664 indessen schwer zu fassen, weil im Gegensatz zu § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG und § 327b Abs. 3 WpÜG nicht einmal gesetzliche Anhaltspunkte bestehen. Hier wie dort spielt jedenfalls die Dokumentation eine wichtige Rolle, mit nur wenigen Besonderheiten im Falle der Bieterbegleitung (nachfolgend unter 1.). Anders als bei Begleitung des Bieters spielen Finanzierungsfragen nicht zwangsläufig eine Rolle, sondern steht vor allem die strategische Beratung im Vordergrund, namentlich bei Erarbeitung sog. defense manuals (nachfolgend unter 2.). Speziell für die Erstellung der Stellungnahme, die der Vorstand der Zielgesellschaft gem. § 27 WpÜG abzugeben hat (vgl. oben, Rn 973–976), liefern sog. fairness opinion ein wichtiges Hilfsmittel, das typischerweise, wenngleich nicht zwingend von Investmentbanken erstellt wird: Ihr Zweck besteht vor allem in der Beurteilung der finanziellen Angemessenheit der Gegenleistung (dazu nachfolgend unter 3.).

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OLG Hamm ZIP 2005, 1457 (1462); LG Landshut AG 2005, 934 (935); Emmerich/ Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 13; MünchKommAktG/Grunewald § 327b AktG Rn 20; KölnKomm-WpÜG/Hasselbach § 327b AktG Rn 460; Angerer/Geibel/Grzimek § 327b AktG Rn 46; Hüffer/Koch AktG § 327b Rn 12. Emmerich/Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 13; Gri-

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goleit/Rieder § 327b AktG Rn 17; Spindler/ Stilz/Singhof § 327b AktG Rn 15; enger Hüffer/Koch AktG § 327b Rn 12 (unter Bezugnahme auf §§ 57, 62 AktG). Emmerich/Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR/Habersack AktG § 327b Rn 16; Grigoleit/Rieder § 327b AktG Rn 19. Überblick über die entsprechenden Beratungsleistungen bei Beitel Investmentbanken in M&A-Transaktionen, 2004, S. 64. Nachw. zu den Begriffen oben, Rn 994.

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6. Teil. Marktregeln

I. Dokumentation (Verweis) 1020

Ebenso wie die Zusammenarbeit mit dem Bieter (dazu oben, Rn 995) basiert auch die Zusammenarbeit mit potentiellen Zielgesellschaften auf einem vergleichbaren Auswahlprozess; sie bedarf mangels spezifischer gesetzlicher Regelung gleichermaßen der rechtlichen Ausgestaltung durch die beteiligten Parteien. Sie findet sich wiederum vor allem in Mandatsvereinbarung und Vertraulichkeitsvereinbarung bzw. –verpflichtung, die ganz ähnliche Inhalte haben wie im Falle der Bieterbegleitung (s. deshalb ausführlich oben, Rn 996 f.). 1021 Soweit Banken, die Zielgesellschaften begleiten, auch mit der proaktiven Suche nach potentiellen Bietern betraut sind und mit Interessenten in direkten Kontakt treten, müssen die Vertraulichkeitsvereinbarungen zusätzlich regeln, welche Unternehmensinformationen welchen Interessenten unter welchen Voraussetzungen weitergegeben werden dürfen. Diese Banken sind entsprechend mit der Aufgabe betraut, den Dritten in den einzelnen Stadien der Unternehmenstransaktion zunehmend umfassende Informationen über die Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, die typischerweise zunächst in Informationsbriefen (sog. teaser) und sodann in ausführlicheren Informationsdossiers (sog. information memorandum) zusammengefasst werden.665 Um auch insoweit Vertraulichkeit sicherzustellen, sollten die Banken von den Interessenten zunächst ihrerseits entsprechende Vereinbarungen bzw. Verpflichtungen einfordern (und sind hierzu meist auch gegenüber der Zielgesellschaft verpflichtet). Fehlerhafte Angaben in diesen Dokumenten führen im Falle von Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu einer vorvertraglichen Haftung (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) der Gesellschaft, die sich etwaiges Verschulden der Bank gem. § 278 BGB zurechnen lassen muss.666 Der Bank selbst droht in diesem Fall gegenüber dem Interessenten eine Haftung wegen Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens, möglicherweise auch Prospekthaftung im engeren Sinne.667 Ein Haftungsausschluss ist nur im Rahmen der AGBrechtlichen Grenzen möglich.668

II. Defense Manual 1022

1. Zweck. Um sich auf abstrakt denkbare oder mittelfristig drohende Übernahmen vorzubereiten, bilden Unternehmen Notfallteams (sog. defense oder rapid reaction teams), in die neben sachnahen Organmitgliedern und Leitungspersonen typischerweise auch externe Berater – Rechtsanwälte, PR-Fachleute und eben auch Investmentbanken – eingebunden sind.669 Eine zentrale Aufgabe besteht in der Erstellung des sog. defense manuals; 665

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Näher Gran NJW 2008, 1409 (1410); Hanke/Socher NJW 2010, 664 (665); BeckOGK/ Wilhelmi BGB § 453 Rn 331 f.; Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.23. Louven/Böckmann ZIP 2004, 445 (446 f.); Habersack/Schürnbrand Unternehmenskauf im Wege des Auktionsverfahrens aus AGBrechtlicher Sicht, FS Canaris Bd. 1 2007, S. 359 (363 f.); BeckOGK/Wilhelmi BGB § 453 Rn 335. BeckOGK/Wilhelmi BGB § 453 Rn 331 f.; eine Prospekthaftung im engeren Sinne ablehnend Louven/Böckmann ZIP 2004, 445 (446).

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Näher Habersack/Schürnbrand FS Canaris Bd. 1 2007, S. 359 (365), mit Verweis auf BGH NJW 2002, 1711 (1712); ferner auch Louven/Böckmann ZIP 2004, 445 (449); BeckOGK/Wilhelmi BGB § 453 Rn 336. Ausführlich Klemm/Reinhardt NZG 2010, 1006 (1008 f.); Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos § 24 Rn 83; Tschäni/ Diem in Tschäni (Hrsg.) Mergers & Acquisitions X 2008, S. 97 (103 f.); mit Blick primär auf aktivistische Aktionäre ähnlich: Bunz NZG 2014, 1049 (1052); Schiessl ZIP 2009, 689 (696).

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

darunter versteht man ein Handbuch, das für den konkreten Übernahmefall vorsorgt, indem es Maßnahmen, Abläufe und Kompetenzen im Vorhinein strategisch dar- bzw. festlegt und dadurch später, wenn typischerweise immenser Zeitdruck herrscht, drohende Unklarheiten oder interne Streitigkeiten vermeidet.670 Das Handbuch dient also der „bestmögliche[n] Vorbereitung auf einen möglichen Übernahmeversuch aus kommunikationstechnischer, unternehmerischer und rechtlicher Sicht“.671 Zu dieser Vorbereitung gehört auch die Klärung von Finanzierungsfragen, die Reaktionen auf Übernahmen typischerweise aufwerfen und die jene Einbindung von Investmentbanken erfordern. Anders als der Begriff „defense manual“ vermuten lässt, geht es nicht ausschließlich um Abwehrmaßnahmen, weil die Bewertung einer konkreten Übernahme im Vorfeld noch nicht absehbar ist; vielmehr sind in diesem Handbuch unterschiedliche Handlungsalternativen zu bedenken und aufzuzeigen.672 In Ergänzung des Handbuchs sollte das Notfallteam seine strategische Planung regelmäßig überarbeiten und an unternehmerische oder marktübliche Veränderungen anpassen; zudem empfehlen sich praktische Übungen des Ernstfalls (sog. mock attacks).673 Überdies empfiehlt sich die Einrichtung und fortlaufende Aktualisierung eines Datenraums, um dem Bieter im Falle einer freundlichen Übernahme alle notwendigen Informationen innerhalb der dann typischerweise erforderlichen kurzen Frist bereitstellen zu können.674 2. Inhalt. Während die spezifischen Inhalte von defense manuals stark variieren und 1023 namentlich von den Eigenheiten des jeweiligen Unternehmens und seiner Marktposition abhängen, unterscheidet man vier Themenfelder, die – neben einer allgemeinen Darstellung des Ablaufs und Rechtsrahmens von Übernahmen, insbesondere der Reaktionsmöglichkeiten von Zielgesellschaften (dazu oben, Rn 972–979) – typischerweise in solchen Handbüchern abzuhandeln sind:675 1. Beschreibung präventiver Maßnahmen, die das Unternehmen generell und unabhängig von konkreten Übernahmesituationen ergreifen sollte, um seine Position zu stärken, etwa die Analyse und mögliche Beeinflussung des Aktionärsbestandes, die Unternehmenskommunikation insbesondere im Bereich Investor Relations, die Einrichtung des Datenraumes, die Früherkennung drohender Übernahmen und die Verfügbarkeit präventiver Abwehrmaßnahmen. 2. Ablauf- und Maßnahmenplanung für den Fall einer Übernahme, insbesondere durch den Entwurf unterschiedlicher Bedrohungsszenarien, die Zuweisung von Kompetenzen, die Erarbeitung von Zeit- und Vorgehensplänen und die Beschreibung möglicher konkreter Abwehrmaßnahmen

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Näher Tschäni/Diem in Tschäni (Hrsg.), Mergers & Acquisitions X 2008, S. 97 (101 f.); ähnlich außerdem Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos § 24 Rn 81; MünchKommAktG/Schlitt/Ries § 33 WpÜG Rn 254; Klemm/Reinhardt NZG 2010, 1006 (1009); Krause AG 2002, 133 (135); Süßmann NZG 2011, 1281 (1282); Winter/Harbarth ZIP 2002, 1 (5). Assmann/Krause/Pötzsch/Stephan § 33 WpÜG Rn 298. Vgl. nochmals Assmann/Krause/Pötzsch/Stephan § 33 WpÜG Rn 298; ähnlich Tschäni/

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Diem in Tschäni (Hrsg.), Mergers & Acquisitions X 2008, S. 97 (102). Bunz NZG 2014, 1049 (1052). Assmann/Krause/Pötzsch/Stephan § 33 WpÜG Rn 298; Klemm/Reinhardt NZG 2010, 1006 (1009). Zum Folgenden ausführlich (allerdings auf Basis des Schweizer Rechts): Tschäni/Diem in Tschäni (Hrsg.), Mergers & Acquisitions X 2008, S. 97 (101 f.); vgl. außerdem Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos § 24 Rn 84 f.

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6. Teil. Marktregeln

3. Erstellung einer Unternehmensbewertung, die einerseits im Vergleich zum aktuellen Börsenkurs Unterbewertungen und damit Übernahmeanfälligkeiten erkennen lässt, und die andererseits bereits die Grundlage für die Bewertung der finanziellen Angemessenheit späterer Angebote bildet; dieser Abschnitt hat entsprechend bereits Ähnlichkeit zu fairness opinions (dazu ausführlich unten, Rn 1027–1034) 4. Identifikation und Analyse potentieller Bieter, insbesondere ihrer wirtschaftlichen Kennzahlen, strategischen Ausrichtung, personellen Besetzung und Passgenauigkeit zum eigenen Unternehmen, teils bereits mit einer Klassifizierung in feindliche Angreifer und freundliche „weiße Ritter“. 1024 Die Einbindung der begleitenden Banken unterscheidet sich angesichts dieser thematischen Breite naturgemäß in Abhängigkeit ihrer spezifischen Sachkenntnis und Dienstleistungsangebote. Banken spielen insbesondere bei der Unternehmensbewertung eine wichtige Rolle, weil sie die finanzielle Situation des Unternehmens besonders gut einschätzen können und zugleich bereits die Grundlage für die spätere fairness opinion legen.676 Aber auch für die Planung der präventiven und konkreten (Abwehr-)Maßnahmen liefern die Banken wichtige Informationen, weil viele – nicht alle – der fraglichen Vorhaben Finanzierungsmaßnahmen beinhalten oder voraussetzen, beispielsweise der Erwerb eigener Aktien oder die Schaffung bzw. spätere Ausnutzung eines genehmigten Kapitals (vgl. dazu bereits oben, Rn 977 und 979).

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3. Rechtsfragen. Die Rechtsfragen, die solche defense manuals aufwerfen, werden bislang kaum diskutiert, zumal aus Perspektive der begleitenden Bank. Aus Sicht der Zielgesellschaft wird umgekehrt vor allem auf die Bedeutung für die Vorstandshaftung hingewiesen: Da im Zeitdruck einer laufenden Übernahme eine hinreichende Informationsbeschaffung nicht möglich ist, bildet die Erstellung solcher Handbücher nämlich eine entscheidende Voraussetzung der angemessenen Informationsgrundlage, ohne die der Vorstand sich nicht auf die business judgment rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG berufen darf.677 In dieser Perspektive spielt auch die Sicherstellung der Vertraulichkeit eine Rolle, weil die Handbücher sensible Unternehmensinformationen enthalten, aber als Bestandteil der Geschäftsbücher der Gesellschaft Aufbewahrungspflichten unterliegen (vgl. etwa § 104 Abs. 2 S. 2 AO) und später möglicherweise Gegenstand von Einsichtsrechten (von Gesellschaftern oder ausgeschiedenen Organmitgliedern) oder Offenlegungspflichten (auch gegenüber Behörden) werden können.678 1026 Aus Sicht der begleitenden Bank stellen sich vor allem Haftungsfragen. Da das Handbuch für den internen Gebrauch bestimmt ist und dem Bieter oder den Angebotsadressaten in aller Regel nicht zugänglich ist, geht es spezifisch um die Haftung gegenüber der Zielgesellschaft, etwa im Falle sorgfaltswidrig – nicht etwa alleine auf Prognoseunsicherheiten beruhender – fehlerhafter Bewertungen oder Finanzierungsempfehlungen. Die Haftung richtet sich primär nach der Mandatsvereinbarung, die aber üblicherweise eine Begrenzung der Haftung der Bank auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vorsehen (s. oben, Rn 996). Soweit solche Klauseln AGB-rechtlich zulässig sind, kommen Haftungsansprüche grundsätz-

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Vgl. dazu nur Jacob/Klein Investment Banking – Bankpolitik, Methoden und Konzepte 1996, S. 57: Unternehmensbewertung „eine der zentralen Aufgaben der Investmentbanken“. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Paschos § 24 Rn 82; vgl. auch Assmann/Krau-

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se/Pötzsch/Stephan § 33 WpÜG Rn 298; Süßmann NZG 2011, 1281 (1282). Dazu (auf Basis des Schweizer Rechts): Tschäni/Diem in Tschäni (Hrsg.), Mergers & Acquisitions X 2008, S. 97 (101 f.).

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

lich nur unter entsprechend engen Voraussetzungen in Betracht. Je nach Ausgestaltung und Intensität der Zusammenarbeit innerhalb des defence teams besteht allerdings die Gefahr, dass diese Kooperationsform als Personengesellschaft qualifiziert wird und den Beteiligten dann ungeachtet solcher Vertragsklauseln die (ungleich strengere) gesellschaftsrechtliche Haftung droht; selbst ausdrückliche „Rechtsformverneinungsklauseln“ in der Mandatsvereinbarung, die festzulegen versuchen, dass durch den Vertrag keine GbR entstehe, vermögen an einer solchen Qualifikation und den daraus folgenden Haftungsrisiken nichts zu ändern.679 Deshalb sollten Banken bereits bei Abschluss dieser Vereinbarung hinsichtlich aller Klauseln und namentlich der Vergütungsabreden sorgfältig darauf achten, eine gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung tunlichst zu vermeiden.

III. Fairness Opinion 1. Begriff und Zweck. Mit dem Begriff fairness opinion bezeichnet man sachverstän- 1027 dige Stellungnahmen zur finanziellen Angemessenheit von Unternehmenstransaktionen.680 Sie haben demnach einen breiten Anwendungsbereich, finden aber eben auch bei öffentlichen Übernahmen Anwendung, und zwar, um die Angemessenheit der angebotenen Gegenleistung zu beurteilen.681 Fairness opinions sind einerseits abzugrenzen von Bewertungsgutachten, die einer eigenständigen Ermittlung des Unternehmenswerts dienen, nicht der Überprüfung einer bereits angebotenen Gegenleistung.682 Andererseits unterscheiden sie sich von sog. inadequacy opinions, die zusätzlich auch bessere Alternativen eruieren, etwa ob der Bieter selbst in der Lage ist, bessere Angebotskonditionen zu bieten, oder ob ein solches Angebot von Dritten realistisch zu erwarten wäre.683 Eine fairness opinion überprüft demgegenüber (nur) die Angemessenheit des angebotenen Preises im Vergleich zum ermittelten Unternehmenswert, nicht jedoch, ob nicht vielleicht auch ein höherer Preis erzielt werden kann. Anders als etwa bei Verschmelzungen (§ 9 UmwG), im Gegensatz zu einigen ausländischen Rechtsordnungen (s. etwa §§ 14 Abs. 2 i.V.m. § 13 öÜbG) und anders als noch während des Gesetzgebungsverfahrens angedacht (§ 14 DiskE WpÜG), sieht das deutsche Übernahmerecht fairness opinions nicht explizit vor (s. oben, Rn 973).684 Gleichwohl kann die Einholung zur Vorbereitung der Stellungnahme des Vorstands der Zielgesellschaft (§ 27 WpÜG) im Einzelfall erforderlich sein, sofern den Organmitgliedern selbst die entsprechende Sachkunde fehlt (s. oben, Rn 975). Die Einholung ist nämlich wiederum Voraussetzung einer angemessenen Informationsgrundlage, ohne die der Vorstand sich nicht auf die business judgment rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG berufen darf.

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So (in anderem Zusammenhang) etwa Eberbach/Hommelhoff/Lappe Eine Kooperationsform für die Wissenschaft, Ordnung der Wissenschaft 1 (2017), 1 (2). So etwa Fleischer FS Hopt 2010, S. 2753 (2754); Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.220. Zum Anwendungsbereich näher Kümpel/ Wittig/Brandt Rn 16.214 f. Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.217 f.; vgl. außerdem Essler/Lobe/Rüder/Harrer/Mößle Fairness Opinion, 2008, S. 171 (175).

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Assmann/Krause/Pötzsch § 27 WpÜG Rn 73a; Paschos/Fleischer ÜbernahmerechtHdB/Goslar § 22 Rn 71. Zu entsprechenden rechtspolitischen Forderungen vgl. jedoch Fleischer/Kalss Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 97; Hopt FS Koppensteiner 2001, S. 61 (78 f.); ders. ZGR 2002, 333 (355); Möllers ZGR 2002, 664 (687); ähnlich Leyens Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 435–438 (für Empfehlung im Deutschen Corporate Governance Kodex).

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6. Teil. Marktregeln

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Entsprechend dient die fairness opinion primär Informations- und Beratungszwecken, weil sie auf Grundlage finanzmathematischer Bewertungsmethoden eine nachvollziehbare Beurteilung der Angemessenheit – im Falle von Übernahmen: der Gegenleistung – ermöglicht und dadurch die Einschätzung des Vorstands der Zielgesellschaft sinnvoll ergänzt, der seinerseits aufgrund seiner spezifischen Kenntnis den inneren Wert des Unternehmens und die erwartbaren Synergiegewinne besser einschätzen kann.685 Zusätzlich dient die fairness opinion jedoch auch Argumentations- und Zertifizierungszwecken, weil sie eine unabhängige Einschätzung liefert, die den Angebotsadressaten vertrauenswürdiger erscheinen mag als die Beurteilung des Vorstands.686 Schließlich bezwecken Vorstände mit der Einholung einer fairness opinion auch eine Absicherung gegen drohende Schadensersatzansprüche; diese setzt jedoch Unabhängigkeit und Sorgfalt des externen Sachverständigen ebenso voraus wie eine Plausibilitätskontrolle durch den Vorstand selbst.687 Einen „Blankoscheck“ liefert die fairness opinion folglich nicht. 688

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2. Ersteller. Fairness Opinions werden von externen Sachverständigen erstellt, die sich durch besondere Sachkenntnis auf dem Gebiet der Unternehmensbewertung auszeichnen, also nicht zwangsläufig, aber typischerweise von Investmentbanken und sonstigen Finanzberatern, seltener dagegen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.689 Während mangels gesetzlicher Regelung im Gegensatz zu § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG und § 327b Abs. 3 AktG nicht ausdrücklich festgelegt ist, dass der Ersteller ein Wertpapierdienstleistungs- oder Kreditinstitut sein muss, und auch in territorialer Hinsicht keine spezifischen Vorgaben gelten, erweisen sich solche Institute auf Grund ihrer Erfahrung mit Kapitalmarkttransaktionen in der Praxis dennoch als besonders geeignet für die Erstellung der fairness opinion, zumal wenn sie die Zielgesellschaft bereits im Vorfeld begleitet haben, etwa bei Erstellung des defense manuals, und ihnen die Bewertung des betreffenden Unternehmens deshalb leicht fällt (vgl. Rn 1024).690 1030 Die Unabhängigkeit des Erstellers von der Zielgesellschaft ist ebenfalls nicht explizit statuiert, aber angesichts der Zwecke der fairness opinion gleichwohl erforderlich.691 Insbesondere im Hinblick auf die Absicherung gegen drohende Schadensersatzansprüche dürfen sich Organmitglieder nur dann auf eine fairness opinion verlassen, wenn sie vernünftigerweise von der Unabhängigkeit ihres Erstellers ausgehen dürfen.692 Zur inhaltlichen Konkretisierung des unbestimmten Unabhängigkeitsbegriffs kann man auf die Maßstäbe rekurrieren, die im Rahmen des § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG gelten (vgl. oben Rn 136); ergänzend lassen sich die entsprechenden Regeln zur Auswahl des Abschlussprüfers (§ 319 Abs. 2 und 3 und 319a HGB) und zur Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers (§§ 43, 49 WPO) heranziehen.693 Wesentlich strengere Maßstäbe als an die Finanzierungsbestätigung sollte man an die fairness opinion jedenfalls nicht anlegen, auch wenn die Unabhängigkeit transaktionsbegleitender Banken teils in Zweifel gezogen wird.694 Weil diese Banken die

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Fleischer FS Hopt 2010, S. 2753 (2757); Essler/Lobe/Rüder/Harrer/Mößle Fairness Opinion 2008, 171 (173); Kümpel/Wittig/ Brandt Rn 16.212. Fleischer FS Hopt 2010, S. 2753 (2758). Fleischer FS Hopt 2010, S. 2753 (2758 f.); Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Goslar § 22 Rn 73; einschränkend LG München I ZIP 2001, 1148 (1152): „lapidare Meinungsäußerung“. Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.210.

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Für Zahlenmaterial vgl. Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Goslar/Witte § 4 Rn 13. S. nochmals Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/Goslar/Witte § 4 Rn 13. Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.221. Fleischer FS Hopt 2010, S. 2753 (2759). Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.222. In diesem Sinne Schwetzler/Aders/Salcher/ Bornemann Finanz-Betrieb 2005, 106 (116); referierend zu möglichen Interessenkonflik-

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6. Abschnitt: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)

Zielgesellschaft und die fragliche Transaktion am besten kennen und sich eben auch im Rahmen des defense manuals bereits mit Bewertungsfragen zu beschäftigen haben, ginge ansonsten nämlich wertvolles Bewertungswissen verloren.695 Freilich empfehlen sich flankierende organisatorische Vorkehrungen (etwa eine personelle Trennung) sowie Vergütungsvereinbarungen, die Interessenkonflikte entschärfen.696 3. Inhalt, Zeitpunkt und Form. Fairness opinions bestehen üblicherweise aus zwei Be- 1031 standteilen. Die eigentliche Stellungnahme (sog. opinion letter) beschreibt Unternehmenstransaktion und beurteilt diese in knapper Form; sie erläutert zusätzlich die Grundlagen dieser Beurteilung und bestätigt abschliessend die Angemessenheit der Gegenleistung; der Bewertungs- und Arbeitsbericht (sog. valuation memorandum) erläutert sodann ausführlich die Herleitung der Bewertung, die zu Grunde liegenden Informationen sowie die Bewertungsmethoden.697 Die Kernaussagen enthalten mithin der opinion letter, zu dessen Inhalt üblicherweise folgende Kernelemente zählen:698 1. Bezeichnung des Adressatenkreises; Beschreibung der Transaktion und Beschränkung der Weitergabe und Veröffentlichung 2. Auflistung der wesentlichen Informationsquellen sowie Angabe der verwendeten Analyse- und Bewertungsmethoden 3. Darstellung möglicher Interessenkonflikte 4. Bestätigung der finanziellen Angemessenheit. Das Institut für Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) und die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) haben für die Erstellung von fairness opinions Standards entwickelt, die für die begleitenden Banken (anders als aus berufsrechtlichen Gründen für Wirtschaftsprüfer) allerdings nicht bindend sind; sie eignen sich gleichwohl als Orientierungspunkt.699 Da die Bewertung auf einem Marktumfeld beruht, das Schwankungen unterworfen ist, 1032 wird die Stellungnahme in zeitlicher Hinsicht für einen bestimmten Stichtag erstellt, in der Regel dem Tag der Veröffentlichung der Stellungnahme gem. § 27 WpÜG bzw. der entsprechenden Entscheidung der Organe der Zielgesellschaft.700 Eine bestimmte Form ist (naturgemäß) nicht vorgeschrieben; im Hinblick auf die Zwecke der fairness opinion erscheint jedoch die Schriftform sinnvoll und ist auch praktisch üblich. Die fairness opinion ist regelmäßig an den Vorstand adressiert, der die Stellungnahme gem. § 27 WpÜG abgeben muss.701 Eine Offenlegung zumindest der wesentlichen Ergebnisse insbesondere gegenüber den Aktionären der Zielgesellschaft erscheint nicht zwingend, wird jedoch teils von der Rechtsprechung angemahnt und ist auch international nicht unüblich.702 Denkbar ist

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ten Fleischer FS Hopt 2010, S. 2753 (2761 f., 2767 f.). Schönefelder Unternehmensbewertungen im Rahmen von Fairness Opinions, 2008, S. 313; Fleischer FS Hopt 2010, S. 2753 (2761 f., 2768); Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.227 f. Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.225 und 16.229; Fleischer FS Hopt 2010, S. 2753 (2761 f., 2768–2770). Fleischer FS Hopt 2010, S. 2753, (2761 f., 2756 f.); Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.237. Ausführlich Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.238–16.244.

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Paschos/Fleischer Übernahmerecht-HdB/ Goslar § 22 Rn 72; zu IDW ES 8 außerdem Graser/Klüwer/Nestler BB 2010, 1587. Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.234 f. In diesem Sinne Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.238. Vgl. OLG Frankfurt a. M. v. 22.3.2007 Az. 12 U 77/06; ferner MünchKommAktG/Wackerbarth § 27 WpÜG Rn 13; KölnKommWpÜG/Hirte § 27 Rn 33; Fleischer ZIP 2011, 201 (210 f.).

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6. Teil. Marktregeln

auch, dass die Beurteilung zumindest in Teilen zugänglich gemacht werden muss, wenn sich ein Aktionär auf sein Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 1 AktG stützt.703

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4. Haftung. Die Frage der Haftung für eine fehlerhafte fairness opinion ist wenig diskutiert, kann sich aber an den Grundsätzen orientieren, die für die Haftung von Wertgutachtern, Wirtschaftsprüfern und Sachverständigen entwickelt worden sind.704 Hier wie dort ist zwischen zwei unterschiedlichen Anspruchsstellern zu unterscheiden. Die Haftung gegenüber dem Auftraggeber, hier also typischerweise der Zielgesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, folgt den allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen, da der Mandatsvereinbarung ein Geschäftsbesorgungsvertrag zu Grunde liegt. Nicht selten finden sich dort aber Klauseln, die die Haftung der Bank auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzen oder auch Haftungshöchstgrenzen vorsehen (vgl. oben, Rn 996). Da jener Vertrag nicht zur Sachverhaltsermittlung verpflichtet, darf die Bank sich auf die Informationen verlassen, die sie von der Zielgesellschaft erhält; entsprechend haftet die Bank nicht für deren Richtigkeit und Vollständigkeit, außer in Fällen positiver Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis.705 1034 Für die Bank kritischer wäre eine Haftung gegenüber Dritten, insbesondere den Aktionären der Zielgesellschaft. Ähnlich wie in anderen Fällen der Sachwalter- oder Expertenhaftung kommt eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder auch eine Heranziehung der Grundsätze der vorvertraglichen Vertrauenshaftung aus culpa in contrahendo in Betracht.706 In jedem Fall bedürfte es eines Vertrauenstatbestandes, der nicht besteht, wenn die fairness opinion – wie üblich – nicht veröffentlicht wird.707 Auch eine fairness opinion, die erst nachträglich veröffentlicht wird, oder auf deren bloße Existenz der Vorstand in seiner eigenen Stellungnahme Bezug nimmt, vermag keinen solchen Vertrauenstatbestand zu begründen.708 Eine Vertrauenshaftung kommt mithin nur in Betracht, wenn die fairness opinion – ausnahmsweise – veröffentlicht wird. Selbst dann vermag sie allerdings nicht weiter zu reichen als die vertragliche Haftung und unterliegt deshalb grundsätzlich den gleichen Beschränkungen (etwa durch Haftungsbegrenzung oder -höchstklauseln).709 Das entsprechende Haftungsrisiko der Bank erscheint deshalb überschaubar.

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Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.249–16.251; Essler/Lobe/Rüder/Harrer/Mößle Fairness Opinion, 2008, S. 171 (179 f.); Schlitt/Seiler/ Singhoff AG 2003, 254 (260). Zu dieser, statt aller MüKoBGB/Wagner § 826, Rn 82. Vgl. außerdem Westhoff Die Fairness Opinion, 2006, S. 315 (und 317). In diese Richtung OLG Karlsruhe NZG 2002, 959 (962); LG Heidelberg AG 2002, 298 (299 f.); vgl. ferner Kümpel/Wittig/ Brandt Rn 16.254. Vgl. Schiessl ZGR 2003, 814 (850); Westhoff Die Fairness Opinion 2006, S. 317–338.

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Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.257; wohl auch Westhoff Die Fairness Opinion, 2006, S. 329. Vgl. einerseits Kümpel/Wittig/Brandt Rn 16.257; Westhoff Die Fairness Opinion 2006, S. 329; andererseits Essler/Lobe/Rüder/Harrer/Mößle Fairness Opinion, 2008, S. 171 (186). S. Liese Pflichtenkreis der Investmentbanken, 2005, S. 246 f.; Schneider ZHR 163 (1999) 246 (267); Schiessl ZGR 2003, 814 (851); einschränkend Bosch ZHR 163 (1999), 274 (284). Vgl. ferner, allgemein zum Haftungsumfang: Kümpel/Wittig/ Brandt Rn 16.260–16.264.

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SIEBENTER TEIL Organisationsanforderungen an Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur Übersicht Rn 1. Abschnitt: Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Marktteilnehmerbezogene Anforderungen und Rechtsrahmen für die Marktinfrastruktur: Grundlagen . . . . . . . . . . . . I. Überblick und Einordnung . . . . . . II. Akteure und Aktivitäten . . . . . . . III. Regelungsprobleme und Regelungsziele . . . . . . . . . . . . .

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B. System der Rechtsquellen . . . . . . . . . . I. Kapitalmarktitermediäre . . . . . . . . II. Kapitalmarktinfrastruktur . . . . . . .

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C. Räumlicher und sachlicher Anwendungsbereich – Verweis . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Abschnitt: Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen . . .

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A. Kapitalmarktrechtliche Organisationspflichten der Intermediäre (§§ 80 ff. WpHG, Artt. 21 bis 32 und 64 bis 66 DVO MiFID II) . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. §§ 80, 81 WpHG, Artt. 21 bis 32 DVO MiFID II – Organisationspflichten für Intermediäre . . . . . . . 27 II. Bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen (§ 82 WpHG, Artt. 64–66 DVO MiFID II) . . . . . . . . . . . . . 91 III. Aufzeichnungspflichten (§ 83 WpHG, Artt. 72–76 DVO MiFID II – Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . 106 IV. Schutz von Kundengeldern und Kundenvermögen ((§ 84 WpHG – Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . 111 V. Anlagestrategieempfehlungen und Anlageempfehlungen/Finanzanalysen und Marketingempfehlungen (§ 85 (§ 85 WpHG, Art. 37 DVO MiFID II – Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . 115 VI. Ergänzende aufsichtsrechtliche Regelungen zur Absicherung der Wohlverhaltensund Organisationspflichten (§§ 87–96 WpHG – nur Überblick) . . . . . . . . 119 B. Organisationspflichten nach der Benchmark-VO . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Rn I. Organisationspflichten des Administrators (Titel II, Kap. 1 Benchmark-VO) . II. Ablauforganisatorische Vorgaben für den Prozess der Referenzwertermittlung (Titel II, Kap. 2 EU-BenchmarkVO – Überblick) . . . . . . . . . . . . III. Verhaltenskodex und Anforderungen an Kontributoren (Titel II, Kap. 3 EU-Benchmark-VO) . . . . . . . . . . IV. Differenzierungen nach Art der Referenzwerte (Titel III EU-Benchmark-VO – Überblick) . . . . . . . . .

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3. Abschnitt: Transaktionsbezogene Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . 141 A. Handelsinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . I. Organisationspflichten des Börsenträgers (§ 5 BörsG – Überblick) . . . . II. Transaktionsrelevante Aspekte des Börsenorganisationsrechts (§§ 16, 17, 19–21 BörsG – Überblick) . . . . . . . III. Organisatorische Vorgaben für Börsenhandel und Börsenpreisfeststellung (§§ 24–26g BörsG – Überblick) . . . . IV. Anforderungen an alternative Handelsplätze und systematische Internalisierer (§§ 71–79 WpHG, §§ 48–48b BörsG – Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . V. Vor- und Nachhandelstransparenz (Titel II MiFIR – Überblick) . . . . . . VI. Auftragsabwicklung und Transparenzpflichten von systematischen Internalisierern u. a. (Titel III MiFIR – Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . VII. Institutionell-organisatorischer Rahmen für den Derivatehandel (Titel V MiFIR – Überblick) . . . . . . VIII. Zugang zu Clearingsystemen und Handelsplätzen (Titel VI MiFIR – Überblick) . . . . . . . . . . . . . . .

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155

162 170

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184

B. Nachhandelsinfrastruktur . . . . . . . . . . 187 I. Institutionell-organisatorischer Rahmen für das Derivateclearing (Titel III-IX EMIR – Überblick) . . . . 187 II. Institutionell-organisatorische Anforderungen an Zentralverwahrer – nur Einführung . . . . . . . . . . . . . 200

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7. Teil. Organisationsregeln Allgemeines Schrifttum: a) Monographien, Sammelbände, Kommentare: Alfes Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei, 2005; Binder Bankeninsolvenzen im Spannungsfeld zwischen Bankaufsichts- und Insolvenzrecht, 2005; ders. Governance of Investment Firms, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), Regulation of the EU Financial Markets: MiFID II and MiFIR, 2017, Kap. 3 = S. 49; Binder/Glos/ Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht, 2017; Bliesener Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten beim Wertpapierhandel, 1998; Blumentritt Die privatrechtlich organisierte Börse, 2003; BörsenEnqu te-Kommission (Hrsg.), Bericht der Börsen-Enqu te-Kommission, Berlin 1893; dies., Berichte und Beschlüsse der Börsen-Enqu te-Kommission. Aus dem Reichs- und Staatsanzeiger besonders abgedruckt, Berlin 1894; Breitkreuz Die Ordnung der Börse, 2000; Christoph Börsenkooperationen und Börsenfusionen, 2007; Fürst Die Börse, ihre Entstehung und Entwicklung, ihre Einrichtungen und ihre Geschäfte, 2. Aufl. 1923; Gregory Central Counterparties, 2014; Gurlit/Mülbert Der Börsenträger im Spannungsfeld von Gemeinwohlauftrag und Privatinteresse, 2012; Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975; Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.) Börsenreform – eine ökonomische, rechtsvergleichende und rechtspolitische Untersuchung, 1997; Kumpan Die Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Recht, 2006; Kunz Ausgewählte Rechtsprobleme des Zentralen Kontrahenten, 2008; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, 3. Aufl. 2014; Mues Die Börse als Unternehmen – Modell einer privatrechtlichen Börsenorganisation, 1999; Ruzik Finanzmarktintegration durch Insolvenzrechtsharmonisierung, 2010; Schönemann, Die Organisationsstruktur der Börse, 2010; Schulz Das deutsche Börsengesetz, 1993; Schwarz Globaler Effektenhandel, 2016; Seehafer, Grenzüberschreitende Börsenkonzentrationen im deutschen und britischen Recht, 2009; Spindler Unternehmensorganisationspflichten – Zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Regelungskonzepte, 2. unveränderte Aufl. 2011; Turing Clearing and Settlement in Europe, 2. Aufl. 2016; Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014; Wiede Die Börse als verwaltungsrechtliches Problem, 1965; Wiener Die Börse. Eine Studie über die Entwicklung des Rechts und der Verfassung der deutschen, insbesondere der Berliner Börse und der hauptsächlichen Börsen des Auslandes, 1905 b) Aufsätze und Beiträge: Baker When Regulators Collide: Financial Markets Stability, Systemic Risk, Clearinghouses and CDS, Virginia Law & Business Review 10 (2016), 343; Basel Committee on Banking Supervision/Committee on Payments and Market Infrastructure/Financial Stability Board, IOSCO, Analysis of Central Clearing Interdependencies, Juli 2017; Baum/Hopt Zum Stand der Börsenreform, FS Rudolph, 2009, S. 537; Baums/Segna Börsenreform, Gutachten im Auftrag der deutschen Regionalbörsen, 1998; Beck Die Reform des Börsenrechts im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz – Teile 1 und 2, BKR 2002, 662 und 699; Binder Organisationspflichten und das Finanzdienstleistungs-Unternehmensrecht: Bestandsaufnahme, Probleme, Konsequenzen, ZGR 2015, 667; Bradley Demutualization of Financial Exchanges: Business as Usual?, Northwestern Journal of International Law and Business 21 (2001), 657; Braithwaite The Dilemma of Client Clearing in the OTC Derivatives Markets, European Business Organization Law Review 17 (2016), 355; dies./Murphy Central Counterparties (CCPs) and the law of default management, Journal of Corporate Law Studies 17 (2017), 291; Chang The Systemic Risk Paradox: Banks and Clearinghouses under Regulation, Columbia Business Law Review (2014), 747; Claussen Noch einmal: Die Rechtsform der Wertpapierbörsen, ZBB 2000, 1; ders./Hoffmann Neues zur Reform der Wertpapierbörsen, ZBB 1995, 1; Committee on Payments and Market Infrastructures/Board of the International Organization of Securities Commissions, Recovery of financial market infrastructures, 2014; Committee on Payment and Settlement Systems/Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Recommendations for securities settlement systems, 2001; dies., Recommendations for central counterparties, 2004; dies., Principles for financial markets infrastructures, 2012; Fenchel Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – ein Überblick, DStR 2002, 1355; Ferrarini Exchange Governance and Regulation: An Overview, in: ders. (Hrsg.), European Securities Markets: The Investment Services Directive and Beyond, 1998, S. 245; ders. Stock Exchange Governance in the European Union, in: Balling/Hennessy/O’Brien (Hrsg.), Corporate Governance, Financial Markets and Global Convergence, 1998, S. 139; ders./Saguato, Reforming Securities and Derivatives Trading in the EU: From EMIR to MiFIR, Journal of Corporate Law Studies 13 (2013), 319; dies. Regulating Financial Market Infrastructures, in: Moloney/Ferran/Payne (Hrsg.), The Oxford Handbook of Financial Regulation, 2015, S. 568; dies. Governance and Organization of Trading Venues, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), Regulation

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1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung of EU Financial Markets – MiFID II and MiFIR, 2017, S. 285; Financial Stability Board, Essential Aspects of CCP Resolution Planning – Discussion Note, 2016; dass., Guidance on Central Counterparty Resolution and Resolution Planning, Juli 2017; Fleckner/Hopt, Stock Exchange Law: Concept, History, Challenges, Virginia Law & Business Review 7 (2013), 513; Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, 2001; dies., Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, 2003; Güllner MiFID II: Die neue Handelsplatzarchitektur in Europa, WM 2017, 938; Hammen Börsenorganisationsrecht im Wandel – Vorschläge für ein 4. Finanzmarktförderungsgesetz, AG 2001, 549; ders. Börsen- und kreditwesengesetzliche Aufsicht über börsenähnliche Handelssysteme, Wertpapierbörsen und Börsenträger, WM 2001, 929; Hanssen Die Börsenreform und ihre Auswirkungen im Deutschen Aktienmarkt, ZfgK 1976, 701 ff.; Hart/Moore The Governance of Exchanges: Members’ Cooperatives versus Outside Ownership, Oxford Review of Economic Policy 12 (1996), 53; Iglesias-Rodríguez The Regulation of Cross-Border Clearing and Settlement in the European Union from a Legitimacy Perspective, European Business Organization Law Review 13 (2012), 441; IOSCO, Compliance Function at Market Intermediaries, 2006; Jaskulla Werden zentrale Gegenparteien durch die Umsetzung von EMIR zum Risiko?, BKR 2012, 441, Karmel Turning Seats Into Shares: Causes and Implications of Demutualization of Stock and Futures Exchanges, Hastings Law Journal 53 (2002), 367; Köndgen Ownership and Corporate Governance of Stock Exchanges, Journal of Institutional and Theoretical Economics 154 (1998), 224; ders. Mutmaßungen über die Zukunft der europäischen Börsen, FS Lutter, 2000, S. 1401; Krimphove Das zweite Finanzmarktförderungsgesetz, JZ 1994, 23; Kümpel Börsengesetznovelle 1989 – Teil 1, WM 1989, 1313; ders. Die öffentlichrechtliche Börsenorganisation im Lichte der Reformvorschläge, WM 1997, 1917; ders. Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens, in: ders./Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 89; ders. Zur öffentlich-rechtlichen Organisation der deutschen Wertpapierbörsen, BKR 2003, 3; Macey From Markets to Venues: Securities Regulation in an Evolving World, Stanford Law Review 58 (2005), 563; McVea Central counterparties and sale and repurchase agreements: regulating financial markets in the light of yet another false dawn, Journal of Corporate Law Studies 17 (2017), 111; Meixner Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz – Kapitalmarktrecht im stetigen Wandel, NJW 1998, 1896; Merkt, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?, Gutachten G zum 64. Deutschen Juristentag, 2002; Morgan Reforming OTC-Markets: The Politics and Economics of Technical Fixes, European Business Organization Law Review 13 (2012), 391; Mülbert Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?, JZ 2002, 826; Peirce Derivatives Clearinghouses: Clearing the Way to Failure, Cleveland State Law Review 64 (2016), 589; Pirrong A Theory of Financial Exchange Organization, Journal of Law and Economics 43 (2000), 437; Pötzsch Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1998, 949; Roe Clearinghouse Overconfidence, California Law Review 101 (2013), 1641; Rudolph Viertes Finanzmarktförderungsgesetz – ist der Name Programm?, BB 2002, 1036; Ruzik Finanzmarktintegration durch Insolvenzrechtsharmonisierung, 2010; Saguato The Ownership of Clearinghouses: When „Skin in the Game“ is Not Enough – The Remutualization of Clearinghouses, Yale Journal on Regulation 34 (2017), 601; Schelling Die systematische Internalisierung in Nichteigenkapitalinstrumenten nach MiFID II und MiFIR, BKR 2015, 221; Schulz Hundert Jahre modernes Börsenrecht, AG 1996, 260; Schwark Börsen und Wertpapierhandelsmärkte in der EU, WM 1997, 293; Tischer Der Begriff und die Errichtung einer Börse nach dem Reichsbörsengesetze vom 22. Juni 1896, Annalen des Deutschen Reiches 1899, 1; Veil/Lerch Auf dem Weg zu einem Europäischen Finanzmarktrecht: die Vorschläge der Kommission zur Neuregelung der Märkte für Finanzinstrumente – Teil I, WM 2012, 1557; Martin Weber Deutsches Kapitalmarktrecht im Umbruch – Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz, NJW 1994, 2849; Max Weber Central Counterparties in the OTC Derivatives Market from the Perspective of the Legal Theory of Finance, Financial Market Stability and the Public Good, EBOR 17 (2017), 71; Wymeersch Securities Clearing and Settlement: Regulatory Developments in Europe, in: Ferrarini/Wymeersch (Hrsg.), Investor Protection in Europe: Corporate Law Making, the MiFID and Beyond, 2006, S. 465; Yadav The Problematic Case of Clearinghouses in Complex Markets, Georgetown Law Journal 101 (2013), 387

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7. Teil. Organisationsregeln

1. Abschnitt: Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung 1

Die nachfolgende Kommentierung schreibt den bereits in Band 10/1 für die Grundlagen der Bankaufsicht und in Band 11/1 für das Investment Banking entwickelten und den bankrechtlichen Kommentierungen insgesamt zugrunde gelegten Ansatz (vgl. Grundmann, Bankvertragsrecht Zweiter Teil Rn 29 sowie Fünfter Teil Rn 1) auch für die Regulierung von Marktteilnehmern und die Marktinfrastruktur fort. Es handelt sich daher nicht um eine umfassend angelegte Kommentierung des Börsengesetzes, des Wertpapierhandelsgesetzes sowie der einschlägigen unionsrechtlichen Rechtsquellen, sondern um eine Kommentierung derjenigen Vorschriften, mit denen die jeweiligen Rechtsquellen die Aufbau- und Ablauforganisation der Kapitalmarktintermediäre und Marktveranstalter vorgeben und regulieren. Regelungsgegenstände sind damit zunächst bereichsspezifische Anforderungen an die durch die allgemeine Unternehmungsverfassung vorgegebenen Organstrukturen, aber auch an die unternehmensintern-betriebswirtschaftlich gestaltete Geschäftsorganisation unterhalb der Organe (beides hier zusammengefasst unter dem Begriff der „Aufbauorganisation“). Zum zweiten geht es um regulatorische Anforderungen an die Entscheidungsprozesse und Handlungsabläufe bei der Erbringung der regulierten Tätigkeiten („Ablauforganisation“). Die regulatorische Erfassung dieser Regelungsgegenstände ist kein Selbstzweck, sondern soll – im Rahmen einer prozeduralen Regulierungsstrategie (siehe noch unten Rn 39, 94) – die Aufbau- und Ablauforganisation in ihrer Bedeutung für die Qualität der regulierten Tätigkeiten adressieren und für die Erreichung der kapitalmarktrechtlichen Schutzziele in die Pflicht nehmen. Entsprechend dem inhaltlichen Zuschnitt des Gesamtwerkes konzentriert sich die Darstellung auf diejenigen Aspekte des damit grob umrissenen Rechtsrahmens, die unmittelbar oder zumindest mittelbar die Rahmenbedingungen für die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Intermediären und Marktteilnehmern (Kapitalanbietern und Kapitalnachfragern) setzen und damit die Erfüllung der Vertragspflichten in der Intermediär-Kunden-Beziehung beeinflussen. Auch die nachfolgende Kommentierung ist insoweit von einer originär handels- und damit zivilrechtlichen Perspektive geprägt, für welche die Beziehung zwischen Intermediären und ihren Kunden im Mittelpunkt steht. Sie trägt indessen dem Umstand Rechnung, dass der Einfluss aufsichtsrechtlicher und damit im Ausgangspunkt öffentlich-rechtlicher Vorgaben auf die Organisation des Geschäftsbetriebs der Intermediäre und damit auf die Art und Weise der Erfüllung ihrer Vertragspflichten gegenüber Kunden und sonstigen Gegenparteien bereits seit geraumer Zeit eine Dimension erreicht hat, die zu einer integrierten, die aufsichtsund die zivilrechtliche Perspektive verbindenden Darstellung zwingt. Dies gilt auch und gerade für die in diesem Teil als Einheit aufgefassten und kommentierten Vorgaben des Aufsichtsrechts zur Organisation der Wertpapierdienstleistungsunternehmen sowie der Betreiber von Handels- und Nachhandelsinfrastruktur. In dieser Perspektive angelegt ist damit auch die für diesen Teil des Gesamtwerks prägende Schwerpunktsetzung: Die relevanten Bestimmungen des nationalen und europäischen Kapitalmarktrechts werden nachfolgend in Detailkommentierungen aufbereitet, soweit sie für die Erfüllung der Vertragspflichten in der Intermediär-Kunden-Beziehung von Bedeutung sind. Das Hauptaugenmerk liegt deshalb auf den kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten der Kapitalmarktintermediäre (unten 2. Abschnitt, A., Rn 27 ff.). Die Einordnung in den jeweiligen Regelungskontext im Übrigen wird, wie jeweils im Text ausdrücklich vermerkt, nur im Überblick dargestellt; auf eine Detailkommentierung wird verzichtet. Mit Blick auf den extrem kleinteiligen und technischen Charakter insbesondere der EU-Benchmark-VO, der EMIR sowie der CSDR werden auch insoweit vor allem Grundzüge erläutert und wird auf eine Detailkommentierung weitgehend verzichtet. Ebenfalls verzichtet wird auf den Ab-

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1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung

druck und die Kommentierung rein aufsichtsrechtlicher Bestimmungen, darunter insbes. die in Titel IV der MiFIR vorgesehenen Meldepflichten.

A. Marktteilnehmerbezogene Anforderungen und Rechtsrahmen für die Marktinfrastruktur: Grundlagen I. Überblick und Einordnung Die Organisationspflichten für Kapitalmarktintermediäre und Anbieter von Marktin- 2 frastruktur sind keine homogene Materie – und zwar weder im Hinblick auf die erfassten Regelungsprobleme noch im Hinblick auf die Regulierungsziele. Dies belegt bereits das außerordentlich breit gefächerte Spektrum der einschlägigen Rechtsquellen auf nationaler und europäischer Ebene (unten Rn 21–23). In tatbestandlicher Hinsicht sind diese – unter dem Einfluss des Europäischen Rechts seit der EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 19931 (dazu Grundmann 5. Teil Rn 107) – überwiegend, aber nicht ausschließlich an dem für das moderne Kapitalmarktrecht insgesamt charakteristischen funktionalen Ansatz, d.h. verhaltensbezogen an den Einzelaspekten der Beteiligung am Marktgeschehen, orientiert und knüpfen das jeweilige Pflichtenprogramm somit an die Ausübung bestimmter Tätigkeiten an (siehe schon Grundmann 5. Teil Rn 46 und Rn 99). Eine historisch bedingte, nämlich in den Besonderheiten der öffentlich-rechtlich geprägten deutschen Börsenstruktur angelegte Ausnahme insoweit ist die gesonderte gesetzliche Erfassung der Börsen i.e.S. und damit die Sonderstellung der Börsen auch im System der Rechtsquellen.2 Nicht nur im Hinblick auf die in diesem Teil der Gesamtkommentierung darzustellenden organisationsrechtlichen Pflichten der jeweiligen Normadressaten führt dies zur regulatorischen Gleichbehandlung an sich unterschiedlich verfasster Akteure mit stark divergierenden Geschäftsmodellen: Unter den erfassten Regelungsadressaten finden sich Universalbanken, die neben einer starken Präsenz im tradierten Bankgeschäft („Commercial Banking“) zugleich Kapitalmarktintermediationsleistungen erbringen und (teilweise) daneben auch als Marktbetreiber tätig werden, ebenso wie hochspezialisierte Akteure, wie insbesondere die Betreiber zentraler Gegenparteien oder Zentralverwahrer (unten Rn 13–6). Die organisationsrechtlichen Pflichten setzen ihrer Natur nach – im Unterschied zu transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten (z.B. §§ 63 bis 70 WpHG nF, §§ 31 ff. WpHG aF) – überwiegend transaktionsunabhängig an und adressieren allgemeine Fragen der Geschäftsorganisation. Gerade deshalb muss die praktische Umsetzung in den Unternehmen ebenso wie die aufsichtsrechtliche Überwachung durch die Aufsichtsbehörden die vorfindlichen Unterschiede in der Unternehmensverfassung und den jeweils betriebenen Geschäftsmodellen angemessen berücksichtigen. Der Formulierung allgemeingültiger, unabhängig vom jeweiligen Geschäftstyp Geltung beanspruchender Regeln und Prinzipien sind deshalb von vornherein Grenzen gesetzt, die hier zunächst nur allgemein angesprochen werden können. Umso mehr fällt die in den letzten Jahren immer stärker zu beobachtende Konvergenz der organisationsrechtlichen Vorgaben über die einzelnen Teilsektoren hinweg auf, die insbesondere in den einschlägigen Rechtsakten des Europäischen Kapitalmarktrechts an Parallelen im Wortlaut der jeweiligen Pflichten ablesbar ist. Exemplarisch zeigen dies zunehmend ver-

1

Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.05.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl.EG 1993 L 141/27.

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Vgl. zur damit angelegten konzeptionellen Sonderstellung des Börsenrechts im Kapitalmarktrecht zutr. auch Schwark/Zimmer/ Beck § 1 BörsG Rn 3.

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7. Teil. Organisationsregeln

einheitlichte Anforderungen an die Zusammensetzung und Funktionen der Unternehmensorgane (vgl. insbes. §§ 25c, d KWG, § 81 WpHG, §§ 4a, 4b BörsG, Art. 27 EMIR) ebenso wie parallel ausgestaltete Anforderungen an das Risikomanagement und die Compliance der Intermediäre (vgl. insbes. § 25a Abs. 1 KWG § 80 WpHG, Art. 22 und 23 DVO MiFID II). Die Unterschiede in den jeweils betriebenen Geschäftsaktivitäten gehen ihrerseits mit Unterschieden in den grundlegenden wirtschaftlichen Funktionen der jeweiligen Regulierungsadressaten einher, was wiederum mit Divergenzen im Hinblick auf die kapitalmarktrechtlichen Regelungsziele und Schutzzwecke korrespondiert (unten Rn 7–20). All dies steht von vornherein in einem gewissen Spannungsverhältnis zum soeben umrissenen Befund zunehmender Konvergenz im Hinblick auf Regelungsinhalte und die formale Ausgestaltung der einzelnen Rechtspflichten und wirft die Frage auf, ob und inwieweit sich überhaupt einheitliche Auslegungsgrundsätze für die jeweiligen Organisationspflichten werden gewinnen lassen. Hierauf ist im Rahmen der Einzelkommentierungen zurückzukommen.

II. Akteure und Aktivitäten 3

1. Kapitalmarktintermediäre. Das Spektrum der in Deutschland vorfindlichen Intermediärstypen ist historisch bedingt und hat sich in Wechselwirkung mit der regulatorischen Erfassung in weitem Umfang pfadabhängig entwickelt, auch wenn Vorgaben des Europäischen Kapitalmarktrechts die ursprüngliche Fixierung auf den Typus der Universalbank aufgelockert haben. Dennoch spielen Universalbanken im deutschen Markt rechtstatsächlich nach wie vor eine zentrale Rolle auch als Erbringer von Kapitalmarktintermediationsleistungen. Aufsichtsrechtlich erfasste Regelungsadressaten sind – in dieser Einteilung durch das nationale Bankaufsichtsrecht geprägt, das tatbestandlich seinerseits an einzelne „Bankgeschäfte“ bzw. „Finanzdienstleistungen“ anknüpft – allerdings nicht nur Kreditinstitute (vgl. § 1 Abs. 1 KWG), sondern auch Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 Abs. 1a KWG). Unterschieden wird damit nach unterschiedlichen Intermediärstypen, die unter dem Oberbegriff des „Instituts“ zusammengefasst sind (vgl. § 1 Abs. 1b KWG). Das kapitalmarktrechtliche Pflichtenprogramm im deutschen Recht knüpft demgegenüber auch hinsichtlich der speziellen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten ausschließlich an die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen (§ 2 Abs. 8 WpHG) und Wertpapiernebendienstleistungen (§ 2 Abs. 9 WpHG) an. Auf eine eigenständige, autonom kapitalmarktrechtliche, an einzelnen Intermediationsleistungen orientierte Einteilung nach unterschiedlichen Intermediärstypen wird hier verzichtet; die Legaldefinition des „Wertpapierdienstleistungsunternehmen“ in § 2 Abs. 10 WpHG verweist vielmehr umfassend auf die bankaufsichtsrechtliche Klassifikation und bezieht Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute sowie ihnen gleichgeordnete EU-ausländische Unternehmen ein. Auch das Europäische Recht unterscheidet – mit Überschneidungen mit der Terminologie des deutschen Rechts, aber Abweichungen in den jeweils maßgeblichen Tatbeständen3 – Kreditinstitute (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR, Art. 4 Abs. 1 Nr. 27 MiFID II), Wertpapierfirmen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 CRR, Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II) und Finanzinstitute (Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR). Die systematischen Unterschiede zwischen dem nationalen und dem Europäischen Recht sind insbesondere auf den Umstand zurückzuführen, dass das deutsche Recht traditionell einen ungleich größeren Kreis an Geschäftsaktivitäten als erlaubnis-

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Dazu im Überblick stellvertretend Binder/ Glos/Riepe/Binder, Handbuch Bankenaufsicht, § 3 Rn 6–11.

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1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung

pflichtiges Bankgeschäft qualifiziert (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG) als das Europäische Recht, das allein auf die Kombination aus Einlagen- und Kreditgeschäft abstellt (vgl. nochmals Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR). Die damit umrissene Kategorienbildung ist bereits an anderer Stelle der Gesamtkommentierung (siehe Grundmann 1. Teil Rn 17–21 und 5. Teil Rn 43–46) aufbereitet worden und hier nur nochmals in Erinnerung zu rufen. Die Erfassung zentraler Intermediationsleistungen nicht nur als Wertpapierdienstleistungen, sondern zugleich als erlaubnispflichtige Bankgeschäfte, die nur von zugelassenen Kreditinstituten erbracht werden können,4 spiegelt die überkommenen Geschäftsaktivitäten im deutschen Universalbankensystem wider5 und führt dazu, dass das Erfordernis einer Banklizenz – und damit die Anwendbarkeit der Vorschriften des materiellen Bankaufsichtsrechts, einschließlich der bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten – unterschiedliche Arten von Kapitalmarktintermediären verklammert. Mit anderen Worten: Auch Anbieter sehr heterogener Intermediationsleistungen werden schon aufgrund der Ausübung von Kernelementen des klassischen Effektengeschäfts6 zur Erlangung einer Banklizenz gezwungen und sind als Kreditinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG organisiert, ohne dass es darauf ankäme, ob neben diesen Aktivitäten auch Einlagen- oder Kreditgeschäft betrieben wird. Von Bedeutung als Kapitalmarktintermediäre sind daneben bankaufsichtsrechtlich als Finanzdienstleistungsinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1a KWG zugelassene Unternehmen mit geringerem oder höherem Spezialisierungsgrad. Aus der Perspektive des Europäischen Kapitalmarktrechts ist das damit abgedeckte Spektrum, soweit es um Intermediationsleistungen und um den Eigenhandel geht, im Wesentlichen deckungsgleich mit den Kategorien des Kreditinstituts und der Wertpapierfirma i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 27 bzw. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II – aber eben mit unterschiedlicher Zuordnung einzelner Tatbestandselemente (siehe schon Grundmann 5. Teil Rn 44). Die deutsche Marktlandschaft unterscheidet sich (auch) insofern von anderen Märkten, deren Regulierungsrahmen ein vergleichbar weit gefasster Kreditinstitutsbegriff fremd ist und deren Intermediärsstruktur auch deshalb vielfältiger ausfällt.7 Die bereits angesprochene Gleichbehandlung unterschiedlicher Intermediärstypen mit unterschiedlichen Organisationsstrukturen und unterschiedlich hoch spezialisiertem Portfolio an betriebenen Intermediationsdienstleistungen auch im Hinblick auf die organisationsrechtlichen Pflichten des Kapitalmarktrechts hat ihre Ursache auch in diesem Regelungssystem.

4

5 6

Im Einzelnen: Emissionsgeschäfte mit fester Übernahmeverpflichtung (§ 1 Abs. 1 Nr. 10 KWG, § 2 Abs. 8 Nr. 5 WpHG, Anh. I A Nr. 6 MiFID II), Finanzkommissionsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 KWG, § 2 Abs. 8 Nr. 1 WpHG, Anh. I A Nr. 2 MiFID II), Depotgeschäft (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KWG, Wertpapiernebendienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 9 Nr. 1 WpHG); siehe bereits Grundmann 5. Teil Rn 46. Zur Rechtsentwicklung insoweit nochmals Binder/Glos/Riepe/Binder § 3 Rn 6–11, 43. Mit dem Rechtsbegriff des „Effektengeschäfts“ waren seit dem KWG 1961 „die Anschaffung und Veräußerung von Wertpapie-

7

ren für andere“ als Kernbestandteil der auf Kapitalmarktpapiere bezogenen Intermediationsfunktion von Universalbanken erfasst worden; zur Aufspaltung dieser Kategorie in Umsetzung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 1993 stellvertretend Beck/Samm/ Kokemoor/Reschke, KWG, 181. Lfg. 2015, § 1 Rz. 328; vgl. auch Reischauer/Kleinhans/ Brogl, KWG, Lfg. 3/14, Rz. 86 ff.; Boos/ Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, KWG, 5. Aufl. 2016, § 1 Rz. 69 f.; zusf. Binder/Glos/ Riepe/Binder § 3 Rn 43. Vgl. etwa – aus der Perspektive des englischen Rechts – Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 321.

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7. Teil. Organisationsregeln

2. Kapitalmarktinfrastruktur

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a) Handelsinfrastruktur (Handelsplätze, „Trading“). Was die Handelsinfrastruktur angeht, weist die Erfassung im deutschen Kapitalmarktrecht ebenfalls nach wie vor historisch bedingte Unterschiede zu den unionsrechtlichen Vorgaben auf. Im deutschen Recht werden, auf der Grundlage eines institutionsbezogen ausgestalteten Tatbestands, zunächst Börsen, insbesondere Wertpapierbörsen (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 BörsG), erfasst und im Börsengesetz einem eigenständigen Organisationsrecht unterworfen. Die deutschen Börsen zeichnen sich danach durch eine dualistische Verfassung aus, die zwischen dem beliehenen privatrechtlich verfassten Börsenträger einerseits und der Börse als teilrechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts andererseits unterscheidet (vgl. § 2 Abs. 1 und § 5 BörsG, näher unten Rn 14 f. und Rn 140 ff.). Als Wertpapierdienstleistungen und damit als tatbestandlicher Auslöser für die allgemeinen intermediärbezogenen organisationsrechtlichen Anforderungen des Wertpapierhandelsgesetzes (insbes. §§ 71 bis 84 WpHG, unten Rn 162 ff.) wird demgegenüber der Betrieb multilateraler Handelssysteme (Multilateral Trading Facilities – MTF, vgl. § 2 Abs. 8 Nr. 8 WpHG) sowie organisierter Handelssysteme (Organised Trading Facilities – OTF, vgl. § 2 Abs. 8 Nr. 9 WpHG erfasst. Hiervon zu unterscheiden ist die nicht als Betrieb einer Handelsplattform einzuordnende systematische Internalisierung, in deren Rahmen außerhalb der Handelsplätze Kundenaufträge im Rahmen des Eigenhandels ausgeführt werden.8 Deren Betrieb ist ebenfalls erlaubnispflichtige Wertpapierdienstleistung (vgl. § 2 Abs. 8 Nr. 2 lit. b WpHG), aber im Unterschied zu den alternativen Handelssystemen im deutschen Recht heute nicht mehr mit eigenständigen Organisationspflichten, sondern nur mit speziellen, in der MiFIR geregelten Transparenzpflichten verbunden (unten Rn 168 ff.). Im Unterschied zur überkommenen regelungssystematischen Sonderstellung der Börsen beruht die Erfassung der Alternativen zum tradierten Börsenhandel im WpHG auf von vornherein allein funktional – und nicht am tradierten, institutsbezogenen Konzept der Börsen – orientierten Vorgaben des Europäischen Rechts. Diese unterscheiden unter dem Oberbegriff des „Handelsplatzes“ (Art. 4 Abs. 1 Nr. 24 MiFID II, vgl. entsprechend Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 MAR, deutsche Umsetzung in § 2 Abs. 22 WpHG) ebenfalls „geregelte Märkte“ (Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 MiFID II, Art. 3 Abs.1 Nr. 6 MAR), multilaterale Handelssysteme („MTF“, Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 MiFID II, Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 MAR) und organisierte Handelssysteme („OTF“, Art. 4 Abs. 1 Nr. 23 MiFID II, Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 MAR); ergänzend ist auch hier die systematische Internalisierung erfasst (Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 MiFID II). Im deutschen Recht – insoweit entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. Anhang I Abschnitt A Nr. 8 und 9 MiFID II) – wird der Betrieb multilateraler Handelssysteme und organisierter Handelssysteme als Wertpapierdienstleistung eingeordnet (§ 2 Abs. 8 und 9 WpHG), was die jeweiligen Betreiber im Hinblick auf die regulatorischen Anforderungen den Anbietern von Intermediationsleistungen gleichstellt. Bankaufsichtsrechtlich wird der Betrieb eines multilateralen Handelssystems als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung qualifiziert (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1d KWG), nicht dagegen der Betrieb eines organisierten Handelssystems und – mit

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Näher zu den unionsrechtlichen Anforderungen nach MiFID II/MiFIR Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 467; Schelling BKR 2015, 221 ff.; zum früheren deutschen Umsetzungsrecht (§ 2 Abs. 10 WpHG a.F. sowie §§ 32–32d WpHG a.F., vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 7 MiFID I,

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Art. 21 DVO MiFID I) einführend Assmann/ Schneider/Assmann WpHG § 2 Rn 184 ff.; KölnKommWpHG/Baum § 2 Rn 242 ff.; Fuchs/Fuchs WpHG § 2 Rn 180 ff.; Schwark/Zimmer/Kumpan KapMR § 2 WpHG Rn 127 ff.

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1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung

Blick auf das Sonderregime im BörsG folgerichtig – erst recht nicht einer Börse.9 Mit der Neufassung der einschlägigen Bestimmungen durch das 2. FiMaNoG 2017 geht dabei insofern eine wichtige Änderung gegenüber dem bisherigen Recht einher, als der Freiverkehr an den deutschen Wertpapierbörsen zwar nach wie vor in § 48 BörsG gesondert erfasst bleibt, aber nach § 48 Abs. 3 Satz 2 BörsG nunmehr ausdrücklich als multilaterales Handelssystem eingeordnet wird (siehe noch unten Rn 164). Damit gibt das deutsche Recht die bisherige Sonderstellung des Freiverkehrs, die sich nicht bruchfrei in die Systematik der Vorgaben des Europäischen Kapitalmarktrechts einfügt, zwar nicht auf, nähert sich aber dem Unionsrecht, das den Freiverkehr schon bislang als MTF eingeordnet und erfasst hatte,10 weiter an. Auch die im Europäischen Kapitalmarktrecht zugrunde gelegten Kategorien sind im Übrigen bereits an anderer Stelle der Gesamtkommentierung im Einzelnen aufbereitet, worauf verwiesen werden kann (Grundmann 5. Teil Rn 46, 66–71). Im hiesigen Zusammenhang von besonderem Interesse ist nicht zuletzt der in der Begrifflichkeit („regulierte Märkte“, nicht: „Marktbetreiber“) zutage tretende Umstand, dass die regulatorische Erfassung von Börsen(-betreibern) mit unternehmensbezogenen, insbesondere organisationsrechtlichen Vorgaben dem Europäischen Kapitalmarktrecht ursprünglich fremd war. Anfänglich lag der Fokus auf harmonisierten Anforderungen an den Zugang zum Markt und den damit einhergehenden Pflichten für Emittenten und sonstige Marktteilnehmer und Regelungen zur Marktinteraktion. Das Europäische Recht trieb damit die Entwicklung vom tradierten Börsen- zum modernen Marktrecht voran (Grundmann 5. Teil Rn 101 ff.) und betrachtete – im Unterschied auch zum überkommenen deutschen Recht – Börsen und ihre Alternativen nur mehr als Märkte, nicht (mehr) als Unternehmen.11 Vor diesem Hintergrund lässt sich der jüngste Aufwuchs organisationsrechtlicher (und weiterer institutionenbezogener) Regelungen im Europäischen Kapitalmarktrecht als Korrektur einer Korrektur interpretieren – oder zumindest als Erweiterung des ursprünglichen Regulierungsprogramms in der Erkenntnis, dass die systemische Bedeutung der Handelsinfrastruktur (ebenso wie der Nachhandelsinfrastruktur) als Voraussetzung für funktionsfähige Märkte neben der Regulierung der am Markt abgeschlossenen Geschäfte nicht außer Acht gelassen werden kann (siehe auch noch unten Rn 17 ff.). b) Nachhandelsinfrastruktur („Post-Trading“). Regulatorisch relevante Akteure auf 5 der Ebene der Nachhandelsinfrastruktur sind zunächst zentrale Gegenparteien (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 i.V.m. § 1 Abs. 31 KWG, § 2 Abs. 45 WpHG, jeweils unter Verweisung auf Art. 2 Nr. 1 EMIR). Ihre Zuordnung zur Ebene der Nachhandelsinfrastruktur ist freilich nicht eindeutig, weil die zentrale Gegenpartei unmittelbar Beteiligte der Geschäftsbeziehungen zwischen den Handelsparteien wird, bevor diese erfüllt werden. Sie ist aber insofern nachvollziehbar, als die zentrale Gegenpartei nach dem eigentlichen durch das jeweilige Handelssystem vermittelten Geschäftsabschluss eingeschaltet wird und dann die ursprünglich bilateralen Verpflichtungen der jeweiligen Handelsparteien durch jeweils zwei Vertragsbeziehungen zwischen diesen und der zentralen Gegenpartei ersetzen.12 Da-

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Zur konzeptionell nur begrenzt klaren Zuordnung für das frühere Recht, aber nach wie vor instruktiv Christoph Börsenkooperationen S. 278 ff.; vgl. auch bereits Hammen WM 2001, 929 ff. (am Beispiel der kategorialen Einordnung proprietärer Handelssysteme nach früherem Recht). Vgl. zum bisherigen Recht z.B. Fuchs/Fuchs WpHG § 31f Rn 1.

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Zu dieser Perspektive und dem historischen Hintergrund instruktiv Ferrarini in ders. (Hrsg.), European Securities Markets, S. 245 ff. Näher z.B. Committee on Payment and Settlement Systems/Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Principles for financial market infrastructures, Tz. 1.14; dies., Recommen-

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7. Teil. Organisationsregeln

mit stehen zentrale Gegenparteien indessen zwischen der Geschäftsabschluss- und der Phase der Abwicklung der jeweiligen Geschäfte im Nachhandel i.e.S.; das „Clearing“ über zentrale Gegenparteien bereitet letztlich die spätere Abwicklung („Settlement“) vor, indem es die jeweiligen Nettoforderungen ermittelt und die Parteien zur Besicherung veranlasst, um deren abschließende Erfüllung abzusichern und damit die Realisierung der den Geschäften immanenten Kredit- und Liquiditätsrisiken auszuschließen.13 Eindeutig der Nachhandelsinfrastruktur zuzuordnen sind demgegenüber Zentralverwahrer (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 i.V.m. § 1 Abs. 6 KWG, Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 CSDR). Hinzu kommen die mit der EMIR erstmals regulatorisch erfassten Transaktionsregister („trade repositories“), die Daten zu Derivatgeschäften zentral dokumentieren (vgl. Art. 2 Nr. 2 sowie Artt. 55 ff. EMIR) und damit die Transparenz des Derivatemarktes erhöhen sowie Marktmissbräuchen vorbeugen sollen.14 Einen Sonderfall bilden die Anbieter von Datenbereitstellungsdiensten. Diese wurden erstmals mit der MiFID II eigenständigen Zulassungs- und Organisationspflichten unterworfen, die unter anderem Interessenkonflikte adressieren.15 Diese und die darauf bezogenen deutschen Umsetzungsvorschriften in den §§ 58–62 WpHG n.F. werden im Folgenden ausgeklammert. 6 Sieht man von den Börsen ab, die mit Blick auf die für das deutsche Recht charakteristische öffentlich-rechtliche Börsenverfassung eine Sonderstellung genießen, begegnet die oben für die Kapitalmarktintermediäre konstatierte besondere Bedeutung der bankaufsichtsrechtlichen Erfassung als Kreditinstitut im deutschen Recht hier erneut. Mit der aufsichtsrechtlichen Erfassung des Betriebs eines Zentralverwahrers sowie einer Zentralen Gegenpartei als erlaubnispflichtige Bankgeschäfte im deutschen Recht (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 bzw. Nr. 12 KWG) werden auch hier wirtschaftliche Funktionen in die Organisationsform eines Kreditinstituts gezwungen, die an sich nicht Bestandteil des tradierten Bankgeschäfts sind. Dies führt beispielsweise dazu, dass die Clearstream Banking AG eine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb als Kreditinstitut nach § 32 KWG hat,16 auch wenn ihr hoch spezialisiertes Geschäftsprofil nur wenige Gemeinsamkeiten mit dem traditionellen Portfolio einer Universalbank aufweist. Unionsrechtlich ist dies so nicht vorgesehen. Die Geschäftstätigkeit von Zentralverwahrern und Zentralen Gegenparteien unterliegt nicht den allgemeinen sekundärrechtlichen Anforderungen an Kreditinstitute nach der CRD IV und der CRR. Sie wird vielmehr – mit einem eigenständigen Regime aus Zulassungspflichten, materiellen Anforderungen, einschließlich Organisationspflichten und korrespondierenden aufsichtsrechtlichen Eingriffsbefugnissen – durch die CSDR (einführend unten Rn 198 f.) gesondert erfasst. Im deutschen Recht wird dies lediglich insoweit nachvollzo-

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dations for Central Counterparties, passim; Alfes Central Counterparty, S. 50 f., 84 ff.; Gregory Central Counterparties, S. 27 ff.; Kunz Ausgewählte Rechtsprobleme des Zentralen Kontrahenten, S. 57 ff.; Schwarz Globaler Effektenhandel, S. 96 ff.; eingehend Turing Clearing and Settlement, Tz. 1.4 ff., insbes. 1.25. Vgl. dazu die Legaldefinition in Art. 2 Abs. 3 EMIR; Stegeman/Berket in Busch/Ferrarini, Regulation of the EU Financial Markets, Rn 15.36; siehe eingehend zur Einordnung auch Turing Clearing and Settlement, Tz 1.4 ff.

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Zur Funktion Committee on Payment and Settlement Systems/Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Principles for financial market infrastructures, Tz. 1.14; Turing Clearing and Settlement, Tz. 4.19. Siehe im Einzelnen Artt. 59–66 sowie Art. 73 Abs. 2 MiFID II. Siehe dazu www.clearstream.com/clear stream-en/about-clearstream/regulation--1-/ banking-license; zu den zugelassenen Geschäftstätigkeiten im Einzelnen https:// portal.mvp.bafin.de/database/InstInfo/ institutDetails.do?cmd=loadInstitutAction& institutId=105564.

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1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung

gen, als die Sammelverwahrung nach § 6 i.V.m. § 1 Abs. 3 DepotG nur solchen Kreditinstituten gestattet ist, die eine besondere Erlaubnis als Zentralverwahrer nach Maßgabe der CSDR erlangt haben.

III. Regelungsprobleme und Regelungsziele 1. Überblick Im Unterschied zu den Regelungszielen der transaktionsbezogenen Ver- 7 haltenspflichten, auf denen der Schwerpunkt nicht nur der einschlägigen deutschsprachigen Diskussion liegt (siehe dazu schon Grundmann 5. Teil Rn 29–37), werden die Zwecke speziell der kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten zumindest in der jüngeren Literatur – angesichts der zunehmenden Komplexität der einschlägigen Bestimmungen durchaus verwunderlich – kaum mehr im Detail problematisiert. Dabei liegt schon angesichts der Vielfalt der relevanten Akteure, der damit erfassten Geschäftsaktivitäten und mithin der Unterschiede in den erfassten ökonomischen Funktionen auf der Hand, dass die mit regulatorischen Anforderungen an die Organisation der Intermediäre und (sonstigen) Marktbetreiber adressierten Regelungsprobleme ihrerseits heterogen ausfallen, was Implikationen auch für die Ausgestaltung des regulatorischen Zielprogramms von vornherein nahelegt. Auch insoweit sind die Anbieter von Intermediationsleistungen im engeren Sinne (Rn 8 ff.) von den Betreibern der Handelsinfrastruktur (Rn 11 ff.) sowie der Nachhandelsinfrastruktur (Rn 19 f.) zu unterscheiden. Ungeachtet aller funktional bedingten Unterschiede zwischen den damit angesprochenen Akteursgruppen und den von ihnen betriebenen Aktivitäten ergeben sich allerdings auch strukturelle Parallelen, die sich in die bereits im 5. Teil der Kommentierung dargestellten, das Kapitalmarktrecht allgemein prägenden Entwicklungslinien einordnen: Auch und gerade die Organisationspflichten sind geprägt vom klassischen Dualismus der Ziele des Anlegerschutzes und des Funktionsschutzes einerseits und der Erweiterung desselben um das erst in jüngerer Zeit akzentuierte Regulierungsziel des Schutzes der Systemstabilität andererseits (siehe Grundmann 5. Teil Rn 29 ff. bzw. Rn 37 f.). 2. Anbieter von Intermediationsleistungen. Die intermediärbezogenen kapitalmarkt- 8 rechtlichen Organisationspflichten gelten zunächst den klassischen Regelungsproblemen der Kapitalmarktintermediation allgemein, nämlich Problemen der von den Intermediären erbrachten Transformationsleistungen, der Transaktionsabwicklung und der Informationsverarbeitung (Grundmann 5. Teil Rn 20–23). Die einschlägigen regulatorischen Vorgaben adressieren insbesondere Aspekte des klassischen Prinzipal-Agenten-Konflikts, insbesondere die Implikationen von Informationsasymmetrien, und zielen mithin auf den Anlegerschutz ab,17 dienen zugleich aber auch den Oberzielen der Absicherung der Marktintegrität, der institutionellen Funktionsfähigkeit und der allokativen Funktionsfähigkeit und damit insgesamt dem Funktionsschutz.18 Diese Perspektive erklärt den regelungssystematischen Zusammenhang zwischen Organisationspflichten und Wohlverhaltens-

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Eingehend Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 321. Deutlich Erwägungsgründe 53 und 54 MiFID II; siehe allgemein etwa BankR-Hdb/Seiler/Geier § 104 Rn 98 f. sowie – für § 33 WpHG aF, aber verallgemeinerungsfähig – etwa Fuchs/Fuchs WpHG, § 33 Rn 3; Veil/

Wundenberg EuKapMR, § 29 Rn 613; vgl. zu diesem Funktionszusammenhang auch Assmann/Schneider/Koller § WpHG, § 31 Rn 1–3 und bereits Bericht und Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zur ursprünglichen Fassung der §§ 31 ff. WpHG, BT-Drs. 12/7918, S. 97.

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7. Teil. Organisationsregeln

pflichten und prägt ihn zugleich (siehe noch unten Rn 39 ff.). Geht man von einem derartigen Funktionsverständnis aus, sind Organisationspflichten im Verhältnis zu den transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten als flankierende Regelungen anzusehen, die sicherstellen sollen, dass die Regelungsadressaten sich in einer Weise organisieren, die ihnen die Einhaltung der transaktionsbezogenen materiellen Verhaltenspflichten ermöglicht.19 So verstanden, kann von einer Komplementärfunktion der Organisationspflichten gesprochen werden: von Organisationspflichten als Instrumenten des „mittelbaren Anlegerschutzes“.20 Diese Interpretation ist in der deutschen Kapitalmarktrechtswissenschaft tief verwurzelt21 und für erhebliche Teile der kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten in der Tat prägend. Nicht zuletzt für die Pflichten zur Vermeidung von und zum Umgang mit Interessenkonflikten (§ 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG, Artt. 33–43 DVO MiFID II, unten Rn 59 ff.), die seit jeher eine wichtige Säule der bereichsspezifischen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten darstellen, liegt diese Interpretation geradezu auf der Hand. Doch auch die Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Funktion (§ 80 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. § 25a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 lit. c KWG sowie § 80 Abs. 1 Satz 3 WpHG i.V.m. Art. 22 DVO MiFID II, unten Rn 50 ff.) lässt sich in diesem Sinne interpretieren; mit ihr wird in besonderer Weise ein originär dem Unternehmensinteresse verpflichteter Teilaspekt der Selbstorganisation der Unternehmen in den Dienst der Durchsetzung der materiell-rechtlichen Anforderungen an die Erbringung der Wertpapierdienstleistungen gestellt.22 Auch und gerade damit wird die interne Corporate Governance der Intermediäre über das originäre Unternehmensinteresse hinaus zugleich für den Schutz der Kunden und damit der unternehmensinternen Stakeholder instrumentalisiert. Ein weiteres Beispiel bieten die neuen Geschäftsleiterpflichten in § 81 WpHG (vgl. Art. 9 MiFID II), welche die Geschäftsleitungsorgane ausdrücklich auf die Wahrung der Marktintegrität und den Schutz der Kundeninteressen verpflichten (unten Rn 89 f.). Die damit skizzierte Perspektive, die die Unselbständigkeit der organisationsrechtlichen Pflichten und ihre Abhängigkeit von den Wohlverhaltenspflichten betont, ist mit unmittelbaren praktischen Konsequenzen verbunden. Legt man sie zugrunde, stellt sich – nicht anders als bei den transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten selbst (allgemein dazu bereits Grundmann 5. Teil Rn 141–144) – die Frage nach haftungsrechtlichen Implikationen von Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Organisationspflichten in der Intermediär-Kundenbeziehung.23 Allerdings ist von vornherein nicht zu verkennen, dass sich die haftungsrechtlich erforderliche Kausalitätsbeziehung zwischen dem Verstoß gegen nicht unmittelbar transaktionsbezogene Organisationspflichten einerseits und der Verletzung von Vermögensinteressen konkreter Gegenparteien andererseits mit der Folge entsprechender Schäden in aller Regel kaum wird nachweisen lassen (siehe noch unten Rn 43). Schon dieser Umstand indiziert, dass der Fokus auf dem anlegerschützenden Charakter von Organisationspflichten und die Komple-

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Charakteristisch in diesem Sinne etwa Fuchs/ Fuchs WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn 62 f. So treffend bereits die grundlegende Untersuchung von Spindler Unternehmensorganisationspflichten, S. 224; vgl. auch Bliesener Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten, S. 2 („Auxiliarfunktion“ von Organisationspflichten im Verhältnis zu transaktionsbezogenen Verhaltenspflichten). Auch insoweit grundlegend bereits Hopt Kapitalanlegerschutz, S. 438 ff.

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Treffend Veil/Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 14: Compliance-Pflichten „als Bestandteil einer (auf unternehmensinternem Gesetzesvollzug basierenden) enforcement-Strategie …, die die klassischen Mechanismen der privaten und behördlichen Rechtsdurchsetzung ‚als dritte Spur‘ ergänzt“. Vgl. nochmals bereits Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 438 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 827 ff.

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1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung

mentarität zu den transaktionsbezogenen Verhaltenspflichten die Regelungsprobleme nicht vollständig ausleuchtet. Tatsächlich zielen die aufsichtsrechtlichen Organisationspflichten für Intermediäre 9 nicht erst seit der Neufassung des unionsrechtlichen Rechtsrahmens durch die MiFID II neben dem Anleger- und Funktionsschutz zugleich auf den institutionell orientierten Unternehmens- und Solvenzschutz ab.24 Die damit identifizierten Schutzziele liegen zwar mittelbar wiederum auch im Interesse der Kunden, die von der dadurch (idealiter) erhöhten Stabilität der Anbieter von Intermediationsleistungen profitieren. Die einschlägigen Pflichten sind auch insofern – wenn auch in unterschiedlichem Maße und mit erheblichen Differenzierungen, die nachfolgend im jeweiligen Sachzusammenhang zu erörtern sind – auf die Stärkung der internen Corporate Governance mit dem Ziel ausgerichtet, eine finanzielle Schieflage der einzelnen Intermediäre, die zumindest Unterbrechungen in der Erbringung der Intermediationsleistungen und vielfach auch Verluste der Gegenparteien nach sich zöge, möglichst auszuschließen. Dies dient durchaus auch dem originären Eigeninteresse der Intermediäre an der Bewahrung einer nachhaltigen Existenzsicherung und nützt diesen überdies insofern, als die aufsichtliche Überwachung die durchschnittliche finanzielle Solidität und fachliche Qualifikation der am Markt insgesamt verfügbaren Leistungen und damit auch die Glaubwürdigkeit der einzelnen Anbieter gegenüber gegenwärtigen und prospektiven Kunden sichern hilft.25 Den kapitalmarktrechtlichen Compliance-Pflichten (unten Rn 50 ff.) wird deshalb durchaus nachvollziehbar eine „Marketing-Funktion“ zugeschrieben, die durch Vermeidung von Reputationsverlusten für die Intermediäre zugleich ihrerseits dem Vertrauen der Anleger in die Integrität des Marktes insgesamt dient.26 Auch diese Regelungsziele lassen sich auf das übergeordnete Ziel des Funktionsschutzes – und hier insbesondere mit den Verbindungslinien zwischen institutioneller und operationaler Funktionsfähigkeit (hierzu auch Grundmann 8. Teil Rn 35 f.) zurückführen; auch insoweit profitieren die Anleger zumindest reflexartig (zu darüber hinausgehenden Haftungssanktionen noch unten Rn 39 ff., 67). Ungeachtet des damit zu konstatierenden teilweisen Gleichlaufs der originären Eigeninteressen der Intermediäre mit den öffentlichen Schutzzielen ist indessen nicht zu verkennen, dass Zielkonflikte insoweit nicht nur vorkommen können, sondern geradezu vorprogrammiert sind. Vielfach wird ein Eigeninteresse der Intermediäre an der Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen weniger in Gestalt greifbarer Effizienzvorteile als vielmehr im Bedürfnis liegen, etwaige aufsichtsrechtliche Sanktionen zu vermeiden. Dies betrifft insbesondere Aspekte des den Intermediären durch die aufsichtsrechtlichen Anforderungen jeweils abverlangten Umsetzungsaufwands, der oft über den Aufwand derjenigen Maßnahmen hinausgehen wird, die der Intermediär im Eigeninteresse treffen würde.27 Die soeben umrissenen Gesichtspunkte weisen jedenfalls über die Schutzziele des Ka- 10 pitalmarktrechts im engeren Sinne hinaus und schlagen die Brücke zum übergeordneten, über sämtliche Teilsektoren der Finanzmärkte hinweg relevanten Regulierungsziel der Sicherung der Finanzstabilität: der Reduktion von Ausfallrisiken für Gegenparteien und die Finanzmarktinfrastruktur, insbesondere auch die Kapitalmarktinfrastruktur (Zentrale Gegenparteien und Zentralverwahrer sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme) durch mikroprudenzielle Vorgaben nicht nur für die Finanz-, sondern eben auch für die

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Vgl. – bereits für Art. 13 MiFID I – Veil/ Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 13. Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 321.

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Vgl. Lösler NZG 2005, 104 (105) und schon dens. Compliance, S. 11 f.; siehe auch BankR-HdB/Faust § 109 Rn 4. Näher Binder ZGR 2015, 667 (704).

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7. Teil. Organisationsregeln

Organisationsverfassung der einzelnen Intermediäre, die Ansteckungsrisiken bei insolvenzbedingten Ausfällen minimieren helfen sollen.28 Die regulatorische Erfassung nicht nur von Kreditinstituten im engeren Sinn, sondern auch von Kapitalmarktintermediären allgemein mit dem Ziel der Vermeidung von Systemrisiken ist an sich ebenso wenig ein neues Phänomen wie die Einführung von Organisationspflichten auch für diese.29 Für das deutsche Marktumfeld war sie vielmehr schon traditionell insoweit selbstverständlich, als sich die Anforderungen des materiellen Bankaufsichtsrechts – einschließlich der einschlägigen, wenn auch bis Anfang der 1990er Jahre nicht besonders hoch entwickelten Organisationspflichten – infolge der traditionellen Dominanz des Universalbankenmodells stets auch auf das Angebot von Kapitalmarktintermediationsleistungen bezogen (siehe noch unten Rn 21). Aus dieser Perspektive betrachtet, hat bereits die regulatorische Gleichstellung von Wertpapierfirmen mit Kreditinstituten im Hinblick auf Zulassungserfordernisse und Eigenmittelanforderungen durch die (erste) Kapitaladäquanzrichtlinie 199330 den Boden bereitet für die – erst mit der reformierten Kapitaladäquanzrichtlinie von 200631 vollzogene – Gleichbehandlung auch im Hinblick auf organisationsrechtliche Anforderungen. Die Neuregelung auch der Organisationspflichten mit der MiFID II, die das Schutzgut der Finanzmarktstabilität im Unterschied zur MiFID I und erst recht zur Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 1993 klar betont, stellt vor diesem Hintergrund keinen Paradigmenwechsel dar, ist aber dennoch mit einer klaren Akzentverschiebung verbunden. Bereits die Präambel zur MiFID II rückt die in der globalen Finanzkrise beobachteten Defizite in den Corporate-Governance-Arrangements der Finanzintermediäre allgemein in den Vordergrund und betont damit die mit einander verbundenen Regelungsziele der präventiven Verringerung des Ausfallrisikos einerseits sowie der Vermeidung von Verlusten für Anleger und den Schutz des Anlegervertrauens andererseits.32

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Vgl. Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 322; Veil/Lerch WM 2012, 1557 (1560). Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 322; siehe auch Binder ZGR 2015, 667 (687 ff.). Richtlinie 93/6/EWG des Rates vom 15.03.1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABlEG Nr. L 141/1 – dieser Rechtsakt hatte noch keinerlei organisationsrechtliche Vorgaben enthalten. Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung), ABl.EU Nr. L 177/201. Vgl. Erwägungsgrund 5 MiFID II: „Unter Regulierungsstellen auf internationaler Ebene besteht Einigkeit darüber, dass Schwächen in der Unternehmensführung und -kon-

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trolle von mehreren Finanzinstituten, darunter das Fehlen wirksamer institutsinterner Kontrollen, einer der Faktoren waren, die zur Finanzkrise beigetragen haben. Die übermäßige und unvorsichtige Übernahme von Risiken kann auf mitgliedstaatlicher und globaler Ebene zum Ausfall einzelner Finanzinstitute und zu Systemproblemen führen. Das Fehlverhalten von Firmen, die Dienstleistungen für Kunden erbringen, kann zu Nachteilen für die Anleger und einem Vertrauensverlust führen. Um der potenziell schädigenden Wirkung dieser Schwächen bei den Unternehmensführungsregelungen entgegenzuwirken, sollte die Richtlinie 2004/39/EG um detailliertere Grundsätze und Mindeststandards ergänzt werden. Diese Grundsätze und Standards sollten der Art, dem Umfang und der Komplexität von Wertpapierfirmen Rechnung tragen.“

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1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung

3. Kapitalmarktinfrastruktur a) Handelsinfrastruktur. Die Ziele der regulatorischen Erfassung der Handelsinfra- 11 struktur sind im deutschen Schrifttum gerade im Hinblick auf das Organisationsrecht bislang kaum systematisch aufgearbeitet.33 Bei näherer Betrachtung finden sich Parallelen und – mit der Erfassung des Betriebs von Teilen der Marktinfrastruktur als Wertpapierdienstleistungen i.S.d. MiFID I/II (näher unten Rn 22, 160 ff.) in jüngster Zeit – auch Überschneidungen mit der Regulierung der Kapitalmarktintermediäre, aber naturgemäß auch bereichsspezifische Besonderheiten. Hinsichtlich der Regulierungsziele stehen auch insoweit traditionell Fragen der allokativen, operationalen und institutionellen Effizienz im Vordergrund,34 welche sich für die Handelsinfrastruktur konkret insbesondere an der Qualität und Integrität der Preisbildung, der Chancengleichheit für die Marktteilnehmer und der Gewährleistung eines hinreichenden Anlegerschutzes messen lassen müssen.35 Dieses Zielkoordinatensystem trägt der ökonomischen Funktion der Wertpapierbörsen und alternativer Handelsplattformen als transaktionskostenminimierende Marktveranstalter für den Handel in Eigen- und Fremdkapitaltiteln und weiteren Finanzinstrumenten36 Rechnung. Dass der jeweilige Handelsplatz seine Funktion nur bei hoher Liquidität – und also entsprechend großen Handelsvolumina – erfüllen kann, liegt dabei auf der Hand. Umstritten war, ob dieser Umstand regulierende Eingriffe mit dem Ziel der Handelskonzentration, insbesondere durch die Restriktion des Marktzutritts neuer Anbieter rechtfertigt.37 Diese Kontroverse hat sich allerdings angesichts des ohnehin bestehenden Wettbewerbs tradierter Wertpapierbörsen mit Börsen und alternativen Handelsplätzen im In- und

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Siehe allerdings Köndgen JITE 154 (1998), 224 ff. mit Kommentaren von Schmidtchen ebd. S. 252 ff. und von Perlitz ebd. S. 257 ff.; Pirrong J. L. Econ. 43 (2000), 437 ff.; gute monographische Aufrisse der Regelungsziele des Börsenrechts allgemein bei Kumpan Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme, S. 75 ff.; Mues Die Börse als Unternehmen, S. 45 ff.; Schönemann Organisationsstruktur der Börse, S. 132 ff. sowie – mit Fokus auf den ökonomischen Funktionen der Börse – Seehafer Grenzüberschreitende Börsenkonzentrationen, S. 41 ff.; siehe auch Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 287 (335 ff., 361 ff.); Schwark/Zimmer/Beck § 1 BörsG Rn 2 f. Besonders deutlich insoweit etwa die Diskussion der „Rechtsgüter des Börsengesetzes“ bei Schwark/Zimmer/Beck § 1 BörsG Rn 2; knapp ebenso auch Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 287 (361); gleichsinnig auch oben 5. Teil Rn 20. Vgl. etwa Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/ Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 287 (364); Kumpan Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme, S. 34 ff.; eingehend zu den sich daraus für die Börsenorganisation ergebenden Implikationen Rudolph/Röhrl,

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ebd., S. 143 (161 ff.); siehe nochmals auch Seehafer Grenzüberschreitende Börsenkonzentrationen, S. 45 ff. Vgl. etwa die Aufarbeitung der ökonomischen Funktionen von Börsen bei Rudolph/ Röhrl in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.) Börsenreform S. 143 (162 ff.); eingehend auch Christoph Börsenkooperationen, S. 85 ff., insbes. S. 88 ff.; Mues Die Börse als Unternehmen, S. 23 ff.; Seehafer Grenzüberschreitende Börsenkonzentrationen, S. 45 ff.; siehe auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 426; Köndgen JITE 154 (1999), 224 (234 ff.). In diese Richtung Mülbert JZ 2002, 826 (828 f.) gegen Merkt Gutachten G zum 64. DJT, S. G 94, G 100; gegen Marktzutrittsbeschränkungen im Interesse der Liquiditätskonzentration aber auch bereits Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 287 (362); skeptisch auch Mues Die Börse als Unternehmen, S. 102; vgl. allgemein zur Bedeutung der Marktliquidität im Rahmen der ökonomischen Funktionen eingehend Rudolph/Röhrl in Hopt/Rudolph/ Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 143 (177 ff.); siehe auch Kumpan Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme, S. 37 f.

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7. Teil. Organisationsregeln

Ausland sowie im Hinblick auf die unionsrechtlich gebotene, diskriminierungsfreie Zulassung alternativer Handelsplattformen (unten Rn 160 ff., 182 ff.) sowohl in rechtstatsächlicher als auch in normativer Hinsicht praktisch erledigt.38 Statt dessen hat sich der regulatorische Fokus zur Absicherung der Marktliquidität in einem von dynamischem Wettbewerb zwischen tradierten Börsen und alternativen Handelsplattformen gekennzeichneten, heterogenen Markt auf die Absicherung der Handelstransparenz gerichtet (Titel II MIFIR, siehe noch unten Rn 168 ff.).39 12 Mit alledem treten die Wechselwirkungen zwischen institutioneller Effizienz und allokativer Effizienz deutlich hervor. Zugleich wird erkennbar, dass die Effizienz der Handelsinfrastruktur nicht unabhängig von der Qualität des für den jeweiligen Marktplatz bestehenden Anlegerschutzniveaus beurteilt werden kann. Dieser Umstand lässt erkennen, dass und warum die Marktbetreiber im geltenden Recht selbst in erheblichem Umfang für die Überwachung der Handelsaktivitäten und die Durchsetzung der insoweit geltenden materiellen Anforderungen in die Pflicht genommen werden (§§ 24 ff. BörsG und § 72 Abs. 1 WpHG, siehe noch unten Rn 153 ff. und Rn 160 ff.). Für die vorliegende Darstellung ist dies von besonderer Bedeutung, weil damit die Verbindungslinien zwischen institutionellorganisatorischen Vorgaben und transaktionsbezogenem Anleger- und Marktfunktionsschutz identifiziert sind. Aus dieser Perspektive betrachtet, erfüllen organisatorische Vorgaben auch für die Handelsinfrastruktur – ebenso wie bereits oben für die intermediärbezogene Regulierung konstatiert – zunächst und insbesondere eine Komplementärfunktion, indem sie die Durchsetzung der Anforderungen des materiellen Kapitalmarkt-Aufsichtsrechts vorbereiten und erleichtern sollen. Im Hinblick auf diese Zielfunktionen bestehen keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen der regulatorischen Erfassung der traditionellen Wertpapierbörsen einerseits und der innovativen alternativen Handelsplätze andererseits, sofern sich die jeweiligen Geschäftsaktivitäten auf Bereitstellung und Betrieb des Marktplatzes beschränken und nicht zugleich Intermediationsleistungen angeboten werden (für die dann die oben Rn 8 ff. für die Intermediäre formulierten Überlegungen gelten).40 13 Unter den verschiedenen Handelsinfrastrukturen nehmen Wertpapierbörsen im deutschen Recht allerdings auch im Hinblick auf die Regulierungsziele schon deshalb eine Sonderstellung ein, weil ihre regulatorische Erfassung – der langen Entwicklungsgeschichte der Institution Börse entsprechend – weit zurückreicht und dabei gerade im Hinblick auf die jeweils verfolgten Regulierungsziele erhebliche Kontinuitätsbrüche und Paradigmenwechsel durchlaufen hat.41 Für die erstmalige Kodifikation des deutschen Börsenrechts mit dem Börsengesetz von 189642 war, auch insoweit zurückgehend auf Vorschläge der sog. Bör-

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In diese Richtung zutr. Schönemann Organisationsstruktur der Börse, S. 96; vgl. auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 434, 436 ff. Zur Entwicklung des Zielprogramms nach MiFID II und MiFIR insoweit Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 445 ff., insbes. 469 ff. und 480 ff. Deutlich nochmals Kumpan Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme, S. 30 ff., 75 ff. und passim. Vgl. besonders Merkt in Hopt/Rudolph/ Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 17 (insbes.

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S. 47 ff., dort S. 63 ff. zur Entstehung des Börsengesetzes 1896); Schönemann Organisationsstruktur der Börse, S. 28 ff.; Seehafer Grenzüberschreitende Börsenkonzentrationen, S. 376 ff.; speziell zum Börsengesetz 1896 Schulz Börsengesetz, passim; ders. AG 1996, 260 ff.; zusf. auch Breitkreuz Ordnung der Börse, S. 23 ff.; aus der älteren Literatur besonders Fürst Börse, S. 1 ff.; Wiener Börse, S. 10 ff., insbes. S. 21 ff.; Tischer Annalen des Deutschen Reiches 1899, 1 ff. Börsengesetz vom 22.06.1896, RGBl. I S. 157.

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1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung

sen-Enqu te-Kommission von 1893 und 1894,43 die bis in die Gegenwart prägende Kombination aus Staatsaufsicht und gesetzlichen Vorgaben zur Börsenverfassung im Interesse hoher Handelsstandards kennzeichnend. Dabei kam bereits hier der Selbstorganisation der Börsen durch die Zuweisung wichtiger Einzelaspekte der Börsenverfassung an die Börsenordnungen ein hoher Stellenwert zu, nachdem der Gesetzgeber die bestehenden Börsenstrukturen nicht grundsätzlich verändern wollte.44 Auch die Reformdiskussion zum Börsengesetz der 1960er Jahre, die in der Börsengesetznovelle von 1975 mündete,45 galt zum Teil organisationsrechtlichen Aspekten, hier allerdings bereits nicht mehr primär im Interesse der Sicherung qualitativ hoher Handelsstandards als solcher. Im Vordergrund stand vielmehr bereits das Ziel der Stärkung des organisierten Kapitalmarkts durch Deregulierung und Selbstverwaltung der Börsen im Interesse der Verbesserung der Unternehmensfinanzierung und der Anlagemöglichkeiten des breiten Publikums.46 Dieses Zielprogramm prägte erst recht die – jeweils autonom, nicht durch europarechtliche Impulse veranlassten – nachfolgenden Änderungen durch die Börsengesetznovelle von 198947 und sodann vor allem die grundlegende Reform (auch) der organisationsrechtlichen Aspekte des Börsengesetzes durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz von 1994,48 das (in organisationsrechtlicher Hinsicht allerdings eher weniger bedeutsame) Dritte Finanzmarktförderungsgesetz von 199849 sowie durch die nochmalige umfassende Novellierung durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz von 2002.50 Die damit verfolgte Deregu43

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Vgl. im Einzelnen Börsen-Enqu te-Kommission (Hrsg.), Bericht der Börsen-Enqu teKommission, Berlin 1893; dies., Berichte und Beschlüsse der Börsen-Enqu te-Kommission. Aus dem Reichs- und Staatsanzeiger besonders abgedruckt, Berlin 1894; dazu stellvertretend Merkt in Hopt/Rudolph/ Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 17 (72 ff.); Schulz Börsengesetz, S. 72 ff., 185 ff. und passim; zusf. ders. AG 1996, 260 f. Vgl. zum Hintergrund Börsen-Enqu te-Kommission, Bericht, S. 8 ff. und dazu Merkt in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 17 (73 f.), zu den einschlägigen Regelungen des Gesetzes ebd., S. 83 ff.; Mues Die Börse als Unternehmen, S. 40 ff. Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes vom 28.04.1975, BGBl. I S. 1013. Deutlich in diese Richtung Begr. RegE Börsengesetznovelle 1976, BT-Drs. 7/101, S. 8 f. Zusf. Merkt in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 17 (112 ff., insbes. 119 f.); zeitgenössische Einordnung und Würdigung bei Hanssen ZfgK 1976, 701 ff. Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes vom 11.07.1989, BGBl. I S. 1412; siehe dazu näher Merkt in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 17 (127 f.); Kümpel WM 1989, 1313 ff.; knapp auch Schwark/Zimmer/Schwark Einl. BörsG Rn 6. Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanz-

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marktförderungsgesetz) vom 26.07.1994, BGBl. I S. 1749; dazu, soweit im hiesigen Zusammenhang von Interesse, näher Merkt in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 17 (130 ff.); zur Einordnung auch die Überblicksdarstellungen bei Schwark/Zimmer/Schwark Einl. BörsG Rn 7; Krimphove JZ 1994, 23 ff. (insbes. 28 f.); Weber NJW 1994, 2849 ff. Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 24.03.1998, BGBl. I S. 528; siehe dazu besonders Begr. RegE, BT-Drs. 13/8933, S. 60 sowie zur Einordnung, soweit im hiesigen Zusammenhang von Bedeutung, z.B. Schwark/Zimmer/ Schwark Einl. BörsG Rn 9; Meixner NJW 1998, 1896 (1900 f.); Pötzsch WM 1998, 949 ff. Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 21.06.2002, BGBl. I S. 2010; siehe zur damit verbundenen Änderung des Börsengesetzes eingehend Beck Die Reform des Börsenrechts im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz – Teil 1/2, BKR 2002, 662 ff. und 699 ff.; Hammen AG 2001, 549 ff.; daneben auch Christoph Börsenkooperationen, S: 76 ff.; Schwark/Zimmer/Schwark Einl. BörsG Rn 11; Fenchel DStR 2002, 1355 ff.; Rudolph BB 2002, 1036 (1037 ff.).

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7. Teil. Organisationsregeln

lierungsagenda im autonomen deutschen Börsenrecht reflektierte den – den Zielen der älteren Börsenrechtsetzung diametral entgegengesetzten, aber international zunehmend akzeptierten51 – Grundgedanken, dass zwingende gesetzliche Vorgaben zum Börsenorganisationsrecht als solche allenfalls indirekt und in geringem Umfang das Anlegervertrauen in die Marktintegrität zu befördern geeignet und daher organisatorische Fragen am besten der Selbstorganisation der Börsenbetreiber zu überlassen seien.52 Mit alledem war auch die erstmalige Erfassung alternativer multilateraler Handelssysteme als Wertpapierdienstleistungen durch die MiFID I absolut konsistent. Auch hierbei standen Erwägungen des Anleger- und Funktionsschutzes, insbesondere Aspekte der Marktintegrität und der Effizienz der Kapitalmärkte, noch ganz im Vordergrund und sollte somit in völligem Gleichlauf mit den tradierten kapitalmarktrechtlichen Schutzzielen ein konsistenter regulatorischer Ordnungsrahmen für möglichst alle verschiedenen Marktplätze in den Mitgliedstaaten geschaffen werden.53 14 In direktem Zusammenhang mit der jüngeren Rechtsentwicklung steht die insbesondere in den 1990er und frühen 2000er Jahren intensiv geführte, zwischenzeitlich etwas in den Hintergrund getretene Diskussion um die dualistische, öffentlich-rechtlich dominierte Börsenverfassung in Deutschland, die – nicht zuletzt rechtsvergleichend motiviert – von zunehmender Kritik an diesem deutschen Sonderweg geprägt war und in der zahlreiche Stimmen die Überführung in privatrechtlich verfasste Strukturen propagierten.54 Unterschiedlich beurteilt wurde und wird im Kern, ob Börsen ihre oben dargestellten ökonomischen Funktionen am effizientesten in privatrechtlichen, wettbewerblich geprägten und fortentwickelten Organisationsstrukturen innerhalb der durch staatliche Regulierung im öffentlichen Interesse gesetzten Schranken erfüllen können – oder ob allein die öffentlichrechtliche Verfassung (quasi als Substitut für bloße öffentlich-rechtliche Regulierung55) diese Funktionen effektiv absichern kann. Dabei ist von vornherein zu berücksichtigen, dass es in der Sache keineswegs um eine Dichotomie zwischen vollständiger Privatisierung auf der einen und staatlicher Trägerschaft auf der anderen Seite geht. So zugespitzt, stellt sich das Problem in Deutschland schon deshalb nicht, weil es „reine“ Staatsbörsen hier historisch nie gegeben hat.56 Umstritten bleiben vielmehr Vorzüge und Nachteile einer rein privatrechtlichen Konzeption im Vergleich mit der dualistischen Börsenstruktur, die durch die – mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz deutlich akzentuierte – Differenzierung zwischen der als Anstalt des öffentlichen Rechts verfassten Börse als solcher und dem privatrechtlich verfassten Träger (§ 2 Abs. 1 BörsG) gekennzeichnet ist. Die Gegner dieses

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Zur Rechtsentwicklung in Europa – mit Vergleich ausgewählter Rechtsordnungen – etwa Ferrarini in: Balling/Hennessy/O’Brien, Corporate Governance, Financial Markets and Global Convergence, 1998, S. 139 ff. Vgl. pointiert Fleckner/Hopt Stock Exchange Law, Va. L. & Bus. Rev. 7 (2013), 513 (522). Deutlich Erwägungsgrund 5 MiFID I. Grundlegend Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/ Baum (Hrsg.) Börsenreform, S. 287 (402 ff.); repräsentativ daneben Merkt, Gutachten G zum 64. DJT, G 81 ff.; Mues Die Börse als Unternehmen, 1999, S. 95 ff., 109 ff. und passim; Schönemann Organisationsstruktur der Börse, S. 94 ff. und passim; in diese Richtung auch Hellwig ZGR 1999, 781 (791 ff.);

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Claussen ZBB 2000, 1 ff.; ders./Hoffmann, ZBB 1995, 68 ff.; Köndgen FS Lutter, 2000, S. 1401 (1413 ff.); Schwark WM 1997, 293 (302); konzeptionelle Überlegungen zur Umsetzung de lege ferenda bei Blumentritt Die privatrechtlich organisierte Börse, 2003; dezidiert kritisch Kümpel WM 1997, 1917 ff.; ders. BKR 2003, 3 ff.; zurückhaltend auch Hammen AG 2001, 549 (551 ff.); siehe auch Kümpel in ders./Hammen, Börsenrecht, S. 89 (101 ff.). Pointiert Köndgen JITE 154 (1999), 224 (239 f.). Vgl. Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 287 (402 ff.); Baum/Hopt FS Rudolph, 2009, S. 537 (543).

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1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung

Systems kritisieren vor allem die fehlende internationale Anschlussfähigkeit mit der Folge drohender Wettbewerbsnachteile insbesondere bei der internationalen Konsolidierung der Börsenbetreiber57 und daraus resultierende Hemmnisse bei der Anpassung an sich dynamisch entwickelnde technische Innovationen.58 Befürworter der dualistischen deutschen Börsenstruktur betonen dagegen den Charakter der Börsenveranstaltung als öffentliche Aufgabe und als Ausprägung der Gewährleistungsverantwortung des Staates für die Handelsinfrastruktur,59 die praktischen Vorteile der in der öffentlich-rechtlichen Verfassung der Börse angelegten Möglichkeit zur rechtssicheren Regelung der Benutzungsverhältnisse durch die Börsenordnungen als öffentlich-rechtliche Satzungen (vgl. heute § 12 Abs. 2 Nr. 1 sowie § 16 BörsG),60 die Möglichkeit einer breiten Beteiligung der relevanten Stakeholder im Börsenrat (vgl. heute § 12 Abs. 1 BörsG)61 sowie die Notwendigkeit zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bei der börseninternen Handelsüberwachung.62 Die Argumente sind an sich seit langem abschließend ausgetauscht.63 Kaum verkenn- 15 bar handelt es sich beim geltenden Recht um einen pfadabhängig entwickelten Kompromiss zwischen den Extrempositionen der Privatisierung des Börsenwesens einerseits und der staatlichen Infrastrukturverantwortung andererseits. In diesem System werden die – tatsächlichen oder nur vermeintlichen – Vorteile der öffentlich-rechtlichen Verfassung von vornherein nur mehr auf Börsen im materiellen Sinne beschränkt und wird auch hier der Selbstorganisation breiter Spielraum eingeräumt, der sich mit dem Paradigma der hoheitlichen Kontrolle nur begrenzt vereinbaren lässt.64 Misst man die dualistische Konzeption des materiellen deutschen Börsenrechts und den ohne die öffentlich-rechtliche Struktur auskommenden Rechtsrahmen für alternative Handelssysteme (§§ 72 ff. WpHG, dazu Rn 2 und Rn 160 ff.) daran, inwieweit sie die oben angesprochenen ökonomischen Funktionen der Börse abzusichern geeignet sind, sind Vorteile der dualistischen Struktur in der Tat kaum auszumachen. Das gilt schon deshalb, weil ein signifikantes Gefälle im Vergleich zu ausländischen Marktplätzen ohne vergleichbare Strukturen nicht erkennbar ist. Die pointiert behauptete „Überlegenheit des deutschen Börsenmodells im internationalen Vergleich“ und der daraus resultierende „Wettbewerbsvorteil gegenüber ausländischen Börsen“ aufgrund der Kombination aus öffentlich-rechtlicher Marktgewährleistung und privatwirtschaftlicher Dynamik65 sind letztlich empirisch kaum belegt. Vor allem fehlt es an einer hinreichenden Begründung, dass und warum sich die als solche unstreitigen Schutzziele nicht alternativ – wie im Ausland üblich – durch eine Kombination aus privatrechtlicher Verfassung und hoheitlicher Regulierung und Aufsicht erreichen lassen sollen.66 Dass

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Vgl. etwa Baum/Hopt FS Rudolph, 2009, S. 537 (543, 548); Merkt, Gutachten G zum 64. DJT, G 83 ff. Vgl. Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 287 (361 ff.). Repräsentativ Kümpel in ders./Hammen, Börsenrecht, S. 89 (105 ff.); ders. BKR 2003, 3 (8 f.); Kümpel/Wittig/Seiffert Rn 4.127, 4.129–4.142. Kümpel WM 1997, 1917 (1918 ff.); ders. BKR 2003, 3 (9 ff.); Kümpel/Wittig/Seiffert Rn 4.128. Vgl. dazu Hammen AG 2002, 549 (552 ff.). In diese Richtung besonders schon Wiede Die Börse als verwaltungsrechtliches Pro-

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blem, S. 136; siehe auch Kümpel WM 1997, 1917 (1918 f.). Merkt Gutachten G zum 64. DJT, G 82. Vgl. ebenso zutr. wie pointiert insoweit auch Seehafer Grenzüberschreitende Börsenkonzentrationen, S. 382 f. Vgl. Kümpel BKR 2003, 3 unter Hinweis auf Aussagen des Leiters der hessischen Börsenaufsicht; ähnlich Kümpel/Wittig/Seiffert Rn 4.127. So bereits Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/ Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 287 (402 f.); ähnlich Merkt Gutachten G zum 64. DJT, G 84 f.

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7. Teil. Organisationsregeln

das überkommene System auch aus der Praxis Akzeptanz erfährt,67 lässt allenfalls auf geringen rechtspolitischen Reformdruck schließen, entkräftet aber die für die Reform angeführten Argumente nicht. Nicht zuletzt die Neufassung des Rechtsrahmens für die Handelsinfrastruktur im Börsengesetz und in den §§ 72 ff. WpHG zeigt jedenfalls, dass es schon im Sinne größerer Rechtsklarheit sinnvoll sein könnte, die unterschiedlichen Handelsplätze – wie dies den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht und auch in anderen Rechtsordnungen68 üblich ist – als einheitliches Sachproblem zu erfassen. Gerade der Sonderstatus der deutschen Börsen hat hier in erheblichem Umfang eine duplikative Umsetzung an sich gleicher Vorgaben des Europäischen Unionsrechts und unsystematische Querverweisungen in beide Regelungskomplexe veranlasst, die durch eine konsequent an funktionalen Kriterien orientierte Regelungskonzeption erheblich verschlankt werden könnte (siehe noch unten Rn 143 f. und Rn 164 f.). 16 Mit der vorstehend entwickelten Kontroverse zur Rechtsnatur der Börsen nicht deckungsgleich ist die – im Ausland allerdings gerade in jüngerer Zeit wieder intensiv diskutierte – Frage, ob durch gesetzliche Vorgaben Identität zwischen Börsenbetreibern und Börsennutzern hergestellt werden sollte, wie es der historisch bedeutsamen Konstruktion von Börsen als Veranstaltung von Kaufleuten in genossenschaftlichen oder genossenschaftsähnlichen Strukturen69 entsprach (sog. Mutualisierung), oder ob ein breiterer Kreis von Anteilseignern zugelassen werden sollte, wie es der auch für das heutige deutsche Börsenrecht charakteristischen Zulassung privatrechtlich verfasster Wirtschaftsunternehmen als Börsenträger entspricht (Demutualisierung).70 Sie ist vor allem rechtspolitischer Natur und bislang ohne gesetzlichen Nachhall geblieben, gerade mit Blick auf die Bedeutung des Börsenverfassungsrechts als Determinante für die Handelsaktivitäten aber insofern von Bedeutung, als die direkte Einbindung der Marktteilnehmer in die Gestaltung der für den Handel relevanten Teilnahmeregelungen, wie sie für genossenschaftliche oder genossenschaftsähnliche Strukturen kennzeichnend ist, jedenfalls potentiell Sachnähe und Chancengleichheit gewährleisten kann. Dem dienen im deutschen Recht die Vorgaben zur Zusammensetzung des Börsenrats (§ 12 Abs. 1 BörsG). Den alternativen Handelsplattformen fehlt es an entsprechenden Arrangements; diese werden funktional durch entsprechend dichte regulatorische Vorgaben, darunter insbesondere Diskriminierungsverbote für die Gestaltung der Zugangsbedingungen und Gebührenregelungen substituiert (vgl. § 72 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 WpHG; im Überblick unten Rn 163).

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Vgl. etwa Hammen AG 2001, 549 (552) m.w.N. Exemplarisch etwa das Schweizer Recht, das mit dem Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (Finanzmarktinfrastrukturgesetz – FinfraG) vom 19.6.2015 (Bundesblatt 2015 Nr. 25 vom 30.06.2015, S. 4931) soeben eine ambitionierte, ganzheitlich-umfassende Erfassung auch der Marktinfrastruktur vorgenommen hat. Vgl. zur Genese stellvertretend Merkt in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.) Börsenreform, S. 17 ff. (insbes. 22 ff.) m.w.N. Vgl. aus der US-amerikanischen Literatur Bradley Demutualization of Financial Ex-

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changes, Nw. J. of Int’l L. & Bus. 21 (2001), 657 ff.; Karmel Turning Seats Into Shares: Causes and Implications of Demutualization of Stock and Futures Exchanges, Hastings L.J. 53 (2002), 367 ff.; zur Paralleldiskussion für die Nachhandelsinfrastruktur neuerdings Saguato The Ownership of Clearinghouses, Yale J. on Reg. 34 (2017), 601 ff. In der deutschsprachigen Literatur wird typischerweise der Trend zur Demutualisierung knapp konstatiert und als Datum akzeptiert; vgl. z.B. Baum/Hopt, FS Rudolph, 2009, S. 537 (543); Merkt Gutachten G zum 64. DJT, G. 52 ff.; Schönemann Organisationsstruktur der Börse, S. 26.

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1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung

Auch die Regulierung der Anbieter von Handelsinfrastruktur ist allerdings nicht allein 17 den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Regulierungszielen des Anleger- und Funktionsschutzes und insbesondere der Gewährleistung von (allokativer, institutioneller, operationaler) Effizienz verpflichtet. Vielmehr hat die globale Finanzkrise auch insoweit für die systemische Bedeutung der Handelsinfrastruktur sensibilisiert und damit einen auch in der deutschsprachigen Diskussion um die Börsenstrukturreform kaum behandelten Aspekt in den Fokus gerückt. Dass der Ausfall von Handelsinfrastrukturen mit Blick auf deren Bedeutung für funktionierende Kapitalmärkte die Systemstabilität unmittelbar bedroht bzw. bereits bestehende Instabilitäten verstärken kann, versteht sich von selbst. Insofern ist es völlig konsequent, dass die Re-Regulierung in Reaktion auf die globale Finanzkrise der systemischen Bedeutung auch der Kapitalmarktinfrastruktur hohe Aufmerksamkeit gewidmet hat.71 Die Handelsinfrastruktur – im Unterschied zur Nachhandelsinfrastruktur (siehe noch unten Rn 19 f.) – ist allerdings insofern eher geringfügig durch systemische Ansteckungseffekte bedroht, als der Betreiber hier keinerlei Kreditrisiken gegenüber Emittenten (oder Anlegern) oder Liquiditätsrisiken eingeht. Auch ein plötzlicher Verfall von Marktpreisen führt nicht ohne weiteres zur finanziellen Instabilität des Betreibers des jeweiligen Handelsplatzes und birgt daher auch nicht das Risiko von Störungen oder Unterbrechungen der Handelstätigkeit als solcher. Sichtbarer Beleg dafür ist der Umstand, dass es auch auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise nicht zu unmittelbaren Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Handelsinfrastruktur gekommen ist.72 Der Grund liegt unmittelbar im Geschäftsmodell, das sich von den von Kapitalmarktintermediären betriebenen Aktivitäten unterscheidet: Letztere sind durch exogene Einwirkungen, darunter Ansteckungseffekte durch Realisierung von Kredit- und Liquiditätsrisiken in Austauschgeschäften mit insolventen Kunden oder anderen Marktteilnehmern sowie das Risiko eines Verfalls von Marktpreisen mit Folgen für das eigene Anlageportfolio, ebenso bedroht wie durch endogene Risiken, insbesondere operationelle Risiken. Bei den Betreibern der Handelsinfrastruktur, die Austauschgeschäfte ermöglichen, aber nicht selbst Partei der marktförmigen Geschäfte werden, beschränken sich die Risiken von vornherein weitgehend auf derartige endogene Faktoren. Insbesondere operationelle Risiken im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der elektronischen Systeme spielen in der modernen Handels- und Nachhandelsinfrastruktur, die sich seit langem sowohl innerhalb der tradierten Börsen als auch und erst recht in alternativen Handelsplattformen durch den dynamischen Einsatz und Ausbau immer leistungsfähigerer Informations- und Kommunikationstechnologie auszeichnet,73 potentiell eine große Rolle. Der Schutzzweck der Absicherung der Betreiber von Handelsinfrastruktur gegen derartige Risiken tritt daher als institutionsbezogenes Regulierungsziel komplementär neben die auf den Schutz der ökonomischen Funktionen der Handelsplattformen bezogenen Schutzziele des Börsenorganisationsrechts. Insofern verwundert es nicht, wenn derartige Aspekte in der MiFID II insbesondere im Zusammenhang mit den spezifischen Risiken algorithmischer Handelstechniken und des Hochfrequenzhandels adressiert werden,74 die jedoch nur pars pro toto für einen generellen Befund stehen. Gerade diese Gesichtspunkte machen die Einbeziehung der Betreiber von Handels-

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Vgl. einführend allgemein Ferrarini/Saguato in Moloney/Ferran/Payne (Hrsg.), Oxford Handbook of Financial Regulation, S. 568, 571; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 433.

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Ferrarini/Saguato in Moloney/Ferran/Payne (Hrsg.), Oxford Handbook of Financial Regulation, S. 568, 571. Vgl. im Überblick stellvertretend Merkt Gutachten G zum 64. DJT, G 43 ff. Erwägungsgründe 62 ff. MiFID II.

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7. Teil. Organisationsregeln

infrastruktur in die allgemeinen Organisationspflichten für Intermediäre – insbesondere im Hinblick auf prudenziell-institutsbezogene Risikomanagementpflichten (unten Rn 32) – bzw. die Annäherung daran für Börsenträger nach Maßgabe des Börsengesetzes (vgl. näher § 5 Abs. 4 Nr. 2 BörsG und dazu unten Rn 147) ungeachtet der durch die unterschiedlichen Geschäftsmodelle bedingten Besonderheiten im Ausgangspunkt verständlich. 18 Wenig beleuchtet sind bei alledem mittelbare Ansteckungsrisiken, die sich aus der organisatorischen, betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Verzahnung von Handels- und Nachhandelsinfrastruktur ergeben könnten. Derartige Risiken werden für die tradierten Börsen (im materiellen Sinn) nicht etwa durch die für den deutschen Markt charakteristische, dualistische Börsenstruktur vermieden, die der Börsenanstalt die Aufgabe der „Regelung und Überwachung“ (vgl. § 2 Abs. 1 BörsG), dem Börsenträger dagegen „Errichtung und Betrieb“ der Börse zuweist (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 BörsG, dazu noch unten Rn 140). Darin ist nicht nur die Möglichkeit von Kollisionen zwischen den Interessen der Börse als solcher und den wirtschaftlichen Interessen des Trägers angelegt,75 sondern eben auch das Risiko, dass wirtschaftliche Probleme des Trägers auf den Betrieb der Börse durchschlagen. In der Übertragung der Betriebspflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BörsG auf den privatrechtlich verfassten Träger, die diesen zugleich zur angemessenen Ausstattung und Entwicklung der Börse verpflichtet (Rn 146), liegt nicht nur, wie oft und gerade von Befürwortern der dualistischen Börsenstruktur betont,76 die Chance, dass sich der Träger unter erleichterten Bedingungen, nämlich seinerseits am Kapitalmarkt, mit den für den Börsenbetrieb erforderlichen Finanzmitteln versorgen kann. Vielmehr ist darin auch eine Abhängigkeit des Börsenbetriebs von der Solidität und Leistungsfähigkeit des Börsenträgers angelegt,77 die den Börsenbetrieb für Risiken aus sonst von diesem betriebenen Geschäftsaktivitäten anfällig macht. Derartige Risiken werden weder über die börsen- noch über die kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten adressiert; die überkommene dualistische Börsenverfassung trägt eher dazu bei, sie im Vertrauen auf die nur scheinbare Krisenresilienz der öffentlich-rechtlichen Organisationsverfassung zu verschleiern.

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b) Nachhandelsinfrastruktur. Auch die Nachhandelsinfrastruktur erfüllt eine zentrale, dienende Funktion in der Kapitalmarktarchitektur. Während die Handelsinfrastruktur den Markt „veranstaltet“ und damit die Basis für die am Markt getätigten Vertragsabschlüsse legt, bildet die Nachhandelsinfrastruktur den institutionell-organisatorischen Rahmen für deren Erfüllung. Den darauf bezogenen regulatorischen Anforderungen geht es um die Sicherstellung dieser Funktion – und damit mittelbar wiederum um die Absicherung der allokativen, operationalen und institutionellen Effizienz des Kapitalmarkts insgesamt. An einer systematischen Aufarbeitung dieser Zielvorgaben und ihrer Operationalisierung durch konkrete Organisations- und sonstige Verhaltenspflichten für die Betreiber der Nachhan-

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Vgl. dazu Hammen AG 2001, 549 (554 ff.); dies völlig ignorierend Schwark/Zimmer/ Beck KapMR § 5 BörsG Rn 10. Allgemein zu Interessenkonflikten bei integrierten Betreibern von Handels- und Nachhandelsinfrastruktur Ferrarini/Saguato in Busch/Ferrarini, Regulation of EU Financial Markets, Rn 11.72 und 11.76 f.; Russo/Hart/Malaguti/Papathanassiou ECB Occasional Paper 21/2004, S. 17 ff. Vgl. nur Hammen AG 2001, 549 (554, 556); Kümpel BKR 2003, 3 (4).

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So ausdrücklich gerade auch Kümpel BKR 2003, 3 (6) („Börsenveranstalter … wirtschaftlich völlig abhängig von seinem Träger“); zu den – umstrittenen – Einzelheiten der aus der Betriebspflicht (§ 5 BörsG, dazu unten Rn 140 ff.) folgenden Leistungsanforderungen an den Börsenträger stellvertretend Gurlit/Mülbert Der Börsenträger im Spannungsfeld von Gemeinwohlauftrag und Privatinteresse, S. 26 f. mit Rn 99.

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1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung

delsinfrastruktur fehlt es bislang jedenfalls in der deutschsprachigen Literatur allerdings noch deutlicher als zu den einschlägigen Anforderungen an die Betreiber der Handelsinfrastruktur.78 Für das Europäische Kapitalmarktrecht dürfte dies auch darauf zurückzuführen sein, dass die einzelnen Teilgebiete der Nachhandelsinfrastruktur lange Zeit nur schrittweise und wenig systematisch erfasst worden sind (siehe noch unten Rn 23). Hier bilden bislang Maßnahmen zur grenzüberschreitenden Integration der traditionell stark fragmentierten Nachhandelsinfrastruktur, insbesondere im Hinblick auf die Arrangements für die Abrechnung und Erfüllung von Wertpapiergeschäften (Clearing und Settlement) sowie Maßnahmen zur Erhöhung der Effizienz der dafür zur Verfügung stehenden Arrangements und zur Verbesserung des Zugangs zu den verschiedenen Anbietern in Europa einen Schwerpunkt der regulatorischen Bemühungen, die durch verschiedene Studien von Expertenkommissionen im Auftrag der Kommission vorbereitet wurden.79 Die Maßnahmen stehen damit zugleich im Zusammenhang mit dem allgemeinen Ziel der Herstellung eines funktionsfähigen, effizienten Binnenmarkts für Kapitalmarktgeschäfte.80 Bis in die jüngste Zeit hinein ist die Umsetzung dieser Ziele der Selbstregulierung der Branche überlassen worden, die mit Billigung und Unterstützung der Kommission in einem „Code of Conduct“ von 2006 u.a. Grundsätze zur Verbesserung der Preistransparenz, zur Verbesserung des Zugangs zu Clearing- und Settlement-Dienstleistungen sowie zur Trennung von Abrechnungs- und Verwahrungsdienstleistungen festlegte und damit auch organisationsrechtliche Aspekte regelte.81 Auch die CSDR (Verordnung [EU] Nr. 909/2014),82 die mit der Harmonisierung der Zulassungspflicht und der materiellen, auch organisationsrechtliche Aspekte einschließenden Voraussetzungen dafür den unionsweiten Rechtsrah-

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Vgl. aber die Einführung zu den einschlägigen Bestimmungen nach MiFID II, MiFIR sowie EMIR bei Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 501 ff.; bereits zuvor auch Wymeersch in Ferrarini/Wymeersch, Investor Protection in Europe, S. 465 (469 ff.). Vgl. zunächst Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, 2001; dies., Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, 2003; siehe auch bereits Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte (sog. Lamfalussy-Bericht), 2001, S. 22 ff.; in jüngerer Zeit Expert Group on Market Infrastructures (EGMI), Report, 2011, passim; zusf. Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 503 ff. Siehe auch Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Die wichtigsten politischen Fragen und künftigen Herausforderungen, KOM(2002) 257 endg.; Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Künftige Maß-

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nahmen, KOM(2004) 312 endg.; Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion, COM(2015) 468 final, S. 26 f. Vgl. zu diesem Kontext besonders IglesiasRodríguez EBOR 13 (2012), 441 ff. Federation of European Securities Exchanges/ European Association of Central Counterparty Clearing Houses/European Securities Depositaries Association, European Code of Conduct for Clearing and Settlement, 07.11.2006; siehe dazu Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 504; Expert Group on Market Infrastructures (EGMI), Report, 2011, S. 13; Iglesias-Rodríguez EBOR 13 (2012), 441 (449, 452 ff.). Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.07.2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012, ABl.EU 2014 L 257/1.

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7. Teil. Organisationsregeln

men für die Ausführung von Wertpapiergeschäften durch Zentralverwahrer bildet (unten Rn 23 sowie Rn 198 f.) und damit an die Stelle der bisherigen Selbstregulierung durch den „Code of Conduct“ tritt, ist dem Ziel der Verbesserung der Markteffizient im vorstehend skizzierten Sinne verpflichtet.83 Das Gleiche gilt für die Regulierung der Tätigkeit Zentraler Gegenparteien durch die EMIR (Verordnung [EU] Nr. 648/2012),84 die u.a. harmonisierte Anforderungen an Zulassung und Betrieb festlegt (unten Rn 23 sowie Rn 187 ff.).85 20 Zumal für die EMIR, aber auch für die CSDR stehen allerdings weniger Aspekte der transaktionsbezogenen Effizienzsteigerung und Marktintegration als vielmehr der Regulierungszweck der Absicherung der Systemstabilität im Vordergrund.86 Beide Rechtsakte reflektieren damit ein zunehmendes Bewusstsein für die systemische Bedeutung der Kapitalmarktinfrastruktur allgemein und besonders der Nachhandelsinfrastruktur, das sich auch in einschlägigen Arbeiten auf der Ebene der internationalen Standardsetzung niedergeschlagen hat und die europäische Rechtsetzung zur Finanzinfrastruktur seit der Krise in deutlichem Maße prägt.87 Die Regulierung der Nachhandelsinfrastruktur fügt sich insoweit in die Neuorientierung des Zielkoordinatensystems der europäischen Kapitalmarktrechtsetzung nach der globalen Finanzkrise (Grundmann 5. Teil Rn 37 f.) ein, doch hat hier die Erweiterung des tradierten Dualismus von Anleger- und Funktionsschutz nicht erst nach der Krise begonnen. Ein wichtiger Schritt zur Absicherung der Infrastrukturfunktionen war bereits die Absicherung der vertraglichen Arrangements der Abrechnungs- und Lieferfunktionen durch die Finalitätsrichtlinie von 1998, die explizit auf die Reduktion von Systemrisiken infolge gestörter Abwicklungsvorgänge bei Insolvenz von Systemteilnehmern abzielte.88 Während sich dieser Rechtsakt auf den Schutz der systemrelevanten Transaktionen als solchen beschränkte, gehen EMIR und CSDR auf der Ebene des Europäischen Kapitalmarktrechts neue Wege, indem damit nunmehr harmonisierte spezifisch institutionsbezogene prudenzielle Anforderungen an Gründung und Geschäftsbetrieb der jeweiligen Anbieter von Nachhandelsinfrastrukturen eingeführt werden. Im autonomen deutschen Recht bedeutete dies allerdings insofern keinen Paradigmenwechsel, als hier sowohl die Tätigkeiten von Zentralverwahrern (als erlaubnispflichtiges Depotgeschäft, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG) als auch die Tätigkeit als Zentrale Gegenpartei (vgl. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 KWG) bereits vor der Umsetzung der neuen unionsrechtlichen Vorgaben als erlaubnispflichtige Bankgeschäfte qualifiziert wurden und damit zugelassenen und beauf-

83 84

85 86

87

Vgl. insbes. Erwägungsgründe 8, 11 und 15 CSDR. Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, ABl.EU 2014 L 201/1. Vgl. insbes. Erwägungsgründe 9 und 34 EMIR. Vgl. insbes. Erwägungsgründe 1, 3, 4, 7, 10, 13, 21 und 23 EMIR; Erwägungsgründe 1, 3–5 und 7 CSDR. Siehe insbes. Committee on Payment and Settlement Systems/Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Principles for financial markets infrastructures, 2012; zuvor bereits dies., Recommendations for securities settle-

454

88

ment systems, 2001; dies., Recommendations for central counterparties, 2004; zur europäischen Adaption insbesondere Ferrarini/Saguato in Moloney/Ferran/Payne (Hrsg.), Oxford Handbook of Financial Regulation, S. 568 (571 f.); siehe auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 504 f. Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen, ABl.EU 1998 L 166/45; siehe dazu näher Binder Bankeninsolvenzen, S. 352 ff. (Finalitätsrichtlinie) und S. 370 ff. (Rechtslage in Deutschland nach Umsetzung); Ruzik Finanzmarktintegration, S. 150 ff.

Jens-Hinrich Binder

1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung

sichtigten Kreditinstituten vorbehalten blieben.89 Die mit EMIR und CSDR verbundene Ausdehnung und Intensivierung der regulatorischen Anforderungen an Gründung und Betrieb von Anbietern der Nachhandelsinfrastruktur nach der Finanzkrise schlagen sich gerade auch in neuen Organisationspflichten niederschlagen (siehe noch unten Rn 190 ff. und Rn 189 f.). Das Europäische Recht rezipiert damit internationale Standards (unten Rn 191 und Rn 198), reflektiert aber bei alledem allerdings auch einen Zielkonflikt mit der Regulierung von OTC-Derivaten, der ebenfalls in der internationalen Standardsetzung angelegt ist, sich auch in anderen Rechtsordnungen manifestiert und in Europa bislang noch weitgehend unbewältigt ist: Indem durch eine Clearingpflicht für standardisierte OTC-Derivatkontrakte versucht werden soll, möglichst weite Teile des bislang intransparenten OTC-Derivatemarkts im Interesse der Transparenzsteigerung und Verringerung von Ausfallrisiken für die Geschäftspartner zur Abwicklung über Zentrale Gegenparteien zu verpflichten (vgl. Artt. 4 ff. EMIR; dazu bereits Grundmann 5. Teil Rn 76), erhöht sich zwangsläufig die wirtschaftliche und systemische Bedeutung Zentraler Gegenparteien. Diese haben nicht nur ungleich größere Transaktionsvolumina zu bewältigen, sondern übernehmen zugleich Ausfallrisiken aus Geschäften, die sich im Vergleich mit tradierten Effektengeschäften durch eine deutlich höhere Volatilität und damit durch ein ungleich größeres Risiko auszeichnen. Nicht nur in der europäischen,90 sondern auch und gerade in der US-amerikanischen Literatur, die sich mit den Konsequenzen der Clearingpflicht für OTC-Derivate nach dem Dodd-Frank Act befasst,91 werden die damit verbundenen, dramatisch gestiegenen Risiken eines möglichen Ausfalls Zentraler Gegenparteien für die Systemstabilität deutlich betont. Auch auf der Ebene der internationalen Standardsetzung haben in jüngster Zeit die mit alledem induzierten Vernetzungsrisiken besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen.92 Vor diesem Hintergrund dient der Ausbau der einschlägigen institutionellen Anforderungen letztlich auch der Eindämmung unbeabsichtigter Regulierungsfolgen. Dazu komplementäre Bemühungen um die Entwicklung von Rechtsgrundsätzen und Verfahren zur Bewältigung von Insolvenzen der Betreiber systemrelevanter Marktinfrastrukturen allgemein und insbesondere der Betreiber von Nachhandelsinfrastrukturen sind auf der Ebene der internationalen Standardsetzung bereits weit gediehen;93 im Europäischen Recht befindet sich ein darauf gerichteter Verordnungsvorschlag im Verfahren.94

89

90

91

Vgl. zum jeweiligen Hintergrund stellvertretend Binder/Glos/Riepe/Binder § 3 Rn 44 (Depotgeschäft) und 47 (Zentrale Gegenpartei), jeweils m.w.N. Vgl. etwa Braithwaite EBOR 17 (2016), 355 ff.; dies./Murphy, JCLS 17 (2017), 291 ff.; Ferrarini/Saguato JCLS 13 (2013), 319 (334 ff.); McVea JCL 17 (2017), 111 ff.; Morgan EBOR 13 (2012), 391 ff.; Max Weber EBOR 17 (2016), 71 (82 ff.); siehe für die Eurex Clearing AG in Deutschland auch Jaskulla BKR 2012, 441 ff. Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act of 2010, Pub. L. No. 111–203, 124 Stat. 1376 (2010), Title VII; siehe dazu im hiesigen Zusammenhang etwa Baker Va. L. & Bus. Rev. 10 (2016), 343 ff.; Chang Colum. Bus. L. Rev. (2014), 747 ff.;

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Peirce Clev. St. L. Rev. 64 (2016), 589 ff.; Roe Cal. L. Rev. 101 (2013), 1641; Yadav Geo. L.J. 101 (2013), 387 ff. Siehe insbes. Basel Committee on Banking Supervision u.a., Analysis of Central Clearing Interdependencies, Juli 2017, passim. Siehe insbes. Committee on Payments and Market Infrastructures/Board of the International Organization of Securities Commissions, Recovery of financial market infrastructures, 2014; Financial Stability Board, Essential Aspects of CCP Resolution Planning – Discussion Note, 2016; dass., Guidance on Central Counterparty Resolution and Resolution Planning – Consultative Document, 2017. EU-Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des

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7. Teil. Organisationsregeln

B. System der Rechtsquellen I. Kapitalmarktintermediäre 21

Die Systematik der Rechtsgrundlagen für die organisationsrechtlichen Anforderungen an Kapitalmarktintermediäre ist in der bereits oben Rn 3 erläuterten Doppelerfassung derselben als Kreditinstitute (§ 1 Abs. 1 KWG) oder Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 Abs. 1a KWG) einerseits und als Wertpapierdienstleistungsunternehmen in § 2 Abs. 10 WpHG andererseits angelegt. Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute – unter dem Oberbegriff des „Instituts“ im bankaufsichtsrechtlichen Sinn (vgl. § 1 Abs. 1b KWG) – sind damit (neben den sonstigen Vorgaben des materiellen Bankaufsichtsrechts, insbesondere neben der Eigenmittelregulierung, siehe dazu 1. Teil Rn 36 ff., 77) zunächst den allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten nach §§ 25a-25d KWG unterworfen. Diese umfassen zunächst die in § 25a KWG geregelten allgemeinen Vorgaben für die „ordnungsgemäße“ Geschäftsorganisation, darunter Anforderungen an das Risikomanagement, die technische Infrastruktur sowie die Ausgestaltung der Vergütungssysteme, sodann die Vorschriften für das Outsourcing von Funktionen nach § 25b KWG, die Regelungen zur Geschäftsleiterverantwortung nach § 25c KWG sowie die Anforderungen an die Mitglieder des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsorgans nach § 25d KWG. Daneben galten bereits vor der Umsetzung der MiFID II spezifisch kapitalmarktrechtliche organisatorische Vorgaben (vgl. §§ 31e, 33, 33a, 34, 34a, 34b, 34d sowie ergänzend §§ 36a und 36b WpHG a.F.), die nunmehr in den §§ 80 ff. WpHG n.F. (in Umsetzung der unionsrechtlichen Anforderungen der Artt. 16, 17, 25, 26 und 26 MiFID II) umfassend neu gestaltet worden sind (unten Rn 127 ff.). Diese konkretisieren und ergänzen die Vorgaben des Bankaufsichtsrechts und werden ihrerseits weiter ausgestaltet durch die einschlägigen unionsrechtlichen Regelungen der MiFID II-DurchführungsVO (Delegierte Verordnung [EU] 2017/565),95 die neben den in Kapitel II geregelten organisationsrechtlichen Anforderungen an Kapitalmarktintermediäre auch Einzelaspekte der transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten der Richtlinie sowie die Anforderungen an Betreiber von Handelsinfrastrukturen regelt. Auch darin äußert sich der enge systematische Zusammenhang zwischen den kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten einerseits und den transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten andererseits, der auch bereits in der Zusammenführung beider Pflichtkomplexe in Abschnitt 11 des WpHG dokumentiert wird. Das Rangverhältnis zwischen den genannten Regelungskomplexen – Bankaufsichtsrecht (KWG), deutsches Kapitalmarktrecht (WpHG) sowie Europäisches Kapitalmarktrecht (DVO MiFID II) – wird in den der Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben dienenden §§ 80 ff. WpHG n.F. teilweise durch Verweisungsnormen abgebildet. Diese stellen klar, dass Intermediäre zum einen den genannten bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen unterworfen sind (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 und § 81 Abs. 1 Satz 1 WpHG n.F.). Zum anderen verweisen sie hinsichtlich einzelner Pflichteninhalte auf die unmittelbar anwendbaren Vorschriften der MiFID II-DurchführungsVO (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 3, Abs. 6 Satz 4, Abs. 13

95

Rates über einen Rahmen für die Sanierung und Abwicklung zentraler Gegenparteien und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1095/2010, (EU) Nr. 648/2012 und (EU) 2015/2365, 28.11.2016, COM (2016) 856 final. Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission zur Ergänzung der Richtlinie

456

2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definitionen bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl.EU 2017 L 87/1.

Jens-Hinrich Binder

1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung

Satz 2, § 82 Abs. 13, § 83 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3, Abs. 6 Satz 3 WpHG n.F.). Von den ergänzenden Ermächtigungsgrundlagen zugunsten des Bundesfinanzministeriums bzw. der BaFin zum Erlass von Rechtsverordnungen zur weiteren Konkretisierung (§ 80 Abs. 14, § 84 Abs. 10, § 87 Abs. 9 WpHG) ist bislang (im Herbst 2017) noch nicht Gebrauch gemacht worden. Der Schwerpunkt der Kommentierung liegt – entsprechend dem Gesamtkonzept (Rn 1) – auf den kapitalmarktrechtlichen Anforderungen, die den Rahmen für die Erbringung der Intermediationsleistungen bilden. Nicht im Detail kommentiert werden dagegen die institutionsbezogenen prudenziellen Organisationspflichten nach §§ 25a ff. KWG (zu diesen im Überblick bereits 1. Teil Rn 77 sowie Rn 84 f.).

II. Kapitalmarktinfrastruktur 1. Handelsinfrastruktur. Anforderungen an die Corporate Governance und Organisa- 22 tionspflichten für die Betreiber der Handelsinfrastruktur finden sich einerseits in den §§ 4a-7, 12–19a, 21–22a, 26c-29 und 48b BörsG, andererseits in den §§ 72–78 WpHG. Das System der Rechtsquellen ist damit nach wie vor Ausdruck der überkommenen Dichotomie von börsen- und kapitalmarktrechtlicher Erfassung (oben Rn 4). Auch für die Organisationspflichten der Börsen und Börsenträger tritt dabei zwar der Charakter des Börsengesetzes als „Rumpfgesetz“96 besonders deutlich hervor, aus dem wesentliche transaktionsbezogene Regelungen herausgeschnitten und in das WpHG verlagert wurden (Grundmann 5. Teil Rn 100 ff.) und das sich heute auf die Regelung der Börsenverfassung und des Zugangs zur Börse beschränkt. Allerdings hat die Umsetzung der handelsinfrastrukturbezogenen Organisationspflichten der MiFID II zu einer deutlichen Erweiterung der einschlägigen Vorgaben des Börsengesetzes geführt. Insbesondere im Hinblick auf die neuen prudenziell-institutsbezogenen Anforderungen an den Börsenträger (§§ 4a, 4b, 5 Abs. 4a BörsG) ist die Konvergenz mit den korrespondierenden Rechtspflichten für Intermediäre besonders deutlich, die für die Regulierung der Marktinfrastruktur insgesamt kennzeichnend ist. Die Betreiber alternativer Marktplätze (multilaterale Handelssysteme und organisierte Handelsplattformen) sind ohnehin schon deshalb (auch) im Hinblick auf die kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten den Kapitalmarktintermediären gleichgestellt, weil ihre Tätigkeiten als Wertpapierdienstleistungen und damit als kategorial den Intermediationsleistungen gleichrangig erfasst werden (vgl. § 2 Abs. 8 Nr. 8 bzw. Nr. 9 WpHG). Die bankaufsichtsrechtliche Einordnung des Betriebs multilateraler Handelssysteme als Finanzdienstleistung in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1d KWG führt zugleich zur Anwendbarkeit der allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten nach §§ 25a ff. KWG, so dass für die Betreiber der Plattformen auch insoweit nichts anderes gilt als für Kapitalmarktintermediäre. Hinzu treten allerdings spezifisch auf den Betrieb der Plattformen ausgerichtete kapitalmarktrechtliche Organisationspflichten in den §§ 72–75 WpHG, die teilweise auf Bestimmungen des Börsengesetzes, teilweise auf Level-2-Rechtsakte des Europäischen Kapitalmarktrechts verweisen. Nicht nur diese Verweisungsregeln belegen dabei die inhaltliche Konvergenz zwischen den Anforderungen an den Betrieb von Börsen („geregelten Märkten“ in der Terminologie des Europäischen Kapitalmarktrechts) und MTF, die im Wesentlichen vergleichbaren qualitativen Anforderungen unterworfen werden.

96

Pointiert Baum/Hopt FS Rudolph, 2009, S. 537 (547).

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7. Teil. Organisationsregeln

23

2. Nachhandelsinfrastruktur. Die Rechtsgrundlagen für die Organisationspflichten der Betreiber der Nachhandelsinfrastruktur lassen sich historisch bedingt nur begrenzt als Ausprägung eines kohärenten und konsistenten Systems interpretieren. Die Betreiber Zentraler Gegenparteien sind aufgrund der Einordnung ihrer Tätigkeit als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12, Abs. 31 KWG an sich zunächst den allgemeinen Vorgaben des materiellen Bankaufsichtsrechts und damit auch den bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten der §§ 25a ff. KWG unterworfen. Zugleich sind sie Adressaten der Zulassungspflicht und der materiellen Zulassungsvoraussetzungen nach Titel III sowie der organisationsrechtlichen Vorgaben für den laufenden Geschäftsbetrieb nach Titel IV der EMIR. Soweit sich allerdings – wie im Regelfall – die bankaufsichtsrechtliche Erlaubnis ausschließlich auf die Tätigkeit als Zentrale Gegenpartei beschränkt, treten die allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten (ebenso wie weitere Vorgaben des materiellen Bankaufsichtsrechts) gem. der Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 9a KWG hinter die spezielleren Anforderungen der EMIR zurück. Werden dagegen auch weitere erlaubnispflichtige Bankgeschäfte und/oder Finanzdienstleistungen betrieben, muss der Betreiber die organisationsrechtlichen Anforderungen aus beiden Regelungskomplexen erfüllen (vgl. § 2 Abs. 9a KWG). Zu sachlichen Überschneidungen kommt es insoweit im Hinblick auf die institutsbezogen-prudenziellen Anforderungen, die in der vorliegenden Kommentierung nicht im Detail erläutert werden (siehe noch unten Rn 185 f.), nicht dagegen für die transaktionsbezogenen Organisationspflichten der EMIR, die ohne Entsprechung im Bankaufsichtsrecht sind (siehe unten Rn 187 ff.). Für Zentralverwahrer ergibt sich ein ähnliches Bild. Ihre Tätigkeit ist erlaubnispflichtiges Bankgeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 i.V.m. Abs. 6 KWG, was wiederum grundsätzlich die Anwendbarkeit der allgemeinen Anforderungen des materiellen Bankaufsichtsrechts nach sich zieht. Zugleich sind sie Adressaten der Regelungen über Zulassungspflicht und Zulassungsvoraussetzungen in Titel III, Abschnitt 1 sowie der Anforderungen nach Titel III, Abschnitt 3–5 und der Zugangsregelungen in Titel IV der CSDR. Auch hier treten allerdings die allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten zurück (vgl. im Einzelnen § 2 Abs. 9e und 9f KWG, siehe unten Rn 190).

C. Räumlicher und sachlicher Anwendungsbereich – Verweis 24

Soweit es um Organisationspflichten geht, die – in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben aus CRD IV bzw. MiFID II – im allgemeinen Bankaufsichtsrecht geregelt sind (insbes. §§ 25a, 25e KWG, siehe noch unten Rn 32 und Rn 34), gelten die durch die CRD IV vorgeprägten allgemeinen Grundsätze über die materielle Bankenaufsicht nach dem Herkunftslandprinzip. Die materiellen Anforderungen des deutschen Aufsichtsrechts richten sich damit an in Deutschland zugelassene (vgl. § 32 KWG) und beaufsichtigte Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute, d.h. insbesondere solche, die ihren Satzungssitz im Inland haben. Dies ergibt sich aus dem Zusammenspiel von § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG, der die Erlaubnispflicht für im Inland erbrachte Bankgeschäfte bzw. Finanzdienstleistungen vorschreibt und konzeptionell von im Inland ansässigen juristischen Personen des öffentlichen oder Privatrechts bzw. Einzelkaufleuten ausgeht,97 mit den besonderen Vorgaben für EU-/EWR-ausländische (§§ 24a, 53b KWG) sowie Drittstaatensachverhalte (§§ 53,

97

Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Fischer/ Müller KWG § 32 Rn 37 ff.

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1. Abschnitt. Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer und Marktinfrastruktur – Einführung

53c KWG), die insgesamt den Anwendungsbereich auch des materiellen Aufsichtsrechts konturieren.98 Für Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten, die im Inland Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen, ergeben sich dabei nach Maßgabe des § 53 KWG bestimmte hier nicht zu vertiefende Besonderheiten.99 Der internationale Anwendungsbereich für die intermediärbezogenen Organisations- 25 pflichten des WpHG richtet sich im Grundsatz ebenfalls nach diesen Grundsätzen. Dies ergibt sich im deutschen Recht aus dem Umstand, dass die Legaldefinition des Begriffs des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, der den Adressaten der einschlägigen Regelungen beschreibt, an die bankaufsichtsrechtliche Qualifikation als Institut bzw. Finanzdienstleistungsinstitut anknüpft (§ 2 Abs. 10 WpHG, siehe oben Rn 3). Auch insoweit sind Unternehmen i.S.d. § 53 KWG erfasst. Besonderheiten für den internationalen Anwendungsbereich (auch) bestimmter Organisationspflichten ergeben sich zum einen aus § 90 WpHG (im Kern entsprechend § 36a WpHG a.F.), der aus Rücksicht auf die aufsichtliche Überwachung im jeweiligen Herkunftsland Zweigniederlassungen von Unternehmen, organisierten Märkte und multilateralen Handelssysteme mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat von einzelnen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten sowie den Artt. 14 bis 26 MiFIR ausnimmt und der BaFin eingeschränkte Aufsichtskompetenzen insoweit zuweist. Die Vorschriften beruhen auf dem insgesamt für das Europäische Finanzdienstleistungsaufsichtsrecht prägenden Grundsatz der Herkunftslandkontrolle.100 Zum anderen ergeben sie sich aus § 91 WpHG sowie den Artt. 46 bis 49 MiFIR, die Sonderregeln für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen durch Unternehmen mit Sitz in einem NichtEU/EWR-Drittstaat auf der Grundlage einer Gleichwertigkeitsprüfung im Hinblick auf die Qualität und Effektivität der Herkunftslandkontrolle in Drittstaatenunternehmen enthalten. Für die Intermediärpflichten nach der EU-Benchmark-VO ist auf die Ausführungen zum Geltungsbereich bei Grundmann 6. Teil Rn 804 zu verweisen. Für den Anwendungsbereich der Regelungen zur Handelsinfrastruktur ist zu differen- 26 zieren: Die Organisationspflichten des Börsengesetzes richten sich unstreitig seit jeher ausschließlich an deutsche Börsen.101 Auf die Anforderungen an Handelsplatzbetreiber nach §§ 72 ff. WpHG lassen sich dagegen die Ausführungen zum räumlichen Anwendungsbereich der intermediärbezogenen Organisationspflichten (Rn 25) im Wesentlichen übertragen. Zu beachten sind allerdings die Sonderregelungen zur Erlaubnispflicht von Märkten für Finanzinstrumenten mit Sitz in Drittstaaten, die Handelsteilnehmern mit Sitz im Inland einen unmittelbaren Marktzugang gewähren (§§ 102 bis 105 WpHG, vgl. bislang §§ 37i bis 37l WpHG a.F., zu den unionsrechtlichen Anforderungen Kap. IV MiFID II). Unionsweit einheitlich geregelt und unmittelbar auf alle zentralen Gegenparteien und Zentralverwahrer mit Sitz in einem Mitgliedstaat anwendbar sind schließlich die Organisationspflichten der EMIR (siehe auch Grundmann 6. Teil Rn 672 f.) sowie der CSDR, die überdies beide Regelungen zur Anerkennung von Drittstaatenunternehmen auf der Basis von Gleichwertigkeitsprüfungen enthalten (vgl. Art. 25 EMIR zu Drittstaaten-CCP und Artt. 75 bis 77 zu Drittstaaten-Transaktionsregistern sowie Art. 25 CSDR zu DrittstaatenZentralverwahrern).

98 99

Zu Einzelheiten: Binder/Glos/Riepe/Binder § 3 Rn 84 ff. Dazu Binder/Glos/Riepe/Binder § 3 Rn 105.

100

101

Dazu eingehend Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 355 ff.; knapper Veil/Veil EuKapMR § 11 Rn 29 ff. Statt vieler Christoph Börsenkooperationen, S. 277 m.w.N.

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7. Teil. Organisationsregeln

2. Abschnitt: Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen A. Kapitalmarktrechtliche Organisationspflichten der Intermediäre (§§ 80 ff. WpHG, Artt. 21 bis 32 und 64 bis 66 DVO MiFID II) I. §§ 80, 81 WpHG, Artt. 21 bis 32 DVO MiFID II – Organisationspflichten für Intermediäre Schrifttum: siehe zunächst Allgemeines Schrifttum vor dem 1. Abschnitt a) Monographien, Sammelbände, Kommentare: Balzer Vermögensverwaltung durch Kreditinstitute, 1999; Benicke Wertpapiervermögensverwaltung, 2006; Bergmann Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, 2010; Binder Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien im Kapitalgesellschaftsrecht, 2012; Brandt Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute bei der Kapitalanlage, 2002; Faßbender Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998; Fischbach Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, 2000; Hammen Börsen und multilaterale Handelssysteme im Wettbewerb, 2011; Hauschka/ Moosmayer/Lösler (Hrsg.), Corporate Compliance, 3. Aufl. 2016; Hollander/Salzedo Conflicts of Interests and Chinese Walls, 2000; Krimphove/Kruse (Hrsg.), MaComp – Kommentar, 2013; Kumpan Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014; Lösler Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, 2003; Scharpf Corporate Governance, Compliance and Chinese Walls, 2000; McVea Financial Conglomerates and the Chinese Wall – Regulating Conflicts of Interest, 1993; Preuße/Zingel (Hrsg.), WpDVerOV – Kommentar, 2015; Renz/Hense (Hrsg.), Wertpapier-Compliance in der Praxis, 2010; Wundenberg Compliance und die prinzipiengeleitete Aufsicht über Bankengruppen, 2012 b) Aufsätze und Beiträge: Balzer Anlegerschutz bei Verstößen gegen die Verhaltenspflichten nach §§ 31 ff. Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), ZBB 1997, 260; ders. Haftung von Direktbanken bei Nichterreichbarkeit, ZBB 2000, 258; ders. Rechtsfragen des Effektengeschäfts der Direktbanken, WM 2001, 1533; Bergles Prüfung der Mitarbeitergeschäfte – Umsetzung in der Bankenpraxis, ZBB 2000, 140; Binder „Prozeduralisierung“ und Corporate Governance, ZGR 2007, 745; ders. Vorstandshandeln zwischen öffentlichem und Verbandsinteresse, ZGR 2013, 760; Birnbaum/Kütemeier In der Diskussion – die MaComp, WM 2011, 293; Brenncke Der Zielmarkt eines Finanzinstruments nach der MiFID II, WM 2015, 1173; Bröker/Machunsky Die Produkt- und Vertriebskontrollen nach dem Kleinanlegerschutzgesetz, BKR 2016, 229; Buck-Heeb Informationsorganisation im Kapitalmarktrecht: Compliance zwischen Informationsmanagement und Wissensorganisationspflicht, CCZ 2009, 18; dies. Insiderwissen, Interessenkonflikte und Chinese Walls bei Banken, in FS Hopt, 2010, S. 1647; Buschmann EU-Grünbuch zur Corporate Governance – Alter Wein in neuen Schläuchen?, NZG 2011, 87; Campbell Modernisierung des Outsourcing-Regimes, ZBB 2008, 148; Casper Rechtliche Grundlagen und aktuelle Entwicklungen der Compliance am Beispiel des Kapitalmarktrechts, in: Bankrechtstag 2008, 2009, S. 139; ders., Der Compliancebeauftragte in: FS K. Schmidt, 2009, S. 199; CESR, Impact of MiFID on equity secondary markets functioning, 10.6.2009 (CESR/09–355); ESMA, Leitlinien für Systeme und Kontrollen für Handelsplattformen, Wertpapierfirmen und zuständige Behörden in einem automatisierten Handelsumfeld vom 24.2.2012 (ESMA/2012/122/DE); ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Compliance-Funktion vom 5.6.2012 (ESMA/2012/388); ESMA, Final Report: Guidelines on MiFID II product governance requirements vom 2.6.2017 (ESMA35–43–620); ESMA/EBA/EIOPA/Joint Committee, Leitlinien zur Beschwerdeabwicklung für den Wertpapierhandel (ESMA) und das Bankwesen (EBA) vom 27.5.2014 (JC 2014 43); EU-Kommission, Grünbuch: Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik, 2.6.2010, KOM(2010) 284 endg.; Conac, Algorithmic Trading and High-Frequency Trading, in: Ferrarini/Busch (Hrsg.), Regulation of EU Financial Markets – MiFID II and MiFIR, 2017, S. 469; Coridaß/Dreyer Hochfrequenzhandel – was ist noch erlaubt?, in: Temporale (Hrsg.), Europäische Finanzmarktregulierung, 2015, S. 55; Engelhart Die neuen Compliance-Anforderungen der BaFin (MaComp), ZIP 2010, 1832; Gebauer/Fett Risikobereich und Haftung: Compliance im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen, in Krieger/Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017,

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen § 24; Gößmann Die Stellung von Compliance im Aufsichtsrecht und im Bankrecht unter besonderer Berücksichtigung der persönlichen Verantwortung des Vorstands, in: Bankrechtstag 2008, 2009, S. 180; Grigoleit Zivilrechtliche Grundlagen der Wissenszurechnung, ZHR 181 (2017), 160; Grundmann The Bankinter case on MiFID Regulation and Contract Law, ERCL 9 (2013), 267; ders./Hacker, Conflicts of Interest, in: Ferrarini/Busch (Hrsg.), Regulation of EU Financial Markets – MiFID II and MiFIR, 2017, S. 165; Hanten/Görke Outsourcing-Regelungen unter Geltung des § 25a Abs. 2 KWG in der Fassung des FRUG, BKR 2007, 489; Hartmann/Dost/Wessarges Herausforderungen bei der Einführung eines effektiven Zuwendungsmanagements nach § 31d WpHG, CCZ 2010, 88; Hell Die Prüfung der Compliance-Funktion im Sinne der MaComp i.d.F. 2012 gemäß § 36 Abs. 1 WpHG, Wpg 2013, 482; ders./Hahn Das Compliance-Kontroll-Konzept von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach den MaComp – Handlungsempfehlungen aus Sicht der Wirtschaftsprüfung, ZfgG 64 (2014), 131; Hense/Renz Die Wandlung der Compliance-Funktion in Wertpapierdienstleistungsunternehmen unter besonderer Berücksichtigung der neuen Berichtspflicht an das Senior-Management, CCZ 2008, 181; Herresthal Enthält die EGRL 39/2004 (MiFID) Vorgaben für das nationale Vertragsrecht im Zusammenhang mit der Kapitalanlageberatung?, ZIP 2013, 1420; Hopt Grundsatz- und Praxisprobleme nach dem Wertpapierhandelsgesetz, ZHR 159 (1995), 135; ders. Insiderwissen und Interessenkonflikte im europäischen und deutschen Bankrecht, FS Heinsius 1991, S. 289; ders. Prävention und Repression von Insiderkonflikten im Aktien-, Bank- und Börsenrecht, in FS Doralt, 2004, S. 213; IOSCO, Final Report on Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, 2007; Jaskulla Das deutsche Hochfrequenzhandelsgesetz – eine Herausforderung für Handelsteilnehmer, Börsen und Multilaterale Handelssysteme (MTF), BKR 2013, 221; Joint Forum (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, IOSCO und International Association of Insurance Supervisors), Outsourcing in Financial Services, 2005; Kaetzler/Weirauch, Bankenaufsichtsrechtliche Aspekte von Outsourcingverhältnissen, BKR 2008, 265; Kindermann/Coridaß Der rechtliche Rahmen des algorithmischen Handels inklusive des Hochfrequenzhandels, ZBB 2014, 178; Knop Das Haftungsdach aus dem Blickwinkel des Aufsichtsrechts, BKR 2011, 89; Kobbach Regulierung des algorithmischen Handels durch das neue Hochfrequenzhandelsgesetz: Praktische Auswirkungen und offene rechtliche Fragen, BKR 2013, 233; Kumpan/Hellgardt Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Umsetzung der EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), DB 2006, 1714; Kumpan/Leyens Conflicts of Interest of Financial Intermediaries: Towards a Global Common Core in Conflicts of Interest Regulation, ECFR 2008, 72; Lange Product Governance – Neue Anforderungen für die Konzeption und den Vertrieb von Finanzprodukten, DB 2014, 1723; Lösler Das moderne Verständnis von Compliance im Finanzmarktrecht, NZG 2005, 104; ders. Spannungen zwischen der Effizienz der internen Compliance und möglichen Reporting-Pflichten des Compliance Officers, WM 2007, 676; ders. Zur Rolle und Stellung des Compliance-Beauftragten, WM 2008, 1098; ders. Die Mindestanforderungen an Compliance und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG (MaComp), WM 2010, 1917; Möllers/Wenninger Das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, NJW 2011, 1697; Müchler/Trafkowski Honoraranlageberatung: Regulierungsvorhaben im deutschen und europäischen Recht, ZBB 2013, 101; Mülbert Corporate Governance of Banks, EBOR 10 (2009), 411; ders. Corporate Governance in der Krise, ZHR 174 (2010), 375; Mülbert/Citlau The Uncertain Role of Banks’ Corporate Governance in Systemic Risk Regulation, in: Birkmose/Neville/Sørensen (Hrsg.), The European Financial Market in Transition, 2012, S. 275; Mülbert/Wilhelm Risikomanagement und Compliance im Finanzmarktrecht – Entwicklung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen, ZHR 178 (2014), 502; Müller-Christmann Das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, DB 2011, 749; Niermann Die Compliance-Organisation im Zeitalter der MaComp – eine Analyse ausgewählter Fragen, ZBB 2010, 400; OECD, Corporate Governance and the Financial Crisis: Key Findings and Main Messages, 2009; dies., Corporate Governance and the Financial Crisis: Conclusions and Emerging Good Practices to Enhance Implementation of the Principles, 2010; Rößler/Yoo Die Einführung des § 34d WpHG durch das AnsFuG aus aufsichts- und arbeitsrechtlicher Sicht – Berufsverbot oder Papiertiger?, BKR 2011, 377; Schäfer Die MaComp und das Erfordernis der Unabhängigkeit, Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit von Compliance, BKR 2011, 45; ders. Die MaComp und die Aufgaben von Compliance, BKR 2011, 187; ders. Beschwerde, Beschwerdebearbeitung und Beschwerdeanzeigen, WM 2012, 1157; Schlicht Compliance nach Umsetzung der MiFID-Richtlinie [sic!] – Wesentliche Änderungen oder gesetzliche Verankerung schon gelebter Praxis?, BKR 2006, 469; Schultheiß Die Neuerungen im Hochfrequenzhandel, WM 2013, 596 ff.; Schwennicke Die Do-

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7. Teil. Organisationsregeln kumentation der Erfüllung von Verhaltenspflichten nach § 31 Abs. 2 WpHG durch die Bank, WM 1998, 1101; Spindler Compliance in der multinationalen Bankengruppe, WM 2008, 905; ders./Kasten Organisationsverpflichtungen nach der MiFID und ihre Umsetzung, AG 2006, 785; Stötzel High Frequency Trading – Einordnung in das Börsen- und Kapitalmarktrecht, RdF 2012, 156; Veil Compliance-Organisation in Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zeitalter der MiFID, WM 2008, 1093; Zingel Stellung und Aufgaben von Compliance nach MaComp, BKR 2010, 500

Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG)

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in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2708), zuletzt geändert durch Artikel 3a des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693) § 80 WpHG – Organisationspflichten; Verordnungsermächtigung [§ 33 WpHG a.F. – inhaltlich teilweise verändert] (1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss die organisatorischen Pflichten nach § 25a Absatz 1 und § 25e des Kreditwesengesetzes einhalten. Darüber hinaus muss es 1. angemessene Vorkehrungen treffen, um die Kontinuität und Regelmäßigkeit der Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen zu gewährleisten; 2. auf Dauer wirksame Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen treffen, um Interessenkonflikte bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen oder einer Kombination davon zwischen einerseits ihm selbst einschließlich seiner Geschäftsleitung, seiner Mitarbeiter, seiner vertraglich gebundenen Vermittler und der mit ihm direkt oder indirekt durch Kontrolle im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 37 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 verbundenen Personen und Unternehmen und andererseits seinen Kunden oder zwischen seinen Kunden untereinander zu erkennen und zu vermeiden oder zu regeln; dies umfasst auch solche Interessenkonflikte, die durch die Annahme von Zuwendungen Dritter sowie durch die eigene Vergütungsstruktur oder sonstige Anreizstrukturen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens verursacht werden 3. im Rahmen der Vorkehrungen nach Nummer 2 Grundsätze oder Ziele, die den Umsatz, das Volumen oder den Ertrag der im Rahmen der Anlageberatung empfohlenen Geschäfte unmittelbar oder mittelbar betreffen (Vertriebsvorgaben), derart ausgestalten, umsetzen und überwachen, dass Kundeninteressen nicht beeinträchtigt werden; 4. über solide Sicherheitsmechanismen verfügen, die die Sicherheit und Authentifizierung der Informationsübermittlungswege gewährleisten, das Risiko der Datenverfälschung und des unberechtigten Zugriffs minimieren und verhindern, dass Informationen bekannt werden, so dass die Vertraulichkeit der Daten jederzeit gewährleistet ist. Nähere Bestimmungen zur Organisation der Wertpapierdienstleistungsunternehmen enthalten die Artikel 21 bis 26 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 [DVO MiFID II]. (2) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss zusätzlich die in diesem Absatz genannten Bestimmungen einhalten, wenn es in der Weise Handel mit Finanzinstrumenten betreibt, dass ein Computeralgorithmus die einzelnen Auftragsparameter automatisch bestimmt, ohne dass es sich um ein System handelt, das nur zur Weiterleitung von Aufträgen zu einem oder mehreren Handelsplätzen, zur Bearbeitung von Aufträgen ohne die Bestimmung von Auftragsparametern, zur Bestätigung von Aufträgen oder zur Nachhandelsbearbeitung ausgeführter Aufträge verwendet wird (algorithmischer Handel). Auftragsparameter im Sinne des Satzes 1 sind insbesondere Entscheidungen, ob der Auftrag eingeleitet werden soll, über Zeitpunkt, Preis oder Quantität des Auftrags oder wie der Auftrag nach seiner Einreichung mit eingeschränkter oder überhaupt keiner menschlichen Beteiligung bearbeitet wird. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das algorithmischen Handel betreibt, muss über Systeme und Risikokontrollen verfügen, die sicherstellen, dass 1. seine Handelssysteme belastbar sind, über ausreichende Kapazitäten verfügen und angemessenen Handelsschwellen und Handelsobergrenzen unterliegen; 2. die Übermittlung von fehlerhaften Aufträgen oder eine Funktionsweise des Systems vermieden wird, durch die Störungen auf dem Markt verursacht oder ein Beitrag zu diesen geleistet werden könnten;

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen 3. seine Handelssysteme nicht für einen Zweck verwendet werden können, der gegen die europäischen und nationalen Vorschriften gegen Marktmissbrauch oder die Vorschriften des Handelsplatzes verstößt, mit dem es verbunden ist. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das algorithmischen Handel betreibt, muss ferner über wirksame Notfallvorkehrungen verfügen, um mit unvorgesehenen Störungen in seinen Handelssystemen umzugehen, und sicherstellen, dass seine Systeme vollständig geprüft sind und ordnungsgemäß überwacht werden. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zeigt der Bundesanstalt und den zuständigen Behörden des Handelsplatzes, dessen Mitglied oder Teilnehmer es ist, an, dass es algorithmischen Handel betreibt. (3) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das algorithmischen Handel im Sinne des Artikels 18 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 [DVO MiFID II] betreibt, hat ausreichende Aufzeichnungen zu den in Absatz 2 genannten Angelegenheiten für mindestens fünf Jahre aufzubewahren. Nutzt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine hochfrequente algorithmische Handelstechnik, müssen diese Aufzeichnungen insbesondere alle von ihm platzierten Aufträge einschließlich Auftragsstornierungen, ausgeführten Aufträgen und Kursnotierungen an Handelsplätzen umfassen und chronologisch geordnet aufbewahrt werden. Auf Verlangen der Bundesanstalt sind diese Aufzeichnungen herauszugeben. (4) Betreibt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen algorithmischen Handel im Sinne des Absatzes 2 unter Verfolgung einer Market-Making-Strategie, hat es unter Berücksichtigung der Liquidität, des Umfangs und der Art des konkreten Marktes und der konkreten Merkmale des gehandelten Instruments 1. dieses Market Making während eines festgelegten Teils der Handelszeiten des Handelsplatzes kontinuierlich betreiben, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, so dass der Handelsplatz regelmäßig und verlässlich mit Liquidität versorgt wird, 2. einen schriftlichen Vertrag mit dem Handelsplatz zu schließen, in dem zumindest die Verpflichtungen nach Nummer 1 festgelegt werden, sofern es nicht den Vorschriften des § 26c des Börsengesetzes unterliegt, und 3. über wirksame Systeme und Kontrollen zu verfügen, durch die gewährleistet wird, dass es jederzeit diesen Verpflichtungen nachkommt. (5) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das algorithmischen Handel betreibt, verfolgt eine Market-Making-Strategie im Sinne des Absatzes 4, wenn es Mitglied oder Teilnehmer eines oder mehrerer Handelsplätze ist und seine Strategie beim Handel auf eigene Rechnung beinhaltet, dass es in Bezug auf ein oder mehrere Finanzinstrumente an einem einzelnen Handelsplatz oder an verschiedenen Handelsplätzen feste, zeitgleiche Geld- und Briefkurse vergleichbarer Höhe zu wettbewerbsfähigen Preisen stellt. (6) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss bei einer Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen sowie von Finanzdienstleistungen die Anforderungen nach § 25b des Kreditwesengesetzes einhalten. Die Auslagerung darf nicht die Rechtsverhältnisse des Unternehmens zu seinen Kunden und seine Pflichten, die nach diesem Abschnitt gegenüber den Kunden bestehen, verändern. Die Auslagerung darf die Voraussetzungen, unter denen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Erlaubnis nach § 32 des Kreditwesengesetzes erteilt worden ist, nicht verändern. Nähere Bestimmungen zu den Anforderungen an die Auslagerung ergeben sichaus den Artikeln 30 bis 32 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 [DVO MiFID II]. (7) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf die Anlageberatung nur dann als Honorar-Anlageberatung erbringen, wenn es ausschließlich Honorar-Anlageberatung erbringt oder wenn es die Honorar-Anlageberatung organisatorisch, funktional und personell von der übrigen Anlageberatung trennt. Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen Vertriebsvorgaben im Sinne des Absatzes 1 Nummer 3 für die Honorar-Anlageberatung so ausgestalten, dass in keinem Falle Interessenkonflikte mit Kundeninteressen entstehen können. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Honorar-Anlageberatung erbringt, muss auf seiner Internetseite angeben, ob die Honorar-Anlageberatung in der Hauptniederlassung und in welchen inländischen Zweigniederlassungen angeboten wird. (8) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Finanzportfolioverwaltung oder Unabhängige Honorar-Anlageberatung erbringt, muss durch entsprechende Grundsätze sicherstellen,

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7. Teil. Organisationsregeln dass alle monetären Zuwendungen, die im Zusammenhang mit der Finanzportfolioverwaltung oder Unabhängigen Honorar-Anlageberatung von Dritten oder von für Dritte handelnden Personen angenommen werden, dem jeweiligen Kunden zugewiesen und an diesen weitergegeben werden. (9) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Finanzinstrumente zum Verkauf konzipiert, hat ein Verfahren für die Freigabe jedes einzelnen Finanzinstruments und jeder wesentlichen Anpassung bestehender Finanzinstrumente zu unterhalten, zu betreiben und zu überprüfen, bevor das Finanzinstrument an Kunden vermarktet oder vertrieben wird (Produktfreigabeverfahren). Das Verfahren muss sicherstellen, dass für jedes Finanzinstrument für Endkunden innerhalb der jeweiligen Kundengattung ein bestimmter Zielmarkt festgelegt wird. Dabei sind alle einschlägigen Risiken für den Zielmarkt zu bewerten. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die beabsichtigte Vertriebsstrategie dem nach Satz 2 bestimmten Zielmarkt entspricht. (10) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat von ihm angebotene oder vermarktete Finanzinstrumente regelmäßig zu überprüfen und dabei alle Ereignisse zu berücksichtigen, die wesentlichen Einfluss auf das potentielle Risiko für den bestimmten Zielmarkt haben könnten. Zumindest ist regelmäßig zu beurteilen, ob das Finanzinstrument den Bedürfnissen des nach Absatz 9 Satz 2 bestimmten Zielmarkts weiterhin entspricht und ob die beabsichtigte Vertriebsstrategie zur Erreichung dieses Zielmarkts weiterhin geeignet ist. (11) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Finanzinstrumente konzipiert, hat allen Vertriebsunternehmen sämtliche erforderlichen und sachdienlichen Informationen zu dem Finanzinstrument und dem Produktfreigabeverfahren nach Absatz 9 Satz 1, einschließlich des nach Absatz 9 Satz 2 bestimmten Zielmarkts, zur Verfügung zu stellen. Vertreibt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Finanzinstrumente oder empfiehlt es diese, ohne sie zu konzipieren, muss es über angemessene Vorkehrungen verfügen, um sich die in Satz 1 genannten Informationen vom konzipierenden Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder vom Emittenten zu verschaffen und die Merkmale sowie den Zielmarkt des Finanzinstruments zu verstehen. (12) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Finanzinstrumente anzubieten oder zu empfehlen beabsichtigt und das von einem anderen Wertpapierdienstleistungsunternehmen konzipierte Finanzinstrumente vertreibt, hat geeignete Verfahren aufrechtzuerhalten und Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Anforderungen nach diesem Gesetz eingehalten werden. Dies umfasst auch solche Anforderungen, die für die Offenlegung, für die Bewertung der Eignung und der Angemessenheit, für Anreize und für den ordnungsgemäßen Umgang mit Interessenkonflikten gelten. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist zu besonderer Sorgfalt verpflichtet, wenn es als Vertriebsunternehmen ein neues Finanzprodukt anzubieten oder zu empfehlen beabsichtigt oder wenn sich die Dienstleistungen ändern, die es als Vertriebsunternehmen anzubieten oder zu empfehlen beabsichtigt. (13) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat seine Produktfreigabevorkehrungen regelmäßig zu überprüfen, um sicherzustellen, dass diese belastbar und zweckmäßig sind und zur Umsetzung erforderlicher Änderungen geeignete Maßnahmen zu treffen. Es hat sicherzustellen, dass seine gemäß Artikel 22 Absatz 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 [DVO MiFID II] eingerichtete Compliance-Funktion die Entwicklung und regelmäßige Überprüfung der Produktfreigabevorkehrungen überwacht und etwaige Risiken, dass Anforderungen an den Produktüberwachungsprozess nicht erfüllt werden, frühzeitig erkennt. (14) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen zur Anwendung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 [DVO MiFID II] sowie zur Umsetzung der Delegierten Richtlinie 2017/593/EU [DR MiFID II] und den organisatorischen Anforderungen nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 7, den Anforderungen an das Produktfreigabeverfahren und den Produktvertrieb nach Absatz 9 und das Überprüfungsverfahren nach Absatz 10 sowie den nach Absatz 11 zur Verfügung zu stellenden Informationen und damit zusammenhängenden Pflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen erlassen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen § 81 WpHG – Geschäftsleiter [keine Vorläufer im bisherigen Recht] (1) Die Geschäftsleiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens haben im Rahmen der Pflichten aus § 25c Absatz 3 des Kreditwesengesetzes ihre Aufgaben in einer Art und Weise wahrzunehmen, die die Integrität des Marktes wahrt und durch die die Interessen der Kunden gefördert werden. Insbesondere müssen die Geschäftsleiter Folgendes festlegen, umsetzen und überwachen: 1. unter Berücksichtigung von Art, Umfang und Komplexität der Geschäftstätigkeit des Wertpapierdienstleistungsunternehmens sowie aller von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen einzuhaltenden Anforderungen a) die Organisation zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen, einschließlich der hierfür erforderlichen Mittel, und organisatorischen Regelungen, sowie b) ob das Personal über die erforderlichen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, 2. die Geschäftspolitik hinsichtlich a) der angebotenen oder erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen und b) der angebotenen oder vertriebenen Produkte, die in Einklang stehen muss mit der Risikotoleranz des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und etwaigen Besonderheiten und Bedürfnissen seiner Kunden, wobei erforderlichenfalls geeignete Stresstests durchzuführen sind, sowie 3. die Vergütungsregelungen für Personen, die an der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen für Kunden beteiligt sind, und die ausgerichtet sein müssen auf a) eine verantwortungsvolle Unternehmensführung, b) die faire Behandlung der Kunden und c) die Vermeidung von Interessenkonflikten im Verhältnis zu den Kunden. (2) Die Geschäftsleiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens müssen regelmäßig Folgendes überwachen und überprüfen: 1. die Eignung und die Umsetzung der strategischen Ziele des Wertpapierdienstleistungsunternehmens bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen, 2. die Wirksamkeit der Unternehmensführungsregelungen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und 3. die Angemessenheit der Unternehmensstrategie hinsichtlich der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen an die Kunden. Bestehen Mängel, müssen die Geschäftsleiter unverzüglich die erforderlichen Schritte unternehmen, um diese zu beseitigen. (3) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat sicherzustellen, dass die Geschäftsleiter einen angemessenen Zugang zu den Informationen und Dokumenten haben, die für die Beaufsichtigung und Überwachung erforderlich sind. (4) Die Geschäftsleiter haben den Produktfreigabeprozess wirksam zu überwachen. Sie haben sicherzustellen, dass die Compliance-Berichte an die Geschäftsleiter systematisch Informationen über die von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen konzipierten und empfohlenen Finanzinstrumente enthalten, insbesondere über die jeweilige Vertriebsstrategie. Auf Verlangen sind die Compliance-Berichte der Bundesanstalt zur Verfügung zu stellen. (5) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat einen Beauftragten zu ernennen, der die Verantwortung dafür trägt, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen seine Verpflichtungen in Bezug auf den Schutz von Finanzinstrumenten und Geldern von Kunden einhält. Der Beauftragte kann daneben auch weitere Aufgaben wahrnehmen.

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7. Teil. Organisationsregeln

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Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25.04.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl.EU 2017 L 87/1 KAPITEL II ORGANISATORISCHE ANFORDERUNGEN ABSCHNITT 1 Organisation Artikel 21 DVO MiFID II – Allgemeine organisatorische Anforderungen (Artikel 16 Absätze 2 bis 10 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Wertpapierfirmen müssen die folgenden organisatorischen Anforderungen erfüllen: a) Entscheidungsfindungsprozesse und eine Organisationsstruktur, bei der Berichtspflichten sowie zugewiesene Funktionen und Aufgaben klar dokumentiert sind, schaffen und auf Dauer umsetzen; b) sicherstellen, dass alle relevanten Personen die Verfahren, die für eine ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben einzuhalten sind, kennen; c) angemessene interne Kontrollmechanismen, die die Einhaltung von Beschlüssen und Verfahren auf allen Ebenen der Wertpapierfirma sicherstellen, schaffen und auf Dauer umsetzen; d) Mitarbeiter beschäftigen, die über die Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, die zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben erforderlich sind; e) auf allen maßgeblichen Ebenen der Wertpapierfirma eine reibungslos funktionierende interne Berichterstattung und Weitergabe von Informationen einführen und auf Dauer sicherstellen; f) angemessene und systematische Aufzeichnungen über ihre Geschäftstätigkeit und interne Organisation führen; g) für den Fall, dass relevante Personen mehrere Funktionen bekleiden, dafür sorgen, dass dies diese Personen weder daran hindert noch daran hindern dürfte, die einzelnen Funktionen ordentlich, ehrlich und professionell zu erfüllen. Bei der Erfüllung der Anforderungen gemäß diesem Absatz haben die Wertpapierfirmen die Art, den Umfang und die Komplexität ihrer Geschäfte sowie die Art und das Spektrum der im Zuge dieser Geschäfte erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten zu berücksichtigen. (2) Die Wertpapierfirmen richten Systeme und Verfahren ein, die die Sicherheit, die Integrität und die Vertraulichkeit der Informationen gewährleisten, wobei sie die Art der besagten Informationen berücksichtigen, und setzen diese auf Dauer um. (3) Die Wertpapierfirmen sorgen für die Festlegung, Umsetzung und Aufrechterhaltung einer angemessenen Notfallplanung, die bei einer Störung ihrer Systeme und Verfahren gewährleisten soll, dass wesentliche Daten und Funktionen erhalten bleiben und Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten fortgeführt werden oder – sollte dies nicht möglich sein – diese Daten und Funktionen bald zurückgewonnen und die Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten bald wieder aufgenommen werden. (4) Die Wertpapierfirmen sorgen für die Festlegung, Umsetzung und Aufrechterhaltung von Rechnungslegungsgrundsätzen und -verfahren, die es ihnen ermöglichen, der zuständigen Behörde auf Verlangen rechtzeitig Abschlüsse vorzulegen, die ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild ihrer Vermögens- und Finanzlage vermitteln und mit allen geltenden Rechnungslegungsstandards und -vorschriften in Einklang stehen. (5) Die Wertpapierfirmen überwachen und bewerten regelmäßig die Angemessenheit und Wirksamkeit ihrer nach den Absätzen 1 bis 4 geschaffenen Systeme, internen Kontrollmechanismen und Vorkehrungen und ergreifen die zur Behebung etwaiger Mängel erforderlichen Maßnahmen.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen Artikel 22 DVO MiFID II – Einhaltung der Vorschriften („Compliance“) (Artikel 16 Absatz 2 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Die Wertpapierfirmen legen angemessene Strategien und Verfahren fest, die darauf ausgelegt sind, jedes Risiko einer etwaigen Missachtung der in der Richtlinie 2014/65/EU festgelegten Pflichten durch die Wertpapierfirma sowie die damit verbundenen Risiken aufzudecken, und setzen diese auf Dauer um, und sie führen angemessene Maßnahmen und Verfahren ein, um dieses Risiko auf ein Mindestmaß zu beschränken und die zuständigen Behörden in die Lage zu versetzen, ihre Befugnisse im Rahmen dieser Richtlinie wirksam auszuüben. Die Wertpapierfirmen berücksichtigen die Art, den Umfang und die Komplexität ihrer Geschäfte sowie die Art und das Spektrum der im Zuge dieser Geschäfte erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten. (2) Die Wertpapierfirmen richten eine permanente und wirksame, unabhängig arbeitende Compliance-Funktion ein, erhalten diese aufrecht und betrauen sie mit den folgenden Aufgaben: a) ständige Überwachung und regelmäßige Bewertung der Angemessenheit und Wirksamkeit der gemäß Absatz 1 Unterabsatz 1 eingeführten Maßnahmen, Strategien und Verfahren sowie der Schritte, die zur Behebung etwaiger Defizite der Wertpapierfirma bei der Einhaltung ihrer Pflichten unternommen wurden; b) Beratung und Unterstützung der für Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten zuständigen relevanten Personen im Hinblick auf die Einhaltung der Pflichten der Wertpapierfirma gemäß der Richtlinie 2014/65/EU; c) mindestens einmal jährlich Berichterstattung an das Leitungsorgan über die Umsetzung und Wirksamkeit des gesamten Kontrollumfelds für Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten, über die ermittelten Risiken sowie über die Berichterstattung bezüglich der Abwicklung von Beschwerden und über die ergriffenen oder zu ergreifenden Abhilfemaßnahmen; d) Überwachung der Prozessabläufe für die Abwicklung von Beschwerden und Berücksichtigung von Beschwerden als Quelle relevanter Informationen im Zusammenhang mit den allgemeinen Überwachungsaufgaben. Zur Erfüllung der Anforderungen unter Buchstabe a und b dieses Absatzes nimmt die Compliance-Funktion eine Beurteilung vor, auf deren Grundlage sie ein risikobasiertes Überwachungsprogramm erstellt, das alle Bereiche der Wertpapierdienstleistungen, Anlagetätigkeiten sowie der relevanten Nebendienstleistungen der Wertpapierfirma, einschließlich der relevanten Informationen, die in Bezug auf die Überwachung der Abwicklung von Beschwerden gesammelt wurden, berücksichtigt. Das Überwachungsprogramm legt Prioritäten fest, die anhand der Compliance-Risikobewertung bestimmt werden, so dass die umfassende Überwachung der Compliance-Risiken sichergestellt wird. (3) Damit die in Absatz 2 genannte Compliance-Funktion ihre Aufgaben ordnungsgemäß und unabhängig wahrnehmen kann, stellen die Wertpapierfirmen sicher, dass die folgenden Bedingungen erfüllt sind: a) die Compliance-Funktion über die notwendigen Befugnisse, Ressourcen und Fachkenntnisse verfügt und Zugang zu allen einschlägigen Informationen hat; b) das Leitungsorgan ernennt einen Compliance-Beauftragten, der für die Compliance-Funktion sowie für die Compliance-Berichterstattung gemäß der Richtlinie 2014/65/EU und gemäß Artikel 25 Absatz 2 dieser Verordnung verantwortlich ist, und tauscht diesen aus; c) die Compliance-Funktion informiert ad hoc und direkt das Leitungsorgan, wenn sie ein erhebliches Risiko feststellt, dass die Wertpapierfirma ihre Pflichten gemäß der Richtlinie 2014/ 65/EU nicht erfüllt; d) relevante Personen, die in die Compliance-Funktion eingebunden sind, sind nicht an der Erbringung der von ihnen überwachten Dienstleistungen oder Tätigkeiten beteiligt; e) das Verfahren, nach dem die Vergütung der in die Compliance-Funktion eingebundenen relevanten Personen bestimmt wird, beeinträchtigt weder deren Objektivität noch lässt sie eine solche Beeinträchtigung wahrscheinlich erscheinen. (4) Kann eine Wertpapierfirma nachweisen, dass die unter Buchstabe d oder e genannten Anforderungen aufgrund der Art, des Umfangs und der Komplexität ihrer Geschäfte sowie der Art

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7. Teil. Organisationsregeln und des Spektrums ihrer Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten unverhältnismäßig sind und dass die Compliance-Funktion weiterhin einwandfrei ihre Aufgabe erfüllt, ist sie nicht zur Erfüllung der Anforderungen gemäß Absatz 3 Buchstabe d oder e verpflichtet. In diesem Fall hat die Wertpapierfirma zu beurteilen, ob die Wirksamkeit der Compliance-Funktion beeinträchtigt ist. Die Bewertung wird regelmäßig überprüft. Artikel 23 DVO MiFID II – Risikomanagement (Artikel 16 Absatz 5 der Richtlinie 2014/65/EU) (nicht im Detail kommentiert – vom Abdruck wird abgesehen) Artikel 24 DVO MiFID II – Innenrevision (Artikel 16 Absatz 5 der Richtlinie 2014/65/EU) (nicht im Detail kommentiert – vom Abdruck wird abgesehen) Artikel 25 DVO MiFID II – Zuständigkeiten der Geschäftsleitung (Artikel 16 Absatz 2 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Bei der internen Aufgabenverteilung stellen die Wertpapierfirmen sicher, dass die Geschäftsleitung sowie gegebenenfalls das Aufsichtsorgan die Verantwortung dafür tragen, dass die Wertpapierfirma ihre in der Richtlinie 2014/65/EU festgelegten Pflichten erfüllt. Die Geschäftsleitung sowie gegebenenfalls das Aufsichtsorgan sind insbesondere verpflichtet, die Wirksamkeit der zur Einhaltung der Richtlinie 2014/65/EU festgelegten Grundsätze, Vorkehrungen und Verfahren zu bewerten und regelmäßig zu überprüfen und angemessene Maßnahmen zur Behebung etwaiger Mängel zu ergreifen. Im Rahmen der Verteilung wesentlicher Aufgaben unter den Geschäftsführern muss eindeutig festgelegt werden, wer für die Überwachung und Aufrechterhaltung der organisatorischen Anforderungen der Wertpapierfirma zuständig ist. Aufzeichnungen über die Verteilung wesentlicher Aufgaben sind auf dem aktuellen Stand zu halten. (2) Die Wertpapierfirmen stellen sicher, dass ihre Geschäftsleitung häufig, mindestens aber einmal jährlich, schriftliche Berichte zu den in den Artikeln 22, 23 und 24 behandelten Themen erhält, in denen insbesondere angegeben wird, ob zur Behebung etwaiger Mängel geeignete Maßnahmen getroffen wurden. (3) Die Wertpapierfirmen stellen sicher, dass das Aufsichtsorgan, soweit ein solches besteht, regelmäßig schriftliche Berichte zu den in den Artikeln 22, 23 und 24 behandelten Themen erhält. (4) Für die Zwecke dieses Artikels handelt es sich bei dem „Aufsichtsorgan“ um das Organ in einer Wertpapierfirma, das für die Beaufsichtigung der Geschäftsleitung zuständig ist. Artikel 26 DVO MiFID II – Bearbeitung von Beschwerden (Artikel 16 Absatz 2 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Die Wertpapierfirmen müssen wirksame und transparente Strategien und Verfahren für das Beschwerdemanagement festlegen und auf Dauer umsetzen, mit denen die Beschwerden von Kunden oder potenziellen Kunden unverzüglich abgewickelt werden. Die Wertpapierfirmen haben Aufzeichnungen über die eingegangenen Beschwerden zu führen und Maßnahmen zu deren Lösung zu ergreifen. Die Grundsätze für das Beschwerdemanagement müssen eindeutige, genaue und aktuelle Informationen über das Verfahren zur Abwicklung von Beschwerden enthalten. Diese Grundsätze müssen von dem Leitungsorgan der Wertpapierfirma bestätigt werden. (2) Die Wertpapierfirmen müssen die detaillierten Angaben zu dem Verfahren, das bei der Abwicklung einer Beschwerde einzuhalten ist, veröffentlichen. Diese detaillierten Angaben müssen Informationen über die Grundsätze für das Beschwerdemanagement sowie die Kontaktangaben der Beschwerdemanagementfunktion umfassen. Die Informationen werden den Kunden oder potenziellen Kunden auf Verlangen oder mit der Bestätigung der Beschwerde zur Verfügung gestellt Die Wertpapierfirmen müssen den Kunden und potenziellen Kunden die kostenlose Einreichung von Beschwerden ermöglichen. (3) Die Wertpapierfirmen richten eine Beschwerdemanagementfunktion ein, die für die Prüfung von Beschwerden zuständig ist. Diese Funktion kann von der Compliance-Funktion übernommen werden.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen (4) Die Wertpapierfirmen haben bei der Abwicklung einer Beschwerde mit den Kunden oder potenziellen Kunden eindeutig und in einfach verständlicher Sprache zu kommunizieren, und sie müssen unverzüglich auf die Beschwerde reagieren. (5) Die Wertpapierfirmen teilen den Kunden oder potenziellen Kunden ihren Standpunkt bezüglich der Beschwerde mit, und sie informieren die Kunden oder potenziellen Kunden über deren Möglichkeiten, einschließlich der Möglichkeit, die Beschwerde an eine Stelle zur alternativen Streitbeilegung weiterzuleiten, wie in Artikel 4 Buchstabe h der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten vorgesehen, oder der Möglichkeit des Kunden, eine zivilrechtliche Klage einzureichen. (6) Die Wertpapierfirmen übermitteln den zuständigen Behörden und, sofern im nationalen Recht vorgesehen, einer Stelle zur alternativen Streitbeilegung Informationen über Beschwerden und deren Abwicklung. (7) Die Compliance-Funktion der Wertpapierfirmen hat die Daten bezüglich der Beschwerden und deren Abwicklung zu prüfen, um sicherzustellen, dass alle Risiken und Probleme ermittelt und behoben werden. Artikel 27 DVO MiFID II – Vergütungsgrundsätze und -praktiken (Artikel 16, 23 und 24 der Richtlinie 2014/65/EU) (nicht im Detail kommentiert – vom Abdruck wird abgesehen) Artikel 28 DVO MiFID II – Umfang von persönlichen Geschäften (Artikel 16 Absatz 2 der Richtlinie 2014/65/EU) Für die Zwecke der Artikel 29 und 37 bezeichnet „persönliches Geschäft“ ein Geschäft mit einem Finanzinstrument, das von einer relevanten Person oder für eine relevante Person getätigt wird und bei dem mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist: a) die relevante Person handelt außerhalb ihres Aufgabenbereichs, für den sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zuständig ist; b) das Geschäft erfolgt für Rechnung einer der folgenden Personen: i) der relevanten Person, ii) einer Person, zu der sie eine familiäre Bindung oder enge Verbindungen hat, iii) einer Person, bei der die relevante Person ein direktes oder indirektes wesentliches Interesse am Ausgang des Geschäfts hat, wobei das Interesse nicht in einer Gebühr oder Provision für die Abwicklung des Geschäfts besteht. Artikel 29 – Persönliche Geschäfte (Artikel 16 Absatz 2 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Die Wertpapierfirmen treffen angemessene Vorkehrungen und halten diese auf Dauer ein, um relevante Personen, deren Tätigkeiten Anlass zu einem Interessenkonflikt geben könnten oder die aufgrund von Tätigkeiten, die sie im Namen der Firma ausüben, Zugang zu Insider-Informationen im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 596/2014 oder zu anderen vertraulichen Informationen über Kunden oder über Geschäfte, die mit oder für Kunden getätigt werden, haben, an den in den Absätzen 2, 3 und 4 genannten Tätigkeiten zu hindern. (2) Die Wertpapierfirmen stellen sicher, dass die relevanten Personen keine persönlichen Geschäfte abschließen, die mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllen: a) Die Person darf das Geschäft nach der Richtlinie 2014/596/EU nicht tätigen; b) es geht mit dem Missbrauch oder der vorschriftswidrigen Weitergabe dieser vertraulichen Informationen einher; c) es kollidiert mit einer Pflicht, die der Wertpapierfirma aus der Richtlinie 2014/65/EU erwächst, oder könnte damit kollidieren. (3) Die Wertpapierfirmen stellen sicher, dass relevante Personen außerhalb ihres regulären Beschäftigungsverhältnisses oder Dienstleistungsvertrags einer anderen Person kein Geschäft mit Finanzinstrumenten empfehlen, die – wenn es sich um ein persönliches Geschäft der relevanten Person handeln würde – unter Absatz 2 oder unter Artikel 37 Absatz 2 Buchstabe a oder b oder unter Artikel 67 Absatz 3 fiele.

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7. Teil. Organisationsregeln (4) Unbeschadet des Artikels 10 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 stellen Wertpapierfirmen sicher, dass relevante Personen außerhalb ihres regulären Beschäftigungsverhältnisses oder Dienstleistungsvertrags Informationen oder Meinungen an eine andere Person weitergeben, wenn der relevanten Person klar ist oder nach vernünftigem Ermessen klar sein sollte, dass diese Weitergabe die andere Person dazu veranlassen wird oder wahrscheinlich dazu veranlassen wird, a) ein Geschäft mit Finanzinstrumenten zu tätigen, das – wenn es sich um ein persönliches Geschäft der relevanten Person handeln würde – unter Absatz 2 oder 3 oder unter Artikel 37 Absatz 2 Buchstabe a oder b oder unter Artikel 67 Absatz 3 fiele; b) einer anderen Person zu einem solchen Geschäft zu raten oder eine andere Person zu einem solchen Geschäft zu veranlassen. (5) Die in Absatz 1 vorgeschriebenen Vorkehrungen gewährleisten, dass: a) jede unter Absatz 1, 2, 3 oder 4 fallende relevante Person die Beschränkungen bei persönlichen Geschäften und die Maßnahmen, die die Wertpapierfirma im Hinblick auf persönliche Geschäfte und Informationsweitergabe gemäß Absatz 1, 2, 3 oder 4 getroffen hat, kennt; b) die Wertpapierfirma unverzüglich über jedes persönliche Geschäft einer solchen relevanten Person unterrichtet wird, und zwar entweder durch Meldung des Geschäfts oder durch andere Verfahren, die der Wertpapierfirma die Feststellung solcher Geschäfte ermöglichen. c) ein bei der Wertpapierfirma gemeldetes oder von dieser festgestelltes persönliches Geschäft sowie jede Erlaubnis und jedes Verbot im Zusammenhang mit einem solchen Geschäft festgehalten wird. Bei Auslagerungsvereinbarungen muss die Wertpapierfirma sicherstellen, dass die Firma, an die die Tätigkeit ausgelagert wird, persönliche Geschäfte aller relevanten Personen festhält und der Wertpapierfirma diese Informationen auf Verlangen unverzüglich liefert. (6) Von den Absätzen 1 bis 5 ausgenommen sind: a) persönliche Geschäfte, die im Rahmen eines Vertrags über die Portfolioverwaltung mit Entscheidungsspielraum getätigt werden, sofern vor Abschluss des Geschäfts keine diesbezügliche Kommunikation zwischen dem Portfolioverwalter und der relevanten Person oder der Person, für deren Rechnung das Geschäft getätigt wird, stattfindet; b) persönliche Geschäfte mit Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) oder mit AIF, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die für deren Anlagen ein gleich hohes Maß an Risikostreuung vorschreiben, der Aufsicht unterliegen, wenn die relevante Person oder jede andere Person, für deren Rechnung die Geschäfte getätigt werden, nicht an der Geschäftsleitung dieses Organismus beteiligt ist.

ABSCHNITT 2 Auslagerung Artikel 30 – Umfang kritischer und wesentlicher betrieblicher Aufgaben (Artikel 16 Absatz 2 und Artikel 16 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Für die Zwecke von Artikel 16 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/65/EU wird eine betriebliche Aufgabe als kritisch oder wesentlich betrachtet, wenn deren unzureichende oder unterlassene Wahrnehmung die kontinuierliche Einhaltung der Zulassungsbedingungen und -pflichten oder der anderen Verpflichtungen der Wertpapierfirma gemäß der Richtlinie 2014/65/ EU, ihre finanzielle Leistungsfähigkeit oder die Solidität oder Kontinuität ihrer Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten wesentlich beeinträchtigen würde. (2) Ohne den Status anderer Aufgaben zu berühren, werden für die Zwecke des Absatzes 1 folgende Aufgaben nicht als kritisch oder wesentlich betrachtet: a) für die Wertpapierfirma erbrachte Beratungs- und andere Dienstleistungen, die nicht Teil ihres Anlagegeschäfts sind, einschließlich der Beratung in Rechtsfragen, Mitarbeiterschulungen, der Fakturierung und der Bewachung von Gebäuden und Mitarbeitern; b) der Erwerb standardisierter Dienstleistungen, einschließlich Marktinformationsdiensten und Preisdaten.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen Artikel 31 – Auslagerung kritischer oder wesentlicher betrieblicher Aufgaben (Artikel 16 Absatz 2 und Artikel 16 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Wertpapierfirmen, die kritische oder wesentliche betriebliche Aufgaben auslagern, bleiben vollständig für die Erfüllung all ihrer Verpflichtungen gemäß der Richtlinie 2014/64/EU verantwortlich und müssen die folgenden Bedingungen erfüllen: a) die Auslagerung ist nicht mit einer Delegation der Aufgaben der Geschäftsleitung verbunden; b) das Verhältnis und die Pflichten der Wertpapierfirma gegenüber ihren Kunden gemäß der Richtlinie 2014/65/EU bleiben unverändert; c) die Voraussetzungen, die eine Wertpapierfirma erfüllen muss, um gemäß Artikel 5 der Richtlinie 2014/65/EG zugelassen zu werden und diese Zulassung auch zu behalten, sind nach wie vor erfüllt; d) die anderen Voraussetzungen, unter denen der Wertpapierfirma die Zulassung erteilt wurde, sind nicht entfallen und haben sich nicht geändert. (2) Wertpapierfirmen verfahren bei Abschluss, Durchführung oder Kündigung einer Vereinbarung über die Auslagerung von kritischen oder wesentlichen betrieblichen Funktionen an einen Dienstleister mit der gebotenen Professionalität und Sorgfalt und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um Folgendes zu gewährleisten: a) Der Dienstleister verfügt über die Eignung, die Kapazität, ausreichende Ressourcen und geeignete Organisationsstrukturen für die Ausführung der ausgelagerten Aufgaben sowie alle gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungen, um die ausgelagerten Aufgaben zuverlässig und professionell wahrzunehmen; b) der Dienstleister führt die ausgelagerten Dienstleistungen effektiv und in Übereinstimmung mit den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften aus, und die Wertpapierfirma hat zu diesem Zweck Methoden und Verfahren zur Bewertung der Leistung des Dienstleisters sowie zur fortlaufenden Überprüfung der von dem Dienstleister erbrachten Dienstleistungen festgelegt; c) der Dienstleister hat die Ausführung der ausgelagerten Aufgaben ordnungsgemäß zu überwachen und die mit der Auslagerung verbundenen Risiken angemessen zu steuern; d) es werden angemessene Maßnahmen ergriffen, wenn Zweifel daran bestehen, dass der Dienstleister seine Aufgaben möglicherweise nicht effektiv und unter Einhaltung der geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften ausführt; e) die Wertpapierfirma hat die ausgelagerten Aufgaben oder Dienstleistungen wirksam zu überwachen und die mit der Auslagerung verbundenen Risiken zu steuern, und zu diesem Zweck verfügt sie weiterhin über die notwendigen Fachkenntnisse und Ressourcen, um die ausgelagerten Aufgaben wirksam zu überwachen und diese Risiken zu steuern; f) der Dienstleister hat der Wertpapierfirma jede Entwicklung zur Kenntnis gebracht, die seine Fähigkeit, die ausgelagerten Aufgaben wirkungsvoll und unter Einhaltung der geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften auszuführen, wesentlich beeinträchtigen könnte; g) die Wertpapierfirma ist in der Lage, die Auslagerungsvereinbarung gegebenenfalls mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn dies im Interesse ihrer Kunden liegt, ohne dass dies die Kontinuität und Qualität der für ihre Kunden erbrachten Dienstleistungen beeinträchtigt; h) der Dienstleister arbeitet in Bezug auf die ausgelagerten Funktionen mit den für die Wertpapierfirma zuständigen Behörden zusammen; i) die Wertpapierfirma, ihre Abschlussprüfer und die jeweils zuständigen Behörden haben tatsächlich Zugang zu mit den ausgelagerten Funktionen zusammenhängenden Daten und zu den Geschäftsräumen des Dienstleisters, sofern dies für die Zwecke einer wirksamen Aufsicht gemäß diesem Artikel erforderlich ist, und die zuständigen Behörden können von diesen Zugangsrechten Gebrauch machen; j) der Dienstleister hat alle vertraulichen Informationen, die die Wertpapierfirma und ihre Kunden betreffen, zu schützen; k) die Wertpapierfirma und der Dienstleister haben einen Notfallplan festgelegt und werden diesen auf Dauer umgesetzt, der bei einem Systemausfall die Speicherung der Daten gewährleistet und regelmäßige Tests der Backup-Systeme vorsieht, sollte dies angesichts der ausgelagerten Aufgabe, Dienstleistung oder Tätigkeit erforderlich sein;

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7. Teil. Organisationsregeln l)

die Wertpapierfirma hat sichergestellt, dass die Kontinuität und Qualität der ausgelagerten Aufgaben oder Dienstleistungen auch für den Fall der Beendigung der Auslagerung aufrechterhalten werden, indem die Durchführung der ausgelagerten Aufgaben oder Dienstleistungen auf einen anderen Dritten übertragen wird oder indem die Wertpapierfirma diese ausgelagerten Aufgaben oder Dienstleistungen selbst ausführt. (3) Die entsprechenden Rechte und Pflichten der Wertpapierfirma und des Dienstleisters werden in einer schriftlichen Vereinbarung eindeutig zugewiesen. Die Wertpapierfirma behält insbesondere ihre Weisungs- und Kündigungsrechte, ihre Informationsrechte sowie ihre Rechte auf Einsichtnahme in und Zugang zu Büchern und Geschäftsräumen. In der Vereinbarung wird sichergestellt, dass eine Auslagerung durch den Dienstleister nur mit der schriftlichen Zustimmung der Wertpapierfirma erfolgen darf. (4) Gehören die Wertpapierfirma und der Dienstleister ein und derselben Gruppe an, kann die Wertpapierfirma zur Erfüllung dieses Artikels und des Artikels 32 berücksichtigen, in welchem Umfang sie den Dienstleister kontrolliert oder sein Handeln beeinflussen kann. (5) Die Wertpapierfirma stellt den zuständigen Behörden auf deren Verlangen alle Informationen zur Verfügung, die diese benötigen, um zu überwachen, ob bei der Ausübung der übertragenen Funktionen die Anforderungen der Richtlinie 2014/65/EU und ihrer Durchführungsmaßnahmen eingehalten werden.

ABSCHNITT 3 Interessenkonflikte Artikel 33 – Für einen Kunden potenziell nachteilige Interessenkonflikte (Artikel 16 Absatz 3 und Artikel 23 der Richtlinie 2014/65/EU) Die Wertpapierfirmen müssen zur Feststellung der Arten von Interessenkonflikten, die bei Erbringung von Wertpapier- und Nebendienstleistungen oder bei einer Kombination daraus auftreten und den Interessen eines Kunden abträglich sein können, zumindest der Frage Rechnung tragen, ob auf die Wertpapierfirma, eine relevante Person oder eine Person, die direkt oder indirekt durch Kontrolle mit der Firma verbunden ist, aufgrund der Tatsache, dass sie Wertpapier- oder Nebendienstleistungen erbringt oder Anlagetätigkeiten ausübt, eine der folgenden Situationen zutrifft: a) Wahrscheinlich wird die Wertpapierfirma oder eine der genannten Personen zu Lasten des Kunden einen finanziellen Vorteil erzielen oder finanziellen Verlust vermeiden; b) die Wertpapierfirma oder eine der genannten Personen hat am Ergebnis einer für den Kunden erbrachten Dienstleistung oder eines im Namen des Kunden getätigten Geschäfts ein Interesse, das nicht mit dem Interesse des Kunden an diesem Ergebnis übereinstimmt; c) für die Wertpapierfirma oder eine der genannten Personen gibt es einen finanziellen oder sonstigen Anreiz, die Interessen eines anderen Kunden oder einer anderen Gruppe von Kunden über die Interessen des Kunden zu stellen; d) die Wertpapierfirma oder eine der genannten Personen geht dem gleichen Geschäft nach wie der Kunde; e) die Wertpapierfirma oder eine der genannten Personen erhält aktuell oder künftig von einer nicht mit dem Kunden identischen Person in Bezug auf eine für den Kunden erbrachte Dienstleistung einen Anreiz in Form von finanziellen oder nichtfinanziellen Vorteilen oder Dienstleistungen. Artikel 34 – Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten (Artikel 16 Absatz 3 und Artikel 23 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Die Wertpapierfirmen müssen in schriftlicher Form wirksame, der Größe und Organisation der jeweiligen Firma sowie der Art, des Umfangs und der Komplexität ihrer Geschäfte angemessene Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten festlegen und auf Dauer umsetzen. Ist die Wertpapierfirma Teil einer Gruppe, müssen diese Grundsätze darüber hinaus allen Umständen Rechnung tragen, von denen die Wertpapierfirma weiß oder wissen müsste und die aufgrund der Struktur und der Geschäftstätigkeiten anderer Gruppenmitglieder einen Interessenkonflikt nach sich ziehen könnten.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen (2) In den gemäß Absatz 1 festgelegten Grundsätzen für den Umgang mit Interessenkonflikten a) wird im Hinblick auf die Wertpapierdienstleistungen, Anlagetätigkeiten und Nebendienstleistungen, die von oder im Namen der Wertpapierfirma erbracht werden, festgelegt, unter welchen Umständen ein Interessenkonflikt, der den Interessen eines oder mehrerer Kunden erheblich schaden könnte, vorliegt oder entstehen könnte; b) wird festgelegt, welche Verfahren einzuleiten und welche Maßnahmen zu treffen sind, um diese Konflikte zu verhindern oder zu bewältigen. (3) Die Verfahren und Maßnahmen, auf die in Absatz 2 Buchstabe b Bezug genommen wird, werden so gestaltet, dass relevante Personen, die mit Tätigkeiten befasst sind, bei denen ein Interessenkonflikt im Sinne von Absatz 2 Buchstabe a besteht, diese Tätigkeiten mit einem Grad an Unabhängigkeit ausführen, der der Größe und dem Betätigungsfeld der Wertpapierfirma und der Gruppe, der diese angehört, sowie der Höhe des Risikos, dass die Interessen von Kunden geschädigt werden, angemessen ist. Für die Zwecke von Absatz 2 Buchstabe b schließen die dort genannten zu befolgenden Verfahren und Maßnahmen – soweit dies zur Gewährleistung des geforderten Grades an Unabhängigkeit der Wertpapierfirma notwendig ist – Folgendes ein: a) wirksame Verfahren, die den Austausch von Informationen zwischen relevanten Personen, deren Tätigkeiten einen Interessenkonflikt nach sich ziehen könnten, verhindern oder kontrollieren, wenn dieser Informationsaustausch den Interessen eines oder mehrerer Kunden abträglich sein könnte; b) die gesonderte Überwachung relevanter Personen, deren Hauptaufgabe darin besteht, Tätigkeiten im Namen von Kunden auszuführen oder Dienstleistungen für Kunden zu erbringen, deren Interessen möglicherweise kollidieren oder die in anderer Weise unterschiedliche Interessen – einschließlich der der Wertpapierfirma – vertreten, die kollidieren könnten; c) die Beseitigung jeder direkten Verbindung zwischen der Vergütung relevanter Personen, die sich hauptsächlich mit einer Tätigkeit beschäftigen, und der Vergütung oder den Einnahmen anderer relevanter Personen, die sich hauptsächlich mit einer anderen Tätigkeit beschäftigen, wenn bei diesen Tätigkeiten ein Interessenkonflikt entstehen könnte; d) Maßnahmen, die jeden ungebührlichen Einfluss auf die Art und Weise, in der eine relevante Person Wertpapier- oder Nebendienstleistungen erbringt oder Anlagetätigkeiten ausführt, verhindern oder einschränken; e) Maßnahmen, die die gleichzeitige oder unmittelbar nachfolgende Einbeziehung einer relevanten Person in verschiedene Wertpapier- oder Nebendienstleistungen bzw. Anlagetätigkeiten verhindern oder kontrollieren, wenn diese Einbeziehung ein ordnungsgemäßes Konfliktmanagement beeinträchtigen könnte. (4) Die Wertpapierfirmen stellen sicher, dass die Unterrichtung der Kunden gemäß Artikel 23 Absatz 2 der Richtlinie 2014/65/EU nur als Ultima Ratio angewandt wird, wenn die wirksamen organisatorischen und administrativen Vorkehrungen, die sie zur Verhinderung oder Bewältigung ihrer Interessenkonflikte gemäß Artikel 23 der Richtlinie 2014/65/EU getroffen haben, nicht ausreichen, um mit hinreichender Sicherheit zu gewährleisten, dass die Interessen des Kunden nicht geschädigt werden. Bei dieser Unterrichtung wird deutlich angegeben, dass die wirksamen organisatorischen und administrativen Vorkehrungen, die die Wertpapierfirma zur Verhinderung oder Bewältigung dieses Konflikts getroffen hat, nicht ausreichen, um mit hinreichender Sicherheit zur gewährleisten, dass die Interessen des Kunden nicht geschädigt werden. Die Unterrichtung beinhaltet eine genaue Beschreibung der Interessenkonflikte, die bei der Erbringung von Wertpapier- und/oder Nebendienstleistungen entstehen, unter Berücksichtigung der Art des Kunden, an den sich die Unterrichtung richtet. Die Beschreibung erklärt die allgemeine Art und die Ursachen von Interessenkonflikten sowie die Risiken, die dem Kunden infolge der Interessenkonflikte und der zur Minderung dieser Risiken getroffenen Maßnahmen entstehen, ausreichend detailliert, um es dem Kunden zu ermöglichen, in Bezug auf die Wertpapier- oder Nebendienstleistung, in deren Zusammenhang die Interessenkonflikte entstehen, eine fundierte Entscheidung zu treffen. (5) Die Wertpapierfirmen beurteilen und prüfen die Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten, die gemäß Artikel 1 bis 4 festgelegt wurden, regelmäßig, mindestens aber einmal

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7. Teil. Organisationsregeln jährlich, und ergreifen sämtliche erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung etwaiger Mängel. Übermäßige Abhängigkeit von der Offenlegung von Interessenkonflikten wird in den Grundsätzen der Firma für den Umgang mit Interessenkonflikten als Mangel angesehen. Artikel 35 – Aufzeichnung von Dienstleistungen oder Tätigkeiten, die einen nachteiligen Interessenkonflikt auslösen (Artikel 16 Absatz 6 der Richtlinie 2014/65/EU) Die Wertpapierfirmen müssen die von oder im Namen der Wertpapierfirma erbrachten Arten von Wertpapier- oder Nebendienstleistungen bzw. Anlagetätigkeiten, bei denen ein den Interessen eines oder mehrerer Kunden in erheblichem Maße abträglicher Interessenkonflikt aufgetreten ist bzw. bei noch laufenden Dienstleistungen oder Tätigkeiten auftreten könnte, aufzeichnen und regelmäßig aktualisieren. Die Geschäftsleitung erhält regelmäßig, mindestens aber einmal jährlich, schriftliche Berichte über die in diesem Artikel erläuterten Situationen. Artikel 36 – Finanzanalysen und Marketingmitteilungen (Artikel 24 Absatz 3 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Für die Zwecke des Artikels 37 sind Finanzanalysen Analysen oder andere Informationen, in denen für ein oder mehrere Finanzinstrumente oder die Emittenten von Finanzinstrumenten explizit oder implizit eine Anlagestrategie empfohlen oder vorgeschlagen wird, einschließlich aller für Informationsverbreitungskanäle oder die Öffentlichkeit bestimmter Stellungnahmen zum aktuellen oder künftigen Wert oder Preis dieser Instrumente, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind: a) Die Analysen oder Informationen werden als Finanzanalysen oder Ähnliches betitelt oder beschrieben oder aber als objektive oder unabhängige Erläuterung der in der Empfehlung enthaltenen Punkte dargestellt; b) würde die betreffende Empfehlung von einer Wertpapierfirma an einen Kunden ausgegeben, würde sie keine Anlageberatung im Sinne der Richtlinie 2014/65/EU darstellen. (2) Eine unter Nummer 35 des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 fallende Empfehlung, die die in Absatz 1 genannten Bedingungen nicht erfüllt, wird für die Zwecke der Richtlinie 2014/65/EU als Marketingmitteilung behandelt, und die Wertpapierfirmen, die eine solche Empfehlung erstellen oder verbreiten, haben dafür zu sorgen, dass sie eindeutig als solche gekennzeichnet wird. Darüber hinaus haben die Wertpapierfirmen sicherzustellen, dass jede derartige Empfehlung (d.h. auch jede mündliche Empfehlung) einen klaren und deutlichen Hinweis darauf enthält, dass sie nicht in Einklang mit Rechtsvorschriften zur Förderung der Unabhängigkeit von Finanzanalysen erstellt wurde und auch keinem Verbot des Handels im Anschluss an die Verbreitung von Finanzanalysen unterliegt. Artikel 38 – Zusätzliche allgemeine Anforderungen bezüglich Emissionsübernahme oder Platzierung (Artikel 16 Absatz 3 und Artikel 23 und 24 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Wertpapierfirmen, die Finanzwirtschaftsberatung im Sinne von Anhang I Abschnitt B Nummer 3 oder Emissions- oder Platzierungsdienstleistungen im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten bieten, treffen vor der Entscheidung, ein Angebot anzunehmen, Vorkehrungen zur Unterrichtung des Emittenten über: a) die verschiedenen, bei der Wertpapierfirma verfügbaren Finanzierungsalternativen, mit Angabe der Geschäftskosten, die mit jeder Alternative verbunden sind; b) den Zeitpunkt und das Verfahren bezüglich der Finanzwirtschaftsberatung über die Preisgestaltung des Angebots; c) Den Zeitpunkt und das Verfahren bezüglich der Finanzwirtschaftsberatung über die Platzierung des Angebots; d) Einzelheiten über die Zielgruppe der Anleger, denen die Firma die Finanzinstrumente anbieten möchte; e) Die Berufsbezeichnungen und Abteilungen der relevanten Personen, die an der Erbringung der Finanzwirtschaftsberatung über den Preis und die Zuteilung von Finanzinstrumenten beteiligt sind; und

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen f)

die Vorkehrungen der Wertpapierfirma zur Verhinderung oder Bewältigung von Interessenkonflikten, die entstehen können, wenn die Wertpapierfirma die relevanten Finanzinstrumente mit ihren Wertpapierkunden oder mit ihrem Eigenhandelsbuch platziert. (2) Wertpapierfirmen müssen über ein zentralisiertes Verfahren verfügen, um jegliche Emissionsübernahme- und Platzierungstätigkeiten zu identifizieren und derlei Informationen aufzuzeichnen, einschließlich des Datums, an dem die Wertpapierfirma über potenzielle Emissionsübernahme- und Platzierungsaktivitäten informiert wurde. Wertpapierfirmen müssen alle potenziellen Interessenkonflikte identifizieren, die durch andere Aktivitäten der Firma oder des Konzerns entstehen, und entsprechende Bewältigungsverfahren implementieren. In Fällen, in denen eine Wertpapierfirma einen Interessenkonflikt durch die Umsetzung geeigneter Verfahren nicht bewältigen kann, darf sich die Wertpapierfirma an der Tätigkeit nicht beteiligen. (3) Wertpapierfirmen, die ausführende und analytische Dienstleistungen erbringen und Emissionsübernahme- und Platzierungsaktivitäten durchführen, stellen sicher, dass sie über ausreichende Kontrollen zur Bewältigung von potenziellen Interessenkonflikten zwischen diesen Aktivitäten und zwischen ihren verschiedenen Kunden, die diese Dienstleistungen erhalten, verfügen. Artikel 39 – Zusätzliche Anforderungen bezüglich Preisgestaltung der Angebote im Hinblick auf Emission von Finanzinstrumenten (Artikel 16 Absatz 3 und Artikel 23 und 24 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Wertpapierfirmen müssen über Systeme, Kontrollen und Verfahren zur Identifizierung und Verhinderung oder Bewältigung von Interessenkonflikten verfügen, die im Zusammenhang mit dem Ansetzen eines zu niedrigen oder zu hohen Preises einer Emission, oder durch Beteiligung der relevanten Parteien hierbei, entstehen. Insbesondere müssen Wertpapierfirmen als Mindestanforderung interne Vorkehrungen treffen und auf Dauer umsetzen, um Folgendes zu gewährleisten: a) dass die Preisgestaltung des Angebots nicht die Interessen anderer Kunden oder die firmeneigenen Interessen in einer Weise fördert, die mit den Interessen des Emittenten im Widerspruch stehen könnte; und b) Das Verhindern oder die Bewältigung einer Situation, in der Personen, die für das Erbringen von Dienstleistungen für die Wertpapierkunden der Firma verantwortlich sind, an Entscheidungen bezüglich Finanzwirtschaftsberatung über die Preisgestaltung für den Emittenten unmittelbar beteiligt sind. (2) Wertpapierfirmen müssen Kunden darüber informieren, wie die Empfehlung bezüglich des Angebotspreises und der damit verbundenen Zeitpunkte bestimmt wurde. Insbesondere muss die Wertpapierfirma den Emittenten über jegliche Absicherungs- und Stabilisierungsstrategien, die sie gedenkt in Bezug auf das Angebot durchzuführen, informieren und mit ihm besprechen, einschließlich inwiefern sich diese Strategien auf die Interessen des Emittenten auswirken könnten. Ferner müssen Wertpapierfirmen während des Angebotsprozesses alle angemessenen Maßnahmen ergreifen, um den Emittenten über Entwicklungen bezüglich der Preisgestaltung der Emission auf dem Laufenden zu halten. Artikel 40 – Zusätzliche Anforderungen bezüglich Platzierung (Artikel 16 Absatz 3 und Artikel 23 und 24 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente platzieren, müssen wirksame Vorkehrungen treffen und auf Dauer umsetzen, um zu verhindern, dass Platzierungsempfehlungen unsachgemäß von bestehenden oder künftigen Beziehungen beeinflusst werden. (2) Wertpapierfirmen müssen wirksame interne Vorkehrungen treffen und auf Dauer umsetzen, um Interessenkonflikte zu verhindern oder zu bewältigen, die entstehen, wenn Personen, die für das Erbringen von Dienstleistungen für die Wertpapierkunden der Firma verantwortlich sind, an Entscheidungen bezüglich Mittelzuweisungsempfehlungen für den Emittenten unmittelbar beteiligt sind. (3) Wertpapierfirmen nehmen von Dritten keine Zahlungen oder sonstigen Vorteile an, es sei denn, solche Zahlungen oder Vorteile stehen im Einklang mit den Anforderungen von Artikel 24 der Richtlinie 2014/65/EU. Insbesondere folgende Methoden gelten als nicht konform mit diesen Anforderungen und sind daher als inakzeptabel zu betrachten: a) eine Mittelzuweisung, die gemacht wurde, um einen Anreiz für die Zahlung von unverhält-

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7. Teil. Organisationsregeln nismäßig hohen Gebühren für nicht im Zusammenhang stehende, von der Wertpapierfirma erbrachte Dienstleistungen („Laddering“) zu schaffen, wie beispielsweise vom Wertpapierkunden bezahlte unverhältnismäßig hohe Gebühren oder Provisionen, oder eine unverhältnismäßig hohe Anzahl an Geschäften auf normaler Provisionsebene, die vom Wertpapierkunden als Ausgleich für den Erhalt einer Zuteilung der Emission zur Verfügung gestellt wird; b) eine Mittelzuweisung, die einem leitenden Angestellten oder einem Vorstandsmitglied eines bestehenden oder potenziellen Emittenten als Gegenleistung für die künftige oder vergangene Vergabe von Finanzwirtschaftsgeschäften zugeteilt wurde („Spinning“); c) eine Mittelzuweisung, die ausdrücklich oder implizit vom Erhalt künftiger Aufträge oder vom Kauf anderweitiger Dienstleistungen der Wertpapierfirma durch einen Wertpapierkunden, oder jedes Unternehmen, in welchem der Anleger ein Vorstandsmitglied ist, abhängig ist. (4) Wertpapierfirmen müssen Grundsätze für den Umgang mit Mittelzuweisungen, die das Verfahren zur Entwicklung von Mittelzuweisungsempfehlungen darlegen, festlegen und auf Dauer umsetzen. Die Grundsätze für den Umgang mit Mittelzuweisungen müssen dem Emittenten vor seiner Zustimmung, jegliche Platzierungsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen, zur Verfügung gestellt werden. Die Grundsätze müssen wichtige, zu diesem Zeitpunkt verfügbare Informationen über die vorgeschlagene Mittelzuweisungsmethodik für die Emission darlegen. (5) Wertpapierfirmen müssen den Emittenten an Diskussionen über das Platzierungsverfahren teilhaben lassen, damit die Firma in der Lage ist, die Interessen und Ziele des Kunden nachvollziehen und berücksichtigen zu können. Die Wertpapierfirma muss für ihre vorgeschlagene Mittelzuweisung je nach Art des Kunden für das Geschäft gemäß den Grundsätzen für den Umgang mit Mittelzuweisungen die Zustimmung des Emittenten einholen. Artikel 41 – Zusätzliche Anforderungen bezüglich Beratung, Vertrieb und Eigenplatzierung (Artikel 16 Absatz 3 und Artikel 23 und 24 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Wertpapierfirmen müssen über Systeme, Kontrollen und Verfahren zur Identifizierung und Bewältigung von Interessenkonflikten verfügen, die bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen für einen Wertpapierkunden zur Teilhabe bei einer neuen Emission entstehen, wenn die Wertpapierfirma Provisionen, Gebühren oder jegliche finanziellen oder nichtfinanziellen Vorteile in Bezug auf das Einrichten der Emission erhält. Jegliche Provisionen, Gebühren oder finanzielle oder nichtfinanzielle Vorteile müssen den Anforderungen in Artikel 24 Absätze 7, 8 und 9 der Richtlinie 2014/65/EU entsprechen und in den Grundsätzen der Wertpapierfirma für den Umgang mit Interessenkonflikten dokumentiert werden und sich in den Vorkehrungen der Firma in Bezug auf Anreize widerspiegeln. (2) Wertpapierfirmen, die sich mit der Platzierung von Finanzinstrumenten befassen, welche von ihnen selbst oder von Unternehmen derselben Gruppe an ihre eigenen Kunden ausgestellt wurden, einschließlich ihrer bestehenden Einleger im Falle von Kreditinstituten, oder Wertpapierfonds, die von Unternehmen ihres Konzerns verwaltet werden, müssen wirksame Vorkehrungen zur Identifizierung, Verhinderung oder Bewältigung von potenziellen Interessenkonflikten, die im Zusammenhang mit dieser Art von Tätigkeit entstehen, treffen und auf Dauer umsetzen. Solche Vorkehrungen müssen Überlegungen beinhalten, die Tätigkeit zu unterlassen, wenn Interessenkonflikte nicht angemessen bewältigt werden können, um somit schädigende Auswirkungen auf die Kunden vermieden werden. (3) Falls eine Offenlegung von Interessenkonflikten erforderlich ist, müssen Wertpapierfirmen den Anforderungen in Artikel 34 Absatz 4 Folge leisten, einschließlich einer Erklärung zur Art und Ursache der mit dieser Art von Tätigkeit verbundenen Interessenkonflikte, und Einzelheiten über die spezifischen, mit solchen Praktiken verbundenen Risiken zur Verfügung stellen, damit Kunden eine fundierte Anlageentscheidung treffen können. (4) Wertpapierfirmen, die ihren Kunden von ihnen selbst oder von anderen Unternehmen der Gruppe begebene Finanzinstrumente anbieten, die bei der Berechnung der Aufsichtsanforderungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates oder der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates berücksichtigt werden, stellen diesen Kunden zusätzliche Informationen zur Erläuterung der Unterschiede zur Verfügung, die das Fi-

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen nanzinstrument im Hinblick auf Ertrag, Risiko, Liquidität und das Schutzniveau gemäß der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Vergleich zu Bankeinlagen aufweist. Artikel 42 – Zusätzliche Anforderungen bezüglich Darlehen oder Kreditvergabe im Zusammenhang mit Emissionsübernahme und Platzierung (Artikel 16 Absatz 3 und Artikel 23 und 24 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Falls ein vorheriges Darlehen oder ein Kredit für den Emittenten durch eine Wertpapierfirma, oder ein Unternehmen innerhalb derselben Gruppe, mit dem Erlös einer Emission zurückgezahlt werden soll, dann muss die Wertpapierfirma über Vorkehrungen zur Identifizierung und Verhinderung oder Bewältigung jeglicher Interessenkonflikte, die infolgedessen auftreten können, verfügen. (2) Falls sich die getroffenen Vorkehrungen zur Verwaltung von Interessenkonflikten als unzureichend erweisen und nicht gewährleistet werden kann, dass der Emittent vor Schäden geschützt ist, müssen Wertpapierfirmen den Emittenten über die spezifischen Interessenkonflikte, die im Zusammenhang mit ihren Aktivitäten, oder derer von Gruppenunternehmen, in einer Funktion als Kreditanbieter unterrichten, wie auch über ihre Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wertpapierangeboten. (3) Die Grundsätze einer Wertpapierfirma für den Umgang mit Interessenkonflikten müssen den Austausch von Informationen mit Gruppenunternehmen, die als Kreditanbieter fungieren, erfordern, soweit dies nicht gegen Informationsbarrieren, die von der Firma zum Schutz der Interessen eines Kunden eingerichtet wurden, verstoßen würde. Artikel 43 – Aufzeichnungen bezüglich Emissionsübernahme oder Platzierung (Artikel 16 Absatz 3 und Artikel 23 und 24 der Richtlinie 2014/65/EU) Wertpapierfirmen sind dazu angehalten, Inhalt und Zeitpunkt der von Kunden erhaltenen Anweisungen aufzuzeichnen. Für jede Tätigkeit müssen die getroffenen Entscheidungen bezüglich Mittelzuweisung aufgezeichnet werden, um für einen vollständigen Prüfungsweg zwischen den in Kundenkonten registrierten Bewegungen und den von der Wertpapierfirma erhaltenen Anweisungen zu sorgen. Insbesondere ist die zuletzt erfolgte Mittelzuweisung für jeden Wertpapierkunden deutlich zu begründen und aufzuzeichnen. Der vollständige Prüfungsweg der wesentlichen Schritte im Emissionsübernahme- und Platzierungsverfahren muss den zuständigen Behörden auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.

1. Grundlagen a) Überblick und systematischer Zusammenhang mit dem Bankaufsichtsrecht. §§ 80 29 und 81 WpHG sowie Artt. 21 bis 26 DVO MiFID II statuieren allgemeine Organisationspflichten für alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen (in der Terminologie des WpHG) bzw. Wertpapierfirmen (in der Terminologie des Europäischen Kapitalmarktrechts, siehe zum Anwendungsbereich bereits oben Rn 3 und zum systematischen Zusammenhang oben Rn 21). Unter den intermediärbezogenen Organisationspflichten insgesamt nehmen die genannten Bestimmungen nicht nur dem Umfang und der Komplexität nach, sondern auch im Hinblick auf den Inhalt insofern eine Sonderstellung ein, als sie allgemeine, umfassend angelegte Anforderungen an die Aufbau- und Ablauforganisation mit vielfältigen konkreten Vorgaben zu Einzelaspekten der Geschäftstätigkeit verbinden. Die Vorschriften stehen damit im Zentrum der organisationsbezogenen Anforderungen des Aufsichtsrechts, die den institutionell-organisatorischen Rahmen für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen in der Intermediär-Kunden-Beziehung bilden.102 Von Bedeutung sind die damit umrissenen Pflichten indessen nicht nur in dieser 102

Vgl. auch KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 276; Balzer ZBB 1997, 260

(264 f.); ders. ZBB 2000, 258 (260); ders. WM 2001, 1533 (1540).

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7. Teil. Organisationsregeln

Hinsicht, sondern zugleich in ihrer Eigenschaft als Regelungsvorbild für die Herausbildung eines Organisationsrechts der Administratoren von Referenzgrößen (Benchmarks, dazu unten Rn 122 ff.) sowie der Betreiber der Handels- und Nachhandelsinfrastruktur (dazu unten 3. Abschnitt, Rn 141 ff. und 175 ff., 191 ff.), die sich im Hinblick auf Regelungsziele und Regelungsgehalt vielfach daran orientieren und damit korrespondierende Pflichten bereichsspezifisch modifizieren und ergänzen. 30 § 80 WpHG nimmt insofern die Anforderungen nach § 33 WpHG a.F. auf und entwickelt sie weiter. Diese Vorschrift ging im Kern bereits auf Artt. 10 und 11 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993 zurück103 und war insbesondere im Rahmen der Umsetzung der MiFID I durch das FRUG vom 16.07.2007 umfassend reformiert worden, wobei den erweiterten Organisationspflichten in Art. 13 MiFID I Rechnung zu tragen war. Die auf der Grundlage der Ermächtigung in § 33 Abs. 4 WpHG a.F. erlassene WpDVerOV104 gestaltete in den §§ 12 und 13 a.F. die Anforderungen aus § 33 Abs. 1 Satz 2 WpHG weiter aus. Dabei waren bereits nach früherem Recht neben der MiFID I als Rahmenrechtsakt ergänzende Vorgaben eines Level-2-Rechtsakts zu beachten, konkret: Artt. 5 bis 15 und 21 f. der MiFID I-Durchführungsrichtlinie,105 welche die Organisationspflichten nach Art. 13 MiFID I konkretisierten. Auch das neue Recht ist vom Zusammenspiel aus Rahmenrechtsakt (nunmehr: Artt. 16 und 17 MiFID II) und Level-2-Rechtsakten (auf der Grundlage des Art. 16 Abs. 2 bzw. Abs. 12 MiFID II) geprägt.106 Es weicht aber insofern vom früheren Recht ab, als die Konkretisierung auf Level 2 nunmehr nicht mehr nur in Gestalt einer Richtlinie (Delegierte RL (EU) 2017/593),107 sondern in erster Linie in einer Durchführungsverordnung (VO [EU] 2017/565, siehe schon oben Rn 21) erfolgt, die unmittelbar im nationalen Recht wirkt. Die Vorschriften der §§ 80, 81 WpHG und die Artt. 21 ff. DVO MiFID II sind daher von vornherein als Einheit auszulegen und anzuwenden, zumal Überschneidungen zwischen den Regelungsebenen – nationales Umsetzungsrecht und Durchführungsverordnung – zahlreich sind. § 81 WpHG, der ohne Regelungsvorbild im bisherigen Recht ist, aber inhaltlich nur ohnehin bestehende Pflichten konkretisiert, ergänzt die Organisationspflichten um eine Präzisierung der Geschäftsleiterverantwortung in diesem Zusammenhang.

103

104

105

Vgl. zur Einführung Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 12/7918, S. 105; Darstellungen zur Regelungsgeschichte bei Schwark/Zimmer/Fett § 33 WpHG Rn 1; Fuchs/Fuchs § 33 WpHG Rn 2; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 2 ff.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/ Will § 33 Rn 5 ff.; zur Entwicklung auch Binder in Busch/Ferrarini, Regulation of EU Financial Markets, Rn 3.07 ff.; ders. ZGR 2015, 667 (680 ff.). Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung – WpDVerOV) vom 20.07.2007 (BGBl. 2007 I S. 1432), zuletzt geändert durch Art. 16 Abs. 4 Gesetz vom 30.6.2016 (BGBl. 2016 I S. 1514). Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie

478

106 107

2004/39/EG des Europäischen Parlaments in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl.EU 2006 L 241/26. Dazu näher insbesondere KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 7 ff. Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden, Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung beziehungsweise Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen oder anderen monetären oder nicht-monetären Vorteilen, ABl.EU 2017 L 87/500.

Jens-Hinrich Binder

2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

Die – komplexe – Entstehungsgeschichte der Normen ist für ihre praktische Umsetzung 31 insofern von Bedeutung, als der gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Hintergrund der einzelnen Entwicklungsstufen naturgemäß für die Auslegung zu beachten ist. Die mehrfache Neufassung der Vorschriften im deutschen Recht erschwert indessen die Rekonstruktion des Zusammenhangs zwischen den einzelnen Regelungen des deutschen Rechts und den jeweils damit umgesetzten Vorschriften des Europäischen Sekundärrechts erheblich, zumal die Materialien zur Neufassung mit dem 2. FiMaNoG 2017 nur bei neu eingeführten Vorschriften den unionsrechtlichen Hintergrund detailliert nachweisen. Die nachfolgende Übersicht bereitet daher für die materiell-rechtlichen Vorgaben die wesentlichen Zusammenhänge tabellarisch auf: Geltendes Recht: § 80 WpHG nF

Vorgängerregelung in § 33 WpHG aF

ursprüngliche Vorgabe im Europ. Sekundärrecht

geltendes Europ. Sekundärrecht

Abs. 1 Satz 1

Abs. 1 Satz 1 (eingeführt durch FRUG 2007)

Art. 13 Abs. 1 MiFID I

Art. 16 Abs. 1 MiFID II

Abs. 1 Satz 2 Nr. 1

Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 (eingeführt durch FRUG 2007)

Art. 13 Abs. 4 MiFID I sowie Art. 5 Abs. 3 MiFID I-DurchführungsRL

Art. 16 Abs. 4 MiFID II

Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (eingeführt durch 2. FMFG 1994; inhaltlich verändert durch FRUG 2007)

Art. 10 Abs. 1 UAbs. 5 WertpapierdienstleistungsRL; inhaltlich verändert durch Art. 13 Abs. 3, 18 MiFID I sowie Art. 21, 22 und 25 MiFID I-DurchführungsRL

Art. 16 Abs. 3 UAbs. 1 und Art. 23 Abs. 1 MiFID II

Abs. 1 Satz 2 Nr. 2

Abs. 1 Satz 2 Nr. 3

Abs. 1 Satz 2 Nr. 3a (eingeführt durch AnsFuG 2011)

Abs. 1 Satz 2 Nr. 4

Art. 16 Abs. 5 UAbs. 3 MiFID II

Abs. 1 Satz 3

Verweisung auf die einschlägigen Bestimmungen der DVO MiFID II

Abs. 2 Satz 1

Abs. 1a Satz 1 (eingeführt durch HfreqHdlG 2013)

Abs. 2 Satz 2

Abs. 1a Satz 2 (eingeführt durch HfreqHdlG 2013)

Abs. 2 Satz 3 Nr. 1

Abs. 1a Satz 3 Nr. 1 (eingeführt durch HfreqHdlG 2013)

Jens-Hinrich Binder

Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 MiFID II

479

7. Teil. Organisationsregeln Geltendes Recht: § 80 WpHG nF

Vorgängerregelung in § 33 WpHG aF

Abs. 2 Satz 3 Nr. 2

Abs. 1a Satz 3 Nr. 2 (eingeführt durch HfreqHdlG 2013)

Abs. 2 Satz 3 Nr. 3

Abs. 1a Satz 3 Nr. 3 (eingeführt durch HfreqHdlG 2013)

Abs. 2 Satz 4

Abs. 1a Satz 4 (eingeführt durch HfreqHdlG 2013)

ursprüngliche Vorgabe im Europ. Sekundärrecht

geltendes Europ. Sekundärrecht

Abs. 2 Satz 5

Art. 17 Abs. 2 UAbs. 1 MiFID II

Abs. 3 Satz 1

Art. 17 Abs. 2 UAbs. 4 MiFID II

Abs. 3 Satz 2

Art. 17 Abs. 2 UAbs. 5 MiFID II

Abs. 3 Satz 3

Art. 17 Abs. 2 UAbs. 4, 5 MiFID II

Abs. 4 Nr. 1

Art. 17 Abs. 3 a) MiFID II

Abs. 4 Nr. 2

Art. 17 Abs. 3 b) MiFID II

Abs. 4 Nr. 3

Art. 17 Abs. 3 c) MiFID II

Abs. 5

Art. 17 Abs. 4 MiFID II

Abs. 6 Satz 1

Abs. 2 Satz 1 (eingeführt durch FRUG 2007)

Art. 13 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 1 MiFID I sowie Art. 14 MiFID I-DurchführungsRL

Abs. 6 Satz 2

Abs. 2 Satz 2 (eingeführt durch FRUG 2007)

Art. 13 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 MiFID I sowie Art. 14 I b) MiFID I-DurchführungsRL

Abs. 6 Satz 3

Abs. 2 Satz 3 (eingeführt durch FRUG 2007)

Art. 13 Abs. 5 UAbs. 1 MiFID I sowie Art. 14 I c) MiFID I-DurchführungsRL

Abs. 6 Satz 4

Verweisung auf die einschlägigen Bestimmungen der DVO MiFID II

480

Jens-Hinrich Binder

2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen Geltendes Recht: § 80 WpHG nF

Vorgängerregelung in § 33 WpHG aF

Abs. 7 Satz 1

Abs. 3a Satz 1 (eingeführt durch Honoraranlageberatungsgesetz 2013)

Abs. 7 Satz 2

Abs. 3a Satz 2 (eingeführt durch Honoraranlageberatungsgesetz 2013)

Abs. 7 Satz 3

Abs. 3a Satz 3 (eingeführt durch Honoraranlageberatungsgesetz 2013)

ursprüngliche Vorgabe im Europ. Sekundärrecht

Abs. 8

geltendes Europ. Sekundärrecht

Art. 12 Abs. 1 UAbs. 2 MiFID IIDurchführungsRL 2017/593

Abs. 9 Satz 1

Abs. 3b Satz 1 (eingefügt durch KASG 2015)

Art. 16 Abs. 3 UAbs. 2 MiFID II

Abs. 9 Satz 2

Abs. 3b Satz 2 (eingefügt durch KASG 2015)

Art. 16 Abs. 3 UAbs. 3 MiFID II

Abs. 9 Satz 3

Abs. 3b Satz 4 (eingefügt durch KASG 2015)

Art. 16 Abs. 3 UAbs. 3 MiFID II

Abs. 9 Satz 4

Abs. 3b Satz 5 (eingefügt durch KASG 2015)

Art. 16 Abs. 3 UAbs. 3 MiFID II

Abs. 10 Satz 1

Abs. 3c Satz 1 (eingefügt durch KASG 2015)

Art. 16 Abs. 3 UAbs. 4 Satz 1 MiFID II

Abs. 10 Satz 2

Abs. 3c Satz 2 (eingefügt durch KASG 2015)

Art. 16 Abs. 3 UAbs. 4 Satz 2 MiFID II

Abs. 11 Satz 1

Abs. 3d Satz 1 (eingefügt durch KASG 2015)

Art. 16 Abs. 3 UAbs. 5 MiFID II

Abs. 11 Satz 2

Abs. 3d Satz 2 (eingefügt durch KASG 2015)

Art. 16 Abs. 3 UAbs. 6 MiFID II

Abs. 12 Satz 1

Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2, Abs. 3 Satz 1 MiFID II-DurchführungsRL 2017/593

Jens-Hinrich Binder

481

7. Teil. Organisationsregeln Geltendes Recht: § 80 WpHG nF

Vorgängerregelung in § 33 WpHG aF

ursprüngliche Vorgabe im Europ. Sekundärrecht

geltendes Europ. Sekundärrecht

Abs. 12 Satz 2

Art. 10 Abs. 3 Satz 1 MiFID II-DurchführungsRL 2017/593

Abs. 12 Satz 3

Art. 10 Abs. 3 Satz 2 MiFID II-DurchführungsRL 2017/593

Abs. 13 Satz 1

Art. 10 Abs. 4 MiFID II-DurchführungsRL 2017/593

Abs. 13 Satz 2

Art. 9 Abs. 7 und Art. 10 Abs. 6 MiFID II-DurchführungsRL 2017/593

Abs. 13 Satz 3 Abs. 13 Satz 4 Abs. 14 Satz 1 Abs. 14 Satz 2

32

b) Nebeneinander bankaufsichtsrechtlicher und kapitalmarktrechtlicher Organisationspflichten. Neben den §§ 80, 81 WpHG sowie den Artt. 21 ff. DVO MiFID II zu beachten sind die prudenziell-institutsbezogenen bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten nach § 25a Abs. 1 und § 25e KWG, auf die in § 80 Abs. 1 Satz 1 WpHG klarstellend108 verwiesen wird und die ihrerseits durch die von der BaFin als einfache Verwaltungsgrundsätze veröffentlichten Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk ergänzt werden.109 Das deutsche Umsetzungsrecht setzt mit der systematischen Trennung zwischen prudenziell-institutsbezogenen und stärker transaktionsbezogenen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten die zweigleisige Ausgestaltung fort, die der Vermeidung duplikativer Vorgaben110 dient und bereits das frühere Recht prägte (vgl. bereits die Verweisung auf § 25a Abs. 1 und 2 sowie auf § 25e KWG in § 33 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F.).111 Im Europäischen Bankaufsichts- und Kapitalmarktrecht findet diese Regelungstechnik insofern eine Entsprechung, als die in den §§ 25a und 25e KWG umgesetzten organisationsrechtlichen Anforderungen aus Artt. 74 ff. CRD IV sowohl auf Kreditin-

108

109

Vgl. bereits für die entsprechende Verweisung in § 33 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. z.B. Schwark/Zimmer/Fett WpHG § 33 Rn 5; Mülbert/Wilhelm ZHR 178 (2014), 502 (505). Zuletzt veröffentlicht in der Fassung vom 27.10.2017. Siehe dazu allgemein z.B. Fuchs/Fuchs WpHG, § 33 Rn 12; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 32 ff.; aus der bankaufsichtsrechtlichen Kommentarliteratur eingehend Boos/Fi-

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110 111

scher/Schulte-Mattler/Braun KWG/CRR, § 25a Rn 68 ff.; Binder/Glos/Riepe/Benzler/ Krieger § 11. Vgl. bereits Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 70. Vgl. zum früheren Recht näher KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 8; dazu und zu den Regelungsvorläufern seit der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 1993 und dem 2. FMFG Binder ZGR 2015, 667 (688 f.).

Jens-Hinrich Binder

2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

stitute als auch auf Wertpapierfirmen – zusammen „Institute“ i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 CRD IV, Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR (zur Terminologie bereits oben Rn 3) – Anwendung finden. Wie bereits nach früherem Recht, unterwerfen diese Vorgaben die interne Corporate Governance der Regelungsadressaten als solche, d.h. unabhängig von transaktionsbezogenen Organisationspflichten, im Interesse des Unternehmens- und Solvenzschutzes präventiven Sicherheitsstandards. Intermediär-Kunden-Beziehungen sind davon von vornherein nicht individuell und nur sehr indirekt betroffen, nämlich insofern, als auch die Gegenparteien der Institute allgemein von der dadurch (idealiter) erhöhten Stabilität der Anbieter von Intermediationsleistungen profitieren (siehe schon oben Rn 9). Insofern gilt für das Investment Banking nichts anderes als für das Commercial Banking; im hiesigen Zusammenhang sind diese Pflichten nicht im Detail zu entfalten.112 Im Unterschied zum deutschen Umsetzungsrecht wird die „Arbeitsteilung“ zwischen den prudenziell-institutsbezogenen Organisationspflichten des Bankaufsichts- und den transaktionsbezogenen Organisationspflichten des Kapitalmarktrechts im Europäischen Recht allerdings weniger stringent durchgehalten. Schon vor der Neufassung auch der organisationsrechtlichen Pflichten der Kapitalmarktintermediäre durch Art. 16 MiFID II sowie die DVO-MiFID II hatten Art. 13 MiFID I sowie die diesen konkretisierenden Artt. 5–9 der MiFID I-Durchführungsrichtlinie (oben Rn 30) Organisationspflichten vorgesehen, die Überschneidungen mit den Organisationspflichten des damaligen materiellen Bankaufsichtsrechts113 aufwiesen. Im neuen Recht setzt sich diese Entwicklung nicht nur fort, sondern wird durch die Aufnahme der die MiFID II ergänzenden Level-2-Bestimmungen in eine Verordnung statt bislang eine Richtlinie (siehe bereits oben Rn 30) sogar noch verschärft. Bei alledem illustriert bereits die für die MiFID II charakteristische explizite Erweite- 33 rung des regulatorischen Zielprogramms um Aspekte der Systemstabilität (siehe schon oben Rn 9), dass prudenziell-institutsbezogene und transaktionsbezogene Organisationspflichten hier nicht mehr nur als zwar funktional verwandte, aber dennoch eigenständige Normenkomplexe, sondern als unterschiedliche Facetten einer einheitlichen Regelungsmaterie begriffen werden. Deutlich wird dies bereits in den Erwägungsgründen der Richtlinie, die die Ziele der (Wieder-) Herstellung der Marktintegrität und des Anlegervertrauens mit in der Krise zutage getretenen „Schwächen in der Funktionsweise und bei der Transparenz der Finanzmärkte“114 sowie mit entsprechenden Erwägungen die Notwendigkeit eines Ausbaus der corporate-governance-bezogenen Regulierung begründen: „Schwächen in der Unternehmensführung und -kontrolle von mehreren Finanzinstituten, darunter das Fehlen wirksamer institutsinterner Kontrollen, [waren] einer der Faktoren […], die zur Finanzkrise beigetragen haben. Die übermäßige und unvorsichtige Übernahme von Risiken kann auf mitgliedstaatlicher und globaler Ebene zum Ausfall einzelner

112

113

Siehe dazu für das Europäische Kapitalmarktrecht näher Binder in Busch/Ferrarini, Regulation of EU Financial Markets, Rn 3.04 ff.; allgemein zur prudenziellen Regulierung von Kapitalmarktintermediären im europäischen Bankaufsichtsrecht auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 379 ff. Siehe im Einzelnen Art. 22 i.V.m. Anhang V sowie Art. 123 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2006 über die angemessene Ei-

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genkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung), ABl.EU 2006 L 177/201, für Wertpapierfirmen darauf verweisend Art. 34 Richtlinie 2006/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung), ABl.EU 2006 L 177/201; dazu Binder ZGR 2015, 667 (683 f.). Erwägungsgrund 4 MiFID II.

Jens-Hinrich Binder

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7. Teil. Organisationsregeln

Finanzinstitute und zu Systemproblemen führen. Das Fehlverhalten von Firmen, die Dienstleistungen für Kunden erbringen, kann zu Nachteilen für die Anleger und einem Vertrauensverlust führen. Um der potenziell schädigenden Wirkung dieser Schwächen bei den Unternehmensführungsregelungen entgegenzuwirken, sollte die [MiFID I] um detailliertere Grundsätze und Mindeststandards ergänzt werden. Diese Grundsätze und Standards sollten der Art, dem Umfang und der Komplexität von Wertpapierfirmen Rechnung tragen.“115 34 Legt man diese Perspektive zugrunde, werden die mehrfachen Überschneidungen zwischen den bankaufsichts- und kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten im Ausgangspunkt nachvollziehbar. Sie erweisen sich als Konsequenz eines einheitlichen, auf die Corporate Governance von Finanzintermediären allgemein ausgerichteten präventiven Regulierungskonzepts, das einen weltweiten Trend zur Stärkung der internen Corporate Governance der Finanzintermediäre im Interesse sowohl des Anleger- und Funktionsschutzes als auch der Systemstabilität nach der globalen Finanzkrise widerspiegelt und sich darin einreiht.116 Zweifeln ausgesetzt ist dieser Ansatz schon deshalb, weil empirische Befunde, soweit überhaupt verfügbar, die damit verbundene regulatorische Gleichbehandlung verschiedener Intermediärstypen mit unterschiedlichem Geschäftsprofil allenfalls in engen Grenzen tragen. Näher untersucht ist bislang, wenn auch mit nicht eindeutigen Ergebnissen, vor allem die interne Corporate Governance von Kreditinstituten, denen nach der Krise insbesondere vielfach unzureichende Vorkehrungen zum Risikomanagement attestiert wurden.117 Die damit verbundenen – wenig belastbaren – Erkenntnisse mögen auch auf die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen durch die erfassten (Universal-)Banken übertragbar sein; an tragfähigen empirischen Erkenntnissen zur Übertragbarkeit auf spezialisierte Kapitalmarktintermediäre fehlt es indessen ebenso wie an einer systematischen Aufarbeitung der Governance-Strukturen derselben. Ist schon für Kreditinstitute der Ausbau der corporate-governance-bezogenen Pflichten in Reaktion auf die globale Finanzkrise durchaus zweifelhaft,118 gilt dies damit auch und erst recht für die Entwicklung der korrespondierenden Pflichten für Wertpapierdienstleister, die nicht auf empirische Erkenntnisse zu konkret beobachtbaren Defiziten gestützt werden kann.119 35 Auch unabhängig davon kann die systematische Abstimmung zwischen Bankaufsichtsund Kapitalmarktrecht im Europäischen Recht nicht als befriedigend bewertet werden. Obwohl es einer Doppelerfassung angesichts der Erstreckung der bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen der CRD IV auf Wertpapierfirmen nicht bedurft hätte, sieht das Europäi-

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116

Erwägungsgrund 5 MiFID II; zur Einordnung Binder in Busch/Ferrarini, Regulation of EU Financial Markets, Rn 3.05 f. Vgl. dazu EU-Kommission, Grünbuch: Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik, 2.6.2010, KOM(2010) 284 endg.; allgemein OECD, Corporate Governance and the Financial Crisis: Key Findings and Main Messages, 2009; dies., Corporate Governance and the Financial Crisis: Conclusions and Emerging Good Practices to Enhance Implementation of the Principles, 2010; siehe dazu z.B. Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 357 f.; Veil/Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 13; Binder ZGR 2015, 667 (669 ff.); Veil/Lerch

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117

118 119

WM 2012, 1557 (1560); kritisch Buschmann NZG 2011, 87 ff.; Mülbert ZHR 174 (2010), 375 (377 ff.). Zusf. stellvertretend Binder in Busch/Ferrarini, Regulation of EU Financial Markets, Rn 3.06; siehe auch dens. ZGR 2015, 667 (697 f.); Mülbert ZHR 174 (2019), 375 (377 ff.); dens. EBOR 10 (2009), 411, 433 f.; dens./Citlau in Birkmose/Neville/Sørensen, The European Financial Market in Transition, S. 275 ff. Siehe nur Binder ZGR 2015, 667 (703 f.); Mülbert ZHR 174 (2019), 375 (377 ff.). Binder in Busch/Ferrarini, Regulation of EU Financial Markets, Rn 3.06, 3.59–3.60.

Jens-Hinrich Binder

2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

sche Recht für die Regelungsadressaten teilweise duplikative und damit redundante Anforderungen vor. Dies betrifft schon die allgemeinen Vorgaben für die organisatorisch-infrastrukturelle Ausstattung der Wertpapierdienstleister (vgl. Art. 16 Abs. 4 MiFID II, Art. 21 DVO MiFID II, § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG nF), die mit den allgemeinen Anforderungen nach Art. 74 Abs. 1 und 2 sowie Art. 88 Abs. 1 CRD IV deutliche Parallelen aufweisen. Am deutlichsten treten die Überschneidungen sodann in den jeweiligen Anforderungen an das Risikomanagement und die Innenrevision zutage (vgl. einerseits Art. 16 Abs. 5 UAbs. 2 MiFID II, Artt. 23 und 24 Abs. DVO MiFID II, andererseits Art. 74 Abs. 1 und Art. 76 CRD IV). Vor diesem Hintergrund ist die stärkere Segregation der Regelungsmaterien im deutschen Recht, das auch nach der Neufassung durch das 2. FiMaNoG die Anforderungen an das Risikomanagement allein im Kreditwesengesetz umsetzt, zwar systematisch konsequent. Dies führt jedoch zu einer gespaltenen Auslegung der bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen. Diese sind für Institute, die nicht zugleich als Wertpapierfirmen i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II zu qualifizieren sind und daher nicht in den Anwendungsbereich der DVO MiFID II fallen, anders auszulegen als für Institute, die zugleich Wertpapierdienstleistungen erbringen und für die sich die maßgeblichen Anforderungen daher aus einem Zusammenwirken von § 25a Abs. 1 KWG und den Vorschriften der DVO MiFID II ergeben. Ähnliche Probleme bestehen im Hinblick auf die Anforderungen an die Compliance, die nach neuem Recht teilweise aus § 25a Abs. 1 KWG, inhaltlich aber im Wesentlichen aus Art. 22 DVO MiFID II resultieren (siehe dazu auch noch unten Rn 50). c) Systematik und wesentlicher Inhalt der §§ 80, 81 WpHG – Überblick. § 80 WpHG 36 ist wie die Vorgängerregelung des § 33 WpHG aF die zentrale Rechtsgrundlage für diejenigen Pflichten, welche die materiellen Wohlverhaltenspflichten der §§ 63 ff. WpHG organisatorisch absichern sollen; er verklammert damit zugleich die Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen der MiFID II mit den konkretisierenden Vorschriften der DVO MiFID II. In systematischer Hinsicht bilden die hier nicht im Detail zu erörternden bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten nach § 25a Abs. 1 sowie § 25e KWG dabei den allgemeinen Rahmen, auf den nachfolgend nur insoweit einzugehen ist, wie dies für das Verständnis der spezifisch kapitalmarktrechtlichen Vorgaben erforderlich ist. Letztere sehen zunächst – mit den prudenziellen Anforderungen des Bankaufsichtsrechts teilweise deckungsgleiche – allgemeine Organisationspflichten vor (§ 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Satz 3 WpHG, Art. 21 DVO MiFID II, unten Rn 44–49), konkretisieren sodann die Vorgaben an die Compliance (Art. 22 DVO MiFID II, darauf verweisend § 80 Abs. 1 Satz 3 WpHG, unten Rn 50–58) und verpflichten zu organisatorischen Vorkehrungen zur Bewältigung von Interessenkonflikten (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WpHG, unten Rn 59–69). Hinzu kommen insbesondere Vorgaben für die Auslagerung von Funktionen (§ 80 Abs. 6 WpHG; Artt. 30 bis 32 DVO MiFID II, unten Rn 79, 81 ff.), spezielle Pflichten für die Organisation der Anlageberatung (§ 80 Abs. 7 und 8 WpHG, unten Rn 84) sowie Anforderungen an die Produkt-Governance (§ 80 Abs. 9 bis 13 WpHG, unten Rn 87 f.). Im Unterschied zum früheren Recht werden die Pflichten der Geschäftsleiter der Wertpapierdienstleistungsunternehmen in § 81 WpHG umfassend konkretisiert (Rn 89), der insoweit neben die allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben aus § 25c Abs. 3 KWG tritt. d) Regelungstechnik. Sowohl die organisationsrechtlichen Anforderungen des Euro- 37 päischen Kapitalmarktrechts als auch die deutschen Umsetzungsvorschriften sind – wie bereits das bisherige Recht120 – dem Leitbild prinzipienbasierter Regulierung verpflichtet. 120

Zu den Anforderungen des bisherigen europäischen Rechts insoweit Veil/Wundenberg

EuKapMR § 29 Rn 5 ff.; eingehend für das Bankaufsichtsrecht ders. Compliance,

Jens-Hinrich Binder

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7. Teil. Organisationsregeln

Für die kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten gilt insofern nichts anderes als für andere Bereiche der Finanzmarktregulierung und insbesondere für die allgemeinen Organisationspflichten des Bankaufsichtrechts, insbes. für § 25a Abs. 1 KWG.121 Anstelle konkreter, subsumtionsfähiger Vorgaben, welche die Regulierungsadressaten zu spezifischen organisatorischen Maßnahmen verpflichteten, werden ungeachtet der beträchtlichen Ausdifferenzierung der Organisationspflichten zu einem erheblichen Teil lediglich generalklauselartige qualitative Vorgaben formuliert („angemessene Vorkehrungen“, „auf Dauer wirksame Vorkehrungen“, „solide Sicherungsmechanismen“, „belastbare Handelssysteme“, „ausreichende Kapazitäten“, etc.). Die damit erreichte Flexibilisierung der Anforderungen soll es den Regulierungsadressaten, aber insbesondere auch der Aufsicht ermöglichen, angemessen auf die Bedürfnisse jedes konkreten Sachverhalts zu reagieren.122 Dies trägt der Einsicht Rechnung, dass die empirisch vorfindlichen Intermediärstypen in den europäischen Kapitalmärkten erhebliche Unterschiede im Hinblick auf Größe, Geschäftsmodelle, Rechtsformen und Organisationsstrukturen aufweisen.123 Gerade deshalb liegt es in der Natur prinzipienbasierter Regulierung, dass die offen gehaltenen Standards erst im Verlauf der Regelanwendung – und damit konkret: zunächst in der praktischen Umsetzung durch die Regulierungsadressaten selbst und sodann in der Beurteilung der von ihnen getroffenen Vorkehrungen durch die Aufsichtsbehörde – konkretisiert werden, was jedenfalls in Ermangelung aufsichtsbehördlicher Festlegungen auf bestimmte Beurteilungskriterien ex ante zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt.124

38

e) Sanktionen bei Verstößen, insbes. zivilrechtliche Haftung. Vorsätzlich oder leichtfertig begangene Verstöße gegen die Anforderungen aus §§ 80, 81 WpHG begründen zunächst in den gesetzlich angeordneten Fällen Ordnungswidrigkeiten nach Maßgabe des § 120 Abs. 8 Nr. 97 bis 112 i.V.m. Abs. 20 WpHG, worauf im jeweiligen Sachzusammenhang einzugehen ist. Die Neufassung der intermediärbezogenen Organisationspflichten hat damit die für das frühere Recht charakteristische Zurückhaltung bei der Sanktionierung von Verstößen125 in nicht geringem Umfang aufgegeben, auch wenn weiterhin nicht jede Einzelregelung ordnungswidrigkeitenrechtlich abgesichert wird. Dessen ungeachtet unterliegen Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch im Hinblick auf die Einhaltung der Anforderungen aus §§ 80, 81 WpHG der Aufsicht durch die BaFin, die dazu auch ohne besonderen Anlass Prüfungen nach § 88 Abs. 1 Nr. 4 und 5 WpHG vornehmen und Auskünfte sowie die Vorlage von Unterlagen nach § 88 Abs. 2 WpHG verlangen kann. Dies entspricht im Wesentlichen der früheren Rechtslage (vgl. § 35 Abs. 1 und 2 WpHG a.F.). 39 Auch weiterhin nicht ausdrücklich geregelt ist die zum früheren Recht umstrittene Frage nach zivilrechtlichen Haftungssanktionen für Verstöße. Diese ist nicht identisch mit der nur auf den ersten Blick parallel gelagerten Frage nach der zivilrechtlichen Bedeutung

121 122

S. 15 ff., 35 ff.; siehe auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 856 f.; allgemein Veil/Walla EuKapMR § 4 Rn 43 ff.; für das Kapitalgesellschaftsrecht, aber verallgemeinerungsfähig auch Binder Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 191 ff. Siehe dazu Binder ZGR 2015, 667 (691, 697). Veil/Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 8.

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123 124

125

Veil/Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 8; vgl. auch Veil WM 2008, 1093 (1095). Vgl. wiederum Veil/Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 9 f., 14; allgemein Binder Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 192 ff.; ders. ZGR 2015, 667 (691, 697, 702 f.). Zum dafür charakteristischen Ansatz der nur punktuellen Absicherung durch Bußgeldsanktionen im Überblick Fuchs/Fuchs WpHG, § 33 Rn 183 f.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

der transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG a.F. (§§ 63 ff. WpHG n.F.). Gerade weil den Organisationspflichten der unmittelbare Transaktionsbezug fehlt und die geregelten Sachverhalte damit strukturell anders gestaltet sind, lassen sich die für und gegen eine zivilrechtliche Bedeutung der transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten entwickelten Argumente (dazu Grundmann 8. Teil Rn 223–225) nicht ohne weiteres auf sie übertragen.126 Im Vergleich mit den transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten handelt es sich deutlich stärker um die Ausprägung eines prozeduralen Regulierungskonzepts, das auf die organisatorischen Rahmenbedingungen für die Geschäftsaktivitäten einwirkt und diese für die kapitalmarktrechtlichen Schutzziele (Anleger- und Funktionsschutz, Systemstabilität, oben Rn 8 f.) in die Pflicht nimmt.127 Gerade weil deshalb nicht konkrete materielle Lösungen vorgegeben werden, sondern die Selbstanalyse und die darauf gestützte Selbstorganisation durch die Regelungsadressaten im Vordergrund stehen,128 wird die Begründung einer zivilrechtlichen Haftung wegen Verletzung der einzelnen Pflichten von vornherein erschwert. Sie ist überhaupt nur insoweit denkbar, als tatsächlich die jeweils einschlägige Bestimmung selbst konkrete Gestaltungen vorgibt oder sich dafür jedenfalls einheitliche Auslegungskriterien etabliert haben, die den ergebnisoffenen Gestaltungsspielraum der Normadressaten entsprechend eingrenzen. In der Sache selbst kommt bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zunächst – im Aus- 40 gangspunkt wie bei den transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten – eine Einordnung der Anforderungen als Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB in Betracht, die eine direkte Inanspruchnahme der für die Verstöße Verantwortlichen und damit insbesondere die Leitungsorgane der Wertpapierdienstleister ermöglichen würde. Dies wurde für die Organisationspflichten nach § 33 WpHG a.F. ganz überwiegend unter Hinweis darauf abgelehnt, dass es an einem konkreten Kundenbezug fehle.129 Im Unterschied zur Frühphase der Rechtsetzung mit dem 2. FMFG 1994130 kann dagegen angesichts der ungleich weitergehenden Ausdifferenzierung der Vorschriften nicht mehr eingewandt werden, die einschlägigen Pflichten seien zu unbestimmt, um diese Einordnung zu tragen. Zwar bietet auch die aktuelle Generation der Organisationspflichten schon infolge der Orientierung am Leitbild prinzipienbasierter Regulierung (soeben Rn 36) keineswegs durchweg konkret subsumtionsfähige Ge- oder Verbote, die nur eine bestimmte Organisationsentscheidung der Adressaten als rechtmäßig erscheinen ließe. Dennoch ist der Detailgrad der Vorgaben

126

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Insoweit übereinstimmend für § 33 WpHG a.F. bereits Fuchs/Fuchs WpHG, § 33 Rn 186 (Schutzgesetzqualität) und Rn 188 (vertragliche Haftung); KölnKomm WpHG/Meyer/ Paetzel/Will § 33 Rn 276 (Schutzgesetzqualität); Hopt ZHR 159 (1995), 135 (160 f.); Kumpan/Hellgardt DB 2007, 1714 (1716). Vgl. zu prozeduralen Regulierungsansätzen am Beispiel des Kapitalgesellschaftsrechts, aber verallgemeinerungsfähig Binder ZGR 2007, 745 ff. Wiederum verallgemeinerungsfähig Binder ZGR 2007, 745 (783 ff.). BGH Urt. v. 8.5.2001 – XI ZR 192/00, BGHZ 147, 343 (352 f.); Schwark/Zimmer/ Fett WpHG § 33 Rn 4; Fuchs/Fuchs WpHG, § 33 Rn 6, 186; Assmann/Schneider/Koller WpHG Vor § 31 Rn 7; KölnKomm WpHG/

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Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 276; Balzer ZBB 1997, 260 (262 f.); ders. ZBB 2000, 258 (260); ders. WM 2001, 1533 (1540); Gößmann BuB Rn 7/1457 f.; Hopt ZHR 159 (1995), 135 (160 f.); Kumpan/Hellgardt DB 2007, 1714 (1716); abw. lediglich Ebenroth/ Boujong/Joost/Grundmann HGB, BankR VI Rn 320; Fischbach S. 198, 211 f. (Schutzgesetzeigenschaft, soweit Tätigkeitsbezug infolge des Zusammenhangs mit Wohlverhaltenspflichten feststellbar); ähnlich Scharpf S. 218 ff. Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierhandelsrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) vom 26.07.1994, BGBl. 1994 I S. 1749.

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7. Teil. Organisationsregeln

heute so hoch und wird zudem durch die Ergänzung durch aufsichtsbehördliche Verlautbarungen der BaFin (MaRisk, MaComp) und ggf. der ESMA (Leitlinien) in einem Maße weiter ausgestaltet, dass sich in vielen Fällen durchaus konkrete Gestaltungsvorgaben gewinnen lassen.131 Nicht überzeugend ist angesichts des Funktionszusammenhangs zwischen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten auch die wiederholt vorgebrachte These, letztere dienten allein dem kapitalmarktrechtlichen Funktionsschutz.132 Gegen die Qualifikation als Schutzgesetz spricht aber in der Tat, dass die Einhaltung oder Nichteinhaltung der Organisationspflichten für die Kunden der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht unmittelbar, sondern stets nur im Zusammenhang mit der Einhaltung ihrer konkreten vertraglichen Pflichten von Bedeutung ist. Soweit überhaupt ein mittelbarer Bezug zur Intermediär-Kundenbeziehung besteht (siehe zur Zielrichtung der Regelungen schon oben Rn 9 f. und noch im Einzelnen unten Rn 44 ff.), geht es darum, die Einhaltung der Verpflichtungen der Unternehmen gegenüber ihren Kunden abstrakt abzusichern. Von unmittelbarer Relevanz für die wirtschaftliche Position der Kunden ist allein die Einhaltung der transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten. Dies kann für die Annahme der Schutzgesetzqualität jedoch nicht ausreichen.133 Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB scheidet bei Verletzung der Anforderungen aus §§ 80, 81 WpHG bzw. der Organisationspflichten nach der DVO MiFID II damit aus. 41 Auch die Einordnung als Anknüpfungspunkt für eine vertragliche Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst gegenüber ihren Kunden stößt angesichts der abstrakten, nicht unmittelbar transaktionsbezogenen Zielrichtung auf Begründungsprobleme.134 Eine Haftung wegen Verletzung vertraglicher Pflichten muss evidentermaßen primär an die Verletzung unmittelbar transaktionsbezogener Pflichten anknüpfen. Dabei dürfen richtigerweise die Wohlverhaltenspflichten bei der Bestimmung des vertraglichen Pflichtenprogramms nicht ausgeklammert, sondern müssen zur Konkretisierung herangezogen werden (zur Begründung Grundmann 8. Teil Rn 223 f.). Soweit die kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten überhaupt Kundenbezug haben, was etwa für die Vorgaben zur Vertraulichkeit kundenbezogener Informationen (Art. 21 Abs. 2 DVO MiFID II, dazu unten Rn 47), zur Gewährleistung der Kontinuität des Geschäftsbetriebs (§ 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG, Art. 21 Abs. 3 DVO MiFID II, dazu unten Rn 49) und für einzelne Aspekte der allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Compliance-Pflichten (Art. 22 DVO MiFID II, dazu unten Rn 50 ff.) bejaht werden kann, wird es eines Rückgriffs darauf zur Be-

131

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133

Vgl. zur ursprünglichen Fassung des § 33 WpHG a.F. demgegenüber noch Hopt ZHR 159 (1995), 135 (160 f.); gleichsinnig auch Spindler Unternehmensorganisationspflichten, S. 828. So aber – zu § 33 Abs. 1 WpHG a.F. – explizit Casper in Bankrechtstag 2008, S. 139 (164), der freilich verkürzend davon ausgeht, aus der Annahme einer anleger- bzw. individualschützenden Zielrichtung folge zwingend zugleich die zivilrechtliche Haftungssanktion; in diese Richtung wohl auch BGH Urt. v. 08.05.2001 – XI ZR 192/00, BGHZ 147, 343 (352 f.). Überzeugend Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 186; in diese Richtung – als Hilfsüberlegung – auch bereits Spindler Unternehmens-

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organisationspflichten, S. 828 f. („Aufklärungs- und Beratungspflichten“ als „primäre Pflichten“). Im Ausgangspunkt richtig wiederum Fuchs/ Fuchs WpHG § 33 Rn 188; im Ergebnis übereinstimmend, aber in der Begründung widersprüchlich und nicht überzeugend auch bereits Schwennicke WM 1998, 1101 (1102), wonach die Pflichten aus § 33 WpHG a.F. zwar zusammen mit den Anforderungen aus § 31 Abs. 1 WpHG a.F. „das Maß der erforderlichen Sorgfalt, mit der das Kreditinstitut die Wertpapierdienstleistung zu erbringen hat (§§ 383 Abs. 1, 347 HGB, 675, 276 BGB)“ konkretisierten, aber dennoch als „rein aufsichtsrechtliche[.] Bestimmungen“ ohne Haftungsrelevanz sein sollen.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

gründung entsprechender Vertragspflichten indessen nicht bedürfen: Behandelt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen etwa kundenbezogene Informationen nicht vertraulich, wird darin regelmäßig nicht nur ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Schranken, sondern auch eine Verletzung vertraglicher Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) zu erblicken sein. Wird das Unternehmen infolge technisch unzureichender EDV-Sicherheit an der kontinuierlichen Ausführung von Kundenaufträgen gehindert, liegt darin sogar ein Verstoß gegen seine vertraglichen Hauptpflichten. Auch in derartigen Fällen, in denen die Annahme eines unmittelbaren Kundenbezugs noch am nächsten liegt, stehen in haftungsrechtlicher Hinsicht die durch die jeweiligen Vertragsbedingungen und durch die transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten konturierten vertraglichen Verhaltenspflichten im Vordergrund. Ausschlaggebend für eine vertragliche Haftung ist, mit anderen Worten, naturgemäß der Erfolg der Vertragspflichtverletzung, nicht ein etwaiges Versagen derjenigen organisatorischen Vorkehrungen, die diesen Erfolg hätten verhindern sollen und ggf. verhindern können. Doch lassen Organisationsdefizite – und damit Verstöße gegen die aufsichtsrechtlichen Organisationspflichten – jedenfalls Rückschlüsse auf ein Organisationsverschulden zu. Die Verletzung der aufsichtsrechtlichen Organisationspflichten indiziert damit, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen seine Pflichten schuldhaft verletzt hat.135 Kann das Unternehmen nicht nachweisen, dass es die aufsichtsrechtlichen Standards eingehalten hat, kann es schon deshalb die Verschuldensvermutung (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht widerlegen. Praktische Bedeutung kann dies etwa dann erlangen, wenn aufgrund von EDV-Fehlern Kundenorders nicht oder nicht rechtzeitig ausgeführt werden.136 Darüber hinaus müssen die kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten – naturgemäß vor allem dort, wo sie das Informationsmanagement von Wertpapierdienstleistungsunternehmen betreffen (siehe noch unten Rn 47 und 66) – richtigerweise berücksichtigt werden, wenn es darauf ankommt, welche unternehmensintern tatsächlich oder potentiell verfügbaren Kenntnisse sich das Unternehmen im Rahmen der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten gegenüber den Kunden zurechnen lassen muss; der damit festgelegte Organisationsstandard ist, mit anderen Worten, mögliche Grundlage einer Wissenszurechnung137 (siehe auch noch unten Rn 68). Unionsrechtlich ist nichts Abweichendes gefordert. Die kapitalmarktrechtlichen Orga- 42 nisationspflichten werden zwar, wie ausgeführt, neben dem Funktionsschutz gerade auch mit dem Anlegerschutz begründet.138 Dass dies ohne Rücksicht auf die Einhaltung oder Nichteinhaltung der transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten eine zivilrechtliche Haftung gegenüber Kunden nach sich ziehen müsste, ist allerdings durch nichts belegbar, zumal diese allein aufgrund deren Verletzung noch keinen Schaden erleiden. Die Bedeutung auch der Organisationspflichten für das zivilrechtliche Pflichtenprogramm im Intermediär-Kunden-Verhältnis kann allerdings mit Blick auf den unionsrechtlichen Hin-

135 136

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So wohl auch Ebenroth/Boujong/Joost/ Grundmann HGB, BankR VI Rn 320. Vgl. zum früheren Recht, aber verallgemeinerungsfähig Balzer ZBB 2000, 258 ff.; ders., WM 2001, 1533 ff.; siehe dazu auch Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 188 mit Rn 499. Dazu näher Hauschka/Moosmeyer/Lösler/ Buck-Heeb § 2; dies. CCZ 2009, 18 ff.; siehe auch Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 123 f.; zu den zivilrechtlichen Grundlagen stellvertre-

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tend MünchKommBGB/Schubert § 116 Rn 43 ff.; Grigoleit ZHR 181 (2017), 160 ff.; siehe auch BankR-HdB/Siol § 43 Rn 22 ff.; aus der Rechtsprechung besonders BGH Urt v. 15.04.1997 – XI ZR 105/96, BGHZ 135, 202 (206 f.); BGH Urt. v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, NJW-RR 2006, 771 (773 f.). Vgl. insbes. Erwägungsgrund 54, daneben nochmals auch Erwährungsgrund 5 MiFID II; Erwägungsgrund 31 DVO MiFID II.

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7. Teil. Organisationsregeln

tergrund wiederum abschließend nur durch den EuGH im Rahmen von Vorabentscheidungsersuchen geklärt werden. Legt man auch insoweit die zu den Wohlverhaltenspflichten ergangene Bankinter-Entscheidung aus dem Jahre 2013139 zugrunde, ist allerdings nicht ersichtlich, dass und weshalb der Gerichtshof nach den darin formulierten Kriterien unmittelbar eingreifende haftungsrechtliche Sanktionen für eine Verletzung der kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten im Intermediär-Kunden-Verhältnis für erforderlich erachten würde. Die Bankinter-Entscheidung hatte die Festlegung der „vertraglichen Folgen eines Verstoßes“ bekanntlich den Mitgliedstaaten überlassen, „wobei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden müssen“.140 Die hier vertretene Konzeption einer mittelbaren Bedeutung der Organisationspflichten ist damit ohne weiteres vereinbar, da hiernach auch die Folgen eines Verstoßes gegen diese Pflichten zivilrechtlich relevant sind. 43 Folgt man den obigen Erwägungen, kommt der Einhaltung der kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten damit zwar keine eigenständige, wohl aber eine Art akzessorischer Bedeutung zu, die allerdings je nach Sachzusammenhang stark schwanken dürfte: Gerade weil und soweit die Organisationspflichten auf die transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten bezogen sind und deren Einhaltung ermöglichen und absichern sollen, hängt ihr Gewicht für die Begründung einer zivilrechtlichen Haftung sehr davon ab, inwieweit sich aus den aufsichtsrechtlichen Vorgaben tatsächlich konkrete Verhaltensge- oder -verbote gewinnen lassen. Ist dies nicht oder nur sehr eingeschränkt der Fall, wie etwa im Hinblick auf die Anforderungen an das Informationsmanagement, die ihrerseits erst am Maßstab der Wohlverhaltenspflichten konkretisiert werden müssen (unten Rn 47), tragen die Organisationspflichten als solche zur Konkretisierung der Haftungsvoraussetzungen weder auf Tatbestandsebene (verletzte Vertragspflicht) noch auf der Verschuldensebene (Organisationsverschulden) Wesentliches bei. 2. Allgemeine kapitalmarktrechtliche Organisationspflichten (§ 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 4, Art. 21 DVO MiFID II)

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a) Systematik. Die Neufassung der Organisationspflichten durch das 2. FiMaNoG 2017 hat insbesondere das System der Rechtsquellen für die allgemeinen kapitalmarktrechtlichen, d.h. die neben den bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten in § 25a KWG eingreifenden Anforderungen (siehe schon oben Rn 32) erheblich verändert. Nach früherem Recht mussten die Wertpapierdienstleistungsunternehmen gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG a.F. „angemessene Grundsätze aufstellen, Mittel vorhalten und Verfahren einrichten, die darauf ausgerichtet sind, sicherzustellen, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst und seine Mitarbeiter den Verpflichtungen dieses Gesetzes nachkommen, wobei insbesondere eine dauerhafte und wirksame Compliance-Funktion einzurichten ist, die ihre Aufgaben unabhängig wahrnehmen kann“. Allgemeine Grundsätze für die Organisation wurden im zweiten Halbsatz dieser Bestimmung, deren erster Halbsatz bereits auf das 2. FMFG zurückging und zuletzt der Umsetzung von Art. 13 Abs. 2 MiFID I und Art. 6 Abs. 1 der MiFID I-Durchführungsrichtlinie (oben Rn 21 und Rn 30) diente, seit dem FRUG mit speziellen Vorgaben für die Compliance-Funktion verbunden, die ihrerseits auf Art. 6 Abs. 2 der MiFID I-Durchführungsrichtlinie zu-

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EuGH Urt. v. 30.05.2013 – C-604/11 – Genil 48 SL/Bankinter SA; siehe dazu etwa Grundmann, ERCL 9 (2013), 267 ff.; Herresthal, ZIP 2013, 1420 ff.

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EuGH a.a.O. Rn 57.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

rückgingen. Damit wurde schon dem Wortlaut nach deutlich gemacht, dass die Organisationspflichten insgesamt auf die Absicherung der rechtmäßigen Erbringung der Wertpapierdienstleistungen – und damit insbesondere auch auf die Absicherung der transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten – abzielten. Im deutschen Recht war indessen bislang mit den Anforderungen aus § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 1. Hs. WpHG a.F. („Grundsätze, Mittel und Verfahren“) sowie aus § 12 WpDVerOV a.F. lediglich ein kleiner Teil der allgemeinen Organisationspflichten im WpHG umgesetzt worden, der größere Teil mit Blick auf die sachlichen Überschneidungen mit den bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben vielmehr in § 25a KWG a.F.141 Die von der BaFin im Rundschreiben 4/2010 (WA) formulierten, normkonkretisierenden „Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp)“142 hatten diese Vorgaben in Gestalt untergesetzlicher Verwaltungsvorschriften unverbindlich, aber mit Bindungswirkung für die Auslegungspraxis der BaFin selbst weiter konkretisiert.143 Mit dem 2. FiMaNoG ist diese Systematik in mehrfacher Hinsicht aufgebrochen worden. Zentrale Rechtsquelle für die allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten ist damit nicht mehr deutsches Umsetzungsrecht im WpHG bzw. im KWG; vielmehr ergeben sich die einschlägigen Anforderungen unmittelbar aus Art. 21 DVO MiFID II, der seinerseits die Anforderungen aus Art. 16 Abs. 2 bis 10 MiFID II konkretisiert. Anforderungen an die Compliance der Wertpapierdienstleistungsunternehmen werden demgegenüber nunmehr in Art. 22 DVO MiFID II konkretisiert. Im Wortlaut des § 80 WpHG n.F. als Nachfolgevorschrift für § 33 WpHG a.F. hat dies den Wegfall der früheren allgemeinen Anforderungen an „Grundsätze, Mittel und Verfahren“ nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 1. Hs. WpHG ausgelöst (siehe noch sogleich Rn 45).144 Sachliche Überschneidungen zwischen Art. 21 DVO MiFID II und den institutsbezogenen prudenziellen Anforderungen aus § 25a KWG sind eine Nebenfolge dieser Neuausrichtung, die anders als im bisherigen Recht aufgrund der unmittelbaren Geltung der einschlägigen unionsrechtlichen Vorgaben nicht mehr durch einen Verzicht auf eine eigenständige kapitalmarktrechtliche Umsetzungslösung vermieden werden konnte. Dies betrifft insbesondere die in Art. 21 Abs. 1 DVO MiFID II geregelten Pflichten, die die Anforderungen nach Art. 6 Abs. 1 und 3 der MiFID I-Durchführungsrichtlinie aufnehmen, aber erheblich weiter ausdifferenzieren (unten Rn 45). Kaum vermeidbar sind daneben inhaltliche Überschneidungen zwischen der DVO MiFID II und den materiellen Pflichten des § 80 Abs. 1 WpHG, welche die mit der Durchführungsverordnung korrespondierenden Vorgaben aus Art. 16 Abs. 2 bis 10 MiFID II umsetzen. Dies betrifft etwa die Anforderungen an die Gewährleistung der Kontinuität der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen nach § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG n.F. (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG a.F.) sowie zur Notfallplanung (Art. 21 Abs. 3 DVO MiFID II), die weitgehend deckungsgleich sind und sich zudem inhaltlich mit § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 KWG überschneiden (siehe noch unten Rn 49). Insgesamt ist die für das neue Recht im Vergleich mit der bisherigen Rechtslage kennzeichnende stärkere Differenzierung nach allgemeinen Organisa141

142 143

Zum Zusammenhang Begr. RegE FRUG, BTDrs. 16/4028, S. 71; siehe auch schon oben Rn 32. Zuletzt geändert am 08.03.2017. Dazu allgemein Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 9; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 2; KölnKomm WpHG/ Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 33 f.; Birnbaum/ Kütemeier WM 2011, 293 ff.; Engelhart ZIP

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2010, 1832 ff.; Lösler WM 2010, 1917 ff.; Niermann ZBB 2010, 400 ff.; Schäfer BKR 2011, 45 ff.; ders. BKR 2011, 187 ff.; Zingel BKR 2010, 500 ff. Insoweit ungenau Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 240, wo die Streichung der Vorschrift lediglich mit der Regelung der Compliance-Anforderungen in Art. 22 DVO MiFID II begründet wird.

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7. Teil. Organisationsregeln

tionspflichten einerseits und Compliance-Pflichten andererseits schon deshalb misslich, weil auch die allgemeinen organisatorischen Anforderungen ja – wie ausgeführt – ihrerseits auf die Fähigkeit zur ordnungsgemäßen Erbringung der Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen ausgerichtet sind und die Differenzierung damit einen funktionalen Unterschied zwischen beiden Aspekten suggeriert, der tatsächlich nicht existiert. Das frühere Recht hatte dies durch die Zusammenführung beider Aspekte in § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG deutlicher werden lassen; durchaus zutreffend konnte insoweit insgesamt von Anforderungen an die „Compliance-Organisation im weiteren Sinn“ gesprochen werden.145

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b) Allgemeine organisatorische Grundlagen für den Geschäftsbetrieb (insbes. Art. 21 Abs. 1, 4 und 5 DVO MiFID II). Art. 21 Abs. 1 DVO MiFID II regelt allgemeine aufbauund ablauforganisatorische Pflichten. Die Vorschrift konkretisiert damit ersichtlich die sekundärrechtlichen Vorgaben aus Art. 16 Abs. 2 MiFID II, welche „angemessene Strategien und Verfahren“ verlangen, „die ausreichen, um sicherzustellen, dass die Firma, ihre Geschäftsleitung, Beschäftigten und vertraglich gebundenen Vermittler den Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie sowie den einschlägigen Vorschriften für persönliche Geschäfte dieser Personen nachkommen“. Dies ist wortlautidentisch mit Art. 13 Abs. 2 MiFID I. Anders als nach früherem Recht fehlt es im geltenden deutschen Umsetzungsrecht nach dem Wegfall des § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 1. Hs. WpHG an einer unmittelbar darauf bezogenen kapitalmarktrechtlichen Umsetzungsvorschrift (soeben Rn 44). Diese war allerdings auch entbehrlich, da sich die entsprechenden Grundsätze ohne Weiteres auch aus den allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben für eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation nach § 25a Abs. 1 KWG ableiten lassen und § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG a.F. vor diesem Hintergrund lediglich klarstellte, dass die Angemessenheit der Aufbau- und Ablauforganisation bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S.d. WpHG speziell an der Fähigkeit zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen zu messen war.146 Art. 21 Abs. 1 DVO MiFID II, der neben der Dokumentation von Entscheidungsprozessen und Organisationsstrukturen (lit. a und f) Vorgaben für interne Kontrollmechanismen (lit. b), die Qualifikation und den Kenntnisstand der Mitarbeiter (lit. b, d und g) und die interne Berichterstattung (lit. d) formuliert, trägt in der Sache selbst kaum substanzielle Pflichten bei, die nicht bislang bereits auf § 25a KWG gestützt worden wären. Insbesondere das Erfordernis einer hinreichenden Personalausstattung mit ausreichend qualifizierten Mitarbeitern für die Erbringung von Dienstleistungen gegenüber Kunden, die sorgfältig – ggf. unter Heranziehung von Führungszeugnissen – auszuwählen, durch Organisationsleitlinien und Schulungen regelmäßig fortzubilden und laufend zu überwachen sind, war als Konsequenz der Anforderungen aus § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWG a.F. (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 KWG n.F.) bereits nach früherem Recht anerkannt und durch die von der BaFin veröffentlichten Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk)147 weiter konkretisiert worden.148 Die Pflichten aus Art. 21 Abs. 1 DVO

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So Schwark/Zimmer/Fett WpHG § 33 Rn 7; mit übereinstimmender Perspektive auch bspw. BankR-HdB/Faust § 109 Rn 4; Kümpel/Wittig/Rothenhöfer Rn 3.334 ff.; Niermann ZBB 2010, 400 (410 ff.); Veil WM 2008, 1093 ff.; Zingel BKR 2010, 500 (502). Vgl. zum Zusammenhang Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 47; KölnKomm WpHG/ Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 27, 49, 93.

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BaFin-Rundschreiben 10/2012 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, Modul AT 7.2. Vgl. Schwark/Zimmer/Fett WpHG § 33 Rn 9; Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 26, 48; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 5.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

MiFID II sind insgesamt nicht anders als § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 1. Hs. WpHG zu den institutsbezogenen, prudenziellen Anforderungen zu rechnen, die hier nicht im Detail zu kommentieren sind. Entsprechendes gilt zunächst für die in Art. 21 Abs. 4 DVO MiFID II geregelte Pflicht, 46 geeignete Rechnungslegungsgrundsätze und -verfahren einzurichten, um den Aufsichtsbehörden auf Verlangen ein „den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild ihrer Vermögens- und Finanzlage“ vermitteln zu können. Die Regelung ist nahezu deckungsgleich mit der Vorschrift des Art. 5 Abs. 4 der MiFID I-Durchführungsrichtlinie, die im deutschen Recht mit Rücksicht auf die ohnehin bereits bestehenden handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften (insbes. der §§ 238 ff., 264 und 340 HGB) nicht selbständig umgesetzt worden war.149 Ebenso wenig vertiefend zu behandeln ist die nunmehr in Art. 21 Abs. 5 DVO MiFID II (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 WpHG a.F., Art. 5 Abs. 5 der MiFiD I-Durchführungsrichtlinie) geregelte Pflicht der Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Überwachung und regelmäßigen Bewertung der Angemessenheit und Wirksamkeit der nach Maßgabe der Abs. 1 bis 4 der Vorschrift geschaffenen Systeme. c) Sicherheit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen (§ 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 47 WpHG, Art. 21 Abs. 2 DVO MiFID II). Keine Neuschöpfung sind die in Art. 21 Abs. 2 DVO MiFID II als weiterer Bestandteil der allgemeinen Organisationspflichten formulierten Vorgaben zur Einrichtung von „Systeme[n] und Verfahren, die die Sicherheit, Integrität und die Vertraulichkeit der Informationen gewährleisten, wobei sie die Art der besagten Informationen berücksichtigen“. Die Anforderungen sind im Wesentlichen deckungsgleich mit Art. 5 Abs. 2 der MiFID I-Durchführungsrichtlinie, der im deutschen Recht nicht selbständig, sondern – inhaltlich in unionsrechtlicher Hinsicht nicht unproblematisch verkürzt – in Gestalt der allgemeinen Verpflichtung zu „angemessenen technisch-organisatorischen Vorkehrungen“ nach § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWG a.F. (heute: § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 KWG) umgesetzt worden war.150 Daneben tritt die damit inhaltlich verknüpfte, in § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpHG neu aufgenommene Verpflichtung zur Einrichtung „solide[r] Sicherungsmaßnahmen (…), die die Sicherheit und Authentifizierung der Informationsübermittlungswege gewährleisten, das Risiko der Datenverfälschung und des unberechtigten Zugriffs minimieren und verhindern, dass Informationen bekannt werden, so dass die Vertraulichkeit der Daten jederzeit gewährleistet ist“. Die Vorschrift setzt nahezu wortlautgetreu Art. 16 Abs. 5 UAbs. 3 MiFID II um,151 der seinerseits durch Art. 21 Abs. 2 DVO MiFID II weniger konkretisiert denn zusammengefasst wird. In der Sache geht es, wie die Formulierung sowohl des § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpHG als auch des Art. 21 Abs. 2 DVO MiFID II belegt, nicht nur darum, dass die Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein hinreichendes Informationsmanagement im Interesse der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Explorations-, Informations- und Aufklärungspflichten (vgl. im Einzelnen § 63 Abs. 2, 6, 7, 9 und 12 und § 64 WpHG n.F. sowie Artt. 59 bis 63 DVO MiFID II, dazu Grundmann 8. Teil Rn 172 ff. und Rn 178 ff.) betreiben. Informationen sind vielmehr auch für den Umgang mit Interessenkonflikten von Bedeutung; die Notwendigkeit, eine angemessene Informationsbasis für die mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen betrauten Mitarbeiter sicherzustellen, muss daher von vornherein mit der Notwendigkeit zur Einrichtung von

149 150

Siehe Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 17/4028, S. 96. Dazu Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 17/4028, S. 95.

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Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 241.

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7. Teil. Organisationsregeln

Vertraulichkeitsbereichen als Instrument zum Umgang mit Interessenkonflikten abgeglichen werden (unten Rn 65). Art. 21 Abs. 2 DVO MiFID II verlangt über die erforderlichen technisch-organisatorischen Arrangements zur „Sicherheit“ und „Integrität“ von Informationen indessen auch die Gewährleistung der Vertraulichkeit der Informationen. Die Regelung ist damit nicht nur als Organisationspflicht, sondern zugleich quasi als spezialgesetzliche Emanation von Datenschutzpflichten (zu diesen allgemein für das Bankgeschäft bereits Grundmann 2. Teil, 2. Abschnitt Rn 81 ff.) zu qualifizieren, wobei entsprechende Absicherungspflichten inhaltlich bereits vor der Neufassung der kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten anerkannt waren.152 Dies kam in der bisherigen deutschen Umsetzungslösung (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 KWG), die den technischen Organisationsaufwand in den Vordergrund stellte, nicht hinreichend zum Ausdruck, was mit Blick auf die ohnehin eingreifenden datenschutzrechtlichen Schranken für die Informationsweitergabe aber letztlich unschädlich war. Die Neufassung in § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG lässt nunmehr keine Zweifel mehr an der doppelten Pflichtrichtung. 48 Die sich für das Informationsmanagement im Einzelnen ergebenden organisatorischen Anforderungen werden weder in der DVO MiFID II noch im nationalen Umsetzungsrecht näher ausgestaltet; ihre Konkretisierung wird damit vor allem der aufsichtlichen Entscheidungspraxis im Rahmen der laufenden Überwachung des Geschäftsbetriebs überlassen. Insofern bieten die von der BaFin in den MaComp (Rn 44) formulierten Anforderungen nach wie vor Anhaltspunkte für die Umsetzung. Doch bleiben auch sie insgesamt vage und sind vielfach nur als Empfehlungen formuliert. Die einschlägigen Module BT 7.5 („Zuverlässigkeit der Kundeninformationen“), BT 7.6 („Aktualisierung der Kundeninformationen“) und BT 7.8 („Erforderliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Geeignetheit einer Anlage“) behandeln die Anforderungen an die organisatorischen Vorkehrungen insoweit nicht selbständig, sondern jeweils als Annex zu den materiellen Explorations-, Informations- und Aufklärungspflichten. Konkret gefordert werden insbesondere organisatorische Vorkehrungen zur Prüfung und Validierung der von den Kunden auf elektronischem Wege eingeholten Informationen (BT 7.5 Ziff. 4 und 5), zur regelmäßigen Aktualisierung der Kundeninformationen (BT 7.6 Ziff. 1 und 2) sowie zur Geeignetheitsprüfung bei Anlageempfehlungen (BT 7.8). Ein umfassendes Gesamtbild der an das Informationsmanagement zu stellenden Anforderungen ergibt sich daraus nicht; insbesondere im Vergleich zu den systematisch verwandten Anforderungen an die Compliance-Organisation (Art. 22 DVO MiFID II, unten Rn 50 ff.) fallen diese Vorgaben ungleich weniger präzise aus. Eine weitere Konkretisierung kann insoweit nur aus denjenigen transaktionsbezogenen Pflichten entwickelt werden, auf deren Einhaltung das Informationsmanagement bezogen ist. Damit lassen sich in der Tat153 einige wesentliche Aspekte abschichten: Zum einen ist, soweit das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Exploration kundenbezogener Informationen verpflichtet ist, die Beschaffung, Validierung, Auswertung und Aufbereitung nach einheitlichen Grundsätzen zu organisieren, was sinnvollerweise nur durch entsprechende Richtlinien, Mitarbeiterschulungen und einheitlich gestaltete EDV-Software geleistet werden kann.154 Sodann ist sicherzustellen, dass die für die Intermediär-Kunden-Beziehung und damit für die Erfüllung der Explorations-, Informations- und Aufklärungspflichten zuständigen Mitabeiter kontinuierlichen Zugang zu den pflichtenrelevanten Informationen haben, was neben dem Zugang zu den betriebsinternen auch den Zugang zu externen Infor-

152

Vgl. Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 63; Spindler Unternehmensorganisationspflichten, S. 226.

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153 154

Vgl. zum Folgenden bereits Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 56 ff. Vgl. in diese Richtung auch Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 59.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

mationsquellen (elektronische Medien, branchenspezifische Informationsdienste wie Bloomberg, Reuters etc.) einschließen muss.155 Dies erfordert insgesamt eine planmäßige Organisation der betriebsinternen Informationsflüsse, deren Effektivität im Einzelfall nach Art. 21 Abs. 5 DVO MiFID II laufend zu überprüfen sind und die daraufhin ggf. kontinuierlich angepasst und weiterentwickelt werden müssen. d) Kontinuität und Notfallsysteme (§ 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG, Art. 21 Abs. 3 49 DVO MiFID II). Die Pflicht zu „angemessene[n] Vorkehrungen (…), um die Kontinuität und Regelmäßigkeit der Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen zu gewährleisten“, entspricht § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG a.F. und geht inhaltlich auf das FRUG 2007 zurück, das damit die Vorgaben aus Art. 13 Abs. 4, 18 MiFID I sowie aus Art. 5 Abs. 3 MiFID I-DurchführungsRL umsetzte. Inhaltlich weitgehend entsprechende Anforderungen ergeben sich aus § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 KWG.156 Sowohl § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG als auch § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 KWG verlangen ebenso wie die (inhaltlich kaum darüber hinausgehende) Konkretisierung in Art. 21 Abs. 4 DVO MiFID II schon dem Wortlaut nach mehr als eine bloße Absicherung gegen Risiken in der elektronischen Datenverarbeitung. Nach beiden Vorschriften sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen umfassend zur Risikovorsorge durch Notfallkonzepte verpflichtet, mit denen Störungen bzw. Ausfälle in der Erbringung der Wertpapierdienstleistungen gegenüber Kunden möglichst vermieden werden können. Dies muss neben Vorkehrungen zur Datensicherung und -wiederherstellung nach Systemstörungen und zur Abwendung etwaiger externer Eingriffe („Hacking“) in Datenbestände und Datenverarbeitungsprogramme auch präventive Maßnahmen zur Abwendung und Bewältigung physischer Gefahren (Elementarschäden), entsprechende Schulungen der Mitarbeiter und die laufende Überprüfung der Arrangements einschließen, wobei sich letzteres wiederum bereits aus Art. 21 Abs. 5 DVO MiFID II ergibt.157 Die Doppelerfassung sowohl in den kapitalmarktrechtlichen als auch in den bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten ist regelungssystematisch wenig glücklich (siehe schon oben Rn 32). Dies gilt erst recht, weil sich die aus beiden konkret resultierenden Anforderungen kaum trennscharf voneinander unterscheiden lassen, was die deutsche Umsetzungspraxis mit einheitlichen Konkretisierungen in den MaRisk nicht vollständig abfedert. Sachlich ist die Erfassung der Notfallplanung sowohl im Bankaufsichts- als auch im Kapitalmarktrecht aber immerhin durch den Umstand gerechtfertigt, dass entsprechende Vorkehrungen einen doppelten Zweck erfüllen, indem sie zum einen (prudenziell) auf die institutionelle Solidität der Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst abzielen und zum anderen (mit unmittelbaren Konsequenzen für die Intermediär-Kunden-Beziehung) die störungsfreie Erfüllung der vertraglichen Pflichten gegenüber Dritten absichern helfen sollen.

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156

Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 57; vgl. auch Balzer Vermögensverwaltung S. 137; Fischbach S. 136 f. Zum Verhältnis zwischen beiden Vorschriften Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 66; siehe zum Verhältnis zwischen § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG a.F. und § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KWG a.F. auch bereits Schwark/Zimmer/Fett WpHG § 33 Rn 13; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 60; vgl. auch Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028,

157

S. 71. Zu den korrespondierenden Anforderungen nach § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 KWG eingehend Boos/Fischer/Schulte-Mattler/ Braun KWG § 25a Rn 639 ff. Eingehend Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 63 ff.; vgl. auch Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 37; Fischbach S. 77 ff. sowie zur Konkretisierung der korrespondierenden bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen MaRisk (Rn 26), Modul AT 7.3.

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7. Teil. Organisationsregeln

3. Kapitalmarktrechtliche Anforderungen an die Compliance-Funktion (§ 80 Abs. 1 Satz 3 WpHG, Art. 22 DVO MiFID II)

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a) Regelungssystematik. Die heute in Art. 22 DVO MiFID II geregelten CompliancePflichten, auf die in § 80 Abs. 1 Satz 3 WpHG n.F. verwiesen wird, waren schon im bisherigen Recht – eingeführt durch das FRUG 2007 auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 2 MiFID I und des Art. 6 der MiFID-I-Durchführungsrichtlinie158 und bereits zuvor durch die sog. Compliance-Richtlinie der BaFin159 – das Herzstück der kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten. Mit der Neufassung der Anforderungen durch das 2. FiMaNoG 2017 ist die bisherige Regelungssystematik erheblich verändert worden. Im Ausgangspunkt unverändert sind auch die Anforderungen an die Compliance-Organisation zweigleisig geregelt, nämlich einerseits als Bestandteil der allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten (vgl. heute § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 lit. c KWG) und andererseits durch Art. 22 DVO MiFID II, auf den in § 80 Abs. 1 Satz 3 WpHG verwiesen wird, im Rahmen der kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten, womit die sekundärrechtlichen Vorgaben aus Art. 16 Abs. 2 MiFID II umgesetzt werden. Die eigenständige, aber mit den bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Vermeidung belastender Redundanzen abgestimmte160 Ausprägung im WpHG, wie sie seit dem FRUG 2007 in § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG a.F. enthalten war (siehe schon oben Rn 44), ist mit Rücksicht auf die unmittelbar anwendbaren Vorgaben nach Art. 22 DVO MiFID II weggefallen. Das Gleiche gilt für die weitere Konkretisierung in § 12 WpDVerOV a.F., dessen Neufassung – ausweislich des Referentenentwurfs vom 9.5.2017 – folgerichtig keine entsprechenden Regelungen mehr vorsieht. Eine Neufassung der von der BaFin in den MaComp (oben Rn 44) zusammengestellten Konkretisierungen bleibt indessen abzuwarten. Entsprechendes gilt für die zum bisherigen Recht formulierten Leitlinien der ESMA.161 Auch hier liegt die Doppelerfassung – ähnlich wie bei den Anforderungen an die Notfallplanung und den Schutz der EDVSysteme nach § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG, Art. 21 Abs. 3 DVO MiFID II (soeben Rn 49) – darin begründet, dass organisatorische Vorkehrungen zur Einhaltung der für den jeweiligen Geschäftsbetrieb anwendbaren gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen sowohl der Solidität des Unternehmens (durch Vermeidung rechtsbruchbedingter Vermögensschäden162) als auch im Interesse der Kunden liegen und mithin sowohl als prudenziell-institutsbezogene als auch als transaktionsbezogene Pflichten eingeordnet werden können.163 Die bisherige Komplementarität beider Regelungskomplexe ist allerdings durch die Verlagerung der Einzelpflichten aus dem nationalen Umsetzungsrecht (§ 33 WpHG a.F. und § 12 WpDVerOV a.F.) auf die Ebene der unionsrechtlichen Level-2-Rechtsetzung

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Vgl. Begr. RegE FRUG, BT-Drs 16/4028, S. 70 f. Richtlinie vom 25.10.1999, BAnz Nr. 210 vom 06.11.1999, S. 18453 f., aufgehoben mit Schreiben der BaFin vom 23.10.2007, dazu z.B. Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 2. Vgl. dazu bereits Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 70; siehe zur Einbettung der kapitalmarktrechtlichen in die allgemeinen Compliance-Pflichten auch Krimphove/ Kruse/Krimphove Vor BT 1 Rn 55; Szesny/ Kuthe/Langfritz 16. Kap. Rn 10 ff.; Preuße/ Zingel/Scholz-Fröhling WpDVerOV § 12 Rn 5 ff.; Mülbert/Wilhelm ZHR 178 (2014),

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502 (526); Schäfer BKR 2011, 45 (47); zu Schwächen der Abstimmung zwischen den einzelnen Regelungsebenen bereits im früheren Recht allerdings auch bereits Veil WM 2008, 1093 (1094). ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Compliance-Funktion vom 05.06.2012 (ESMA/ 2012/388). Näher Mülbert/Wilhelm ZHR 178 (2014), 502 (521, 528). Vgl. für das bisherige Recht auch Veil/Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 13.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

(Art. 22 DVO MiFID II) systematisch gestört worden; das neue Recht ist wegen der damit stark gelockerten systematischen Abstimmung zwischen den Regelungsebenen stärker von Überlagerungen und Redundanzen geprägt als das bisherige. b) Regelungsziele und Bedeutung für die Intermediär-Kunden-Beziehung. Unabhängig 51 von der veränderten systematischen Einbettung geht es den spezifisch kapitalmarktrechtlichen Compliance-Pflichten nach altem wie nach neuem Recht (allein)164 um die organisatorische Absicherung der für den Geschäftsbetrieb geltenden kapitalmarktrechtlichen Anforderungen und damit insbesondere auch um die Absicherung der Einhaltung der transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten.165 Der Wortlaut des Art. 22 Abs. 1 DVO MiFID II166 akzentuiert dies noch deutlicher als die bisherigen Vorgaben in § 33 WpHG a.F. und § 12 WpDVerOV a.F. Diese Zielrichtung erklärt zugleich den zentralen Stellenwert der kapitalmarktrechtlichen Compliance-Pflicht innerhalb der insgesamt diesem Regelungsziel verpflichteten Organisationspflichten; erst recht gilt dies im Hinblick auf die Regelungsdichte, die ungleich höher ausfällt als bei den allgemeinen Pflichten nach Art. 21 DVO MiFID II. Die durch die Verschiebung auf die unionsrechtliche Regelungsebene bedingte Herauslösung der Compliance-Pflichten aus den jetzt in § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG und Art. 21 DVO MiFID II (oben Rn 44 f.) geregelten allgemeinen Organisationsanforderungen verstellt freilich etwas den Blick darauf, dass es sich bei den in Art. 22 DVO MiFID II geregelten Pflichten auch weiterhin nicht um ein Aliud zu den in Art. 21 DVO MiFID II spezifizierten allgemeinen qualitativen Anforderungen an die Aufbau- und Ablauforganisation handelt, sondern lediglich um eine besondere organisatorische Verfestigung derselben. Dies zeigt sich schon daran, dass die allgemeinen und die auf die Compliance-Organisation bezogenen qualitativen Anforderungen teilweise Überschneidungen und Redundanzen aufweisen, so insbesondere hinsichtlich der Qualifikation der eingesetzten Mitarbeiter (vgl. einerseits Art. 21 Abs. 1 lit. b und d DVO MiFID II, andererseits Art. 22 Abs. 3 lit. a DVO MiFID II) sowie hinsichtlich der Anforderungen an das Informationsmanagement (vgl. einerseits Art. 21 Abs. 1 lit. e DVO MiFID II, andererseits wiederum Art. 22 Abs. 3 lit. a DVO MiFID II). Materiell bezieht sich der Aufgabenkreis der Compliance-Funktion damit insgesamt auch auf die Einhaltung der in § 80 Abs. 1 Satz 2 WpHG zusammengefassten Pflichten. Aus alledem ergeben sich zugleich Implikationen für die Bedeutung der Compliance- 52 Pflichten für die Intermediär-Kundenbeziehung. Nicht anders als die oben Rn 44 bis Rn 49 erörterten allgemeinen Pflichten sind auch und gerade die Anforderungen an die Compliance-Organisation unter dem Gesichtspunkt eines Organisationsverschuldens zu berücksichtigen, wenn es um die Frage geht, ob Wertpapierdienstleistungen ihre vertraglichen Pflichten gegenüber Kunden in zu vertretender Weise verletzt haben (oben Rn 42 f.). Auch die kapitalmarktrechtlichen Compliance-Pflichten haben bei alledem insofern eine Doppelnatur, als auch sie nicht allein auf die Angemessenheit der Organisation im Kundeninteresse, sondern damit zugleich auf die Vermeidung von (Sanktions- und/oder Reputations-) Risiken im Eigeninteresse der Intermediäre abzielen.167

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Richtig für das frühere Recht etwa Fuchs/ Fuchs WpHG § 33 Rn 69. Vgl. BankR-Hdb/Seiler/Geier § 104 Rn 117; Schäfer BKR 2011, 187 f. Im Kontrast zur Formulierung in Erwägungsgrund 29, der ein weiter gefasstes Funktionsverständnis nahelegt; vgl. entspre-

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chend bereits einerseits Erwägungsgrund 3, andererseits Art. 6 Abs. 1 MiFID I-Durchführungsrichtlinie. BankR-Hdb/Seiler/Geier § 104 Rn 117 f.; vgl. allgemein auch Lösler Compliance, S. 11 f.; ders. NZG 2005, 104 f.

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7. Teil. Organisationsregeln

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c) Hintergrund. Inhaltlich reflektieren die geltenden kapitalmarktrechtlichen Compliance-Pflichten als vorläufiges Endprodukt einer durchaus komplexen Entwicklung sowohl im nationalen als auch im Europäischen Recht168 weitgehend internationale Standards, die ihrerseits allerdings von einem weiter gefassten Begriffsverständnis – Compliance als Bündel von Maßnahmen zur Absicherung regelkonformen Verhaltens allgemein – geprägt sind.169 Dies gilt insbesondere für einschlägige Arbeiten des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, der mit einem Arbeitspapier bereits 2005 das weite, keineswegs auf Vorschriften des Finanzmarktaufsichtsrechts beschränkte Funktionsverständnis prägte.170 Dies entspricht dem zwischenzeitlich auch im allgemeinen Unternehmensrecht etablierten Begriffsverständnis171 und ist zugleich konzeptioneller Grundansatz der allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen Compliance-Pflichten nach § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 lit. c KWG.172 Der Fokus der spezifisch kapitalmarktrechtlichen, auf die Einhaltung insbesondere der Wohlverhaltenspflichten bezogenen Compliance-Pflichten ist kein grundsätzlich anderer, sondern lediglich enger gefasst. Dies dokumentiert auf der Ebene der internationalen Standardsetzung insbesondere ein 2006 von der IOSCO veröffentlichtes, umfassend angelegtes Papier.173 Die heute in Art. 22 DVO MiFID II verankerten Anforderungen sind damit kein Aliud zum weiter gefassten Compliance-Konzept des Bankaufsichtsrechts, sondern adressieren von vornherein einen Teilausschnitt der davon erfassten Materie, obwohl die regelungssystematische Zuordnung und die z.T. größere Detaildichte der kapitalmarktrechtlichen Anforderungen auf den ersten Blick anderes signalisieren mögen.174

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d) Wesentlicher Regelungsinhalt. Ebenfalls durch die internationale Standardsetzung vorgeprägt, dort aber weniger konsequent ausdifferenziert ist die Grobeinteilung der Compliance-Pflichten in verfahrensbezogene Vorgaben (vgl. Art. 22 Abs. 1 DVO MiFID II) und Anforderungen an deren institutionell-organisatorische Absicherung in Gestalt der sog. Compliance-Funktion (Art. 22 Abs. 2 und 3 DVO MiFID II).175 Die gewählte Terminologie („Funktion“ statt „Abteilung“ o.ä.) soll dabei das Pflichtenprogramm hinreichend flexibel halten und deutlich machen, dass bei kleineren Unternehmen eine eigenständige Or-

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Siehe stellvertretend Preuße/Zingel/ScholzFröhling WpDVerOV § 12 Rn 6 ff.; Lösler Compliance S. 13 ff., 28 ff. Näher dazu Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 87; Gößmann BuB Rn 7/1462 ff.; siehe zur Genese und zu jüngeren Entwicklungen zusf. auch BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 4 f.; Hauschka/Moosmayer/Lösler/Gebauer/Niermann Corporate Compliance, § 48 Rn 1, 10 ff.; ferner bereits Lösler Compliance S. 11 ff. Deutlich Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Tz. 13: „The expression ‚compliance risk‘ is defined in this paper as the risk of legal or regulatory sanctions, material financial loss, or loss to reputation a bank may suffer as a result of its failure to comply with laws, regulations, rules, related self-regulatory organisation standards, and codes of conduct applicable to its

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banking activities (together, ‚compliance laws, rules and standards‘).“ Stellvertretend dazu Hüffer/Koch AktG 12. Aufl. 2016 § 76 Rn 11 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer AktG 3. Aufl. 2015 § 91 Rn 47 ff. Z.B. Schwennicke/Auerbach/Langen KWG § 25a Rn 45; eingehend Mülbert/Wilhelm ZHR 178 (2014), 502 (519 f.); a.A., aber nicht überzeugend insoweit Boos/Fischer/ Schulte-Mattler/Braun KWG § 25a Rn 44. Vgl. IOSCO, Compliance Function at Market Intermediaries, 2006, S. 4, 7. Vgl. für das bisherige deutsche Recht auch Mülbert/Wilhelm ZHR 178 (2014), 502 (525). Vgl. IOSCO, Compliance Function at Market Intermediaries, 2006, passim, die Einrichtung, organisatorische Ausstattung und Aufgaben der Compliance-Funktion stärker integriert entwickelt.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

ganisationseinheit verzichtbar ist; sie rückt den funktional-prozeduralen Charakter der Compliance-Pflichten in den Vordergrund.176 In institutionell-organisatorischer Hinsicht unterscheiden sich die kapitalmarktrecht- 55 lichen nicht grundsätzlich von den allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Compliance-Funktion und sind hier nicht im Detail aufzuarbeiten.177 Ebenso wie im Bankaufsichtsrecht (vgl. § 25a Abs. 1 Satz 4 KWG) sind die kapitalmarktrechtlichen Pflichten abhängig von Art, Umfang und Komplexität des jeweiligen Geschäftsbetriebs und der Art der betriebenen Geschäfte (Art. 22 Abs. 1 UAbs. 2 sowie Abs. 4 DVO MiFID II, in Deutschland sog. „Flexibilisierungsklausel“178). Die allgemeinen Anforderungen an die organisatorische Umsetzung ergeben sich aus Art. 22 Abs. 2 UAbs. 1, 1. Halbsatz DVO MiFID II und im Einzelnen aus Abs. 3 der Vorschrift.179 Erforderlich sind, zusammengefasst, eine dauerhafte Aufgabenzuweisung180 an kontinuierlich tätige,181 gegenüber anderen Geschäftsbereichen finanziell unabhängige und ihnen gegenüber nicht weisungsgebundene,182 in sachlicher und personeller Hinsicht hinreichend ausgestattete183 und

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Vgl. für § 25a KWG, aber verallgemeinerungsfähig insoweit Begr. RegE CRD-IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drs. 17/10974, S. 85 und dazu Hauschka/Moosmayer/Lösler/Gebauer/ Niermann Corporate Compliance § 48 Rn 6. Vgl. aus der bankaufsichtsrechtlichen Kommentarliteratur zu den institutionell-organisatorischen Anforderungen eingehend Boos/ Fischer/Schulte-Mattler/Braun KWG § 25a Rn 37 ff., 432 ff.; Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber/Hellstern KWG § 25a Rn 125 ff.; Beck/Samm/Kokemoor/Reppenthien KWG § 25a Rn 130 ff.; Gößmann in Bankrechtstag 2008, S. 180 ff.; zur bisherigen kapitalmarktrechtlichen Rechtslage Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 67 ff.; Hauschka/Moosmayer/Lösler/Gebauer/Niermann Corporate Compliance § 48 Rn 61 ff.; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 100 ff.; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 18 ff.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 99 ff.; Casper in Bankrechtstag 2008, S. 139, 145 ff.; Hell/Jahn ZfgG 64 (2014), 131 ff.; Hense/Renz CCZ 2008, 181 ff.; Niermann ZBB 2010, 400 (420 ff.); Schäfer BKR 2011, 45 ff.; Spindler WM 2008, 905 (907 ff.); Zingel BKR 2010, 500 (501 ff.). Zu Einzelfragen etwa Früh CCZ 2010, 121 ff. (zum Verhältnis zwischen Rechtsabteilung und Compliance-Funktion); Hell Wpg 2013, 482 ff. (zu Prüfungsstandards für die Prüfung der Compliance-Funktion nach § 36 Abs. 1 WpHG a.F.). Vgl. zu § 33 Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028 S. 71; dazu etwa Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 68; eingehend KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/ Will § 33 Rn 160 f.; zur Wegfallklausel nach

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§ 12 Abs. 5 WpDVerOV a.F. Preuße/Zingel/ Scholz-Fröhling WpDVerOV § 12 Rn 182; zur Umsetzung in den MaComp Niermann ZBB 2010, 300 (408 f.). Siehe allgemein zur Umsetzung in den MaComp Gößmann BuB Rn 7/1567 ff. Vgl. bereits IOSCO, Compliance Function at Market Intermediaries, 2006, S. 7 f.; zu Einzelheiten – auch zu gesellschaftsrechtlichen Umsetzungsfragen – für das bisherige Recht KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 101; für die bisherige deutsche Aufsichtspraxis MaComp, Modul BT 1.3.3; siehe auch Gößmann BuB Rn 7/1584 ff.; für die bisherigen unionsrechtlichen Vorgaben Veil/ Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 42 ff. Vgl. für das bisherige Recht Assmann/ Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 18; MaComp, Module BT 1.2.1 Ziff. 7 und BT 1.3.2. Dazu für das bisherige Recht Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 82 ff.; Hauschka/Moosmayer/Lösler/Gebauer/Niermann Corporate Compliance § 48 Rn 66 ff.; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 152 ff.; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 18; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 113 ff.; Casper in Bankrechtstag 2008, S. 139 (152 ff.); Lösler WM 2010, 1917 (1919 ff.); Niermann ZBB 2010, 400 (420 ff.); MaComp, Modul BT 1.3.3; für die bisherigen unionsrechtlichen Vorgaben Veil/ Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 33 ff. Dazu für das bisherige Recht Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 132, 146; Szesny/Kuthe/Langfritz 16. Kap. Rn 85 ff.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 102 ff.; MaComp, Modul BT 1.3.1.1.

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7. Teil. Organisationsregeln

informierte184 Stellen im Unternehmen (Art. 22 Abs. 2 sowie Abs. 3 lit. a DVO MiFID II) sowie die Ernennung eines hinreichend qualifizierten und unabhängigen, für die Aufgabenwahrnehmung der Compliance-Funktion und für die Berichterstattung an die Geschäftsleitung zuständigen Compliance-Beauftragten (Art. 22 Abs. 3 lit. b DVO MiFID II).185 Nach Art. 22 Abs. 3 lit b i.V.m. Art. 25 Abs. 2 DVO MiFID II muss der Compliance-Beauftragte – im Grundsatz wiederum wie nach früherem Recht (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 WpHG a.F. i.V.m. § 13 Abs. 4 WpDVerOV a.F., Art. 9 Abs. 2 MiFID-I-Durchführungsrichtlinie)186 – „häufig, mindestens aber einmal jährlich“ über die Erfüllung der Aufgaben (u.a.) aus Art. 22 DVO MiFID II informieren, wobei insbesondere anzugeben ist, wie auf etwa festgestellte Defizite reagiert wurde (sog. Compliance-Berichterstattung). 56 Für die Intermediär-Kunden-Beziehungen, auf die sich die vorliegende Kommentierung konzentriert, stehen die in Art. 22 Abs. 1 und 2 DVO MiFID II definierten Aufgaben der Compliance-Funktion im Vordergrund, die sich ihrerseits – wie ausgeführt (oben Rn 51) – auf die Einhaltung der in § 80 Abs. 1 Satz 2 WpHG zusammengefassten Anforderungen beziehen. Im Kern geht es sowohl um die präventive Vermeidung von Pflichtenverstößen als auch um die Behebung festgestellter Defizite, was Art. 22 Abs. 1 DVO MiFID II unscharf dahingehend umschreibt, das Risiko von Pflichtverstößen sei „aufzudecken“ und „auf ein Mindestmaß zu beschränken“. Damit geht es zunächst – nicht anders als nach bisherigem Recht – um die laufende und anlassbezogene Überwachung und Bewertung der Geschäftsprozesse in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang187 und um die Festlegung und Überwachung von Maßnahmen zur Abhilfe bei festgestellten Defiziten (Art. 22 Abs. 2 UAbs. 1 lit. a DVO MiFID II).188 Dabei sind insbesondere die getätigten Eigengeschäfte (Eigen- und Kommissionsgeschäfte) zu beobachten (sog. Monitoring) und auf Auffälligkeiten hin zu prüfen, die den Verdacht auf Pflichtverletzungen begründen; im Übrigen ist 184

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Dazu für das bisherige Recht Schäfer/Hamann/Göres § 33 Rn 133; Szesny/Kuthe/ Langfritz 16. Kap. Rn 90 ff.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 111; MaComp, Modul BT 1.3.1.2 Ziff. 1 und 2. Zu diesem für das bisherige Recht (vgl. § 12 Abs. 4 Satz 1 WpDVerOV) Schwark/Zimmer/Fett WpHG § 33 Rn 21 ff.; Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 76 ff.; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 152 ff.; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 27 ff.; Szesny/ Kuthe/Langfritz 16. Kap. Rn 17 ff.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 106 ff., 152 ff.; Preuße/Zingel/ScholzFröhling WpDVerOV § 12 Rn 152 ff.; MaComp, Modul BT 1.3.1.4; Casper in Bankrechtstag 2008, S. 139 (150 ff.); ders. FS K. Schmidt, 2009, S. 199 (202 ff.); Lösler WM 2007, 676 ff.; ders. WM 2008, 1098 ff.; Veil WM 2008, 1093 (1096 ff.). Siehe dazu näher Schwark/Zimmer/Fett WpHG § 33 Rn 32 f.; Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 90, 90a; Schäfer/Hamann/Göres WpHG Rn 349 ff.; Preuße/Zingel/ScholzFröhling WpDVerOV § 12 Rn 157 ff.; MaComp, Modul BT 1.2 Nr. 10 f.; Schäfer BKR 2011, 187 (196 f.); zu den bisherigen unions-

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rechtlichen Anforderungen Veil/Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 63 ff.; zur praktischen Ausgestaltung Renz/Hense/Welsch/Dost Wertpapier-Compliance, S. 51 ff. Vgl. zum bisherigen Recht Hauschka/Moosmayer/Lösler/Gebauer/Niermann Corporate Compliance § 48 Rn 22 ff.; Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 69 ff.; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 163 f.; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 22; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 119 f.; Preuße/Zingel/Scholz-Fröhling WpDVerOV § 12 Rn 126 ff.; Casper in Bankrechtstag 2008, S. 139 (157 f.); Niermann ZBB 2010, 400 (415 ff.); Schäfer BKR 2011, 187 (188 ff.); MaComp, Modul BT 1.2.1 und BT 1.2.4; für die unionsrechtlichen Vorgaben Veil/Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 45 ff. Vgl. zum bisherigen Recht Schäfer/Hamann/ Göres WpHG § 33 Rn 167; Assmann/ Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 24; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 119 f.; Casper in Bankrechtstag 2008, S. 139 (157 f.); Niermann ZBB 2010, 400 (415 ff.); Schäfer BKR 2011, 187 (191 ff.); MaComp, Modul BT 1.2 Nr. 8.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

der Geschäftsbetrieb stichprobenartig zu überprüfen.189 Vorkehrungen und Verfahren entsprechen insoweit den organisatorischen Anforderungen an den Umgang mit Interessenkonflikten (unten Rn 59ff.); auch insoweit werden in der Praxis Beobachtungslisten (sog. Watch Lists) geführt.190 Nach bisherigem Recht (§ 12 Abs. 3 Satz 2 WpDVerOV a.F.) musste der Compliance-Beauftragte insoweit sogar „berechtigt sein, geeignete und erforderliche vorläufige Maßnahmen zu treffen, um eine konkrete Gefahr der Beeinträchtigung von Kundeninteressen bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen abzuwenden“. Nach Abs. 2a der Regelung war die Behebung von Defiziten allerdings grundsätzlich Pflicht des Wertpapierdienstleistungsunternehmens – und nicht des Compliance-Beauftragten. Mit dem damit verbundenen Weisungsrecht ging das deutsche Recht über die im Kern dem heutigen Art. 22 Abs. 3 lit. b DVO MiFID II entsprechende Vorgabe in Art. 6 Abs. 3 lit. b MiFID-I-Durchführungsrichtlinie hinaus.191 Dies hat dazu geführt, dass dem Compliance-Beauftragten nach stark umstrittener Ansicht sogar eine strafrechtliche Garantenpflicht zur Erfolgsabwendung beigemessen wurde.192 Die Abgrenzung zwischen der (Gesamt-)Verantwortung der Geschäftsleitung einerseits und den Kompetenzen des Compliance-Beauftragten andererseits wurde hierdurch erheblich erschwert und ist nicht abschließend aufbereitet.193 Die heute allein maßgeblichen Vorgaben aus Art. 22 Abs. 3 DVO MiFID II sehen eine derart weit gehende Befugnis des Compliance-Beauftragten nicht mehr vor. Neben der „Verantwortlichkeit“ des Compliance-Beauftragten für die Compliance-Funktion und die Compliance-Berichterstattung (lit. b), wird nur mehr die Compliance-Funktion verpflichtet, „ad hoc und direkt“ das Leitungsorgan zu informieren, „wenn sie ein erhebliches Risiko feststellt, dass die Wertpapierfirma ihre Pflichten gemäß der [MiFID II] nicht erfüllt“ (lit. c). Diese Veränderung gegenüber dem früheren Recht ist zu begrüßen; sie bekräftigt das Grundprinzip der Geschäftsleiterverantwortung (§ 81 WpHG, siehe unten Rn 89) und beseitigt Friktionen mit der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Organisationsverfassung, ohne das Schutzniveau zu senken. Den Wertpapierdienstleistungsunternehmen steht es allerdings auch weiterhin frei, die Compliance-Funktion mit Notkompetenzen – etwa zur zeitnahen Stornierung verdächtiger Wertpapiergeschäfte194 – auszustatten. Neben der Beobachtung und Bewertung der Geschäftsprozesse hat die Compliance- 57 Funktion Beratungs- und Unterstützungsaufgaben gegenüber den für die Erbringung der Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten zuständigen Mitarbeitern (Art. 22 Abs. 2 UAbs. 1 lit. b DVO MiFID II), die insbesondere die präventive Schulung, aber vor

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Näher Schwark/Zimmer/Fett WpHG § 33 Rn 29 f.; Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 87; Preuße/Zingel/Scholz-Fröhling WpDVerOV § 12 Rn 131 ff.; Schäfer BKR 2011, 187 (188 ff.); MaComp, Modul BT 1.2 Nr. 6 und 7; eingehend zur Umsetzung in der Praxis Renz/Hense/Welsch Organisation der Wertpapier-Compliance Funktion, S. 89 ff. Schwark/Zimmer/Fett WpHG § 33 Rn 29 f.; Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 87. Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 167; zur Abgrenzung insoweit näher Preuße/Zingel/Scholz-Fröhling WpDVerOV § 12 Rn 63, 67 ff. Vgl. allgemein BGH Urt. v. 17.07.2009 – 5 StR 394/08, BGHZ 54, 44 (49 f.); zur Adap-

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tion für die kapitalmarktrechtliche Compliance Gebauer/Fett in Krieger/Schneider, Rn 24.52; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 373 ff.; Szesny/Kuthe/Langfritz Kapitalmarkt-Compliance 16. Kap. Rn 14; ablehnend Preuße/Zingel/Scholz-Fröhling WpDVerOV § 12 Rn 72. Vgl. etwa die nur vagen Ansätze zur Konkretisierung bei Preuße/Zingel/Scholz-Fröhling WpDVerOV § 12 Rn 144 ff.; Schäfer BKR 2011, 187 (190 f.). Vgl. für das bisherige Recht BankR-Hdb/ Faust § 109 Rn 105; Schäfer BKR 2011, 187 (191).

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7. Teil. Organisationsregeln

allem auch die Ausarbeitung unternehmensinterner Handbücher und Compliance-Leitfäden einschließen.195 Auch insoweit ist der Aufgabenkreis der Compliance-Funktion inhaltlich mit den Aufgaben des Risikomanagements verschränkt, was hier nicht im Detail zu entfalten ist.196 58 Ausdrücklich dem Aufgabenkreis der Compliance-Funktion zugewiesen ist, ähnlich wie im früheren Recht, aber inhaltlich darüber hinausgehend (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpHG a.F.),197 schließlich auch die Überwachung der Prozessabläufe für das Beschwerdemanagement (unten Rn 75), wobei sowohl die Abwicklung von Kundenbeschwerden als solche als auch die Auswertung der Beschwerden als „Quelle relevanter Informationen im Zusammenhang mit den allgemeinen Überwachungsaufgaben“ ausdrücklich akzentuiert wird. Einzubinden ist die Compliance-Funktion gem. § 80 Abs. 13 WpHG darüber hinaus auch in die Produktgovernance (unten Rn 87 f.). 4. Organisatorische Vorkehrungen zum Umgang mit Interessenkonflikten (§ 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG, Artt. 33–43 DVO MiFID II)

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a) Grundlagen und Systematik. Unter den spezifisch kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten nehmen die heute in § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 WpHG sowie in Artt. 33 bis 43 DVO MiFID II geregelten Pflichten zur Vermeidung von und zum Umgang mit Interessenkonflikten in mehrfacher Hinsicht eine Sonderstellung ein. Obwohl sie so eng mit den kapitalmarktrechtlichen Compliance-Pflichten (oben Rn 50 ff.) verknüpft sind, dass sie zumindest für das bisherige Recht nicht selten als Bestandteil derselben erörtert worden sind und obwohl ihre Erfüllung typischerweise zum Aufgabenkreis der Compliance-Funktion zählt,198 sind derartige Vorgaben älter als die Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Organisation; sie gehen im Kern bereits auf das 2. FMFG zurück (oben Rn 30). Auch sie reflektieren international etablierte Standards, die bereits 2007 in einem Papier der IOSCO zusammengeführt wurden.199 Die unionsrechtlichen Vorgängerregelungen waren Art. 13 Abs. 3 und Art 18 MiFID I sowie Artt. 21 und 22 MiFID-I-Durchführungsrichtlinie.200 Anders gelagert als hinsichtlich der übrigen Organisationspflichten ist der funktionale Zusammenhang mit den Wohlverhaltenspflichten: Im Unterschied zu den 195

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BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 125 ff. (mit besonderer Berücksichtigung der Vermeidung von Interessenkonflikten); Schwark/Zimmer/Fett WpHG § 33 Rn 20; Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 69 ff.; Hauschka/Moosmayer/Lösler/Gebauer/Niermann Corporate Compliance § 48 Rn 22 ff.; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 163 f.; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 22; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 119 f.; Casper in Bankrechtstag 2008, S. 139 (157 f.); Niermann ZBB 2010, 400 (415 ff.); MaComp, Model BT 1.2.1 und BT 1.2.4; für die unionsrechtlichen Vorgaben Veil/Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 45 ff. Eingehend dazu besonders – für das bisherige Recht, aber verallgemeinerungsfähig – Preuße/Zingel/Scholz-Fröhling WpDVerOV § 12 Rn 74 ff., 138 ff. Dazu näher KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 197; Preuße/Zingel/Scholz-

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Fröhling WpDVerOV § 12 Rn 134; MaComp, Modul AT 6.2 Ziff. 1c; Niermann ZBB 2010, 400 (413). Z.B. BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 125 ff., insbes. Rn 135 ff; Szesny/Kuthe/Langfritz 16. Kap. Rn 101 ff.; Buck-Heeb CCZ 2009, 18 ff.; Casper in Bankrechtstag 2008, S. 139 (166 ff.); Schäfer BKR 2011, 187 (193 ff.); für die unionsrechtlichen Vorgaben ebenso Veil/Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 70 ff. IOSCO, Final Report on Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, 2007; siehe dazu und zum internationalen Hintergrund insgesamt Kumpan/Leyens ECFR 2008, 72 (75 ff.). Dazu einführend Veil/Wundenberg EuKapMR § 29 Rn 72 ff.; Spindler/Kasten AG 2006, 785 (789 ff.).

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten (oben Rn 44 ff.) und zu den besonderen Anforderungen an die Compliance-Funktion (oben Rn 50 ff.) geht es hier nicht allein um die Absicherung der rechtmäßigen Erbringung der Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen durch den Intermediär und mithin um eine quasiakzessorische Funktion innerhalb des kapitalmarktrechtlichen Pflichtenprogramms insgesamt (oben Rn 32 ff.). Zwar besteht ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Pflicht, die Dienstleistungen „im bestmöglichen Interesse [der] Kunden zu erbringen“ (§ 63 Abs. 1 WpHG, dazu Grundmann 8. Teil Rn 132 ff.). Doch sollen die Organisationspflichten selbst vorrangig die Risiken, die für die Kunden aus Interessenkonflikten der Intermediäre und ihrer Mitarbeiter erwachsen, möglichst minimieren. Die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten und zur Minimierung der daraus für die Kunden erwachsenden Risiken als weiterer Bestandteil der Wohlverhaltenspflichten (§ 63 Abs. 2 WpHG, dazu Grundmann 8. Teil Rn 145 ff.) ist dabei lediglich „Ultima Ratio“, die nur eingreifen soll, soweit die Interessenkonflikte nicht von vornherein durch organisatorische Vorkehrungen verhindert oder in der Weise „bewältigt“ werden können, dass es zur Schädigung von Kundeninteressen erst gar nicht kommt (vgl. ausdrücklich Art. 34 Abs. 4 DVO MiFID II, gleichsinnig § 63 Abs. 2 Satz 1 WpHG: „soweit die organisatorischen Vorkehrungen nach § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 nicht ausreichen“). Bloße Offenlegung bestehender Konflikte allein erfüllt damit die Anforderungen an einen sachgemäßen Umgang mit Interessenkonflikten gerade nicht.201 Der Vorrang der präventiven Abwendung von Interessenkonflikten durch aufbau- und ablauforganisatorische Vorkehrungen wird hiernach zusätzlich dadurch abgesichert, dass die Intermediäre im Zusammenhang mit der von § 63 Abs. 2 Satz 1 WpHG geforderten Offenlegung betroffene Kunden zugleich darüber informieren müssen, dass die getroffenen organisatorischen Vorkehrungen zur Abwendung der Interessenkonflikte nicht ausreichen, um „mit hinreichender Sicherheit zu gewährleisten, dass die Interessen des Kunden nicht geschädigt werden“; dabei ist genau über die Art und Ursachen der betreffenden Konflikte sowie über die Risiken für den Kunden aufzuklären (Art. 34 Abs. 4 UAbs. 2 DVO MiFID II; deutlich weniger weitreichend insoweit bislang § 13 Abs. 4 WpDVerOV a.F.). Im Vergleich mit den sonstigen Organisationspflichten ist damit zugleich auch der Kundenbezug der Pflichten und ist der Zusammenhang zwischen Organsations- und transaktionsbezogenen Verhaltenspflichten ungleich stärker ausgeprägt;202 Umsetzung oder Nichtumsetzung wirken sich jedenfalls potentiell unmittelbar auf die Qualität der Erfüllung der Vertragspflichten gegenüber den Kunden aus. Dessen ungeachtet ist Anknüpfungspunkt für eine etwaige vertragliche Haftung gegenüber den Kunden, soweit es um die spezifisch aufsichtsrechtlichen Verhaltens- und Organisationspflichten geht (zum Zusammenspiel mit den allgemeinen vertragsrechtlichen Pflichten Grundmann 8. Teil Rn 224), stets die in § 63 Abs. 1 WpHG statuierte Pflicht zur „bestmöglichen“ Interessenwahrung, die hier allerdings, wie § 63 Abs. 2 Satz 1 WpHG und Art. 34 Abs. 4 DVO MiFID II klarstellen, von vornherein unter Einbeziehung der korrespondierenden Organisationspflichten bereits auf der Tatbestandsebene konkretisiert werden muss (siehe noch unten Rn 67 f.). Beide Pflichtenkomplexe – Wohlverhaltenspflicht nach § 63 Abs. 1 und 2 WpHG so- 60 wie die korrespondierenden Organisationspflichten nach § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG und Artt. 33 ff. DVO MiFID II – verbindet ein gemeinsames Schutzziel: Beide wirken zusammen, um Interessenkonflikte infolge des der Kapitalmarktintermediation geradezu we-

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Deutlich bereits für das bisherige Recht, aber erst recht auf die Neufassung übertragbar Casper in Bankrechtstag 2008, S. 139 (167).

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Vgl. bereits Bliesener Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten, S. 173.

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7. Teil. Organisationsregeln

sensimmanenten Prinzipal-Agent-Konflikts präventiv weitgehend einzuhegen. Sie adressieren damit das Problem, dass der von den Kunden mit Intermediationsleistungen betraute Intermediär bei der Beratung vor Anlage- oder Emissionsentscheidungen oder bei der Ausführung von Kundenaufträgen zur Wahrnehmung seiner eigenen – bzw. zur Wahrnehmung der Interessen anderer Kunden – anstatt der Interessen des jeweiligen Vertragspartners handelt. Dieser Hintergrund ist ebenso seit langem eingehend aufgearbeitet wie die verschiedenen Szenarien, die zu Interessenkollisionen führen können und die heute in Art. 33 DVO MiFID II (vgl. im Wesentlichen entsprechend schon Art. 21 MiFID-I-Durchführungsrichtlinie) abstrakt definiert werden. Dazu zählen Fälle, in denen das Kundeninteresse mit Eigengeschäften des Intermediärs oder anderen Kundenaufträgen konfligiert, aber auch Kollisionen zwischen dem Kundeninteresse und Aktivitäten des Intermediärs auf anderen Geschäftsfeldern als der Anlageberatung und Vermögensverwaltung, z.B. der Emissionsbegleitung und Kurspflege203. Das Management von Interessenkonflikten dient dabei zugleich der Absicherung der Verhaltenspflichten im Zusammenhang mit Insiderinformationen (Art. 8 und 14 MAR sowie Art. 9 Abs. 1 MAR, siehe dazu Grundmann 6. Teil Rn 403 f.).204 Im Zentrum der einschlägigen Organisationspflichten steht seit jeher eine Kombination aus Maßnahmen zur Ablauf- und Aufbauinformation,205 die darauf abzielen, Interessenkonflikte zu erkennen, zu vermeiden und ggf. offenzulegen. 61 Die Systematik der einschlägigen Vorschriften ist heute ebenso wie bei den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten und bei den Anforderungen an die Compliance-Funktion von einem Nebeneinander des deutschen Umsetzungsrechts und den konkretisierenden Vorgaben der DVO MiFID II geprägt. Zentrale Rechtsgrundlage im deutschen Recht ist § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG, der „auf Dauer wirksame Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen“ fordert, „um Interessenkonflikte bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen oder einer Kombination davon (…) zu erkennen und zu vermeiden oder zu regeln“. Die Regelung wird in § 96 WpHG ausdrücklich auch auf das Geschäft mit strukturierten Einlagen erstreckt (dazu Grundmann 8. Teil Rn 99) und geht im Kern auf § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG a.F. zurück, der seinerseits durch das FRUG 2007 in Umsetzung der unionsrechtlichen Anforderungen aus Art. 13 Abs. 3 und Art. 18 Abs. 1 MiFID I erheblich verändert worden war.206 Daneben traten im bisherigen Recht die konkretisierenden Regelungen in § 13 WpDVerOV a.F., welche die Vorgaben aus Artt. 21 ff. MiFID-I-Durchführungsrichtlinie umsetzten. Die Neufassung des unionsrechtlichen Rechtsrahmens hat die – nunmehr in § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG sowie im Rahmen der allgemeinen Wohlverhaltenspflichten in § 63 Abs. 2 WpHG umgesetzten – bisherigen Vorgaben in Art. 16 Abs. 3 UAbs. 1 und Art. 23 MiFID II fortentwickelt. Die konkretisierenden Anforderungen nach

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Dazu grundlegend bereits Hopt Kapitalanlegerschutz, S. 108 ff., 141 ff., 501 ff.; ders. FS Heinsius 1991, S. 289 (316 ff.); aus dem späteren Schrifttum eingehend Bliesener Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten, S. 166 ff.; eingehend zuletzt Grundmann/ Hacker in Ferrarini/Busch, Regulation of EU Financial Markets, Rn 7.03 ff.; zur Einbettung der europäischen Rechtsentwicklung in den internationalen Hintergrund Kumpan/ Leyens ECFR 5 (2008), 72 ff.; vgl. auch KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33

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Rn 137; allgemein zum Prinzipal-AgentenKonflikt auch Benicke Wertpapiervermögensverwaltung, S. 155 ff. Siehe auch Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 102; für das frühere Recht eingehend bereits Hopt FS Heinsius 1991, S. 289 (314 ff.): „Insiderinformationen nur Teil des allgemeineren Problems der Interessenkonflikte“. BankR-HdB/Faust § 109 Rn 113. Vgl. Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 71.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

Art. 33 bis 43 DVO MiFID II bauen ihrerseits auf den bisherigen Vorgaben der MiFIDI-Durchführungsrichtlinie auf und entwickeln sie weiter, sind nunmehr aber wiederum unmittelbar anwendbar. Sie treten damit an die Stelle der bisherigen Regelungen in § 13 WpDVerOV a.F., mit denen sie vor allem in den Grundlagen in erheblichem Umfang deckungsgleich sind. Die ergänzende Vorschrift des § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG entspricht § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3a WpHG a.F., der mit dem Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 2011207 eingeführt worden war, und geht nicht unmittelbar auf unionsrechtliche Vorgaben zurück, sondern konkretisiert die allgemeinen Anforderungen an den Umgang mit Interessenkonflikten für die Ausgestaltung von Vertriebsvorgaben im Sinne einer klarstellenden Regelung.208 b) Erkennung möglicher Interessenkonflikte. Nach neuem wie nach bisherigem Recht 62 (vgl. § 13 Abs. 1 WpDVerOV a.F.) müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen zunächst mögliche Interessenkonflikte identifizieren und zu diesem Zweck ihre Geschäftsaktivitäten laufend209 darauf untersuchen (sog. Screening), ob das Unternehmen oder „relevante Personen“ i.S.d. Art. 2 Nr. 1 DVO MiFID II210 zu Lasten des Kunden Vorteile aus den betreffenden Geschäften erzielen (Einzelheiten: Art. 33 lit. a und b DVO MiFID II), Anreize haben, anstelle des Kundeninteresses eigene Interessen zu verfolgen (Art. 33 lit. c DVO MiFID II), gleichen Geschäften wie der Kunde selbst nachgehen (Art. 33 lit. d DVO MiFID II) oder von dritter Seite finanzielle oder andere Anreize für bestimmte Dienstleistungen erhalten (Art. 33 lit. d DVO MiFID II).211 Ziel ist dabei nicht die konkret-transaktionsbezogene Verringerung von Interessenkonflikten, sondern die präventive Minimierung entsprechender Risiken.212 Dass sich die einzelnen Fälle bisweilen nicht trennscharf voneinander abgrenzen lassen, liegt auf der Hand. Beispiele für unberechtigte finanzielle Vorteile i.S.d. Buchst. a und b bieten etwa das sog. Churning, d.h. die Generierung einer möglichst großen Zahl entgeltpflichtiger Transaktionen im Auftrag des Kunden gegen sein Interesse an einer kostenschonenden Abwicklung, oder das Aussprechen von Kaufempfehlungen für vom Betreffenden selbst gehaltene Wertpapiere mit dem Ziel, die betreffenden Papiere nach der durch die Empfehlung ausgelösten Kurssteigerung wieder zu verkaufen (sog. Scalping).213 Nimmt man mit der Zivilrechtsprechung Aufklärungspflichten bei besonders komplexen Derivatgeschäften an, die in qualifizierter Form von vornherein zugunsten des Wertpapierdienstleisters strukturiert sind,214 wird man auch diesen Fall hier

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Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) vom 05.04.2011, BGBl. 2011 I S. 538. Vgl. Begr. RegE AnsFuG, BT-Drs. 17/3628, S. 22; näher Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 140a-d; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 188 ff. Näher Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 27 (mindestens jährlich). Organmitglieder, Gesellschafter oder Angestellte des Unternehmens oder seiner vertraglich gebundenen Vermittler oder sonst – auch im Rahmen von Funktionsauslagerungen – an der Erbringung der Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten beteiligte Personen.

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Eingehend mit Beispielen zu § 13 Abs. 1 WpDVerOV Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 179 ff.; Preuße/Zingel/Fröh WpDVerOV § 13 Rn 16 ff.; ferner Szesny/ Kuthe/Langfritz 16. Kap. Rn 108; Kümpel/ Wittig/Rothenhöfer Rn 3.377 ff. Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 94; Assmann/ Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 46. Z.B. Preuße/Zingel/Fröh WpDVerOV § 13 Rn 19; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/ Will § 33 Rn 144. Vgl. grundlegend BGH Urt. v. 22.03.2011 – XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 = NJW 2011, 1949 (Ille); dazu allgemein stellvertretend Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 37. Kap. Rn 55 ff.

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7. Teil. Organisationsregeln

einzuordnen haben.215 Als Beispiel sowohl für diese Variante als auch für die Fallgruppe der Eingehung von Geschäften in Konkurrenz zum Kunden (Art. 33 lit. d DVO MiFID II) wird das sog. Front Running zitiert, d.h. der Abschluss von Geschäften im Eigeninteresse vor Ausführung eines Kundenauftrags, das sich einer eindeutigen Zuordnung entzieht.216 Die letztgenannte Fallgruppe – durch Dritte gewährte Vorteile – ist sachlich eng mit der Vorschrift des § 70 WpHG (vgl. § 31d WpHG a.F.) verknüpft, der die Zulässigkeit von Zuwendungen Dritter regelt und einschränkt (dazu Grundmann 8. Teil Rn 243 ff.).217 Die Analyse muss sich dabei naturgemäß insbesondere auf diejenigen Geschäftsaktivitäten konzentrieren, die aufgrund des Zusammentreffens unterschiedlicher Interessen in besonderem Maße anfällig für Konflikte sind; nach wie vor gehören dazu Finanzanalyse, Eigenhandel, Vermögensverwaltung und die Unternehmensfinanzierung einschließlich des Emissions- und des M&A-Geschäfts.218 Damit korrespondierende Dokumentationspflichten sind in Art. 35 DVO MiFID II geregelt. In der Praxis hat sich für die aufbereitende Darstellung möglicher Interessenkonflikte und die Auswertung die Erstellung einer Interessenkonfliktmatrix bzw. Interessenkonfliktdatenbank etabliert, die für die einzelnen Geschäftsbereiche mögliche Quellen von Interessenkonflikten, die jeweiligen Interessenträger und Gegenmaßnahmen zusammenstellt.219 63 Neben der laufenden allgemeinen Analyse der Geschäftsbereiche und -aktivitäten auf mögliche Interessenkonflikte hat sich auch die einzelfallbezogene Analyse im Zusammenhang mit bevorstehenden, besonders bedeutsamen Transaktionen, z.B. der Übernahme bedeutender Kundenaufträge, von M&A-Mandaten oder Emissionsbegleitungen, als Standard entwickelt (sog. Conflict Clearing).220 Die dafür in ablauf- und aufbauorganisatorischer Hinsicht zu treffenden Vorkehrungen, die jedenfalls eine frühzeitige Einbindung der Compliance-Funktion vor der Mandatsübernahme durch die betreffenden Geschäftsbereiche verlangen, werden sinnvollerweise in die allgemeinen organisatorischen Maßnahmen zum Umgang mit Interessenkonflikten integriert und insbesondere mit der in Art. 35 DVO MiFID II vorgeprägten laufenden Transaktionserfassung (sog. Deal Logging) verknüpft.221

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c) Entwicklung unternehmensinterner Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten („Interessenkonfliktmanagement“). Im Wesentlichen wie nach bisherigem Recht (vgl. § 13 Abs. 2 WpDVerOV a.F.)222 müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen

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Überzeugend Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 184 f.; zurückhaltend insoweit Preuße/Zingel/Fröh WpDVerOV § 13 Rn 20. Vgl. für ersteres Szesny/Kuthe/Langfritz 16. Kap. Rn 108; für letzteres Preuße/Zingel/ Röh WpDVerOV § 13 Rn 24; wiederum anders (sonstiger Fall) KölnKomm WpHG/ Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 148. Siehe zur Umsetzung der Vorgaben des dem heutigen Art. 33 lit. e DVO MiFID II inhaltlich entsprechenden § 13 Abs. 1 Nr. 5 WpDVerOV insoweit Hartmann/Dost/Wessarges CCZ 2010, 88 (92 f.). Für das bisherige Recht Schäfer/Hamann/ Göres WpHG § 33 Rn 186; Assmann/ Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 43; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 151.

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Eingehende Darstellung bei Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 187 ff.; siehe auch BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 35; Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 27. Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 303 ff.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 152; Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 28. Dazu für das bisherige Recht BankR-HdB/ Schäfer/Faust § 109 Rn 35, 155; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 303 ff.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 185; Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 29. Dazu näher Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 192 ff.; KölnKomm WpHG/Meyer/ Paetzel/Will § 33 Rn 154 ff.; Preuße/Zingel/ Röh WpDVerOV § 13 Rn 31 ff.; siehe auch BankR-HdB/Schäfer/Faust § 109 Rn 129b.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

Grundsätze (auch: „Conflict of Interest Policy“) für den Umgang mit Interessenkonflikten festlegen, auf Dauer umsetzen und regelmäßig überprüfen, wobei in Unternehmensgruppen die insgesamt in der Gruppe auftretenden Konflikte erfasst werden müssen (Art. 34 Abs. 1 UAbs. 1 und Abs. 5 DVO MiFID II, vgl. zuvor § 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 WpDVerOV a.F.).223 Der geforderte Umfang und der Inhalt der Richtlinien hängen nach wie vor von der Größe und Organisation des Unternehmens sowie von der Art, dem Umfang und der Komplexität der Geschäftsaktivitäten ab (Art. 34 Abs. 1 UAbs. 1 DVO MiFID II, entsprechend zuvor § 13 Abs. 2 Satz 1 WpDVerOV a.F.). Gerade mit diesen Vorgaben entsprechen die Anforderungen an das Interessenkonfliktmanagement dem allgemein für die kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten charakteristischen Ansatz der prinzipienbasierten Regulierung, welche die Konkretisierungslast zunächst der Geschäftsleitung der Regulierungsadressaten aufbürdet und die verbindliche Klärung der Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde überlässt (oben Rn 37). Danach können bei kleineren Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern qualifizierte Verhaltensvorgaben schon ausreichend sein, während bei komplexen Unternehmen eine komplette Abschottung einzelner Geschäftsbereiche erforderlich sein kann.224 Die „Grundsätze“ müssen zunächst festlegen, unter welchen Umständen bei den Geschäftstätigkeiten Interessenkonflikte auftreten können, die den Kundeninteressen erheblich schaden können (Art. 34 Abs. 2 lit. a DVO MiFID II, entsprechend zuvor § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpDVerOV a.F.). Sodann und vor allem sind hier Verfahren und Maßnahmen zur Bewältigung von Interessenkonflikten festzulegen (Art. 34 Abs. 2 lit. b DVO MiFID II, entsprechend zuvor § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpDVerOV a.F.), die den Kern der organisatorischen Anforderungen darstellen. Diese werden in Art. 34 Abs. 3 UAbs. 2 DVO MiFID II exemplarisch weiter konkretisiert (vgl. entsprechend bislang § 13 Abs. 3 Satz 2 WpDVerOV a.F.). Dazu zählen zunächst institutionell orientierte, hier nicht im Detail zu verfolgende Maßnahmen wie die Überwachung der für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen zuständigen Mitarbeiter (Art. 34 Abs. 3 UAbs. 2 lit. b DVO MiFID II, vgl. § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 WpDVerOV a.F.)225 und die Gestaltung der Anreizstrukturen durch die Vergütungsmodelle (Art. 34 Abs. 3 UAbs. 2 lit. c DVO MiFID II, vgl. § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 WpDVerOV a.F.)226 sowie die Pflicht zur Verhinderung unsachgemäßer Einflussnahme auf Mitarbeiter in der Unternehmenshierarchie (Art. 34 Abs. 3 UAbs. 2 lit. d, vgl. § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 WpDVerOV a.F.).227 Von zentraler Bedeutung sind Vorgaben zur Vermeidung von Interessenkonflikten durch entsprechende Vorkehrungen in der Aufbauorganisation (unten Rn 65) sowie der Ablauforganisation (unten Rn 66), die unmittelbar die Art und Weise der Erfüllung der Vertragspflichten gegenüber den Kunden prägen. d) Aufbauorganisation. Im Mittelpunkt der im Hinblick auf die Aufbauorganisation 65 geforderten Maßnahmen steht traditionell – unter Rezeption anglo-amerikanischer Gestaltungsvorbilder228 – die Isolierung von Geschäftsbereichen, deren Aktivitäten von konfli-

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Dazu näher Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 36 ff. Zum bisherigen Recht Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 103; Schweizer Insiderverbote, S. 172 f.. Zum bisherigen Recht Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 84; Kümpel/Wittig/ Rothenhöfer Rn 3.391. Zum bisherigen Recht Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 78 f.; Kümpel/Wittig/

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Rothenhöfer Rn 3.388; siehe auch Schäfer/ Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 296 ff.; Casper in Bankrechtstag 2008, S. 139 (167 f.). Zum bisherigen Recht Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 267 ff.; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 72; Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 80 f.; Kümpel/Wittig/Rothenhöfer Rn 3.389. Vgl. stellvertretend Hollander/Salzedo Conflicts of Interest, S. 96 ff. und passim; McVea

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7. Teil. Organisationsregeln

gierenden Interessen geprägt sind, durch die dauerhafte oder im Bedarfsfall, für bestimmte Projekte, auch nur vorübergehende229 Errichtung sogenannter Vertraulichkeitsbereiche und Informationsbarrieren (sog. Chinese Walls). Damit sollen idealiter230 potentielle Interessenkonflikte und deren Ursachen von vornherein minimiert werden, indem der unternehmensinterne Informationsfluss so strukturiert wird, dass die einzelnen Dienstleistungen ohne Kenntnis der in den übrigen Geschäftsaktivitäten gewonnenen Informationen und für diese relevanten Interessen entscheiden und operativ tätig sein können.231 Anzahl und Zuschnitt der Vertraulichkeitsbereiche müssen jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der Analyse möglicher Interessenkonflikte festgelegt werden.232 In der Praxis werden typischerweise Vertraulichkeitsbereiche für den Eigenhandel, die Ausführung von Kundenaufträgen, die Vermögensverwaltung, das Emissionsgeschäft, das Kreditgeschäft, für Research und Analyse und ggf. für Stabsstellen eingerichtet.233 Nicht erfasst sind dagegen die Geschäftsleitung, die schon im Hinblick auf die Gesamtverantwortung für die aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten zwingend umfassenden Zugang zu allen relevanten Informationen haben muss, sowie die Mitarbeiter der ComplianceFunktion selbst (sog. Supra-Chinese-Wall-Status).234 Die praktische Umsetzung wird im Regelfall neben der personellen (vgl. auch Art. 34 Abs. 3 UAbs. 2 lit. e DVO MiFID II) und räumlichen Trennung der einzelnen Bereiche separate Datenbestände und Vorgaben für die Kommunikation der jeweiligen Mitarbeiter untereinander erfordern;235 nicht not-

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Financial Conglomerates and the Chinese Wall – Regulating Conflicts of Interest, 1993, S. 122–234; zur Entwicklung vergleichend auch Lösler Compliance, S. 74 ff.; Hopt FS Heinsius 1991, S. 289 (319). Zur Abgrenzung Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 205 f.; siehe auch BankRHdB/Faust § 109 Rn 144a; Preuße/Zingel/ Röh WpHG § 33 Rn 52. Zweifel an der Wirksamkeit der damit verbundenen Eindämmung von Interessenkonflikten sind so alt wie das Instrumentarium selbst; vgl. schon Hopt FS Heinsius 1991, S. 289 (320); exemplarisch die empirische Studie von Fecht/Hackethal/Karabulut, Is Proprietary Trading Detrimental to Retail Investors?, Working Paper 2016, https://ssrn.com/abstract=1783679. Siehe dazu BankR-HdB/Faust § 109 Rn 135a ff.; Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 107 ff.; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 200 ff.; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 53 ff.; KölnKomm WpHG/ Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 174; Kümpel/ Wittig/Rothenhöfer Rn 3.335 ff.; BankRHdB/Seiler/Geier § 104 Rn 122 ff.; BuckHeeb FS Hopt 2010, S. 1647 ff.; Hopt FS Heinsius 1991, S. 289 (319); ders. FS Doralt 2004, S. 213 (214 ff.); eingehend Lösler Compliance, S. 79 ff.; siehe auch MaComp, Module AT Nr. 3a und 6.2 und dazu Gößmann BuB Rn 7/1540 ff.

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Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 108; Assmann/ Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 54; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 175; Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 50. Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 108; Schäfer/ Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 205; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 54; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 174; Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 50; siehe schon Lösler Compliance, S. 82 f. („Emittentenkontaktbereiche“, „Marktkontaktbereiche“). Vgl. auch Erwägungsgrund 47 DVO MiFID II, wo ausdrücklich Finanzanalyse und Anlageberatung, Eigenhandel, Portfolioverwaltung und Unternehmensfinanzierung als besonders sensible Geschäftsbereiche erwähnt werden; entsprechend Erwägungsgrund 52 zu den maßgeblichen Akteuren. BankR-HdB/Faust § 109 Rn 147; Fuchs/ Fuchs WpHG § 33 Rn 118 f.; Assmann/ Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 54. BankR-HdB/Faust § 109 Rn 141 ff.; Fuchs/ Fuchs WpHG § 33 Rn 109; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 203; Assmann/ Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 55; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 176; Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 51 ff. (personelle Trennung), 55 ff. (physische und kommunikative Trennung); siehe auch schon Lösler Compliance, S. 84 ff.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

wendig ist dagegen die Ausgliederung in Tochterunternehmen.236 Im Bedarfsfall sind innerhalb der einzelnen Vertraulichkeitsbereiche nochmals ergänzende Abschichtungen geboten, um in diesem Bereich drohende Interessenkonflikte abzuwenden (sog. sekundäre Chinese Walls).237 e) Ablauforganisation. Die aufbauorganisatorischen Maßnahmen sind durch ablauf- 66 organisatorische Vorkehrungen zu ergänzen und zu konkretisieren, die schriftlich in internen Anweisungen und Richtlinien festgehalten und durch Schulungen an die Mitarbeiter der betroffenen Geschäftsbereiche zu vermitteln sind.238 Um sicherzustellen, dass die verschiedenen Geschäftsbereiche auf allgemein zwingend benötigte Informationen („Need-toKnow-Prinzip“) zugreifen können, ist als komplementäre Maßnahme zunächst der zulässige bereichsübergreifende Informationsfluss zu definieren und zu organisieren (sog. Wall Crossing).239 Nicht nur zur Absicherung der Effektivität der Vorkehrungen insgesamt sinnvoll, sondern mit Blick auf die Pflicht zur laufenden Überprüfung (Art. 34 Abs. 4 DVO MiFID II) zwingend geboten ist die kontinuierliche Überwachung der Effektivität der Chinese Walls und der dazugehörigen Maßnahmen. Hierzu hat sich als Standard die Einführung einer sog. Beobachtungsliste („Watch-List“) etabliert, die entsprechende Meldepflichten der operativen Geschäftsbereiche voraussetzt. Die Liste wird vertraulich von der Compliance-Funktion geführt und laufend aktualisiert und führt diejenigen Finanzinstrumente auf, zu denen im Unternehmen insgesamt compliance-relevante Tatsachen vorliegen und deren Handhabung besonders zu überwachen ist.240 Besteht nach den Ergebnissen der laufenden Analyse möglicher Interessenkonflikte und sonstiger compliance-relevanter Gesichtspunkte, insbesondere im Hinblick auf insiderrechtliche Implikationen (vgl. nochmals Grundmann 6. Teil Rn 406) eine hohe Wahrscheinlichkeit für Pflichtverstöße und Interessenkonflikte, sind die betreffenden Finanzinstrumente in eine Sperrliste („Restricted List“) aufzunehmen. Die darin aufgeführten Finanzinstrumente sind vom Eigenhandel ausgeschlossen; zu ihnen dürfen keine Anlageempfehlungen und keine Finanzanalysen erstellt werden (Handels- und Research-Restriktionen), während die Ausführung darauf bezogener Kundenaufträge weiterhin zulässig bleibt.241 Zu den ablauforganisatorischen Vorkehrungen zur Absicherung der aufbauorganisatorischen Grundsätze gehört schließlich die in Art. 34 Abs. 3 UAbs. 2 lit. e (vgl. bislang § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 WpDVerOV a.F.) gere-

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Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 55. Dazu BankR-HdB/Faust § 109 Rn 144a. Vgl. allgemein zum früheren Recht Fuchs/ Fuchs WpHG § 33 Rn 132; Preuße/Zingel/ Röh WpDVerOV § 13 Rn 68. Dazu BankR-HdB/Faust § 109 Rn 146; Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 112 ff.; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 215 ff.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 177; Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 58 ff.; Kümpel/Wittig/Rothenhöfer Rn 3.344 ff.; MaComp, Modul AT 6.2 Nr. 3b; Buck-Heeb FS Hopt 2010, S. 1647 (1667 ff.). BankR-HdB/Faust § 109 Rn 149; Fuchs/ Fuchs WpHG § 33 Rn 133 ff.; Assmann/ Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 65 ff.;

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KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 181; Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 69; Kümpel/Wittig/Rothenhöfer Rn 3.360; BankR-HdB/Seiler/Geier § 104 Rn 127 ff.; MaComp, Modul AT 6.2 Nr. 2 und dazu Gößmann BuB Rn 7/1543 ff.; siehe auch Bergles ZBB 2000, 140 (141) und bereits Lösler Compliance, S. 85 f. BankR-HdB/Faust § 109 Rn 151 f.; Fuchs/ Fuchs WpHG § 33 Rn 137 ff.; Assmann/ Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 65 ff.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 183 f.; Preuße/Zingel/Röh WpDVerOV § 13 Rn 71 ff.; Kümpel/Wittig/Rothenhöfer Rn 3.363 ff.; BankR-HdB/Seiler/Geier § 104 Rn 130 ff.; MaComp, Modul AT 6.2 Nr. 2 und dazu Gößmann BuB Rn 7/1547 ff.; sowie bereits Lösler Compliance, S. 86 f.

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7. Teil. Organisationsregeln

gelte Pflicht zur Verhinderung oder Kontrolle einer Beteiligung von Mitarbeitern an konfligierenden Dienstleistungen.242

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f) Zivilrechtliche Implikationen. Indem die auf den Umgang mit Interessenkonflikten bezogenen Organisationspflichten sowohl die Segregation von Zuständigkeiten erzwingen als auch die unternehmensinternen Informationsflüsse strukturieren, erleichtern sie jedenfalls idealiter die Orientierung der Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen allein am Kundeninteresse (vgl. § 63 Abs. 1 WpHG, dazu Grundmann 8. Teil Rn 132 ff.). Ihre Verletzung ist damit im Ausgangspunkt nicht anders als die der allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten im Rahmen einer vertraglichen Haftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens gegenüber Kunden ggf. als Organisationsverschulden zu berücksichtigen. Wie ausgeführt, stehen die Organisationspflichten zur Vermeidung von Interessenkonflikten allerdings insofern in engem Zusammenhang zur Tatbestandsebene der transaktionsbezogenen Wohlverhaltenspflichten, als die Regelungsadressaten ihre Pflichten bei Vorliegen von Interessenkonflikten nur durch Transparenz gegenüber den Kunden erfüllen können, soweit die betreffenden Interessenkonflikte nicht durch organisatorische Vorkehrungen von vornherein vermieden werden können (vgl. nochmals § 63 Abs. 2 Satz 1 WpHG, Art. 34 Abs. 4 DVO MiFID II, oben Rn 59 sowie Grundmann 8. Teil Rn 144 f.). Im Rahmen einer zivilrechtlichen Haftung spielen die organisationsrechtlichen Vorgaben zur Vermeidung von Interessenkonflikten damit eine von den allgemeinen Organisationspflichten abweichende Rolle, indem sie bereits die den Kunden gegenüber geschuldeten Pflichten konturieren. Zwar ist auch hier eine Haftung wegen Pflichtverletzung zunächst davon abhängig, ob die dem Kunden gegenüber erbrachte Leistung dessen Interessen gerecht wird (allgemein Grundmann 8. Teil Rn 135 ff.). Doch kann der Vorwurf der Vertragspflichtverletzung ggf. auch darauf gestützt werden, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht über eine verbleibende und nicht vermeidbare Konfliktlage aufgeklärt hat. Unabhängig davon kann die Wirksamkeit der jeweils getroffenen Vorkehrungen auch in Fällen zu berücksichtigen sein, in denen Kundeninteressen durch die unberechtigte Weitergabe vertraulicher Informationen verletzt worden sind (siehe allgemein zu den aus dem Bankgeheimnis und aus dem allgemeinen Datenschutzrecht resultierenden Intermediärpflichten Grundmann 2. Teil, 2. Abschnitt Rn 69 ff.). 68 Eine Sonderstellung nehmen die Vorgaben zum Umgang mit Interessenkonflikten im Hinblick auf die zivilrechtlichen Implikationen darüber hinaus insoweit ein, als die physische und informatorische Trennung nach Vertraulichkeitsbereichen die Frage nach den Auswirkungen für die unternehmensinterne Wissenszurechnung aufwirft. Die seit langem diskutierte243 Fragestellung geht in ihrer Bedeutung weit über die Intermediär-Kunden-Beziehung hinaus und ist hier nicht im Detail zu entfalten.244 Geht man von der letztlich auch auf das Gebot der interessengerechten Beratung zurückführbaren und durch die allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten (§ 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpHG, Art. 21 Abs. 2 DVO MiFID II, oben Rn 47 f.) abgesicherten Pflicht des Wertpapierdienstleistungsunternehmens aus, die bei ihm insgesamt vorhandenen Informationen in den Dienst der Kunden zu stellen, stützt dies zunächst den allgemeinen Grundsatz einer umfas242

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Siehe dazu näher Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 282 ff.; Assmann/Schneider/ Koller WpHG § 33 Rn 73. Siehe schon Lösler Compliance, S. 97 ff.; angedeutet schon bei Hopt FS Heinsius, 1991, S. 289 (321).

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Vgl. eingehend Buck-Heeb FS Hopt 2010, S. 1647 ff.; Lösler Compliance, S. 97 ff., 111 ff.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

senden Zurechnung.245 Für die Festlegung der Reichweite und Grenzen der Zurechnung sprechen gute Gründe dafür, nicht allein auf die bestehenden Vertraulichkeitsbereiche als solche abzustellen, sondern vielmehr auf die jeweils maßgeblichen gesetzlichen Organisationspflichten sowie die materiell-rechtlichen Grundlagen für die Beschränkung des unternehmensinternen Informationsflusses abzustellen (insbes. Bankgeheimnis, Datenschutz, Insiderrecht).246 Eine Wissenszurechnung muss daher ausscheiden, wo Informationen mit Blick auf Weitergabeverbote und deren Absicherung in Gestalt von Vertraulichkeitsbereichen nicht an die für die Erbringung der fraglichen Tätigkeiten handelnden Akteure kommuniziert werden dürfen und wo dies durch die Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen physisch und im Hinblick auf die Kommunikationsflüsse abgesichert wird. 5. Vermeidung der Gefährdung von Kundeninteressen in Vertriebsvorgaben (§ 80 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG). Die heute in § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG geregelte Pflicht, die Vertriebsvorgaben so auszugestalten, „dass Kundeninteressen nicht beeinträchtigt werden“ und auch insoweit die Umsetzung laufend zu überprüfen, steht schon dem Wortlaut der Vorschrift nach in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit den in Nr. 2 der Vorschrift geregelten Vorgaben zum Umgang mit Interessenkonflikten („im Rahmen der Vorkehrungen nach Nr. 2“). Die Vorschrift ist ohne unmittelbares Regelungsvorbild im europäischen Sekundärrecht oder in der DVO MiFID II. Sie entspricht der durch das AnsFuG 2011247 neu eingeführten Vorschrift des § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3a WpHG a.F. (oben Rn 61), die – wie die übrigen Bestimmungen des Gesetzes – in Reaktion auf Anlegerverluste während der globalen Finanzkrise die aufsichtsrechtlichen Kompetenzen zur Einwirkung auf den Vertrieb von Kapitalmarktprodukten erweitern sollte.248 Auch sie ist nach § 96 WpHG entsprechend auf das Geschäft mit strukturierten Einlagen anwendbar. § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG definiert zunächst den Rechtsbegriff der Vertriebsvorgaben als „Grundsätze oder Ziele, die den Umsatz, das Volumen oder den Ertrag der im Rahmen der Anlageberatung empfohlenen Geschäfte unmittelbar oder mittelbar betreffen“ denkbar weit und ohne Beschränkung auf konkrete Hierarchiestufen.249 Nicht erfasst sind lediglich allgemeine Umsatz- oder Ertragsziele.250 Als mittelbare Vertriebsvorgaben erfasst sind auch auf den Vertrieb bezogene Zielvereinbarungen mit Mitarbeitern sowie Anreiz- oder Bonussysteme.251 Regelungskern ist die Pflicht, die Vertriebsvorgaben so auszugestalten,

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Vgl. nochmals BGH Urt v. 15.4.1997 – XI ZR 105/96, BGHZ 135, 202 (206 f.); BGH Urt. v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, NJW-RR 2006, 771 (773 f.). In diese Richtung Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 124 ff.; Buck-Heeb FS Hopt 2010, S. 1647 (1695 ff.); im Ergebnis übereinstimmend auch Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 212 a.E.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 180; Preuße/Zingel/ Röh WpDVerOV § 13 Rn 64 ff.; Kümpel/ Wittig/Rothenhöfer Rn 3.341; im insiderrechtlichen Zusammenhang für das frühere Recht auch bereits Brandt Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 249 f.; im Ergebnis wohl auch Faßbender Innerbetriebliches Wissen, S. 281 f.

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Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) vom 05.04.2011, BGBl. 2011 I S. 538. Einführend dazu Möllers/Wenninger NJW 2011, 1697; Müller-Christmann DB 2011, 749; Rößler/Yoo BKR 2011, 377 f.; siehe auch Begr. RegE AnsFuG, BT-Drs. 17/3628, S. 1 f., 17. Assmann/Koller/Schneider WpHG § 33 Rn 78. Fuchs/Fuchs WpG § 33 Rn 104b; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 190; Begr. RegE AnsFuG, BT-Drs. 17/3628, S. 22. KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 189; Begr. RegE AnsFuG, BT-Drs. 17/3628, S. 35.

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7. Teil. Organisationsregeln

„dass Kundeninteressen nicht beeinträchtigt werden“. Während nach dem Wortlaut der Norm schon die bloß abstrakte Gefährdung von Kundeninteressen unzulässig ist,252 wird überwiegend angenommen, dass eine derartige Interpretation zu weit ginge und die Regelungsadressaten lediglich verpflichtet seien, die Vertriebsvorgaben auf die Auswirkungen auf Kunden hin zu analysieren und einen unangemessenen Vertriebsdruck zu vermeiden.253 Dafür spricht in der Tat auch nach neuem Recht der sachliche Zusammenhang mit den allgemeinen Compliance-Pflichten und insbesondere mit den allgemeinen Vorgaben zum Umgang mit Interessenkonflikten, die in § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG weiterhin „angemessene Maßnahmen“ verlangen. In diesem Sinne verstanden, ist auch die Pflicht zur Vermeidung der Beeinträchtigung von Kundeninteressen als Ausdruck einer prozeduralen Regulierungsstrategie zu interpretieren (dazu bereits oben Rn 37, 64), die vor allem auf den Prozess der Vertriebsplanung einwirken soll. In jedem Fall ist durch die in § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG ausdrücklich ausgesprochene Verweisung auf die in Nr. 2 der Vorschrift geregelten Vorkehrungen zum Umgang mit Interessenkonflikten klargestellt, dass die Anforderungen an die Ausgestaltung der Vertriebsvorgaben in gleicher Weise umzusetzen und – durch die Compliance-Funktion – zu überwachen sind wie diese.254 Eine Neufassung der bislang in § 14 Abs. 3a WpDVerOV a.F. geregelten Dokumentations- und Überwachungspflicht bleibt abzuwarten.255 6. Persönliche Geschäfte (Art. 29 i.V.m. Art. 28 DVO MiFID II)

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a) Systematische Stellung und Genese. Art. 29 DVO MiFID II ergänzt die organisatorischen Anforderungen an den Umgang mit Interessenkonflikten (oben Rn 59 ff.) um spezifische Einschränkungen für sog. persönliche Geschäfte relevanter Personen (früher: „Mitarbeitergeschäfte“). Die Vorschrift entwickelt die bisherigen unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 13 Abs. 2 und 3 MiFID I sowie Artt. 12 und 25 i.V.m. Art. 11 der MiFIDI-Durchführungsrichtlinie weiter. Diese waren mit dem FRUG 2007 in § 33b WpHG a.F. umgesetzt worden, der mit Rücksicht auf die unmittelbar anwendbaren Regelungen des Art. 29 DVO MiFID II mit dem 2. FiMaNoG 2017 ersatzlos gestrichen wurde.256 Im nationalen Recht, in dem die Aufsicht bereits vor der Einführung des § 33b WpHG a.F einschlägige Vorgaben in Gestalt sog. Leitsätze für Mitarbeitergeschäfte veröffentlicht hatte,257 findet sich damit heute keine eigenständige Regelung der Materie mehr. Auch eine Verweisungsnorm, wie sie § 80 Abs. 1 Satz 3 WpHG für die Artt. 21 bis 26 DVO MiFID II enthält, wurde insoweit nicht aufgenommen. Die BaFin hatte die Auslegungspraxis zu den gesetzlichen Anforderungen aus § 33b WpHG a.F. 2008 zunächst in einem Rundschreiben

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254

In diese Richtung auch Begr. RegE AnsFuG, BT-Drs. 17/3628, S. 22. So übereinstimmend Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 140c; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 79 f.; wohl auch Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 337 f.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 190 f. Siehe zur Umsetzung nach früherem Recht bereits Fuchs/Fuchs WpHG § § 33 Rn 140d; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 341; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 81 f.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/ Will § 33 Rn 193 f.

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255 256 257

Vgl. § 9 WpDVerOV-RefE in der Fassung des Referentenentwurfs vom 9.5.2017. Vgl. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 243. Zuletzt Bekanntmachung des BAKred und des BAWe über Anforderungen an Verhaltensregeln für vom 07.06.2000, BAnz Nr. 131 vom 15.07.2000, S. 13790; dazu und zu den Vorläufern stellvertretend Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33b Rn 2 ff.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33b Rn 7 f.; siehe auch Gößmann BuB Rn 7/1645 ff.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

zu Mitarbeitergeschäften konkretisiert,258 die später in Modul BT 2 der MaComp (Rn 44) aufgingen.259 Auch insofern bleibt für die künftige Praxis die Neufassung der MaComp abzuwarten. Ausweislich der amtlichen Überschrift dient Art. 29 DVO MiFID II der Konkretisie- 71 rung von Art. 16 Abs. 2 MiFID II, der seinerseits „angemessene Strategien und Verfahren“ verlangt, „die ausreichen, um sicherzustellen, dass die Firma, ihre Geschäftsleitung, Beschäftigten und vertraglich gebundenen Vermittler den Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie sowie den einschlägigen Vorschriften für persönliche Geschäfte dieser Personen nachkommen“. Inhaltlich ist auch diese Regelung ohne direkte Entsprechung im deutschen Umsetzungsrecht; die damit begründeten Pflichten werden indessen teilweise in § 80 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 22 DVO MiFID II, teilweise in § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG i.V.m. Artt. 33 ff. DVO MiFID II adressiert. Regelungsziel ist wie nach früherem Recht260 unverändert die Ergänzung der Anforderungen an den Umgang mit Interessenkonflikten um Maßnahmen, die verhindern sollen, dass der erfasste Personenkreis beruflich erlangte Informationen im Eigeninteresse oder im Interesse bestimmter, nahestehender Dritter ausnutzt. Damit geht es, wie schon der systematische Zusammenhang nahelegt, zum einen um eine Vermeidung von Nachteilen, welche die Kunden infolge konfligierender Eigeninteressen der Mitarbeiter und der sonst erfassten Personen erleiden könnten. Insoweit ergänzt die Vorschrift die einschlägigen Anforderungen an die Vermeidung von und den Umgang mit Interessenkonflikten, die ja in Art. 33 lit. d DVO MiFID II ihrerseits Risiken ausdrücklich erfassen, die daraus resultieren, dass Mitarbeiter und andere „relevante Personen“ i.S.d. Art. 2 Nr. 1 DVO MiFID II mit Kundengeschäften konkurrierende Geschäfte tätigen. In Verbindung mit der Definition der erfassten „persönlichen Geschäfte“ in Art. 28 DVO MiFID II erweitern die Vorgaben aus Art. 29 DVO MiFID II den Kreis der erfassten Geschäfte auch um bestimmte fremdnützige Transaktionen und konkretisieren dann die allgemeinen Organisationspflichten insofern, als bestimmte Arten von Geschäften durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen auszuschließen sind. b) Relevante Akteure. Die Pflichten aus Art. 29 i.V.m. Art. 28 DVO MiFID II betreffen 72 „relevante Personen“ i.S.d. Art. 2 Nr. 1 DVO MiFID II, also „a) einen Direktor, einen Gesellschafter oder eine vergleichbare Person, ein Mitglied der Geschäftsleitung oder einen vertraglich gebundenen Vermittler der Wertpapierfirma; b) einen Direktor, einen Gesellschafter oder eine vergleichbare Person oder ein Mitglied der Geschäftsleitung eines vertraglich gebundenen Vermittlers der Wertpapierfirma; c) einen Angestellten der Wertpapierfirma oder eines vertraglich gebundenen Vermittlers sowie jede andere natürliche Person, deren Dienste der Wertpapierfirma oder einem vertraglich gebundenen Vermittler der Wertpapierfirma zur Verfügung gestellt und von dieser/diesem kontrolliert werden und die an den von der Wertpapierfirma erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten beteiligt ist; d) eine natürliche Person, die im Rahmen einer Auslagerungsvereinbarung unmittelbar an der Erbringung von Dienstleistungen für die Wertpapierfirma oder deren vertraglich gebundenen Vermittler beteiligt ist, welche der Wertpapierfirma die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten ermöglichen.“

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Rundschreiben der BaFin 8/2008 (WA) – Überwachung von Mitarbeitergeschäften gemäß § 33b WpHG und § 25a KWG; dazu Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 33b WpHG Rn 1; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33b Rn 7; KölnKomm WpHG/ Meyer/Paetzel/Will § 33b Rn 9.

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Dazu Gößmann BuB Rn 7/1614 ff. Vgl. dazu Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 33b WpHG Rn 1; Fuchs/Fuchs WpHG § 33b Rn 1 f.; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33b Rn 1; KölnKomm WpHG/ Meyer/Paetzel/Will § 33b Rn 3 f.; Fuchs/ Zimmermann WpHG § 33 Rn 1.

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Dieser Wortlaut entspricht inhaltlich der Definition der „Mitarbeiter“ in § 33b Abs. 1 WpHG a.F. Erfasst sind damit jedenfalls alle Mitglieder der Leitungsorgane (Vorstand, Geschäftsführer), richtigerweise aber auch die Mitglieder des Aufsichtsorgans (Aufsichtsrat, nicht Beirat).261 Der Begriff der „Gesellschafter“ muss demgegenüber bei sachgerechter Auslegung unter Einschränkung des Wortlauts auf den Kreis derjenigen Gesellschafter beschränkt werden, die Einfluss auf die Geschäftsführung und umfassende Informationsmacht haben;262 nur nach dieser Maßgabe lässt sich der Anwendungsbereich sinnvoll auf Personen reduzieren, die aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Rechtsstellung im jeweiligen Unternehmen Zugang zu relevanten Informationen haben. Auch für das neue Recht fällt auf, dass nicht alle Angestellten, die aufgrund ihrer Tätigkeit Zugang zu relevanten Informationen haben, erfasst werden. Art. 2 Nr. 1 lit. c DVO MiFID II verlangt vielmehr, dass die betreffende Person „an den von der Wertpapierfirma erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten beteiligt ist“. Wie unter früherem Recht nicht erfasst sind damit dem Wortlaut nach Mitarbeiter, die lediglich an Wertpapiernebendienstleistungen mitwirken, in Stabsfunktionen oder als Mitarbeiter der Compliance-Funktion Zugang zu relevanten Informationen haben. Auch weiterhin wird man für diesen Personenkreis bei entsprechender Interessenlage anzunehmen haben, dass dafür ggf. aufgrund der allgemeinen Organisationspflichten nach § 80 Abs. 1 WpHG und § 25a Abs. 1 KWG – heute in Verbindung mit den Pflichten aus Artt. 21 ff., 33 ff. DVO MiFID II – inhaltlich gleiche Vorkehrungen getroffen werden müssen, wie sie Art. 29 Abs. 2 bis 6 DVO MiFID II für den nach Art. 28 i.V.m. Art. 2 Nr. 1 DVO MiFID II ausdrücklich erfassten Personenkreis vorsieht.263

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c) Einzelne Pflichten (Überblick). Nach Art. 29 Abs. 1, 2 und 5 DVO MiFID II müssen Wertpapierdienstleistungen durch geeignete Vorkehrungen zunächst sicherstellen, dass der erfasste Personenkreis keine „persönlichen Geschäfte“ abschließt, die gegen Anforderungen aus der MAR, gegen sonst bestehende Vertraulichkeitspflichten oder andere Anforderungen nach der MiFID II verstoßen würden (zu Ausnahmen: Art. 29 Abs. 5 DVO MiFID II).264 Dies entspricht im Wesentlichen den bislang in § 33b Abs. 3 Nr. 1 WpHG a.F.265 geregelten Vorgaben; auch die Erweiterung um Geschäfte für Rechnung der den relevanten Personen nahestehender Dritte sowie um Geschäfte, an denen die relevanten Personen ein wesentliches Interesse haben (Art. 28 lit. b ii) und ii) DVO MiFID II), ist im Wesentlichen deckungsgleich mit der bisherigen Rechtslage (vgl. § 33b Abs. 2 Nr. 1 und 2 WpHG a.F.).266 Darüber hinaus ist nach Art. 29 Abs. 3 DVO MiFID II sicherzustellen, 261

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Zum bisherigen Recht entsprechend Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 33b WpHG Rn 4; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33b Rn 17; Assmann/Schneider/ Koller WpHG § 33b Rn 2; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33b Rn 8; abweichend, aber nicht überzeugend KölnKomm WpHG/ Meyer/Paetzel/Will § 33b Rn 25 (Aufsichtsorgane nicht erfasst). Vgl. insoweit zum bisherigen Recht KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33b Rn 26. Vgl. zum bisherigen Recht Schwark/Zimmer/ Fett KapMR § 33b WpHG Rn 6; Assmann/ Schneider/Koller WpHG § 33b Rn 4; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33b Rn 27; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33b

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Rn 15; zweifelnd Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33b Rn 12. Die deutsche Fassung des Art. 29 Abs. 2 lit. a DVO MiFID II verweist insoweit auf eine – inexistente – „Richtlinie 2014/596/EU“; gemeint ist stattdessen die MAR. Dazu zum bisherigen Recht Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 33b WpHG Rn 16; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33b Rn 25; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33b Rn 41; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33b Rn 17. Dazu Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 33b WpHG Rn 10; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33b Rn 26; KölnKomm WpHG/ Meyer/Paetzel/Will § 33b Rn 36; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33b Rn 18.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

dass „relevante Personen“ außerhalb ihres Aufgabenkreises keine Wertpapiergeschäfte empfehlen, die als persönliches Geschäft gem. Abs. 2 der Regelung bzw. nach Art. 37 Abs. 2 lit. a oder b DVO MiFID II (Einschränkungen der Zulässigkeit von Geschäften durch Finanzanalysten und an der Erstellung von Finanzanalysen beteiligte Personen) oder nach Art. 67 Abs. 3 DVO MiFID II (Verbot des „Missbrauchs“ von Kundeninformationen im Zusammenhang mit der Ausführung von Kundenaufträgen) verboten wären. Ebenso sind Vorkehrungen gegen die Weitergabe von Informationen zu treffen, wenn die Empfänger dadurch zu einem nach den genannten Bestimmungen verbotenen Geschäft bzw. zur Empfehlung eines solchen Geschäfts veranlasst würde (Art. 29 Abs. 4 DVO MiFID II). Inhaltlich entspricht dies den Regelungen in § 33b Abs. 3 Nr. 2267 und Nr. 3268 WpHG a.F.; auch insoweit ergänzt die Vorschrift andernorts geregelte Verbote.269 Im Kern wie nach früherem Recht (vgl. § 33b Abs. 4 WpHG a.F.) sind die Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Rahmen der darauf gerichteten organisatorischen Vorkehrungen verpflichtet zur Information und Schulung der Mitarbeiter (Art. 29 Abs. 5 lit. a DVO MiFID II),270 zur Einrichtung eines Meldeverfahrens oder zu gleichwertigen Maßnahmen zur laufenden Ermittlung persönlicher Geschäfte (Art. 29 Abs. 5 lit b DVO MiFID II)271 sowie zur Dokumentation persönlicher Geschäfte (Art. 29 Abs. 5 lit. c DVO MiFID II).272 7. Beschwerdemanagement (§ 80 Abs. 1 Satz 3, Art. 26 DVO MiFID II – Überblick). 75 Unmittelbar im Unionsrecht geregelt ist nunmehr auch die Pflicht zur Einrichtung eines wirksamen und transparenten Beschwerdemanagements. Die darin enthaltenen Vorgaben gehen deutlich über die Anforderungen nach Art. 13 Abs. 2 MiFID I und Art. 10 der MiFID-I-Durchführungsrichtlinie hinaus, die im früheren Recht in § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpHG a.F. umgesetzt worden waren. Die früher zum Teil umstrittenen Einzelheiten273 werden durch den heutigen Regelungswortlaut in Art. 26 DVO MiFID II, auf den § 80 Abs. 1 Satz 3 WpHG verweist, durchaus kleinteilig vorgegeben, wobei die frühere Beschränkung auf Privatkunden entfällt und nunmehr alle Beschwerden von Kunden und potentiellen Kunden erfasst werden. Ergänzend haben die ESAs gemeinsame Leitlinien zur Beschwerdeabwicklung für den Wertpapierhandel und das Bankwesen herausgege-

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Dazu Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 33b WpHG Rn 16; KölnKomm WpHG/Meyer/ Paetzel/Will § 33b Rn 43 ff.; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33b Rn 25. Dazu Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 33b WpHG Rn 16; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33b Rn 38 f.; KölnKomm WpHG/ Meyer/Paetzel/Will § 33b Rn 46; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33b Rn 26. Vgl. entsprechend für das frühere Recht Fuchs/Zimmermann WpHG § 33b Rn 23. Vgl. zu § 33b Abs. 4 Nr. 1 WpHG a.F. Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 33b WpHG Rn 18; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 41; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33b Rn 14; KölnKomm WpHG/ Meyer/Paetzel/Will § 33b Rn 48 ff.; Fuchs/ Zimmermann WpHG § 33b Rn 25. Vgl. zu § 33b Abs. 4 Nr. 2 WpHG a.F. Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 33b WpHG Rn 19; Schäfer/Hamann/Göres

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WpHG § 33 Rn 42 ff.; Assmann/Schneider/ Koller WpHG § 33b Rn 15; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33b Rn 51 ff.; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33b Rn 29; siehe auch MaComp, Modul BT 2.3 Nr. 4, BT 2.4. Vgl. zu § 33b Abs. 4 Nr. 3 und 4 WpHG a.F. Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 33b WpHG Rn 21 ff.; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 50 ff.; KölnKomm WpHG/ Meyer/Paetzel/Will § 33b Rn 54 ff.; Fuchs/ Zimmermann WpHG § 33b Rn 30. Vgl. dazu im Einzelnen Schwark/Zimmer/ Fett KapMR § 33b WpHG Rn 49; Fuchs/ Fuchs WpHG § 33b Rn 141 ff.; Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 342; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33b Rn 195 ff.; zur Umsetzung auch Renz/Hense/ Korinth Wertpapier-Compliance, II.7 Rn 7 ff.; Schäfer WM 2012, 1157 (1158 ff.).

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7. Teil. Organisationsregeln

ben.274 Nicht anders als bei den übrigen Organisationspflichten (siehe schon oben Rn 37) liegt die Konkretisierungslast zunächst bei den Wertpapierdienstleistungsunternehmen als Regulierungsadressaten selbst, die „wirksame und transparente Strategien und Verfahren für das Beschwerdemanagement festlegen und auf Dauer umsetzen“ müssen und zur Dokumentation von Kundenbeschwerden verpflichtet sind (Art. 26 Abs. 1 DVO MiFID II). Gegenüber den Kunden sind die Unternehmen verpflichtet, „detaillierte Angaben“ zum Verfahren bei Beschwerden und zu den relevanten Kontaktdaten zu veröffentlichen (Art. 26 Abs. 2 DVO MiFID II). Die Aufgaben der Beschwerdemanagementfunktion können nach wie vor durch die Compliance-Funktion ausgeübt werden, die jedenfalls zur Überprüfung der Beschwerdebearbeitung verpflichtet ist (Art. 26 Abs. 3 und 7 DVO MiFID II). In qualitativer Hinsicht wird nach wie vor eine unverzügliche Bearbeitung verlangt (Art. 26 Abs. 1 UAbs. 1 DVO MiFID II); die Kunden sind zusammen mit der abschließenden Stellungnahme auch über Möglichkeiten zur alternativen Streitschlichtung sowie zur Klärung auf dem Rechtsweg zu informieren (Art. 26 Abs. 5 DVO MiFID II).

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8. Besondere Pflichten bei algorithmischem Handel (§ 80 Abs. 2 bis 5 WpHG – Überblick). Die in § 80 Abs. 2 bis 5 WpHG geregelten besonderen Organisationspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die sog. algorithmischen Handel betreiben, setzen die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 17 MiFID II um. Sie treten an die Stelle des bisherigen § 33 Abs. 1a WpHG a.F., der auf das Hochfrequenzhandelsgesetz von 2013275 zurückging und entsprechende Pflichten bereits im Vorgriff auf die MiFID II und in Abstimmung mit den seinerzeit verfügbaren Entwürfen eingeführt hatte.276 Im deutschen Recht waren die Vorläuferregelungen nach § 33 Abs. 1a WpHG a.F. Bestandteil eines komplexen Pakets, das insbesondere mit der aufsichtsrechtlichen Erfassung des Hochfrequenzhandels als erlaubnispflichtiger Sonderfall des Eigenhandels (vgl. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 lit. d KWG i.d.F. des Hochfrequenzhandelsgesetzes) und den speziellen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten die Risiken hochfrequenter Handelstechniken eindämmen sollte.277 Die Richtlinienvorgaben wie zuvor bereits die deutsche Aufsichtspraxis, die bislang durch ein BaFin-Rundschreiben ausgestaltet wurde,278 orientieren sich insoweit an bereits 2012 veröffentlichten ESMA-Leitlinien.279 Die unionsrechtlichen Vorgaben der MiFID II adres-

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ESMA/EBA/EIOPA/Joint Committee, Leitlinien zur Beschwerdeabwicklung für den Wertpapierhandel (ESMA) und das Bankwesen (EBA) vom 27.05.2014 (JC 2014 43). Gesetz zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel (Hochfrequenzhandelsgesetz) vom 07.05.2013, BGBl. 2013 I S. 1162. Vgl. dazu näher Begr. RegE Hochfrequenzhandelsgesetz, BT-Drs. 17/11631, S. 18. Siehe dazu – eher undifferenziert – Begr. RegE Hochfrequenzhandelsgesetz, BT-Drs. 17/11631, S. 1 f., 12; näher Coridaß/Dreyer in Temporale, Europäische Finanzmarktregulierung, S. 55 (56 ff.); Jaskulla BKR 2013, 221 f.; Kindermann/Coridaß ZBB 2014, 178 f.; Kobbach BKR 2013, 233 f.; Schultheiß WM 2013, 596 ff.; siehe auf der Basis der Rechtslage vor dem Gesetz auch Stötzel

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RdF 2012, 156 ff.; zum europäischen Hintergrund und zum Ausbau der Regulierung des Hochfrequenzhandels durch die MiFID II eingehend Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 525 ff. BaFin, Rundschreiben 6/2013 (BA) – Anforderungen an Systeme und Kontrollen für den Algorithmushandel von Instituten vom 18.12.2013; dazu Kindermann/Coridaß ZBB 2014, 178 (181). ESMA, Leitlinien für Systeme und Kontrollen für Handelsplattformen, Wertpapierfirmen und zuständigen Behörden in einem automatisierten Handelsumfeld vom 24.02.2012 (ESMA/2012/122/DE), darauf verweisend auch Begr. RegE Hochfrequenzhandelsgesetz, BT-Drs. 17/11631, S. 18 sowie Erwägungsgrund 63 MiFID II.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

sieren insoweit neben dem Risiko einer Überlastung der Systeme von Handelsplätzen durch außergewöhnlich hohe Transaktionsvolumina aufgrund algorithmischen Handels, eine gesteigerte Fehleranfälligkeit und insbesondere die Überreaktion auf besondere Marktereignisse sowie eine besondere Anfälligkeit des Hochfrequenzhandels für Verstöße gegen das Verbot der Marktmanipulation280 (siehe dazu auch Grundmann 6. Teil Rn 313, 395, 456 und 464 f.). Die speziellen Organisationspflichten nach Art. 17 MiFID II sind darauf ausgerichtet, 77 diese Risiken zu minimieren und dadurch bedingte Störungen der Funktionsfähigkeit und Integrität der Kapitalmärkte zu verhindern.281 § 80 Abs. 2 Satz 1 und 2 WpHG greifen insoweit die bislang in § 33 Abs. 1a Satz 1 WpHG enthaltene Legaldefinition des algorithmischen Handels auf und erweitern sie um den Einsatz von Algorithmen in der Nachhandelsbearbeitung ausgeführter Aufträge, wie dies in Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 MiFID II vorgesehen ist.282 Im Mittelpunkt der Vorschrift stehen die in § 80 Abs. 1 Satz 3 und 4 WpHG (entsprechend § 33 Abs. 1a Satz 3 und 4 WpHG a.F., vgl. Art. 17 Abs. 1 MiFID II) geregelten Organisationspflichten zum Schutz der Sicherheit und Rechtmäßigkeit des Handelsbetriebs und zur Störungsvorsorge.283 Ergänzend hinzu treten umfassende, gegenüber den bisherigen gesetzlichen Vorgaben (vgl. § 33 Abs. 1a Satz 5 WpHG a.F.)284 erheblich ausgeweitete Aufzeichnungspflichten (§ 80 Abs. 3 WpHG, vgl. Art. 17 Abs. 2 UAbs. 5 und 6 MiFID II) zur Erleichterung der aufsichtlichen Überwachung der gesetzlichen Anforderungen.285 Qualifizierte Anforderungen an die Absicherung der Transaktionssicherheit, die über das bisherige Recht hinausgehen, gelten für den Einsatz algorithmischer Handelssysteme zum Zweck des Market Making (Einzelheiten: § 80 Abs. 4 und 5 WpHG, vgl. Art. 17 Abs. 3 und 4 MiFID II). Insgesamt lassen sich nach alledem auch nach neuem Recht die auf den algorithmischen 78 Handel bezogenen besonderen Organisationspflichten als Konkretisierung der allgemeinen Anforderungen an „angemessene Vorkehrungen“ qualifizieren, welche „die Kontinuität und Regelmäßigkeit der Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen“ gewährleisten sollen (heute § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG).286 Sie fügen sich jedoch nur im Hinblick auf den Regelungsgegenstand (technische Aspekte der Geschäftsorganisation), nicht aber im Hinblick auf die Regelungsziele völlig bruchfrei in die sonst daraus abzuleitenden Pflichten ein. Im Unterschied zu den sonstigen allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten geht es hier nicht um die Einhaltung unmittelbar

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Erwägungsgründe 59 und 62 MiFID II. Erwägungsgründe 63 ff. MiFID II; dazu besonders Conac in Ferrarini/Busch, Regulation of EU Financial Markets, Rn 17.01 ff., insbes. 17.22 ff.; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 525 ff.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 213e ff.; Kindermann/Coridaß ZBB 2014, 178 (182 ff.). Beachte ergänzend die Konkretisierung in Art. 18 DVO MiFID II, wonach ein System als „System mit eingeschränkter oder gar keiner menschlichen Beteiligung“ gilt, „wenn bei einem Auftrags- oder Quoteverfahren oder einem Verfahren zur Optimierung der Auftragsausführung ein automatisiertes System in einer Phase der Einleitung,

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des Erzeugens, des Weiterleitens oder der Ausführung von Aufträgen oder Quotes Entscheidungen nach vorgegebenen Parametern trifft“. Vgl. zum bisherigen Recht Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 144f ff.; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 213e ff.; Kindermann/Coridaß ZBB 2014, 178 (182 ff.). Dazu Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 144m; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 213h. Vgl. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 241. Siehe für das frühere Recht entsprechend KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 213i.

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7. Teil. Organisationsregeln

transaktionsbezogener Verhaltenspflichten durch organisatorische Vorkehrungen; vielmehr steht der Schutz der Systemstabilität und Marktintegrität ganz im Vordergrund. 9. Erbringung von Dienstleistungen unter Einbeziehung Dritter, insbesondere durch Funktionsauslagerung (§ 80 Abs. 6 WpHG i.V.m. § 25b KWG, Artt. 30–32 DVO MiFID II – Überblick)

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a) Überblick. Die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen unter Einbeziehung Dritter hat vielfältige Facetten. In organisatorischer Hinsicht relevante Erscheinungsformen (siehe im Übrigen § 71 WpHG und dazu Grundmann 8. Teil Rn 253 f.) sind zum einen – am Rande – die Einbindung vertraglich gebundener Vermittler (vgl. § 2 Abs. 10 KWG, darauf verweisend § 3 Abs. 2 WpHG, unten Rn 80), zum anderen und insbesondere die Funktionsauslagerung auf Dritte („Outsourcing“, vgl. § 80 Abs. 6 WpHG i.V.m. § 25b KWG, Artt. 30 bis 32 DVO MiFID II, unten Rn 81–83). Als übergreifendes Regelungsziel hat das Aufsichtsrecht in beiden Fällen sicherzustellen, dass die Einbeziehung Dritter die Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Pflichten durch den Intermediär selbst – und damit auch die Erfüllung der vertraglichen Pflichten im Intermediär-Kunden-Verhältnis – nicht beeinträchtigt. Besonders deutlich ist dies bei Funktionsauslagerungen, bei denen Intermediäre in besonderem Maße von der kostengünstigen Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten durch arbeitsteilige Delegation von Aufgaben an Dritte profitieren, aber zugleich erhebliche Risiken in Gestalt von wirtschaftlichen Abhängigkeiten und gelockerten Prüfungs- und Kontrollrechten der Aufsicht bestehen.287

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b) Vertraglich gebundene Vermittler. Für vertraglich gebundene Vermittler wird das Regelungsziel maßgeblich bereits durch deren aufsichtsrechtlich vorgegebene Rechtsposition erreicht, welche die Verantwortung für die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten insgesamt bei dem Unternehmen ansiedelt, für das die Vermittler tätig werden. Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 10 Satz 1 KWG, auf die sich auch die einschlägigen kapitalmarktrechtlichen Regelungen beziehen (vgl. insbes. § 3 Abs. 2 WpHG), ist ein Unternehmen vertraglich gebundener Vermittler, wenn es „keine Bankgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 betreibt und als Finanzdienstleistungen nur die Anlagevermittlung, das Platzierungsgeschäft oder die Anlageberatung ausschließlich für Rechnung und unter der Haftung eines CRR-Kreditinstituts oder eines Wertpapierhandelsunternehmens, das seinen Sitz im Inland hat oder nach § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 im Inland tätig ist, erbringt (vertraglich gebundener Vermittler)“.

Wird dies der BaFin angezeigt, wird das Unternehmen gem. § 2 Abs. 10 Satz 1, 2. Hs. KWG aufsichtsrechtlich nicht als Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 1 Abs. 1a KWG, sondern als bloßes Finanzunternehmen i.S.d. § 1 Abs. 3 KWG eingestuft mit der Folge, dass es der Anwendung der allgemeinen materiellen Anforderungen des Bankaufsichtsrechts entzogen ist. Nach § 2 Abs. 10 Satz 2 KWG, der in seiner heutigen Fassung auf das FRUG 2007 zurückgeht, wird die „Tätigkeit des vertraglich gebundenen Vermittlers dem haftenden Unternehmen zugerechnet“ (sog. Haftungsdach), woraus sich die volle Verantwortlichkeit des haftenden Unternehmens ergibt.288 Parallel dazu sind vertragliche Vermittler i.S.d. § 2 Abs. 10 KWG nach § 3 Abs. 2 Satz 1 WpHG (entsprechend zuvor § 2a

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Zusammenfassend Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 145; siehe auch Lösler Compliance, S. 203 f. Dazu näher Boos/Fischer/Schulte-Mattler/ Schäfer KWG § 2 Rn 122 ff.; Luz/Neus/Scha-

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ber/Schneider/Wagner/Weber/Weber/Seifert KWG § 2 Rn 68; Knop BKR 2011, 89 ff.; siehe auch Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 92 f.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

Abs. 2 Satz 1 WpHG a.F.) nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen einzustufen und damit von der Anwendbarkeit der auf diese bezogenen Anforderungen des WpHG ausgenommen, wenn sie nur die Anlagevermittlung, das Platzieren von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung oder Anlageberatung erbringen. Auch insoweit wird die Tätigkeit des Unternehmens dem Institut oder Unternehmen zugerechnet, für dessen Rechnung und unter dessen Haftung es seine Tätigkeit erbringt (§ 3 Abs. 2 Satz 2 WpHG, entsprechend § 2a Abs. 2 Satz 2 WpHG a.F.).289 Die Vorläuferregelung in § 2a Abs. 2 WpHG ging dabei ebenso wie die Einführung des § 2 Abs. 10 KWG in seiner heutigen Fassung ursprünglich auf Art. 4 Nr. 25 i.V.m. Art. 23 MiFID I zurück;290 maßgebliche Rechtsgrundlage im Europäischen Kapitalmarktrecht ist heute Art. 29 MiFID II. Dieser Hintergrund illustriert, weshalb die Verantwortung für vertraglich gebundene Vermittler auch im Hinblick auf die Organisationspflichten nach § 80 WpHG, Artt. 21 ff. DVO MiFID II von vornherein in den Pflichtenkreis der Intermediäre aufgenommen wird. Dies gilt insbesondere für die auch auf die vertraglichen Vermittler anwendbaren Anforderungen an den Umgang mit Interessenkonflikten nach § 80 Abs. 1 Satz 2 WpHG i.V.m. Artt. 33 ff. DVO MiFID II (oben Rn 59 ff.). Die allgemeinen Anforderungen an die Auswahl und Überwachung der vertraglich gebundenen Vermittler ergeben sich dagegen bereichsübergreifend aus dem hier nicht im Detail zu kommentierenden § 25e KWG; werden diese verletzt, kann die BaFin nach § 2 Abs. 10 Satz 8 KWG dem haftenden Unternehmen die Einbindung vertraglich gebundener Vermittler in den Vertriebsprozess untersagen. c) Funktionsauslagerung („Outsourcing“). Ebenso wie die Vorschriften zur Einbin- 81 dung vertraglich gebundener Vermittler sind auch die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Funktionsauslagerung nicht kapitalmarktrechtliches Spezifikum, sondern bereichsübergreifend für Kreditinstitute und Wertpapierdienstleistungsunternehmen gleichermaßen von Bedeutung. Für Institute i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG und für Wertpapierdienstleistungsunternehmen wurden sie im nationalen Recht in § 25a Abs. 2 KWG a.F. sowie in § 33 Abs. 2 WpHG a.F. erstmals durch die Sechste KWG-Novelle 1997 eingeführt,291 womit das deutsche Recht konkrete Vorgaben im Europäischen Bankaufsichts- und Kapitalmarktrecht vorwegnahm.292 Harmonisierte Anforderungen an die Funktionsauslagerung sah erst Art. 13 MiFID I vor, der durch Artt. 13 und 14 MiFID-I-Durchführungsrichtlinie konkretisiert wurde.293 Auch insoweit stehen die Anforderungen des Europäischen Aufsichtsrechts im Zusammenhang mit der Herausbildung einheitlicher Grundsätze auf der Ebene der internationalen Standardsetzung.294 Im Ausgangspunkt wie bei den allgemeinen Organisationspflichten nach § 80 Abs. 1 WpHG (oben Rn 44 ff.) hat der deutsche Gesetz289

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Vgl. zum bisherigen Recht insbes. Schwark/ Zimmer/Kumpan KapMR § 2a WpHG Rn 23 ff.; Fuchs/Fuchs WpHG § 2a Rn 47 ff.; KölnKomm WpHG/Versteegen/Baum WpHG § 2a Rn 37 ff. Vgl. nochmals Begr. RegE FRUG, S. 60 und S. 92 f. Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22.10. 1997, BGBl. 1997 I S. 2518; dazu und zu Vorläuferentwicklungen in der nationalen Aufsichtspraxis eingehend Bergmann Funktionsauslagerung, S. 135 ff.; Campbell ZBB 2008, 148 ff.

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Vgl. stellvertretend Bergmann Funktionsauslagerung, S. 144 f. m.w.N. zur zeitgenössischen Diskussion. Näher wiederum Bergmann Funktionsauslagerung, S. 148 ff.; siehe auch Spindler/Kasten AG 2006, 785 (786 ff.). Siehe besonders Joint Forum (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, IOSCO und International Association of Insurance Supervisors), Outsourcing in Financial Services, 2005; dazu Bergmann Funktionsauslagerung, S. 157 f.

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7. Teil. Organisationsregeln

geber auch bei der Umsetzung dieser Vorgaben durch das FRUG 2007 an der Doppelerfassung sowohl im KWG (nunmehr § 25a Abs. 2 und 3 KWG a.F.) als auch in § 33 Abs. 2 WpHG a.F. festgehalten, um Redundanzen und daraus resultierende Belastungen für die Regulierungsadressaten zu vermeiden.295 Für die Aufsichtspraxis sind diese Anforderungen sowohl in den MaRisk (oben Rn 32, insbes. Modul AT 9) als auch in den MaComp (oben Rn 44, Modul AT 9) weiter konkretisiert worden.296 Nachdem die allgemeinen Anforderungen nach § 25a Abs. 2 und 3 KWG a.F. mit dem CRD-IV-Umsetzungsgesetz297 ohne inhaltliche Änderungen in den neuen § 25b KWG überführt worden sind, verändert sich das Nebeneinander von bankaufsichts- und spezifisch kapitalmarktrechtlichen Vorgaben mit dem neuen, durch das 2. FiMaNoG 2017 reformierten Recht nicht unerheblich. Zwar verweist § 80 Abs. 6 Satz 1 WpHG, der nunmehr der Umsetzung von Art. 16 Abs. 5 UAbs. 1 MiFID II dient, als allgemeine kapitalmarktmarktrechtliche Rechtsgrundlage auch weiterhin ohne eigenständige Regelungsaussage auf die allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben des § 25b KWG. § 80 Abs. 6 Satz 2 WpHG stellt wie zuvor § 33 Abs. 2 Satz 3 WpHG a.F. – überflüssigerweise298 – klar, dass eine Funktionsauslagerung „die Voraussetzungen, unter denen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Erlaubnis nach § 32 des Kreditwesengesetzes erteilt worden ist“, nicht verändern darf. Im Unterschied zur bisherigen Rechtslage ergeben sich die materiellen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Auslagerung allerdings nicht mehr nur aus § 25b KWG und einer bloßen Erweiterung im Kapitalmarktrecht (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 2 WpHG), sondern werden nunmehr in Artt. 30 und 31 WpHG konkretisiert, auf die § 80 Abs. 6 Satz 4 WpHG verweist. Auch hier ergeben sich infolge der damit verbundenen Verlagerung eines (erheblichen) Teils der Regelungsmaterie nunmehr Überschneidungen und Redundanzen mit den bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen, die das frühere Recht vermieden hat. 82 Inhaltlich statuiert Art. 31 Abs. 1 DVO MiFID II (entsprechend § 25b Abs. 2 KWG) zunächst den Grundsatz der vollen Verantwortung des auslagernden Unternehmens für die Einhaltung der maßgeblichen aufsichts- und vertragsrechtlichen Regelungen. Wie nach bisherigem Recht, ergeben sich daraus Grenzen für die Auslagerungsfähigkeit; nicht ausgelagert werden dürfen nach wie vor solche Funktionen, die dem originären Aufgabenkreis der Geschäftsleitung zuzurechnen sind (Art. 31 Abs. 1 lit. a DVO MiFID II) und solche, deren Auslagerung die Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen entfallen lassen würden (Art. 31 Abs. 1 lit. c DVO MiFID II).299 Nach bisherigem Recht ist in diesem Zusammenhang, was hier nicht zu vertiefen ist, insbesondere die Auslagerung der Aufgaben der Compliance-Funktion und der Internen Revision als Bestandteil der nach § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KWG geforderten Kontrollverfahren diskutiert und nur unter strengen Vorausset-

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Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 71; siehe zur Neufassung Campbell ZBB 2008, 148 (152 ff.); Hanten/Görke BKR 2007, 489 ff.; Kaetzler/Weirauch BKR 2008, 265 ff. Dazu näher KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 216 f.; Gößmann BuB Rn 7/1555 ff. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und

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Wertpapierfirmen (CRD IV-Umsetzungsgesetz) vom 28.8.2013, BGBl. 2013 I S. 3395; vgl. dazu Begr. RegE, BT-Drs. 17/10974, S. 86. Zutreffend einen eigenständigen Regelungsgehalt für das bisherige Recht verneinend Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 33 WpHG Rn 60; KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/ Will § 33 Rn 252. Vgl. zu Auslagerungsfähigkeit nach bisherigem Recht Schäfer/Hamann/Göres WpHG § 33 Rn 419; eingehend zu allen Aspekten KölnKomm WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 244 ff.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

zungen für zulässig erachtet worden.300 Art. 31 Abs. 2 DVO MiFID II legt Grundsätze für die Auswahl und Überwachung des externen Dienstleisters (in der bisherigen deutschen Terminologie: „Auslagerungsunternehmen“) durch das auslagernde Unternehmen fest, um dessen Leistungsfähigkeit auch bei Notfällen und eine effektive Kontrolle durch das auslagernde Unternehmen zu gewährleisten. Art. 31 Abs. 3 DVO statuiert darüber hinausgehende Anforderungen an den Inhalt der Auslagerungsvereinbarung. Diese Vorgaben gelten – im Ausgangspunkt wiederum wie nach dem insoweit durch MaRisk, Modul AT 9 Nr. 4–9 konkretisierten § 25b KWG301 – allerdings nur für die Auslagerung von „kritischen oder wesentlichen betrieblichen Funktionen“. Diese sind nach Art. 30 Abs. 1 DVO MiFID II abhängig von den jeweiligen Auswirkungen auf die kontinuierliche Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen, die finanzielle Leistungsfähigkeit und „Solidität oder Kontinuität“ der Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten zu ermitteln.302 Kundenferne Funktionsbereiche konnten demgegenüber schon bisher frei ausgelagert werden,303 woran auch das neue Recht festhält. Qualifizierte Anforderungen gelten für die Auslagerung von Funktionen an einen Dienstleister mit Sitz in einem (Nicht-EU-/EWR-) Drittland (Einzelheiten: Art. 32 DVO MiFID II, vgl. bislang § 33 Abs. 3 WpHG a.F.).304 Eine Anpassung der MaRisk an die damit neu gefassten Rechtsgrundlagen bleibt abzuwarten. Insgesamt handelt es sich bei den Anforderungen an die Auslagerung von Funktionen 83 zwar um Vorschriften, deren Einhaltung oder Nichteinhaltung die Fähigkeit der auslagernden Wertpapierdienstleistungsunternehmen beeinflussen. Weil die Auslagerung indessen an den vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den jeweiligen Kunden nichts ändert und sich die Wertpapierdienstleister insoweit ohnehin das Verhalten der Auslagerungsunternehmen in vollem Umfang nach § 278 BGB zurechnen lassen müssen, sind die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zivilrechtlich letztlich bedeutungslos. Entscheidend für eine etwaige Haftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für die Nicht- oder Schlechterfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber den Kunden ist die Verletzung seiner eigenen Vertragspflichten, nicht das Versagen der präventiv ansetzenden aufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten. 10. Ergänzende Organisationspflichten im Zusammenhang mit bestimmten Geschäftsaktivitäten (§ 80 Abs. 7 und 8 WpHG, Artt. 36–45 DVO MiFID II a) Überblick. Ergänzend zu den allgemeinen Organisationspflichten sehen sowohl das 84 nationale als auch das europäische Recht bereichsspezifische Pflichten vor, die die allgemeinen Anforderungen – insbesondere im Hinblick auf die Prävention von Interessenkonflikten – um Vorgaben für die Organisation bestimmter Geschäftsaktivitäten ergänzen. Dazu gehören insbesondere die in § 80 Abs. 7 und 8 WpHG geregelten Anforderungen an

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Vgl. dazu näher – teilweise kontrovers – Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 169 ff.; Schäfer/Göres/Hamann WpHG § 33 Rn 428 ff. (Compliance-Funktion) und Rn 434 ff. (Interne Revision); WpHG/Meyer/Paetzel/Will § 33 Rn 238 ff. (Compliance-Funktion) und Rn 243 ff. (Interne Revision); zur Auslagerung von Compliance-Aufgaben auch MaComp, Modul BT 1.3.4; monographisch zu den Problemen bereits Lösler Compliance, S. 201 ff.

301 302

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Vgl. eingehend Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Wolfgarten § 25b Rn 52 ff. Vgl. zur Feststellung im bisherigen Recht Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Wolfgarten § 25b Rn 42 ff. Spindler/Kasten AG 2006, 785 (787). Vgl. zum bisherigen Recht eingehend Schäfer/Göres/Hamann WpHG § 33 Rn 440 ff.

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7. Teil. Organisationsregeln

die Erbringung der Honorar-Anlageberatung und der Finanzportfolioverwaltung (unten Rn 85) sowie für das Emissions- und Platzierungsgeschäft (Rn 86), wobei insbesondere bei letzteren die Grenze zwischen Organisationspflichten und transaktionsbezogenen Verhaltenspflichten verfließen. Die in den Artt. 36 bis 45 DVO MiFID II festgelegten organisatorischen Pflichten für die Erstellung von Finanzanalysen und Marketingmitteilungen werden im Zusammenhang mit der Kommentierung des § 85 WpHG n.F. behandelt (unten Rn 116 ff.). Die Regelungen sind gem. § 96 WpHG auch auf das Geschäft mit strukturierten Einlagen anwendbar.

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b) Organisatorische Anforderungen an die Honorar-Anlageberatung und die Finanzportfolioverwaltung. Die heute in § 80 Abs. 7 WpHG formulierten Anforderungen an den organisatorischen Rahmen für die Honorar-Anlageberatung entsprechen inhaltlich den bislang in § 33 Abs. 3a WpHG a.F. enthaltenen Regelungen, die mit dem Honoraranlageberatungsgesetz von 2013305 im Vorgriff auf die unionsrechtlichen Vorgaben für die „unabhängige Anlageberatung“ (allgemein Art. 24 Abs. 4 lit. a und Abs. 7 MiFID II, im deutschen Recht § 64 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 und 6 WpHG, dazu Grundmann 8. Teil Rn 171 ff.) eingeführt wurden.306 Zur Absicherung der Unabhängigkeit des Beratungsvorgangs und Beratungsergebnisses307 wird in § 80 Abs. 7 Satz 1 WpHG (entsprechend § 33 Abs. 3a Satz 1 WpHG a.F.) zunächst vorgeschrieben, dass die unabhängige Anlageberatung entweder ausschließlich oder von der sonstigen Anlageberatung organisatorisch, funktional und personell getrennt erbracht werden darf. Im Kern geht es damit um nichts anderes als um eine spezielle Ausprägung der Anforderungen an die organisatorische Segregation von Vertraulichkeitsbereichen zur Vermeidung von Interessenkonflikten (oben Rn 65), die letztlich klarstellender Natur ist und deren Umsetzung richtigerweise an den gleichen Maßstäben gemessen werden muss wie die Einrichtung von Chinese Walls.308 Flankierend hinzu treten die – inhaltlich über die allgemeinen Anforderungen an Vertriebsvorgaben nach § 80 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 WpHG nicht hinaus gehende309 – Pflicht, die Vertriebsvorgaben für die Honorar-Anlageberatung so auszugestalten, dass keine Konflikte mit Kundeninteressen entstehen können (§ 80 Abs. 7 Satz 2 WpHG, entsprechend § 33 Abs. 3a Satz 2 WpHG a.F.), sowie eine Informationspflicht hinsichtlich des Ortes, an dem die Honorar-Anlageberatung erbracht wird (§ 80 Abs. 7 Satz 3 WpHG, entsprechend § 33 Abs. 3a Satz 3 WpHG a.F.). Für Honorar-Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung gleichermaßen muss zudem nach § 80 Abs. 8 WpHG durch die Festlegung „entsprechende[r] Grundsätze“ sichergestellt werden, dass monetäre Zuwendungen, die im Zusammenhang mit der Erbringung der jeweiligen Dienstleistung von Dritten oder für Dritte handelnde Personen angenommen werden, an den jeweiligen Kunden weitergegeben werden. Die Regelung setzt Art. 12 Abs. 1 UAbs. 2 der MiFID-II-Durchführungsrichtlinie um310 und sichert die materiellen Schranken für die Annahme von Zuwendungen nach § 64 Abs. 5 Satz 2 bis 4 (für die Honorar-Anlageberatung) bzw. Abs. 7 WpHG (für die Finanzportfolioverwaltung, siehe Grundmann 8. Teil Rn 218 f.) organisatorisch ab. Auch nach neuem Recht genießen die Bezeichnungen zur Unabhängigen Honorar-Anlageberatung – wie im Grundsatz be-

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Gesetz zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz) vom 15.7.2013, BGBl. 2013 I S. 2390. Zum Hintergrund Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101 ff., speziell zu den Organisationspflichten ebd. S. 110 f.

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Vgl. Begr. RegE Honoraranlageberatungsgesetz, BT-Drs. 17/12295, S. 16. Ebenso Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 182b. Ebenso für das bisherige Recht Fuchs/Fuchs WpHG § 33 Rn 182c. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 242.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

reits nach § 36d WpHG a.F. – aufsichtsrechtlich Bezeichnungsschutz (vgl. im Einzelnen § 94 WpHG, hier nicht kommentiert). c) Besondere Organisationspflichten im Zusammenhang mit dem Emissions- und Plat- 86 zierungsgeschäft (Artt. 38–43 DVO MiFID II – Überblick). Die Artt. 38 bis 43 DVO MiFID II konkretisieren die allgemeinen Anforderungen an die Prävention von und den Umgang mit Interessenkonflikten für verschiedene Aspekte des Emissionsgeschäfts, die der Verordnungsgeber mit Blick auf die rechtlichen Besonderheiten des Emissions- und Platzierungsgeschäfts als eigenständige Materie mit Regelungsproblemen einstuft, welche durch die allgemeinen Regeln nicht angemessen adressiert werden.311 Die Vorgaben gehen deutlich über die allgemeinen Bestimmungen hinaus und sind ohne Vorbild im bisherigen europäischen Sekundärrecht sowie in der MiFID-I-Durchführungsrichtlinie. Im Kern fordern sie nichts anderes als die allgemeinen Regeln, nämlich aufbauorganisatorische („Systeme“) und ablauforganisatorische („Kontrollen“, „Verfahren“) Vorkehrungen, mit denen jeweils Interessenkonflikte erkannt („identifiziert“) und verhindert oder jedenfalls „bewältigt“ werden können (vgl. allgemein schon oben Rn 62 ff.). Ergänzend zu den allgemeinen Regeln konkretisieren die Artt. 38 ff. DVO MiFID II vor allem den jeweiligen Sachkontext, in dem Interessenkonflikte auftreten können und entsprechender Gegenmaßnahmen bedürfen. Dies betrifft zunächst allgemein Konflikte zwischen den Interessen des Emittenten einerseits und den Interessen des Intermediärs oder sonstiger Kunden andererseits im Hinblick auf die Vorbereitung der Emissionsübernahme und Platzierung (Einzelheiten: Art. 38 DVO MiFID II), sodann Interessenkonflikte im Hinblick auf die Ermittlung der Preisgestaltung für die Emission, insbes. beim Bookbuilding (Art. 39 DVO MiFID II) sowie im Hinblick auf die Erstellung von Platzierungsempfehlungen (Art. 40 DVO MiFID II), darüber hinaus Konflikte zwischen den Emittenten- und Eigeninteressen des Intermediärs einerseits und den Interessen anderer Kunden bei Beratungsleistungen im Zusammenhang mit einer Emission sowie bei der Eigenplatzierung bzw. dem Vertrieb von Finanzinstrumenten, die von dem Intermediär selbst oder einem gruppenzugehörigen Unternehmen emittiert wurden (Art. 41 DVO MiFID II). Zugunsten des Emittenten von Finanzinstrumenten werden schließlich Interessenkonflikte des Intermediärs adressiert, die sich im Zusammenhang mit einem von diesem gewährten Darlehen oder einer anderweitigen Finanzierung für die Durchführung der Emission ergeben können (Art. 42 DVO MiFID II). Flankierend greifen die in Art. 43 DVO MiFID II geregelten Aufzeichnungspflichten für Kundenaufträge im Zusammenhang mit dem Emissions- und Platzierungsgeschäft ein. 11. Produktfreigabeverfahren („Product Governance“, § 80 Abs. 9–13 WpHG – Überblick) a) Grundlagen. Die Regelungen in § 80 Abs. 9 bis 13 WpHG nehmen die bereits mit 87 dem Kleinanlegerschutzgesetz von 2015312 im Vorgriff auf die Anforderungen aus Art. 16 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 MiFID II eingeführten und damit inhaltlich abgestimmten §§ 33 Abs. 3b bis 3d WpHG a.F.313 auf und entwickeln sie – nunmehr auch in Umsetzung der konkretisierenden unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 9 und 10 der MiFID-II-Durchführungsrichtlinie – weiter. Die Regelungen sind gem. § 96 WpHG auch auf das Geschäft mit strukturierten Einlagen anwendbar. Die weitere Ausgestaltung durch die Neufassung der WpDVerOV bleibt abzuwarten; der Referentenentwurf vom 09.05.2017 unterscheidet

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Vgl. Erwägungsgrund 57 DVO MiFID II. Kleinanlegerschutzgesetz vom 3.7.2015, BGBl. 2015 I S. 1114.

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Vgl. Begr. RegE Kleinanlegerschutzgesetz, BT-Drs. 18/3994, S. 54.

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7. Teil. Organisationsregeln

insoweit Produktfreigabeverfahren für „Konzepteure von Finanzinstrumenten“ (§ 11 WpDVerOV-RefE) sowie für „Vertriebsunternehmen“ (§ 12 WpDVerOV-RefE). Regelungsziel ist die präventive Einführung auf den Prozess der Entwicklung von Finanzinstrumenten und den Vertriebsprozess, um sicherzustellen, dass den Kunden nur solche Finanzinstrumente angeboten und empfohlen werden, die deren Bedürfnissen tatsächlich entsprechen.314 Den Vorschriften geht es, mit anderen Worten, um die prozedurale Absicherung des Interessenwahrungsgrundsatzes (vgl. § 63 Abs. 1 WpHG);315 sie stehen im sachlichen Zusammenhang mit den im deutschen Recht ebenfalls bereits mit dem Kleinanlegerschutzgesetz eingeführten Rechtsgrundlagen für die aufsichtliche Produkt- und Vertriebsintervention (vgl. nunmehr Art. 42 MiFIR i.V.m. § 15 WpHG, zuvor § 4b WpHG a.F., siehe dazu Grundmann 8. Teil Rn 160).316 Im Hinblick auf die zivilrechtlichen Implikationen im Intermediär-Kundenverhältnis lassen sich die allgemeinen Grundsätze zur Bedeutung der kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten (oben Rn 38–43) auch auf die Vorgaben für das Produktfreigabeverfahren übertragen; auf sie kann verwiesen werden: Auch hier kommt es für die pflichtgemäße Erfüllung der Intermediärpflichten unmittelbar darauf an, ob das dem jeweiligen Kunden angebotene oder empfohlene Finanzinstrument die allgemeinen Anforderungen (anleger- und objektgerechte Beratung im „bestmöglichen Interesse“ des Kunden, dazu Grundmann 8. Teil Rn 203 f.) erfüllt. Die Einhaltung oder Nichteinhaltung der präventiven Anforderungen an den Prozess der Produktentwicklung und des Vertriebs spielt dafür (nur) insofern eine Rolle, als diese idealiter Verstöße gegen die vertraglichen Leistungspflichten des Intermediärs von vornherein vermeiden helfen sollen. Unmittelbar von Bedeutung für den Nachweis einer Pflichtverletzung sind sie daher nicht, sondern können allenfalls auf der Verschuldensebene eine Rolle spielen.

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b) Einzelne Pflichten. § 80 Abs. 9 WpHG sieht in Umsetzung von Art. 16 Abs. 3 MiFID II die Einführung eines Produktfreigabeverfahrens allgemein für alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen vor, die „Finanzinstrumente zum Verkauf konzipieren“ (im deutschen Recht, sprachlich unschön, als „Konzepteur“ bezeichnet, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 WpDVerOV-RefE). Die damit erfassten Aktivitäten werden in § 11 Abs. 1 Satz 1 WpDVerOV-RefE legaldefiniert als „das Neuschaffen, Entwickeln, Begeben oder die Gestaltung von Finanzinstrumenten“. Nach wie vor werden die prozessbezogenen Anforderungen im Gesetz selbst insoweit nicht selbst im Detail geregelt, sondern lediglich Ziele vorgegeben.317 Für die praktische Umsetzung zu beachten sind insoweit die im Juni 2017 veröffentlichten ESMA-Leitlinien, die auch die einschlägigen Anforderungen in der Neufassung der §§ 11 und 12 WpDVerOV beeinflussen.318 Für die „zum Verkauf konzipierten“ Finanzinstrumente ist nach § 80 Abs. 9 WpHG jeweils ein Zielmarkt festzulegen, der mit den dafür repräsentativen Anlegerbedürfnissen den Maßstab vorgibt, an dem die Risikostruktur des Finanzprodukts auszurichten und die Vertriebsstrategie zu messen ist.319 Dabei

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Vgl. Erwägungsgrund 71 MiFID II. Besonders deutlich in diesem Sinne Erwägungsgrund 71 UAbs. 2 MiFID II; vgl. einführend auch Busch in Busch/Ferrarini, Regulation of EU Financial Markets, Rn 5.02 ff. Zu diesem Zusammenhang Bröker/Machunsky BKR 2016, 229 ff.; Lange DB 2014, 1723 ff.; für das Unionsrecht Busch in Busch/ Ferrarini, Regulation of EU Financial Markets, Rn 5.01, 5.41.

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Vgl. zur Vorgängerregelung bereits Bröker/ Machunsky BKR 2016, 229 (232). ESMA, Final Report: Guidelines on MiFID II product governance requirements vom 02.06.2017 (ESMA35–43–620), S. 33 ff. Zu Einzelheiten ESMA-Leitlinien (Fn 318), Tz. 13 ff.; siehe auch – allerdings noch ohne Berücksichtigung der ESMA-Leitlinien – Brenncke WM 2015, 1173 ff.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

sind insbesondere mögliche Interessenkonflikte zu adressieren (vgl. § 11 Abs. 2 und 3 WpDVerOV-RefE). § 80 Abs. 10 WpHG ergänzt dies sowohl für den Konzepteur als auch für das Vertriebsunternehmen um eine Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung der angebotenen und vermarkteten Finanzinstrumente im Hinblick auf Veränderungen in der Risikostruktur und den Bedürfnissen des Zielmarkts. § 80 Abs. 11 WpHG regelt den dafür erforderlichen Informationsfluss zwischen Konzepteur und Vertriebsunternehmen, Abs. 12 der Vorschrift eine inhaltlich nicht näher spezifizierte Organisationspflicht zur Einhaltung „geeignete[r] Verfahren“ und zur Einleitung von „Maßnahmen“, um die Erfüllung der Anforderungen sicherzustellen. Nach § 80 Abs. 13 sind diese Vorkehrungen regelmäßig zu überprüfen, wobei Satz 2 der Vorschrift die Aufgabe der Entwicklung und Überwachung der Vorkehrungen ausdrücklich der Compliance-Funktion zuweist. 12. Konkretisierung der Geschäftsleiterverantwortung für die Einhaltung der Organi- 89 sationspflichten (§ 81 WpHG – Überblick). § 81 WpHG, der im bisherigen Recht ohne Vorbilder ist, ergänzt die kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten um Regelungen zur Konkretisierung der Geschäftsleiterpflichten für die Einhaltung der allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen und speziellen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten. § 81 Abs. 1 bis 3 WpHG regeln – sprachlich z.T. unglücklich („festlegen, umsetzen und überwachen, ob …“) – die Geschäftsleiterverantwortung für die Festlegung, Umsetzung und Überwachung der allgemeinen Geschäftsorganisation, die Personalauswahl, die Geschäftspolitik und die Vergütungsregeln (Abs. 1), sodann die Pflicht zur Überwachung und Überprüfung der „Eignung und Umsetzung der strategischen Ziele“, der „Wirksamkeit der Unternehmensführungsregelungen“ und der „Angemessenheit der Unternehmensstrategie hinsichtlich der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen an die Kunden“ (Abs. 2); Abs. 3 verlangt insoweit eine hinreichende Informationsbasis der Geschäftsleitung. Die Regelungen beruhen auf den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 9 Abs. 3 MiFID II,320 der seinerseits auf die „Stärkung“ der „Rolle des Leitungsorgans“ abzielt, um eine „solide und umsichtige Führung von Wertpapierfirmen zu gewährleisten und die Marktintegrität und das Interesse der Anleger zu fördern“.321 Tatsächlich stellen die Anforderungen (jedenfalls) aus der Perspektive des deutschen Gesellschafts- und Aufsichtsrechts letztlich keinen Ausbau – und damit keine „Stärkung“ – bestehender Rechtspflichten der Geschäftsleiter dar. Vielmehr konkretisieren sie die ohnedies bestehende Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung für die Einhaltung der das Unternehmen betreffenden gesetzlichen Anforderungen und damit (auch) der Organisationspflichten des Aufsichtsrechts.322 Auch § 25c Abs. 3 KWG, der in Umsetzung von Vorgaben aus Art. 88 CRD IV die Geschäftsleiterverantwortung für eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation regelt und auf den in § 81 Abs. 1 Satz 1 WpHG verwiesen wird, kann als Konkretisierung ohnehin bestehender allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Organisationspflichten begriffen werden, deren spezialgesetzliche Ausgestaltung letztlich klarstellender Natur ist und die aufsichtsrechtliche Durchsetzung erleichtert. § 81 Abs. 4 WpHG weist darüber hinaus – in Umsetzung von Art. 10 Abs. 3 MiFID-II-Durchführungsrichtli-

320 321 322

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 242. Erwägungsgrund 53 MiFID II. Vgl. zur Anerkennung von CompliancePflichten als Bestandteil der Geschäftsleiterverantwortung im Aktienrecht stellvertretend Hüffer/Koch AktG 12. Aufl. 2016 § 76

Rn 11 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer AktG 3. Aufl. 2015 § 91 Rn 47 ff.; speziell zur Verantwortung des Vorstands für die Einhaltung der WpHG-Anforderungen an die Compliance i.w.S. eingehend Gößmann BuB Rn 7/1493 ff.

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7. Teil. Organisationsregeln

nie – darauf hin, dass die Geschäftsleiter auch eine Überwachungspflicht hinsichtlich des Produktfreigabeverfahrens (zu diesem oben Rn 87 f.) trifft; auch diese Pflicht ergibt sich bereits aus allgemeinen Grundsätzen. Darüber hinaus geht lediglich die in § 81 Abs. 4 WpHG geregelte, in Satz 1 auf Art. 10 Abs. 4 MiFID-II-Durchführungsrichtlinie und in Satz 2 auf Art. 9 Abs. 7 und Art. 10 Abs. 6 der MiFID-II-Durchführungsrichtlinie zurückgehende323 Pflicht zur Bestellung eines Beauftragten für die Einhaltung der Anforderungen an den Schutz von Finanzinstrumenten und Geldern der Kunden, die allerdings an der Letztverantwortung des Vorstands nichts ändert. 90 Vergleicht man die damit umrissenen Anforderungen mit dem allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Pflichtenprogramm, sticht nicht zuletzt die in § 81 Abs. 1 Satz 1 WpHG ausdrücklich betonte besondere Pflichtrichtung hervor. Indem die Geschäftsleiter zur Aufgabenwahrnehmung „in einer Weise“ verpflichtet werden, „die die Integrität des Marktes wahrt und durch die die Interessen der Kunden gefördert werden“, sind die Anforderungen jedenfalls formal nicht am Unternehmenswohl bzw. Wohl der Gesellschaft orientiert, das nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen den Maßstab für das Organhandeln darstellt (vgl. stellvertretend für die AG § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG). Ob die in § 81 Abs. 1 Satz 1 WpHG ausgesprochene Verpflichtung zur Wahrung der Marktintegrität und zur Förderung der Kundeninteressen die gesellschaftsrechtliche Pflichtrichtung ggf. gar mit der Konsequenz einer unmittelbaren Außenhaftung für Pflichtverstöße verändert, ist bislang nicht diskutiert worden. Richtigerweise ist dies zu verneinen. Die Überformung allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Organpflichten durch aufsichtsrechtliche Vorgaben ist kein Spezifikum des Kapitalmarktrechts.324 Die Konkretisierung der allgemeinen Leitungsaufgabe der Sicherstellung eines gesetzeskonformen Geschäftsbetriebs durch aufsichtsrechtliche Vorgaben nimmt dabei die Geschäftsleiter naturgemäß für originär verbandsexterne Schutzzwecke in die Pflicht, ändert aber an deren grundsätzlicher Verpflichtung auf das Unternehmenswohl nichts.325 Solange das Aufsichtsrecht nicht ausdrücklich eine Außenhaftung anordnet, bleibt es damit beim allgemeinen Grundsatz, dass das Leitungsorgan ggf. im Innenverhältnis wegen der Verletzung seiner Pflichten haftbar ist, eine potentiell haftungsrelevante Organisationspflicht im Außenverhältnis (zu Kunden) jedoch ausscheidet. Für die in § 81 WpHG statuierten Pflichten ergibt sich schon deshalb nichts anderes, weil die Norm selbst keine Außenhaftung anordnet. Diese scheidet im Übrigen auch deshalb aus, weil – wie ausgeführt (Rn 67) – die Verletzung der hier durch die klarstellende Festlegung der Geschäftsleiterverantwortung zusätzlich abgesicherten Organisationspflichten nicht per se eine Haftung auslöst, sondern lediglich auf der Verschuldensebene im Rahmen der Feststellung einer anderweit begründeten Vertragspflichtverletzung zu berücksichtigen ist.

323 324

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 242. Vgl. für das Bankaufsichtsrecht Binder ZGR 2013, 760 ff.

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325

Vgl. nochmals Binder ZGR 2013, 760 (784 ff.).

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

II. Bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen (§ 82 WpHG, Artt. 64–66 DVO MiFID II) Schrifttum: a) Monographien. Bracht Die Pflicht von Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen (Best Execution), 2009; Imberg Die „Best Execution“ im deutschen Wertpapierhandel, 2013; Nelson Capital Markets Law and Compliance: The Implications of MiFID, 2011. b) Aufsätze und Beiträge. Busch Product Governance and Product Intervention under MiFID II/ MiFIR, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), Regulation of the EU Financial Markets – MiFID II and MiFIR, 2017, Kap. 5; ders. MiFID II: Stricter conduct of business rules for investment firms, Capital Markets Law Journal 12 (2017), 340; Ebermann/Chromek MiFID: Best Execution – Bestandsaufnahme und ein Ausblick in die Zukunft, RdF 2011, 228; Dierkes Best Execution in der deutschen Börsenlandschaft, ZBB 2008, 11; Facciolo A Broker’s Duty of Best Execution in the Nineteenth and Early Twenty Centuries, 26 Pace L.Rev. 155 (2005); Ferrarini Best execution and competition between trading venues – MiFID’s likely impact, Capital Markets Law Journal 2 (2007), 404; Gomber/Hirschberg Ende oder Stärkung der konventionellen Börsen? Die Umsetzung der MiFID in Deutschland, AG 2006, 777; Knight The Investment Services Directive – Routemap or obstacle course? Journal of Financial Regulation and Compliance 11 (2003), 222; Kumpan/Hellgardt Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Umsetzung der EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), DB 2006, 1714; Macey/O’Hara The Law and Economics of Best Execution, Journal of Financial Intermediation 6 (1997), 188; Moloney Building a Retail Investment Culture through Law: The 2004 Markets in Financial Instruments Directive, EBOR 6 (2005), 341; von Hein, Best Execution – Funktionale Konvergenz des europäischen und des US-amerikanischen Modells?, in: FS Hopt 2010, S. 1909; Zingel Die Verpflichtung zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen nach dem Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BKR 2007, 173.

Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG)

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in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2708), zuletzt geändert durch Artikel 3a des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693) § 82 Bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen [§ 33a WpHG a.F. – inhaltlich teilweise verändert] (1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Aufträge seiner Kunden für den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ausführt, muss 1. alle angemessenen Vorkehrungen treffen, insbesondere Grundsätze zur Auftragsausführung festlegen und regelmäßig, insbesondere unter Berücksichtigung der nach den Absätzen 9 bis 11 veröffentlichten Informationen überprüfen, um das bestmögliche Ergebnis für seine Kunden zu erreichen und 2. sicherstellen, dass die Ausführung jedes einzelnen Kundenauftrags nach Maßgabe dieser Grundsätze vorgenommen wird. (2) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss bei der Aufstellung der Ausführungsgrundsätze alle relevanten Kriterien zur Erzielung des bestmöglichen Ergebnisses, insbesondere die Preise der Finanzinstrumente, die mit der Auftragsausführung verbundenen Kosten, die Geschwindigkeit, die Wahrscheinlichkeit der Ausführung und die Abwicklung des Auftrags sowie den Umfang und die Art des Auftrags berücksichtigen und die Kriterien unter Berücksichtigung der Merkmale des Kunden, des Kundenauftrags, des Finanzinstrumentes und des Ausführungsplatzes gewichten. (3) Führt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Aufträge von Privatkunden aus, müssen die Ausführungsgrundsätze Vorkehrungen dafür enthalten, dass sich das bestmögliche Ergebnis am Gesamtentgelt orientiert. Das Gesamtentgelt ergibt sich aus dem Preis für das Finanzinstrument und sämtlichen mit der Auftragsausführung verbundenen Kosten. Kann ein Auftrag über ein Finanzinstrument nach Maßgabe der Ausführungsgrundsätze des Wertpapierdienstleis-

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7. Teil. Organisationsregeln tungsunternehmens an mehreren konkurrierenden Plätzen ausgeführt werden, zählen zu den Kosten auch die eigenen Provisionen oder Gebühren, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem Kunden für eine Wertpapierdienstleistung in Rechnung stellt. Zu den bei der Berechnung des Gesamtentgelts zu berücksichtigenden Kosten zählen Gebühren und Entgelte des Ausführungsplatzes, an dem das Geschäft ausgeführt wird, Kosten für Clearing und Abwicklung und alle sonstigen Entgelte, die an Dritte gezahlt werden, die an der Auftragsausführung beteiligt sind. (4) Führt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen einen Auftrag gemäß einer ausdrücklichen Kundenweisung aus, gilt die Pflicht zur Erzielung des bestmöglichen Ergebnisses entsprechend dem Umfang der Weisung als erfüllt. (5) Die Grundsätze zur Auftragsausführung müssen 1. Angaben zu den verschiedenen Ausführungsplätzen in Bezug auf jede Gattung von Finanzinstrumenten und die ausschlaggebenden Faktoren für die Auswahl eines Ausführungsplatzes, 2. mindestens die Ausführungsplätze, an denen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen gleichbleibend die bestmöglichen Ergebnisse bei der Ausführung von Kundenaufträgen erzielen kann, enthalten. Lassen die Ausführungsgrundsätze im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 auch eine Auftragsausführung außerhalb von Handelsplätzen im Sinne von § 2 Absatz 22 zu, muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen seine Kunden auf diesen Umstand gesondert hinweisen und deren ausdrückliche Einwilligung generell oder in Bezug auf jedes Geschäft einholen, bevor die Kundenaufträge an diesen Ausführungsplätzen ausgeführt werden. (6) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss 1. seine Kunden vor der erstmaligen Erbringung von Wertpapierdienstleistungen über seine Ausführungsgrundsätze informieren und ihre Zustimmung zu diesen Grundsätzen einholen und, 2. seinen Kunden wesentliche Änderungen der Vorkehrungen nach Absatz 1 Nr. 1 unverzüglich mitteilen. Die Informationen über die Ausführungsgrundsätze müssen klar, ausführlich und auf eine für den Kunden verständliche Weise erläutern, wie das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Kundenaufträge ausführt. (7) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss in der Lage sein, einem Kunden auf Anfrage darzulegen, dass sein Auftrag entsprechend den Ausführungsgrundsätzen ausgeführt wurde. (8) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf sowohl für die Ausführung von Kundenaufträgen an einem bestimmten Handelsplatz oder Ausführungsplatz als auch für die Weiterleitung von Kundenaufträgen an einen bestimmten Handelsplatz oder Ausführungsplatz weder eine Vergütung, noch einen Rabatt oder einen nichtmonetären Vorteil annehmen, wenn dies einen Verstoß gegen die Anforderungen nach den § 63 Absatz 1 bis 7 und 9, § 64 Absatz 1 und 5, § 70, § 80 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, Absatz 9 bis 11 oder die Absätze 1 bis 4 darstellen würde (9) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss einmal jährlich für jede Gattung von Finanzinstrumenten die fünf Ausführungsplätze, die ausgehend vom Handelsvolumen am wichtigsten sind, auf denen es Kundenaufträge im Vorjahr ausgeführt hat, und Informationen über die erreichte Ausführungsqualität zusammenfassen und nach den Vorgaben der Delegierten Verordnung (EU) 2017/576 der Kommission vom 8. Juni 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die jährliche Veröffentlichung von Informationen durch Wertpapierfirmen zur Identität von Handelsplätzen und zur Qualität der Ausführung veröffentlichen. (10) Vorbehaltlich § 26e des Börsengesetzes müssen Handelsplätze und systematische Internalisierer für jedes Finanzinstrument, das der Handelspflicht nach Artikel 23 oder Artikel 28 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 unterliegt, mindestens einmal jährlich gebührenfrei Informationen über die Ausführungsqualität von Aufträgen veröffentlichen. (11) Vorbehaltlich des § 26e des Börsengesetzes müssen Ausführungsplätze für jedes Finanzinstrument, das nicht von Absatz 10 erfasst wird, mindestens einmal jährlich gebührenfrei Informationen über die Ausführungsqualität von Aufträgen veröffentlichen.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen (12) Die Veröffentlichungen nach den Absätzen 10 und 11 müssen ausführliche Angaben zum Preis, den mit einer Auftragsausführung verbundenen Kosten, der Geschwindigkeit und der Wahrscheinlichkeit der Ausführung sowie der Abwicklung eines Auftrags in den einzelnen Finanzinstrumenten enthalten. Das Nähere regelt die Delegierte Verordnung (EU) 2017/575 der Kommission vom 8. Juni 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards bezüglich der Daten, die Ausführungsplätze zur Qualität der Ausführung von Geschäften veröffentlichen müssen (13) Nähere Bestimmungen ergeben sich aus der [DVO MiFID II], insbesondere zu 1. der Aufstellung der Ausführungsgrundsätze nach den Absätzen 1 bis 5 aus Artikel 64, 2. der Überprüfung der Vorkehrungen nach Absatz 1 aus Artikel 66, 3. Art, Umfang und Datenträger der Informationen über die Ausführungsgrundsätze nach Absatz 6 aus Artikel 66 und 4. den Pflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Aufträge ihrer Kunden an Dritte zur Ausführung weiterleiten oder die Finanzportfolioverwaltung betreiben, ohne die Aufträge oder Entscheidungen selbst auszuführen, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu handeln, aus Artikel 65.

Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25.04.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl.EU 2017 L 87/1 KAPITEL II ORGANISATORISCHE ANFORDERUNGEN ABSCHNITT 5 Bestmögliche Ausführung Art. 64 DVO MiFID II – Kriterien für die bestmögliche Ausführung (Art. 27 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 MiFID II) (1) Wertpapierfirmen bestimmen bei der Ausführung von Kundenaufträgen die relative Bedeutung der in Artikel 27 Absatz 1 der Richtlinie 2014/65/EG genannten Faktoren anhand folgender Kriterien: a) Merkmale des Kunden und dessen Einstufung als Kleinanleger oder als professioneller Kunde; b) Merkmale des Kundenauftrags, einschließlich Aufträgen, die Wertpapierfinanzierungsgeschäfte umfassen; c) Merkmale der Finanzinstrumente, die Gegenstand des betreffenden Auftrags sind; d) Merkmale der Ausführungsplätze, an die der Auftrag weitergeleitet werden kann. Für die Zwecke dieses Artikels und der Artikel 65 und 66 umfasst der Begriff „Ausführungsplatz“ geregelte Märkte, multilaterale Handelssysteme (MTF), organisierte Handelssysteme (OTF), systematische Internalisierer, Marktmacher oder sonstige Liquiditätsgeber oder Einrichtungen, die in einem Drittland eine vergleichbare Funktion ausüben. (2) Eine Wertpapierfirma erfüllt ihre Verpflichtungen aus Artikel 27 Absatz 1 der Richtlinie 2014/65/EU, alle hinreichenden Maßnahmen zu treffen, um das bestmögliche Ergebnis für einen Kunden zu erreichen, wenn sie einen Auftrag oder einen bestimmten Teil desselben nach den ausdrücklichen Weisungen, die der Kunde in Bezug auf den Auftrag oder den bestimmten Teil desselben erteilt hat, ausführt. (3) Die Wertpapierfirmen dürfen ihre Provisionen nicht in einer Weise strukturieren oder in Rechnung stellen, die eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Ausführungsplätze bewirkt.

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7. Teil. Organisationsregeln (4) Bei der Ausführung von Aufträgen bzw. beim Fällen von Entscheidungen über den Handel mit OTC-Produkten, zu denen auch maßgeschneiderte Produkte gehören, überprüft die Wertpapierfirma die Redlichkeit des dem Kunden angebotenen Preises, indem sie Marktdaten heranzieht, die bei der Einschätzung des Preises für dieses Produkt verwendet wurden, und – sofern möglich – diesen mit ähnlichen oder vergleichbaren Produkten vergleicht. Artikel 65 – Pflicht der Wertpapierfirmen, bei der Portfolioverwaltung sowie der Annahme und Weiterleitung von Aufträgen im bestmöglichen Interesse des Kunden zu handeln (Artikel 24 Absatz 1 und Artikel 24 Absatz 4 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Die Wertpapierfirmen müssen ihrer in Artikel 24 Absatz 1 der Richtlinie 2014/65/EU festgelegten Pflicht nachkommen, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu handeln, wenn sie bei der Erbringung von Portfolioverwaltungsdienstleistungen andere Einrichtungen mit der Ausführung von Aufträgen beauftragen, denen Entscheidungen der Wertpapierfirma zugrunde liegen, im Namen ihres Kunden mit Finanzinstrumenten zu handeln. (2) Die Wertpapierfirmen müssen ihrer in Artikel 24 Absatz 1 der Richtlinie 2014/65/EU festgelegten Pflicht nachkommen, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu handeln, wenn sie bei der Annahme und Weiterleitung von Aufträgen Kundenaufträge an andere Einrichtungen zur Ausführung weiterleiten. (3) Um die Absätze 1 bzw. 2 einzuhalten, müssen die Wertpapierfirmen den Absätzen 4 bis 7 und Artikel 64 Absatz 4 nachkommen. (4) Die Wertpapierfirmen treffen alle hinreichenden Maßnahmen, um für ihre Kunden das bestmögliche Ergebnis zu erzielen und tragen dabei den in Artikel 27 Absatz 1 der Richtlinie 2014/65/EU genannten Faktoren Rechnung. Die relative Bedeutung dieser Faktoren wird nach den in Artikel 64 Absatz 1 festgelegten Kriterien bzw. für Kleinanleger nach Maßgabe des Artikels 27 Absatz 1 der Richtlinie 2014/65/EU bestimmt. Eine Wertpapierfirma kommt ihren in Absatz 1 bzw. 2 festgelegten Pflichten nach und ist der im vorliegenden Absatz genannten Maßnahmen enthoben, wenn sie bei der Platzierung eines Auftrags bei einer anderen Einrichtung oder seiner Weiterleitung an diese Einrichtung zur Ausführung speziellen Weisungen des Kunden folgt. (5) Die Wertpapierfirmen legen Grundsätze fest, sodass sie die in Absatz 4 festgelegten Pflichten erfüllen können. In diesen Grundsätzen werden für jede Instrumentengattung die Einrichtungen genannt, bei denen die Wertpapierfirma Aufträge platziert oder an die sie Aufträge zur Ausführung weiterleitet. Die von diesen Einrichtungen für die Auftragsausführung getroffenen Vorkehrungen versetzen die Wertpapierfirma in die Lage, bei der Platzierung oder Weiterleitung von Aufträgen an eine solche Einrichtung ihren in diesem Artikel festgelegten Pflichten nachzukommen. (6) Die Wertpapierfirmen unterrichten ihre Kunden über die nach Absatz 5 sowie Artikel 66 Absätze 2 bis 9 festgelegten Grundsätze. Die Wertpapierfirmen übermitteln den Kunden sachgerechte Informationen über die Wertpapierfirma und ihre Dienstleistungen sowie die für die Ausführung ausgewählten Einrichtungen. Insbesondere in dem Falle, dass die Wertpapierfirma andere Firmen auswählen sollte, um im Zusammenhang mit der Ausführung von Kundenaufträgen Dienstleistungen zu erbringen, hat sie einmal jährlich für jede Klasse von Finanzinstrumenten die fünf Handelsplätze, die ausgehend vom Handelsvolumen am wichtigsten sind, auf denen sie Kundenaufträge im Vorjahr zur Ausführung weitergeleitet oder platziert hat, und Informationen über die erreichte Ausführungsqualität zusammenzufassen und zu veröffentlichen. Die Informationen müssen in Einklang mit den Informationen stehen, die gemäß den nach Artikel 27 Absatz 10 Buchstabe b der Richtlinie 2014/65/EU verabschiedeten technischen Normen veröffentlicht werden. Auf entsprechenden Wunsch des Kunden übermitteln die Wertpapierfirmen ihren Kunden bzw. potenziellen Kunden Informationen über Einrichtungen, an die die Aufträge zur Ausführung weitergeleitet bzw. bei denen sie platziert werden. (7) Die Wertpapierfirmen überwachen die Wirksamkeit der gemäß Absatz 5 festgelegten Grundsätze, insbesondere die Qualität der Ausführung durch die in diesen Grundsätzen genannten Einrichtungen, regelmäßig und beheben bei Bedarf etwaige Mängel.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen Die Wertpapierfirmen überprüfen die Grundsätze und Bestimmungen mindestens einmal jährlich. Eine solche Überprüfung findet auch immer dann statt, wenn eine wesentliche Veränderung eintritt, die die Fähigkeit der Wertpapierfirma beeinträchtigt, für ihre Kunden auch weiterhin das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Die Wertpapierfirmen beurteilen, ob es zu wesentlichen Änderungen gekommen ist, und ziehen die Vornahme von Änderungen hinsichtlich der Ausführungsplätze bzw. Einrichtungen in Betracht, auf die sie sich weitgehend stützen, um die übergeordnete Anforderung der bestmöglichen Ausführung zu erfüllen. Eine wesentliche Änderung ist ein wichtiges Ereignis mit potenziellen Auswirkungen auf Parameter der bestmöglichen Ausführung wie Kosten, Schnelligkeit, Wahrscheinlichkeit der Ausführung und Abwicklung, Umfang, Art oder jegliche anderen für die Ausführung des Auftrags relevanten Aspekte. (8) Dieser Artikel findet keine Anwendung auf Wertpapierfirmen, die nicht nur Portfolioverwaltungsdienste erbringen und/oder Aufträge entgegennehmen und weiterleiten, sondern die entgegengenommenen Aufträge bzw. Entscheidungen, im Namen des Kunden mit dessen Portfolio zu handeln, auch ausführen. In solchen Fällen gilt Artikel 27 der Richtlinie 2014/65/EU. Artikel 66 – Grundsätze der Auftragsausführung (Artikel 27 Absätze 5 und 7 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Die Wertpapierfirmen überprüfen mindestens einmal jährlich die gemäß Artikel 27 Absatz 4 der Richtlinie 2014/65/EU festgelegten Grundsätze der Auftragsausführung sowie ihre Vorkehrungen zur Auftragsausführung. Eine solche Überprüfung ist auch immer dann vorzunehmen, wenn eine wesentliche Veränderung im Sinne von Artikel 65 Absatz 7 eintritt, die die Fähigkeit der Wertpapierfirma beeinträchtigt, bei der Ausführung ihrer Kundenaufträge an den in ihren Grundsätzen der Ausführungsausführung genannten Plätzen weiterhin gleich bleibend das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Eine Wertpapierfirma beurteilt, ob es zu wesentlichen Änderungen gekommen ist, und zieht die Vornahme von Änderungen hinsichtlich der relativen Bedeutung der Faktoren einer bestmöglichen Ausführung in Betracht, um die übergeordnete Anforderung der bestmöglichen Ausführung zu erfüllen. (2) Die Informationen über die Ausführungspolitik werden an die jeweilige Klasse von Finanzinstrumenten und die Art der erbrachten Dienstleistung angepasst und enthalten die in den Absätzen 3 bis 9 genannten Angaben. (3) Die Wertpapierfirmen übermitteln den Kunden rechtzeitig vor Erbringung der betreffenden Dienstleistung folgende Angaben zu ihren Grundsätzen der Auftragsausführung: a) eine Darlegung der relativen Bedeutung, die die Wertpapierfirma gemäß den in Artikel 59 Absatz 1 angeführten Kriterien den in Artikel 27 Absatz 1 der Richtlinie 2014/65/EU genannten Aspekten beimisst, oder eine Darlegung der Art und Weise, in der die Wertpapierfirma die relative Bedeutung dieser Aspekte bestimmt; b) Ein Verzeichnis der Ausführungsplätze, auf die sich die Wertpapierfirma zur Erfüllung ihrer Verpflichtung, alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, um bei der Ausführung von Kundenaufträgen auf Dauer das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, weitgehend verlässt, einschließlich der Angabe, welche Ausführungsplätze für jede Klasse von Finanzinstrumenten für Aufträge von Kleinanlegern, für Aufträge von professionellen Kunden sowie für Wertpapierfinanzierungsgeschäfte verwendet werden; c) Ein Verzeichnis aller Faktoren, die bei der Auswahl eines Ausführungsplatzes zur Anwendung kommen, einschließlich qualitativer Faktoren wie Clearingsystemen, Notfallsicherungen, geplanten Maßnahmen, oder anderen relevanten Überlegungen, sowie die entsprechende Bedeutung der einzelnen Faktoren. Die Angaben zu den Faktoren für die Auswahl des Ausführungsplatzes müssen mit den Kontrollen der Wertpapierfirma vereinbar sein, die diese im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit ihrer Grundsätze und Bestimmungen durchführt, um gegenüber ihren Kunden nachzuweisen, dass die bestmögliche Ausführung auf Dauer erreicht wird;

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7. Teil. Organisationsregeln d) wie die Ausführungsfaktoren wie Preis, Kosten, Schnelligkeit, Wahrscheinlichkeit der Ausführung und andere relevante Faktoren im Rahmen aller hinreichenden Schritte Berücksichtigung finden, die zur Erzielung des bestmöglichen Ergebnisses für den Kunden eingeleitet werden; e) gegebenenfalls Angaben zur Ausführung von Aufträgen außerhalb eines Handelsplatzes, einschließlich Angaben zu Folgen wie dem Gegenparteirisiko aufgrund der Ausführung außerhalb eines Handelsplatzes, und auf Anfrage des Kunden zusätzliche Informationen über Folgen dieser Art der Ausführung; f) eine klare und deutliche Warnung dahin gehend, dass ausdrückliche Weisungen eines Kunden sie davon abhalten können, die Maßnahmen zu treffen, die sie im Rahmen ihrer Grundsätze der Auftragsausführung festgelegt und umgesetzt haben, um bei der Ausführung der Aufträge hinsichtlich der von den betreffenden Weisungen erfassten Elemente das bestmögliche Ergebnis zu erzielen; g) eine Zusammenfassung des Auswahlverfahrens für Ausführungsplätze, angewandte Ausführungsstrategien, die zur Analyse der erreichten Ausführungsqualität herangezogenen Verfahren und Methoden und wie die Wertpapierfirmen kontrollieren und überprüfen, dass für die Kunden die bestmöglichen Ergebnisse erzielt wurden. Die Informationen sind auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln oder auf einer Website (wenn diese kein dauerhafter Datenträger ist) bereitzustellen, sofern die in Artikel 3 Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. (4) Setzten die Wertpapierfirmen je nach Ausführungsort verschiedene Gebühren an, erläutert die Wertpapierfirma diese Unterschiede in einem hinreichenden Detailgrad, sodass der Kunde die Vor- und Nachteile der Wahl nur eines einzigen Ausführungsorts nachvollziehen kann. (5) Rufen Wertpapierfirmen ihre Kunden dazu auf, sich für einen Ausführungsort zu entscheiden, werden faire, klare und nicht irreführende Informationen übermittelt, um zu verhindern, dass sich der Kunde allein aufgrund der von der Wertpapierfirma angewandten Preispolitik gezielt für einen bestimmten Ausführungsort entscheidet. (6) Die Wertpapierfirmen dürfen lediglich Zahlungen Dritter annehmen, die Artikel 24 Absatz 9 der Richtlinie 2014/65/EU gerecht werden, und informieren ihre Kunden über die Anreize, die die Wertpapierfirma ggf. durch die Ausführungsorte erhält. Die Informationen betreffen die Gebühren, die die Wertpapierfirma allen am Geschäft beteiligten Gegenparteien berechnet, sowie Angaben dahin gehend – sofern die Gebühren je nach Kunde unterschiedlich ausfallen –, welche Höchstgebühren oder Gebührenspannen ggf. zu zahlen sind. (7) Stellt eine Wertpapierfirma mehr als einem Geschäftsbeteiligten Gebühren in Rechnung, informiert sie ihre Kunden gemäß Artikel 24 Absatz 9 der Richtlinie 2014/65/EU und deren Durchführungsmaßnahmen über den Wert aller monetären bzw. nichtmonetären Vorteile, die die Wertpapierfirma erhält. (8) Übermittelt ein Kunde einer Wertpapierfirma berechtigte und verhältnismäßige Auskunftsersuchen hinsichtlich ihrer Strategien oder Bestimmungen sowie deren Überprüfungsverfahren, lässt ihm die Wertpapierfirma innerhalb einer angemessenen Frist eine verständliche Antwort zukommen. (9) Führt eine Wertpapierfirma Aufträge für Kleinanleger aus, übermittelt sie diesen Kunden eine Zusammenfassung der betreffenden Grundsätze, deren Schwerpunkt auf den ihnen entstehenden Gesamtkosten liegt. Die Zusammenfassung enthält einen Link zu den neuesten gemäß Artikel 27 Absatz 3 der Richtlinie 2014/65/EU veröffentlichten Daten über die Qualität der Ausführung für jeden von der Wertpapierfirma in ihren Grundsätzen der Auftragsausführung genannten Ausführungsplatz.

1. Grundlagen

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a) Systematischer Zusammenhang. Die heute in § 82 WpHG geregelten Vorgaben für die Entwicklung und Umsetzung von Grundsätzen für die bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen nehmen die bislang in § 33a WpHG a.F. geregelten Pflichten auf und

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

ergänzen sie (in den Absätzen 9 bis 10) um neue Infomationspflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Die Vorläufervorschrift beruhte auf den unionsrechtlichen Vorgaben der Artt. 19 und 21 MiFID I sowie der Artt. 44 bis 46 MiFID-I-Durchführungsrichtlinie;326 sie wurde in § 11 WpDVerOV a.F. weiter konkretisiert. Inhaltlich geht es im Kern um eine Konkretisierung der allgemeinen Pflicht zur bestmöglichen Wahrung des Kundeninteresses (§ 63 Abs. 1 Satz 1 WpHG) durch Pflichten zur Aufstellung, Umsetzung und regelmäßigen Überprüfung ablauforganisatorischer Grundsätze für die Auftragsausführung. Regelungssystematisch stehen die Vorschriften letztlich zwischen Organisationspflichten i.e.S. und transaktionsbezogenen Verhaltenspflichten, weil der Schwerpunkt nicht auf Fragen der Organisation, sondern auf der Vorbereitung der Transaktionsabwicklung liegt; z.T. werden sie daher von vornherein als Bestandteil der Wohlverhaltenspflichten eingeordnet.327 Nicht anders als bei den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten hat sich mit der Neufassung infolge der MiFID II die Regelungssystematik insofern verändert, als die einschlägigen Vorschriften des europäischen Sekundärrechts – heute Artt. 24 und 27 MiFID II – nunmehr durch die DVO MiFID II als unmittelbar anwendbarer Level-2-Rechtsakt konkretisiert werden. § 82 WpHG ist damit von vornherein als Einheit mit den korrespondierenden, teilweise inhaltlich überlappenden Vorgaben aus Artt. 64 bis 66 DVO MiFID auszulegen und umzusetzen, die damit funktional an die Stelle des § 11 WpDVerOV a.F. treten. Eine weitere Konkretisierung hatte die BaFin in Modul BT 4 der MaComp (Rn 44) vorgenommen; die Anpassung derselben an das neue Recht bleibt auch insoweit abzuwarten. Geschäfte an organisierten Märkten oder in multilateralen Handelssystemen zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder zwischen diesen und sonstigen Mitgliedern oder Teilnehmern der Systeme sind nach wie vor von der Anwendbarkeit ausgenommen (§ 95 WpHG, vgl. § 37 WpHG a.F.). b) Regelungsziel. Im Ausgangspunkt ähnlich wie bei den allgemeinen kapitalmarkt- 94 rechtlichen Organisationspflichten handelt es sich bei den in § 82 WpHG geregelten Anforderungen letztlich um eine prozedurale Einwirkung auf die Geschäftsorganisation im Interesse der Durchsetzung der materiellen transaktionsbezogenen Verhaltenspflichten, konkret: des Interessenwahrungsgebots.328 Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist danach verpflichtet, ablauforganisatorische Vorkehrungen zu treffen, um Kundenaufträge in einer Weise abzuwickeln, die deren bestmöglichem Interesse – im Hinblick auf den Preis des jeweiligen Finanzinstruments, die Transaktionskosten, die Geschwindigkeit der Ausführung sowie die Wahrscheinlichkeit der Ausführung und Abwicklung (vgl. § 82 Abs. 2 WpHG) entspricht. Die Ausführungsgrundsätze sind damit nicht nur auf die Bedürfnisse der Kunden, sondern zugleich notwendigerweise auf die jeweils zur Verfügung stehenden Handelsplätze mit ihren jeweiligen Merkmalen abzustimmen. Die Einführung der Regelungen im deutschen Recht fiel dabei zusammen mit der Aufhebung des sog. Börsenprivi-

326

327

Siehe Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 72; eingehend dazu und zu den Regelungsvorläufern Imberg Best Execution, S. 11 ff. So von Busch Cap. Mkt. L.J. 12 (2017), 340 (369). Wenig ergiebig ist in diesem Zusammenhang die im deutschsprachigen Schrifttum geführte Diskussion, ob die „Best Execution“-Pflichten als leges speciales gegenüber dem allgemeinen Interessenwahrungsgrundsatz einzustufen seien; in diesem Sinne etwa Bracht Best Execution, S. 162;

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dagegen Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 1 (aus den dort zitierten Fundstellen ergibt sich für die Frage im Übrigen nichts); vgl. auch die breite Diskussion des Streitstandes hierzu bei Imberg Best Execution, S. 33 ff. Ebenso für § 33a WpHG a.F. bereits Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 5; ähnlich KölnKomm WpHG/ Früh/Ebermann § 33a Rn 5; Dierkes ZBB 2008, 11 (12).

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7. Teil. Organisationsregeln

legs (auch: „Börsenvorrang“) in § 22 Abs. 1 BörsG a.F., wonach Aufträge für den Kauf und Verkauf von Wertpapieren zwingend über Börsen abzuwickeln waren. Entsprechende Regelungen hatten auch in anderen europäischen Rechtsordnungen existiert.329 Die Anforderungen der MiFID I an die bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen hatten vor diesem Hintergrund explizit auch auf die Stärkung des Wettbewerbs zwischen Handelsplätzen im Interesse der Effizienzsteigerung und reduzierter Transaktionskosten abgezielt;330 ob dies erreicht wurde, ist indessen empirisch kaum belegt und wurde angesichts der weiten Gestaltungsspielräume für die Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Hinblick auf Festlegung und Bewertung der maßgeblichen Kriterien skeptisch beurteilt.331 Für das neue Recht gilt nichts anderes.332 Zum früheren Recht war bei alledem anerkannt, dass sich aus den einschlägigen Vorgaben keine Verpflichtung ergab, bei jedem einzelnen Auftrag tatsächlich das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.333 Dies lässt sich auch auf die neu gefassten unionsrechtlichen Vorgaben übertragen. Zwar verlangt Art. 27 Abs. 1 Satz 1 MiFID II im Unterschied zur Vorgängerregelung in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 MiFID I nicht mehr alle „angemessenen“ Maßnahmen, sondern verpflichtet Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu allen „hinreichenden Maßnahmen, um das bestmögliche Ergebnis für ihre Kunden zu erreichen“. Nach wie vor liegt jedoch der Schwerpunkt auf der Festlegung der geforderten „Maßnahmen“ als solcher, nicht auf einem konkreten qualitativen Ergebnis, so dass der Unterschied im Regelungswortlaut nicht mit einer qualitativen Verschärfung einhergeht.334

95

c) Internationaler Hintergrund. Die Einführung der Anforderungen an Grundsätze zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen im Europäischen Kapitalmarktrecht geht auf Regelungsvorbilder insbesondere im US-amerikanischen Recht zurück,335 wo transaktionsbezogene Verhaltenspflichten eine lange Tradition als Ausprägungen allgemeiner fiduziarischer Grundsätze über die Beziehung zwischen broker und Anleger haben.336 Der Bezug der entsprechenden Grundsätze zu den Vertragspflichten des Intermediärs gegenüber dem jeweiligen Kunden ist damit von vornherein enger als derjenige der unions329

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Dazu Ferrarini Cap. Mkt. L.J. 2 (2007), 404 ff.; Knight J. Fin. Reg. Comp. 11 (2003), 219 (222 f.). Deutlich in diese Richtung Erwägungsgründe 33 f. MiFID I; siehe auch Assmann/ Schneider/Koller WpHG § 33 Rn 1; Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 6; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33a Rn 3; Busch Cap. Mkt. L.J. 12 (2017), 340 (369 f.); Gomber/Hirschberg AG 2006, 777 (779); aus der Perspektive des Börsenorganisationsrechts Hammen Börsen und multilaterale Handelssysteme im Wettbewerb, S. 14 ff., insbes. S. 18. Eingehend dazu KölnKomm WpHG/Früh/ Ebermann § 33a Rn 13 f.; Schwark/Zimmer/ von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 11; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33a Rn 2; von Hein FS Hopt 2010, S. 1909 (1923 f.). Siehe aber auch CESR, Impact of MiFID on equity secondary markets functioning, 10.06.2009 (CESR/09–355); Clausen/Sørensen ECFR 2012, 275 (276 ff.).

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Busch Cap. Mkt. L.J. 12 (2017), 340 (371). Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 5; KölnKomm WpHG/Früh/ Ebermann § 33a Rn 5 f.; Bracht Best Execution, S. 162; Dierkes ZBB 2008, 11 (12); Ferrarini Cap. Mkt. L.J. 2 (2007), 404 (406) („best endeavour obligation“); so bereits Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 72; zum Hintergrund Imberg Best Execution, S. 17 f. Ebenso Busch Cap. Mkt. L.J. 12 (2017), 340 (371) („more cosmetic than substantive“). Zum Einfluss auf die Regelsetzung in Europa Moloney EBOR 6 (2005), 341 (389 f.); Vgl. Facciolo 26 Pace L.Rev. 155 (2006); aus der US-amerikanischen Judikatur zusammenfassend Newton v. Merrill, Lynch, Pierce, Fenner & Smith 135 F.3d 266, 270 (3d Cir. 1998); rechtsvergleichend Bliesener Verhaltenspflichten, S. 189 ff.; von Hein FS Hopt 2010, S. 1909 (1924 ff.).

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

rechtlichen Vorgaben. Im Unterschied zum europäischen Recht gehen die einschlägigen Common-Law-Grundsätze vom Prinzip aus, dass der broker dem Anleger gegenüber positiv verpflichtet ist, tatsächlich die jeweils bestmöglichen Ausführungskonditionen zu wählen;337 Einschränkungen im Hinblick auf die konkret geforderten Bemühungen – insbesondere in den einschlägigen kapitalmarktrechtlichen Rechtsgrundlagen338 – setzen lediglich bei der Umsetzung des Grundsatzes an. Entsprechende Regelungsvorbilder existierten darüber hinaus auch im englischen Kapitalmarktrecht.339 d) Sanktionen, insbes. zivilrechtliche Haftung. Verstöße gegen die Pflichten aus § 82 96 WpHG begründen nach Maßgabe der § 119 Abs. 8 Nr. 113 bis 122 WpHG Ordnungswidrigkeiten. Der Bezug der Pflichten aus § 82 WpHG zur Transaktionsabwicklung legt darüber hinaus die Frage nach zivilrechtlichen Implikationen für die Intermediär-KundenBeziehung nahe, die angesichts der beschränkten Kapazität der Aufsicht zur Überwachung und Durchsetzung gerade auf diesem Gebiet eine Rolle als effektive Sanktion zu spielen hätten.340 Aus dem systematischen Standort der Pflichten zwischen transaktionsbezogenen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten (oben Rn 93) lassen sich insoweit keine Rückschlüsse ziehen.341 Wie im Hinblick auf die allgemeinen Organisationspflichten (oben Rn 40) wurde für das bisherige Recht insoweit zunächst diskutiert, ob die einschlägigen Pflichten als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB mit der Folge einer deliktischen Haftung für Verbotsverletzungen zu qualifizieren sind.342 Auch hier spricht allerdings der Umstand dagegen, dass § 82 WpHG den Intermediär lediglich zu organisatorischen Vorkehrungen für die Ausführung von Kundenaufträgen verpflichtet, deren Einhaltung oder Nichteinhaltung, für sich genommen, zwar die konkreten Transaktionsbedingungen beeinflusst, aber eben nicht zwingend präformiert. Entscheidend für eine zivilrechtliche Haftung ist damit letztlich wiederum, ob die konkret gewählte Art der Auftragsausführung den Interessen des Kunden gerecht wird (§ 63 Abs. 1 Satz 1 WpHG), was den Blick vorrangig auf eine mögliche Haftung nach vertraglichen Grundsätzen richtet.343 Hier ist zu beachten, dass sich qualitative Anforderungen an die Auftragsausführung bereits aus allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen ergeben können, was insbesondere für das Kommissionsgeschäft zutrifft (vgl. insbesondere § 384 Abs. 1 HGB, der konkret tatsächlich eine Aus-

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Deutlich Newton v. Merrill, Lynch, Pierce, Fenner & Smith 135 F.3d 266, 270 (3d Cir. 1998) in Auseinandersetzungen mit früheren Entscheidungen; verkürzt daher die gegenteilige Aussage bei von Hein FS Hopt 2010, S. 1909 (1927). Dazu von Hein FS Hopt 2010, S. 1909 (1924 ff.); siehe auch Macey/O’Hara J. Fin. Intermed. 6 (1997), 188 (191 f.). Vgl. dazu Nelson Capital Markets Law and Compliance, S. 391 ff.; vergleichend KölnKomm WpHG/Früh/Ebermann § 33a Rn 41 ff. Vgl. – mit berechtigten Zweifeln an der Leistungsfähigkeit der zivilrechtlichen Haftung in diesem Zusammenhang nach deutschem Recht – Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 13 f.; siehe auch Bracht Best Execution, S. 192 f.

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Im Ansatz verfehlt in diesem Sinne Imberg Best Execution, S. 39 f., die eine zivilrechtliche Konsequenz von Organisationspflichten per se mit rein formaler Begründung ablehnt. Dazu ablehnend KölnKomm WpHG/Früh/ Ebermann § 33a Rn 23, 144 ff.; Schwark/ Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 73; Bracht Best Execution, S. 189 ff.; von Hein FS Hopt 2010, S. 1909 (1922); a.A. wohl Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1717); für Schutzgesetzqualität auch Imberg Best Execution, S. 245 ff.; Zingel BKR 2007, 173 (178). Zutr. KölnKomm WpHG/Früh/Ebermann § 33a Rn 147 ff.; Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 73; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33a Rn 12; Ebermann/ Chromek RdF 2011, 228 (235); von Hein FS Hopt 2010, S. 1909 (1922).

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führung zu den besterreichbaren Konditionen verlangt).344 Anders ist dies bei Eigenhändler- bzw. Festpreisgeschäften, für die § 82 WpHG ebenfalls gilt (siehe noch unten Rn 99).345 97 Für die verbleibende vertragsrechtliche Bedeutung der aufsichtsrechtlichen Pflichten aus § 82 WpHG ist zu differenzieren: Ansprüche der Kunden auf eine bestimmte Ausgestaltung der Ausführungsgrundsätze bestehen schon mit Blick auf das durch die Regelungen eröffnete, weite Gestaltungsermessens (siehe noch unten Rn 99) nicht. Legt sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen unter Einhaltung dieser Anforderungen auf Kriterien für die Auftragsabwicklung fest, wird man darin zugleich eine zulässige privatautonome Konkretisierung der vertraglich geschuldeten Leistungsmodalitäten und des Sorgfaltsmaßstabs zu erblicken haben, deren Umsetzung im konkreten Einzelfall eine Haftung wegen Vertragspflichtverletzung ausschließt.346 Die Auslegungsgrundsätze konkretisieren dann zulässigerweise auch das nach § 63 Abs. 1 Satz 1 WpHG geforderte Maß an Bemühungen um die Interessenwahrung und sind insofern für die Ermittlung des vertraglichen Pflichtenprogramms maßgeblich.347 Letzteres folgt für die Praxis bereits daraus, dass die Ausführungsgrundsätze in Nr. 2 Satz 1 und 2 der von der Kreditwirtschaft entwickelten Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (dazu allgemein Grundmann 8. Teil Rn 29 ff.) ausdrücklich im Wege einer dynamischen Verweisung auf die jeweils gültige Fassung als maßgeblich für die Bestimmung der geschuldeten Leistungen und als Bestandteil der Sonderbedingungen eingestuft werden. Akzeptiert man dies, scheidet eine Haftung wegen Vertragspflichtverletzung auch dann aus, wenn – im Falle des Kommissionsgeschäfts – nach allgemeinen Grundsätzen eine andere, für den Kunden günstigere Art der Auftragsabwicklung bestanden hätte, diese jedoch aufgrund der Festlegungen in den Ausführungsgrundsätzen nicht gewählt oder gar nicht in Betracht gezogen wurde. Verstößt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dagegen in casu gegen die eigenen Ausführungsgrundsätze, löst dies eine Schadensersatzhaftung wegen Vertragspflichtverletzung aus, wenn infolge des Verstoßes tatsächlich eine für den Kunden ungünstigere Art der Auftragsabwicklung gewählt wurde. Richtigerweise muss für die Ermittlung des zu ersetzenden Schadens auf einen Vergleich zwischen der tatsächlich gewählten Art der Abwicklung einerseits und einer von den Ausführungsgrundsätzen gedeckten alternativen Art der Abwicklung abgestellt werden, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei Beachtung der Grundsätze legitimerweise hätte wählen dürfen. Nicht entscheidend kann demgegenüber sein, welche Art der Auftragsabwicklung überhaupt objektiv die für den Kunden günstigste gewesen wäre.348 Die damit bestehenden Beweisprobleme für die Kunden sind kaum verkennbar;349 ob die Anforderungen an die „Best Execution“ mit Blick auf die damit drohenden 344

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Zur Interessewahrungspflicht nach dieser Vorschrift allgemein MünchKommHGB/ Häuser § 384 Rn 17 f.; Staub/Koller § 384 Rn 37–52; im hiesigen Zusammenhang Assmann/Schütze/Schäfer Hdb Kapitalanlagerecht § 13 Rn 56. Für das bisherige Recht MünchKommHGB/ Ekkenga Effektengeschäft Rn 444; Ebermann/Chromek RdF 2011, 228 (235). Gleichsinnig MünchKommHGB/Ekkenga Effektengeschäft Rn 449; Schwark/Zimmer/ von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 4; Fuchs/ Zimmermann WpHG § 33a Rn 12; Ebermann/Chromek RdF 2011, 228 (235); Ebermann/Chromek RdF 2011, 228 (235).

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Gleichsinnig Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 24; zumindest missverständlich insoweit Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33a Rn 1, der diesen Ansatz im Sinne einer systematischen Einordnung der Pflichten als leges speciales gegenüber dem allgemeinen Interessenwahrungsgrundsatz einordnet. Im Ergebnis entsprechend auch Schwark/ Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 4 a.E. Vgl. auch KölnKomm WpHG/Früh/Ebermann § 33a Rn 150; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33a Rn 13.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

Sanktionsdefizite insgesamt als taugliches Instrument zur Effizienzverbesserung bei der Ausführung von Effektengeschäften qualifiziert werden können, muss bezweifelt werden.350 e) Wesentlicher Regelungsgehalt – Überblick. Konzeptionell nicht anders als § 33a 98 WpHG a.F. regeln § 82 WpHG und Artt. 64 ff. DVO MiFID II zunächst die Pflicht zur Aufstellung von Grundsätzen für die Auftragsausführung und zur Beachtung derselben für die Ausführung von Aufträgen im jeweiligen Einzelfall (Rn 91–103) sowie die Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung der Grundsätze (Rn 104) und sodann entsprechende Hinweisund Informationspflichten gegenüber den Kunden (Rn 105). 2. Pflicht zur Aufstellung und Umsetzung von Ausführungsgrundsätzen a) Allgemeines. Die allgemeine Pflicht zur Aufstellung und praktischen Umsetzung 99 von Grundsätzen für die Ausführung aller Kundenaufträge ergibt sich aus § 82 Abs. 1 WpHG (entsprechend § 33a Abs. 1 WpHG a.F.). Auch weiterhin werden damit neben dem Finanzkommissionsgeschäft (§ 2 Abs. 8 Nr. 1 WpHG) auch der Eigenhandel für Kunden (§ 2 Abs. 8 Nr. 2 lit. c WpHG), Festpreisgeschäfte sowie die Abschlussvermittlung (§ 2 Abs. 8 Nr. 3 WpHG) erfasst.351 Wie bislang ist dabei zwischen den Grundsätzen für die Abwicklung von Aufträgen professioneller Kunden i.S.d. § 67 Abs. 2 WpHG und Privatkunden i.S.d. § 67 Abs. 3 WpHG (zur Einteilung Grundmann 8. Teil Rn 233–235) zu unterscheiden, da die Ausführungsgrundsätze für letztere auch weiterhin auf das bestmögliche Gesamtentgelt zu konzentrieren sind (§ 82 Abs. 3 WpHG, unten Rn 101). Innerhalb der damit jeweils gesetzten Schranken haben die Wertpapierdienstleistungsunternehmen Gestaltungsfreiheit;352 dies gilt insbesondere für den gesetzlich nur in Grundzügen präformierten Prozess der Ausgestaltung der Kriterien. Sowohl für professionelle Kunden als auch für Privatkunden müssen die Ausführungsgrundsätze diejenigen Ausführungsplätze ausdrücklich aufführen, an denen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen für jede einzelne Art von Finanzinstrumenten Aufträge platziert oder an die sie Aufträge zur Ausführung weiterleitet (Einzelheiten: § 82 Abs. 5 WpHG, Art. 65 Abs. 5 Satz 1 sowie Art. 66 Abs. 3 lit. b DVO MiFID II). Die Kunden sind wie bislang vor der erstmaligen Ausführung von Wertpapierdienstleistungen über die Ausführungsgrundsätze sowie im Weiteren über wesentliche Änderungen derselben zu informieren (§ 82 Abs. 6 Satz 1 WpHG, im Wesentlichen entsprechend § 33a Abs. 6 Nr. 1 und 2 WpHG; dies konkretisierend nunmehr Art. 65 Abs. 6 und Art. 66 Abs. 3 DVO MiFID II). Der neu eingefügte § 82 Abs. 6 Satz 2 WpHG, nach dem die Informationen „klar, ausführlich und auf eine für den Kunden verständliche Weise erläutern“ müssen, „wie das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Kundenaufträge ausführt“, beruht auf Art. 27 Abs. 5 UAbs. 2 MiFID II. Wie die Erweiterung der Informations- und Hinweispflichten im Übrigen (unten Rn 105) trägt auch diese Regelung dem Anliegen des Richtliniengebers Rechnung, den Wettbewerbsdruck auf die Intermediäre durch Verbesserung der Informationsqualität zu erhöhen;353 angesichts der 350

Im Ergebnis bestehen damit ähnliche Zweifel wie hinsichtlich der Umsetzung des Standards im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht, die nicht zuletzt aufgrund unzureichender Bestimmtheit und daraus resultierender Durchsetzungsdefizite auf rechtsökonomische Kritik stoßen, vgl. Macey/O’Hara J. Fin. Intermed. 6 (1997), 188 (198 ff.).

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Zum bisherigen Recht Fuchs/Zimmermann WpHG § 33a Rn 4 f.; Assmann/Schneider/ Koller WpHG § 33a Rn 7; Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 20 f. Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33a Rn 14; Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 27. Dazu Busch Cap. Cap. Mkt. L.J. 12 (2017), 340 (372).

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7. Teil. Organisationsregeln

damit im Vergleich zum bisherigen Recht nochmals erhöhten Informationsdichte ist indessen zweifelhaft, ob eine sachgerechte Auseinandersetzung der Anleger mit diesen Grundsätzen wirklich realistisch erwartbar ist.354 Die gesetzlichen Anforderungen an den Inhalt der Grundsätze und die Informationspflichten haben schon unter der Geltung des bisherigen Rechts die Frage aufgeworfen, ob die Ausführungsgrundsätze zivilrechtlich als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren und der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterworfen sind. Ersteres ergibt sich im Ausgangspunkt in der Tat aus der Einbeziehung der Ausführungsgrundsätze in die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte nach Nr. 2 Satz 2 derselben.355 Die – letztlich entscheidende – Frage nach der Anwendbarkeit der Inhaltskontrolle wurde teilweise verneint und ein Fall der Kontrollfreiheit nach § 307 Abs. 3 BGB angenommen, weil lediglich eine abstrakte Konkretisierung der Vertragspflichten erfolge.356 Überzeugend ist dies indessen schon mit Blick auf die ausdrückliche Einbeziehung in die für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen branchenüblichen AGB nicht; in der Tat würde eine effektive Kontrolle der AGB und würden damit die Haftungssanktion für Fehlverhalten letztlich leerlaufen, wenn die inhaltliche Überprüfung der Ausführungsgrundsätze den Zivilgerichten entzogen wäre und allein aufsichtsrechtlich vollzogen werden könnte.357

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b) Ausführungsgrundsätze für professionelle Kunden. Auch weiterhin ist die Festlegung von Ausführungsgrundsätzen für Aufträge professioneller Kunden ungleich komplexer als für Aufträge von Privatkunden. Hier wie dort geht es um die Ermittlung, welche Art der Auftragserfüllung dem Interesse der Kunden am ehesten gerecht wird („Kriterien zur Erzielung des bestmöglichen Ergebnisses“). Im Unterschied zu den Anforderungen an Ausführungsgrundsätze für das Privatkundengeschäft (§ 82 Abs. 3 WpHG, unten Rn 101) sind die Grundsätze dabei für professionelle Kunden nicht allein am Gesamtentgelt für die Auftragsausführung zu orientieren, doch ist naturgemäß auch hier diese Position insbesondere gegen die zu erzielenden Preise abzuwägen.358 Die Aufzählung in § 82 Abs. 1 Satz 2 WpHG (entsprechend § 33a Abs. 2 WpHG a.F.) benennt den Preis der Finanzinstrumente359 als erstes der zu berücksichtigenden Kriterien, die unter Berücksichtigung der Auftragsmerkmale – Art der Kunden und Aufträge sowie der Finanzinstrumente – und der zur Verfügung stehenden Ausführungsplätze zu gewichten sind. Weiters zu berücksichtigen sind die mit der Auftragsabwicklung verbundenen Kosten, wobei die eigenen Provisionen und Gebühren des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zwar – im Unterschied zum Privatkundengeschäft (vgl. § 80 Abs. 3 Satz 3 WpHG, entsprechend § 33a Abs. 3 Satz 3 WpHG a.F.) – dem Wortlaut nach unbeschränkt, nach überwiegender Ansicht aber zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zwischen einzelnen Ausführungsplätzen nur nach der Ermittlung der Kostenstrukturen für die einzelnen Ausführungsplätze eingestellt werden dürfen.360 Gerade die ebenfalls einzubeziehenden Kriterien der Geschwindig354

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Schon zum bisherigen Recht zweifelnd insoweit Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 11 („information overload“); skeptisch auch Assmann/Schneider/ Koller WpHG § 33 Rn 47. Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 63. So MünchKommHGB/Ekkenga Effektengeschäft Rn 451. Zutr. Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 63; ebenso im Anschluss daran auch Imberg Best Execution, S. 265 ff.

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Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 30; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33a Rn 19. Zum bisherigen Recht insoweit näher KölnKomm WpHG/Früh/Ebermann § 33a Rn 96 f.; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33a Rn 19 f. Vgl. KölnKomm WpHG/Früh/Ebermann § 33a Rn 100; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33a Rn 18, jeweils unter Berufung auf CESR, Best execution under MiFID, Mai 2007 (CESR/07–320), Abschnitt 2 Nr. 2.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

keit361 und Wahrscheinlichkeit362 der Auftragsausführung sind naturgemäß vor allem für das Geschäft mit professionellen Kunden und für besonders gelagerte, über das Massengeschäft hinausgehende Transaktionsarten von Interesse und vor allem von den Leistungsmerkmalen der einzelnen Ausführungsplätze abhängig. Letzteres gilt zugleich für alle der genannten Kriterien allgemein: Zwar sollen die Ausführungsgrundsätze insgesamt den oder die jeweils besten Handelsplatz bzw. Handelsplätze erst festlegen; dies ist notwendigerweise das Ergebnis des in den Grundsätzen festzulegenden Auswahlprozesses (vgl. nochmals Art. 65 Abs. 5 Satz 1 DVO MiFID II).363 Die Auswahl kann indessen nur vorbereitet werden, wenn von vornherein ermittelt wird, welche Ausführungsplätze für die einzelnen Arten von Aufträgen überhaupt zur Verfügung stehen und mit welchen Konditionen sie verbunden sind.364 Schon die Ermittlung der maßgeblichen Kriterien kann damit nicht zeitlich abgeschichtet von der Ermittlung und Gewichtung der einzelnen qualitativen Kriterien vorgenommen werden, sondern muss damit abgestimmt werden. Dabei ist die gesamte Bandbreite der zur Verfügung stehenden Ausführungsplätze und sind nicht allein geregelte Märkte (vgl. Art. 64 Abs. 3 DVO MiFID II) einzubeziehen, neben diesen also insbesondere auch MTFs, OTFs, systematische Internalisierer, Market Maker und sonstige Liquiditätsgeber.365 c) Ausführungsgrundsätze für Privatkunden. Anders als für besonders gelagerte Trans- 101 aktionen im Auftrag professioneller Kunden werden die Konditionen für die Ausführung von Kundenaufträgen im Massengeschäft zwischen einzelnen Ausführungsplätzen nicht wesentlich variieren. Insofern ist nachvollziehbar, dass § 82 Abs. 3 WpHG (entsprechend § 33a Abs. 3 WpHG a.F.) die Ausgestaltung der Ausführungsgrundsätze für Aufträge von Privatkunden von vornherein auf das Kriterium des für die jeweilige Kategorie relevanten Gesamtentgelts konzentriert, das sich nach Satz 2 bis 4 der Vorschrift aus der Summe des Preises für das Finanzinstrument und sämtlichen mit der Ausführung verbundenen Kosten zusammensetzt.366 d) Praktische Umsetzung. Nach § 82 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (entsprechend § 33a Abs. 1 102 Nr. 2 WpHG a.F.) müssen die Wertpapierdienstleistungen sicherstellen, dass jeder einzelne Kundenauftrag nach Maßgabe der Ausführungsgrundsätze abgewickelt wird. Nachdem sich die Pflicht zur Beachtung in der Intermediär-Kunden-Beziehung bereits aus der Einbeziehung der Ausführungsgrundsätze in die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte ergibt (oben Rn 97), ist diese Regelung lediglich die aufsichtsrechtliche Absicherung einer ohnehin bestehenden Vertragspflicht. Wie nach bisherigem Recht sind die Wertpapierdienstleistungsunternehmen gegenüber auf Nachfrage den Kunden gegenüber rechenschaftspflichtig hinsichtlich der Einhaltung der Ausführungsgrundsätze bei der Auftrags-

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Dazu für das bisherige Recht KölnKomm WpHG/Früh/Ebermann § 33a Rn 102; Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 33; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33a Rn 22. Dazu für das bisherige Recht KölnKomm WpHG/Früh/Ebermann § 33a Rn 103; Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 34 f.; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33a Rn 23. In diesem Sinn besonders deutlich Schwark/ Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 44 (dritte von drei Prozessstufen).

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Vgl. KölnKomm WpHG/Früh/Ebermann § 33a Rn 83 f.; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33a Rn 13 f.; wohl auch Schwark/ Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 43; deutlich auch Dierkes ZBB 2008, 11 (18). Näher Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 42; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33a Rn 28. Näher dazu zum bisherigen Recht Assmann/ Schneider/Koller WpHG § 33a Rn 22; Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 46.

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7. Teil. Organisationsregeln

ausführung (§ 80 Abs. 7 WpHG, entsprechend § 33a Abs. 7 WpHG a.F.);367 auch dies ist etwas, wozu der Intermediär auch nach allgemeinen Grundsätzen (z.B. § 384 Abs. 2 HGB für das Kommissionsgeschäft) verpflichtet ist. Nach § 82 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 WpHG (entsprechend § 33a Abs. 6 Nr. 1 WpHG a.F.) muss im Zusammenhang mit der Kundeninformation vor der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen die Zustimmung der Kunden zu den Ausführungsgrundsätzen eingeholt werden.

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e) Kundenweisungen. Nach § 80 Abs. 4 WpHG (§ 33a Abs. 4 WpHG a.F.) gilt die „Pflicht zur Erzielung des bestmöglichen Ergebnisses entsprechend dem Umfang der Weisung als erfüllt“, soweit368 das Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Kundenauftrag „gemäß einer ausdrücklichen Kundenweisung“ ausführt. Schon die Formulierung zeigt, dass die Regelung nicht einen absoluten Vorrang der Kundenweisung in dem Sinne statuiert, dass den Kundenweisungen stets zu folgen wäre. Dies kann sich allenfalls aus den jeweils maßgeblichen vertragsrechtlichen Grundsätzen ergeben (vgl. §§ 667, 665 BGB, § 385 Abs. 1 HGB) und ist letztlich keine Frage des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes.369 Aus § 80 Abs. 4 WpHG folgt insoweit lediglich, dass der Intermediär, der sich an die Kundenweisungen hält, so behandelt wird, als hätte er die Ausführungsgrundsätze befolgt und damit seiner Pflicht aus § 82 Abs. 1 Nr. 2 WpHG genügt.370 Wie nach früherem Recht (§ 33 Abs. 6 Nr. 2 WpHG a.F.) müssen die den Kunden zur Verfügung gestellten Informationen über die Ausführungsgrundsätze klare und deutliche Warnhinweise enthalten, dass ausdrückliche Kundenweisungen die Nichtbefolgung der Ausführungsgrundsätze und damit Nachteile für die Kunden nach sich ziehen können (siehe nunmehr Art. 66 Abs. 3 lit. f DVO MiFID II). Nach wie vor371 sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen indessen grundsätzlich nicht gehindert, ihre Kunden zu ausdrücklichen Weisungen anzuhalten. Dies befreit indessen nicht von der Pflicht zur Aufstellung von Ausführungsgrundsätzen und zur Information darüber und über die zur Verfügung stehenden Ausführungsplätze, was sich heute eindeutig aus Art. 66 Abs. 5 DVO MiFID II ergibt.

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3. Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung der Grundsätze. Wie nach früherem Recht (§ 33a Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F.) sind die Regelungsadressaten verpflichtet, ihre Ausführungsgrundsätze regelmäßig – mindestens einmal jährlich – sowie im Falle von wesentlichen Veränderungen mit Auswirkungen auf die Auftragserfüllung zu überprüfen (vgl. nunmehr Art. 65 Abs. 7 sowie Art. 66 Abs. 1 DVO MiFID II). Während die letztgenannten Präzisierungen im Wortlaut des deutschen Rechts im Zuge der Neufassung durch das 2. FiMaNoG mit Rücksicht auf die unmittelbar anwendbaren Vorgaben der DVO MiFID II gestrichen wurden,372 wird nunmehr die Überprüfungspflicht in § 80 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ausdrücklich in einen Zusammenhang mit bestimmten Informationsquellen gesetzt: Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben danach die in den neu aufgenommenen Bestim-

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Zum bisherigen Recht KölnKomm WpHG/ Früh/Ebermann § 33a Rn 127. Vgl. Erwägungsgrund 102 DVO MiFID II. Zumindest missverständlich insoweit Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33a Rn 38; richtig dagegen Fuchs/Zimmermann WpHG § 33a Rn 33; im Ergebnis ähnlich, allerdings ohne Auseinandersetzung mit den maßgeblichen vertragsrechtlichen Grundsätzen auch Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 55.

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Wiederum ungenau Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33a Rn 37; wie hier dagegen richtig Schwark/Zimmer/von Hein KapMR § 33a WpHG Rn 53. Zum früheren Recht näher Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33a Rn 39; Fuchs/Zimmermann WpHG § 33a Rn 34. Vgl. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 242.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

mungen der Abs. 9 bis 11 genannten Informationsquellen (unten Rn 105) auszuwerten und darauf ggf. durch Anpassung der Ausführungsgrundsätze zu reagieren. Diese Regelung beruht auf Art. 27 Abs. 7 MiFID II und stärkt den prozeduralen Charakter der Pflicht zur Aufstellung von Ausführungsgrundsätzen, indem sie die schon bislang geltenden Überprüfungspflichten tatbestandlich erweitert. 4. Ergänzende Informationspflichten (Überblick). Die soeben erwähnten Informa- 105 tionspflichten aus § 80 Abs. 9 bis 11 WpHG sind sollen die Qualität der Ausführungsgrundsätze insbesondere durch Verstärkung des Wettbewerbsdrucks verbessern helfen.373 Sie setzen Art. 27 Abs. 6 bzw. Abs. 3 MiFID II um und treten als zusätzliche Transparenzvorschriften neben die Vorgaben zur Vor- und Nachhandelstransparenz aus Titel II der MiFIR (unten Rn 176 ff.). Verpflichtet werden zunächst die Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst, die nach Abs. 9 für jede Gattung von Finanzinstrumenten zur jährlichen Veröffentlichung von Informationen zu den fünf wichtigsten Ausführungsplätzen verpflichtet sind, auf denen das jeweilige Unternehmen im Berichtsjahr Kundenaufträge ausgeführt hat; dabei sind auch Informationen zur erreichten Ausführungsqualität zusammenzufassen. Die weitere Konkretisierung ergibt sich aus der Delegierten Verordnung 2017/576 (hier nicht abgedruckt und nicht kommentiert).374 Eine Pflicht zur mindestens einmal jährlichen Information über die Ausführungsqualität trifft nach § 80 Abs. 11 WpHG auch die Handelsplätze und systematischen Internalisierer für handelspflichtige Finanzinstrumente nach Art. 23 und Art. 28 MiFIR sowie alle Ausführungsplätze für die davon nicht erfassten Finanzinstrumente nach § 80 Abs. 12 WpHG. Die Konkretisierung der Informationspflichten nach Abs. 10 und 11 regeln § 80 Abs. 12 Satz 1 WpHG sowie die in Satz 2 des Absatzes in Bezug genommene Delegierte Verordnung 2017/565 (nicht abgedruckt und nicht kommentiert).375

III. Aufzeichnungspflichten (§ 83 WpHG, Artt. 72–76 DVO MiFID II – Überblick) Schrifttum: Balzer Umsetzung der MiFID: Ein neuer Rechtsrahmen für die Anlageberatung, ZBB 2007, 333; Kumpan/Hellgardt Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Umsetzung der EURichtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), DB 2006, 1714; Roller Änderungen bei der Umkehr der Beweislast durch die MiFID?, VuR 2007, 441

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Siehe nochmals Busch Cap. Cap. Mkt. L.J. 12 (2017), 340 (372); siehe auch Erwägungsgrund 107 DVO MiFID II. Delegierte Verordnung (EU) 2017/576 der Kommission vom 08.06.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die jährliche Veröffentlichung von Informationen durch Wertpapierfirmen zur Identität von Handelsplätzen und zur Qualität der Ausführung, ABlEU Nr. L 87/166 vom 31.03.2017.

375

Delegierte Verordnung (EU) 2017/575 der Kommission vom 08.06.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards bezüglich der Daten, die Ausführungsplätze zur Qualität der Ausführung von Geschäften veröffentlichen müssen, ABlEU Nr. L 87/125 vom 31.03.2017.

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7. Teil. Organisationsregeln

Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG)

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in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2708), zuletzt geändert durch Artikel 3a des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693) § 83 Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht [§ 34 WpHG a.F. – inhaltlich teilweise verändert] (1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss, unbeschadet der Aufzeichnungspflichten nach den Artikeln 74 und 75 [DVO MiFID II] über die von ihm erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen sowie die von ihm getätigten Geschäfte Aufzeichnungen erstellen, die es der Bundesanstalt ermöglichen, die Einhaltung der in diesem Abschnitt, in diesem Abschnitt, in der [MiFIR] und der [MAR] geregelten Pflichten zu prüfen und durchzusetzen. (2) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat Aufzeichnungen zu erstellen über Vereinbarungen mit Kunden, die die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien sowie die sonstigen Bedingungen festlegen, zu denen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen für den Kunden erbringt. In anderen Dokumenten oder Rechtstexten normierte oder vereinbarte Rechte und Pflichten können durch Verweis in die Vereinbarungen einbezogen werden. Nähere Bestimmungen zur Aufzeichnungspflicht nach Satz 1 ergeben sich aus Artikel 58 der [DVO MiFID II] (nicht abgedruckt). (3) Hinsichtlich der beim Handel für eigene Rechnung getätigten Geschäfte und der Erbringung von Dienstleistungen, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen, hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen für Zwecke der Beweissicherung die Inhalte der Telefongespräche und der elektronischen Kommunikation aufzuzeichnen. Die Aufzeichnung hat insbesondere diejenigen Teile der Telefongespräche und der elektronischen Kommunikation zu beinhalten, in welchen die Risiken, die Ertragschancen oder die Ausgestaltung von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen erörtert werden. Hierzu darf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen personenbezogene Daten erheben, verarbeiten und nutzen. Dies gilt auch, wenn das Telefongespräch oder die elektronische Kommunikation nicht zum Abschluss eines solchen Geschäftes oder zur Erbringung einer solchen Dienstleistung führt. (4) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat alle angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, um einschlägige Telefongespräche und elektronische Kommunikation aufzuzeichnen, die über Geräte erstellt oder von Geräten gesendet oder empfangen werden, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen seinen Mitarbeitern oder beauftragten Personen zur Verfügung stellt oder deren Nutzung das Wertpapierdienstleistungsunternehmen billigt oder gestattet. Telefongespräche und elektronische Kommunikation, die nach Absatz 3 Satz 1 aufzuzeichnen sind, dürfen über private Geräte oder private elektronische Kommunikation der Mitarbeiter nur geführt werden, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen diese mit Zustimmung der Mitarbeiter aufzeichnen oder nach Abschluss des Gesprächs auf einen eigenen Datenspeicher kopieren kann. (5) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat Neu- und Altkunden sowie seine Mitarbeiter und beauftragten Personen vorab in geeigneter Weise über die Aufzeichnung von Telefongesprächen nach Absatz 3 Satz 1 zu informieren. Hat ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen seine Kunden nicht vorab über die Aufzeichnung der Telefongespräche oder der elektronischen Kommunikation informiert oder hat der Kunde einer Aufzeichnung widersprochen, darf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen für den Kunden keine telefonisch oder mittels elektronischer Kommunikation veranlassten Wertpapierdienstleistungen erbringen, wenn sich diese auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen. Näheres regelt Artikel 76 der [DVO MiFID II] (nicht abgedruckt). (6) Erteilt der Kunde dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen seinen Auftrag im Rahmen eines persönlichen Gesprächs, hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Erteilung des Auftrags mittels eines dauerhaften Datenträgers zu dokumentieren. Zu diesem Zweck dürfen auch schriftliche Protokolle oder Vermerke über den Inhalt des persönlichen Gesprächs angefertigt werden. Erteilt der Kunde seinen Auftrag auf andere Art und Weise, müssen solche Mitteilungen auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen. Näheres regelt Artikel 76 Absatz 9 [DVO MiFID II] (nicht abgedruckt).

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen (7) Der Kunde kann von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen bis zur Löschung oder Vernichtung nach Absatz 8 jederzeit verlangen, dass ihm die Aufzeichnungen nach Absatz 3 Satz 1 und der Dokumentation nach Absatz 6 Satz 1 oder eine Kopie zur Verfügung gestellt werden. (8) Die Aufzeichnungen nach den Absätzen 3 und 6 sind für fünf Jahre aufzubewahren, soweit sie für die dort genannten Zwecke erforderlich sind. Sie sind nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist zu löschen oder zu vernichten. Die Löschung oder Vernichtung ist zu dokumentieren. Erhält die Bundesanstalt vor Ablauf der in Satz 1 genannten Frist Kenntnis von Umständen, die eine über die in Satz 1 genannte Höchstfrist hinausgehende Speicherung der Aufzeichnung insbesondere zur Beweissicherung erfordern, kann die Bundesanstalt die in Satz 1 genannte Höchstfrist zur Speicherung der Aufzeichnung um zwei Jahre verlängern. (9) Die nach den Absätzen 3 und 6 erstellten Aufzeichnungen sind gegen nachträgliche Verfälschung und unbefugte Verwendung zu sichern und dürfen nicht für andere Zwecke genutzt werden, insbesondere nicht zur Überwachung der Mitarbeiter durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Sie dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere zur Erfüllung eines Kundenauftrags, der Anforderung durch die Bundesanstalt oder eine andere Aufsichtsoder eine Strafverfolgungsbehörde und nur durch einen oder mehrere vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen gesondert zu benennende Mitarbeiter ausgewertet werden. (10) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen zu den Aufzeichnungspflichten und zu der Geeignetheit von Datenträgern nach den Absätzen 1 bis 2a 7 erlassen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen. (11) Die Bundesanstalt veröffentlicht auf ihrer Internetseite ein Verzeichnis der Mindestaufzeichnungen, die die Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach diesem Gesetz in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Absatz 11 vorzunehmen haben. (12) Absatz 2 gilt nicht für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge nach § 491 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches, die an die Vorbedingung geknüpft sind, dass dem Verbraucher eine Wertpapierdienstleistung in Bezug auf gedeckte Schuldverschreibungen, die zur Besicherung der Finanzierung des Kredits begeben worden sind und denen dieselben Konditionen wie dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde liegen, erbracht wird, und wenn damit das Darlehen ausgezahlt, refinanziert oder abgelöst werden kann.

Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25.04.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl.EU 2017 L 87/1 KAPITEL II ORGANISATORISCHE ANFORDERUNGEN ABSCHNITT 8 Aufzeichnungen Artikel 72 – Aufbewahrung von Aufzeichnungen (Art. 16 Abs. 6 MiFID II) (1) Die Aufzeichnungen sind auf einem Datenträger aufzubewahren, auf dem sie so gespeichert werden können, dass sie der zuständigen Behörde auch in Zukunft zugänglich gemacht werden können und dass die folgenden Bedingungen erfüllt sind: a) Die zuständige Behörde kann ohne Weiteres auf die Aufzeichnungen zugreifen und jede maßgebliche Stufe der Bearbeitung jedes einzelnen Geschäfts rekonstruieren; b) es ist möglich, jegliche Korrektur oder sonstige Änderung sowie den Inhalt der Aufzeichnungen vor der Korrektur oder sonstigen Änderungen leicht festzustellen; c) die Aufzeichnungen können nicht anderweitig manipuliert oder verändert werden;

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7. Teil. Organisationsregeln d) sie können informationstechnisch oder anderweitig wirksam genutzt werden, sofern sich die Daten aufgrund ihres Umfangs und ihrer Art nicht einfach analysieren lassen; und e) die Bestimmungen der Wertpapierfirma werden ungeachtet der eingesetzten Technik den Anforderungen an die Führung von Aufzeichnungen gerecht. (2) Die Wertpapierfirmen müssen – je nachdem, welchen Tätigkeiten sie nachgehen – zumindest die in Anhang I zu dieser Verordnung aufgeführten Aufzeichnungen führen. Das in Anhang I zu dieser Verordnung aufgeführte Verzeichnis an Aufzeichnungen gilt unbeschadet weiterer sich aus anderen Rechtsvorschriften ergebender Aufbewahrungspflichten. (3) Wertpapierfirmen führen zudem schriftliche Aufzeichnungen über alle Strategien und Verfahren, über die sie gemäß der Richtlinie 2014/65/EU, der Verordnung (EU) Nr. 600/2014, der Richtlinie 2014/57/EU und der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 und der dazugehörigen Durchführungsmaßnahmen verfügen müssen. Die zuständigen Behörden können Wertpapierfirmen dazu auffordern, neben dem in Anhang I zu dieser Verordnung aufgeführten Verzeichnis noch weitere Aufzeichnungen zu führen. Artikel 73 – Führung von Aufzeichnungen über Rechte und Pflichten der Wertpapierfirma und des Kunden (Art. 25 Abs. 5 MiFID II) Aufzeichnungen, in denen die Rechte und Pflichten der Wertpapierfirma und des Kunden im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags oder die Bedingungen, unter denen die Wertpapierfirma Dienstleistungen für den Kunden erbringt, festgehalten sind, sind mindestens für die Dauer der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden aufzubewahren. Artikel 74 – Führung von Aufzeichnungen über Kundenaufträge und Handelsentscheidungen (Art. 16 Abs. 6 MiFID II) Eine Wertpapierfirma hat in Bezug auf jeden von einem Kunden erteilten Erstauftrag sowie in Bezug auf jede getroffene erste Handelsentscheidung unverzüglich zumindest die in Anhang IV Abschnitt 1 zu dieser Verordnung aufgeführten Einzelheiten festzuhalten und der zuständigen Behörde zur Verfügung zu halten, sofern diese für den betreffenden Auftrag bzw. die betreffende Handelsentscheidung gelten. Sind die in Anhang IV Abschnitt 1 zu dieser Verordnung aufgeführten Einzelheiten auch laut den Artikeln 25 und 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 vorgeschrieben, sollten diese Einzelheiten einheitlich und gemäß denselben Standards geführt werden, die auch laut den Artikeln 25 und 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 vorgeschrieben sind. Artikel 75 – Aufbewahrung von Aufzeichnungen über Geschäfte und Auftragsabwicklungen (Art. 16 Abs. 6 MiFID II) Die Wertpapierfirmen müssen unverzüglich nach dem Erhalt eines Kundenauftrags oder dem Fällen einer Handelsentscheidung – sofern dies auf den betreffenden Auftrag bzw. die betreffende Handelsentscheidung zutrifft – zumindest die in Anhang IV Abschnitt 2 aufgeführten Einzelheiten festhalten und der zuständigen Behörde zur Verfügung halten. Sind die in Anhang IV Abschnitt 2 aufgeführten Einzelheiten auch laut den Artikeln 25 und 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 vorgeschrieben, so werden diese Einzelheiten einheitlich und gemäß denselben Standards geführt, die auch laut den Artikeln 25 und 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 vorgeschrieben sind. Artikel 76 – Aufzeichnung von Telefongesprächen bzw. elektronischer Kommunikation (Art. 16 Ab. 7 MiFID II) (1) Die Wertpapierfirmen müssen in schriftlicher Form wirksame Grundsätze für Aufzeichnungen über Telefongespräche und elektronische Kommunikation festlegen, umsetzen und aufrechterhalten, diese schriftlich festhalten und dabei der Größe und Organisation der jeweiligen Firma sowie der Art, des Umfangs und der Komplexität ihrer Geschäfte angemessen Rechnung tragen. Die Grundsätze umfassen folgende Inhalte: a) Angaben zu den Telefongesprächen und der elektronischen Kommunikation, was auch relevante interne Telefongespräche und elektronische Kommunikation mit einschließt, für die die Aufzeichnungsanforderungen laut Artikel 16 Absatz 7 der Richtlinie 2014/65/EU gelten; und

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen b) nähere Angaben zu den einzuhaltenden Verfahren und zu ergreifenden Maßnahmen, sodass sichergestellt wird, dass die Wertpapierfirma Artikel 16 Absatz 7 Unterabsätze 3 und 8 der Richtlinie 2014/65/EU erfüllt, sofern sich außergewöhnliche Umstände ergeben und die Firma nicht in der Lage ist, das Gespräch bzw. die Kommunikation auf von der Firma ausgegebenen, genehmigten bzw. zugelassenen Geräten aufzuzeichnen. Über diese Umstände werden Belege aufbewahrt, auf die die zuständigen Behörden zugreifen können. (2) Die Wertpapierfirmen stellen sicher, dass das Leitungsorgan eine wirksame Aufsicht und Kontrolle der Strategien und Verfahren hinsichtlich der Aufzeichnungen der Wertpapierfirma über Telefongespräche und elektronische Kommunikation gewährleisten kann. (3) Die Wertpapierfirmen stellen sicher, dass die Bestimmungen über die Einhaltung der Aufzeichnungsanforderungen technologieneutral sind. Die Wertpapierfirmen nehmen periodische Beurteilungen hinsichtlich der Wirksamkeit ihrer Strategien und Verfahren vor und übernehmen alle erforderlichen und zweckdienlichen alternativen oder zusätzlichen Maßnahmen und Verfahren. Diese Übernahme alternativer bzw. zusätzlicher Maßnahmen erfolgt immer dann, wenn die Wertpapierfirma ein neues Kommunikationsmittel genehmigt oder zur Nutzung zulässt. (4) Die Wertpapierfirmen führen und aktualisieren regelmäßig Aufzeichnung über alle Personen, die über Firmengeräte oder sich in Privatbesitz befindliche Geräte verfügen, die von der Wertpapierfirma zur Nutzung zugelassen wurden. (5) Die Wertpapierfirmen sind für die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter in Bezug auf Verfahren verantwortlich, die unter die Vorschriften von Artikel 16 Absatz 7 der Richtlinie 2014/65/EU fallen. (6) Um die Einhaltung der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsanforderungen laut Artikel 16 Absatz 7 der Richtlinie 2014/65/EU zu überprüfen, kontrollieren die Wertpapierfirmen regelmäßig die diesen Anforderungen unterliegenden Geschäfts- und Auftragsaufzeichnungen, was auch entsprechende Gespräche mit einschließt. Diese Überprüfung erfolgt risikobasiert und verhältnismäßig. (7) Die Wertpapierfirmen legen den betreffenden zuständigen Behörden die Strategien, die Verfahren sowie die Aufsicht des Leitungsorgans über die Aufzeichnungsvorschriften auf Anfrage schlüssig dar. (8) Bevor Wertpapierfirmen Wertpapierdienstleistungen und -tätigkeiten in Bezug auf die Annahme, Weiterleitung und Ausführung von Aufträgen für Neu- und Altkunden vornehmen, teilen sie dem Kunden Folgendes mit: a) dass die Gespräche und Kommunikationen aufgezeichnet werden; und b) dass eine Kopie der Aufzeichnungen über diese Gespräche und Kommunikation mit dem Kunden auf Anfrage über einen Zeitraum von fünf Jahren und – sofern seitens der zuständigen Behörde gewünscht – über einen Zeitraum von sieben Jahren zur Verfügung stehen werden. Die in Unterabsatz 1 genannten Informationen werden in der- bzw. denselben Sprache(n) präsentiert, die auch bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen gegenüber Kunden verwendet wird/werden. (9) Die Wertpapierfirmen zeichnen auf einem dauerhaften Datenträger alle relevanten Informationen in Bezug auf maßgebliche persönliche Kundengespräche auf. Die aufgezeichneten Informationen müssen mindestens Folgendes umfassen: a) Datum und Uhrzeit der Besprechungen; b) Ort der Besprechungen; c) persönliche Angaben der Anwesenden; d) Initiator der Besprechungen; und e) wichtige Informationen über den Kundenauftrag, wie u.a. Preis, Umfang, Auftragsart und Zeitpunkt der vorzunehmenden Weiterleitung bzw. Ausführung. (10) Die Aufzeichnungen werden auf einem dauerhaften Datenträger gespeichert, sodass sie erneut abgespielt oder kopiert werden können, und müssen in einem Format aufbewahrt werden, durch das die Originalaufzeichnung weder verändert noch gelöscht werden kann.

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7. Teil. Organisationsregeln Die Aufzeichnungen werden auf einem Datenträger gespeichert, sodass sie für die Kunden auf Wunsch leicht zugänglich und verfügbar sind. Die Wertpapierfirmen stellen die Qualität, Genauigkeit und Vollständigkeit der Aufzeichnungen aller Telefongespräche sowie der gesamten elektronischen Kommunikation sicher. (11) Der Aufbewahrungszeitraum für eine Aufzeichnung beginnt mit ihrem Erstellungszeitpunkt.

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1. Entwicklung der Rechtsgrundlagen. § 83 WpHG n.F. regelt umfassende Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, welche die unionsrechtlichen Anforderungen aus Art. 16 Abs. 6 und 7 sowie Art. 25 Abs. 2 und 7 MiFID II umsetzen.376 Schon der unionsrechtliche Hintergrund weist die Regelungsmaterie damit als Querschnittsproblem zwischen Organisations- und transaktionsbezogenen Pflichten aus (zu den Regelungszwecken noch unten Rn 110). Die Regelung geht in ihren Grundstrukturen zurück auf § 34 WpHG a.F., dessen ursprünglicher, bereits mit dem 2. FMFG eingeführter Wortlaut mit dem FRUG 2007 neu gefasst worden war.377 Bereits nach früherem Recht waren Teile der ursprünglich im deutschen Recht geregelten Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten unmittelbar im Europäischen Kapitalmarktrecht geregelt, und zwar – zur Konkretisierung des Art. 13 Abs. 6 MiFID I – in den Artt. 7 und 8 der MiFID-I-Durchführungsverordnung, auf die in § 34 Abs. 1 WpHG a.F. verwiesen wurde.378 Zusätzlich zur Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben hatte der deutsche Gesetzgeber weitere Dokumentationspflichten eingeführt, darunter insbes. die in § 34 Abs. 2a und 2b WpHG a.F. im Zusammenhang mit der Neuregelung des Schuldverschreibungsrechts 2009379 eingeführten und durch § 14 Abs. 6 WpDVerOV konkretisierten Anforderungen an Beratungsprotokolle im Zusammenhang mit Beratungsgesprächen. Die Vereinbarkeit der bisherigen Fassung der Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten in § 34 WpHG mit den unionsrechtlichen Vorgaben war zumindest zweifelhaft.380 Die Neufassung der einschlägigen Anforderungen in Umsetzung der MiFID II hat die bisherige Rechtslage umfassend und unter Rückbau des nationalen Sonderwegs neu gestaltet; insbesondere die Vorschriften über Beratungsprotokolle wurden wieder aufgegeben. § 80 Abs. 1 und 2 WpHG beruhen zwar in ihrer Grundstruktur auf der Vorläufervorschrift des § 34 WpHG a.F., insgesamt ist der Regelungsgehalt indessen mit dem 2. FiMaNoG 2017 nahezu vollständig ausgetauscht worden. Von ungleich größerer Bedeutung als im bisherigen Recht ist die Konkretisierung der Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten sind die Konkretisierungen auf Level 2 des einschlägigen Unionsrechts, die sich heute in den Artt. 72 bis 76 DVO MiFID II finden. Die zum bisherigen Recht vorhandene Literatur hat sich damit im Wesentlichen erledigt; insbesondere die – sehr kontroverse – Frage der Schutzrichtung der Vorschriften und der daraus folgenden Implikationen für das zivil376 377

378

Vgl. zu Einzelheiten insoweit Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 245. Dazu und zur Genese Fuchs/Fuchs § 34 WpHG Rn 1; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 34 Rn 1 ff.; KölnKomm WpHG/ Möllers § 34 Rn 11 ff. VO (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10.08.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzin-

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380

strumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie, ABlEU Nr. L 241/1 vom 02.09.2006. Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aus Anlegern aus Falschberatung vom 31.07.2009, BGBl. I 2009 S. 2512. Dazu Assmann/Schneider/Koller WpHG § 34 Rn 3; eingehend zum Streitstand statt vieler KölnKomm WpHG/Möllers § 34 Rn 17 ff. m.w.N.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

rechtliche Pflichtenprogramm in der Intermediär-Kunden-Beziehung muss völlig neu gestellt und beantwortet werden (unten Rn 110). 2. Grobstruktur und wesentliche Regelungsinhalte. Zentrale Rechtsgrundlage für die 109 aufsichtsrechtlichen Dokumentationspflichten im deutschen Recht ist nunmehr § 80 Abs. 1 WpHG, der generalklauselartig die allgemeine Dokumentationspflicht nach Art. 16 Abs. 6 MiFID II umsetzt, wonach Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Dokumentation der Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen aus MiFID II, MiFIR und MAR gegenüber der Aufsichtsbehörde ausreichende Aufzeichnungen über alle „Dienstleistungen, Tätigkeiten und Geschäfte“ führen müssen. Art. 72 DVO MiFID II ergänzt diese allgemeine Pflicht um qualitative Anforderungen an die Art der Dokumentation sowie an die Zugriffsmöglichkeiten der Aufsicht darauf. § 80 Abs. 1 WpHG verweist dabei ausdrücklich auch auf Artt. 74 und 75 DVO MiFID II, die speziell die Führung von Aufzeichnungen über Kundenaufträge, Handelsentscheidungen sowie die Dokumentation von Kundenaufträgen betreffen. § 80 Abs. 2 WpHG setzt – redundant, da sich die gleiche Pflicht aus Art. 73 DVO MiFID II ergibt – die Vorgaben aus Art. 25 Abs. 2 MiFID II für die Dokumentation der „Vereinbarungen“ mit den Kunden und die sonst für die Intermediär-Kunden-Beziehung relevanten Bedingungen um; die dafür in formaler Hinsicht maßgeblichen Grundsätze folgen aus Art. 58 DVO MiFID II (hier nicht abgedruckt), auf die in § 80 Abs. 2 Satz 3 WpHG verwiesen wird. In Umsetzung von Art. 16 Abs. 6 und 7 MiFID II381 verpflichten die neu eingeführten Vorschriften in § 80 Abs. 3 und 4 WpHG nunmehr umfassend zur Aufzeichnung von Telefongesprächen und elektronischer Kommunikation im Hinblick sowohl auf Geschäfte für eigene Rechnung als auch für die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Kundenaufträgen. Nach Abs. 5 der Vorschrift sind die Kunden entsprechend zu informieren. Weiter konkretisiert werden die Aufzeichnungspflichten in Art. 76 DVO MiFID II. Nach § 80 Abs. 6 WpHG i.V.m. Art. 76 Abs. 9 DVO MiFID II ist darüber hinaus auch der Inhalt persönlicher Gespräche zwischen dem Kunden und dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu dokumentieren. § 80 Abs. 7 WpHG legt in Umsetzung von Art. 16 Abs. 7 UAbs. 9 MiFID II382 einen Anspruch der Kunden auf Überlassung der Aufzeichnungen nach Abs. 3 Satz 1 und der Dokumentation nach Abs. 6 Satz 1 im Original oder in Kopie fest, der auf die Dauer der in Abs. 8 geregelten fünfjährigen Aufbewahrungsfrist beschränkt ist. § 80 Abs. 9 WpHG schreibt zudem Vorkehrungen gegen nachträgliche Verfälschungen und zur Sicherung der Vertraulichkeit vor. 3. Sanktionen, insbesondere zivilrechtliche Haftung bei Pflichtverstößen. Verstöße ge- 110 gen die Anforderungen aus § 83 WpHG und den korrespondierenden Vorgaben der Artt. 72 ff. DVO MiFID II sind nach Maßgabe des § 120 Abs. 8 Nr. 123 bis 126 WpHG Ordnungswidrigkeiten. Nur ansatzweise, nämlich in Gestalt des Überlassungsanspruchs nach § 80 Abs. 7 WpHG, geregelt ist dagegen die Bedeutung der Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten für eine zivilrechtliche Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen wegen Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten gegenüber den Kunden. Insofern besteht nach wie vor die Besonderheit, dass § 83 Abs. 1 WpHG ebenso wie das sekundäre Unionsrecht (Art. 16 Abs. 6 MiFID II) und übereinstimmend mit § 34 Abs. 1 WpHG a.F.

381 382

Vgl. Begr. RegE 2. FiMaNog, BT-Drs. 18/10936, S. 244. Insofern unzutr. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 244, wo auf Uabs. 7 der unionsrechtlichen Regelung abgestellt

wird. Diese Regelung hat – möglicherweise infolge eines Redaktionsfehlers – keine unmittelbare Umsetzung im deutschen Recht erfahren, ihr Inhalt wird allerdings in § 80 Abs. 6 WpHG offenbar vorausgesetzt.

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7. Teil. Organisationsregeln

als Regelungsziel die Ermöglichung einer effektiven Überwachung der Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Pflichten durch die Aufsicht explizit in den Vordergrund rücken, aber keinerlei Rückschlüsse auf eine anlegerschützende Tendenz erkennen lassen. Unter Berufung darauf ist für das bisherige Recht eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB für Verletzungen der Dokumentationspflicht ganz überwiegend abgelehnt worden.383 Auch die Annahme von Beweiserleichterungen im Schadensersatzprozess bei Verletzung der Dokumentationspflichten wurde mehrheitlich abgelehnt.384 Für das neue Recht haben sich diese Positionen in den besonders relevanten Fällen der Transaktionsdokumentation nach § 80 Abs. 3 WpHG, die ausdrücklich „für Zwecke der Beweissicherung“ angeordnet wird, sowie der Gesprächsprotokolle nach § 80 Abs. 6 WpHG erledigt, weil insoweit der Anspruch aus § 80 Abs. 7 WpHG Klarheit über die Zielrichtung verschafft. Schon im Interesse einer konsistenten Handhabung sprechen indessen gute Gründe dafür, die bisherige Zurückhaltung aufzugeben und den Kunden über den Wortlaut des § 80 Abs. 7 WpHG hinaus einen Anspruch auf Einsichtnahme in alle Aufzeichnungen zu gewähren, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Erfüllung seiner Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten führt, soweit diese dem jeweiligen Kunden erbrachte Wertpapierdienstleistungen dokumentieren. Zivilrechtlich ließe sich ein solcher Anspruch auf § 810 BGB stützen. Weshalb ein Telefongespräch über einen Kundenauftrag nicht nur dokumentationspflichtig nach § 80 Abs. 3 WpHG ist, sondern auch einen Herausgabeanspruch nach § 80 Abs. 7 WpHG auslöst, die telefonische Erteilung einer Empfehlung aber jedenfalls dem Wortlaut nach nicht, ist weder einsichtig noch sachgerecht. Die vom Wortlaut schon der unionsrechtlichen Vorgaben nahegelegte Differenzierung hätte zudem absurderweise zur Folge, dass u.U. ein und dasselbe Beratungsgespräch unterschiedliche Dokumentations- bzw. Aufzeichnungspflichten auslöst und dann jedenfalls bei wortlautgetreuer Anwendung des § 80 WpHG die einzelnen Inhalte voneinander abgeschichtet erfasst werden müssen und nur teilweise Herausgabeansprüche bestehen.385 Sachgerecht bewältigbar ist dies nur dann, wenn man die Regelungen in § 80 WpHG und Artt. 72 ff. DVO MiFID II insgesamt als einheitlich dem Funktionsschutz ebenso wie dem Individualschutz verpflichtet begreift und dementsprechend einen umfassenden Herausgabeanspruch der Anleger auf Abschriften derjenigen Aufzeichnungen annimmt, die die ihnen gegenüber erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen insgesamt betreffen. Die früher herrschende Annahme, dass derartige Informationsrechte weder zivil- noch aufsichtsrechtlich begründbar seien,386 ist überholt.

383

Zur Ablehnung der Schutzgesetzqualität stellvertretend Fuchs/Fuchs WpHG § 34 Rn 2, 2a, 49; Balzer ZBB 2007, 333 (344 f.), jeweils m.w.N.; differenzierend hinsichtlich der § 34 Abs. 2a und 2b WpHG a.F. zur Dokumentationspflicht von Beratungsprotokollen Assmann/Schneider/Koller WpHG § 34 Rn 4; KölnKomm WpHG/ Möllers § 34 Rn 136 ff.; a.A. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann Effektengeschäft Rn VI 350; Roller VuR 2007, 441 (444).

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385

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Fuchs/Fuchs WpHG § 34 Rn 3; Balzer ZBB 2007, 333 (344); a.A. Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1719); Roller VuR 2007, 441 (444) (allerdings ohne klare Differenzierung zwischen Schutzgesetzeigenschaft und Beweislast). Vgl. dazu auch die Erwägungen in Begr. RegE 2. FiMaNog, BT-Drs. 18/10936, S. 244 f. Deutlich auch BGH Urt. v. 24.1.2006 – XI ZR 320/04, BGHZ 166, 56 (60 ff.) m.w.N. zum Meinungsstand.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

IV. Schutz von Kundengeldern und Kundenvermögen (§ 84 WpHG – Überblick) Schrifttum: Kumpan/Hellgardt Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Umsetzung der EURichtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), DB 2006, 1714; Nodoushani Keine Stärkung des Anlegerschutzes bei der Verwahrung von Kundengeldern durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen, NZG 2010, 1133

Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG)

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in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2708), zuletzt geändert durch Artikel 3a des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693) § 84 WpHG § 84 Vermögensverwaltung und Finanzsicherheiten; Verordnungsermächtigung [§ 34a WpHG a.F. – inhaltlich teilweise verändert] (1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Gelder von Kunden hält, hat geeignete Vorkehrungen zu treffen, um die Rechte der Kunden zu schützen. Sofern das Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht über eine Erlaubnis für das Einlagengeschäft nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Kreditwesengesetzes verfügt, hat es durch geeignete Vorkehrungen zu verhindern, dass die Gelder des Kunden ohne dessen ausdrückliche Zustimmung für eigene Rechnung oder für Rechnung einer anderen Person verwendet werden. (2) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das über keine Erlaubnis für das Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Kreditwesengesetzes verfügt, hat Kundengelder, die es im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder einer Wertpapiernebendienstleistung entgegennimmt, unverzüglich getrennt von den Geldern des Unternehmens und von anderen Kundengeldern auf Treuhandkonten bei solchen Kreditinstituten, Unternehmen im Sinne des § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes oder vergleichbaren Instituten mit Sitz in einem Drittstaat, welche zum Betreiben des Einlagengeschäftes befugt sind, einer Zentralbank oder einem qualifizierten Geldmarktfonds zu verwahren, bis die Gelder zum vereinbarten Zweck verwendet werden. Zur Verwahrung bei einem qualifizierten Geldmarktfonds hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die vorherige Zustimmung des Kunden einzuholen. Die Zustimmung ist nur dann wirksam, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Kunden vor Erteilung der Zustimmung darüber unterrichtet hat, dass die bei dem qualifizierten Geldmarktfonds verwahrten Gelder nicht entsprechend den Schutzstandards dieses Gesetzes und nicht entsprechend der Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen gehalten werden. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat dem verwahrenden Institut vor der Verwahrung offen zu legen, dass die Gelder treuhänderisch eingelegt werden. Es hat den Kunden unverzüglich darüber zu unterrichten, bei welchem Institut und auf welchem Konto die Kundengelder verwahrt werden und ob das Institut, bei dem die Kundengelder verwahrt werden, einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche von Einlegern und Anlegern angehört und in welchem Umfang die Kundengelder durch diese Einrichtung gesichert sind. (3) Werden die Kundengelder bei einem Kreditinstitut, einem vergleichbaren Institut mit Sitz in einem Drittstaat oder einem Geldmarktfonds, die zur Unternehmensgruppe des Wertpapierdienstleistungsunternehmens gehören, dürfen die bei einem solchen Unternehmen oder einer Gemeinschaft von solchen Unternehmen verwahrten Gelder 20 Prozent aller Kundengelder des Wertpapierdienstleistungsunternehmens nicht übersteigen. Die Bundesanstalt kann dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Antrag erlauben, die Obergrenze nach Satz 1 zu überschreiten, wenn es nachweist, dass die gemäß Satz 1 geltende Anforderung angesichts der Art, des Umfangs und der Komplexität seiner Tätigkeit sowie angesichts der Sicherheit, die die Verwahrstellen nach Satz 1 bieten sowie angesichts des geringen Saldos an Kundengeldern, das das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hält, unverhältnismäßig ist. Das Wertpapierdienstleistungsunterneh-

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7. Teil. Organisationsregeln men überprüft die nach Satz 2 durchgeführte Bewertung jährlich und leitet der Bundesanstalt seine Ausgangsbewertung sowie die überprüften Bewertungen zur Prüfung zu. (4) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Finanzinstrumente von Kunden hält, hat geeignete Vorkehrungen zu treffen, um die Eigentumsrechte der Kunden an diesen Finanzinstrumenten zu schützen. Dies gilt insbesondere für den Fall der Insolvenz des Wertpapierdienstleistungsunternehmens. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat durch geeignete Vorkehrungen zu verhindern, dass die Finanzinstrumente eines Kunden ohne dessen ausdrückliche Zustimmung für eigene Rechnung oder für Rechnung einer anderen Person verwendet werden. (5) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ohne eine Erlaubnis zum Betreiben des Depotgeschäftes im Sinne § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 des Kreditwesengesetzes hat Wertpapiere, die es im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder einer Wertpapiernebendienstleistung entgegennimmt, unverzüglich einem Kreditinstitut, das im Inland zum Betreiben des Depotgeschäftes befugt ist, oder einem Institut mit Sitz im Ausland, das zum Betreiben des Depotgeschäftes befugt ist und bei welchem dem Kunden eine Rechtsstellung eingeräumt wird, die derjenigen nach dem Depotgesetz gleichwertig ist, zur Verwahrung weiterzuleiten. Absatz 2 Satz 5 gilt entsprechend. (6) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf die Finanzinstrumente eines Kunden nur unter genau festgelegten Bedingungen für eigene Rechnung oder für Rechnung einer anderen Person verwenden und hat geeignete Vorkehrungen zu treffen, um die unbefugte Verwendung der Finanzinstrumente des Kunden für eigene Rechnung oder für Rechnung einer anderen Person zu verhindern. Der Kunde muss den Bedingungen im Voraus ausdrücklich zugestimmt haben und seine Zustimmung muss durch seine Unterschrift oder eine gleichwertige schriftliche Bestätigung eindeutig dokumentiert sein. Werden die Finanzinstrumente auf Sammeldepots bei einem Dritten verwahrt, sind für eine Verwendung nach Satz 1 zusätzlich die ausdrückliche Zustimmung aller anderen Kunden des Sammeldepots oder Systeme und Kontrolleinrichtungen erforderlich, mit denen die Beschränkung der Verwendung auf Finanzinstrumente gewährleistet ist, für die eine Zustimmung nach Satz 2 vorliegt. In den Fällen des Satzes 3 muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen über Kunden, auf deren Weisung hin eine Nutzung der Finanzinstrumente erfolgt, und über die Zahl der von jedem einzelnen Kunden mit dessen Zustimmung verwendeten Finanzinstrumenten Aufzeichnungen führen, die eine eindeutige und zutreffende Zuordnung der im Rahmen der Verwendung eingetretenen Verluste ermöglichen. (7) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf sich von Privatkunden zur Besicherung oder Deckung von Verpflichtungen der Kunden, auch soweit diese noch nicht bestehen, keine Finanzsicherheiten in Form von Vollrechtsübertragungen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten (ABl. L 168 vom 27.6.2002, S. 43), die durch die Richtlinie 2009/44/EG (ABl. L 146 vom 10.6.2009, S. 37) geändert worden ist, gewähren lassen. (8) Soweit eine Vollrechtsübertragung zulässig ist, hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Angemessenheit der Verwendung eines Finanzinstruments als Finanzsicherheit ordnungsgemäß vor dem Hintergrund der Vertragsbeziehung des Kunden mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und den Vermögensgegenständen des Kunden zu prüfen und diese Prüfung zu dokumentieren. Professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien sind auf die Risiken und die Folgen der Stellung einer Finanzsicherheit in Form der Vollrechtsübertragung hinzuweisen. (9) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat im Rahmen von Wertpapierleihgeschäften mit Dritten, die Finanzinstrumente von Kunden zum Gegenstand haben, durch entsprechende Vereinbarungen sicherzustellen, dass der Entleiher der Kundenfinanzinstrumente angemessene Sicherheiten stellt. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat die Angemessenheit der gestellten Sicherheiten durch geeignete Vorkehrungen sicherzustellen sowie fortlaufend zu überwachen und das Gleichgewicht zwischen dem Wert der Sicherheit und dem Wert des Finanzinstruments des Kunden aufrechtzuerhalten. (10) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zum Schutz der einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen anvertrauten Gelder oder Wertpapiere der Kunden nähere Bestimmungen über den Umfang der

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 9 sowie zu den Anforderungen an qualifizierte Geldmarktfonds im Sinne des 2 erlassen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen.

1. Einführung. § 84 WpHG regelt Pflichten der Wertpapierdienstleistungsunterneh- 112 men zum Umgang mit den von ihnen für fremde Rechnung gehaltenen bzw. verwahrten Geldern und Vermögenswerten der Kunden und steht systematisch zwischen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten.387 Die Vorschrift entwickelt die Vorläuferregelung in § 34a WpHG a.F. weiter, die erstmals 1997 aufgrund der Anforderungen aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2, 2. Spiegelstrich der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 1993 mit dem Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtlicher Vorschriften388 eingeführt und mit dem FRUG 2007 neu gefasst worden war. Diese setzte seither die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 13 Abs. 7 und 8 MiFID I sowie Artt. 16 bis 19, 32 und 43 der MiFID-I-Durchführungsrichtlinie um.389 Die Regelung soll sicherstellen, dass Kundenvermögen auch bei denjenigen Wertpapierdienstleistungsunternehmen hinreichend geschützt sind, die nicht den strengen Anforderungen des materiellen Bankaufsichtsrechts an die Gründung und den laufenden Geschäftsbetrieb sowie nicht dem Depotgesetz und nicht der Kontrolle durch die Bankenaufsicht unterliegen.390 Der Anwendungsbereich einzelner Pflichten aus § 84 WpHG ist deshalb ausdrücklich auf Unternehmen beschränkt, die nicht über eine bankaufsichtsrechtliche Erlaubnis zum Einlagengeschäft nach § 32 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 KWG (Abs. 1 Satz 2 sowie 2) bzw. über eine Erlaubnis zum Betreiben des Depotgeschäfts nach § 32 KWG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG (Abs. 5) verfügen. Maßgebliche Rechtsquellen im Europäischen Kapitalmarktrecht sind nunmehr Art. 16 Abs. 10 bis 10 MiFID II sowie die auf Art. 12 MiFID II gestützten konkretisierenden Bestimmungen in Artt 2 bis 8 MiFID-II-Durchführungsrichtlinie. Ergänzende Mitteilungspflichten gegenüber den Kunden und potenziellen Kunden hinsichtlich des Umgangs mit Kundenvermögen sind in Art. 49 DVO MiFID II geregelt. Die Vorgaben aus § 34 WpHG a.F. sind bislang in § 9a und § 14a WpDVerOV konkretisiert worden; auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 80 Abs. 10 WpHG ist nunmehr eine Konkretisierung in § 10 WpDVerOV-RefE vorgesehen, die insbesondere die technischen Einzelaspekte der Anforderungen aus der MiFID-II-Durchführungsrichtlinie umsetzen soll und deren abschließende Fassung abzuwarten bleibt. 2. Grobstruktur und wesentliche Regelungsinhalte. Im Ausgangspunkt wie die Vor- 113 läufervorschrift des § 34a WpHG a.F. regelt § 84 WpHG zunächst strukturell vergleichbare Anforderungen an den Umgang mit Kundengeldern (Abs. 1 bis 3) und mit für Kunden gehaltene Finanzinstrumente (Abs. 4 bis 6). § 84 Abs. 1 Satz 1 WpHG schreibt allen Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Gelder für Kunden halten, ohne Beschränkung auf nicht als Kreditinstitute zugelassene Institute geeignete Vorkehrungen zum Schutz der Kundengelder vor. Nach Satz 2 der Vorschrift müssen nicht als Kreditinstitute zugelassene Unternehmen insoweit besondere Vorkehrungen treffen, um eine Nutzung von Kundengeldern für eigene Rechnung oder Rechnung einer anderen Person verwendet werden (vgl.

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Entsprechend für das frühere Recht Fuchs/ Fuchs WpHG § 34a Rn 1; Schwark/Zimmer/ Fett KapMR § 34a WpHG Rn 1; ähnlich Assmann/Schneider/Koller WpHG § 34a Rn 1. Vom 22.10.1997, BGBl. 1997 I S. 2518.

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Zur Entwicklung der Regelung und der europäischen Vorgaben Fuchs/Fuchs WpHG § 34a Rn 2; KölnKommWpHG/Möllers § 34a Rn 8 ff. Fuchs/Fuchs WpHG § 34a Rn 1; KölnKommWpHG/Möllers § 34a Rn 1 und 22.

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7. Teil. Organisationsregeln

Art. 16 Abs. 9 MiFID II).391 Dies verlangt nach Art. 2 Abs. 1 MiFID-II-Durchführungsrichtlinie insbesondere eine entsprechend strukturierte Kontenführung. § 84 Abs. 2 WpHG ergänzt diese Regelung für nicht als Kreditinstitute zugelassene Unternehmen um Anforderungen an die Verwahrung von Kundengeldern auf Treuhandkonten bei zugelassenen Kreditinstituten, Unternehmen nach § 53b Abs. 1 Satz 1 KWG, Zentralbanken oder sog. qualifizierten Geldmarktfonds (zur Legaldefinition: § 10 Abs. 9 WpDVerOV-RefE, vgl. Art. 1 Abs. 4 MiFID-II-Durchführungsrichtlinie). Dies entspricht im Kern dem bisherigen § 34a Abs. 1 WpHG a.F.;392 neu ist allerdings das verschärfte Zustimmungserfordernis für die Anlage bei qualifizierten Geldmarktfonds in § 84 Abs. 2 Satz 3 WpHG, das der Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 UAbs. 3 MiFID-II-Durchführungsrichtlinie dient.393 Für die Fälle der Anlage in einem Drittstand oder bei gruppenzugehörigen Geldmarktfonds schreibt § 84 Abs. 3 WpHG in Umsetzung von Art. 4 Abs. 3 MiFID-II-Durchführungsrichtlinie ebenfalls neue Obergrenzen vor, die den aus der Konzentration der Anlage resultierenden gesteigerten Ausfallrisiken entgegenwirken sollen. Für die Verwahrung von Finanzinstrumenten für Kunden statuiert nunmehr § 84 Abs. 4 WpHG in Umsetzung der Anforderungen aus Art. 16 Abs. 8 MiFID II394 eine allgemeine Pflicht zum Schutz der Eigentumsrechte der Kunden insbesondere in der Insolvenz des Wertpapierdienstleistungsunternehmens (Satz 1) und zu Vorkehrungen, die eine Verwendung der Finanzinstrumente für eigene Rechnung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens oder einer anderen Partei verhindern sollen (Satz 2). § 84 Abs. 5 WpHG regelt (entsprechend § 34a Abs. 2 WpHG a.F.)395 die Pflicht zur externen Verwahrung der Finanzinstrumente. Spiegelbildlich zur Regelung für Kundengelder in Abs. 1 Satz 2 schränkt der neu eingeführte § 84 Abs. 6 WpHG (vgl. bislang § 34a Abs. 4 WpHG a.F.)396 die Zulässigkeit der Nutzung der Finanzinstrumente von Kunden durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein; die Abs. 7 bis 9 sichern dies für bestimmte Sicherungsgeschäfte ab.397 Zur institutionalisierten Absicherung durch den von Art. 7 MiFID-II-Durchführungsrichtlinie geforderten Beauftragten zum Schutz der Kundenvermögen in § 81 Abs. 4 WpHG bereits oben Rn 89.

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3. Sanktionen, insbesondere zivilrechtliche Haftung bei Pflichtverstößen. Verstöße gegen die Pflichten aus § 84 begründen nach Maßgabe des § 120 Abs. 8 Nr. 127 bis 133 WpHG Ordnungswidrigkeiten. Die zivilrechtliche Einordnung der Vorläuferregelung des § 34a WpHG war umstritten. Die höchstrichterliche Rechtsprechung und ein Teil der Lehre qualifizierte die Pflichten als Schutzpflichten, deren Verletzung eine Haftung nach § 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB auslösen konnte, und lehnte demgegenüber die Ein-

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Irrig insoweit Begr. RegE 2. FiMaNoG, BTDrs. 18/10936, S. 246, die sich auf Art. 16 Abs. 8 MiFID II als maßgebliche Rechtsgrundlage im Unionsrecht beruft. Zu Einzelheiten insoweit für das frühere Recht Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 34a WpHG Rn 4 ff.; Fuchs/Fuchs WpHG § 34a Rn 4 ff.; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 34a Rn 3 ff.; KölnKommWpHG/Möllers § 34a Rn 19 ff., 26 ff., 40 ff. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 246. Auch insoweit irrig Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 246 (Art. 16 Abs. 9 MiFID II).

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Zu Einzelheiten insoweit Schwark/Zimmer/ Fett KapMR § 34a WpHG Rn 16 ff.; Fuchs/ Fuchs WpHG § 34a Rn 20 ff.; Assmann/ Schneider/Koller WpHG § 34a Rn 18 ff.; KölnKommWpHG/Möllers § 34a Rn 66 ff. Zu Einzelheiten insoweit Schwark/Zimmer/ Fett KapMR § 34a WpHG Rn 26; Fuchs/ Fuchs WpHG § 34a Rn 26; KölnKommWpHG/Möllers § 34a Rn 103 ff. Vgl. im Einzelnen Art. 16 Abs. 10 MiFID II, Artt. 5 und 6 MiFID-II Durchführungsrichtlinie sowie Erwägungsgrund 52 MiFID II und dazu Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 246.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

ordnung als Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB ab,398 die von der wohl überwiegenden Lehre bejaht wurde.399 Für die Einordnung als Schutzgesetz und nicht (lediglich) als vertraglich relevante Schutzpflicht spricht dabei in der Tat der Schutzzweck der Regelung. Die Pflicht zur getrennten Verwahrung der den Kunden gehörenden Vermögenswerte dient ersichtlich gerade der Absicherung der Kundeninteressen in einer Insolvenz des Wertpapierdienstleistungsunternehmens. Eine Haftung lediglich des Wertpapierdienstleistungsunternehmens selbst wegen vertraglicher Pflichtverletzung und nicht auch der für die Verletzung des Trennungsgebots Verantwortlichen würde diesem Schutzzweck evidentermaßen nicht gerecht; die hiergegen in der zum bisherigen Recht vorgebrachten, letztlich formalen Erwägungen können dies nicht entkräften. Die Interessenlage ist insofern eine andere als im Hinblick auf die allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Transaktionspflichten (oben Rn 40), deren Bedeutung gerade nicht vornehmlich auf Insolvenzszenarien beschränkt ist. Auch für die Pflichten aus § 84 WpHG ist daher an der Einordnung als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB festzuhalten.

V. Anlagestrategieempfehlungen und Anlageempfehlungen/Finanzanalysen und Marketingempfehlungen (§ 85 WpHG, Art. 37 DVO MiFID II – Überblick) Zur Einordnung mit Nachweisen zum Schrifttum: Grundmann 6. Teil Rn 48, 540 f.

Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG)

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in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2708), zuletzt geändert durch Artikel 3a des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693) § 85 Anlagestrategieempfehlungen und Anlageempfehlungen; Verordnungsermächtigung [§ 34b WpHG a.F. – inhaltlich teilweise verändert] (1) Unternehmen, die Anlagestrategieempfehlungen im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Nummer 34 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 oder Anlageempfehlungen im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Nummer 35 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erstellen oder verbreiten, müssen so organisiert sein, dass Interessenkonflikte im Sinne des Artikels 20 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 möglichst gering sind. Sie müssen insbesondere über angemessene Kontrollverfahren verfügen, die geeignet sind, Verstößen gegen die Verpflichtungen nach Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 entgegenzuwirken. (2) Die Befugnisse der Bundesanstalt nach § 88 gelten hinsichtlich der Einhaltung der in Absatz 1 genannten Pflichten und der Pflichten, die sich aus Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 in Verbindung mit einem auf der Grundlage von Artikel 20 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erlassenen delegierten Rechtsakt ergeben, entsprechend. (3) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen über die angemessene Organisation nach Absatz 1 Satz 1 erlassen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen. 398

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BGH Urt. v. 22.06.2010 – VI ZR 212/09, NJW 2010, 3651 (3652); ebenso Schwark/ Zimmer/Fett KapMR § 34a WpHG Rn 2; KölnKommWpHG/Möllers § 34a Rn 120. So Fuchs/Fuchs WpHG § 34a Rn 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann

Effektengeschäft Rn VI 361; Staudinger/ Mansel § 823 Rn G 59; Nodoushani NZG 2010, 1133 (1135); OLG Frankfurt Urt. v. 08.06.2006 – 16 U 106/05, ZIP 2006, 2385 (2387).

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7. Teil. Organisationsregeln § 86 Anzeigepflicht [§ 34c WpHG a.F. – inhaltlich unverändert] (1) Andere Personen als Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Kapitalverwaltungsgesellschaften, EU-Verwaltungsgesellschaften oder Investmentgesellschaften, die in Ausübung ihres Berufes oder im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit für die Erstellung von Anlagestrategieempfehlungen im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Nummer 34 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 oder von Anlageempfehlungen im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Nummer 35 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 oder deren Weitergabe verantwortlich sind, haben dies der Bundesanstalt vor Erstellung oder Weitergabe der Empfehlungen anzuzeigen. Die Anzeige muss folgende Angaben enthalten: 1. bei einer natürlichen Person Name, Geburtsort, Geburtsdatum, Wohn- und Geschäftsanschrift sowie telefonische und elektronische Kontaktdaten, 2. bei einer juristischen Person oder einer Personenvereinigung Firma, Name oder Bezeichnung, Rechtsform, Registernummer wenn vorhanden, Anschrift des Sitzes oder der Hauptniederlassung, Namen der Mitglieder des Vertretungsorgans oder der gesetzlichen Vertreter und telefonische und elektronische Kontaktdaten; ist ein Mitglied des Vertretungsorgans oder der gesetzliche Vertreter eine juristische Person, so sind deren Firma, Name oder Bezeichnung, Rechtsform, Registernummer wenn vorhanden und Anschrift des Sitzes oder der Hauptniederlassung ebenfalls anzugeben. Die Angaben nach Satz 2 sind glaubhaft zu machen. Beabsichtigt der Anzeigepflichtige die Verbreitung der Empfehlungen, muss die Anzeige auch eine detaillierte Beschreibung der beabsichtigen Verbreitungswege enthalten. Der Anzeigepflichtige hat weiterhin anzuzeigen, inwiefern bei mit ihm verbundenen Unternehmen Tatsachen vorliegen, die Interessenkonflikte begründen können. Veränderungen der angezeigten Daten und Sachverhalte sowie die Einstellung der in Satz 1 genannten Tätigkeiten sind der Bundesanstalt innerhalb von vier Wochen anzuzeigen. (2) Die Bundesanstalt veröffentlicht auf ihrer Internetseite den Namen, die Firma oder die Bezeichnung der nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 ordnungsgemäß angezeigten Personen und Personenvereinigungen sowie den Ort und das Land der Wohn- und Geschäftsanschrift oder des Sitzes oder der Hauptniederlassung. Artikel 37 – Zusätzliche organisatorische Anforderungen bezüglich Finanzanalysen oder Marketingmitteilungen (Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 2014/65/EU) (1) Wertpapierfirmen, die auf eigene Verantwortung oder auf Verantwortung eines Mitglieds ihrer Gruppe Finanzanalysen erstellen oder erstellen lassen, die im Anschluss daran unter den Kunden der Wertpapierfirma oder in der Öffentlichkeit verbreitet werden sollen oder aller Wahrscheinlichkeit nach verbreitet werden, stellen sicher, dass in Bezug auf die an der Erstellung dieser Analysen beteiligten Finanzanalysten sowie in Bezug auf andere relevante Personen, deren Aufgaben oder Geschäftsinteressen mit den Interessen der Personen, an die die Finanzanalysen weitergegeben werden, kollidieren könnten, alle in Artikel 34 Absatz 3 genannten Maßnahmen getroffen werden. Die Verpflichtungen im ersten Unterabsatz gelten auch in Bezug auf Empfehlungen im Sinne von Artikel 36 Absatz 2. (2) Wertpapierfirmen, auf die sich Absatz 1 Unterabsatz 1 bezieht, treffen Vorkehrungen, die so angelegt sind, dass sie die Erfüllung der folgenden Bedingungen gewährleisten: a) Finanzanalysten und andere relevante Personen, die den wahrscheinlichen Zeitplan oder Inhalt einer Finanzanalyse kennen, die für die Öffentlichkeit oder für Kunden nicht zugänglich ist und aus den öffentlich verfügbaren Informationen nicht ohne Weiteres abgeleitet werden kann, können persönliche oder im Namen einer anderen Person, einschließlich der Wertpapierfirma, getätigte Geschäfte mit Finanzinstrumenten, auf die sich die Finanzanalyse bezieht, oder mit damit verbundenen Finanzinstrumenten nur als Marktmacher in gutem Glauben und im normalen Verlauf des „Market-Making“ oder in Ausführung eines unaufgeforderten Kundenauftrags nur dann tätigen, wenn die Empfänger der Finanzanalyse ausreichend Gelegenheit hatten, auf diese zu reagieren; b) in den von Buchstabe a nicht abgedeckten Fällen können Finanzanalysten und alle anderen an der Erstellung von Finanzanalysen beteiligten relevanten Personen nur unter außergewöhnli-

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen chen Umständen und mit vorheriger Genehmigung eines Mitarbeiters der Rechtsabteilung oder der Compliance-Funktion der Wertpapierfirma ein den aktuellen Empfehlungen zuwiderlaufendes persönliches Geschäft mit den Finanzinstrumenten, auf die sich die Finanzanalyse bezieht, oder damit verbundenen Finanzinstrumenten tätigen; c) es ist eine physische Trennung zwischen den an der Erstellung von Finanzanalysen beteiligten Finanzanalysten und anderen relevanten Personen, deren Aufgaben oder Geschäftsinteressen mit den Interessen der Personen, an die die Finanzanalysen weitergegeben werden, kollidieren können, gegeben oder es werden, wenn dies angesichts der Größe und Organisation der Firma sowie der Art, des Umfangs und der Komplexität ihrer Tätigkeit nicht angebracht ist, geeignete alternative Informationsschranken entwickelt und umgesetzt; d) Wertpapierfirmen, Finanzanalysten und andere an der Erstellung von Finanzanalysen beteiligte relevante Personen nehmen keine Anreize von Personen an, die ein wesentliches Interesse am Gegenstand der Finanzanalysen haben; e) Wertpapierfirmen, Finanzanalysten und andere an der Erstellung von Finanzanalysen beteiligte relevante Personen versprechen Emittenten keine für sie günstige Analyse; f) Vor der Weitergabe von Finanzanalysen ist es Emittenten, relevanten Personen mit Ausnahme von Finanzanalysten und sonstigen Personen nicht gestattet, den Entwurf dieser Analyse auf die Korrektheit der darin dargestellten Sachverhalte oder einen anderen Zweck hin zu überprüfen, wenn der Entwurf eine Empfehlung oder einen Zielpreis enthält, es sei denn, es geht darum, die Einhaltung der rechtlichen Pflichten durch die Wertpapierfirma zu kontrollieren. Für die Zwecke dieses Absatzes ist ein „damit verbundenes Finanzinstrument“ jedes Finanzinstrument, dessen Preis stark durch Preisbewegungen bei einem anderen Finanzinstrument, das Gegenstand der Finanzanalyse ist, beeinflusst wird; diese Bedeutung schließt ein Derivat dieses anderen Finanzinstruments ein. (3) Wertpapierfirmen, die die von einer anderen Person erstellten Finanzanalysen an die Öffentlichkeit oder ihre Kunden weitergeben, sind von den Anforderungen des Absatzes 1 ausgenommen, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: a) Die Person, die die Finanzanalyse erstellt, gehört nicht zu der Gruppe, der die Wertpapierfirma angehört; b) die Wertpapierfirma ändert die in der Finanzanalyse enthaltenen Empfehlungen nicht wesentlich ab; c) Die Wertpapierfirma stellt die Finanzanalyse nicht als von ihr erstellt dar; d) Die Wertpapierfirma vergewissert sich, dass für den Ersteller der Finanzanalyse Bestimmungen gelten, die den Anforderungen dieser Verordnung für die Erstellung von Finanzanalysen gleichwertig sind, bzw. dass er Grundsätze im Sinne dieser Anforderungen festgelegt hat.

1. Regelungskontext. Die im nationalen Recht heute in § 85 WpHG geregelten Or- 116 ganisationspflichten für die Ersteller von Anlagestrategieempfehlungen und Anlageempfehlungen sind nur mehr Restbestand der in der Vorläuferregelung des § 34b WpHG a.F. vorgesehenen Anforderungen an den Entstehungsprozess bei der Entstehung von Finanzanalysen in der früheren Terminologie. Schon der ausdrückliche Hinweis auf Art. 20 MAR in § 85 Abs. 1 WpHG und auf die Begriffsbestimmungen nach Art. 1 Nr. 34 und 35 MAR zeigt, dass es sich um eine Querschnittsmaterie mit Bezügen sowohl zu den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Verhaltens- und Organisationspflichten als auch zum Marktmissbrauchsrecht handelt. Dies entspricht im Ausgangspunkt der bisherigen Rechtslage; auch die Vorläufervorschrift des § 34b WpHG verdankt ihre Neufassung 2004 dem Europäischen Marktmissbrauchsrecht.400 Mit der Neufassung der Regelungen durch das 2. FiMaNoG 2017 geht schon im Hinblick auf die verwendete Terminologie eine Neuorientierung

400

Näher zum Hintergrund Fuchs/Fuchs WpHG § 34b Rn 1; KölnKommWpHG/ Möllers WpHG § 34b Rn 14 ff.

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7. Teil. Organisationsregeln

einher; im Unterschied zum bisherigen Recht wurde die Verwendung des Begriffs der „Finanzanalyse“ fallengelassen und nunmehr einheitlich und ohne eigenständige Legaldefinition an die von der MAR verwendete Begrifflichkeit – Anlagestrategieempfehlungen, Anlageempfehlungen – angeknüpft. Kapitalmarktaufsichtsrechtlich werden die Erstellung und das Verbreiten von beidem nach wie vor als Wertpapiernebendienstleistung (heute § 2 Abs. 9 Nr. 5 WpHG, vgl. § 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG a.F., dazu Grundmann 8. Teil Rn 76 und Rn 86) qualifiziert. Die terminologische Annäherung an die MAR ist ist angesichts der damit im Vergleich zum früheren Recht behobenen Auslegungsprobleme401 an sich zu begrüßen, wird aber durch den Umstand konterkariert, dass die einschlägigen Regelungen zur Konkretisierung der Organisationspflichten in Art. 37 DVO MiFID II ihrerseits im deutschen Wortlaut wiederum an den Begriff der Finanzanalyse anknüpfen, der in Art. 36 DVO MiFID II eigenständig definiert wird. Diese Vorschrift konkretisiert ausweislich der amtlichen Überschrift die allgemeinen Organisationspflichten zur Vermeidung von Interessenkonflikten nach Art. 16 Abs. 3 MiFID II. Inhaltlich greifen die darin geregelten Pflichten die zuvor in Art. 25 der MiFID-I-Durchführungsrichtlinie geregelten Vorschriften auf, die bislang in § 34b Abs. 5 und in § 33b Abs. 5 WpHG a.F. umgesetzt waren; auch diese Regelungsmaterie wird nunmehr ausschließlich auf der Ebene des Level-2-Rechtsakts und nicht mehr im nationalen Umsetzungsrecht geregelt. Die Vorgaben betreffen die Erstellung von Finanzanalysen und Marketingmitteilungen in dem in Art. 36 DVO MiFID II definierten Sinn. Finanzanalysen sind danach „Analysen oder andere Informationen, in denen für ein oder mehrere Finanzinstrumente oder die Emittenten von Finanzinstrumenten explizit oder implizit eine Anlagestrategie empfohlen oder vorgeschlagen wird, einschließlich aller für Informationsverbreitungskanäle oder die Öffentlichkeit bestimmter Stellungnahmen zum aktuellen oder künftigen Wert oder Preis dieser Instrumente, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind: a) Die Analysen oder Informationen werden als Finanzanalysen oder Ähnliches betitelt oder beschrieben oder aber als objektive oder unabhängige Erläuterung der in der Empfehlung enthaltenen Punkte dargestellt; b) würde die betreffende Empfehlung von einer Wertpapierfirma an einen Kunden ausgegeben, würde sie keine Anlageberatung im Sinne der Richtlinie 2014/65/EU darstellen.“

Die Neufassung der einschlägigen Bestimmungen hat ungeachtet der damit in terminologischer Hinsicht entstandenen Probleme zwar im Ausgangspunkt zu einer klareren Abschichtung zwischen den einschlägigen Vorgaben der MAR einerseits, deren Art. 20 die relevanten Sorgfaltsmaßstäbe für die Erstellung und das Inverkehrbringen von Anlagestrategieempfehlungen und Anlageempfehlungen regelt (Grundmann 6. Teil Rn 540 f.), und den kapitalmarktrechtlichen Verhaltens- und Organisationspflichten in § 85 WpHG und Art. 37 DVO MiFID II andererseits geführt. Innerhalb der letztgenannten Tatbestände kann die regelungssystematische Abstimmung allerdings schon deshalb kaum als geglückt betrachtet werden, weil Art. 37 DVO MiFID II ungeachtet der bereichsspezifischen Besonderheiten im Kontext der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an den Umgang mit und die Vermeidung von Interessenkonflikten (oben Rn 59 ff.) untergebracht wurde und auf diese bezogen ist. Nochmals verkompliziert wird die künftige Anwendung in der Praxis, als auch das neue deutsche Umsetzungsrecht – im Ausgangspunkt wie zuvor § 34b Abs. 8 WpHG a.F. – die weitere Konkretisierung einer Rechtsverordnung (bislang: FinAnV)402 überlässt; diese bleibt abzuwarten.

401

Zu diesen Assmann/Schneider/Koller § 34b WpHG Rn 2 ff.; KölnKommWpHG/Möllers WpHG § 34b Rn 256 ff., jeweils m.w.N.

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Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten (Finanzanalyseverordnung – FinAnV) vom 17.12.2004, BGBl. 2004 I

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

Die in § 86 WpHG geregelte Anzeigepflicht für Personen, die in Ausübung ihres Be- 117 rufes oder im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit für die Erstellung von Anlagestrategieempfehlungen und Anlageempfehlungen oder deren Weitergabe erforderlich sind, entspricht inhaltlich ohne Änderungen der bereits mit dem 1. FiMaNoG 2016 neu gefassten Vorgängerregelung in § 34c WpHG a.F. Diese wurde bereits 2004 mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz eingeführt.403 Inhaltlich geht es nach wie vor darum, die effektive Überwachung der einschlägigen Vorgaben des Marktmissbrauchsrecht – heute Art. 20 MAR – zu ermöglichen.404 Die Norm ist rein aufsichtsrechtlichen Charakters und ohne Bedeutung für die Intermediär-Kunden-Beziehung und daher hier nicht zu kommentieren. 2. Wesentliche organisatorische Pflichten. § 85 Abs. 1 WpHG beschränkt sich darauf, 118 die Regelungsadressaten – Unternehmen, die Anlagestrategieempfehlungen erstellen oder verbreiten – lediglich generalklauselartig zu einer Organisation anzuhalten, die Interessenkonflikte i.S.d. Art. 20 Abs. 1 MAR (dazu Grundmann 6. Teil Rn 541) vermeidet (Satz 1), sowie zu angemessenen Kontrollverfahren, die Verstöße gegen die Pflichten nach Art. 20 Abs. 1 MAR entgegenwirken (Satz 2). Die weitere Konkretisierung wird insoweit gem. Abs. 3 der Vorschrift der Nachfolgeregelung für die bisherige FinAnV überlassen (soeben Rn 116). Die spezielleren Anforderungen aus Art. 37 Abs. 1 DVO MiFID II verweisen im Hinblick auf die Gefahren durch Interessenkonflikte ausdrücklich auf die nach Art. 34 Abs. 3 DVO MiFID II geforderten organisatorischen Vorkehrungen und damit insbesondere die Segregation der einzelnen Organisationsbereiche durch Chinese Walls (dazu oben Rn 65), was sodann – unsystematisch und redundant – in Art. 37 Abs. 2 lit. c DVO MiFID II nochmals aufgegriffen wird. Inhaltlich entsprechen diese Anforderungen im Wesentlichen den in § 34b Abs. 5 Satz WpHG a.F. geregelten Organisationspflichten.405 Art. 37 Abs. 2 lit. a und b DVO MiFID II schränken darüber hinaus Eigengeschäfte von Mitarbeitern im Zusammenhang mit Finanzanalysen ein; im bisherigen Recht waren inhaltlich damit korrespondierende Pflichten in § 33b Abs. 5 und 6 WpHG a.F. enthalten.406 Die übrigen Regelungen in Art. 37 Abs. 2 und 3 DVO MiFID II sichern ebenfalls die in Art. 20 MAR formulierten Standards organisatorisch ab.

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S. 3522, geändert durch Art. 1 VO vom 20.07.2007, BGBl. 2007 I S. 1430, aufgehoben durch Art. 25 Abs. 2 2. FiMaNoG. Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnsVG) vom 28.10.2004, BGBl. 2004 I S. 2360. Vgl. Begr. RegE 1. FiMaNoG, BT-Drs. 18/7482, S. 63 und bereits Begr. RegE AnsVG, BT-Drs. 15/3174, S. 39; dazu Fuchs/ Fuchs WpHG § 34c Rn 2; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 34c Rn 1; KölnKommWpHG/Möllers § 34c Rn 5.

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Dazu Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 34b WpHG Rn 35 ff.; Fuchs/Fuchs WpHG § 34b Rn 51 ff.; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 34b Rn 145 ff.; KölnKommWpHG/Möllers § 34b Rn 245 ff. Vgl. dazu Schwark/Zimmer/Fett KapMR § 33b WpHG Rn 33 ff.; Fuchs/Fuchs WpHG § 33b Rn 45 ff.; Assmann/Schneider/Koller WpHG § 33b Rn 19 ff.; KölnKommWpHG/ Möllers § 33b Rn 61 ff.

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7. Teil. Organisationsregeln

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VI. Ergänzende aufsichtsrechtliche Regelungen zur Absicherung der Wohlverhaltens- und Organisationspflichten (§§ 87–96 WpHG – nur Überblick) 1. Qualifikationsanforderungen für Mitarbeiter (§ 87 WpHG) § 87 Einsatz von Mitarbeitern in der Anlageberatung, als Vertriebsbeauftragte, in der Finanzportfolioverwaltung oder als Compliance-Beauftragte; Verordnungsermächtigung [§ 34d WpHG a.F. – inhaltlich teilweise verändert] (1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf einen Mitarbeiter nur dann mit der Anlageberatung betrauen, wenn dieser sachkundig ist und über die für die Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit verfügt. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss der Bundesanstalt 1. den Mitarbeiter und, 2. sofern das Wertpapierdienstleistungsunternehmen über Vertriebsbeauftragte im Sinne des Absatzes 4 verfügt, den auf Grund der Organisation des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für den Mitarbeiter unmittelbar zuständigen Vertriebsbeauftragten anzeigen, bevor der Mitarbeiter die Tätigkeit nach Satz 1 aufnimmt. Ändern sich die von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Satz 2 angezeigten Verhältnisse, sind die neuen Verhältnisse unverzüglich der Bundesanstalt anzuzeigen. Ferner sind der Bundesanstalt, wenn auf Grund der Tätigkeit des Mitarbeiters eine oder mehrere Beschwerden im Sinne des Artikels 26 [DVO MiFid II] durch Privatkunden gegenüber dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen erhoben werden, 1. jede Beschwerde, 2. der Name des Mitarbeiters, auf Grund dessen Tätigkeit die Beschwerde erhoben wird, sowie, 3. sofern das Wertpapierdienstleistungsunternehmen mehrere Zweigstellen, Zweigniederlassungen oder sonstige Organisationseinheiten hat, die Zweigstelle, Zweigniederlassung oder Organisationseinheit, welcher der Mitarbeiter zugeordnet ist oder für welche er überwiegend oder in der Regel die nach Satz 1 anzuzeigende Tätigkeit ausübt, anzuzeigen. (2) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf einen Mitarbeiter nur dann damit betrauen, Kunden über Finanzinstrumente, strukturierte Einlagen, Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen zu informieren (Vertriebsmitarbeiter), wenn dieser sachkundig ist und über die für die Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit verfügt. (3) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf einen Mitarbeiter nur dann mit der Finanzportfolioverwaltung betrauen, wenn dieser sachkundig ist und über die für die Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit verfügt. (4) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf einen Mitarbeiter mit der Ausgestaltung, Umsetzung oder Überwachung von Vertriebsvorgaben im Sinne des § 80 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 nur dann betrauen (Vertriebsbeauftragter), wenn dieser sachkundig ist und über die für die Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit verfügt. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss der Bundesanstalt den Mitarbeiter anzeigen, bevor dieser die Tätigkeit nach Satz 1 aufnimmt. Ändern sich die von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Satz 2 angezeigten Verhältnisse, sind die neuen Verhältnisse unverzüglich der Bundesanstalt anzuzeigen. (5) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf einen Mitarbeiter nur dann mit der Verantwortlichkeit für die Compliance-Funktion im Sinne des Artikels 22 Absatz 2 [DVO MiFID II] und für die Berichte an die Geschäftsleitung nach Artikel 25 Absatz 2 [DVO MiFID II] betrauen (Compliance-Beauftragter), wenn dieser sachkundig ist und über die für die Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit verfügt. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss der Bundesanstalt den Mitarbeiter anzeigen, bevor der Mitarbeiter die Tätigkeit nach Satz 1 aufnimmt. Ändern sich die von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Satz 2 angezeigten Verhältnisse, sind die neuen Verhältnisse unverzüglich der Bundesanstalt anzuzeigen. (6) Liegen Tatsachen vor, aus denen sich ergibt, dass ein Mitarbeiter 1. nicht oder nicht mehr die Anforderungen nach Absatz 1 Satz 1 Absatz 2 Absatz 3, Absatz 4 Satz 1, jeweils auch in Verbindung mit § 96 oder Absatz 5 Satz 1 erfüllt, kann die Bundesan-

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen stalt unbeschadet ihrer Befugnisse nach § 4 dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen untersagen, den Mitarbeiter in der angezeigten Tätigkeit einzusetzen, solange dieser die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt, oder 2. gegen Bestimmungen dieses Abschnittes verstoßen hat, deren Einhaltung bei der Durchführung seiner Tätigkeit zu beachten sind, kann die Bundesanstalt unbeschadet ihrer Befugnisse nach § 6 a) das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und den Mitarbeiter verwarnen oder b) dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen für eine Dauer von bis zu zwei Jahren untersagen, den Mitarbeiter in der angezeigten Tätigkeit einzusetzen. Die Bundesanstalt kann unanfechtbar gewordene Anordnungen im Sinne des Satzes 1 auf ihrer Internetseite öffentlich bekannt machen, es sei denn, diese Veröffentlichung wäre geeignet, den berechtigten Interessen des Unternehmens zu schaden. Die öffentliche Bekanntmachung nach Satz 2 hat ohne Nennung des Namens des betroffenen Mitarbeiters zu erfolgen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach Satz 1 haben keine aufschiebende Wirkung. (7) Die Bundesanstalt führt über die nach den Absätzen 1, 4 und 5 anzuzeigenden Mitarbeiter sowie die ihnen zugeordneten Beschwerdeanzeigen nach Absatz 1 und die ihre Tätigkeit betreffenden Anordnungen nach Absatz 6 eine interne Datenbank. (8) Die Absätze 1 bis 5 7 sind nicht anzuwenden auf diejenigen Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, die ausschließlich in einer Zweigniederlassung im Sinne des § 24a des Kreditwesengesetzes oder in mehreren solcher Zweigniederlassungen tätig sind. (9) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die näheren Anforderungen an 1. den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Anzeigen nach den Absätzen 1, 4 oder 5, 2. die Sachkunde und die Zuverlässigkeit nach Absatz 1 Satz 1, Absätze 2, 3, 4 Satz 1 jeweils auch in Verbindung mit § 96, sowie Absatz 5 Satz 1 sowie 3. den Inhalt der Datenbank nach Absatz 7 und die Dauer der Speicherung der Einträge einschließlich des jeweiligen Verfahrens regeln. In der Rechtsverordnung nach Satz 1 kann insbesondere bestimmt werden, dass dem jeweiligen Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein schreibender Zugriff auf die für das Unternehmen einzurichtenden Einträge in die Datenbank nach Absatz 7 eingeräumt und ihm die Verantwortlichkeit für die Richtigkeit und Aktualität dieser Einträge übertragen wird. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf die Bundesanstalt übertragen. (10) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, die an die Vorbedingung geknüpft sind, dass dem Verbraucher eine Wertpapierdienstleistung in Bezug auf gedeckte Schuldverschreibungen, die zur Besicherung der Finanzierung des Kredits begeben worden sind und denen dieselben Konditionen wie dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde liegen, erbracht wird, und wenn damit das Darlehen ausgezahlt, refinanziert oder abgelöst werden kann.

Die Norm entwickelt die bislang in § 34d WpHG a.F. geregelten, ursprünglich mit dem 120 AnsFUG (Rn 69) neu in das Gesetz eingefügten Qualifikationsanforderungen an die mit der Erbringung bestimmter Wertpapierdienstleistungen befassten Mitarbeiter sowie die Inhaber bestimmter Funktionen weiter. Die Anforderungen werden auch nach neuem Recht durch Rechtsverordnung konkretisiert; die Neufassung der bisherigen WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzV)407 bleibt abzuwarten. Die Anforderungen sind

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Verordnung über den Einsatz von Mitarbeitern in der Anlageberatung, als Vertriebsbeauftragte oder als ComplianceBeauftragte und über die Anzeigepflichten nach § 34d des Wertpapierhandelsgesetzes

(WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung – WpHGMaAnzV) vom 21.12.2011, BGBl. 2011 I S. 3116, zugeletzt geändert durch Art. 16 Abs. 5 G v. 30.6.2016 I 1514.

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7. Teil. Organisationsregeln

rein aufsichtsrechtlicher Natur und ohne konkrete Auswirkungen auf die IntermediärKunden-Beziehung; die dafür geltenden Pflichten und der jeweils maßgebliche Sorgfaltsmaßstab ergeben sich aus den Wohlverhaltenspflichten und im oben erläuterten Rahmen auch aus den kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten (siehe im Einzelnen Rn 38 ff.). Die Anforderungen aus § 87 WpHG werden daher hier nicht weiter kommentiert.

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2. Aufsichtsrechtliche Überwachungsaufgaben und -kompetenzen (§§ 88 bis 93 WpHG). Hier nicht im Einzelnen zu kommentieren sind die – rein aufsichtsrechtlichen – Aufgaben- und Kompetenzregelungen der §§ 88 bis 93 WpHG. § 88 WpHG entwickelt die bisher in § 35 WpHG a.F. geregelten Kompetenzen zur Überwachung der Meldepflichten und Verhaltensregeln weiter und passt diese an die neuen materiellen Anforderungen an.408 § 89 WpHG schreibt in diesem Zusammenhang wie die Vorläuferregelung in § 36 WpHG a.F. Einzelheiten der Prüfung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen vor.409 §§ 90 und 91 WpHG regeln die eingeschränkte Anwendbarkeit der Wohlverhaltens- und Organisationspflichten für Intermediäre und Marktveranstalter mit Sitz in EU-/EWR- bzw. in Drittstaaten und gestalten damit die internationale Anwendbarkeit deutschen Aufsichtsrechts nach den Grundsätzen des Herkunftslandprinzips aus (siehe bereits oben Rn 24 f.). § 92 WpHG übernimmt inhaltlich unverändert die Eingriffskompetenzen für Werbeverbote nach § 36b WpHG a.F. § 93 WpHG entwickelt die bislang in § 36c WpHG a.F. geregelte Pflicht zur Führung eines Registers über Honorar-Anlageberater fort.

B. Organisationspflichten nach der Benchmark-VO Schrifttum: siehe auch 6. Teil vor Rn 765 Berg u.a. (Hrsg.), Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates – Ergebnisse des Symposiums aus Anlass des 60. Geburtstages von Wolfgang Hoffmann-Riem, Berlin 2001; Chiu Financial benchmarks: proposing a governance framework based on stakeholders and the public interest, Law and Financial Markets Law Review 9 (2015), 223; dies. Regulating Benchmarks by ‚Proprietisation‘: A Critical Discussion, Capital Markets Law Journal 11 (2016), 191; ESMA, Final report: Draft technical standards under the Benchmarks Regulation, 30.3.2017 (ESMA70–145–48); Ferrarini/Saguato Governance and Organization of Trading Venues, in Busch/ Ferrarin (Hrsg.), Regulation of the EU Financial Markets: MiFID II and MiFIR, 1017, Kap. 11 = S. 285; Spindler Der Vorschlag einer EU-Verordnung zu Indizes bei Finanzinstrumenten (Benchmark-VO), ZBB 2015, 165; Wundenberg Marktaufsicht und organisatorische Anforderungen, § 31 in: Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, S. 659

408 409

Vgl. im Einzelnen Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 248 f. Zu den Änderungen Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 249; siehe auch

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bereits zu den damit veranlassten Änderungen am Wortlaut des § 36 WpHG a.F. Begr. RegE 1. FiMaNoG, BT-Drs. 18/7482, S. 63.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (Text von Bedeutung für den EWR)

TITEL II Integrität und Zuverlässigkeit von Referenzwerten I. Organisationspflichten des Administrators (Titel II, Kap. 1 Benchmark-VO)

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KAPITEL 1 Unternehmensführung und Kontrolle durch Administratoren Art. 4 – Anforderungen mit Blick auf die Unternehmensführung und Interessenkonflikte (1) Ein Administrator muss über solide Regelungen für die Unternehmensführung verfügen, die eine klare Organisationsstruktur mit genau abgegrenzten, transparenten und kohärenten Aufgaben und Verantwortungsbereichen für alle an der Bereitstellung eines Referenzwerts Beteiligten vorsehen. Der Administrator unternimmt angemessene Schritte, um Interessenkonflikte zwischen ihm selbst, einschließlich seiner Führungskräfte, Mitarbeiter und anderer Personen, die direkt oder indirekt mit ihm durch Kontrolle verbunden sind, und den Kontributoren oder Nutzern zu erkennen und zu vermeiden oder zu regeln, und sorgt dafür, dass eine etwaige im Prozess der Bestimmung des Referenzwerts erforderlich werdende Ausübung von Beurteilungs- oder Ermessensspielräumen unabhängig und redlich erfolgt. (2) Die Bereitstellung eines Referenzwerts erfolgt organisatorisch getrennt von jeglichem Geschäftsbereich eines Administrators, der Anlass zu einem tatsächlichen oder potenziellen Interessenkonflikt geben könnte. (3) Wenn es beim Administrator aufgrund von dessen Eigentümerstruktur, aufgrund der Mehrheitsbeteiligungen oder anderer Tätigkeiten, die von einem Unternehmen durchgeführt werden, das Eigentümer des Administrators ist oder diesen kontrolliert oder das im Eigentum oder unter der Kontrolle des Administrators oder eines verbundenen Unternehmens des Administrators steht, zu einem Interessenkonflikt kommt, der nicht angemessen geregelt werden kann, kann die jeweils zuständige Behörde verlangen, dass der Administrator eine unabhängige Aufsichtsfunktion einrichtet, die eine ausgewogene Vertretung von Interessenträgern, einschließlich Nutzern und Kontributoren, umfasst. (4) Ist eine angemessene Regelung eines derartigen Interessenkonflikts nicht möglich, kann die jeweils zuständige Behörde verlangen, dass der Administrator entweder die Tätigkeiten oder Beziehungen, die den Interessenkonflikt bewirken, beendet oder die Bereitstellung des Referenzwerts einstellt. (5) Ein Administrator veröffentlicht alle bestehenden oder potenziellen Interessenkonflikte oder legt sie Referenzwert-Nutzern, der jeweils zuständigen Behörde sowie bei Bedarf den Kontributoren offen, einschließlich Interessenkonflikten aufgrund der Eigentums- oder Kontrollverhältnisse beim Administrator. (6) Ein Administrator legt geeignete Strategien und Verfahren sowie wirksame organisatorische Regelungen für die Ermittlung, Offenlegung, Verhinderung, Regelung, und Minderung von Interessenkonflikten fest und wendet sie an, um die Integrität und Unabhängigkeit der Bestim-

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7. Teil. Organisationsregeln mung des Referenzwerts zu schützen. Diese Strategien und Verfahren sind regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren. Die Strategien und Verfahren müssen Interessenkonflikte angehen und ihnen Rechnung tragen, dem Ermessensspielraum beim Prozess der Bestimmung des Referenzwerts und den Risiken im Zusammenhang mit dem Referenzwert Rechnung tragen und a) die Vertraulichkeit der dem Administrator zur Verfügung gestellten oder von ihm erzeugten Informationen unter Berücksichtigung der Offenlegungs- und Transparenzpflichten aufgrund dieser Verordnung sicherstellen und b) insbesondere Interessenkonflikte aufgrund der Eigentums- oder Kontrollverhältnisse beim Administrator oder infolge anderer Interessen an seiner Gruppe oder infolge der möglichen Einflussnahme oder Kontrolle anderer Personen auf bzw. über den Administrator in Bezug auf die Bestimmung von Referenzwerten mindern (7) Der Administrator sorgt dafür, dass Mitarbeiter und andere natürliche Personen, deren Leistungen von ihm in Anspruch genommen werden können oder von ihm kontrolliert werden und die direkt an der Bereitstellung eines Referenzwerts beteiligt sind, a) über die zur Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen Aufgaben erforderlichen Kompetenzen, Kenntnisse und Erfahrungen verfügen und einem wirksamen Management und einer wirksamen Beaufsichtigung unterliegen b) keiner ungebührlichen Einflussnahme und keinen Interessenkonflikten unterliegen und sich nicht aufgrund der Vergütung und Bewertung der Leistung dieser Personen in einem Interessenkonflikt oder einer anderen Situation befinden, die sich auf die Integrität des Prozesses der Bestimmung des Referenzwerts auswirkt, c) keine Interessen oder Geschäftsbeziehungen haben, durch die die Tätigkeiten des betreffenden Administrators gefährdet werden, d) nicht die Erlaubnis besitzen, durch Gebote, Offerten und Handel auf eigene Rechnung oder im Namen von Marktteilnehmern einen Beitrag zur Bestimmung des Referenzwerts zu leisten, es sei denn, eine solche Art des Beitrags ist als Teil der Referenzwert-Methodik ausdrücklich erforderlich und unterliegt speziellen darin festgelegten Vorschriften, und e) wirksamen Kontrollverfahren unterliegen hinsichtlich des Austauschs von Informationen mit anderen Mitarbeitern, wenn aufgrund von deren Tätigkeiten das Risiko von Interessenkonflikten besteht, oder mit Dritten, wenn diese Informationen sich auf den Referenzwert auswirken können. (8) Ein Administrator legt zur Sicherstellung der Integrität und Zuverlässigkeit der Mitarbeiter oder Personen, die den Referenzwert bestimmen, spezifische Verfahren der internen Kontrolle fest und verlangt vor Verbreitung des Referenzwerts zumindest eine interne Abzeichnung durch die Geschäftsleitung. Art. 5 – Anforderungen an die Aufsichtsfunktion (1) Ein Administrator schafft und unterhält eine ständige und wirksame Aufsichtsfunktion, um die Überwachung aller Aspekte der Bereitstellung seiner Referenzwerte zu gewährleisten. (2) Ein Administrator entwickelt und unterhält solide Verfahren in Bezug auf seine Aufsichtsfunktion und stellt sie den jeweils zuständigen Behörden zur Verfügung. (3) Die Aufsichtsfunktion arbeitet integer und umfasst die folgenden Zuständigkeiten, die vom Administrator entsprechend der Komplexität, Verwendung und Anfälligkeit des Referenzwerts angepasst werden: a) die mindestens jährliche Überprüfung der Referenzwert-Definition und -Methodik, b) die Überwachung etwaiger Änderungen der Referenzwert-Methodik und die Möglichkeit, vom Administrator eine Konsultation bezüglich dieser Änderungen zu verlangen, c) die Überwachung des Kontrollrahmens, des Referenzwert-Managements und der Referenzwert-Anwendung des Administrators und – falls der Referenzwert auf Eingabedaten von Kontributoren basiert – des Verhaltenskodex des Administrators im Sinne des Artikels 15, d) die Überprüfung und Genehmigung von Verfahren für die Einstellung des Referenzwerts und Konsultationen über die Einstellung, e) die Beaufsichtigung von Dritten, die an der Bereitstellung des Referenzwerts einschließlich Berechnung und Verbreitung beteiligt sind,

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen f)

die Bewertung interner und externer Prüfungen oder Überprüfungen sowie die Überwachung der Umsetzung ermittelter Abhilfemaßnahmen, g) wenn der Referenzwert auf Eingabedaten von Kontributoren basiert, die Überwachung der Eingabedaten und der Kontributoren sowie der Maßnahmen des Administrators zur Überprüfung oder Validierung des Beitragens von Eingabedaten, h) wenn der Referenzwert auf Eingabedaten von Kontributoren basiert, wirksame Maßnahmen bei Verstößen gegen den Verhaltenskodex im Sinne des Artikels 15 und i) die Unterrichtung der jeweils zuständigen Behörden über von der Aufsichtsfunktion festgestelltes Fehlverhalten von Kontributoren, wenn der Referenzwert auf Eingabedaten von Kontributoren basiert, oder von Administratoren sowie über ungewöhnliche oder verdächtige Eingabedaten. (4) Die Aufsichtsfunktion wird von einem gesonderten Ausschuss wahrgenommen oder durch andere geeignete Regelungen zur Unternehmensführung sichergestellt. (5) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, durch die die Verfahren für die Aufsichtsfunktion und die Merkmale, die die Aufsichtsfunktion hinsichtlich Zusammensetzung und Positionierung innerhalb der Organisationsstruktur des Administrators haben muss, präzisiert werden, um die Integrität der Funktion sicherzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass es keine Interessenkonflikte gibt. Die ESMA arbeitet insbesondere eine nicht erschöpfende Liste geeigneter Regelungen für die Unternehmensführung gemäß Absatz 4 aus. Die ESMA unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Referenzwerten und Sektoren entsprechend der Regelung in dieser Verordnung und berücksichtigt die Unterschiede bei den Eigentums- und Kontrollstrukturen von Administratoren, die Art, den Umfang und die Komplexität der Bereitstellung des Referenzwerts sowie die Risiken und Auswirkungen des Referenzwerts auch im Lichte der internationalen Konvergenz der Aufsichtspraxis in Bezug auf die für die Referenzwerte geltenden Anforderungen an die Unternehmensführung. Die Entwürfe technischer Regulierungsstandards der ESMA beziehen sich jedoch nicht auf Administratoren nicht signifikanter Referenzwerte und gelten auch nicht für diese. Die ESMA legt der Kommission die Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 1. April 2017 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards nach dem Verfahren der Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/ 2010 zu erlassen. (6) Die ESMA kann in Einklang mit Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 Leitlinien herausgeben, die sich an Administratoren nicht signifikanter Referenzwerte richten, um die in Absatz 5 des vorliegenden Artikels genannten Elemente näher auszuführen. Art. 6 – Anforderungen an den Kontrollrahmen (1) Der Administrator muss einen Kontrollrahmen vorhalten, durch den sichergestellt wird, dass seine Referenzwerte in Einklang mit dieser Verordnung bereitgestellt und veröffentlicht oder zugänglich gemacht werden. (2) Der Kontrollrahmen muss dem Umfang der festgestellten Interessenkonflikte, dem Ermessensspielraum bei der Bereitstellung des Referenzwerts und der Art der Referenzwert-Eingabedaten angemessen sein. (3) Der Kontrollrahmen umfasst: a) Steuerung operationeller Risiken, b) angemessene und wirksame Pläne für die Fortführung des Geschäftsbetriebs und die Notfallbewältigung, c) vorhandene Notfallverfahren für den Fall von Störungen im Prozess der Bereitstellung des Referenzwerts. (4) Ein Administrator muss Maßnahmen zur a) Sicherstellung der Einhaltung des Verhaltenskodex im Sinne des Artikels 15 und der Erfüllung der geltenden Standards für Eingabedaten durch die Kontributoren treffen,

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7. Teil. Organisationsregeln b) Überwachung der Eingabedaten, nach Möglichkeit einschließlich der Überwachung der Eingabedaten vor der Referenzwert-Veröffentlichung und der Validierung der Eingabedaten nach der Veröffentlichung, treffen, um Fehler und Anomalien zu ermitteln. (5) Der Kontrollrahmen wird dokumentiert, überprüft und gegebenenfalls aktualisiert sowie den jeweils zuständigen Behörden und auf Anfrage den Nutzern zur Verfügung gestellt. Art. 7 – Anforderungen an den Rahmen für die Rechenschaftslegung (1) Der Administrator muss über einen Rahmen für die Rechenschaftslegung verfügen, der die Aufbewahrung von Aufzeichnungen, externe und interne Überprüfungen und ein Beschwerdeverfahren regelt und mit dem die Erfüllung der Anforderungen dieser Verordnung nachgewiesen werden kann. (2) Der Administrator benennt eine interne Stelle, die ausreichend dazu befähigt ist, die Einhaltung der Referenzwert-Methodik und dieser Verordnung durch den Administrator zu überprüfen und darüber Bericht zu erstatten. (3) Im Fall kritischer Referenzwerte benennt der Administrator einen unabhängigen externen Prüfer, der die Einhaltung der Referenzwert-Methodik und dieser Verordnung durch den Administrator mindestens jährlich überprüft und darüber Bericht erstattet. (4) Auf Ersuchen der jeweils zuständigen Behörde stellt der Administrator der jeweils zuständigen Behörde die Einzelheiten der Überprüfungen und Berichte gemäß Absatz 2 zur Verfügung. Auf Ersuchen der jeweils zuständigen Behörde oder eines Referenzwert-Nutzers veröffentlicht der Administrator die Einzelheiten der in Absatz 3 vorgesehenen Überprüfungen. Art. 8 – Anforderungen an das Führen von Aufzeichnungen (1) Der Administrator führt Aufzeichnungen über a) alle Eingabedaten und die Verwendung dieser Daten, b) die für die Bestimmung des Referenzwerts verwendete Methodik, c) jede Ausübung von Beurteilungs- oder Ermessensspielraum bei der Bestimmung des Referenzwerts durch den Administrator und gegebenenfalls durch die Prüfer, einschließlich der Begründung für die Ausübung eines solchen Beurteilungs- oder Ermessensspielraums, d) die Nichtbeachtung von Eingabedaten, insbesondere wenn sie den Anforderungen der Referenzwert-Methodik entsprechen, und die Gründe hierfür, e) andere Änderungen der oder Abweichungen von den Standardverfahren und der Methodik, einschließlich derjenigen, die während Stressphasen oder Störungen des Marktes vorgenommen wurden, f) die Identität der Submittenten und natürlichen Personen, die vom Administrator für die Bestimmung des Referenzwerts beschäftigt werden, g) alle Unterlagen über Beschwerden, einschließlich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen, und h) Telefongespräche oder elektronische Mitteilungen zwischen Beschäftigten des Administrators und den Kontributoren oder Submittenten in Bezug auf einen Referenzwert. (2) Der Administrator bewahrt die in Absatz 1 genannten Aufzeichnungen während mindestens fünf Jahren so auf, dass es möglich ist, die Bestimmung des Referenzwerts erneut vorzunehmen und vollständig nachzuvollziehen und Eingabedaten, Berechnungen sowie Beurteilungs- und Ermessensspielräume einer Prüfung oder Bewertung zu unterziehen. Die in Einklang mit Absatz 1 Buchstabe h geführten Aufzeichnungen von Telefongesprächen und elektronischen Mitteilungen werden den an den Gesprächen oder Mitteilungen beteiligten Personen auf Anfrage zur Verfügung gestellt und drei Jahre aufbewahrt. Art. 9 – Mechanismus zur Bearbeitung von Beschwerden (1) Der Administrator unterhält und veröffentlicht Verfahren für die Entgegennahme und Untersuchung von Beschwerden sowie für die Führung von Aufzeichnungen über Beschwerden, einschließlich über Beschwerden über den Prozess des Administrators zur Referenzwert-Bestimmung.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen (2) Durch diesen Mechanismus zur Bearbeitung von Beschwerden muss sichergestellt werden, dass: a) der Administrator die Verfahren zur Behandlung von Beschwerden zur Verfügung stellt, mittels deren Beschwerden darüber, ob eine bestimmte Bestimmung des Referenzwerts für den Marktwert repräsentativ ist, über vorgeschlagene Änderungen des Verfahrens zur Bestimmung des Referenzwerts, über die Anwendung der Methodik auf eine bestimmte Bestimmung der Berechnung und über sonstige Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Prozess der Bestimmung des Referenzwerts eingelegt werden können; b) Beschwerden innerhalb eines angemessenen Zeitraums und fair untersucht werden und das Ergebnis der Ermittlung dem Beschwerdeführer innerhalb eines angemessenen Zeitraums mitgeteilt wird, es sei denn, eine solche Mitteilung widerspräche den Zielen der öffentlichen Ordnung oder der Verordnung (EU) Nr. 596/2014; und c) die Untersuchung unabhängig von einer Person, die an dem Gegenstand der Beschwerde beteiligt oder beteiligt gewesen sein kann, durchgeführt wird. Art. 10 – Auslagerung (1) Ein Administrator lagert bei der Bereitstellung eines Referenzwerts Aufgaben nicht in einer Weise aus, dass seine Kontrolle über die Bereitstellung des Referenzwerts oder die Möglichkeit der jeweils zuständigen Behörde, den Referenzwert zu beaufsichtigen, wesentlich beeinträchtigt wird. (2) Lagert ein Administrator Aufgaben oder relevante Dienstleistungen und Tätigkeiten bei der Bereitstellung eines Referenzwerts an einen Dienstleister aus, bleibt er in vollem Umfang für die Erfüllung aller ihm aus dieser Verordnung erwachsenden Pflichten verantwortlich. (3) Im Fall von Auslagerungen sorgt der Administrator dafür, dass folgende Bedingungen erfüllt sind: a) Der Dienstleister verfügt über die notwendigen Fähigkeiten und Kapazitäten sowie alle gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigungen für eine zuverlässige und professionelle Wahrnehmung der ausgelagerten Aufgaben, Dienstleistungen oder Tätigkeiten. b) Der Administrator stellt der jeweils zuständigen Behörde die Identität und die Aufgaben des Dienstleisters, der am Prozess zur Bestimmung des Referenzwerts beteiligt ist, zur Verfügung. c) Der Administrator leitet angemessene Schritte ein, falls Zweifel daran bestehen, dass der Dienstleister die ausgelagerten Aufgaben wirkungsvoll und unter Einhaltung aller geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften wahrnimmt. d) Der Administrator verfügt weiterhin über die notwendigen Fachkenntnisse, um die ausgelagerten Aufgaben wirksam zu überwachen und die mit der Auslagerung verbundenen Risiken zu bewältigen. e) Der Dienstleister unterrichtet den Administrator über jede Entwicklung, die seine Fähigkeit, die ausgelagerten Aufgaben wirkungsvoll und unter Einhaltung aller geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften wahrzunehmen, wesentlich beeinträchtigen könnte. f) Der Dienstleister arbeitet in Bezug auf die ausgelagerten Tätigkeiten mit der jeweils zuständigen Behörde zusammen, der Administrator und die jeweils zuständige Behörde haben tatsächlichen Zugang zu Daten, die einen Bezug auf die ausgelagerten Tätigkeiten haben, sowie zu den Geschäftsräumen des Dienstleisters, und die jeweils zuständige Behörde kann diese Zugangsrechte ausüben. g) Der Administrator kann die Vereinbarungen über die Auslagerung erforderlichenfalls beenden. h) Der Administrator trifft geeignete Maßnahmen, darunter Notfallpläne, um unnötige operationelle Risiken im Zusammenhang mit der Beteiligung des Dienstleisters am Prozess der Bestimmung des Referenzwerts zu vermeiden.

1. Grundlagen a) Überblick und systematische Einbettung. Die in Artt. 4 bis 10 EU-Benchmark-VO 123 vorgesehenen Organisationspflichten des Administrators von Referenzwerten (Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 EU-Benchmark-VO, siehe Grundmann 8. Teil Rn 796) bilden als erstes KapiJens-Hinrich Binder

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7. Teil. Organisationsregeln

tel die erste Säule des insgesamt in Titel II der Verordnung geregelten organisatorischen Rahmens für die Erstellung und Verwaltung von Referenzwerten, die in Kapitel II um ablauforganisatorische Vorgaben für den Prozess der Verwaltung der Referenzwerte ergänzt werden (unten Rn 130 ff.). Die Regelungen adressieren Administratoren mit Blick auf deren zentrale Bedeutung für die Sicherung der Integrität der Referenzwerte – und mithin für die Erreichung der Regulierungsziele (dazu Grundmann 6. Teil Rn 770 ff.) – und verpflichten zu spezifisch auf die Verwaltung der Referenzwerte bezogenen aufbau- und ablauforganisatorischen Vorkehrungen, die insbesondere Verzerrungen aufgrund von Interessenkonflikten vermeiden sollen.410 Die Pflichten entsprechen den IOSCO-Principles for Financial Benchmarks (dazu Grundmann 6. Teil Rn 774)411 und gehen insoweit über die Vorschläge des Wheatley-Reports im Vereinigten Königreich (dazu Grundmann 6. Teil Rn 769) hinaus, der ebenfalls regulatorische Eingriffe zur Stärkung der Funktion des Administrators diskutiert, aber nicht im Detail ausdifferenziert hatte.412

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b) Verhältnis zu den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten. Die Regelungen weisen in mehrfacher Hinsicht Parallelen zu den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten für Intermediäre – insbes. zu § 80 und § 83 WpHG und den damit korrespondierenden Bestimmungen der DVO MiFID II (oben Rn 29 ff. und 106 ff.) – auf. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Regelungsinhalte und auf die inhaltlichen Übereinstimmungen bis hinein in den Wortlaut der einzelnen Pflichten. Insofern erweisen sich die Organisationspflichten für Benchmark-Administratoren zu einem erheblichen Teil als Adaption allgemeiner Regelungsmuster, die vielfach lediglich im Hinblick auf die relevante Tätigkeit (Verwaltung des Referenzwerts) angepasst werden. Insofern liegt es nahe, die durch die allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten vorgegebenen aufbau- und ablauforganisatorischen Strukturen als Rahmen aufzufassen, in dem zugleich die spezifisch auf die Verwaltung von Referenzwerten bezogenen Anforderungen nach der EU-Benchmark-VO umgesetzt werden können und müssen (dazu sogleich unten Rn 125 ff.). 125 Unabhängig von diesen inhaltlichen Berührungspunkten ergeben sich Parallelen im Hinblick auf die beide Regelungsmaterien gleichermaßen kennzeichnende prozedurale Regulierungsstrategie, die hier sogar noch ausgeprägter ist als bei den allgemeinen Organisationspflichten: Während diese zu einem erheblichen Teil zur Durchsetzung der aus den Wohlverhaltenspflichten der §§ 63 ff. WpHG resultierenden materiellen Verhaltensstandards dienen (oben Rn 36), an denen sich das Umsetzungsergebnis messen lassen muss, beschränken sich die Vorgaben der EU-Benchmark-VO, die auf eine vage vorgegebene materielle Zielfunktion („Integrität“) bezogen sind, noch stärker allein auf die Einwirkung auf den für die Verwaltung der Referenzwerte maßgeblichen organisatorischen Rahmen als solchen.413 Übereinstimmungen bestehen schließlich im Hinblick auf die gewählte Regulierungstechnik: Wie die allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten sind die Organisationspflichten nach der EU-Benchmark-VO allgemein – und insbesondere

410

411 412 413

Vgl. Erwägungsgründe 16 und 21 EU-Benchmark-VO; vgl. auch Spindler ZBB 2015, 165 (169). Näher IOSCO, Principles for Financial Benchmarks, S. 15 ff. Vgl. Wheatley Review of LIBOR: Final Report, Tz. 3.23 ff. Vgl. allgemein zum für die Verordnung charakteristischen Grundsatz der Zurückhal-

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tung im Hinblick auf materielle Vorgaben und der Konzentration auf prozedurale Vorgaben an Governance, Entstehungsprozesse und Methodik Chiu L. & Fin. M. L. Rev. 9 (2015), 223 (229); zugespitzt dies. Cap. Mkt. L. Rev. 11 (2016), 191 (201): „good internal governance … as a proxy for sound outcomes“.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

auch die Anforderungen an den Administrator in Artt. 4 ff. – prinzipienbasiert und bedienen sich einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die erst in der praktischen Umsetzung durch die Regulierungsadressaten im Zusammenwirken mit der aufsichtlichen Überwachung zu konkreten Gestaltungen verfestigt werden. Auch die als Charakteristikum dieser Regulierungstechnik zu beobachtende erhebliche Rechtsunsicherheit für die Normadressaten (oben Rn 37) ist hier wiederum tendenziell noch stärker ausgeprägt als bei den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten, weil die Regelungsinhalte im Unterschied zu diesen mit der EU-Benchmark-VO erstmals aufgegriffen wurden und weil zudem noch stärker als im Rahmen der allgemeinen Organisationspflichten auf Kunstbegriffe ohne Vorbild im allgemeinen Unternehmensrecht zurückgegriffen wurde, die nicht oder nur unzureichend definiert werden. Dies führt zwangsläufig zu Umsetzungsproblemen, die sich zwar im Wege der teleologischen Auslegung abmildern, vor einer allein durch den EuGH zu leistenden abschließenden gerichtlichen Klärung aber letztlich nicht befriedigend lösen lassen, welche auf absehbare Zeit kaum realistisch erwartet werden kann. Erschwerend kommt hinzu, dass eine weitere Konkretisierung durch Level-2- bzw. Level3-Instrumente nur zum Teil vorgesehen ist. Aus dem Kreis der in Artt. 4 bis 10 EU-Benchmark-VO geregelten Anforderungen stechen insoweit insbesondere die Rechtsinstitute der Aufsichtsfunktion (Art. 5 EU-Benchmark-VO, unten Rn 127) und des Kontrollrahmens (Art. 6 EU-Benchmark-VO, unten Rn 128) hervor. 2. Organisationspflichten des Administrators im Einzelnen a) Anforderungen an Unternehmensführung und Umgang mit Interessenkonflikten 126 (Art. 4 EU-Benchmark-VO). Die in Art. 4 EU-Benchmark-VO vorgesehenen Organisationspflichten sind – zum Teil sogar im Wortlaut – Adaptionen der allgemeinen, in § 80 WpHG umgesetzten bzw. unmittelbar in den Artt. 21 bis 32 DVO MiFID II gegelten kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten (oben Rn 29 ff.), die hier im Unterschied zu diesen Regelungsvorbildern lediglich auf die mit der Verwaltung der Referenzwerte zusammenhängenden Aufgaben bezogen werden. Für die Auslegung und Umsetzung kann daher im Ausgangspunkt auf die obige Kommentierung der allgemeinen Regeln verwiesen werden, auch wenn zu berücksichtigen ist, dass der persönliche Anwendungsbereich der Normen (einerseits Wertpapierdienstleistungsunternehmen, andererseits Administratoren i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. Artt. 34 ff. EU-Benchmark-VO) nicht identisch ist. Die zu den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationsregeln entwickelten Grundsätze lassen sich daher von vornherein nur mutatis mutandis und unter Berücksichtigung der veränderten Zielfunktion – „Integrität“, also Manipulationsfreiheit von Benchmarks anstelle ordnungsmäßiger Erbringung von Wertpapierdienstleistungen – auf die Organisationspflichten nach der EU-Benchmark-VO übertragen, doch ist der Erkenntnisgewinn dennoch hoch zu veranschlagen. Dies gilt bereits für die allgemeinen Vorgaben für „solide Regelungen für die Unternehmensführung, die eine klare Organisationsstruktur mit genau abgegrenzten, transparenten und kohärenten Aufgaben und Verantwortungsbereichen für alle an der Bereitstellung eines Referenzwerts Beteiligten vorsehen“ (Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 EU-Benchmark-VO), die letztlich, wenn auch mit etwas anderem Wortlaut, qualitativ entsprechende Vorgaben formulieren wie Art. 21 Abs. 1 lit. a und b DVO MiFID II (oben Rn 44 f.). Parallelen ergeben sich sodann insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Erkennung und Vermeidung von Interessenkonflikten in Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 sowie Abs. 2, 6 und 7 EU-Benchmark-VO, die im Ausgangspunkt ähnliches verlangen wie die Vorgaben aus § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG, Artt. 33 bis 43 DVO MiFID II (oben Rn 59 ff.). Insbesondere für die Umsetzung der in Art. 4 Abs. 2 EU-Benchmark-VO geforderten organisatorischen Trennung der Bereitstellung von Referenzwerten einerseits und Jens-Hinrich Binder

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7. Teil. Organisationsregeln

den sonstigen Geschäftsaktivitäten andererseits wird ohne weiteres auf die für die entsprechenden Vorgaben in Art. 34 Abs. 3 UAbs. 2 DVO MiFID II und damit insbesondere auf die anerkannten Anforderungen an die Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen („Chinese Walls“) zurückgegriffen werden können (dazu oben Rn 65). Besonderheiten ergeben sich für den Administrator von Benchmarks im Hinblick auf die Pflicht zur Einrichtung einer unabhängigen Aufsichtsfunktion unter Beteiligung relevanter Stakeholder für den Fall von Interessenkonflikten bei abhängigen Konzernunternehmen (Art. 4 Abs. 3 EU-Benchmark-VO), die auf Vorschläge der IOSCO-Principles414 sowie des Wheatley-Reports zurückgehen, sowie hinsichtlich der in Art. 4 Abs. 7 EU-Benchmark-geregelten Kontrolle über die beteiligten Personen.415 Abweichend, aber nicht grundsätzlich anders geregelt ist darüber hinaus die Pflicht zur Offenlegung bestehender oder potenzieller Interessenkonflikte (Art. 4 Abs. 5 EU-Benchmark-VO, vgl. demgegenüber § 63 Abs. 2 Satz 1 WpHG sowie Art. 34 Abs. 4 DVO MiFID II, oben Rn 59). Wiederum ganz auf der Linie der allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten liegt demgegenüber die in Art. 4 Abs. 8 EU-Benchmark-VO geregelte Pflicht zur Einrichtung von Kontrollverfahren, die letztlich eine Compliance-Aufgabe darstellt und in deren Umsetzung sinnvollerweise die jeweiligen Compliance-Strukturen eingebunden werden können. Für Administratoren von Referenzwerten, die zugleich als Kreditinstitute bzw. Wertpapierdienstleistungsunternehmen zugelassen sind, folgt aus alledem, dass der durch die Anforderungen der EU-Benchmark-VO ausgelöste Anpassungsbedarf an der ohnehin bestehenden, durch die Anforderungen aus § 25a KWG bzw. § 80 WpHG sowie der DVO MiFID II vorgegebenen Aufbauund Ablauforganisation überschaubar ist.

127

b) Aufsichtsfunktion (Art. 5 EU-Benchmark-VO). Art. 5 EU-Benchmark-VO schreibt allgemeine Anforderungen an die Überwachung der Verwaltung („Bereitstellung“) der Referenzwerte durch eine ständige und wirksame Aufsichtsfunktion vor, die nach Abs. 3 der Bestimmung die Erfüllung sämtlicher durch die Verordnung vorgegebenen und durch den Administrator zu konkretisierenden Pflichten zu überwachen und bei Verstößen nicht näher spezifizierte „wirksame Maßnahmen“ zu treffen hat. Zudem wird der Aufsichtsfunktion die Pflicht zugewiesen, bei Pflichtverstößen des Administrators oder der Kontributoren oder bei Verdachtsfällen aufgrund auffälliger Eingabedaten die Aufsichtsbehörden zu informieren (Art. 5 Abs. 3 lit. i EU-Benchmark-VO). Insgesamt reflektieren die Anforderungen die Vorschläge in den IOSCO-Principles und dem Wheatley-Report.416 Hinsichtlich der aufbauorganisatorischen Umsetzung und der Verzahnung mit der Organisationsverfassung der Regelungsadressaten fallen die Vorgaben ausgesprochen vage aus; Art. 5 Abs. 4 sieht lediglich vor, dass die Aufsichtsfunktion von einem „gesonderten [sic!] Ausschuss wahrgenommen oder durch andere geeignete Regelungen zur Unternehmensführung sichergestellt“ werden könne. Damit wird ein funktionaler Ansatz gewählt, der an die Anforderungen an die Compliance-Funktion nach § 80 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. § 25a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 lit. c KWG sowie § 80 Abs. 1 Satz 3 WpHG i.V.m. Art. 22 DVO MiFID II erinnert (oben Rn 54 f.) und hohe Flexibilität für die praktische Umsetzung vorsieht. Tatsächlich sind beide Regelungsbereiche indessen nur begrenzt vergleichbar. Insbesondere ist keineswegs gesichert, dass die Ausgestaltung als eigenständige unternehmensinterne Organisationseinheit – vergleichbar der Compliance-Funktion oder der Internen

414 415

IOSCO, Principles for Financial Benchmarks, S. 18 f. Wheatley Review of LIBOR: Final Report, Tz. 3.30 ff.

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416

Siehe nochmals IOSCO, Principles for Financial Benchmarks, S. 18 f.; Wheatley Review of LIBOR: Final Report, Tz. 3.30 ff.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

Revision – regulatorisch akzeptiert würde.417 Die einschlägigen IOSCO-Principles gehen vielmehr ebenso wie die Vorschläge des Wheatley-Reports im Unterschied zu den für die Ausgestaltung der Compliance-Funktion anerkannten Standards nicht von einer Zuordnung zu einer unternehmensinternen Organisationseinheit, sondern von der Ausgestaltung als Überwachungsausschuss unter Beteiligung unternehmensexterner Stakeholder aus. Dies entspricht auch den bislang nur als Entwurf vorliegenden Vorschlägen der ESMA für technische Regulierungsstandards zur weiteren Konkretisierung nach Art. 5 Abs. 5, die allerdings eine Ausgestaltung als Ausschuss unter Beteiligung externer Mitglieder nur für kritische Referenzwerte vorsehen und im Übrigen Raum für vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten lassen, wozu auch eine Ansiedelung der Überwachungsaufgaben bei der Compliance-Funktion gehören könnte.418 Die weitere Entwicklung bleibt insoweit abzuwarten; erst auf der Basis der Technischen Regulierungsstandards nach Art. 5 Abs. 5 EU-BenchmarkVO und der damit gesetzten Gestaltungsschranken wird sich beurteilen lassen, inwieweit die Einbettung der Aufsichtsfunktionen in die Organisationsverfassung der Administratoren ohne Friktionen mit den allgemeinen Vorgaben des Unternehmensrechts möglich ist und wie darauf ggf. reagiert werden kann. c) Kontrollrahmen (Art. 6 EU-Benchmark-VO). Noch unbestimmter als die Anforde- 128 rungen an die organisatorische Umsetzung der Vorgaben für die Aufsichtsfunktion nach Art. 5 (oben Rn 127) fallen die Vorgaben für den von Art. 6 EU-Benchmark-VO geforderten Kontrollrahmen aus. Unglücklich ist insoweit schon die gewählte – nichtssagende – Terminologie, die sich weder in allgemeine unternehmensrechtliche Kategorien einfügt noch an gefestigte aufsichtsrechtliche Begriffe (z. B. „Organisationsgrundsätze“, „Regelungen“, „Verfahren“ o.ä.) anknüpft. Tatsächlich geht es, wie sich dem Sachzusammenhang und insbesondere der Konkretisierung in Abs. 2 und 3 der Bestimmung entnehmen lässt, um die Pflicht zur Festlegung von auf die jeweilige Risikostruktur und auf die vorhandenen Interessenkonflikte abzustimmenden Maßnahmen zur Risikosteuerung und Notfallplanung. Insofern bestehen inhaltliche Berührungspunkte einerseits zu den allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen an das Risikomanagement (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KWG) und andererseits zu den Anforderungen an die Gewährleistung der Kontinuität und die Notfallplanung von Instituten und Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG n.F. und Art. 21 Abs. 3 DVO MiFID II (siehe zu Einzelheiten oben Rn 49), so dass für aufsichtsrechtlich als solche zugelassene Administratoren die einschlägigen Vorgaben aus Art. 6 EU-Benchmark-VO ohne weiteres im Rahmen der allgemeinen Anforderungen umgesetzt werden können. d) Sonstige Pflichten (Artt. 7–10 EU-Benchmark-VO). Artt. 7 und 8 EU-Bench- 129 mark-VO regeln zunächst – wohl weder im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich noch im Hinblick auf den Regelungsgehalt voneinander trennscharf abgrenzbare – Pflichten zur Rechenschaftslegung sowie zur Aufzeichnung und Dokumentation, die insgesamt die Einhaltung der Verordnungen an den Prozess der Bereitstellung und Verwaltung von Referenzwerten dokumentieren und die aufsichtliche Kontrolle darüber ermöglichen sollen. Art. 9 der Verordnung verpflichtet sodann zur Einrichtung eines Beschwerdemana-

417

Davon ausgehend aber – ohne Auseinandersetzung mit dem Regelungshintergrund – auf der Basis des Verordnungsentwurfs Spindler ZBB 2015, 165 (170): „zuständige Stelle in der Unternehmensorganisation“.

418

Vgl. ESMA, Final report: Draft technical standards under the Benchmarks Regulation, 30.03.2017 (ESMA70–145–48), S. 83 und dazu S. 13 f. Tz. 20 ff.

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7. Teil. Organisationsregeln

gements durch den Administator; die Anforderungen entsprechen im Kern den Vorgaben für das Beschwerdemanagement der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 80 Abs. 1 Satz 3, Art. 26 DVO MiFID II (oben Rn 75). Auch die in Art. 10 EU-Benchmark-VO geregelten Anforderungen an die Auslagerung von Funktionen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Referenzwerten orientieren sich im Kern, was die zugrunde liegenden Prinzipien und die technischen Vorgaben im Einzelnen angeht, an den allgemeinen aufsichtsrechtlichen Grundsätzen (§ 80 Abs. 6 WpHG i.V.m. § 25b KWG, Artt. 30–32 DVO MiFID II),419 auf die verwiesen werden kann (dazu oben Rn 79 und Rn 81–83). Als praktisch bedeutsame Anwendungsbeispiele erwähnt Erwägungsgrund 24 der Verordnung insbesondere die Berechnung der Referenzwerte, das Sammeln der Eingabedaten sowie die Verbreitung des Referenzwerts.

II. Ablauforganisatorische Vorgaben für den Prozess der Referenzwertermittlung (Titel II, Kap. 2 EU-Benchmark-VO – Überblick)

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KAPITEL 2 Eingabedaten, Methodik sowie Meldung von Verstößen Art. 11 – Eingabedaten (1) Bei der Bereitstellung eines Referenzwerts gelten in Bezug auf deren Eingabedaten folgende Anforderungen: a) Die Eingabedaten müssen ausreichen, um den Markt oder die wirtschaftliche Realität, den/die der Referenzwert messen soll, genau und zuverlässig wiederzugeben. Bei den Eingabedaten muss es sich, falls verfügbar und angemessen, um Transaktionsdaten handeln. Reichen die Transaktionsdaten nicht aus oder sind sie nicht geeignet, den Markt oder die wirtschaftliche Realität, den der Referenzwert messen soll, genau und zuverlässig wiederzugeben, können Eingabedaten verwendet werden, die keine Transaktionsdaten sind, darunter geschätzte Preise, Quotierungen und verbindliche Quotierungen oder sonstige Werte. b) Die unter Buchstabe a genannten Eingabedaten müssen nachprüfbar sein. c) Der Administrator erstellt und veröffentlicht klare Leitlinien über die Arten von Eingabedaten, die Priorität der Nutzung der einzelnen Arten von Eingabedaten und die Ausübung von Sachverständigeneinschätzungen, um die Übereinstimmung mit Buchstabe a und der Methodik zu gewährleisten. d) Wenn ein Referenzwert auf Eingabedaten von Kontributoren gründet, muss der Administrator die Eingabedaten, sofern angemessen, von einem zuverlässigen und repräsentativen Ausschuss oder einer zuverlässigen und repräsentativen Auswahl von Kontributoren erhalten, um zu gewährleisten, dass der resultierende Referenzwert den Markt oder die wirtschaftliche Realität, den bzw. die er messen soll, zuverlässig und repräsentativ wiedergibt. e) Der Administrator verwendet Eingabedaten von Kontributoren nicht, wenn ihm Hinweise darauf vorliegen, dass diese Kontributoren den Verhaltenskodex gemäß Artikel 15 nicht befolgen, und beschafft in einem solchen Fall repräsentative öffentlich verfügbare Daten. (2) Der Administrator sorgt dafür, dass seine Kontrollen im Hinblick auf die Eingabedaten Folgendes umfassen: a) Kriterien zur Bestimmung möglicher Kontributoren von Eingabedaten für den Administrator und ein Verfahren für die Auswahl der Kontributoren, b) ein Verfahren zur Bewertung der Eingabedaten der Kontributoren und gegebenenfalls zur Beendigung weiterer Eingabedatenbeiträge des Kontributors oder zur Anwendung anderer Sanktionen bei Verstößen durch den Kontributor und

419

Insoweit übereinstimmend auch Spindler ZBB 2015, 165 (171).

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen c) ein Verfahren zur Validierung der Eingabedaten, einschließlich Vergleichen mit anderen Indikatoren oder Daten, um Integrität und Genauigkeit sicherzustellen. (3) Wenn Eingabedaten für einen Referenzwert vom Frontoffice beigetragen werden, d.h. von jeder beliebigen Abteilung, Unterabteilung oder Gruppe oder von Mitarbeitern von Kontributoren oder verbundenen Unternehmen, die an Preisbildung, Handel, Vertrieb, Marketing, Werbung, Einholung von Angeboten, Strukturierung oder Maklertätigkeiten beteiligt sind, ist der Administrator verpflichtet, a) Daten aus anderen Quellen einzuholen, durch die diese Eingabedaten untermauert werden, und b) sicherzustellen, dass die Kontributoren über angemessene interne Aufsichts- und Verifizierungsverfahren verfügen. (4) Ist ein Administrator der Ansicht, dass die Eingabedaten nicht den Markt oder die wirtschaftliche Realität abbilden, der bzw. die mit dem Referenzwert gemessen werden soll, verändert er entweder innerhalb eines angemessenen Zeitraums die Eingabedaten, die Kontributoren oder die Methoden, um zu gewährleisten, dass die Eingabedaten einen solchen Markt oder eine solche wirtschaftliche Realität abbilden, oder er stellt die Bereitstellung dieses Referenzwerts ein. (5) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, um näher auszuführen, wie gewährleistet werden kann, dass die Eingabedaten gemäß den Anforderungen in Absatz 1 Buchstabe a und b geeignet und nachprüfbar sind, und um auszuführen, welches die internen Aufsichts- und Verifizierungsverfahren eines Kontributors sind, deren Vorhandensein der Administrator gemäß Absatz 3 Buchstabe b zu gewährleisten hat, um die Integrität und Genauigkeit der Eingabedaten zu gewährleisten. Die Entwürfe technischer Regulierungsstandards der ESMA beziehen sich jedoch nicht auf Administratoren nicht signifikanter Referenzwerte und gelten auch nicht für diese. Die ESMA berücksichtigt die einzelnen Arten von Referenzwerten und Sektoren gemäß dieser Verordnung, die Art der Eingabedaten, die Merkmale des zugrunde liegenden Marktes bzw. der zugrunde liegenden wirtschaftlichen Realität und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Anfälligkeit der Referenzwerte für Manipulation sowie die internationale Konvergenz der Aufsichtspraxis in Bezug auf Referenzwerte. Die ESMA legt der Kommission die Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 1. April 2017 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards nach dem Verfahren der Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. (6) Die ESMA kann in Einklang mit Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 Leitlinien herausgeben, die sich an Administratoren nicht signifikanter Referenzwerte richten, und darin die in Absatz 5 des vorliegenden Artikels genannten Elemente näher ausführen. Art. 12 – Methodik (1) Der Administrator wendet zur Bestimmung eines Referenzwerts eine Methodik an, die a) robust und zuverlässig ist, b) klare Vorschriften dazu enthält, wie und wann bei der Bestimmung dieses Referenzwerts ein Ermessensspielraum ausgeübt werden kann, c) genau und kontinuierlich ist und einer Validierung, einschließlich gegebenenfalls Rückvergleichen mit verfügbaren Transaktionsdaten, unterzogen werden kann, d) belastbar ist und sicherstellt, dass der Referenzwert vor dem Hintergrund eines möglichst breiten Spektrums unterschiedlicher Umstände berechnet werden kann, ohne dass seine Integrität gefährdet wird, e) nachvollziehbar und nachprüfbar ist. (2) Bei der Entwicklung einer Referenzwert-Methodik a) berücksichtigt der Referenzwert-Administrator Faktoren wie Größe und normale Liquidität des Marktes, Transparenz des Handels und die Positionen von Marktteilnehmern, Marktkonzentration, Marktdynamik und Angemessenheit von Stichproben im Hinblick auf den

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7. Teil. Organisationsregeln Markt oder die wirtschaftliche Realität, der bzw. die durch den Referenzwert gemessen werden soll; b) legt der Referenzwert-Administrator fest, was für die Zwecke des Referenzwerts als aktiver Markt zu betrachten ist; c) bestimmt der Referenzwert-Administrator die Prioritäten für die einzelnen Arten von Eingabedaten. (3) Der Administrator muss über eindeutige, veröffentlichte Regelungen verfügen, in denen festgelegt ist, unter welchen Umständen Menge oder Qualität der Eingabedaten nicht mehr den Standards entsprechen, die die Methodik zur genauen und zuverlässigen Bestimmung des Referenzwerts erfüllen muss, und in denen angegeben ist, ob und wie der Referenzwert in solchen Fällen berechnet werden soll. Art. 13 – Transparenz der Methodik (1) Der Administrator lässt in Bezug auf die Entwicklung, Verwendung und Verwaltung des Referenzwerts und der Referenzwert-Methodik Transparenz walten. Zu diesem Zweck muss der Administrator folgende Informationen veröffentlichen oder zur Verfügung stellen: a) die wichtigsten Elemente der Methodik, die er für jeden bereitgestellten und veröffentlichten Referenzwert oder gegebenenfalls für jede bereitgestellte oder veröffentlichte ReferenzwertFamilie verwendet, b) Einzelheiten über die interne Überprüfung und Genehmigung einer bestimmten Methodik und die Häufigkeit einer solchen Überprüfung, c) die Verfahren zur Konsultation über alle vorgeschlagenen wesentlichen Änderungen der Methodik des Administrators und die Gründe für solche Änderungen, einschließlich einer Definition wesentlicher Änderungen und der Umstände, unter denen der Administrator die Nutzer über etwaige Änderungen zu unterrichten hat. (2) Bei den gemäß Absatz 1 Buchstabe c erforderlichen Verfahren a) werden vorgeschlagene wesentliche Änderungen innerhalb eindeutiger Fristen im Voraus mitgeteilt, um mögliche Auswirkungen analysieren und kommentieren zu können, und b) werden die unter Buchstabe a dieses Absatzes genannten Kommentare und die entsprechende Stellungnahme des Administrators nach jeder Konsultation zugänglich gemacht, es sei denn, der Verfasser der Kommentare hat um Vertraulichkeit ersucht. (3) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, um näher auszuführen, welche Informationen von einem Administrator zur Erfüllung der in Absatz 1 und 2 genannten Anforderungen zur Verfügung gestellt werden müssen, und unterscheidet dabei zwischen einzelnen Arten von Referenzwerten und Sektoren gemäß dieser Verordnung. Die ESMA berücksichtigt die Notwendigkeit, die Elemente der Methodik offenzulegen, die hinreichende Detailangaben enthalten, damit die Nutzer nachvollziehen können, wie ein Referenzwert bereitgestellt wird, und seinen Repräsentationsgrad, seine Relevanz für bestimmte Nutzer und seine Eignung als Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente und -kontrakte und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beurteilen können. Die Entwürfe technischer Regulierungsstandards der ESMA beziehen sich jedoch nicht auf Administratoren nicht signifikanter Referenzwerte und gelten auch nicht für diese. Die ESMA legt der Kommission die Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 1. April 2017 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die technischen Regulierungsstandards nach Unterabsatz 1 gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. (4) Die ESMA kann in Einklang mit Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 Leitlinien herausgeben, die sich an Administratoren nicht signifikanter Referenzwerte richten, um die in Absatz 3 des vorliegenden Artikels genannten Elemente näher auszuführen. Art. 14 – Meldung von Verstößen (1) Der Administrator schafft angemessene Systeme und wirksame Kontrollen, um für die Integrität der Eingabedaten zu sorgen, damit er Verhaltensweisen, die mit Manipulation oder ver-

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen suchter Manipulation eines Referenzwerts im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 verbunden sein könnten, ermitteln und der zuständigen Behörde melden kann. (2) Der Administrator überwacht die Eingabedaten und Kontributoren, damit er die zuständige Behörde benachrichtigen und ihr alle relevanten Informationen mitteilen kann, falls er den Verdacht hegt, dass in Bezug auf den Referenzwert eine Verhaltensweise, die mit Manipulation oder versuchter Manipulation des Referenzwerts im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 596/2014, einschließlich einer Absprache darüber, verbunden sein könnte, aufgetreten ist. Die zuständige Behörde des Administrators übermittelt derartige Informationen gegebenenfalls der einschlägigen Behörde gemäß der Verordnung (EU) Nr. 596/2014. (3) Der Administrator verfügt über Verfahren für seine Führungskräfte, Mitarbeiter und alle anderen natürlichen Personen, deren Leistungen von ihm in Anspruch genommen werden können oder seiner Kontrolle unterliegen, um Verstöße gegen diese Verordnung intern zu melden.

1. Grundlagen. Kapitel 2 des II. Titels der EU-Benchmark-VO ergänzt die in Kapitel 1 131 geregelten allgemeinen Organisationspflichten des Administrators um Vorgaben für die Ablauforganisation der Bereitstellung der Referenzwerte. Regelungsziel ist die Absicherung eines hohen Qualitätsniveaus bei der Auswahl und Berechnung der den Referenzwerten zugrundeliegenden Eingabedaten, die die jeweils abgebildeten Sachverhalte genau und zuverlässig wiedergeben müssen (vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. a UAbs. 1 EU-Benchmark-VO).420 Die Regelungen in Artt. 11 bis 14 konkretisieren die Schlüsselfunktion des Administrators im Rahmen der für die Verordnung allgemein charakteristischen prozeduralen Regulierungsstrategien.421 2. Anforderungen an die Eingabedaten (Art. 11 EU-Benchmark-VO). Art. 11 EU- 132 Benchmark-VO überlässt es weitgehend dem Administrator, die Datenqualität durch Festlegung von Grundsätzen („Leitlinien“) für die Auswahl und die Auswertung der Daten zu steuern und zu kontrollieren (Art. 11 Abs. 1 lit c und Abs. 2 EU-Benchmark-VO). Konkrete materielle Schranken werden nur in zwei Fällen vorgesehen: Dies betrifft zum einen den – allerdings bereits nicht ohne Ausnahmen geltenden – Vorrang der Verwendung von Transaktionsdaten (Art. 11 Abs. 1 lit. a UAbs. 2 EU-Benchmark-VO), die deshalb in den Mittelpunkt gestellt werden, weil sie am zuverlässigsten ermittel- und nachprüfbar sind.422 Eingeschränkt wird zum anderen die Zulässigkeit der Verwendung von Eingabedaten, die eigene Organisationseinheiten des Administrators oder mit diesem verbundene Unternehmen („Frontoffices“) bereitgestellt haben. Diese Daten sind mit Daten aus anderen Quellen zu vergleichen; darüber hinaus muss der Administrator sicherstellen, dass die jeweiligen Kontributoren über angemessene interne Aufsichts- und Verifizierungsverfahren verfügen (Art. 11 Abs. 3 EU-Benchmark-VO). Erleichterungen sind vorgesehen im Hinblick auf sog. Rerefenzwerte aus regulierten Daten i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 24 EUBenchmark-VO, darunter insbes. Daten, die unmittelbar von regulierten Handelsplätzen eingegeben werden (vgl. dazu Grundmann 6. Teil Rn 803) und die daher weniger manipilationsanfällig sind als sonstige Daten. Im Hinblick darauf sind die Administratoren nach Art. 17 EU-Benchmark-VO von bestimmten Prüfungspflichten sowie von den Restriktionen für die Verwendung der Daten aus Frontoffices ausgenommen. Auch im Hinblick auf

420

421

Vgl. im Einzelnen Erwägungsgründe 25 ff. EU-Benchmark-VO; siehe auch Spindler ZBB 2015, 165 (171). Vgl. dazu Erwägungsgrund 25 EU-Benchmark-VO („zentraler Empfänger der Eingabedaten und in der Lage, die Integrität und

422

Genauigkeit dieser Eingabedaten konsistent zu bewerten“); siehe auch IOSCO, Principles for Financial Benchmarks, S. 15. Erwägungsgrund 26 EU-Benchmark-VO; siehe zur Bedeutung auch Chiu Cap. Mkt. L.J. 11 (2016), 191 (204).

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7. Teil. Organisationsregeln

die Regulierung der Eingabedaten lehnt sich die Verordnung an die IOSCO-Principles an.423 Die Anforderungen an die Verwaltung der Eingabedaten werden nach Maßgabe des Art. 11 Abs. 5 EU-Benchmark-VO durch Technische Regulierungsstandards konkretisiert, die bislang nur im Entwurf der ESMA vorliegen.424

133

3. Anforderungen an die Methodik (Artt. 12 und 13 EU-Benchmark-VO). Die Anforderungen an die Eingabedaten werden ergänzt durch die in den Artt. 12 und 13 EU-Benchmark-VO geregelten Anforderungen an die Methodik der Bestimmung von Referenzwerten. Auch hiernach bleibt die konkrete Ausgestaltung den Administratoren überlassen. Diese werden in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung zunächst auf die Erreichung allgemeiner Qualitätsstandards verpflichtet. Diese sind teilweise redundant („robust und zuverlässig“, lit. a – „belastbar“, lit. d) formuliert und sollen im Ganzen sicherstellen, dass der Referenzwert die Sachverhalte, auf die er sich bezieht, zutreffend wiedergibt und dass dies nachvollziehbar ist. Die bei der Berechnung des Referenzwerts im Einzelnen zu berücksichtigenden Gesichtspunkte konkretisiert sodann Art. 12 Abs. 2 EU-Benchmark-VO. Art. 13 der Verordnung regelt die insoweit zu beachtenden Transparenzpflichten des Administrators. Danach sind auch Verfahren zur regelmäßigen Überprüfung der Methodik vorzusehen (Abs. 1 lit. b). Außerdem sind Vorkehrungen zu treffen, die Transparenz bei wesentlichen Änderungen der Methodik gewährleisten sollen (Abs. 1 lit c sowie Abs. 2), um Fehlvorstellungen der Nutzer von Referenzwerten auszuschließen und Manipulationen vorzubeugen.425 Die Regelungen werden nach Maßgabe des Art. 12 Abs. 3 EU-Benchmark-VO durch Technische Regulierungsstandards konkretisiert, die im Entwurf vorliegen.426

134

4. Kontroll- und Meldepflicht bei Verstößen (Art. 14 EU-Benchmark-VO). Art. 14 Abs. 1 EU-Benchmark-VO verpflichtet den Administrator zu „angemessenen Systemen und wirksamen Kontrollen, um für die Integrität der Eingabedaten zu sorgen“, in dem Manipulationen oder Manipulationsversuche ermittelt und der zuständigen Behörde gemeldet werden. Der Regelungsgehalt weist Überschneidungen mit den ohnehin bestehenden Kontrollpflichten nach Art. 4 Abs. 7 (oben Rn 127) sowie den Anforderungen an den „Kontrollrahmen“ nach Art. 6 EU-Benchmark-VO (Rn 127) auf; seine eigenständige Bedeutung erschöpft sich daher letztlich in der Pflicht zur Meldung von Verstößen. Entsprechendes gilt für die in Abs. 2 der Vorschrift geregelte Pflicht zur Überwachung der Eingabedaten und Kontributoren und zur Meldung von Verstößen in dieser Hinsicht, die zudem Überschneidungen aufweist mit der in Kap. 3 geregelten Überwachungspflicht des Administrators im Hinblick auf die Tätigkeit der Kontributoren. Auf Referenzwerte aus regulierten Daten (oben Rn 132) sind gem. Art. 17 EU-Benchmark-VO auch die Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 und 2 unanwendbar. Von nur klarstellender Bedeutung ist schließlich die in Abs. 3 formulierte Pflicht zur Überwachung von Führungskräften, Mitarbeitern und anderen relevanten Personen.

423 424

425

Vgl. im Einzelnen IOSCO, Principles for Financial Benchmarks, S. 108 f. ESMA, Final report: Draft technical standards under the Benchmarks Regulation, 30.03.2017 (ESMA70–145–48), Tz. 25 ff. und S. 88 ff. Vgl. Erwägungsgrund 28 EU-BenchmarkVO; vgl. dazu auch die Vorgaben in IOSCO,

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Principles for Financial Benchmarks, S. 23 ff. ESMA, Final report: Draft technical standards under the Benchmarks Regulation, 30.03.2017 (ESMA70–145–48), S. 94 ff. und dazu S. 23 ff. Tz. 69 ff.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

III. Verhaltenskodex und Anforderungen an Kontributoren (Titel II, Kap. 3 EU-Benchmark-VO) KAPITEL 3 Verhaltenskodex und Anforderungen an Kontributoren Art. 15 – Verhaltenskodex (1) In Fällen, in denen ein Referenzwert auf Eingabedaten von Kontributoren beruht, arbeitet dessen Administrator für jeden Referenzwert einen Verhaltenskodex aus, in dem genau geregelt ist, welche Verantwortlichkeiten die Kontributoren in Bezug auf das Beitragen von Eingabedaten haben, und stellt sicher, dass ein solcher Verhaltenskodex mit dieser Verordnung in Einklang steht. Der Administrator überzeugt sich fortlaufend und mindestens einmal jährlich und im Fall von Änderungen davon, dass die Kontributoren den Verhaltenskodex einhalten. (2) Der Verhaltenskodex umfasst mindestens folgende Elemente: a) eine klare Beschreibung der bereitzustellenden Eingabedaten und die Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit Eingabedaten nach Maßgabe der Artikel 11 und 14 bereitgestellt werden, b) die Bezeichnung der Personen, die Eingabedaten für den Administrator beisteuern können, und Verfahren zur Überprüfung der Identität der Kontributoren und jeglicher Submittenten sowie die Berechtigung jeglicher Submittenten, die im Auftrag eines Kontributors Eingabedaten beitragen, c) Strategien, mit denen sichergestellt wird, dass ein Kontributor alle relevanten Eingabedaten bereitstellt, d) Die Systeme und Kontrollen, die ein Kontributor einrichten muss, dazu zählen: i) Verfahren für die Bereitstellung von Eingabedaten, einschließlich der Pflicht des Kontributors zu der Angabe, ob es sich bei den Eingabedaten um Transaktionsdaten handelt und ob die Eingabedaten den Anforderungen des Administrators entsprechen, ii) Regeln für die Nutzung des Ermessensspielraums bei der Bereitstellung von Eingabedaten, iii) alle Anforderungen an die Validierung von Eingabedaten vor der Bereitstellung für den Administrator, iv) Regeln für das Führen von Aufzeichnungen, v) die Pflicht zur Meldung verdächtiger Eingabedaten, vi) Anforderungen an den Umgang mit Interessenkonflikten. (3) Der Administrator kann für jede Referenzwert-Familie, die er bereitstellt, einen eigenen Verhaltenskodex ausarbeiten. (4) Stellt die jeweils zuständige Behörde in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Artikel 41 fest, dass Elemente des Verhaltenskodexes vorliegen, die dieser Verordnung nicht entsprechen, teilt sie dies dem betreffenden Administrator mit. Der Administrator passt den Verhaltenskodex innerhalb von 30 Tagen nach einer derartigen Mitteilung so an, dass der Verhaltenskodex dieser Verordnung entspricht. (5) Innerhalb von 15 Arbeitstagen nach Geltungsbeginn des Beschlusses zur Aufnahme eines kritischen Referenzwerts in die Liste gemäß Artikel 20 Absatz 1 setzt der Administrator dieses kritischen Referenzwerts die jeweils zuständige Behörde von dem Verhaltenskodex in Kenntnis. Die jeweils zuständige Behörde prüft innerhalb von 30 Tagen, ob der Inhalt des Verhaltenskodexes dieser Verordnung entspricht. Stellt die jeweils zuständige Behörde fest, dass bestimmte Elemente nicht dieser Verordnung entsprechen, findet Absatz 4 des vorliegenden Artikels Anwendung. (6) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, um die in Absatz 2 genannten Elemente des Verhaltenskodexes für die einzelnen Arten von Referenzwerten näher auszuführen und den Entwicklungen bei Referenzwerten und an den Finanzmärkten Rechnung zu tragen. Die ESMA berücksichtigt die unterschiedlichen Eigenschaften der Referenzwerte und Kontributoren, insbesondere in Bezug auf Unterschiede bei Eingabedaten und Methodik, die Manipula-

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7. Teil. Organisationsregeln tionsrisiken der Eingabedaten und die internationalen Konvergenz der Aufsichtspraxis in Bezug auf Referenzwerte. Die ESMA legt der Kommission die Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 1. April 2017 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards nach dem Verfahren der Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Art. 16 – Anforderungen an die Unternehmensführung und Kontrolle beaufsichtigter Kontributoren (1) Für die Unternehmensführung und Kontrolle eines beaufsichtigten Kontributors gelten folgende Anforderungen: a) Der beaufsichtigte Kontributor stellt sicher, dass die Bereitstellung der Eingabedaten nicht durch bestehende oder potenzielle Interessenkonflikte beeinflusst wird und dass eine etwaige erforderliche Ermessensausübung unabhängig und wahrheitsgetreu auf der Grundlage relevanter Informationen im Einklang mit dem in Artikel 15 genannten Verhaltenskodex erfolgt. b) Der beaufsichtigte Kontributor verfügt über einen Kontrollrahmen, mit dem die Integrität, Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Eingabedaten sichergestellt und dafür gesorgt wird, dass die Eingabedaten in Einklang mit dieser Verordnung und dem in Artikel 15 genannten Verhaltenskodex bereitgestellt werden. (2) Ein beaufsichtigter Kontributor muss über wirksame Systeme und Kontrollen zur Wahrung der Integrität und Zuverlässigkeit aller Beiträge von Eingabedaten für den Administrator verfügen; dazu zählen: a) Kontrollen möglicher Submittenten von Eingabedaten für den Administrator und, sofern angemessen, ein Verfahren zur Abzeichnung durch eine natürliche Person, die Vorgesetzte des Submittenten ist, b) geeignete Schulungsmaßnahmen für Submittenten, in denen mindestens diese Verordnung und die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 behandelt werden, c) Maßnahmen zum Umgang mit Interessenkonflikten, falls notwendig auch durch eine organisatorische Trennung der Mitarbeiter, und Überlegungen dazu, wie sich Anreize zur Referenzwert-Manipulierung, die durch die Vergütungspolitik geschaffen wurden, beseitigen lassen, d) über einen angemessenen Zeitraum das Führen von Aufzeichnungen über die Kommunikation in Bezug auf die Bereitstellung von Eingabedaten, über sämtliche Informationen, die dem Kontributor Eingaben ermöglichen, und über alle bestehenden oder potenziellen Interessenkonflikte, einschließlich, aber nicht beschränkt auf, die Risikoposition des Kontributors gegenüber Finanzinstrumenten, bei denen der Referenzwert als Bezugsgrundlage verwendet wird, e) das Führen von Aufzeichnungen über interne und externe Prüfungen. (3) Handelt es sich bei den Eingabedaten um Experteneinschätzungen, legen beaufsichtigte Kontributoren über die Systeme und Kontrollen gemäß Absatz 2 hinaus Strategien für die Wahrnehmung von Beurteilungsspielräumen oder die Ausübung von Ermessen fest und bewahren Aufzeichnungen über die Gründe für diese Wahrnehmung von Beurteilungsspielräumen oder die Ausübung von Ermessen auf. Sofern angemessen, sollten beaufsichtigte Kontributoren der Art des Referenzwerts und seiner Eingabedaten Rechnung tragen. (4) Ein beaufsichtigter Kontributor arbeitet bei der Prüfung und Beaufsichtigung der Bereitstellung eines Referenzwerts uneingeschränkt mit dem Administrator und der jeweils zuständigen Behörde zusammen und stellt die gemäß den Absätzen 2 und 3 aufbewahrten Informationen und Aufzeichnungen zur Verfügung. (5) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, um die in den Absätzen 1, 2 und 3 niedergelegten Anforderungen an die Unternehmensführung, die Systeme und Kontrollen und Strategien näher auszuführen. Die ESMA berücksichtigt die unterschiedlichen Eigenschaften der Referenzwerte und der beaufsichtigten Kontributoren, insbesondere in Bezug auf Unterschiede bei bereitgestellten Eingabe-

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen daten und der verwendeten Methodik, Manipulationsrisiken der Eingabedaten und die Art der von den beaufsichtigten Kontributoren ausgeübten Tätigkeiten sowie die Entwicklungen bei Referenzwerten und an den Finanzmärkten im Lichte der internationalen Konvergenz der Aufsichtspraxis in Bezug auf Referenzwerte. Die Entwürfe technischer Regulierungsstandards der ESMA beziehen sich jedoch nicht auf beaufsichtigte Kontributoren nicht signifikanter Referenzwerte und gelten auch nicht für sie. Die ESMA legt der Kommission die Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 1. April 2017 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards nach dem Verfahren der Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095 /2010 zu erlassen. (6) Die ESMA kann in Einklang mit Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 Leitlinien herausgeben, die sich an beaufsichtigte Kontributoren zu nicht signifikanten Referenzwerten richten, und darin die in Absatz 5 des vorliegenden Artikels genannten Elemente angeben.

1. Grundlagen. Die Regelungen in Titel II, Kapitel 3 ergänzen die Regelungen der ers- 136 ten beiden Kapitel um Anforderungen an die Kontributoren, die die Eingabedaten für die Referenzwerte liefern (vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 EU-Benchmark-VO, Grundmann 6. Teil Rn 798) und damit korrespondierende Überwachungspflichten des Administrators. Dieser ist insbesondere verantwortlich für die Erstellung des in Art. 15 EU-Benchmark-VO vorgeschriebenen Verhaltenskodex, der die Pflichten der Kontributoren festlegt (unten Rn 137). Auch insofern zielt die Verordnung darauf ab, die zentrale Rolle der Administratoren für die Integrität der Referenzwerte durch prozedurale Anforderungen mit Elementen der – allerdings wiederum aufsichtsrechtlich eingeschränkten und aufsichtlich überwachten – Selbstregulierung zu stärken; das Regulierungskonzept zielt damit gerade nicht auf „reine“ Selbstregulierung ab, sondern ist ein Beispiel für „regulierte Selbstregulierung“.427 Damit soll auch das Fehlen aufsichtsrechtlicher Eingriffskompetenzen hinsichtlich der als solche nicht aufsichtspflichtigen Kontributoren kompensiert werden.428 Dies entspricht sowohl den in den IOSCO-Principles als auch im Wheatley-Report formulierten Konzepten, doch fallen die einschlägigen Vorgaben der Verordnung deutlich umfassender aus als die darin formulierten Empfehlungen.429 Die Administratoren erhalten damit über die Verantwortung für die Einhaltung der Anforderungen an die eigene Aufbau- und Ablauforganisation hinaus zugleich eine quasi-aufsichtliche Verantwortung für die Einhaltung der Anforderungen durch die Kontributoren zugewiesen. Beaufsichtigte Kontributoren i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 EU-Benchmark-VO werden zudem nach Maßgabe des Art. 16 EU-Benchmark-VO detaillierten eigenständigen Anforderungen an die Unternehmensführung und Kontrolle unterworfen (unten Rn 138). Vom Anwendungsbereich der Vorgaben aus Artt. 15 und 16 EU-Benchmark-VO ausgenommen sind gem. Art. 17 der Verordnung Referenzwerte aus regulierten Daten (siehe schon oben Rn 132). 2. Verhaltenskodex (Art. 15 EU-Benchmark-VO). Ein Verhaltenskodex muss gem. 137 Art. 15 Abs. 1 Satz 1 EU-Benchmark-VO für alle Referenzwerte ausgearbeitet werden, die

427

Zum Begriff grundlegend die Beiträge in Berg u.a., Regulierte Selbstregulierung, passim als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates – Ergebnisse des Symposiums aus Anlass des 60. Geburtstages von Wolfgang Hoffmann-Riem (Berlin 2001). Vgl. im Ergebnis gleichsinnig auch bereits Spindler ZBB 2015, 165 (172).

428 429

Kritisch Chiu Cap. Mkt. L.J. 11 (2016), 191 (206). Vgl. IOSCO, Principles for Financial Benchmarks, S. 25 ff.; Wheatley Review of LIBOR: Final Report, Tz. 4.14 ff. und dazu Chiu Cap. Mkt. L.J. 11 (2016), 191 (205 f.).

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auf Eingabedaten von Kontributoren beruhen; für jede der von einem Administrator insgesamt bereitgestellten „Referenzwert-Familien“ kann ein eigener Kodex erstellt werden (Art. 15 Abs. 4 EU-Benchmark-VO). Nach Satz 2 der Vorschrift hat der Administrator die Einhaltung des Kodex durch die Kontributoren laufend, mindestens einmal jährlich sowie jeweils bei Änderungen, zu überwachen. Der Mindestinhalt wird in Art. 15 Abs. 2 EUBenchmark-VO vorgegeben; festzulegen sind danach: die bereitzustellenden Eingabedaten und die Voraussetzungen für die Eingabe (lit. a), die für die Eingabe verantwortlichen Personen und Maßnahmen zur Identitätsüberprüfung (lit. b), nicht näher spezifizierte „Strategien“, die die Einhaltung der Pflichten durch die Kontributoren sicherstellen sollen (lit. c) sowie die von den Kontributoren einzurichtenden Systeme und Kontrollen zur Gewährleistung der Einhaltung der maßgeblichen Pflichten (lit. d). Diese Anforderungen werden nach Maßgabe des Art. 15 Abs. 6 EU-Benchmark-VO durch Technische Regulierungsstandards weiter konkretisiert, die im Entwurf vorliegen.430 Die zuständigen Behörden überprüfen die Verhaltenskodizes und haben zu veranlassen, dass der Administrator ggf. Beanstandungen abhilft (Einzelheiten: Art. 15 Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 EU-Benchmark-VO). 3. Anforderungen an die Unternehmensführung und Kontrolle beaufsichtigter Kontri-

138 butoren (Art. 16 EU-Benchmark-VO). Beaufsichtigte Kontributoren i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. Nr. 17 EU-Benchmark-VO, d.h. Kreditinstitute, Wertpapierfirmen und andere unionsrechtlich besonders erfasste beaufsichtigte Finanzintermediäre, unterliegen nach Art. 16 EU-Benchmark-VO besonderen Organisationspflichten, die auf die Vermeidung von Interessenkonflikten (Abs. 1 lit. a) sowie auf die Vermeidung von Risiken und Beeinträchtigungen für die Integrität der Eingabedaten abzielen (Abs. 1 lit. b sowie Abs. 2). Für die Anforderungen gelten die oben zu den Organisationspflichten der Administratoren formulierten Aussagen (Rn 123 ff.) entsprechend: Auch und besonders die bereichsspezifischen Organisationspflichten aus Art. 16 der Verordnung fügen sich konzeptionell und inhaltlich weitestgehend bruchfrei in die allgemeinen aufsichtsrechtlichen Organisationspflichten zur Vermeidung von bzw. zum Umgang mit Interessenkonflikten sowie zu Compliance-Pflichten ein und werden hier lediglich bereichsspezifisch auf die speziellen Regulierungsziele der Verordnung bezogen. Besonderheiten ergeben sich lediglich im Hinblick auf die zusätzlichen Schranken für die Verwendung von Eingabedaten, die auf Experteneinschätzungen beruhen (Art. 16 Abs. 3 EU-Benchmark-VO), sowie auf die in Abs. 4 der Vorschrift geregelte Pflicht zur Kooperation mit dem Administrator. Auch diese Vorgaben werden gem. Art. 16 Abs. 5 durch Technische Regulierungsstandards weiter konkretisiert, die in der Entwurfsfassung vorliegen.431

430

ESMA, Final report: Draft technical standards under the Benchmarks Regulation, 30.03.2017 (ESMA70–145–48), S. 99 ff. und dazu S. 30 ff.

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431

ESMA, Final report: Draft technical standards under the Benchmarks Regulation, 30.3.2017 (ESMA70–145–48), S. 107 ff. und dazu S. 37 ff.

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen

IV. Differenzierungen nach Art der Referenzwerte (Titel III EU-Benchmark-VO – Überblick) TITEL III ANFORDERUNGEN AN VERSCHIEDENE ARTEN VON REFERENZWERTEN KAPITEL 1 Referenzwerte aus regulierten Daten Art. 17 – Referenzwerte aus regulierten Daten (1) Artikel 11 Absatz 1 Buchstaben d und e, Artikel 11 Absätze 2 und 3, Artikel 14 Absätze 1 und 2 und Artikel 15 und Artikel 16 finden keine Anwendung auf die Bereitstellung von und das Beitragen zu Referenzwerten aus regulierten Daten. Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a findet keine Anwendung auf die Bereitstellung von Referenzwerten aus regulierten Daten mit Bezug zu Eingabedaten, die vollständig und direkt gemäß Artikel 3 Absatz 1 Nummer 24 beigetragen werden. (2) Artikel 24 und 25 oder Artikel 26 gelten, soweit anwendbar, für die Bereitstellung von und das Beitragen zu Referenzwerten aus regulierten Daten, die direkt oder indirekt in einer Kombination von Referenzwerten als Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente oder Finanzkontrakte oder für die Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds mit einem Gesamtwert von bis zu 500 Mrd. EUR verwendet werden, soweit anwendbar berechnet auf der Grundlage der gesamten Bandbreite der Laufzeiten bzw. Fälligkeiten im Zusammenhang mit dem Referenzwert.

KAPITEL 2 Referenzzinssätze Art. 18 – Referenzzinssätze Für die Bereitstellung von und das Beitragen zu Referenzzinssätzen gelten die besonderen Anforderungen des Anhangs I zusätzlich zu den oder anstelle der Anforderungen des Titels II. Die Artikel 24, 25 und 26 gelten nicht für die Bereitstellung von und das Beitragen zu Referenzzinsätzen.

KAPITEL 3 Rohstoff- Referenzwerte Art. 19 – Rohstoff-Referenzwerte (1) Die im Anhang II festgelegten besonderen Anforderungen finden anstelle der Anforderungen des Titels II, ausgenommen Artikel 10, auf die Bereitstellung von und Beiträge zu RohstoffReferenzwerten Anwendung, es sei denn, der betreffende Referenzwert beruht auf regulierten Daten oder auf Eingaben von Kontributoren, bei denen es sich mehrheitlich um beaufsichtigte Unternehmen handelt. Die Artikel 24, 25 und 26 gelten nicht für die Bereitstellung von und Beiträge zu Rohstoff- Referenzwerten. (2) Ist ein Rohstoff- Referenzwert ein kritischer Referenzwert und der Basisvermögenswert Gold, Silber oder Platin, gelten die Anforderungen des Titels II anstelle von Anhang II.

KAPITEL 4 Kritische Referenzwerte Art. 20 – Kritische Referenzwerte (1) Die Kommission erlässt gemäß dem in Artikel 50 Absatz 2 genannten Prüfverfahren Durchführungsrechtsakte, um eine Liste der kritischen Referenzwerte, die von Administratoren, die in der Union angesiedelt sind, bereitgestellt werden, zu erstellen und mindestens alle zwei Jahre zu überprüfen, sofern eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

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7. Teil. Organisationsregeln a) Der Referenzwert wird direkt oder indirekt in einer Kombination von Referenzwerten als Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente oder Finanzkontrakte oder für die Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds verwendet, die einen Gesamtwert von mindestens 500 Mrd. EUR haben – berechnet auf der Grundlage der gesamten Bandbreite der Laufzeiten bzw. Fälligkeiten im Zusammenhang mit dem Referenzwert. b) Der Referenzwert beruht auf Beiträgen von mehrheitlich in einem Mitgliedstaat angesiedelten Kontributoren und ist in diesem Mitgliedstaat gemäß dem Verfahren der Absätze 2, 3, 4 und 5 des vorliegenden Artikels als kritisch eingestuft. c) Der Referenzwert erfüllt alle der folgenden Kriterien: i) Der Referenzwert wird direkt oder indirekt in einer Kombination von Referenzwerten als Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente oder Finanzkontrakte oder für die Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds verwendet, die einen Gesamtwert von mindestens 400 Mrd. EUR haben, aber den unter Buchstabe a festgelegten Wert nicht übersteigen – berechnet auf der Grundlage der gesamten Bandbreite der Laufzeiten bzw. Fälligkeiten im Zusammenhang mit dem Referenzwert. ii) Für den Referenzwert gibt es keinen oder nur in sehr wenigen Fällen einen marktbestimmten Ersatz. iii) Wenn der Referenzwert nicht mehr oder auf der Grundlage von für den zugrunde liegenden Markt oder die zugrunde liegende wirtschaftliche Realität nicht mehr vollständig repräsentativen oder unzuverlässigen Eingabedaten bereitgestellt würde, gäbe es erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Integrität der Märkte, die Finanzstabilität, die Verbraucher, die Realwirtschaft oder die Finanzierung der Haushalte oder Unternehmen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten. Wenn ein Referenzwert die in Buchstabe c Ziffern ii und iii genannten Kriterien erfüllt, aber das in Buchstabe c Ziffer i genannte Kriterium nicht erfüllt, können die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten und die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Administrator angesiedelt ist, vereinbaren, dass dieser Referenzwert als im Sinne dieses Unterabsatzes kritischer Referenzwert eingestuft werden sollte. In allen Fällen konsultiert die zuständige Behörde des Administrators die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den zuständigen Behörden entscheidet die zuständige Behörde des Administrators, ob der Referenzwert als kritisch im Sinne dieses Unterabsatzes eingestuft werden sollte, und trägt dabei den Gründen der Meinungsverschiedenheiten Rechnung. Die zuständigen Behörden oder bei Meinungsverschiedenheiten die zuständige Behörde des Administrators übermitteln der Kommission eine Bewertung. Nach Eingang der Bewertung erlässt die Kommission gemäß diesem Absatz einen Durchführungsrechtsakt. Bei Meinungsverschiedenheiten übermittelt die zuständige Behörde des Administrators ihre Bewertung darüber hinaus an die ESMA, die eine Stellungnahme veröffentlichen kann. (2) Ist die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, auf den in Absatz 1 Buchstabe b Bezug genommen wird, der Ansicht, dass ein von ihr beaufsichtigter Administrator einen Referenzwert bereitstellt, der als kritisch eingestuft werden sollte, benachrichtigt sie die ESMA und übermittelt ihr eine dokumentierte Bewertung. (3) Für die Zwecke von Absatz 2 bewertet die zuständige Behörde, ob die Einstellung des Referenzwerts oder die Bereitstellung des Referenzwerts auf der Grundlage von Eingabedaten oder einer Kontributorengruppe, die für den zugrunde liegenden Markt oder die zugrunde liegende wirtschaftliche Realität nicht mehr repräsentativ sind bzw. ist, nachteilige Auswirkungen auf die Integrität der Märkte, die Finanzstabilität, die Verbraucher, die Realwirtschaft oder die Finanzierung der Haushalte oder Unternehmen in ihrem Mitgliedstaat hat. Bei der Bewertung berücksichtigt die zuständige Behörde: a) den Wert der Finanzinstrumente und Finanzkontrakte, bei denen dieser Referenzwert innerhalb des Mitgliedstaats als Bezugsgrundlage dient, und den Wert der Investmentfonds, für die dieser Referenzwert innerhalb des Mitgliedstaats als Bezugsgrundlage für die Messung der Wertentwicklung dient, und deren Relevanz für den Gesamtwert der in diesem Mitgliedstaat ausstehenden Finanzinstrumente und Finanzkontrakte; und für den Gesamtwert der Investmentfonds in diesem Mitgliedstaat;

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen b) Den Wert der Finanzinstrumente und Finanzkontrakte, bei denen dieser Referenzwert innerhalb des Mitgliedstaats als Bezugsgrundlage dient und ded Wert von Investmentfonds, für die dieser Referenzwert innerhalb des Mitgliedstaats als Bezugsgrundlage für die Messung der Wertentwicklung dient, und deren Relevanz für das Bruttosozialprodukt des Mitgliedstaats; c) sonstige Angaben zur objektiven Bewertung der potenziellen Auswirkungen einer Diskontinuität oder Unzuverlässigkeit des Referenzwerts auf die Integrität der Märkte, die Finanzstabilität, die Verbraucher, die Realwirtschaft oder die Finanzierung der Haushalte und Unternehmen in dem Mitgliedstaat. Die zuständige Behörde überprüft mindestens alle zwei Jahre ihre Bewertung der Gefährlichkeit des Referenzwerts, benachrichtigt die ESMA und übermittelt ihr die neue Bewertung. (4) Binnen sechs Wochen nach Eingang der in Absatz 2 genannten Mitteilung gibt die ESMA eine Stellungnahme dazu ab, ob die Bewertung der zuständigen Behörde den Voraussetzungen des Absatzes 3 genügt, und übermittelt der Kommission eine solche Stellungnahme zusammen mit der Bewertung der zuständigen Behörde. (5) Nach Eingang der Stellungnahme gemäß Absatz 4 erlässt die Kommission Durchführungsrechtsakte gemäß Absatz 1. (6) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 49 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um a) zum Zweck des Vergleichs mit den Schwellenwerten gemäß Absatz 1 dieses Artikels und Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe a festzulegen, wie der Nennwert von Finanzinstrumenten mit Ausnahme von Derivaten, der nominelle Wert von Derivaten und der Nettoinventarwert von Investmentfonds bewertet werden muss, auch im Fall einer indirekten Bezugnahme auf einen Referenzwert in einer Kombination von Referenzwerten; b) Die Berechnungsmethode für die Festlegung der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Schwellenwerte zu überprüfen und dabei den Entwicklungen des Marktes, der Preise und der Rechtsvorschriften Rechnung zu tragen sowie die Angemessenheit der Einstufung von Referenzwerten mit einem in der Nähe des Schwellenwerts liegenden Gesamtwert der Finanzinstrumente, -kontrakte oder Investmentfonds, für die diese Referenzwerte als Bezugsgrundlage dienen, zu überprüfen. Diese Überprüfung erfolgt mindestens alle zwei Jahre ab dem 1. Januar 2018; c) festzulegen, wie die Kriterien gemäß Absatz 1 Buchstabe c Ziffer iii des vorliegenden Artikels anzuwenden sind, wobei allen Daten, die die objektive Bewertung der potenziellen Auswirkungen einer Diskontinuität oder Unzuverlässigkeit des Referenzwerts auf die Integrität der Märkte, die Finanzstabilität, die Verbraucher, die Realwirtschaft oder die Finanzierung der Haushalte und Unternehmen in dem Mitgliedstaat ermöglichen, Rechnung zu tragen ist. Die Kommission trägt den relevanten Markt- und Technologieentwicklungen gegebenenfalls Rechnung. Art. 21 – Pflicht zur Verwaltung eines kritischen Referenzwerts (1) Beabsichtigt der Administrator eines kritischen Referenzwerts, dessen Bereitstellung einzustellen, muss er: a) seine zuständige Behörde unverzüglich benachrichtigen und b) innerhalb von vier Wochen nach einer derartigen Benachrichtigung eine Einschätzung vorlegen, wie: i) der Referenzwert auf einen neuen Administrator zu übertragen ist oder ii) die Bereitstellung des Referenzwerts einzustellen ist, wobei das Verfahren des Artikels 28 Absatz 1 zu berücksichtigen ist. Während des in Unterabsatz 1 Buchstabe b genannten Zeitraums darf der Administrator die Bereitstellung des Referenzwerts nicht einstellen. (2) Nach Eingang der in Absatz 1 genannten Einschätzung des Administrators des Referenzwerts muss die zuständige Behörde a) die ESMA und, falls angezeigt, das gemäß Artikel 46 errichtete Kollegium unterrichten und b) innerhalb von vier Wochen eine eigene Einschätzung vornehmen, wie der Referenzwert auf ei-

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7. Teil. Organisationsregeln nen neuen Administrator zu übertragen ist oder wie die Bereitstellung des Referenzwerts einzustellen ist, wobei das Verfahren des Artikels 28 Absatz 1 zu berücksichtigen ist. Während des unter Unterabsatz 1 Buchstabe b des vorliegenden Artikels genannten Zeitraums darf der Administrator die Bereitstellung des Referenzwerts ohne die schriftliche Zustimmung der zuständigen Behörde nicht einstellen. (3) Nach Vornahme der Einschätzung gemäß Absatz 2 Buchstabe b ist die zuständige Behörde befugt, den Administrator dazu zu verpflichten, die Veröffentlichung des Referenzwerts fortzusetzen, bis a) die Bereitstellung des Referenzwerts auf einen neuen Administrator übertragen worden ist, b) Die Bereitstellung des Referenzwerts auf geordnete Weise eingestellt werden kann oder c) der Referenzwert kein kritischer Referenzwert mehr ist. Für die Zwecke von Unterabsatz 1 beträgt der Zeitraum, für den die zuständige Behörde den Administrator dazu verpflichten kann, den Referenzwert weiterhin zu veröffentlichen, höchstens 12 Monate. Bis zum Ende dieses Zeitraums überprüft die zuständige Behörde ihren Beschluss, den Administrator dazu zu verpflichten, den Referenzwert weiterhin zu veröffentlichen, und kann, falls es notwendig ist, den Zeitraum um einen angemessenen Zeitraum von höchstens zwölf weiteren Monaten verlängern. Die Pflicht zur Verwaltung darf insgesamt nicht länger als 24 Monate bestehen. (4) Unbeschadet des Absatzes 1 nimmt die zuständige Behörde, falls der Administrator eines kritischen Referenzwerts aufgrund eines Insolvenzverfahrens abgewickelt werden soll, eine Einschätzung vor, ob und wie dieser kritische Referenzwert auf einen neuen Administrator zu übertragen ist oder wie die Bereitstellung des Referenzwerts auf geordnete Weise eingestellt werden kann, wobei das Verfahren des Artikels 28 Absatz 1 zu berücksichtigen ist. Art. 22 – Einschränkung der Marktmacht der Administratoren kritischer Referenzwerte Unbeschadet der Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union trifft der Administrator bei der Bereitstellung eines kritischen Referenzwerts geeignete Maßnahmen, damit Lizenzen für und Informationen über den Referenzwert allen Nutzern auf einer angemessenen, vernünftigen, transparenten und nichtdiskriminierenden Grundlage zur Verfügung gestellt werden. Art. 23 – Pflicht zu Beiträgen zu einem kritischen Referenzwert (1) Dieser Artikel findet Anwendung auf kritische Referenzwerte, die auf Eingaben von Kontributoren beruhen, bei denen es sich mehrheitlich um beaufsichtigte Unternehmen handelt. (2) Der Administrator eines oder mehrerer kritischer Referenzwerte reicht bei seiner zuständigen Behörde alle zwei Jahre eine Einschätzung ein, ob jeder von ihm bereitgestellte kritische Referenzwert zur Messung des zugrunde liegenden Marktes oder der zugrunde liegenden wirtschaftlichen Realität geeignet ist. (3) Falls ein beaufsichtigter Kontributor zu einem kritischen Referenzwert beabsichtigt, das Beitragen von Eingabedaten einzustellen, benachrichtigt er umgehend schriftlich den Administrator, der die jeweils zuständige Behörde unverzüglich unterrichtet. Ist der beaufsichtigte Kontributor in einem anderen Mitgliedstaat angesiedelt, benachrichtigt die zuständige Behörde des Administrators unverzüglich die zuständige Behörde dieses Kontributors. Der Administrator des Referenzwerts unterbreitet seiner zuständigen Behörde so bald wie möglich, spätestens jedoch 14 Tage nach der Benachrichtigung des beaufsichtigten Kontributors eine Einschätzung der Folgen für die Eignung des Referenzwerts zur Messung des zugrunde liegenden Marktes bzw. der zugrunde liegenden wirtschaftlichen Realität. (4) Nach Eingang der in den Absätzen 2 und 3 des vorliegenden Artikels genannten Einschätzung des Administrators des Referenzwerts und auf der Grundlage einer solchen Einschätzung unterrichtet die zuständige Behörde umgehend die ESMA und, falls angezeigt, das gemäß Artikel 46 errichtete Kollegium und nimmt eine eigene Einschätzung der Eignung des Referenzwerts zur Messung des zugrunde liegenden Marktes bzw. der zugrunde liegenden wirtschaftlichen Realität

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen vor, wobei das von dem Administrator nach Artikel 28 Absatz 1 zu befolgende Verfahren für die Einstellung eines Referenzwerts zu berücksichtigen ist. (5) Ab dem Tag, an dem die zuständige Behörde von der Absicht eines Kontributors, keine Eingabedaten mehr beizutragen, benachrichtigt wird, bis dem Zeitpunkt, an dem die Einschätzung gemäß Absatz 4 abgeschlossen ist, ist die zuständige Behörde des Administrators befugt, die Kontributoren, die eine Benachrichtigung gemäß Absatz 3 abgegeben haben, auf jeden Fall für einen Zeitraum von höchstens vier Wochen zu verpflichten, weiterhin Eingabedaten beizutragen, ohne die beaufsichtigten Unternehmen zum Handel oder zur Zusage zum Handel zu verpflichten. (6) Ist die zuständige Behörde nach dem in Absatz 5 genannten Zeitraum auf der Grundlage ihrer eigenen Einschätzung gemäß Absatz 4 der Ansicht, dass die Repräsentativität eines kritischen Referenzwerts gefährdet wird, erhält sie folgende Befugnisse: a) Sie darf von den gemäß Absatz 7 des vorliegenden Artikels ausgewählten beaufsichtigten Unternehmen, einschließlich derjenigen, die noch nicht als Kontributor zu dem jeweiligen kritischen Referenzwert beitragen, verlangen, dass sie in Einklang mit der Methodik des Administrators, dem Verhaltenskodex nach Artikel 15 und anderen Regeln Eingabedaten für den Administrator beitragen. Eine solche Anforderung besteht während eines angemessenen Zeitraums, der zwölf Monate ab dem Zeitpunkt, zu dem die ursprüngliche Entscheidung über eine Beitragspflicht nach Absatz 5 getroffen wurde, bzw. für diejenigen Unternehmen, bei denen es sich noch nicht um Kontributoren handelt, ab dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung über eine Beitragspflicht getroffen wird, nicht überschreiten darf. b) Sie darf nach einer Überprüfung der gemäß Buchstabe a dieses Absatzes erlassenen Maßnahmen gemäß Absatz 9 den Zeitraum für die Erbringung von Pflichtbeiträgen um einen angemessenen Zeitraum zu verlängern, jedoch um nicht mehr als zwölf Monate. c) Sie darf festlegen, in welcher Form und bis zu welchem Zeitpunkt die Eingabedaten beizutragen sind, ohne dass damit den beaufsichtigten Unternehmen eine Verpflichtung zum Handel oder zur Zusage zum Handel auferlegt wird. d) Sie darf den Administrator verpflichten, die Methodik, den in Artikel 15 genannten Verhaltenskodex oder andere Regeln des kritischen Referenzwerts zu ändern. Die Beitragspflicht gemäß Unterabsatz 1 Buchstaben a und b darf insgesamt nicht länger als 24 Monate bestehen. (7) Die beaufsichtigten Unternehmen, die gemäß Absatz 6 zu Beiträgen verpflichtet sind, werden von der zuständigen Behörde des Administrators mit Unterstützung der zuständigen Behörden der beaufsichtigten Unternehmen auf der Grundlage des Umfangs der tatsächlichen und potenziellen Beteiligung der beaufsichtigten Unternehmen an dem Markt, den der Referenzwert messen soll, ausgewählt. (8) Die zuständige Behörde eines beaufsichtigten Kontributors, der durch Maßnahmen gemäß Absatz 6 Buchstabe a, b oder c zu Beiträgen zu einem Referenzwert verpflichtet wurde, arbeitet mit der zuständigen Behörde des Administrators bei der Durchsetzung derartiger Maßnahmen zusammen. (9) Bis zum Ablauf des in Absatz 6 Unterabsatz 1 Buchstabe a genannten Zeitraums überprüft die zuständige Behörde des Administrators die nach Absatz 6 erlassenen Maßnahmen. Sie widerruft die jeweiligen Maßnahmen, wenn sie der Auffassung ist, dass a) die Kontributoren im Fall der Aufhebung der Maßnahme mindestens noch ein Jahr lang Eingabedaten beitragen würden, was mindestens durch Folgendes nachgewiesen wird: i) schriftliche Verpflichtung der Kontributoren gegenüber dem Administrator und der zuständigen Behörde, mindestens noch ein Jahr lang Eingabedaten zu dem kritischen Referenzwert beizutragen, wenn die Maßnahme aufgehoben wird; ii) schriftlicher Bericht des Administrators an die zuständige Behörde, der die Einschätzung belegt, dass der Fortbestand des kritischen Referenzwerts nach Aufhebung der Beitragspflicht gewährleistet werden kann; b) der Referenzwert weiterhin bereitgestellt werden kann, nachdem die Kontributoren, die verpflichtet sind, Eingabedaten beizutragen, die Beiträge eingestellt haben;

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7. Teil. Organisationsregeln c) Ein akzeptabler Referenzwert-Ersatz zur Verfügung steht und die Nutzer des kritischen Referenzwerts zu minimalen Kosten auf diesen Ersatz umstellen können, was mindestens durch einen schriftlichen Bericht des Administrators belegt wird, der Einzelheiten zu den Mitteln und Wegen der Umstellung auf einen Referenzwert-Ersatz und zu den Umstellungsmöglichkeiten und -kosten der Referenzwert-Nutzer enthält, oder d) keine geeigneten alternativen Kontributoren bestimmt werden können und die Einstellung der Beiträge der entsprechenden beaufsichtigten Unternehmen den Referenzwert so weit schwächen würde, dass er eingestellt werden müsste. (10) Falls die Bereitstellung eines kritischen Referenzwerts eingestellt wird, trägt jeder beaufsichtigte Kontributor zu diesem Referenzwert weiterhin Eingabedaten während eines Zeitraums bei, der von der zuständigen Behörde bestimmt wird, aber dem in Absatz 6 Unterabsatz 2 festgesetzten Zeitraum von höchstens 24 Monaten nicht übersteigt. (11) Verstößt ein Kontributor gegen die Anforderungen des Absatzes 6, benachrichtigt der Administrator die jeweils zuständige Behörde so bald wie angemessenerweise möglich. (12) Ist ein Referenzwert gemäß dem Verfahren des Artikels 20 Absätze 2, 3, 4 und 5 als ein kritischer Referenzwert anerkannt, ist die zuständige Behörde des Administrators befugt, nur beaufsichtigte Kontributoren, die in ihrem Mitgliedstaat angesiedelt sind, zum Beitragen von Eingabedaten gemäß Absatz 5 und Absatz 6 Buchstaben a, b und c dieses Artikels zu verpflichten.

KAPITEL 5 Signifikante Referenzwerte Art. 24 – Signifikante Referenzwerte (1) Ein Referenzwert, der keine der in Artikel 20 Absatz 1 festgelegten Bedingungen erfüllt, ist signifikant, wenn a) er direkt oder indirekt in einer Kombination von Referenzwerten als Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente oder Finanzkontrakte oder für die Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds verwendet wird, die einen Gesamtdurchschnittswert von mindestens 50 Mrd. EUR haben – berechnet auf der Grundlage der gesamten Bandbreite der Laufzeiten bzw. Fälligkeiten in Bezug auf den Referenzwert, soweit anwendbar, über einen Zeitraum von sechs Monaten, oder b) es keinen oder einen nur in sehr geringem Maße geeigneten marktbestimmten Ersatz gibt und es, falls der Referenzwert nicht mehr oder auf der Grundlage von für den zugrunde liegenden Markt oder die zugrunde liegende wirtschaftliche Realität nicht mehr vollständig repräsentativen oder unzuverlässigen Eingabedaten bereitgestellt wird, es eine erhebliche und nachteilige Auswirkung auf die Integrität der Märkte, die Finanzstabilität, die Verbraucher, die Realwirtschaft oder die Finanzierung der Haushalte oder Unternehmen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten gäbe. (2) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 49 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die Berechnungsmethode für die Festlegung des in Absatz 1 Buchstabe a des vorliegenden Artikels genannten Schwellenwerts zu überprüfen und dabei den Entwicklungen des Marktes, der Preise und der Rechtsvorschriften Rechnung zu tragen sowie die Angemessenheit der Einstufung von Referenzwerten mit einem in der Nähe dieses Schwellenwerts liegenden Gesamtwert der Finanzinstrumente, Finanzkontrakte, oder Investmentfonds, für die diese Referenzwerte als Bezugsgrundlage dienen, zu überprüfen. Eine solche Überprüfung erfolgt mindestens alle zwei Jahre ab dem 1. Januar 2018. (3) Der Administrator benachrichtigt umgehend seine zuständige Behörde, wenn sein signifikanter Referenzwert unter den in Absatz 1 Buchstabe a genannten Schwellenwert fällt. Art. 25 – Ausnahmen von den spezifischen Anforderungen für signifikante Referenzwerte (1) Der Administrator kann entscheiden, Artikel 4 Absatz 2, Artikel 4 Absatz 7 Buchstaben c, d und e, Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe b oder Artikel 15 Absatz 2 auf seinen signifikanten Referenzwert nicht anzuwenden, wenn dieser Administrator der Ansicht ist, dass die Anwendung einer

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2. Abschnitt. Organisationspflichten der Anbieter von Intermediationsleistungen oder mehrerer dieser Bestimmungen unter Berücksichtigung der Art oder der Auswirkungen des Referenzwerts oder der Größe des Administrators unverhältnismäßig wäre. (2) Entscheidet der Administrator, eine oder mehrere der in Absatz 1 genannten Bestimmungen nicht anzuwenden, so teilt er dies unverzüglich der zuständigen Behörde mit und unterbreitet ihr alle einschlägigen Informationen, mit denen die Einschätzung des Administrators belegt wird, dass die Anwendung einer oder mehrerer dieser Bestimmungen unter Berücksichtigung der Art oder der Auswirkungen der Referenzwerte oder der Größe des Administrators unverhältnismäßig wäre. (3) Die zuständige Behörde kann entscheiden, dass der Administrator eines signifikanten Referenzwerts dennoch eine oder mehrere der in Artikel 4 Absatz 2, Artikel 4 Absatz 7 Buchstaben c, d und e, Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe b und Artikel 15 Absatz 2 festgelegten Anforderungen anwendet, wenn sie der Ansicht ist, dass dies unter Berücksichtigung der Art oder der Auswirkungen der Referenzwerte oder der Größe des Administrators angemessen wäre. In ihrer Einschätzung berücksichtigt die zuständige Behörde auf der Grundlage der vom Administrator bereitgestellten Informationen folgende Kriterien: a) die Manipulationsanfälligkeit des Referenzwerts; b) die Art der Eingabedaten; c) den Umfang der Interessenkonflikte; d) den Ermessensspielraum des Administrators; e) die Auswirkungen des Referenzwerts auf die Märkte; f) Die Art, den Umfang und die Komplexität der Bereitstellung des Referenzwerts; g) die Bedeutung des Referenzwerts für die Finanzstabilität; h) den Wert der Finanzinstrumente, Finanzkontrakte oder Investmentfonds, bei denen dieser Referenzwert als Bezugsgrundlage dient; i) Die Größe, Organisationsform oder Struktur des Administrators. (4) Die zuständige Behörde teilt dem Administrator innerhalb von 30 Tagen nach Eingang der Benachrichtigung des Administrators nach Absatz 2 ihre Entscheidung, eine zusätzliche Anforderung gemäß Absatz 3 anzuwenden, mit. Erfolgt die Benachrichtigung an die zuständige Behörde während des Zulassungs- oder Registrierungsverfahrens, gelten die in Artikel 34 genannten Fristen. (5) Bei der Ausübung ihrer Aufsichtsbefugnisse gemäß Artikel 41 überprüft die zuständige Behörde regelmäßig, ob ihre Einschätzung gemäß Absatz 3 des vorliegenden Artikels noch zutrifft. (6) Gelangt die zuständige Behörde zu der hinreichend begründeten Auffassung, dass die ihr gemäß Absatz 2 des vorliegenden Artikels übermittelten Informationen unvollständig sind oder es ergänzender Informationen bedarf, gilt die in Absatz 4 des vorliegenden Artikels genannte Frist von 30 Tagen erst ab dem Zeitpunkt, an dem der Administrator diese ergänzenden Informationen vorlegt, es sei denn, die Fristen nach Artikel 34 gelten gemäß Absatz 4 des vorliegenden Artikels. (7) Erfüllt der Administrator eines signifikanten Referenzwerts eine oder mehrere der in Artikel 4 Absatz 2, Artikel 4 Absatz 7 Buchstaben c, d und e, Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe b und Artikel 15 Absatz 2 festgelegten Anforderungen nicht, veröffentlicht und pflegt er eine Konformitätserklärung, in der klar angegeben ist, warum nichts dagegen einzuwenden ist, dass er diese Bestimmungen nicht einhält. (8) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Durchführungsstandards aus, um ein Muster für die in Absatz 7 genannte Konformitätserklärung zu entwickeln. Die ESMA legt der Kommission bis zum 1. April 2017 die in Unterabsatz 1 genannten Entwürfe technischer Durchführungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. (9) Die ESMA erarbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards, in denen die in Absatz 3 genannten Kriterien näher ausgeführt werden. Die ESMA legt der Kommission die Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 1. April 2017 vor.

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7. Teil. Organisationsregeln Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards nach dem Verfahren der Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/ 2010 zu erlassen.

KAPITEL 6 Nicht signifikante Referenzwerte Art. 26 – Nicht signifikante Referenzwerte (1) Der Administrator kann entscheiden, Artikel 4 Absatz 2, Artikel 4 Absatz 7 Buchstaben c, d und e, Artikel 4 Absatz 8, Artikel 5 Absätze 2, 3 und 4, Artikel 6 Absätze 1, 3 und 5, Artikel 7 Absatz 2, Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe b, Artikel 11 Absatz 2 Buchstaben b und c und Artikel 11 Absatz 3, Artikel 13 Absatz 2, Artikel 14 Absatz 2, Artikel 15 Absatz 2 und Artikel 16 Absätze 2 und 3 auf seine nicht signifikanten Referenzwerte nicht anzuwenden. (2) Der Administrator benachrichtigt umgehend die zuständige Behörde, wenn der nicht signifikante Referenzwert des Administrators den in Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe a genannten Schwellenwert übersteigt. In diesem Fall erfüllt er die für signifikante Referenzwerte geltenden Anforderungen innerhalb von drei Monaten. (3) Entscheidet der Administrator eines nicht signifikanten Referenzwerts, eine oder mehrere der in Absatz 1 genannten Bestimmungen nicht anzuwenden, veröffentlicht und pflegt er eine Konformitätserklärung, in der klar angegeben ist, warum nichts dagegen einzuwenden ist, dass er diese Bestimmungen nicht einhält. Der Administrator legt seiner zuständigen Behörde die Konformitätserklärung vor. (4) Die jeweils zuständige Behörde überprüft die Konformitätserklärung nach Absatz 3 des vorliegenden Artikels. Die zuständige Behörde kann vom Administrator zusätzliche Informationen in Bezug auf seine nicht signifikanten Referenzwerte gemäß Artikel 41 anfordern und kann Änderungen verlangen, um die Einhaltung dieser Verordnung sicherzustellen. (5) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Durchführungsstandards aus, um ein Muster für die Konformitätserklärung nach Absatz 3 zu entwickeln. Die ESMA legt der Kommission bis zum 1. April 2017 die in Unterabsatz 1 genannten Entwürfe technischer Durchführungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen.

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In Titel III der Verordnung werden die ablauforganisatorischen Anforderungen des Titels II unter Berücksichtigung der Besonderheiten einzelner Arten von Referenzwerten weiter ausdifferenziert und zugleich aufsichtsrechtliche Kompetenzen für die Erfassung der einzelnen Gruppen vorgesehen. Die Regelungsinhalte sind sehr heterogen: Art. 17 EUBenchmark-VO regelt ausschließlich Ausnahmen für Referenzwerte aus regulierten Daten (oben Rn 132), auf die im jeweiligen Sachzusammenhang eingegangen wird. Art. 19 nimmt sodann Rohstoff-Referenzwerte in weitem Umfang aus dem Anwendungsbereich der Anforderungen des Titels II aus und verweist stattdessen auf die in Anhang II der Verordnung geregelten Vorgaben. Diese Sonderregelung gilt nicht für Referenzwerte aus regulierten Daten, Referenzwerte, deren Kontributoren mehrheitlich beaufsichtigte Unternehmen sind sowie für kritische Referenzwerte. Eingehend geregelt werden insbesondere die Vorgaben für kritische Referenzwerte (vgl. dazu Grundmann 6. Teil Rn 775, 777, 803), für die Art. 20 EU-Benchmark-VO zunächst die – mit Durchführungsrechtsakten der Kommission auszugestaltenden – Einzelheiten des Verfahrens der Bestimmung der relevanten Werte regelt. Im Interesse einer kontinuierlichen Verfügbarkeit der kritischen Referenzwerte schreiben Art. 21 der Verordnung sodann besondere Vorgaben für den Administrator und Art. 23 besondere Mitwirkungspflichten für Kontributoren vor, die jeweils die Freiheit der Akteure bei der Entscheidung über die Weiterführung oder Einstellung ihrer Beteiligung am Referenzwert einschränken. Für signifikante Referenzwerte (Grundmann

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

6. Teil Rn 803) wird in Art. 24 das Verfahren zur Bestimmung dieser Kategorie festgelegt und werden dann in Art. 25 durch Ausnahmeregelungen im Ermessen der Administratoren Flexibilisierungen für die Anwendung der allgemeinen Vorgaben geschaffen, die von der zuständigen Behörde zu überprüfen und ggf. aufzuheben sind (Einzelheiten: Art. 25 Abs. 1 bis 5 EU-Benchmark-VO). Für nicht signifikante Referenzwerte schließlich stellt Art. 26 die Anwendbarkeit einer Vielzahl der allgemeinen Anforderungen in das Ermessen der Administratoren; diese müssen jeweils die zuständige Behörde im Rahmen sog. Konformitätserklärungen informieren (Einzelheiten: Art. 25 Abs. 7 sowie Art. 26 Abs. 3 EU-Benchmark-VO).

3. Abschnitt: Transaktionsbezogene Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur A. Handelsinfrastruktur Schrifttum: siehe auch allgemeines Schrifttum vor Abschnitt 1 a) Monographien, Sammelbände, Kommentare: Bopp Fusionen und Kooperationen deutscher Börsen und ihrer Träger, 2015; Christoph Börsenkooperationen und Börsenfusionen, 2007; Groß (Hrsg.), Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2016; Eva Die Rechtsstellung der für die Börse tätigen Personen, 2017; Gurlit/Mülbert Der Börsenträger im Spannungsfeld von Gemeinwohlauftrag und Privatinteresse, 2012; Hammen Börsen und multilaterale Handelssysteme im Wettbewerb, 2011; Kümpel Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens, in Kümpel/Hammen, Börsenrecht. Eine systematische Darstellung, 2. Aufl. 2003; Kumpan Die Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Recht, 2006; Lorenz Die Wertpapierbörse und ihr Träger, 2004 b) Aufsätze und Beiträge: Binder/Broichhausen Entwicklungslinien und Perspektiven des Europäischen Kapitalmarktrechts, ZBB 2006, 85; Bredt Das Börsenrecht als Ausgleichsinstrument zwischen öffentlichem Auftrag, Trägerinteresse und Anforderungen der internationalen Finanzmärkte, WM 2013, 1839; Burgard Die börsenrechtliche Zulässigkeit des Zusammenschlusses der Deutsche Börse AG mit der NYSE Euronext im Blick auf die Frankfurter Wertpapierbörse – Teil I, WM 2011, 1973 und Teil II, WM 2011, 2021; ESMA, Leitlinien: Kalibrierung von Notfallsicherungen und Veröffentlichung von Handelseinstellungen gemäß MiFID II, 27.06.2017 (ESMA70–872942901–63); Clausen/Sørensen Reforming the Regulation of Trading Venues in the EU under the Proposed MiFID II – Levelling the Playing Field and Covercoming Market Fragmentation?, ECFR 2012, 275; Faßbender/Reichegger Haftungsrechtliche Verantwortung für Fehlverhalten von Börsenorganen, WM 2009, 732; Ferrarini/Moloney Reshaping Order Execution in the EU and the Role of Interest Groups: From MiFI I to MiFID II, EBOR 13 (2012), 557; Gomber/Chlistalla/Groth Neue Börsenlandschaft in Europa? Die Umsetzung der MiFID aus Sicht europäischer Marktplatzbetreiber, ZBB 2008, 2; Gomber/ Nassauer Neuordnung der Finanzmärkte in Europa durch MiFID II/MiFIR, ZBB 2014, 250; Güllner MiFID II: Die neue Handelsplatzarchitektur in der EU, WM 2017, 938; Jaskulla Angemessenheit und Grenzen börslicher Mistrade-Regeln in Zeiten des Hochfrequenzhandels am Beispiel der Eurex Deutschland, WM 2012, 1708; Köndgen Internalisierter Wertpapierhandel unter MiFID: zwischen Anlegerschutz und Markteffizienz, in: FS H. Schmidt, 2006, S. 281; Schelling Die systematische Internalisierung in Nichteigenkapitalinstrumenten nach MiFID II und MiFIR, BKR 2015, 221; Schwark Internalisierung, in: FS Immenga, 2004, S. 723; Seitz Die Regulierung von Wertpapierhandelssystemen in der EU, AG 2004, 497

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7. Teil. Organisationsregeln

I. Organisationspflichten des Börsenträgers (§ 5 BörsG – Überblick) Börsengesetz (BörsG) vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1330, 1351), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693)

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Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen über die Börse und ihre Organe § 5 – Pflichten des Börsenträgers (1) Mit Erteilung der Erlaubnis wird der Antragsteller als Träger der Börse zu deren Errichtung und Betrieb berechtigt und verpflichtet. Er ist verpflichtet, der Börse auf Anforderung der Geschäftsführung der Börse die zur Durchführung und angemessenen Fortentwicklung des Börsenbetriebs erforderlichen finanziellen, personellen und sachlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. (2) Der Börsenträger ist verpflichtet, die aktuellen Angaben zu seiner Eigentümerstruktur in dem nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 erforderlichen Umfang auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. (3) Die Auslagerung von Bereichen, die für die Durchführung des Börsenbetriebs wesentlich sind, auf ein anderes Unternehmen darf weder die ordnungsmäßige Durchführung des Handels an der Börse und der Börsengeschäftsabwicklung noch die Aufsicht über die Börse beeinträchtigen. Der Börsenträger hat sich insbesondere die erforderlichen Weisungsbefugnisse vertraglich zu sichern und die ausgelagerten Bereiche in seine internen Kontrollverfahren einzubeziehen. Der Börsenträger hat die Absicht der Auslagerung sowie ihren Vollzug der Börsenaufsichtsbehörde unverzüglich anzuzeigen. (4) Der Börsenträger ist verpflichtet, 1. Vorkehrungen zu treffen, um Konflikte zwischen Eigeninteressen des Börsenträgers oder dessen Eigentümern und dem öffentlichen Interesse am ordnungsgemäßen Betrieb der Börse zu erkennen und zu verhindern, soweit diese geeignet sind, sich nachteilig auf den Börsenbetrieb oder auf die Handelsteilnehmer auszuwirken, insbesondere soweit die der Börse gesetzlich übertragenen Überwachungsaufgaben betroffen sind, 2. angemessene Vorkehrungen und Systeme zur Ermittlung und zum Umgang mit den wesentlichen Risiken des Börsenbetriebs zu schaffen, um diese wirksam zu begrenzen, und 3. die technische Funktionsfähigkeit der Börsenhandels- und Abwicklungssysteme sicherzustellen, technische Vorkehrungen für einen reibungslosen und zeitnahen Abschluss der im Handelssystem geschlossenen Geschäfte zu schaffen und insbesondere wirksame Notfallmaßnahmen vorzusehen, die bei einem Systemausfall oder bei Störungen in seinen Handelssystemen die Kontinuität seines Geschäftsbetriebs gewährleisten, (4a) Der Börsenträger muss über Systeme und Verfahren verfügen, um 1. sicherzustellen, dass seine Handelssysteme belastbar sind und über ausreichende Kapazitäten für Spitzenvolumina an Aufträgen und Mitteilungen verfügen, und 2. Aufträge abzulehnen, die die im Voraus festgelegten Grenzen für Volumina und Kurse überschreiten oder eindeutig irrtümlich zustande kamen. (5) Der Börsenträger muss über ausreichende finanzielle Mittel für eine ordnungsgemäße Durchführung des Börsenbetriebs verfügen, wobei Art, Umfang und Risikostruktur der an der Börse getätigten Geschäfte zu berücksichtigen sind. (6) Der Börsenträger hat das Land, in dessen Gebiet die Börse ansässig ist, von allen Ansprüchen Dritter wegen Schäden freizustellen, die durch die für die Börse Handelnden in Ausübung der ihnen übertragenen Aufgaben verursacht werden. (7) Dem Börsenträger ist es nicht gestattet, an einer Börse Kundenaufträge unter Einsatz seines eigenen Kapitals auszuführen oder auf die Zusammenführung sich deckender Kundenaufträge im Sinne von § 2 Absatz 29 des Wertpapierhandelsgesetzes zurückzugreifen. (8) Der Börsenträger muss über einen Prozess verfügen, der es den Mitarbeitern unter Wahrung der Vertraulichkeit ihrer Identität ermöglicht, mögliche oder tatsächliche Verstöße gegen die

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur Verordnung (EU) Nr. 596/2014, gegen die Verordnung (EU) 2015/2365, gegen die Verordnung (EU) Nr. 600/2014, gegen die Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) (ABl. L 352 vom 9.12.2014, S. 1, L 358 vom 13.12.2014, S. 50), gegen dieses Gesetz, gegen das Wertpapierhandelsgesetz oder gegen die auf Grund des Wertpapierhandelsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sowie etwaige strafbare Handlungen innerhalb des Unternehmens an geeignete Stellen zu berichten.

1. Grundlagen a) Systematischer Zusammenhang: Börsenträger und Organisationsverfassung der 142 Börse. § 5 BörsG, der in seiner heutigen Form auf die Neufassung des Börsengesetzes mit dem FRUG 2007 zurückgeht,432 nimmt innerhalb des Abschnitts 1 des Börsengesetzes („Allgemeine Bestimmungen über die Börse und ihre Organe“) insofern eine zentrale Stellung ein, als er den materiellen Pflichtenkreis des Börsenträgers im Hinblick auf den Betrieb der Börse definiert.433 Die Vorschrift setzt die in § 4 BörsG geregelte Erteilung einer börsenrechtlichen Erlaubnis voraus, die die Erlaubnis und Verpflichtung zum Betreiben der Börse (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 BörsG), die Delegation staatlicher Organisationsgewalt an den Börsenträger als Beliehenen und den konstitutiven Rechtsakt für die Entstehung der Börse als öffentlich-rechtliche Anstalt einschließt.434 Deren Verfassung ist börsengesetzlich vorgegeben und wird in Vollzug gesetzt, indem die Börsenaufsichtsbehörde im Rahmen der Genehmigung einen vorläufigen Börsenrat bestellt, der dann die weiteren Börsenorgane besetzt (vgl. 12 Abs. 5 BörsG).435 Schon dies belegt die zentrale Stellung des Börsenrats als Kontroll- und Entscheidungsorgan mit Selbstverwaltungscharakter (§ 12 BörsG), dem mit dem Erlass der Börsenordnung, der Börsengeschäftsbedingungen, der Gebührenordnung, der Zulassungsordnung für Börsenhändler und der Handelsordnung für den Freiverkehr (§ 12 Abs. 2 Satz 1 BörsG) autonome Rechtsetzungskompetenzen für die untergesetzlichen Rechtsgrundlagen des Börsenhandels zugewiesen sind, und der darüber hinaus die Geschäftsführer (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BörsG) sowie den Leiter der Handelsüberwachungsstelle (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BörsG) jeweils im Einvernehmen mit der Börsenaufsichtsbehörde ernennt und die Börsengeschäftsführung überwacht (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BörsG).436 Daneben steht die Börsengeschäftsführung als Leitungsorgan (§ 15 BörsG), die nach dem Wegfall der früher als eigenständiges Organ ausgestalteten Zulassungsstelle nicht nur für die Leitung des Börsenbetriebs als solchen, sondern auch für die Zulassung der Börsenteilnehmer nach § 19 BörsG sowie für die Zulassung bzw. Einbeziehung von Wertpapieren zum regulierten Markt (§§ 32 Abs. 1, 33 BörsG) sowie die Zulassung von Wirtschaftsgütern und Rechten zum Börsenhandel (§ 23 Abs. 1 BörsG) zuständig ist. Sie ist zugleich zur Durchsetzung der gesetzlichen Anforderungen an den Börsen berufen und hat dazu ein Anordnungsrecht zur Abwendung von Verstößen (§ 15 Abs. 4 BörsG).437 Bereits

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Dazu stellvertretend Schwark/Zimmer/ Schwark KapMR Einl. BörsG Rn 16; siehe zur Bedeutung auch Beck BKR 2002, 662 ff.; Gomber/Hirschberg AB 2006, 777 ff. Treffend Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 5 BörsG Rn 1. Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 4 BörsG Rn 5 f.; Christoph Börsenkooperationen, S. 169 ff. Vgl. auch Christoph Börsenkooperationen, S. 171: Errichtung der Börse nicht durch den

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Börsenträger, sondern durch die Börsenaufsichtsbehörde. Vgl. zum Aufgabenkreis näher Schwark/ Zimmer/Beck KapMR § 12 BörsG Rn 13 ff.; Christoph Börsenkooperationen, S. 141 ff.; Bredt WM 2013, 1839 (1845); zum früheren Recht Kümpel in Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 89 (143 ff., 171 ff.). Zum Aufgabenkreis näher Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 15 BörsG Rn 4 ff.; Kümpel in Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 89

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7. Teil. Organisationsregeln

seit der Neufassung des Börsenrechts durch das 2. FMFG ausdrücklich als Börsenorgan ausgestaltet ist außerdem die Handelsüberwachungsstelle, die gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 BörsG den Handel an der Börse und die Börsengeschäftsabwicklung überwacht und nach Abs. 2 der Vorschrift unmittelbar gegenüber der Börsenaufsichtsbehörde berichtspflichtig ist. Schließlich ist der nach § 22 BörsG vorgeschriebene Sanktionsausschuss Organ der Börse.438 Der Börsenträger selbst hat nach alledem keinen gesetzlich vorgesehenen Einfluss auf den Börsenbetrieb, was in der Praxis indessen vielfach durch Personalunion zwischen Vertretern oder Angestellten des Börsenträgers und der Börsengeschäftsführung kompensiert wird.439 Die in § 5 BörsG ausgestalteten Betriebspflichten belegen allerdings die faktische Abhängigkeit des Börsenbetriebs vom Börsenträger, der im Rahmen seiner Betriebspflicht erst die finanziell-organisatorischen Voraussetzungen für den Börsenhandel schafft.

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b) Verhältnis zu den Zulassungsvoraussetzungen. Die in § 5 BörsG geregelten positiven Pflichten des Börsenträgers ergänzen vor diesem Hintergrund für den laufenden Geschäftsbetrieb der Börse die in § 4 Abs. 3 BörsG aufgeführten, als negative Tatbestandsvoraussetzungen für die Erlaubniserteilung ausgestalteten institutionell-prudenziellen Zulassungsvoraussetzungen, die in §§ 4a und 4b sowie in § 5 BörsG teilweise durch entsprechende positive Anforderungen an den Börsenträger flankiert werden: Nachweis der zum Börsenbetrieb erforderlichen (finanziellen) Mittel, die allerdings im Unterschied zu den korrespondierenden Anforderungen an die Zulassung von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten nicht konkret vorgegeben werden und damit abhängig vom jeweiligen Geschäftsmodell im Einzelfall beurteilt werden müssen (Nr. 1, siehe zusätzlich § 5 Abs. 5 BörsG),440 Zuverlässigkeit und fachliche Eignung der Geschäftsleiter (Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 2; siehe zusätzlich nunmehr §§ 4a und 4b BörsG)441 und schließlich Zuverlässigkeit der Inhaber bedeutender Beteiligungen (Nr. 3).442 Die entsprechenden unionsrechtlichen Vorgaben waren bislang in den Artt. 37 und 38 MiFID I geregelt und sind nunmehr – erheblich intensiviert – in Artt. 45 und 46 MiFID II enthalten. Die corporate-governance-bezogenen Anforderungen stehen danach heute weitgehend im Einklang mit den entsprechenden Vorgaben für Kreditinstitute und Finanzdiestleistungsunternehmen nach der CRD IV.443 Börsenbetreiber, Betreiber von alternativen Handelsplattformen (heute: MTF und OTF, siehe auch Grundmann 5. Teil Rn 55 und Rn 265) und systematische Internalisierer, die als Finanzdienstleistungsinstitute (vgl. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1b, 1d und 4 lit. b KWG) nach allgemeinem Bankaufsichtsrecht aufsichtspflichtig sind, sind damit im Hinblick auf die corporate-governance-bezogenen institutionell-prudenziellen Vorgaben im Wesentlichen gleichgestellt. 144 Im Zusammenspiel mit § 4 BörsG sind die in § 5 BörsG geregelten Pflichten mit alledem zugleich von zentraler Bedeutung für die Aufgabenverteilung in der für das deutsche

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(140 ff., 173); Bredt WM 2013, 1839 (1845). Näher stellvertretend Schwark/Zimmer/ Beck KapMR § 22 BörsG Rn 2. Vgl. im Einzelnen Christoph Börsenkooperationen, S. 146 ff., 163 ff. Dazu Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 4 BörsG Rn 13 und Rn 21 und § 5 Rn 28; Christoph Börsenkooperationen, S. 215 f.; Gurlit/Mülbert Der Börsenträger im Spannungsfeld von Gemeinwohlauftrag und Privatinteresse, S. 40 ff.; Burgard WM 2011, 2021 (2023).

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Dazu Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 4 BörsG Rn 14 ff., 22 ff. Dazu Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 4 BörsG Rn 18 f., 26; Bopp Fusionen und Kooperationen deutscher Börsen und ihrer Träger, S. 23 ff.; Christoph Börsenkooperationen, S. 221 ff.; Gurlit/Mülbert Der Börsenträger im Spannungsfeld von Gemeinwohlauftrag und Privatinteresse, S. 90 ff.; Bredt WM 2013, 1839 (1847 ff.); Burgard WM 2011, 1973 (1975 ff.). Güllner WM 2017, 938 (942).

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

Börsenrecht charakteristischen dualistischen Börsenstruktur, die zwischen der Börse als teilrechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts und Marktveranstalterin (vgl. § 2 Abs. 1 BörsG) und dem Börsenträger als des Zurechnungssubjekts der für die Teilnahme der Börse am Rechtsverkehr relevanten Rechte und Pflichten differenziert444 (siehe allgemein bereits oben Rn 14). Das Verhältnis der in § 5 BörsG geregelten Organisationspflichten zu den institutionell-prudenziellen Anforderungen aus § 4 BörsG entspricht dabei, sieht man von der Besonderheit der für die Regulierung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen charakteristischen Differenzierung nach allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen und spezifisch kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten ab, funktional der Stellung der Organisationspflichten für Intermediäre (§§ 25a und 25e KWG, § 80 WpHG) im Gesamtsystem der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an den Geschäftsbetrieb (oben Rn 32).445 c) Regelungshintergrund der Organisationspflichten. § 5 Abs. 1 und 3 BörsG haben 145 im Rahmen der Neufassung des Börsengesetzes durch das FRUG 2007 die Regelungen zur Betriebspflicht des Börsenbetreibers in § 1 Abs. 2 und Abs. 3 BörsG a.F. aufgenommen, die ihrerseits auf das 4. FMFG 2010446 zurückgehen. Damit und mit den durch das FRUG neu aufgenommenen Vorschriften der Abs. 2, 4 und 5 wurden seinerzeit zugleich die Anforderungen an die Betreiber geregelter Märkte aus Art. 39 MiFID I umgesetzt. Die inhaltlichen Parallelen zu den kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten waren schon damals Beleg für die Annäherung der regulatorischen Vorgaben für alle Betreiber von Handelsinfrastruktur (neben Börsen insbesondere MTFs) im Interesse eines verstärkten Wettbewerbs zwischen diesen, was bereits für die MiFID I charakteristisch war.447 Mit der Neufassung der unionsrechtlichen Anforderungen durch die MiFID II sind die Anforderungen an die Betreiber geregelter Märkte – wiederum im Einklang mit der regulatorischen Erfassung von Intermediären und nunmehr auch der Anbieter der Nachhandelsinfrastruktur (siehe noch unten Rn 188 ff.) – ebenso wie die institutionell-prudenziellen Anforderungen an Geschäftsleiter und Inhaber wesentlicher Beteiligungen erheblich ausgebaut worden. Diese werden teilweise im Rahmen der Pflichten des Börsenträgers nach § 5 BörsG, teilweise aber auch im Zusammenhang mit den organisatorischen Anforderungen an den Börsenhandel nach §§ 24 ff. BörsG umgesetzt (unten Rn 155 ff.). Die allgemeinen organisatorischen Vorgaben in Art. 47 MiFID II, der die Vorgaben in Art. 39 MiFID I fortentwickelt und für Betreiber geregelter Märkte funktional an die Stelle der allgemeinen bankaufsichtsund kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten tritt, werden nunmehr ergänzt durch detaillierte Anforderungen an die „Belastbarkeit der Systeme“, an Notfallsicherungen (‚circuit breakers‘) und den die Ausgestaltung des elektronischen Handels in Art. 48 Mi-

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Vgl. Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 2 BörsG Rn 35 (Börse) und Rn 38 f. (Börsenträger); Kümpel in Kümpel/Hammen Börsenrecht, S. 89 (98); zur Neufassung durch das FRUG insoweit Beck BKR 2002, 662 (664). Im Ausgangspunkt ähnlich, aber Unterschiede im Hinblick auf die öffentlich-rechtliche Betriebspflicht betonend Hammen Bösen und multilaterale Handelssysteme im Wettbewerb, S. 53 f. Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz – 4. FMFG) vom 21.06.2002, BGBl. 2002 I S. 2010.

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Vgl. etwa Schönemann Organisationsstruktur der Börse, S. 161; zusf. Binder/Broichhausen ZBB 2006, 85 (96); Güllner WM 2017, 938 (939 f.); allgemein auch Hammen Börsen und multilaterale Handelssysteme im Wettbewerb, 2011, S. 14 ff.; zu den empirisch beobachtbaren Konsequenzen Clausen/ Sørensen ECFR 2012, 275 (277 f.); Gomber/ Chlistalla/Groth ZBB 2008, 2 ff. und nochmals CESR, Impact of MiFID on equity secondary markets functioning, 10.6.2009 (CESR/09–355).

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7. Teil. Organisationsregeln

FID II, die in der Delegierten VO (EU) 2017/584 durch Technische Regulierungsstandards448 konkretisiert werden. Weiterhin sind harmonisierte Anforderungen an die Festlegung von Mindestpreisänderungsgrößen („Tick-Größen“) im elektronischen Handel (Art. 49 MiFID II, zur Umsetzung in Deutschland § 26b BörsG, siehe noch unten Rn 159) sowie an die Synchronisation der im Geschäftsverkehr mit Handelsplätzen aller Art verwendeten Uhren (Art. 50 MiFID II) vorgesehen, die ebenfalls jeweils durch Technische Regulierungsstandards weiter ausgestaltet werden.449 Der letztgenannte Regelungskomplex ist rein technischer Natur und wird im Folgenden nicht weiter behandelt. Sowohl die Anforderungen an elektronische Handelssysteme aus Art. 48 MiFID II als auch die Vorgaben aus Art. 49 MiFID II sind nicht nur für Betreiber geregelter Märkte anwendbar, sondern werden kraft Verweisung in Art. 18 Abs. 5 MiFID II auch auf Betreiber von MTF und OTF erstreckt (siehe zur Umsetzung im deutschen Recht noch unten Rn 170 ff.), so dass sich sowohl die börsenrechtlichen als auch die im WpHG geregelten Anforderungen an die Organisation von Börsenträgern und Betreibern von MTF/OTF als zwar in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen angesiedelte, aber im Wesentlichen übereinstimmende Regelungskomplexe darstellen. 146 Der Zusammenhang zwischen den unionsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance und zur Organisation der Betreiber von Handelsplätzen und den jeweiligen Umsetzungsvorschriften verdeutlicht die nachfolgende Grobübersicht (siehe auch noch die Entsprechungstabelle unten Rn 167): Regelungsinhalte

Börsen („geregelte Märkte“)

Alternative Handelsplätze (MTF/OTF)

Anforderungen an die Leitungsorgane

Art. 45 MiFID II §§ 4 Abs. 3, 4a, 4b BörsG

Art. 91 CRD IV § 25c Abs. 1 KWG

Anforderungen an Inhaber bedeutender Beteiligungen

Art. 46 MiFID II § 6 BörsG

Artt. 21, 22 CRD IV § 2c KWG

Allgemeine Organisationspflichten

Art. 47 MiFID II § 5 BörsG

Art. 17 MiFID II § 80 WpHG

Spezielle Organisationspflichten

Artt. 48–50 MiFID II (Artt. 48 und 49 kraft Verweisung in Art. 18 Abs. 5 MiFID II auch auf MTF/OTF anwendbar) §§ 5, 24, 25, 26a und 26b BörsG

147

§§ 71–75 WpHG

d) Regelungsziele, Transaktionsbezug und haftungsrechtliche Implikationen. Die – wie die handelsbezogenen Pflichten des Börsenrechts jeweils ordnungswidrigkeitenrecht448

449

Delegierte VO (EU) 2017/584 der Kommission vom 14.07.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der organisatorischen Anforderungen an Handelsplätze, ABlEU Nr. L 87/350 vom 31.03.2017. Delegierte Verordnung (EU) 2017/588 der Kommission vom 14.07.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische

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Regulierungsstandards für das Tick-GrößenSystem für Aktien, Aktienzertifikate und börsengehandelte Fonds, ABlEU Nr. L 87/411 vom 31.03.2017; Delegierte Verordnung (EU) 2017/574 der Kommission vom 07.06.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für den Grad an Genauigkeit von im Geschäftsverkehr verwendeten Uhren, ABlEU Nr. L 87/148 vom 31.03.2017.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

lich abgesicherten (vgl. im Einzelnen § 50 BörsG) – Organisationspflichten nach § 5 BörsG sind ebenso wie die unionsrechtlichen Vorgaben aus Artt. 45 bis 47 MiFID II erkennbar in erster Linie dem öffentlichen Interesse an der ordnungsmäßigen Durchführung des Handels verpflichtet (besonders deutlich § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1 und Abs. 5 BörsG), wobei die besonderen Organisationspflichten aus Art. 48 MiFID II vor allem auf den Schutz der Marktstabilität und der Marktliquidität abzielen.450 Auch hierbei handelt es sich indessen – insofern nicht anders als bei den kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten der Intermediäre – um Pflichten, deren Verletzung unmittelbar auf Rechtsgüter und Interessen der Börsenteilnehmer und der Parteien börsenmäßiger Transaktionen durchschlägt. Besonders deutlich zeigt sich dies im Falle des Versagens der heute in § 5 Abs. 4a BörsG konkretisierten Anforderungen an die Belastbarkeit der Handelssysteme (dazu unten Rn 150). Damit stellt sich die Frage nach haftungsrechtlichen Implikationen für die jeweils betroffenen Parteien. Insofern besteht die Besonderheit, dass die Börsengeschäftsführung, der die Leitung der Börse und damit die Verantwortung für den laufenden Geschäftsbetrieb sowie die Überwachung der Einhaltung der in diesem Zusammenhang maßgeblichen gesetzlichen Anforderungen unterliegen,451 zwar grundsätzlich als Beamte i.S.d. § 839 BGB, Art. 34 GG einzustufen sind, eine Staatshaftung jedoch ausgeschlossen ist, weil § 15 Abs. 6 BörsG ausdrücklich anordnet, dass die Börsengeschäftsführung ausschließlich im öffentlichen Interesse handelt.452 Eine Haftung des Börsenträgers aufgrund des Beleihungsverhältnisses wird demgegenüber zwar vereinzelt angenommen, aber letztlich nicht begründet;453 insbesondere wird eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB erwogen, die zwar angesichts der auf der Hand liegenden Bedeutung der Organisationspflichten in der Tat in Betracht kommt, angesichts der Besonderheiten der öffentlich-rechtlichen Börsenverfassung allerdings aber auch nicht zweifelsfrei ist.454 Vorrangig kommt eine Haftung der Börse selbst analog §§ 280 ff. BGB wegen Verletzung vertraglicher Pflichten im Börsenbenutzungsverhältnis in Betracht.455 2. Regelungsinhalt. § 5 Abs. 1 Satz 2 BörsG statuiert zunächst ausdrücklich die mit der 148 Betriebspflicht einhergehende Verpflichtung des Börsenträgers zur Bereitstellung der für die Durchführung des Börsenbetriebs und die – in ihrer Reichweite umstrittene456 – „angemessene Fortentwicklung“ desselben erforderlichen finanziellen, personellen und sachlichen Mittel. Eine klare Abgrenzung zwischen diesen Vorgaben und der in § 5 Abs. 5

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Dazu eingehend Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 471 ff. Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 15 BörsG Rn 4 ff.; vgl. exemplarisch § 8 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 BörsO Frankfurter Wertpapierbörse (i.d.F. vom 26.06.2017). Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 15 BörsG; siehe dazu näher Eva Die Rechtsstellung der für die Börse tätigen Personen, S. 210 ff.; Hammen Börsen und multilaterale Handelssysteme im Wettbewerb, S. 101; zur Vorgängervorschrift des § 12 Abs. 3 BörsG eingehend und kritisch Kümpel in Kümpel/Hammen Börsenrecht, S. 89 (133 ff., insbes. 135 ff.). Kümpel in Kümpel/Hammen Börsenrecht, S. 89 (139 f.); die dortigen Ausführungen zur Börsenordnung der Frankfurter Wertpapier-

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börse beruhen auf einer früheren Fassung und haben in der geltenden Fassung (26.06.2017) keine Entsprechung. Im Ergebnis offenlassend Hammen Börsen und multilaterale Handelssysteme im Wettbewerb, S. 101 f. Hammen Börsen und multilaterale Handelssysteme im Wettbewerb, S. 100 f.; vgl. auch Faßbender/Reichegger WM 2009, 732 (737 f.). Dazu besonders – teilweise kontrovers – Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 5 BörsG Rn 5; Christoph Börsenkooperationen, S. 154 ff.; Gurlit/Mülbert Der Börsenträger im Spannungsfeld von Gemeinwohlauftrag und Privatinteresse, S. 26 ff.; Bredt WM 2013, 1839 (1841 f.); Burgard WM 2011, 2021 (2022 f.).

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7. Teil. Organisationsregeln

BörsG geregelten, bereits durch das FRUG 2007 eingeführten sog. Ausstattungspflicht des Börsenträgers, der Pflicht zur Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel zur ordnungsgemäßen Durchführung des Börsenbetriebs, lässt sich kaum vornehmen.457 Die Pflichten zur Ausstattung der Börse als Ausfluss der Betriebspflicht in § 5 Abs. 1 Satz 2 BörsG einerseits und zur Leistungsfähigkeit des Börsenträgers in § 5 Abs. 5 BörsG andererseits bilden insoweit nur zwei Seiten derselben Medaille. Auch letztere ist ungeachtet der systematischen Stellung des unionsrechtlichen Regelungsvorbilds (Art. 47 Abs. 1 lit. f. MiFID II, zuvor Art. 39 lit. f MiFID I) der Sache nach nicht als Organisationspflicht, sondern als materielle Ausgestaltung der Betriebspflicht einzuordnen.458 Unmittelbare Bedeutung für die ordnungsmäßige Durchführung des Börsenbetriebs und die Transaktionssicherheit haben beide Pflichtenkreise erkennbar nicht, so dass eine vertiefte Auseinandersetzung damit im hiesigen Kontext entbehrlich ist. 149 Zu den Organisationspflichten i.e.S. zu rechnen sind zunächst Anforderungen an die Auslagerung von Geschäftsfunktionen (§ 5 Abs. 3 BörsG), die – ursprünglich als § 1 Abs. 3 BörsG a.F. – bereits mit dem 4. FMFG 2002 (oben Rn 145) eingeführt worden waren. Diese entsprechen, wenn auch in knapper Form, den aus den Organisationspflichten der Kapitalmarktintermediäre (vgl. § 80 Abs. 6 WpHG i.V.m. § 25b KWG, Artt. 30–32 DVO MiFID II) bekannten Grundsätzen (oben Rn 79 und Rn 81–83): Eine Auslagerung darf weder die Ordnungsmäßigkeit des Börsenbetriebs noch die Aufsicht beeinträchtigen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 BörsG), und der Börsenträger hat dies durch entsprechende vertragliche Weisungsrechte gegenüber dem Auslagerungsunternehmen sicherzustellen (§ 5 Abs. 3 Satz 2 BörsG).459 Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf Vorschriften zur Vermeidung von und zum Umgang mit Interessenkonflikten: Nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 BörsG ist der Börsenträger zu „Vorkehrungen“ verpflichtet, um Konflikte zwischen seinen eigenen Interessen, den seiner Eigentümer und dem öffentlichen Interesse am ordnungsmäßigen Betrieb der Börse zu erkennen und zu verhindern. Die Regelung wurde mit dem FRUG 2007 eingeführt und ging ursprünglich zurück auf Art. 39 lit. a MiFID I; im neuen Europäischen Kapitalmarktrecht findet sich die entsprechende Vorgabe inhaltlich unverändert in Art. 47 Abs. 1 lit. a MiFID II. Im Unterschied zur Parallelregelung für Kapitalmarktintermediäre in (§ 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG, Artt. 33–43 DVO MiFID II, oben Rn 59 ff.) werden die Vorgaben nicht näher konkretisiert. Ihre praktische Bedeutung wird bislang zurückhaltend beurteilt;460 potentielle Interessenkonflikte mit negativen Konsequenzen für den Börsenbetrieb sind bislang vor allem als hypothetisches Szenario infolge einer Börsenträgerschaft durch ausländische Unternehmen (z.B. nach einer Fusion deutscher Börsenträger mit ausländischen Börsen) diskutiert worden.461 Immerhin denkbare Interessenkonflikte im Hinblick auf den parallelen Betrieb der Börse einerseits und der Nachhandelsinfrastruktur andererseits werden in Deutschland462 bislang allenfalls am Rande problematisiert (siehe schon oben Rn 18) und sind nicht aufgearbeitet. Dementsprechend hat sich die Aufmerksamkeit vor allem auf etwaige konzernstrukturrechtliche Implikationen des Gebots zur Vermeidung

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Ebenso auch Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 5 BörsG Rn 28. Gurlit/Mülbert Der Börsenträger im Spannungsfeld von Gemeinwohlauftrag und Privatinteresse, S. 40. Zur praktischen Bedeutung Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 5 BörsG Rn 12 ff.; siehe auch Bredt WM 2013, 1839 (1843).

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Dazu Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 5 BörsG Rn 24 („im wesentlichen … Warnfunktion“). Dazu Burgard WM 2011, 2021 (2024 ff.); vgl. auch Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 5 BörsG Rn 10. Siehe aber Ferrarini/Saguato in Busch/Ferrarini, Regulation of European Financial Markets, Rn 11.72 und 11.76.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

von Interessenkonflikten gerichtet, die allerdings überwiegend abgelehnt werden.463 Eine Rezeption der für die Konkretisierung der kapitalmarktrechtlichen Intermediärpflichten entwickelten Grundsätze – insbesondere zur Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen – wird demgegenüber, soweit ersichtlich, nicht erwogen, was angesichts der unterschiedlichen Sach- und Interessenlage nicht verwundert. Im Kern lässt sich die Aufnahme von Anforderungen an die Bewältigung von Interessenkonflikten in das deutsche Börsenrecht damit als Adaption allgemeiner kapitalmarktrechtlicher Regelungsmodelle interpretieren, die in dem durch die dualistische Börsenverfassung geprägten Regelungsumfeld bislang in gewisser Hinsicht einen Fremdkörper darstellen und deren konkreter Regelungsinhalt wenig entwickelt ist. § 5 Abs. 4 Nr. 1 BörsG ist damit zugleich ein Beispiel dafür, dass sich bereichsübergreifend verallgemeinerungsfähige Grundsätze für die Auslegung und praktische Umsetzung an sich sektorübergreifend etablierter Regelungen (Umgang mit Interessenkonflikten, Risikomanagement, etc.) ungeachtet deutlicher formaler Parallelen zwischen den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben nur begrenzt gewinnen lassen. Diese Vorbehalte lassen sich zum Teil auch auf die in § 5 Abs. 4 Nr. 2 BörsG – entsprechend Art. 47 Abs. 1 lit. b MiFID II – festgelegte Pflicht zum Risikomanagement übertragen. Zwar ist die praktische Bedeutung ungleich größer als die der börsenrechtlichen Vorgaben für die Bewältigung von Interessenkonflikten,464 doch auch hier lassen sich für die praktische Handhabung jenseits allgemeiner Strukturmuster mit Blick auf die Unterschiede in Geschäftsmodell und Risikoprofil nur begrenzt konkrete Gestaltungsleitlinien aus den allgemeinen institutionell-prudenziellen Vorgaben des Bankenaufsichtsrechts gewinnen, auf welche die Materialien bei der erstmaligen Aufnahme der Anforderungen mit dem FRUG 2007 ausdrücklich hingewiesen hatten.465 Bereichsspezifische, speziell auf die Regelungsprobleme des Handelsbetriebs zuge- 150 schnittene Organisationspflichten sind zunächst die in § 5 Abs. 4 Nr. 3 BörsG geregelten Pflichten zur Sicherstellung der technischen Funktionsfähigkeit der Börsenhandels- und Abwicklungssysteme, zu Vorkehrungen für einen reibungslosen und zeitnahen Abschluss der im Handelssystem abgeschlossenen Systeme und zu Notfallmaßnahmen für die Aufrechterhaltung des Börsenbetriebs bei Systemstörungen oder -ausfällen. Die Vorschrift ist – in Umsetzung des Art. 39 lit. c und e MiFID I466 – bereits durch das FRUG 2007 eingeführt und mit dem 2. FiMaNoG 2017 zur Anpassung an die Neufassung der unionsrechtlichen Anforderungen in Art. 47 Abs. 1 lit. c und e sowie Art. 48 MiFID II nochmals erweitert worden.467 Auch diese Anforderungen weisen Parallelen zu den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Intermediärpflichten, konkret: zur Kontinuität und zu Notfallvorkehrungen (§ 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG, Art. 21 Abs. 3 DVO MiFID II, oben Rn 59) auf und erweisen sich damit wiederum als Adaption allgemeiner Grundsätze, die allerdings mit Blick auf die bereichsspezifischen Regelungsprobleme nur begrenzt unter Rückgriff auf verallgemeinerungsfähige Gestaltungsmuster konkretisiert und umgesetzt werden können. Entsprechendes gilt für die in § 5 Abs. 4a BörsG geregelten, mit dem 2. FiMaNoG eingeführten Pflichten, deren Nr. 1 („belastbare“ Handelssysteme, „ausreichende Kapazitäten für

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Dazu eingehend Gurlit/Mülbert Der Börsenträger im Spannungsfeld von Gemeinwohlauftrag und Privatinteresse, S. 45 ff, insbes. S. 47 ff. m.w.N. Vgl. zu Einzelaspekten insoweit Schwark/ Zimmer/Beck KapMR § 5 BörsG Rn 26. Vgl. Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 28.

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Vgl. Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 28. Vgl. dazu Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 267. Siehe inzwischen auch ESMA, Leitlinien: Kalibrierung von Notfallsicherungen und Veröffentlichung von Handelseinstellungen gemäß MiFID II, 27.06.2017 (ESMA70–872942901–63).

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7. Teil. Organisationsregeln

Spitzenvolumina“, vgl. Art. 48 Abs. 1 MiFID II) letztlich die Anforderungen aus § 5 Abs. 4 Nr. 3 BörsG nur konkretisiert und keinen trennscharf abgrenzbaren eigenständigen Regelungsinhalt aufweist. Nach Nr. 2 der Regelung müssen die Systeme und Verfahren sicherstellen, dass Aufträge, die über die im Voraus festgelegten Grenzen für Volumina und Kurse überschreiten oder eindeutig irrtümlich zustandekamen, abgelehnt werden. Die Vorschrift setzt Art. 48 Abs. 4 MiFID II um und gestalten damit die Verantwortung des Börsenträgers – nicht: der Börse selbst! – für einen ordnungsmäßigen, belastbaren und unter Vermeidung fehlerhafter Abschlüsse („Mistrades“) aus, was nicht zuletzt zur Eindämmung der Risiken aus Hochfrequenzhandelsaktivitäten von Bedeutung sind.468 Der Börsenträger selbst wird damit – wiederum: kraft Beleihung – nicht nur für die Gewährleistung der Handelsvoraussetzungen, sondern unmittelbar für Einrichtung und Betrieb der Systeme und Verfahren in die Pflicht genommen469 und ist damit selbst verantwortlich für die laufende Überwachung des Handelsbetriebs. Die faktische Abhängigkeit des Börsenbetriebs vom Börsenträger (siehe schon oben Rn 18 und Rn 149) wird damit besonders betont. Ebenfalls mit dem 2. FiMaNoG 2017 eingeführt wurde das Verbot der Ausführung von Kundenaufträgen unter Einsatz des eigenen Kapitals (vgl. Art. 47 Abs. 2 MiFID II) sowie der Zusammenführung sich deckender Kundenaufträge i.S.d. § 2 Abs. 29 WpHG in § 5 Abs. 7 BörsG, was ebenso wie die korrespondierenden Vorschriften für MTF (vgl. § 74 Abs. 5 WpHG, Art. 19 Abs. 5 MiFID II) der Einschränkung des Eigenhandels zur Absicherung der der Neutralität des Marktveranstalters und der klaren Abgrenzung gegenüber OTF und systematischen Internalisierern dient.470 Auf das 1. FiMaNoG 2016 geht demgegenüber die Pflicht zur Einführung eines Whistleblower-Systems für Mitarbeiter zur Meldung von Verstößen gegen verschiedene Verordnungen des Europäischen Kapitalmarktrechts, insbes. MAR, MiFIR sowie PRIIP-Verordnung,471 sowie gegen das WpHG zurück (§ 5 Abs. 8 BörsG i.d.F. des 2. FiMaNoG, ursprünglich eingeführt als § 5 Abs. 7 BörsG).472 Im Europäischen Kapitalmarktrecht finden sich die korrespondierenden Vorgaben in Art. 32 Abs. 3 MAR sowie in Art. 28 Abs. 4 PRIIP-VO.

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Zu diesem Zusammenhang – auf der Basis des früheren Rechts – Jaskulla WM 2012, 1708 ff. (insbes. 1711 ff.). Vgl. entsprechend für das bisherige Recht Gurlit/Mülbert Der Börsenträger im Spannungsfeld von Gemeinwohlauftrag und Privatinteresse, S. 43. Dazu Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 464, 471.

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Verordnung Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.11.2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP), ABlEU Nr. L 352/1 vom 9.12.2014. Vgl. dazu Begr. RegE 1. FiMaNoG, BT-Drs. 18/7482, S. 74.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

II. Transaktionsrelevante Aspekte des Börsenorganisationsrechts (§§ 16, 17, 19–21 BörsG – Überblick) Börsengesetz (BörsG) vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1330, 1351), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693)

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Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen über die Börse und ihre Organe § 16 Börsenordnung (1) Die Börsenordnung soll sicherstellen, dass die Börse die ihr obliegenden Aufgaben erfüllen kann und dabei den Interessen des Publikums und des Handels gerecht wird. Sie muss Bestimmungen enthalten über 1. den Geschäftszweig der Börse; 2. die Organisation der Börse; 3. die Handelsarten; 4. die Veröffentlichung der Preise und Kurse sowie der ihnen zugrunde liegenden Umsätze; 5. eine Entgeltordnung für die Tätigkeit der Skontroführer. (2) Bei Wertpapierbörsen muss die Börsenordnung zusätzlich Bestimmungen enthalten über 1. die Bedeutung der Kurszusätze und -hinweise, 2. die Sicherstellung der Börsengeschäftsabwicklung und die zur Verfügung stehenden Abwicklungssysteme nach Maßgabe des § 21 und 3. die Kennzeichnung der durch algorithmischen Handel im Sinne des § 80 Absatz 2 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes erzeugten Aufträge durch die Handelsteilnehmer, die Kenntlichmachung der hierfür jeweils verwendeten Handelsalgorithmen sowie die Kenntlichmachung der Personen, die diese Aufträge initiiert haben. (3) Die Börsenordnung bedarf der Genehmigung durch die Börsenaufsichtsbehörde. Diese kann die Aufnahme bestimmter Vorschriften in die Börsenordnung verlangen, wenn und soweit sie zur Erfüllung der der Börse oder der Börsenaufsichtsbehörde obliegenden gesetzlichen Aufgaben notwendig sind. § 17 Gebühren und Entgelte (1) Die Gebührenordnung kann die Erhebung von Gebühren und die Erstattung von Auslagen vorsehen für 1. die Zulassung zur Teilnahme am Börsenhandel und für die Teilnahme am Börsenhandel, 2. die Zulassung zum Besuch der Börse ohne das Recht zur Teilnahme am Handel, 3. die Zulassung von Finanzinstrumenten, anderen Wirtschaftsgütern und Rechten zum Börsenhandel, die Einbeziehung von Wertpapieren zum Börsenhandel im regulierten Markt sowie den Widerruf der Zulassung und der Einbeziehung, 4. die Einführung von Wertpapieren an der Börse, 5. die Notierung von Wertpapieren, deren Laufzeit nicht bestimmt ist, 6. die Prüfung der Druckausstattung von Wertpapieren, 7. die Ablegung der Börsenhändlerprüfung. (1a) Die Gebührenstrukturen, einschließlich der Ausführungsgebühren, Nebengebühren und möglichen Rabatte müssen transparent und diskriminierungsfrei ausgestaltet sein. Die Gebühren dürfen keine Anreize schaffen, Aufträge so zu platzieren, zu ändern oder zu stornieren oder Geschäfte so zu tätigen, dass dies zu Beeinträchtigungen des ordnungsgemäßen Börsenhandels oder zu Marktmissbrauch beiträgt. Insbesondere dürfen Rabatte in Bezug auf einzelne Aktien oder Aktienportfolios nur als Gegenleistung für die Übernahme von Market-Making-Pflichten gewährt werden. (2) Die Gebührenordnung bedarf der Genehmigung durch die Börsenaufsichtsbehörde. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn die Gebührenordnung nicht innerhalb von sechs Wochen nach Zugang bei der Börsenaufsichtsbehörde von dieser gegenüber der Börse beanstandet wird.

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7. Teil. Organisationsregeln (3) Unbeschadet der nach Absatz 1 erhobenen Gebühren kann der Börsenträger separate Entgelte verlangen. Dies gilt auch für Dienstleistungen, welche er im Rahmen des Börsenbetriebs für Handelsteilnehmer oder Dritte erbringt, sowie für die Offenlegung von Vorhandels- und Nachhandelsdaten. (4) Unbeschadet des § 26a hat die Börse für die übermäßige Nutzung der Börsensysteme, insbesondere durch unverhältnismäßig viele Auftragseingaben, -änderungen und -löschungen, separate Gebühren zu erheben, sofern nicht der Börsenträger hierfür bereits separate Entgelte verlangt. Die Höhe dieser Gebühren oder Entgelte ist so zu bemessen, dass einer übermäßigen Nutzung im Sinne des Satzes 1 und der damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Systemstabilität oder die Marktintegrität wirksam begegnet wird. § 19 Zulassung zur Börse (1) Zum Besuch der Börse, zur Teilnahme am Börsenhandel und für Personen, die berechtigt sein sollen, für ein zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassenes Unternehmen an der Börse zu handeln (Börsenhändler), ist eine Zulassung durch die Geschäftsführung erforderlich. (2) Zur Teilnahme am Börsenhandel darf nur zugelassen werden, wer gewerbsmäßig bei börsenmäßig handelbaren Gegenständen 1. die Anschaffung und Veräußerung für eigene Rechnung betreibt oder 2. die Anschaffung und Veräußerung im eigenen Namen für fremde Rechnung betreibt oder 3. die Vermittlung von Verträgen über die Anschaffung und Veräußerung übernimmt und dessen Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. (3) Die Zulassung von Personen ohne das Recht zur Teilnahme am Handel regelt die Börsenordnung. (3a) Ein direkter elektronischer Zugang darf nur eingeräumt werden, wenn die Börsenordnung angemessene Standards für Risikokontrollen und Schwellen für den Handel über diesen Zugang festlegt. Die Börsenordnung muss Regelungen über die Kennzeichnung von Aufträgen und Geschäften, die von einer Person über einen direkten elektronischen Zugang abgeschlossen werden, enthalten. Dabei muss die Börsenordnung auch die Möglichkeit vorsehen, dass ein direkter elektronischer Zugang bei Verstößen gegen die entsprechenden Vorschriften der Börsenordnung jederzeit ausgesetzt oder beendet werden kann. (4) Die Zulassung eines Unternehmens zur Teilnahme am Börsenhandel nach Absatz 2 Satz 1 ist zu erteilen, wenn 1. bei Unternehmen, die in der Rechtsform des Einzelkaufmanns betrieben werden, der Geschäftsinhaber, bei anderen Unternehmen die Personen, die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag mit der Führung der Geschäfte des Unternehmens betraut und zu seiner Vertretung ermächtigt sind, zuverlässig sind und zumindest eine dieser Personen die für das börsenmäßige Wertpapier- oder Warengeschäft notwendige berufliche Eignung hat; 2. die ordnungsgemäße Abwicklung der an der Börse abgeschlossenen Geschäfte sichergestellt ist; 3. das Unternehmen ein Eigenkapital von mindestens 50 000 Euro nachweist, es sei denn, es ist ein Kreditinstitut, ein Finanzdienstleistungsinstitut oder ein nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätiges Unternehmen, das zum Betreiben des Finanzkommissionsgeschäfts im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 oder zur Erbringung einer Finanzdienstleistung im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 bis 4 des Kreditwesengesetzes befugt ist; als Eigenkapital sind das eingezahlte Kapital und die Rücklagen nach Abzug der Entnahmen des Inhabers oder der persönlich haftenden Gesellschafter und der diesen gewährten Kredite sowie eines Schuldenüberhanges beim freien Vermögen des Inhabers anzusehen; 4. bei dem Unternehmen, das nach Nummer 3 zum Nachweis von Eigenkapital verpflichtet ist, keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass es unter Berücksichtigung des nachgewiesenen Eigenkapitals nicht die für eine ordnungsmäßige Teilnahme am Börsenhandel erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hat. Die Börsenordnung kann vorsehen, dass bei Unternehmen, die an einer inländischen Börse oder an einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes mit Sitz

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur im Ausland zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, die Zulassung ohne den Nachweis der Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 erfolgt, sofern die Zulassungsbestimmungen des jeweiligen Marktes mit diesen vergleichbar sind. Die Börsenordnung kann vorsehen, dass Handelsteilnehmer für den Zugang zu Handelssystemen der Börse weitere Voraussetzungen erfüllen müssen. (5) Als Börsenhändler ist zuzulassen, wer zuverlässig ist und die notwendige berufliche Eignung hat. (6) Die berufliche Eignung im Sinne des Absatzes 4 Satz 1 Nr. 1 ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine Berufsausbildung nachgewiesen wird, die zum börsenmäßigen Wertpapier- oder Warengeschäft befähigt. Die berufliche Eignung im Sinne des Absatzes 5 ist anzunehmen, wenn die erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen nachgewiesen werden, die zum Handel an der Börse befähigen. Der Nachweis über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse kann insbesondere durch die Ablegung einer Prüfung vor der Prüfungskommission einer Börse erbracht werden. Das Nähere über die Anforderungen an die fachliche Eignung der zum Börsenhandel befähigten Personen und das Prüfungsverfahren regelt eine vom Börsenrat zu erlassende Zulassungsordnung für Börsenhändler, die der Genehmigung durch die Börsenaufsichtsbehörde bedarf. (7) Das Nähere darüber, wie die in den Absätzen 4 bis 6 genannten Voraussetzungen nachzuweisen sind, bestimmt die Börsenordnung. (8) Besteht der begründete Verdacht, dass eine der in den Absätzen 2, 4 oder 5 bezeichneten Voraussetzungen nicht vorgelegen hat oder nachträglich weggefallen ist, so kann die Geschäftsführung das Ruhen der Zulassung längstens für die Dauer von sechs Monaten anordnen. Das Ruhen der Zulassung kann auch für die Dauer des Verzuges mit der Zahlung der nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 und 2 festgesetzten Gebühren oder der nach § 22 Absatz 2 auferlegten Ordnungsgelder angeordnet werden. Ferner kann die Geschäftsführung das Ruhen der Zulassung längstens für die Dauer von sechs Monaten anordnen, wenn ein Handelsteilnehmer das Order-Transaktions-Verhältnis im Sinne des § 26a nicht einhält; hält ein Handelsteilnehmer wiederholt das Order-Transaktions-Verhältnis im Sinne des § 26a nicht ein, kann die Geschäftsführung die Zulassung widerrufen. Das Recht einer nach Absatz 5 zugelassenen Person zum Abschluss von Börsengeschäften ruht für die Dauer des Wegfalls der Zulassung des Unternehmens, für das sie Geschäfte an der Börse abschließt. (9) Die Geschäftsführung kann gegenüber Handelsteilnehmern mit Sitz außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum das Ruhen der Zulassung längstens für die Dauer von sechs Monaten anordnen oder die Zulassung widerrufen, wenn die Erfüllung der Meldepflichten nach § 9 des Wertpapierhandelsgesetzes oder der Informationsaustausch zum Zwecke der Überwachung der Verbote von Insidergeschäften oder des Verbots der Marktmanipulation mit den in diesem Staat zuständigen Stellen nicht gewährleistet erscheint. Die Bundesanstalt teilt der Geschäftsführung und der Börsenaufsichtsbehörde die für eine Anordnung oder den Widerruf nach Satz 1 maßgeblichen Tatsachen mit. (10) Beabsichtigt die Geschäftsführung der Börse, Handelsteilnehmern in anderen Staaten einen unmittelbaren Zugang zu ihrem Handelssystem zu gewähren, hat sie dies der Börsenaufsichtsbehörde und der Bundesanstalt anzuzeigen, sofern es sich um die erstmalige Zugangsgewährung an einen Handelsteilnehmer in dem betreffenden Staat handelt. (11) Die Geschäftsführung der Börse übermittelt der Börsenaufsichtsbehörde regelmäßig ein aktuelles Verzeichnis der an der Börse zugelassenen Handelsteilnehmer. § 19a Mittelbare Börsenteilnehmer Für mittelbare Börsenteilnehmer im Sinne des § 2 Absatz 8 Satz 2 gelten § 19 Absatz 9, § 22 sowie die börsenrechtlichen Vorschriften, die eine ordnungsgemäße Durchführung des Börsenhandels betreffen, entsprechend. § 20 Sicherheitsleistungen (1) Die Börsenordnung kann bestimmen, dass die zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassenen Unternehmen und die Skontroführer ausreichende Sicherheit zu leisten haben, um die Verpflichtungen aus Geschäften, die an der Börse sowie in einem an der Börse zugelassenen elektro-

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7. Teil. Organisationsregeln nischen Handelssystem abgeschlossen werden, jederzeit erfüllen zu können. Die Höhe der Sicherheitsleistung muss in angemessenem Verhältnis zu den mit den abgeschlossenen Geschäften verbundenen Risiken stehen. Das Nähere über die Art und Weise der Sicherheitsleistung bestimmt die Börsenordnung. (2) Wird die nach der Börsenordnung erforderliche Sicherheitsleistung nicht erbracht oder entfällt sie nachträglich, kann die Börsenordnung vorsehen, dass das Ruhen der Zulassung längstens für die Dauer von sechs Monaten angeordnet werden kann. Die Börsenordnung kann vorsehen, dass zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassene Unternehmen auf die Tätigkeit als Vermittler beschränkt werden können, wenn die geleistete Sicherheit nicht mehr den in der Börsenordnung festgelegten Erfordernissen entspricht. Die Börsenordnung kann auch bestimmen, dass das Recht eines Börsenhändlers zum Abschluss von Börsengeschäften für die Dauer des Ruhens der Zulassung des Unternehmens ruht, für das er Geschäfte an der Börse abschließt. (3) Die Börsenordnung kann Regelungen zur Begrenzung und Überwachung der Börsenverbindlichkeiten von zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassenen Unternehmen und Skontroführern vorsehen. (4) Die Handelsüberwachungsstelle hat die nach Absatz 1 zu leistenden Sicherheiten und die Einhaltung der Regelungen nach Absatz 3 zu überwachen. Ihr stehen die Befugnisse der Börsenaufsichtsbehörde nach § 3 Abs. 4 zu. Sie kann insbesondere von der jeweiligen Abrechnungsstelle die Liste der offenen Aufgabegeschäfte und die Mitteilung negativer Kursdifferenzen verlangen. Stellt die Handelsüberwachungsstelle fest, dass der Sicherheitsrahmen überschritten ist, hat die Geschäftsführung Anordnungen zu treffen, die geeignet sind, die Erfüllung der Verpflichtungen aus den börslichen Geschäften nach Absatz 1 sicherzustellen. Sie kann insbesondere anordnen, dass das zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassene Unternehmen und der Skontroführer unverzüglich weitere Sicherheiten zu leisten und offene Geschäfte zu erfüllen haben oder diese mit sofortiger Wirkung ganz oder teilweise vom Börsenhandel vorläufig ausschließen. Die Geschäftsführung hat die Börsenaufsichtsbehörde über die Überschreitung des Sicherheitsrahmens und die getroffenen Anordnungen unverzüglich zu unterrichten. (5) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach Absatz 4 haben keine aufschiebende Wirkung. § 21 Externe Abwicklungssysteme (1) Wegen der Anbindung von externen Abwicklungssystemen an die Systeme der Börse für den Börsenhandel und die Börsengeschäftsabwicklung wird auf Artikel 35 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 verwiesen. (2) Sind nach Absatz 1 mehrere alternative Abwicklungssysteme verfügbar, ist es den Handelsteilnehmern freizustellen, welches der Systeme sie zur Erfüllung der Börsengeschäfte nutzen. (3) Der Börsenträger hat die Börsenaufsichtsbehörde über das Stellen von Anträgen auf Zugang nach Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 sowie den Eingang eines Antrags auf Zugang nach Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 unverzüglich schriftlich zu unterrichten.

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1. Grundlagen des Benutzungsverhältnisses zwischen Börse und Handelsteilnehmern (§§ 16, 17, 19 und 19a BörsG). §§ 16, 17 und 19 BörsG legen die Grundlagen für das öffentlich-rechtlich geprägte Benutzungsverhältnis zwischen der Börse und den Handelsteilnehmern fest, das den Organisationsrahmen für die Börsengeschäfte bildet.473 Die Vorschriften sind, soweit nicht anders angegeben, gleichermaßen von Bedeutung für die nach § 23 BörsG zum Börsenhandel zugelassenen Wirtschaftsgüter und Rechte sowie für die gem. §§ 32, 33 BörsG zum regulierten Markt zugelassenen bzw. einbezogenen Wertpapiere und mithin die unterschiedlichen Ausprägungen des Benutzungsverhältnisses zwischen

473

Dazu Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 19 BörsG Rn 5; eingehend – jeweils zum früheren Recht – Breitkreuz Ordnung der Börse,

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S. 209 ff.; Hammen in Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 177 (182 ff.).

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

Börse und Emittenten.474 Der Rechtsrahmen wird durch die Vorschriften der Börsenordnung inhaltlich ausgefüllt und konkretisiert (vgl. zum Inhalt und zu den Regelungsgegenständen § 16 Abs. 1 und 2 BörsG), wobei der zunehmende Ausbau der regulatorischen Anforderungen an den Handelsbetrieb nach MiFID II/MiFIR naturgemäß die Organisationshoheit475 der Börse und die Gestaltungsspielräume für die Selbstverwaltung nicht unerheblich eingeschränkt hat. Nach wie vor durch den Börsenrat festzulegen ist auch die Gebührenordnung (§ 17 BörsG), die die aus dem Benutzungsverhältnis resultierenden finanziellen Verpflichtungen der Börsenbenutzer festlegt. § 19 BörsG regelt die Zulassung der Handelsteilnehmer und konzentriert deren Kreis auf professionelle Teilnehmer, die – zur Absicherung eines leistungsfähigen, sicheren Börsenhandels476 – ihrerseits qualitativen Mindestanforderungen unterworfen werden (§ 19 Abs. 3 und 4 BörsG). Dies entspricht unionsrechtlichen Anforderungen in Art. 53 Abs. 3 MiFID II, die die Zulassung ausdrücklich auf Wertpapierfirmen, Kreditinstitute und Unternehmen beschränken, die entsprechende qualitative Anforderungen erfüllen müssen. Die Handelsteilnehmer untereinander unterliegen einem Kontrahierungszwang.477 Mit alledem ist die Konsequenz verbunden, dass ein Direktzugang für Anleger, insbes. für Privatanleger, ausscheidet. Die nunmehr in § 19 Abs. 3a BörsG vorgeschriebenen und in § 19a BörsG um Anforderungen an die mittelbaren Nutzer ergänzten478 qualifizierten Sicherungsanforderungen an den elektronischen Zugang zum Handel setzen Art. 48 Abs. 7 MiFID II um479 und stehen im Zusammenhang mit den allgemeinen regulatorischen Bemühungen um eine Absicherung der elektronischen Handelswege insbesondere gegen die Risiken aus dem Hochfrequenzhandel (siehe allgemein bereits oben Rn 17, 76 und 103).480 2. Sicherheitsleistungen (§ 20 BörsG). Die in § 20 BörsG eingeräumte Befugnis zur 153 Festlegung von Sicherheitsleistungen in den Börsenordnungen ist ohne unmittelbares Vorbild im Europäischen Kapitalmarktrecht und dient der Absicherung der Börse gegen Ausfallrisiken. Die Befugnis ersetzt die früher für nicht als Kreditinstitute zugelassene Börsenteilnehmer gesetzlich vorgesehene Sicherheitsleistung.481 Hinsichtlich der Einzelheiten besteht weiter Gestaltungsspielraum für die Börsenordnungen (vgl. § 20 Abs. 1 BörsG). Die deutschen Wertpapierbörsen haben von der Möglichkeit i.d.R. Gebrauch gemacht.482 3. Verzahnung mit der Nachhandelsphase (§ 21 BörsG). § 21 BörsG regelt das Ver- 154 hältnis zwischen der Börse und externen Abwicklungssystemen und damit Aspekte der Verzahnung zwischen Handels- und Nachhandelsinfrastruktur. Die Vorschrift geht auf das FRUG 2007 zurück und diente ursprünglich der Umsetzung von Art. 34 Abs. 2 MiFID I,

474 475

476 477 478 479

Dazu Hammen in Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 177 (194 ff.). Vgl. dazu eingehend Christoph Börsenkooperationen, S. 139 ff., 285 ff. sowie bereits Kümpel in Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 92 ff. Näher Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 19 BörsG Rn 1. Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 19 BörsG Rn 2. Dazu Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 268 f. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 268.

480 481

482

Dazu Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 472. Zum Hintergrund Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 20 Rn 1; zur Vorläuferregelung in § 19 BörsG 2002 Schäfer/Hamann/Marxsen § 19 BörsG Rn 1 f. Vgl. z.B. § 14 BörsO Düsseldorf (30.03.2016); § 34 BörsO Eurex (10.5.2017); §§ 19–31 BörsO FWB (26.6.2017); § 17 BörsO Ba-Wü Wertpapierbörse (22.12.2016).

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7. Teil. Organisationsregeln

der unter bestimmten qualitativen Voraussetzungen an das jeweilige Abwicklungssystem das Recht der Handelsteilnehmer auf freie Wahl des Abwicklungssystems vorschrieb.483 Diese Regelung ist im Kern heute in Art. 37 Abs. 2 MiFID II enthalten. Einzelheiten für die Zugangsvoraussetzungen werden nunmehr im nationalen Recht mit Rücksicht auf die Vereinheitlichung der Zugangsvoraussetzungen zu Zentralen Gegenparteien in Art. 35 MiFIR nicht mehr festgelegt.484 Der eigenständige Regelungsgehalt des § 21 BörsG beschränkt sich deshalb heute auf das in Abs. 2 der Vorschrift geregelte freie Wahlrecht der Börsenteilnehmer sowie auf die in Abs. 3 geregelte Anzeigepflicht des Börsenträgers bei Anträgen auf Zugang zu einer Zentralen Gegenpartei bzw. zu einem Handelsplatz nach Artt. 7 und 8 EMIR.

III. Organisatorische Vorgaben für Börsenhandel und Börsenpreisfeststellung (§§ 24–26g BörsG – Überblick) Börsengesetz (BörsG) vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1330, 1351), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693)

155

Abschnitt 2 Börsenhandel und Börsenpreisfeststellung § 24 Börsenpreis (1) Preise, die während der Börsenzeit an einer Börse festgestellt werden, sind Börsenpreise. Satz 1 gilt auch für Preise, die während der Börsenzeit im Freiverkehr an einer Wertpapierbörse festgestellt werden. (2) Börsenpreise müssen ordnungsmäßig zustande kommen und der wirklichen Marktlage des Börsenhandels entsprechen. Soweit in Titel II der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 nichts anderes bestimmt ist, müssen den Handelsteilnehmern insbesondere Angebote zugänglich und die Annahme der Angebote möglich sein. Bei der Ermittlung des Börsenpreises können auch Preise einer anderen Börse, eines organisierten Marktes mit Sitz im Ausland oder eines multilateralen Handelssystems im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 des Wertpapierhandelsgesetzes berücksichtigt werden. Die Börse trifft nähere Bestimmungen über die Aufhebung, Änderung und Berichtigung von Geschäften durch die Geschäftsführung, insbesondere auch für den Fall, dass Börsenpreise auf Grund erheblicher Preisschwankungen nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sind. (2a) Die Börse hat geeignete Vorkehrungen zu treffen, um auch bei erheblichen Preisschwankungen eine ordnungsgemäße Ermittlung des Börsenpreises sicherzustellen. Geeignete Vorkehrungen im Sinne des Satzes 1 sind insbesondere kurzfristige Änderungen des Marktmodells und kurzzeitige Volatilitätsunterbrechungen unter Berücksichtigung statischer oder dynamischer Preiskorridore oder Limitsysteme der mit der Preisfeststellung betrauten Handelsteilnehmer. (2b) Die Börse hat geeignete Vorkehrungen zu treffen, um auch bei erhebliche Preisschwankungen eine ordnungsgemäße Preisermittlung sicherzustellen; geeignete Vorkehrungen sind insbesondere kurzfristige Änderungen des Marktmodells, kurzzeitige Volatilitätsunterbrechungen unter Berücksichtigung statischer oder dynamischer Preiskorridore und Limitsysteme der mit der Preisfeststellung betrauten Handelsteilnehmer, wobei es der Börse in Ausnahmefällen möglich sein muss, jedes Geschäft aufzuheben, zu ändern oder zu berichtigen; die Parameter für solche Volatilitätsunterbrechungen müssen der Liquidität der einzelnen Kategorien und Teilkategorien der be-

483

Vgl. Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 85.

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Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 269.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur treffenden Finanzinstrumente, der Art des Marktmodells und der Art der Handelsteilnehmer Rechnung tragen und ermöglichen, dass wesentliche Störungen eines ordnungsgemäßen Börsenhandels unterbunden werden; die Börse hat der Börsenaufsichtsbehörde diese Parameter mitzuteilen. (3) Soweit in Titel II der Verordnung(EU) Nr. 600/2014 nicht anderes bestimmt ist, müssen Börsenpreise und die ihnen zugrunde liegenden Umsätze den Handelsteilnehmern unverzüglich und zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen in leicht zugänglicher Weise bekannt gemacht werden, es sei denn, es erscheint eine verzögerte Veröffentlichung im Interesse der Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung der am Geschäft Beteiligten notwendig. Das Nähere regelt die Börsenordnung. Die Börsenordnung kann auch festlegen, dass vor Feststellung eines Börsenpreises den Handelsteilnehmern zusätzlich der Preis des am höchsten limitierten Kaufauftrags und des am niedrigsten limitierten Verkaufsauftrags zur Kenntnis gegeben werden muss. (4) Geschäfte, die zu Börsenpreisen geführt haben, sind bei der Eingabe in das Geschäftsabwicklungssystem der Börse besonders zu kennzeichnen. § 25 Aussetzung und Einstellung des Handels (1) Die Geschäftsführung kann den Handel von Finanzinstrumenten, Wirtschaftsgütern oder Rechten 1. aussetzen, wenn ein ordnungsgemäßer Börsenhandel zeitweilig gefährdet oder wenn dies zum Schutz des Publikums geboten erscheint; und 2. einstellen, wenn ein ordnungsgemäßer Börsenhandel nicht mehr gewährleistet erscheint. Die Geschäftsführung ist verpflichtet, Maßnahmen nach Satz 1 zu veröffentlichen. Nähere Bestimmungen über die Veröffentlichung sind in der Börsenordnung zu treffen. (1a) Betrifft die Aussetzung des Handels nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ein Finanzinstrument im Sinne von Anhang I Abschnitt C der Richtlinie 2014/65/EU, so setzt die Geschäftsführung auch den Handel von mit diesem Finanzinstrument verbundenen Derivaten im Sinne von Anhang I Abschnitt C Nummern 4 bis 10 dieser Richtlinie aus, wenn dies zur Verwirklichung der Ziele der Aussetzung des Handels mit dem zugrundeliegenden Finanzinstrument erforderlich ist. Das Gleiche gilt für eine Einstellung des Handels nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2. (1b) Die Börsenaufsichtsbehörde und die Bundesanstalt sind von einer Aussetzung oder Einstellung des Handels nach den Absätzen 1 oder 1a unverzüglich in Kenntnis zu setzen. (2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Aussetzung des Handels haben keine aufschiebende Wirkung. (3) Für Maßnahmen nach Artikel 23 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 gelten Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 entsprechend. § 26a Order-Transaktions-Verhältnis Die Handelsteilnehmer sind verpflichtet, ein angemessenes Verhältnis zwischen ihren Auftragseingaben, -änderungen und -löschungen und den tatsächlich ausgeführten Geschäften (Order-Transaktions-Verhältnis) zu gewährleisten, um Risiken für den ordnungsgemäßen Börsenhandel zu vermeiden. Das Order-Transaktions-Verhältnis ist dabei jeweils für ein Finanzinstrument und anhand des zahlenmäßigen Volumens der jeweiligen Aufträge und Geschäfte innerhalb eines Tages zu bestimmen. Ein angemessenes Order-Transaktions-Verhältnis liegt insbesondere dann vor, wenn dieses auf Grund der Liquidität des betroffenen Finanzinstruments, der konkreten Marktlage oder der Funktion des handelnden Unternehmens wirtschaftlich nachvollziehbar ist. Die Börsenordnung muss nähere Bestimmungen zum angemessenen Order-Transaktions-Verhältnis für bestimmte Gattungen von Finanzinstrumenten treffen. § 26b Mindestpreisänderungsgröße Die Börse ist verpflichtet, eine angemessene Größe der kleinstmöglichen Preisänderung bei den gehandelten Finanzinstrumenten festzulegen, um negative Auswirkungen auf die Marktintegrität und -liquidität zu verringern. Bei der Festlegung der Mindestgröße nach Satz 1 ist insbesondere zu berücksichtigen, dass diese den Preisfindungsmechanismus und das Ziel eines angemessenen Order-Transaktions-Verhältnisses im Sinne des § 26a nicht beeinträchtigt. Wegen der einzelnen Anforderungen an die Festlegung der Mindestpreisänderungsgröße wird auf die Dele-

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7. Teil. Organisationsregeln gierte Verordnung (EU) 2017/588 [RTS 11] verwiesen. Nähere Bestimmungen kann die Börsenordnung treffen. § 26c Market-Making-Systeme (1) Die Börsenordnung muss Bestimmungen enthalten über die Zulassung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch die Geschäftsführung, die an der Börse eine Market-MakingStrategie im Sinne des § 80 Absatz 5 des Wertpapierhandelsgesetzes verfolgen. (2) Die Börse trifft geeignete Vorkehrungen, um sicherzustellen, dass eine ausreichende Zahl an Wertpapierdienstleistungsunternehmen als Market-Maker zugelassen werden, die feste und wettbewerbsfähigen Preisen stellen, wodurch dem Markt in stetiger und verlässlicher Weise Liquidität zugeführt wird (Market-Making-Systeme). Dies gilt nicht, soweit die in Artikel 5 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/578 [RTS 8] geregelte Ausnahme eingreift, oder soweit eine solche Anforderung nach Art und Umfang des Handels an der jeweiligen Börse aus sonstigen Gründen nicht sachgerecht ist. (3) Die Börsenordnung muss Verpflichtungen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens im Zusammenhang mit der Zuführung von Liquidität enthalten. Sie kann Bestimmungen über sonstige Rechte und Pflichten enthalten, die sich aus der Teilnahme an den in Absatz 2 genannten Systemen ergeben. (4) Die Gebührenordnung muss Bestimmungen über die Verringerung von Gebühren enthalten, die einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen dafür gewährt werden, dass es dem Markt in stetiger und verlässlicher Weise Liquidität zuführt. Dies gilt nicht, sofern und soweit der Börsenträger bereits entsprechende Vereinbarungen mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen getroffen hat. (5) Wegen der einzelnen Anforderungen an die Ausgestaltung von Market-Making-Systemen wird auf die Delegierte Verordnung (EU) 2017/578 [RTS 8] verwiesen. § 26d Algorithmische Handelssysteme und elektronischer Handel (1) Die Börse muss sicherstellen, dass algorithmische Handelssysteme nicht zu Beeinträchtigungen des ordnungsgemäßen Börsenhandels führen oder zu solchen Beeinträchtigungen beitragen. Um den von algorithmischen Handelssystemen ausgehenden Gefahren für den ordnungsgemäßen Börsenhandel vorzubeugen, hat die Börse geeignete Vorkehrungen zu treffen, einschließlich Vorkehrungen zur Begrenzung des Verhältnisses von nicht ausgeführten Handelsaufträgen zu ausgeführten Handelsaufträgen für den Fall, dass die Systemkapazität der Börse übermäßig in Anspruch genommen wird und die Gefahr besteht, dass die Kapazitätsgrenze erreicht wird. (2) Die Handelsteilnehmer sind verpflichtet, ihre Algorithmen in einer von der Börse zur Verfügung gestellten Umgebung zu testen. Die Geschäftsführung überwacht die Einhaltung der Pflicht nach Satz 1 und teilt der Börsenaufsichtsbehörde Anhaltspunkte für Verstöße mit. (3) Wegen der geeigneten Vorkehrungen nach Absatz 1 und der Anforderungen an die Ausgestaltung der Tests nach Absatz 2 wird auf die Delegierte Verordnung (EU) 2017/584 [RTS 7] verwiesen. § 26e Informationen über die Ausführungsqualität Börsen müssen für jedes Finanzinstrument, das an ihnen gehandelt wird, mindestens einmal jährlich gebührenfrei Informationen über die Qualität der Ausführung von Aufträgen veröffentlichen. Die Veröffentlichungen müssen ausführliche Angaben zum Preis, den mit einer Auftragsausführung verbundenen Kosten, der Geschwindigkeit und der Wahrscheinlichkeit der Ausführung enthalten. Wegen der einzelnen Anforderungen an Inhalt und Form der Veröffentlichungen nach Satz 1 und 2 wird auf die Delegierte Verordnung (EU) 2017/575 [RTS 27] verwiesen. § 26f Positionsmanagementkontrollen (1) Eine Börse, an der Warenderivate gehandelt werden, muss Verfahren zur Überwachung der Einhaltung der nach den Absätzen § 54 Absatz 1 bis 5 und § 55 des Wertpapierhandelsgesetzes festgelegten Positionslimits (Positionsmanagementkontrollen) einrichten. Diese müssen transparent und diskriminierungsfrei ausgestaltet werden, festlegen, wie sie anzuwenden sind und der Art und Zusammensetzung der Handelsteilnehmer sowie deren Nutzung der zum Handel zuge-

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur lassenen Kontrakte Rechnung tragen. Im Rahmen von Kontrollen nach Satz 1 und 2 hat die Börse insbesondere sicherzustellen, dass sie das Recht hat, 1. die offenen Kontraktpositionen jedes Handelsteilnehmers zu überwachen, 2. von jedem Handelsteilnehmer Zugang zu Informationen, einschließlich aller einschlägigen Unterlagen, über Größe und Zweck einer von ihm eingegangenen Position oder offenen Forderung, über wirtschaftliche oder tatsächliche Eigentümer, etwaige Absprachen sowie über alle zugehörigen Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten am Basismarkt zu erhalten, 3. von jedem Handelsteilnehmer die zeitweilige oder dauerhafte Auflösung oder Reduzierung einer von ihr eingegangenen Position zu verlangen und, falls der Betreffende dem nicht nachkommt, einseitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Auflösung oder Reduzierung sicherzustellen, und 4. von jedem Handelsteilnehmer zu verlangen, zeitweilig Liquidität zu einem vereinbarten Preis und in vereinbartem Umfang eigens zu dem Zweck in den Markt zurückfließen zu lassen, die Auswirkungen einer großen oder marktbeherrschenden Position abzumildern. (2) Die Börse unterrichtet die Börsenaufsichtsbehörde über Einzelheiten der Positionsmanagementkontrollen nach Absatz 1. Die Börsenaufsichtsbehörde übermittelt diese Informationen an die Bundesanstalt und an die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde. § 26g Übermittlung von Daten Die Geschäftsführung kann von den Handelsteilnehmern die Übermittlung von Daten in Bezug auf deren Finanzinstrumente verlangen, soweit dies zur Erfüllung der Anforderungen aus Artikel 25 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 erforderlich ist.

1. Überblick. Die §§ 24 bis 26g BörsG legen mit Anforderungen an „Börsenhandel 156 und Börsenpreisfeststellung“ (amtliche Überschrift dieses Abschnitts) den ablauforganisatorischen Rahmen für den Handel in den nach § 23 BörsG zugelassenen Wirtschaftsgütern und Rechten bzw. den nach §§ 32, 33 BörsG zugelassenen bzw. einbezogenen Wertpapieren fest. Die Regelungen sind mit dem 2. FiMaNoG 2017 erheblich ausgebaut worden. Inhaltlich gehen die Neuregelungen auf die unionsrechtlichen Anforderungen an die Organisation geregelter Märkte (insbes. Artt. 48 und 49 MiFID II, siehe schon oben Rn 145 f.) zurück und sind damit systematisch mit den in § 5 BörsG geregelten Organisationspflichten des Börsenträgers verknüpft. Die separate Umsetzung im deutschen Recht spiegelt die Besonderheiten der dualistischen Börsenverfassung wider. Nur teilweise unionsrechtlich vorgegeben sind dabei die Regelungen zum Börsenpreis in § 24 BörsG (unten Rn 157), autonomes Recht ist das – nachfolgend ausgeklammerte – Verbot zur Verleitung zu Börsenspekulationsgeschäften in § 26 BörsG. Stark unionsrechtlich geprägt sind dagegen die Regelungen zur Aussetzung des Börsenhandels in § 25 BörsG (unten Rn 158) sowie die Vorschriften der §§ 26a bis 26g BörsG (unten Rn 159). 2. Börsenpreis (§ 24 BörsG). § 24 Abs. 1 Satz 1 BörsG definiert zunächst den – in ver- 157 schiedenen Regelungszusammenhängen in Bezug genommenen (vgl. z.B. §§ 385, 1221, 1235 Abs. 2, 1259, 1279, 1295 BGB, § 821 ZPO)485 – Begriff des Börsenpreises als Preis, der während der Börsenzeit an einer Börse festgestellt wird; Satz 2 der Vorschrift erweitert die Legaldefinition auch auf Preise, die während der Börsenzeit im Freiverkehr einer Wertpapierbörse festgestellt werden. Im Mittelpunkt stehen die Anforderungen an das ordnungsmäßige Zustandekommen marktgerechter Preise im Interesse formaler Preis- bzw. Kurswahrheit in Abs. 2 bis 2b der Vorschrift.486 Damit soll sichergestellt werden, dass die

485

Näher Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 24 BörsG Rn 4 ff.

486

Dazu Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 24 BörsG Rn 3, 16 ff.; vgl. auch LG Hamburg, Urt. v. 27.11.1987 – 3 O 197/87, WM 1989, 336 (338).

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7. Teil. Organisationsregeln

Börsenpreise manipulationsfrei nach nachvollziehbaren Kriterien zustande kommen; nicht beabsichtigt ist dagegen eine Festlegung auf materielle Anforderungen („wahrer Wert“ o.ä.).487 Die Regelungen stehen, wie der Verweis auf die vorrangig anwendbaren Vorschriften des Titels II MiFIR in Abs. 2 Satz 2 sowie Abs. 3 Satz 1 verdeutlicht, in unmittelbarem Sachzusammenhang zu den Anforderungen an die Handelstransparenz (siehe noch unten Rn 170 ff.). Auch in diesem Zusammenhang wird die Festlegung von Einzelheiten der Börse überlassen. Dies betrifft insbesondere die Anforderungen an den Umgang mit nicht ordnungsgemäß zustande gekommenen Börsenpreisen (Mistrades) in § 24 Abs. 2 Satz 4 BörsG sowie die Anforderungen an die Sicherstellung einer geordneten Preisfeststellung bei erheblichen Kursschwankungen in Abs. 2a bzw. Abs. 2b. Dabei ist zu beachten, dass sich beide letztgenannten Absätze – wohl infolge eines Redaktionsversehens – teilweise überschneiden: Der mit dem 2. FiMaNoG zur Umsetzung der Anforderungen aus Art. 48 Abs. 5 MiFID II eingefügte Abs. 2b wiederholt (ohne Auseinandersetzung damit in der Regierungsbegründung)488 teilweise wörtlich die bereits mit dem Hochfrequenzhandelsgesetz von 2013 (Rn 76) eingeführte Regelung in Abs. 2a und konkretisiert diese lediglich weiter, wobei nochmals – auch insofern redundant – auf Korrekturmöglichkeiten bei Mistrades eingegangen wird.

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3. Aussetzung und Einstellung des Börsenhandels (§ 25 BörsG). Die in § 25 BörsG geregelten Vorgaben zur Aussetzung und Einstellung des Börsenhandels bei gravierenden Störungen des Handelsgeschehens gehen im Kern bereits auf die Börsengesetznovelle von 1986489 zurück. Mit dem FRUG 2007 ist die Regelung in Umsetzung der Vorgaben aus Art. 41 MiFID I neu gestaltet worden.490 Die maßgeblichen unionsrechtlichen Bestimmungen finden sich heute in Art. 52 MiFID II sowie künftig in den nach Maßgabe des Art. 52 Abs. 2 und 3 MiFID II erlassenen Technischen Regulierungsstandards (noch nicht erlassen). Auch nach neuem Recht dient die Aussetzung bzw. Einstellung des Handels sowohl dem Schutz der Preisbildung als auch dem Schutz des Anlegerpublikums (vgl. § 25 Abs. 1 BörsG).491 Nach wie vor kann die Preisbildung zunächst sowohl aus emittentenbezogenen als auch aus wertpapierbezogenen Gründen gestört sein;492 weiterhin kommen gravierende Störungen der Marktverhältnisse durch außergewöhnliche wirtschaftliche oder politische Ereignisse oder auch technische Gründe in Betracht.493 Die vorübergehende Aussetzung bewirkt kein allgemeines Handelsverbot, löst aber nach Nr. 8 Abs. 2 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte im Interesse der Rechtssicherheit das Erlöschen der jeweiligen Kundenaufträge aus. Die Banken trifft nach Nr. 8 Abs. 4 in diesen Fällen ihren Kunden gegenüber eine Mitteilungspflicht.494 Eine unbefristete, längerfristige Einstellung der Notierung setzt voraus, dass die Störung der Preisbildung über einen längeren Zeitraum vorliegt. Beispiele bieten die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das

487

488 489

Vgl. zur ursprünglichen Fassung der Vorschrift Begr. RegE zu § 11 BörsG a.F. BT-Drs. 12/6679, S. 69 f.; siehe auch Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 24 BörsG Rn 3. Vgl. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 153. Gesetz zur Einführung eines neuen Marktabschnitts an den Wertpapierbörsen und zur Durchführung der Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 05.03.1979, vom 17.03.1980 und vom 15.02.1982 zur Koordinierung börsenrecht-

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490 491 492 493 494

licher Vorschriften vom 16.12.1986 (Börsenzulassungs-Gesetz), BGBl. 1986 I S. 2478. Vgl. dazu Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 86. Dazu Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 25 BörsG Rn 5. Vgl. schon Schäfer/Hamann/Gebhardt § 38 BörsG a.F. Rn 10. Vgl. Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 25 BörsG Rn 8 f. Zu Einzelheiten: Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 25 BörsG Rn 12 ff.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

Vermögen des betreffenden Emittenten oder schwerwiegende Verstöße gegen Zulassungsfolgepflichten.495 4. Anforderungen zur Eindämmung der Risiken aus dem Hochfrequenzhandel (§§ 26a, 159 26b und 26d BörsG). Die Bestimmungen der §§ 26a, 26b und 26d BörsG regeln einzelne ablauforganisatorische Anforderungen an den Börsenhandel. Inhaltlich geht es um Maßnahmen zur Eindämmung von Risiken aus dem Hochfrequenzhandel; die Vorgaben stehen damit im direkten Zusammenhang mit den korrespondierenden transaktionsbezogenen ablauforganisatorischen Anforderungen (oben Rn 153). Dieser systematische Zusammenhang hat in den §§ 26a ff. BörsG auch insofern Spuren hinterlassen, als die einschlägigen Bestimmungen teilweise (§§ 26a und 26b BörsG) bereits im Vorgriff auf die MiFID II-Umsetzung mit dem Hochfrequenzhandelsgesetz 2013 eingeführt und mit dem 2. FiMaNoG dann um weitere Vorgaben (§ 26d BörsG) ergänzt wurden, die nicht sauber mit dem bereits vorfindlichen Regelungsbestand abgeglichen worden sind. Die Auslegung und Umsetzung der Bestimmungen wird durch den Umstand weiter verkompliziert, dass die einschlägigen unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 48 Abs. 6 MiFID II nach Maßgabe des Art. 48 Abs. 12 lit. b MiFID II durch – hier nicht abgedruckte – Technische Regulierungsstandards näher konkretisiert werden,496 die die Gestaltungsspielräume für den nationalen Gesetzgeber und für die Börsenordnungen erheblich einschränken. Die Pflicht zur Festlegung eines angemessenen Order-Transaktions-Verhältnisses in § 26a BörsG soll in diesem Zusammenhang die Risiken für die Preisbildung eindämmen, die aus der Kombination der Eingabe einer Vielzahl von Orders und kurzfristigen Stornierungen für die Preisbildung resultieren.497 Die Vorschrift verpflichtet ihrem Wortlaut nach nicht unmittelbar die Börse bzw. den Börsenbetreiber, sondern die Handelsteilnehmer, überlässt die weitere Konkretisierung allerdings in Satz 4 den Börsenordnungen. Dies trägt einem Teil der im Europäischen Kapitalmarktrecht in Art. 48 Abs. 6 MiFID II geregelten Vorgaben Rechnung. Diese Vorschrift jedoch hat das 2. FiMaNoG – systematisch unglücklich – mit den inhaltlich teilweise redundanten Vorgaben zur Begrenzung des Order-Transaktionsverhältnisses und zur Absicherung gegen Risiken aus algorithmischem Handel in § 26d BörsG umgesetzt, der in Abs. 3 – unvollständig – auf die Delegierte VO (EU) 2017/584, nicht aber auch auf die ebenso einschlägige Delegierte VO (EU) 2017/566 verweist. Ebenfalls zur Eindämmung der Risiken des Hochfrequenzhandels für die Preisbildung dient die mit dem Hochfrequenzhandelsgesetz 2013 – im Vorgriff auf die Harmonisierung durch Art. 49 MiFID II – eingeführte Pflicht zur Beschränkung der Mindestpreisänderungsgrößen in § 26b BörsG, die einem Trend zur immer weiteren Verkleinerung der Mindestpreisänderungsgrößen entgegengewirken sollte, welcher Hochfrequenzhandelsaktivitäten zunehmend hatte attraktiver werden lassen und zudem die Gefahr einer Überlastung der Ordersysteme gesteigert

495 496

Zu Einzelheiten Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 25 BörsG Rn 23 f. Artt. 9 und 10 Delegierte Verordnung (EU) 2017/584 der Kommission vom 14.07.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der organisatorischen Anforderungen an Handelsplätze, ABlEU Nr. L 87/350 vom 31.03.2017; Delegierte Verordnung (EU) 2017/566 der Kommission vom 18.05.2016 zur Ergänzung der Richtlinie

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2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards für das Verhältnis zwischen nicht ausgeführten Verträgen und Geschäften zur Verhinderung marktstörender Handelsbedingungen, ABlEU Nr. L 87/84 vom 31.03.2017. Vgl. Begr. RegE HochfrequenzhandelsG, BTDrs. 17/11631, S. 16 und dazu Kobbach BKR 2013, 233 (239).

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7. Teil. Organisationsregeln

hatte.498 Die Vorschrift ist mit dem 2. FiMaNoG 2017 um einen Verweis auf die nach Maßgabe des Art. 49 Abs. 3 und 4 MiFID II erlassenen Technischen Regulierungsstandards499 (§ 26b Satz 3 BörsG n.F.) ergänzt worden, der die Spielräume für die nach § 26b Satz 4 BörsG n.F. (zuvor Satz 3 der Vorschrift i.d.F. des Hochfrequenzhandelsgesetzes) nach wie vor erforderliche Konkretisierung durch die Börsenordnungen erheblich eingeschränkt hat.

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5. Verpflichtung von Market-Makern (§ 26c BörsG). Die mit dem 2. FiMaNoG 2017 in § 26c BörsG neu eingeführte Pflicht, in die Börsenordnung Regelungen zur Zulassung von Market-Makern (an der Frankfurter Wertpapierbörse: Designated Sponsors) aufzunehmen (Abs. 1) und für eine ausreichende Zahl an Market-Makern zu sorgen (Abs. 2), geht zurück auf Art. 48 Abs. 2 und 3 MiFID II.500 Die Regelung soll die Liquidität der geregelten Märkte sicherstellen, indem die betreffenden Handelsteilnehmer sich vertraglich zur Stellung fester und wettbewerbsfähiger Preise verpflichten.501 Die weitere Ausgestaltung wird der Börsen- bzw. der Gebührenordnung überlassen (Abs. 3 und 4), wobei die aus den nach Maßgabe des Art. 48 Abs. 12 lit. f MiFID II erlassenen Technischen Regulierungsstandards502 zu beachten sind.

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6. Sonstiges (§§ 26e-26g BörsG). Die in § 26e BörsG geregelte Verpflichtung der Börsen zur Veröffentlichung von Informationen über die Ausführungsqualität steht im sachlichen Zusammenhang mit den Best-Execution-Pflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 82 WpHG, Artt. 64 bis 66 DVO MiFID II und unterstützt diese. Die einschlägigen unionsrechtlichen Vorgaben finden sich in Art. 27 Abs. 3 MiFID II; inhaltlich werden die Pflichten durch die nach Maßgabe des Art. 27 Abs. 10 MiFID II erlassenen Technischen Regulierungsstandards503 ausgestaltet und konkretisiert. § 26f BörsG betrifft ausschließlich Börsen, an denen Warenderivate gehandelt werden, und verpflichtet diese in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 57 Abs. 8 bis 10 MiFID II504 zur Einrichtung von Positionsmanagementkontrollen. § 26g BörsG schließlich verschafft der Börsengeschäftsführung einen Anspruch gegen die Handelsteilnehmer auf Übermittlung von Daten, um die Erfüllung der Aufzeichnungspflicht aus Art. 25 Abs. 2 MiFIR zu ermöglichen.

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500 501 502

Begr. RegE HochfrequenzhandelsG, BT-Drs. 17/11631, S. 16; vgl. auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 472. Delegierte Verordnung (EU) 2017/588 der Kommission vom 14.07.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für das Tick-GrößenSystem für Aktien, Aktienzertifikate und börsengehandelte Fonds, ABlEU Nr. L 87/411 vom 31.03.2017. Vgl. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 270. Zum Hintergrund Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 473. Delegierte Verordnung (EU) 2017/578 der Kommission vom 13.06.2016 zur Ergänzung

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der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards zur Angabe von Anforderungen an Market-Making-Vereinbarungen und -Systeme, ABlEU Nr. L 87/183 vom 31.03.2017. Delegierte Verordnung (EU) 2017/575 der Kommission vom 8.6.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards bezüglich der Daten, die Ausführungsplätze zur Qualität der Ausführung von Geschäften veröffentlichen müssen, ABlEU Nr. L 87/152 vom 31.3.2017. Vgl. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 270.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

IV. Anforderungen an alternative Handelsplätze und systematische Internalisierer (§§ 71–79 WpHG, §§ 48–48b BörsG – Überblick) Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2708), zuletzt geändert durch Artikel 3a des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693) § 72 Betrieb eines multilateralen Handelssystems oder eines organisierten Handelssystems (§ 31f WpHG a.F. – neu gefasst] (1) Der Betreiber eines multilateralen oder organisierten Handelssystems ist dazu verpflichtet, 1. nichtdiskriminierende Regelungen für den Zugang zu dem multilateralen oder organisierten Handelssystem festzulegen, die kein Ermessen des Betreibers vorsehen; 2. Regelungen für die Einbeziehung von Finanzinstrumenten in den Handel, für die ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Preisermittlung, für die Verwendung von einbezogenen Referenzpreisen und für die vertragsgemäße Abwicklung der abgeschlossenen Geschäfte festzulegen; 3. über angemessene Verfahren zur Überwachung der Einhaltung der Regelungen nach Nummer 2 und der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 zu verfügen, 4. alle Informationen zu veröffentlichen, die unter Berücksichtigung der Art der Nutzer und der gehandelten Finanzinstrumente für die Nutzung des multilateralen oder organisierten Handelssystems erforderlich und zweckdienlich sind, 5. separate Entgelte zu verlangen für die übermäßige Nutzung des multilateralen oder organisierten Handelssystems, insbesondere durch unverhältnismäßig viele Auftragseingaben, -änderungen und -löschungen; die Höhe dieser Entgelte ist so zu bemessen, dass einer übermäßigen Nutzung und den damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Systemstabilität oder die Marktintegrität wirksam begegnet wird, 6. geeignete Vorkehrungen zu treffen, um auch bei erheblichen Preisschwankungen eine ordnungsgemäße Preisermittlung sicherzustellen; geeignete Vorkehrungen sind insbesondere kurzfristige Änderungen des Marktmodells, kurzzeitige Volatilitätsunterbrechungen unter Berücksichtigung statischer oder dynamischer Preiskorridore und Limitsysteme der mit der Preisfeststellung betrauten Handelsteilnehmer, wobei es dem Betreiber in Ausnahmefällen möglich sein muss, jedes Geschäft aufzuheben, zu ändern oder zu berichtigen; die Parameter für solche Volatilitätsunterbrechungen müssen der Liquidität der einzelnen Kategorien und Teilkategorien der betreffenden Finanzinstrumente, der Art des Marktmodells und der Art der Nutzer Rechnung tragen und ermöglichen, dass wesentliche Störungen eines ordnungsgemäßen Handels unterbunden werden; der Betreiber hat der Bundesanstalt diese Parameter mitzuteilen, 7. sicherzustellen, dass ein angemessenes Verhältnis zwischen Auftragseingaben, -änderungen und -löschungen und den tatsächlich ausgeführten Geschäften (Order-Transaktions-Verhältnis) besteht, um Risiken für den ordnungsgemäßen Handel im multilateralen oder organisierten Handelssystem zu vermeiden; das Order-Transaktions-Verhältnis ist dabei jeweils für ein Finanzinstrument und anhand des zahlenmäßigen Volumens der Aufträge und Geschäfte innerhalb eines Tages zu bestimmen; ein Order- Transaktions-Verhältnis ist insbesondere angemessen, wenn es auf Grund der Liquidität des betroffenen Finanzinstruments, der konkreten Marktlage oder der Funktion des Handelsteilnehmers wirtschaftlich nachvollziehbar ist, 8. eine angemessene Größe der kleinstmöglichen Preisänderung bei den gehandelten Aktien, Aktienzertifikaten, Exchange Traded Funds, Zertifikaten und anderen vergleichbaren Finanzinstrumenten sowie allen anderen Finanzinstrumenten, die von dem auf der Grundlage von Artikel 49 Absatz 4 der Richtlinie 2014/65/EU erlassenen delegierten Rechtsakt der Europäischen Kommission erfasst werden, festzulegen, um negative Auswirkungen auf die Marktintegrität und -liquidität zu verringern; dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass diese den Preisfindungsmechanismus und das Ziel eines angemessenen Order-Transaktionsverhältnisses nicht beeinträchtigt; wegen der einzelnen Anforderungen an die Festlegung der Mindestpreisänderungsgröße wird auf die Delegierte Verordnung (EU) 2017/588 [RTS 11] verwiesen.

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7. Teil. Organisationsregeln 9. angemessene Risikokontrollen und Schwellen für den Handel über den direkten elektronischen Zugang festzulegen, insbesondere Regelungen festzulegen über a) die Kennzeichnung von Aufträgen, die über einen direkten elektronischen Zugang erteilt werden, und b) die Möglichkeit einer jederzeitigen Sperrung oder Beendigung eines direkten elektronischen Zugangs bei Verstößen des Inhabers des direkten Zugangs gegen geltende Rechtsvorschriften, 10. Regelungen festzulegen für die Kennzeichnung aller Aufträge, die durch den algorithmischen Handel im Sinne des § 80 Absatz 2 Satz 1 erzeugt werden, durch die Handelsteilnehmer und für die Offenlegung der hierfür jeweils verwendeten Handelsalgorithmen sowie der Personen, die diese Aufträge initiiert haben, 11. eine zuverlässige Verwaltung der technischen Abläufe des Handelssystems sicherzustellen, insbesondere a) wirksame Notfallmaßnahmen bei einem Systemausfall oder bei Störungen in seinen Handelssystemen vorzusehen, um die Kontinuität des Geschäftsbetriebs gewährleisten zu können, b) sicherzustellen, dass die Handelssysteme belastbar sind und über ausreichende Kapazitäten für Spitzenvolumina an Aufträgen und Mitteilungen verfügen und c) sicherzustellen, dass die Systeme in der Lage sind, auch unter extremen Stressbedingungen auf den Märkten einen ordnungsgemäßen Handel zu gewährleisten, und dass sie für diese Zwecke vollständig geprüft sind, 12. Vorkehrungen zu treffen, mit denen sich mögliche nachteilige Auswirkungen von Interessenkonflikten zwischen dem multilateralen oder organisierten Handelssystem und seinem Eigentümer oder Betreiber einerseits und dem einwandfreien Funktionieren des multilateralen oder organisierten Handelssystems andererseits auf dessen Betrieb oder auf seine Handelsteilnehmer klar erkennen und regeln lassen, 13. sicherzustellen, dass das multilaterale oder organisierte Handelssystem über mindestens drei aktive Mitglieder oder Nutzer verfügt, denen es jeweils möglich ist, mit allen übrigen Mitgliedern und Nutzern zum Zwecke der Preisbildung zu interagieren. Die §§ 5 Absatz 4a, 22a, 26c und 26d des Börsengesetzes gelten entsprechend. (2) Die Gebührenstrukturen, einschließlich der Ausführungsgebühren, Nebengebühren und möglichen Rabatte, müssen transparent und diskriminierungsfrei ausgestaltet sein. Die Gebühren dürfen keine Anreize schaffen, Aufträge so zu platzieren, zu ändern oder zu stornieren oder Geschäfte so zu tätigen, dass dies zu marktstörenden Handelsbedingungen oder Marktmissbrauch beiträgt. Insbesondere dürfen Rabatte in Bezug auf einzelne Aktien oder Aktienportfolios nur als Gegenleistung für die Übernahme von Market-Making-Pflichten gewährt werden. (3) Der Betreiber eines multilateralen oder organisierten Handelssystems hat der Bundesanstalt eine ausführliche Beschreibung der Funktionsweise des Handelssystems vorzulegen. Diese hat auch etwaige Verbindungen des Handelssystems zu Börsen, anderen multilateralen oder organisierten Handelssystemen oder systematischen Internalisierern, deren Träger oder Betreiber im Eigentum des Betreibers des Handelssystems stehen, sowie eine Liste der Mitglieder, Teilnehmer und Nutzer des Handelssystems zu umfassen. Die Bundesanstalt stellt diese Informationen auf Verlangen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde zur Verfügung. Sie hat der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde jede Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb eines multilateralen oder organisierten Handelssystems mitzuteilen. (4) Emittenten, deren Finanzinstrumente ohne ihre Zustimmung in den Handel in einem multilateralen oder organisierten Handelssystem einbezogen worden sind, können nicht dazu verpflichtet werden, Informationen in Bezug auf diese Finanzinstrumente für dieses multilaterale oder organisierte Handelssystem zu veröffentlichen. (5) Der Betreiber eines multilateralen oder organisierten Handelssystems kann von einem Emittenten die Übermittlung von Referenzdaten in Bezug auf dessen Finanzinstrumente verlangen, soweit dies zur Erfüllung der Anforderungen aus Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erforderlich ist.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur (6) Der Betreiber eines multilateralen oder organisierten Handelssystems hat der Bundesanstalt schwerwiegende Verstöße gegen die Handelsregeln, Störungen der Marktintegrität und Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 unverzüglich mitzuteilen und diese bei ihren Untersuchungen umfassend zu unterstützen. Die Bundesanstalt hat die Informationen nach Satz 1 der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde und den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten und der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zu übermitteln. Im Falle von Anhaltspunkten für Verstöße gegen die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 übermittelt die Bundesanstalt Informationen erst dann, wenn sie von einem Verstoß überzeugt ist. (7) Darüber hinaus hat der Betreiber eines multilateralen oder organisierten Handelssystems der Bundesanstalt unverzüglich mitzuteilen, wenn bei einem an seinem Handelssystem gehandelten Finanzinstrument ein signifikanter Kursverfall im Sinne des Artikels 23 der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 eintritt. (8) Der Betreiber eines multilateralen oder organisierten Handelssystems hat die Bundesanstalt über den Eingang von Anträgen auf Zugang nach den Artikeln 7 und 8 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 unverzüglich schriftlich zu unterrichten. Die Bundesanstalt kann 1. unter den in Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannten Voraussetzungen dem Betreiber eines multilateralen oder organisierten Handelssystems den Zugang zu einer zentralen Gegenpartei im Sinne der genannten Verordnung untersagen sowie 2. unter den in Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannten Voraussetzungen dem Betreiber eines multilateralen oder organisierten Handelssystems untersagen, einer zentralen Gegenpartei im Sinne der genannten Verordnung Zugang zu gewähren. § 73 Aussetzung des Handels und Ausschluss von Finanzinstrumenten (1) Der Betreiber eines multilateralen oder organisierten Handelssystems kann den Handel mit einem Finanzinstrument aussetzen oder dieses Instrument vom Handel ausschließen, wenn dies zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Handels oder zum Schutz des Publikums geboten erscheint, insbesondere wenn 1. das Finanzinstrument den Regeln des Handelssystems nicht mehr entspricht, 2. der Verdacht eines Marktmissbrauchs im Sinne des Artikels 1 der Verordnung (EU) 596/2014 oder einer Nichtveröffentlichung von Insider-Informationen entgegen Artikel 17 der Verordnung (EU) 596/2014 in Bezug auf das Finanzinstrument besteht oder 3. ein Übernahmeangebot in Bezug auf den Emittenten des Finanzinstruments veröffentlicht wurde. Im Fall einer Maßnahme nach Satz 1 setzt der Betreiber auch den Handel mit Derivaten, die mit diesem Finanzinstrument verbunden sind oder sich auf dieses beziehen, aus oder stellt den Handel mit diesen Finanzinstrumenten ein, wenn dies zur Verwirklichung der Ziele der Maßnahme nach Satz 1 erforderlich ist. Eine Maßnahme nach Satz 1 oder Satz 2 unterbleibt, wenn sie die Interessen der betroffenen Anleger oder das ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes erheblich beeinträchtigen könnte. Der Betreiber veröffentlicht Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 und teilt sie unverzüglich der Bundesanstalt mit. (2) Wird ein Finanzinstrument, das in den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder Nummer 3 genannten Fällen Gegenstand einer Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 oder Satz 2 ist, oder ein Derivat, das mit einem solchen Finanzinstrument verbunden ist oder sich auf dieses bezieht, auch an einem anderen inländischen multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelt, so hat der Betreiber dieses Systems ebenfalls Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 oder Satz 2 zu treffen. Dies gilt nicht, wenn durch eine solche Maßnahme die Anlegerinteressen oder das ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes erheblich beeinträchtigt werden könnten. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. (3) Die Bundesanstalt veröffentlicht Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 unverzüglich und übermittelt diese der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde sowie den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Erhält die Bundesanstalt ihrerseits eine solche Mitteilung von einer zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats der Europäi-

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7. Teil. Organisationsregeln schen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, teilt sie dies den Geschäftsführungen der Börsen, an denen die betreffenden Finanzinstrumente gehandelt werden, der jeweiligen Börsenaufsichtsbehörde sowie den Betreibern inländischer multilateraler und organisierter Handelssysteme, an denen die betreffenden Finanzinstrumente gehandelt werden, mit. Die Bundesanstalt informiert die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde und die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum über Entscheidungen der inländischen Handelsplätze hinsichtlich solcher Maßnahmen, die diese nach einer Mitteilung nach Satz 2 getroffen haben, einschließlich einer Erläuterung, falls keine Handelsaussetzung oder Handelseinstellung erfolgt ist. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für die Aufhebung einer Handelsaussetzung. § 74 Besondere Anforderungen an multilaterale Handelssysteme [§ 31g WpHG a.F. – neu gefasst] (1) Die Regeln für den Zugang zu einem multilateralen Handelssystem müssen mindestens den Anforderungen nach § 19 Absatz 2 und 4 Satz 1 und 2 des Börsengesetzes entsprechen. (2) Die Regeln für den Handel und die Preisermittlung dürfen dem Betreiber eines multilateralen Handelssystems keinen Ermessensspielraum einräumen; dabei müssen die Preise im multilateralen Handelssystem entsprechend den Regelungen des § 24 Absatz 2 des Börsengesetzes zustande kommen, (3) Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems hat Vorkehrungen zu treffen, um 1. die Risiken, denen das System ausgesetzt ist, angemessen steuern zu können, insbesondere alle für den Betrieb des Handelssystems wesentlichen Risiken ermitteln und wirksam begrenzen zu können, und 2. einen reibungslosen und rechtzeitigen Abschluss der innerhalb seiner Systeme ausgeführten Geschäfte zu erleichtern. (4) Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems muss fortlaufend über ausreichende Finanzmittel verfügen, um ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Systems sicherzustellen, wobei der Art und dem Umfang der an dem Handelssystem abgeschlossenen Geschäfte sowie der Art und der Höhe der Risiken, denen es ausgesetzt ist, Rechnung zu tragen ist. (5) Dem Betreiber eines multilateralen Handelssystems ist es nicht gestattet, an einem multilateralen Handelssystem Kundenaufträge unter Einsatz seines eigenen Kapitals auszuführen oder auf die Zusammenführung sich deckender Kundenaufträge im Sinne von § 2 Absatz 29 zurückzugreifen. § 75 Besondere Anforderungen an organisierte Handelssysteme (1) Der Betreiber eines organisierten Handelssystems hat geeignete Vorkehrungen zu treffen, durch die die Ausführung von Kundenaufträgen in dem organisierten Handelssystem unter Einsatz des eigenen Kapitals des Betreibers oder eines Mitglieds derselben Unternehmensgruppe verhindert wird. (2) Der Betreiber eines organisierten Handelssystems darf auf die Zusammenführung sich deckender Kundenaufträge im Sinne von § 2 Absatz 29 für Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und bestimmte Derivate zurückgreifen, wenn der Kunde dem zugestimmt hat. Er darf auf die Zusammenführung sich deckender Kundenaufträge über Derivate nicht zurückgreifen, wenn diese der Verpflichtung zum Clearing nach Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 unterliegen. (3) Der Handel für eigene Rechnung ist einem Betreiber eines organisierten Handelssystems nur gestattet, soweit es sich nicht um die Zusammenführung sich deckender Kundenaufträge im Sinne von § 2 Absatz 29 handelt und nur in Bezug auf öffentliche Schuldtitel, für die kein liquider Markt besteht. (4) Ein organisiertes Handelssystem darf nicht innerhalb derselben rechtlichen Einheit mit einer systematischen Internalisierung betrieben werden. Ein organisiertes Handelssystem darf keine Verbindung zu einem systematischen Internalisierer oder einem anderen organisierten Handelssystem in einer Weise herstellen, die eine Interaktion von Aufträgen in dem organisierten Handels-

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur system mit den Aufträgen oder Angeboten des systematischen Internalisierers oder in dem organisierten Handelssystem ermöglicht. (5) Der Betreiber eines organisierten Handelssystems kann ein anderes Wertpapierdienstleistungsunternehmen beauftragen, unabhängig von dem Betreiber an dem organisierten Handelssystem Market Making zu betreiben. Ein unabhängiges Betreiben liegt nur dann vor, wenn keine enge Verbindung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zu dem Betreiber des organisierten Handelssystems besteht. (6) Der Betreiber eines organisierten Handelssystems hat die Entscheidung über die Ausführung eines Auftrags in dem organisierten Handelssystem nach Ermessen zu treffen, wenn er darüber entscheidet 1. einen Auftrag zu platzieren oder zurückzunehmen oder 2. einen bestimmten Kundenauftrag nicht mit anderen zu einem bestimmten Zeitpunkt im System vorhandenen Aufträgen zusammenzuführen. Im Falle des Satzes 1 Nummer 2 darf eine Zusammenführung nur dann unterbleiben, wenn dies mit etwaigen Anweisungen des Kunden sowie der Verpflichtung zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen im Sinne von § 70 vereinbar ist. Bei einem System, bei dem gegenläufige Kundenaufträge eingehen, kann der Betreiber entscheiden, ob, wann und in welchem Umfang er zwei oder mehr Aufträge innerhalb des Systems zusammenführt. Im Einklang mit den Absätzen 1, 2, 4 und 5 und unbeschadet des Absatzes 3 kann der Betreiber bei einem System, über das Geschäfte mit Nichteigenkapitalinstrumenten in die Wege geleitet werden, die Verhandlungen zwischen den Kunden erleichtern, um so zwei oder mehr möglicherweise kompatible Handelsinteressen in einem Geschäft zusammenzuführen. Diese Verpflichtung gilt unbeschadet der §§ 72 und 82 dieses Gesetzes. (7) Die Bundesanstalt kann von dem Betreiber eines organisierten Handelssystems jederzeit, insbesondere bei Antrag auf Zulassung des Betriebs, eine ausführliche Erklärung darüber verlangen, warum das organisierte Handelssystem keinem regulierten Markt, multilateralen Handelssystem oder systematischen Internalisierer entspricht und nicht in dieser Form betrieben werden kann. Die Erklärung hat eine ausführliche Beschreibung zu enthalten, wie der Ermessensspielraum genutzt wird, insbesondere wann ein Auftrag im organisierten Handelssystem zurückgezogen werden kann und wann und wie zwei oder mehr sich deckende Kundenaufträge innerhalb des organisierten Handelssystems zusammengeführt werden. Außerdem hat der Betreiber eines organisierten Handelssystems der Bundesanstalt Informationen zur Verfügung zu stellen, mit denen der Rückgriff auf die Zusammenführung sich deckender Kundenaufträge erklärt wird. (8) Die Bundesanstalt überwacht den Handel durch Zusammenführung sich deckender Aufträge durch den Betreiber des organisierten Handelssystems, damit sichergestellt ist, dass dieser die hierfür geltenden Anforderungen einhält und dass der von ihm betriebene Handel durch Zusammenführung sich deckender Aufträge nicht zu Interessenkonflikten zwischen dem Betreiber und seinen Kunden führt. (9) § 63 Absatz 1 und Absatz 3 bis 7 und 9, § 64 Absatz 1 sowie die §§ 69, 70 und 82 gelten entsprechend für Geschäfte, die über ein organisiertes Handelssystem abgeschlossen wurden. § 76 KMU-Wachstumsmärkte; Verordnungsermächtigung [nicht abgedruckt und nicht kommentiert] § 77 Direkter elektronischer Zugang (1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das einen direkten elektronischen Zugang zu einem Handelsplatz anbietet, muss 1. die Eignung der Kunden, die diesen Dienst nutzen, vor Gewährung des Zugangs beurteilen und regelmäßig überprüfen, 2. die im Zusammenhang mit diesem Dienst bestehenden Rechte und Pflichten des Kunden und des Wertpapierdienstleistungsunternehmens in einem schriftlichen Vertrag festlegen, wobei die Verantwortlichkeit des Wertpapierdienstleistungsunternehmens nach diesem Gesetz nicht auf den Kunden übertragen werden darf, 3. angemessene Handels- und Kreditschwellen für den Handel dieser Kunden festlegen,

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7. Teil. Organisationsregeln 4. den Handel dieser Kunden überwachen, um a) sicherzustellen, dass die Kunden die nach Nummer 3 festgelegten Schwellen nicht überschreiten, b) sicherzustellen, dass der Handel den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 596/2014, dieses Gesetzes sowie der Vorschriften des Handelsplatzes entspricht, c) marktstörende Handelsbedingungen oder auf Marktmissbrauch hindeutende Verhaltensweisen, die an die zuständige Behörde zu melden sind, erkennen zu können, und d) sicherzustellen, dass durch den Handel keine Risiken für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst entstehen. (2) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das einen direkten elektronischen Zugang zu einem Handelsplatz anbietet, teilt dies der Bundesanstalt und den zuständigen Behörden des Handelsplatzes, an dem sie den direkten elektronischen Zugang anbietet, mit. Die Bundesanstalt kann dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen vorschreiben, regelmäßig oder jederzeit auf Anforderung eine Beschreibung der in Absatz 1 genannten Systeme und Kontrollen sowie Nachweise für ihre Anwendung vorzulegen. Auf Ersuchen einer zuständigen Behörde des Handelsplatzes, zu dem ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen direkten elektronischen Zugang bietet, leitet die Bundesanstalt diese Informationen unverzüglich an diese Behörde weiter. (3) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen sorgt dafür, dass Aufzeichnungen zu den in diesem Paragrafen genannten Angelegenheiten mindestens für fünf Jahre aufbewahrt werden, und stellt sicher, dass diese ausreichend sind, um der Bundesanstalt zu ermöglichen, die Einhaltung der Anforderungen dieses Gesetzes zu überprüfen. § 78 Handeln als General Clearing-Mitglied Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das als General Clearing-Mitglied für andere Personen handelt, muss über wirksame Systeme und Kontrollen verfügen, um sicherzustellen, dass die Clearing-Dienste nur für solche Personen erbracht werden, die dafür geeignet sind und die von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen vorher festgelegte eindeutige Kriterien erfüllen. Es muss diesen Personen geeignete Anforderungen auferlegen, die dafür sorgen, dass die Risiken für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und den Markt verringert werden. Es muss ein schriftlicher Vertrag zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und der jeweiligen Person bestehen, der die im Zusammenhang mit diesem Dienst bestehenden Recht und Pflichten regelt. § 79 Mitteilungspflicht von systematischen Internatilisierern [§ 32 WpHG a.F. – neu gefasst] Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die als systematischer Internalisierer tätig sind, haben dies der Bundesanstalt unverzüglich mitzuteilen. Die Bundesanstalt übermittelt diese Information an die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde.

Börsengesetz (BörsG) vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1330, 1351), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693)

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Abschnitt 5 Freiverkehr, KMU-Wachstumsmarkt und organisiertes Handelssystem § 48 Freiverkehr [geändert durch Artikel 8 FiMaNoG II] (1) Für Wertpapiere, die weder zum Handel im regulierten Markt zugelassen noch zum Handel in den regulierten Markt einbezogen sind, kann die Börse den Betrieb eines Freiverkehrs durch den Börsenträger zulassen, wenn durch eine Handelsordnung sowie durch Geschäftsbedingungen des Börsenträgers, die von der Geschäftsführung gebilligt wurden, eine ordnungsmäßige Durchführung des Handels und der Geschäftsabwicklung gewährleistet erscheint. Die Handelsordnung regelt den Ablauf des Handels. Die Geschäftsbedingungen regeln die Teilnahme am Handel und die Einbeziehung von Wertpapieren zum Handel. Emittenten, deren Wertpapiere ohne ihre Zustimmung in den Freiverkehr einbezogen worden sind, können durch die Geschäftsbedingungen nicht dazu verpflichtet werden, Informationen in Bezug auf diese Wertpapiere zu veröffentlichen.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur (2) Die Börsenaufsichtsbehörde kann den Handel im Freiverkehr untersagen, wenn ein ordnungsgemäßer Handel für die Wertpapiere nicht mehr gewährleistet erscheint. (3) Der Betrieb eines Freiverkehrs bedarf der schriftlichen Erlaubnis der Börsenaufsichtsbehörde. Der Freiverkehr gilt als multilaterales Handelssystem. Der Börsenträger legt der Börsenaufsichtsbehörde eine ausführliche Beschreibung der Funktionsweise des Handelssystems, einschließlich etwaiger Verbindungen zu einem anderen multilateralen oder organisierten Handelssystem oder einem systematischen Internalisierer in seinem Eigentum, sowie eine Liste der Handelsteilnehmer vor. Die Börsenaufsichtsbehörde stellt diese Informationen der Bundesanstalt und auf deren Verlangen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde zur Verfügung und teilt diesen jede Erteilung einer Erlaubnis eines Freiverkehrs mit. Auf den Betrieb des Freiverkehrs sind unbeschadet der Absätze 4 und 5 die Vorschriften dieses Gesetzes mit Ausnahme der §§ 27 bis 43 entsprechend anzuwenden. (4) Der Börsenträger hat sicherzustellen, dass der Freiverkehr über mindestens drei aktive Handelsteilnehmer verfügt, denen es jeweils möglich ist, mit allen übrigen Handelsteilnehmern zum Zwecke der Preisbildung zu interagieren. (5) Der Börsenträger kann von einem Emittenten die Übermittlung von Referenzdaten in Bezug auf dessen Finanzinstrumente verlangen, soweit dies zur Erfüllung der Anforderungen aus Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erforderlich ist. § 48a KMU-Wachstumsmarkt [hinzugefügt durch Artikel 8 FiMaNoG II] [nicht abgedruckt und nicht kommentiert] § 48b Organisiertes Handelssystem an einer Börse [hinzugefügt durch Artikel 8 FiMaNoG II] (1) Der Betrieb eines organisierten Handelssystems an einer Börse bedarf der schriftlichen Erlaubnis der Börsenaufsichtsbehörde. Der Börsenträger legt der Börsenaufsichtsbehörde eine ausführliche Beschreibung der Funktionsweise des organisierten Handelssystems vor, einschließlich etwaiger Verbindungen zu einem anderen organisierten oder multilateralen Handelssystem oder einem systematischen Internalisierer in seinem Eigentum, sowie eine Liste der Handelsteilnehmer. Die Börsenaufsichtsbehörde stellt diese Informationen der Bundesanstalt und auf deren Verlangen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde zur Verfügung und teilt diesen jede Zulassung eines organisierten Handelssystems mit. Soweit die Absätze 2 bis 9 keine abweichende Regelung treffen, sind die für den Freiverkehr geltenden Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend anzuwenden. (2) Der Börsenträger als Betreiber eines organisierten Handelssystems hat geeignete Vorkehrungen zu treffen, durch die die Ausführung von Kundenaufträgen in dem organisierten Handelssystem unter Einsatz des eigenen Kapitals des Betreibers oder eines Mitglieds derselben Unternehmensgruppe verhindert wird. (3) Der Börsenträger als Betreiber eines organisierten Handelssystems darf auf die Zusammenführung sich deckender Kundenaufträge im Sinne von § 2 Absatz 29 des Wertpapierhandelsgesetzes für Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und bestimmte Derivate zurückgreifen, wenn der Kunde dem zugestimmt hat. Er darf auf die Zusammenführung sich deckender Kundenaufträge über Derivate nicht zurückgreifen, wenn diese der Verpflichtung zum Clearing nach Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 unterliegen. (4) Der Handel für eigene Rechnung ist dem Börsenträger als Betreiber eines organisierten Handelssystems nur gestattet, soweit es sich nicht um die Zusammenführung sich deckender Kundenaufträge im Sinne von § 2 Absatz 29 des Wertpapierhandelsgesetzes handelt und nur in Bezug auf öffentliche Schuldtitel, für die kein liquider Markt besteht. (5) Der Börsenträger darf ein organisiertes Handelssystem nicht innerhalb derselben rechtlichen Einheit mit einer systematischen Internalisierung betreiben. Ein organisiertes Handelssystem darf keine Verbindung zu einem systematischen Internalisierer oder einem anderen organisierten Handelssystem in einer Weise herstellen, die eine Interaktion von Aufträgen in dem organisierten Handelssystem mit den Aufträgen oder Angeboten des systematischen Internalisierers oder in dem organisierten Handelssystem ermöglicht.

Jens-Hinrich Binder

615

7. Teil. Organisationsregeln (6) Der Börsenträger als Betreiber eines organisierten Handelssystems kann ein anderes Wertpapierdienstleistungsunternehmen beauftragen, unabhängig an diesem organisierten Handelssystem Market Making zu betreiben. Ein unabhängiges Betreiben liegt nur dann vor, wenn keine enge Verbindung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zu dem Börsenträger besteht. (7) Der Börsenträger als Betreiber des organisierten Handelssystems hat die Entscheidung über die Ausführung eines Auftrags in dem organisierten Handelssystem nach Ermessen zu treffen, wenn er darüber entscheidet 1. einen Auftrag über das von ihnen betriebene organisierte Handelssystem zu platzieren oder zurückzunehmen oder 2. einen bestimmten Kundenauftrag nicht mit anderen zu einem bestimmten Zeitpunkt im System vorhandenen Aufträgen zusammenzuführen. Im Falle des Satzes 1 Nummer 2 darf eine Zusammenführung nur dann unterbleiben, wenn dies mit etwaigen Anweisungen des Kunden sowie der Verpflichtung zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen im Sinne von § 70 des Wertpapierhandelsgesetzes vereinbar ist. Bei einem System, bei dem gegenläufige Kundenaufträge eingehen, kann der Betreiber entscheiden, ob, wann und in welchem Umfang er zwei oder mehr Aufträge innerhalb des Systems zusammenführt. Im Einklang mit den Absätzen 2, 3, 5 und 6 und unbeschadet des Absatzes 4 kann der Betreiber bei einem System, über das Geschäfte mit Nichteigenkapitalinstrumenten in die Wege geleitet werden, die Verhandlungen zwischen den Kunden erleichtern, um so zwei oder mehr möglicherweise kompatible Handelsinteressen in einem Geschäft zusammenzuführen. Diese Verpflichtung gilt unbeschadet der §§ 72 und 82 des Wertpapierhandelsgesetzes. (8) Die Börsenaufsichtsbehörde kann von dem Börsenträger als Betreiber eines organisierten Handelssystems jederzeit, insbesondere bei Antrag auf Zulassung des Betriebs, eine ausführliche Erklärung darüber verlangen, warum das organisierte Handelssystem keinem regulierten Markt, multilateralen Handelssystem oder systematischen Internalisierer entspricht und nicht in dieser Form betrieben werden kann. Die Erklärung hat eine ausführliche Beschreibung zu enthalten, wie der Ermessensspielraum genutzt wird, insbesondere wann ein Auftrag im organisierten Handelssystem zurückgezogen werden kann und wann und wie zwei oder mehr sich deckende Kundenaufträge innerhalb des organisierten Handelssystems zusammengeführt werden. Außerdem hat der Börsenträger als Betreiber eines organisierten Handelssystems der Börsenaufsichtsbehörde Informationen zur Verfügung zu stellen, mit denen der Rückgriff auf die Zusammenführung sich deckender Kundenaufträge erklärt wird. Die Börsenaufsichtsbehörde hat diese Informationen der Bundesanstalt und auf deren Verlangen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde zur Verfügung zu stellen. (9) Die Börsenaufsichtsbehörde überwacht den Handel durch Zusammenführung sich deckender Aufträge durch den Börsenträger als Betreiber des organisierten Handelssystems, damit sichergestellt ist, dass dieser die hierfür geltenden Anforderungen einhält und dass der von ihm betriebene Handel durch Zusammenführung sich deckender Aufträge nicht zu Interessenkonflikten zwischen dem Betreiber und seinen Kunden führt. (10) § 63 Absatz 1 und Absatz 3 bis 7 und 9, § 64 Absatz 1 sowie die §§ 69, 70 und 82 des Wertpapierhandelsgesetzes gelten entsprechend für Geschäfte, die über ein organisiertes Handelssystem an einer Börse abgeschlossen wurden.

1. Grundlagen

164

a) Anwendungsbereich. §§ 71–79 WpHG, §§ 48–48b BörsG regeln Anforderungen an Betreiber und Betrieb multilateraler Handelssysteme (multilateral trading facilities, MTF) und organisierter Handelssysteme (organised trading facilities, OTF), im Folgenden zusammen als „alternative Handelssysteme“ bezeichnet. Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 8 Nr. 8 WpHG (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 MiFID II) handelt es sich bei einem multilateralen Handelssystem um ein „System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt“.

616

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

Ein organisiertes Handelssystem ist dagegen gem. § 2 Abs. 8 Nr. 9 WpHG (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 23 MiFID II) ein „System, bei dem es sich nicht um einen organisierten Markt oder ein multilaterales Handelssystem handelt und das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten innerhalb des Systems auf eine Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt“.

Die Betreiberpflichten für beide Arten alternativer Handelssysteme werden entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben überwiegend einheitlich ausgestaltet. Sie ergänzen die allgemeinen bankaufsichts- und kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten für Kapitalmarktintermediäre, die anwendbar sind, weil der Betrieb von MTF und OTF als erlaubnispflichtige Wertpapierdienstleistung erfasst ist (siehe schon oben Rn 4). Auch insoweit ist der bereits für die kapitalmarktrechtlichen Intermediärpflichten konstatierte Regelungsansatz erkennbar, allgemeine sektorübergreifende Organisationspflichten um bereichsspezifische Pflichten zu ergänzen; dieser Ansatz wird hier freilich durch die dualistische Verteilung der Regelungen auf Börsengesetz und WpHG nicht unerheblich aufgebrochen. b) Regelungsinhalte im Überblick.505 § 72 WpHG, der die Anforderungen an den Be- 165 trieb multilateraler Handelssysteme aus § 31f WpHG a.F. in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 18 Abs. 1 bis 7 und 9 i.V.m. Artt. 48 und 49 MiFID II umfassend neu gestaltet, regelt nunmehr – teilweise unter Verweis auf Bestimmungen des Börsengesetzes und auf Level-2-Rechtsakte zu den korrespondierenden Vorgaben des Europäischen Sekundärrechts – allgemeine Organisationspflichten für MTF und OTF. Der neu eingefügte § 73 WpHG setzt die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 32 Abs. 1 und 2 MiFID II um und regelt die Aussetzung des Handels und den Ausschluss von Finanzinstrumenten. Nur für MTF, nicht auch für OTF schließen sich sodann spezielle Anforderungen an die Ausgestaltung der Zugangsbedingungen sowie an die Organisation in § 74 WpHG an, der Art. 19 MiFID II umsetzt und – teilweise im Wege der Verweisung darauf – Gleichlauf mit den korrespondierenden Regelungen für den Börsenbetrieb nach dem BörsG herstellt. § 75 WpHG setzt sodann die neuen unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 20 MiFID II für den Betrieb von OTF um. In § 76 WpHG (vgl. Art. 33 MiFID II) werden die – nachfolgend nicht kommentierten – Anforderungen an die Zulassung multilateraler Handelssysteme sog. KMU-Wachstumsmärkte geregelt. § 77 WpHG verpflichtet in Umsetzung der Anforderungen aus Art. 17 Abs. 5 MiFID II Betreiber alternativer Handelsplätze, die einen direkten elektronischen Zugang zu einem Handelsplatz anbieten, zur Festlegung qualitativer Anforderungen an die jeweiligen Kunden. Im Zusammenhang damit regelt § 78 WpHG Anforderungen an General-Clearing-Mitglieder. § 79 WpHG schließlich, der im Folgenden nicht kommentiert wird, statuiert eine Anzeigepflicht für systematische Internalisierer. Im Börsengesetz enthält § 48 BörsG Sonderregelungen zum Freiverkehr als Sonderfall eines vom Börsenträger – nicht: der Börse selbst! – betriebenen multilateralen Handelssystems. An die Stelle der wertpapieraufsichtsrechtlichen Erlaubnis als Wertpapierdienstleistungsunternehmen tritt hiernach zum einen die Zulassung durch die Börse, die in § 48 Abs. 1 BörsG an die Voraussetzung geknüpft wird, dass durch eine Handelsordnung sowie durch Geschäftsbedingungen ein ordnungsgemäßer Handel und eine ordnungsgemäße Geschäftsabwicklung gewährleistet erscheinen, zum anderen gem. § 48 Abs. 3 Satz 1 BörsG

505

Zur Systematik der Umsetzungsvorschriften auch Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 239 f.

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617

7. Teil. Organisationsregeln

die schriftliche Erlaubnis der Börsenaufsichtsbehörde. Die Börsenaufsichtsbehörde hat zudem gem. § 48 Abs. 2 BörsG nach wie vor die Kompetenz zur Untersagung des Freiverkehrs, wenn diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. § 48a BörsG regelt – spiegelbildlich zu § 76 WpHG – Voraussetzungen und Verfahren der Anerkennung eines Freiverkehrs als KMU-Wachstumsmarkt, und § 48b BörsG die Anforderungen an den Betrieb eines organisierten Handelssystems an einer Börse.

166

c) Systematisches Verhältnis von BörsG und WpHG. Die dualistische Erfassung von geregelten Märkten einerseits, die im deutschen Recht als Börsen gesondert reguliert werden, und alternativen Handelssystemen andererseits ist als solche bereits in den unionsrechtlichen Vorgaben angelegt, welche geregelte Märkte und MTF zwar im wesentlichen vergleichbaren Standards unterwerfen, aber kategorial voneinander unterscheiden. Eine hohe Komplexität der jeweils einschlägigen Rechtsgrundlagen ist in dieser Konzeption ebenso angelegt wie die Notwendigkeit einer wechselseitigen Abstimmung.506 Diese Komplexität wird im deutschen Recht indessen nochmals dadurch gesteigert, dass die Aufbauund Ablauforganisation alternativer Handelsplätze, d.h. der Alternativen zur Börse (zum „geregelten Markt“) – teilweise inhaltsgleich, teilweise mit Verweisungen – auch im neuen, mit dem 2. FiMaNoG 2017 gestalteten Recht sowohl im WpHG als auch im BörsG reguliert werden. Der Grund für diese schon auf den ersten Blick systematisch kaum befriedigende Rechtslage liegt darin, dass der deutsche Gesetzgeber im Ausgangspunkt an der historisch überkommenen börsengesetzlichen Erfassung des Freiverkehrs festgehalten hat. Dieser ist unionsrechtlich als multilaterales Handelssystem zu qualifizieren; sein Betrieb wäre damit an sich als Wertpapierdienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 8 WpHG erfasst und unterläge damit der allgemeinen Erlaubnispflicht. Die duplikative Regelung der Pflichten der Betreiber multilateraler Handelssysteme in §§ 72 bis 74 WpHG einerseits, die sich an Kapitalmarktintermediäre in ihrer Eigenschaft als Marktveranstalter richten, und § 48 BörsG andererseits beruht erkennbar nicht zuletzt auf dem Ziel, den Börsenbetreiber mit Blick auf seine in § 5 BörsG (oben Rn 142) geregelte besondere Pflichtenstellung nicht einer doppelten Regulierung als Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu unterwerfen, ihm aber gleichzeitig möglichst große Gestaltungsspielräume für den Betrieb der Freiverkehre zu bewahren. Zwar wird der Freiverkehr nunmehr in § 48 Abs. 3 Satz 2 BörsG ausdrücklich als multilaterales Handelssystem identifiziert. Diese Regelung löst allerdings mitnichten die Anwendbarkeit der §§ 72 bis 74 WpHG aus. Vielmehr wird der Begriff in § 2 Abs. 6 BörsG eigenständig und nicht vollständig deckungsgleich mit der Parallelregelung in § 2 Abs. 8 Nr. 8 WpHG legaldefiniert und verweist § 48 Abs. 3 Satz 4 BörsG hinsichtlich der Anforderungen an den Betrieb des Freiverkehrs allgemein auf „die Vorschriften dieses Gesetzes mit Ausnahme der §§ 27 bis 43 BörsG“ und damit auf die Vorschriften über den Betrieb der Börse als geregelter Markt i.S.d. unionsrechtlichen Anforderungen. Dies mag angesichts der gesonderten Erfassung multilateraler Handelssysteme in §§ 71 bis 74 WpHG auf den ersten Blick paradox erscheinen, wird aber in der Tat durch den Umstand gerechtfertigt, dass das Europäische Kapitalmarktrecht geregelte Märkte und multilaterale Handelssysteme weitestgehend als funktionsäquivalente Handelsplätze begreift und deshalb vergleichbare qualitative und organisatorische Anforderungen vorsieht507 (siehe schon oben Rn 14 und Rn 145 f.). Damit richtet sich der Blick indessen auf eine

506

Zu Recht rechtspolitisch kritisch insoweit Ferrarini/Moloney EBOR 13 (2012), 557 (593 f.).

618

507

Vgl. dazu Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 270.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

zweite Besonderheit des deutschen Rechtsrahmens für die Handelsinfrastruktur, die ebenfalls durch die überkommene öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Börsen bedingt ist: Anstatt die Anforderungen an die Corporate Governance der Betreiber und die Organisationspflichten von Börsen bzw. Börsenträgern einerseits und multilateraler Handelsplätze andererseits einheitlich zu regeln und die (wenigen) Abweichungen im Rahmen von Ausnahmeregelungen auszugestalten, werden beide Regimes nach wie vor getrennt. Der unionsrechtlich vorgegebene Regelungsbestand wird damit im deutschen Umsetzungsrecht gleich in doppelter Hinsicht aufgebrochen: zum einen durch die Trennung zwischen börsengesetzlichen und wertpapierhandelsrechtlichen Pflichten, die nur mit Blick auf die kategoriale Einteilung (geregelte Märkte, MTF) als solche, aber gerade nicht hinsichtlich der einschlägigen Betreiberpflichten der unionsrechtlichen Systematik entspricht, zum anderen durch die unionsrechtlich nicht vorgegebene künstliche Aufspaltung der Rechtsgrundlagen für multilaterale Handelssysteme in §§ 72 ff. WpHG einerseits und §§ 48 ff. BörsG andererseits. Beides führt zu Systembrüchen und Redundanzen, die angesichts der Regelungsdichte und -intensität um so gravierender wirken. d) Inhaltliche Überschneidungen und Verweis. Für die praktische Umsetzung der 167 Pflichten und für die Kommentierung haben diese Zusammenhänge zur Folge, dass in weitem Umfang inhaltlich auf die obigen Ausführungen zu den börsenrechtlichen Organisationspflichten verwiesen werden kann und eine nähere Auseinandersetzung nur insoweit erforderlich ist, als Sonderregelungen bestehen. Konkret betrifft dies, soweit hier von Interesse, allein die besonderen Anforderungen an OTF nach § 75 WpHG bzw. § 48b BörsG (unten Rn 169). Die Zusammenhänge zwischen beiden Regelungskomplexen – und das Ausmaß der inhaltlichen Redundanzen – verdeutlicht die nachfolgende Konkordanztabelle: WpHG

BörsG

MiFID II / MAR

§ 72 Abs. 1 Nr. 1 (Zugangsregeln)

§ 48 Abs. 1 Satz 3, 1. Hs. sowie Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 19; Börsengeschäftsbedingungen

Art. 18 Abs. 3 MiFID II

§ 72 Abs. 1 Nr. 2 (Einbeziehung von Finanzinstrumenten, ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Preisermittlung, vertragsgemäße Abwicklung)

§§ 48 Abs. 1 Satz 3, 2. Hs. sowie Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 23; Börsengeschäftsbedingungen

Art. 18 Abs. 1 und 2 UAbs. 1 MiFID II

§ 72 Abs. 1 Nr. 3 (Überwachungspflichten im Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit des Handels und MAR-Compliance)

§ 48 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 (Überwachung durch Handelsüberwachungsstelle)

Art. 31 Abs. 1 MiFID II / Art. 16 Abs. 1 MAR

§ 72 Abs. 1 Nr. 4 (Publizitätspflicht hinsichtlich der Nutzungsbedingungen)

keine direkte Entsprechung, ergibt sich aus der Veröffentlichung der Börsengeschäftsbedingungen, vgl. § 48 Abs. 1 Satz und 3

Art. 18 Abs. 2 UAbs. 2 MiFID II

§ 72 Abs. 1 Nr. 5 (besondere Gebührenregelung für „übermäßige Nutzung“)

§ 48 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 17 Abs. 4

Jens-Hinrich Binder

619

7. Teil. Organisationsregeln WpHG

BörsG

MiFID II / MAR

§ 72 Abs. 1 Nr. 6 (Vorkehrungen zur Gewährleistung ordnungsmäßiger Preisbildung auch bei erheblichen Preisschwankungen)

§ 48 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 24 Abs. 2a und 2b

Art. 18 Abs. 5 i.V.m. Art. 48 Abs. 5 MiFID II

§ 72 Abs. 1 Nr. 7 (angemessenes Order-Transaktions-Verhältnis) i.V.m. Del. VO (EU) 2017/588

§ 48 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. §§ 26a, 26 d, Del. VO (EU) 2017/588

Art. 18 Abs. 5 i.V.m. Art. 48 Abs. 6 MiFID II

§ 72 Abs. 1 Nr. 8 (angemessene Mindestpreisänderungsgröße)

§ 48 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 26b

Art. 18 Abs. 5 i.V.m. Art. 49 MiFID II

§ 72 Abs. 1 Nr. 9 (angemessene Risikokontrollen bei direktem elektronischem Zugang)

§ 48 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 19 Abs. 3 a und § 19a

Art. 18 Abs. 5 i.V.m. Art. 48 Abs. 7 MiFID II

§ 72 Abs. 1 Nr. 10 (Kennzeichnung von Aufträgen aus algorithmischem Handel; Offenlegung der Algorithmen)

§ 48 Abs. 3 Satz 4 i.V.m § 16 Abs. 2 Nr. 3 (Gestaltung durch Börsenordnung)

Art. 18 Abs. 5 i.V.m. Art. 48 Abs. 10 MiFID II

§ 72 Abs. 1 Nr. 11 (Anforderungen an Sicherheit und Belastbarkeit, Notfallsysteme)

§ 48 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 5 Abs. 4 und Abs. 4a

Art. 18 Abs. 5 i.V.m. Art. 48 Abs. 1 MiFID II

§ 72 Abs. 1 Nr. 12 (Vorkehrungen zum Umgang mit Interessenkonflikten)

§ 48 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 5 Abs. 4 Nr. 1

Art. 18 Abs. 5 i.V.m. Art. 47 Abs. 1 lit. a MiFID II

§ 72 Abs. 1 Nr. 13 (Mindestzahl von drei aktiven Mitgliedern)

§ 48 Abs. 4

§ 72 Abs. 2 (Anforderungen an die Gebührenstruktur)

§ 48 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 17 Abs. 1a

Art. 18 Abs. 5 i.V.m. Art. 48 Abs. 9 MiFID II

§ 72 Abs. 3 (Anzeigepflicht des Betreibers hinsichtlich Funktionsweise)

§ 48 Abs. 3 Satz 3 und 4

Art. 8 Abs. 5 i.V.m. Art. 48 Abs. 3, 5 und 10 MiFID II

§ 72 Abs. 4 (Ausnahme hins. Mitteilungspflichten für ohne ihre Zustimmung von der Einbeziehung betroffene Emittenten)

§ 48 Abs. 1 Satz 4

§ 72 Abs. 5 (Pflicht für Emittenten zur Übermittlung von Referenzdaten)

§ 48 Abs. 5

620

Art. 18 Abs. 7 MiFID II

Art. 18 Abs. 8 MiFID II

Jens-Hinrich Binder

Art. 51 Abs. 3 MiFID II

3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur WpHG

BörsG

MiFID II / MAR

§ 72 Abs. 6 (Meldepflicht bei schwerwiegenden Verstößen gegen Handelsregeln, Störungen der Marktintegrität und MARVerstößen)

§ 48 Abs. 4 Satz 3 i.V.m § 7 (Überwachung durch Handelsüberwachungsstelle)

Art. 31 Abs. 3 MiFID II

§ 72 Abs. 7 (Anzeigepflicht bei signifikantem Kursverfall) § 72 Abs. 8 (Meldepflicht bei Anträgen auf Zugang nach Artt. 7 und 8 EMIR)

§ 48 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 21 Abs. 3

§ 73 (Aussetzung des Handels, Ausschluss von Finanzinstrumenten)

§ 48 Abs. 4 Satz 3 i.V.m § 25 BörsG

Art. 52 MiFID II

§ 74 Abs. 1 (Verweis auf § 19 Abs. 2 und 4 Satz 1 und 2 BörsG)

§ 48 Abs. 4 Satz 3 i.V.m § 19 Abs. 2 und 4 Satz 1 und 2 BörsG

Art. 19 Abs. 2 i.V.m. Art. 53 Abs. 3 MiFID II

§ 74 Abs. 2 (Anforderungen an die Preisbildung)

§ 48 Abs. 4 Satz 3 i.V.m § 24 BörsG

Art. 19 Abs. 1 MiFID II

§ 74 Abs. 3 (besondere Anforderungen an die Risikosteuerung)

§ 48 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 4 Nr. 2 und 3

Art. 19 Abs. 3 lit. a und b MiFID II

§ 74 Abs. 4(hinreichende finanzielle Ausstattung des Betreibers)

§ 48 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 5

Art. 19 Abs. 3 lit. c MiFID II

§ 74 Abs. 5 (Verbot proprietärer Ausführung von Kundenaufträgen)

§ 48 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 7

Art. 19 Abs. 5 MiFID II

§ 75 (besondere Anforderungen an OTF)

§ 48b

Art. 20 MiFID II

§ 76 (Zulassung als KMU-Wachstumsmarkt)

§ 48a

Art. 33 MiFID II

§ 77 (Pflichten bezgl. Kunden bei Gewährung direkten elektronischen Zugangs)

§ 48 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 19 Abs. 3a

Art. 17 Abs. 5 MiFID II

§ 78 (Handeln als General Clearing-Mitglied)

Art. 17 Abs. 6 MiFID II

Jens-Hinrich Binder

621

7. Teil. Organisationsregeln

168

e) Haftungsrechtliche Implikationen. Auf die haftungsrechtlichen Implikationen der aufbau- und ablauforganisatorischen Anforderungen an alternative Handelsplätze lassen sich die oben (Rn 147) zur Rechtslage bei Börsen angestellten Überlegungen aufgrund der durch die dualistische Börsenverfassung geprägten Besonderheiten nur im Ausgangspunkt übertragen. Die Frage einer Haftung der Betreiber alternativer Handelsplattformen – einschließlich des Freiverkehrs der Wertpapierbörsen – ist bislang kaum untersucht,508 aber im Ausgangspunkt mit Blick auf die privatrechtliche Rechtsnatur der Teilnahme am Freiverkehr unproblematisch gelagert: Weil es sich um rein privatrechtlich verfasste Rechtsbeziehungen handelt, kommt im Ausgangspunkt allein eine Schadensersatzhaftung wegen Verletzung vertraglicher Pflichten nach allgemeinen Grundsätzen – §§ 280 ff. BGB – in Betracht, wobei sich das maßgebliche Pflichtenprogramm unmittelbar aus der Ausgestaltung der jeweiligen Teilnahmebedingungen (im Freiverkehr: der Handelsordnungen und Geschäftsbedingungen, vgl. § 48 Abs. 1 BörsG)509 und nur mittelbar aus den gesetzlichen Vorgaben ergibt. Deren Bedeutung ist daher vergleichbar mit den haftungsrechtlichen Implikationen der allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten für die Haftung der Kapitalmarktintermediäre wegen Vertragspflichtverletzung (dazu oben Rn 41): Unmittelbar haftungsbegründend sind Verstöße gegen die gesetzlichen Anforderungen nicht, können aber ggf. im Rahmen einer Inzidentprüfung bei der Inhaltskontrolle der jeweiligen Regelwerke (am Maßstab des § 242 BGB)510 sowie bei der Begründung eines etwaigen Organisationsverschuldens Berücksichtigung finden.

169

2. Besondere Anforderungen an OTF (§ 75 WpHG, § 48b BörsG). Die mit der MiFID II neu eingeführte, rechtspolitisch durchaus umstrittene511 Handelsplatzkategorie der organisierten Handelssysteme (OTF) bricht die durch die MiFID I festgelegte Dichotomie zwischen geregelten Märkten einerseits und multilateralen Handelssystemen (MTF) andererseits auf und erweitert das Spektrum um ein ebenfalls multilateral konzipiertes System, das – wie bereits in der Legaldefinition in § 2 Abs. 8 Nr. 9 WpHG festgelegt – im Unterschied zu MTF nicht für alle Arten von Finanzinstrumenten, sondern nur für den Handel in Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten und Derivaten zur Verfügung steht. Die Einführung der neuen Kategorie soll als Auffangtatbestand dienen, um die empirisch vorfindlichen Formen multilateraler Handelssysteme möglichst vollständig zu erfassen.512 Der Charakter als Auffangtatbestand wird besonders deutlich in der in § 75 Abs. 7 WpHG bzw. in § 48b Abs. 8 BörsG (vgl. Art. 20 Abs. 7 MiFID II) geregelten Befugnis der Aufsichtsbehörden, jederzeit eine Erklärung des jeweiligen Betreibers anzufordern, warum das System nicht den Anforderungen an regulierte Märkte, MTF oder systematische Internalisierer entspricht und so betrieben werden kann.513 Der zentrale, typusprägende Wesensunterschied zu MTF besteht darin, dass OTF

508

509 510 511

Knapp lediglich Hammen Börsen und multilaterale Handelssysteme im Wettbewerb, S. 100, der zutreffend von (im Ausgangspunkt unproblematischer) Anwendbarkeit der §§ 280 ff. BGB ausgeht. Vgl. dazu stellvertretend Schwark/Zimmer/ Beck KapMR § 48 BörsG Rn 3 f. Dazu Schwark/Zimmer/Beck KapMR § 48 BörsG Rn 3. Näher Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 466; Ferrarini/Molo-

622

512

513

ney EBOR 13 (2012), 557 (591 f.) jeweils m.w.N. zur rechtspolitischen Diskussion während der MiFID II-Verhandlungen. Vgl. Erwägungsgründe 8 und 10 MiFIR, siehe auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 468; Gomber/ Nassauer ZBB 2014, 250 (253); Güllner WM 2017, 938 (941). Gomber/Nassauer ZBB 2014, 250 (253); Güllner WM 2017, 938 (944).

Jens-Hinrich Binder

3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

bei der Zusammenführung von Kauf- und Verkaufsaufträgen einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Ausführungsentscheidung haben und somit als sog. diskretionäre Handelssysteme einzustufen sind (vgl. § 75 Abs. 6 WpHG, § 48b Abs 7 BörsG).514 Im Unterschied zu MTF dürfen OTF darüber hinaus sich deckende Kundenaufträge zusammenführen, wenn der Kunde zugestimmt hat (Einzelheiten: § 75 Abs. 2 WpHG, § 48b Abs. 3 BörsG). Im Übrigen gelten nach §§ 72 und 73 WpHG die gleichen organisatorischen Anforderungen wie für MTF.

V. Vor- und Nachhandelstransparenz (Titel II MiFIR – Überblick) Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Text von Bedeutung für den EWR

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TITEL II Transparenz für Handelsplätze Kapitel 1 Transparenz für Eigenkapitalinstrumente Artikel 3 – Vorhandelstransparenzanforderungen für Handelsplätze im Hinblick auf Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente (1) Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, veröffentlichen die aktuellen Geld- und Briefkurse und die Tiefe der Handelspositionen zu diesen Kursen, die über ihre Systeme für Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente, die an dem Handelsplatz gehandelt werden, mitgeteilt werden. Diese Anforderung gilt auch für verbindliche Interessenbekundungen. Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, veröffentlichen diese Informationen während der üblichen Handelszeiten auf kontinuierlicher Basis. (2) Die in Absatz 1 genannten Transparenzanforderungen sind auf die verschiedenen Arten von Handelssystemen, einschließlich Orderbuch-, Kursnotierungs- und Hybridsystemen sowie auf periodischen Auktionen basierenden Handelssystemen, individuell zugeschnitten. (3) Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, gewähren Wertpapierfirmen, die ihre Offerten für Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente gemäß Artikel 14 offenlegen müssen, zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen und diskriminierungsfrei Zugang zu den Systemen, die sie für die Veröffentlichung der Informationen nach Absatz 1 verwenden. Artikel 4 – Ausnahmen für Eigenkapitalinstrumente (1) Die zuständigen Behörden können Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, in folgenden Fällen von der Pflicht zur Veröffentlichung der Angaben gemäß Artikel 3 Absatz 1 ausnehmen: a) bei Systemen für das Zusammenführen von Aufträgen, die auf einer Handelsmethode gründen, bei der der Kurs des Finanzinstruments gemäß Artikel 3 Absatz 1 aus dem Handelsplatz, auf dem das Finanzinstrument erstmals zum Handel zugelassen wurde, oder aus dem unter

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Gomber/Nassauer ZBB 2014, 250 (253); Güllner WM 2017, 938 (944).

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7. Teil. Organisationsregeln Liquiditätsaspekten wichtigsten Markt abgeleitet wird, sofern dieser Referenzkurs eine breite Veröffentlichung erfährt und von den Marktteilnehmern als verlässlicher Referenzkurs angesehen wird; für eine kontinuierliche Inanspruchnahme dieser Ausnahme müssen die in Artikel 5 genannten Bedingungen erfüllt sein; b) Bei Systemen, die ausgehandelte Geschäfte formalisieren, für die Folgendes gilt: i) die Geschäfte werden innerhalb des aktuellen gewichteten Spreads abgeschlossen, so wie er im Orderbuch wiedergegeben wird, bzw. zu den Kursofferten der Market-Maker des Handelsplatzes, der das System betreibt; hierbei müssen die in Artikel 5 festgelegten Bedingungen erfüllt sein, ii) die Geschäfte betreffen illiquide Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate oder andere vergleichbare Finanzinstrumente, die nicht unter den Begriff des liquiden Marktes fallen; sie werden innerhalb eines Prozentsatzes eines angemessenen Referenzpreises, die beide vorher vom Systembetreiber festgelegt wurden, abgeschlossen; oder iii) auf die Geschäfte sind andere Bedingungen anwendbar als der jeweils geltende Marktkurs des betreffenden Finanzinstruments; c) Bei Aufträgen mit großem Volumen im Vergleich zum marktüblichen Geschäftsumfang; d) bei Aufträgen, die mit einem Auftragsverwaltungssystems des Handelsplatzes getätigt werden, solange die Veröffentlichung noch nicht erfolgt ist. (2) Der Referenzkurs nach Absatz 1 Buchstabe a wird festgelegt, indem einer der folgenden Kurse ermittelt wird: a) Der Mittelwert der aktuellen Geld- und Briefkurse an dem Handelsplatz, an dem das Finanzinstrument erstmals zum Handel zugelassen wurde, oder an dem nach Liquiditätsaspekten wichtigsten Markt; b) wenn der unter Ziffer a genannte Kurs nicht festgestellt werden kann, der Eröffnungs- oder Schlusskurs des betreffenden Handelstages; Aufträge dürfen sich nur außerhalb des durchgehenden Handelszeitraums des betreffenden Geschäftstags auf die in Buchstabe b genannten Kurse beziehen. (3) Wenn Handelsplätze Systeme betreiben, die gemäß Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i ausgehandelte Geschäfte formalisieren, a) werden diese Geschäfte gemäß den Regeln des Handelsplatzes ausgeführt; b) verfügt der Handelsplatz über Vorkehrungen, Systeme und Verfahren, um Marktmissbrauch oder Versuche des Marktmissbrauchs in Bezug auf ausgehandelte Geschäfte gemäß Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 zu verhindern und aufzudecken; c) sorgt der Handelsplatz für die Einrichtung, Pflege und Umsetzung von Systemen zur Aufdeckung von Versuchen, die Ausnahmeregelung zur Umgehung anderer Erfordernisse dieser Verordnung oder der Richtlinie 2014/65/EU zu umgehen, und zur Meldung entsprechender Versuche an die zuständigen Behörden. Gewährt eine zuständige Behörde eine Ausnahme nach Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i oder iii, überwacht sie die Handhabung der Ausnahme durch den Handelsplatz und stellt so sicher, dass die Bedingungen für die Anwendung der Ausnahme erfüllt werden. (4) Vor der Gewährung einer Ausnahme nach Absatz 1 unterrichten die zuständigen Behörden die ESMA sowie andere zuständige Behörden über ihre Absicht, von einer individuellen Ausnahme Gebrauch zu machen, und erläutern die Handhabung der jeweiligen Ausnahme, einschließlich der Details des Handelsplatzes, auf dem der Referenzkurs nach Absatz 1 Buchstabe a festgelegt wird. Die Absicht zur Gewährung einer Ausnahme ist spätestens vier Monate vor deren Inkrafttreten bekannt zu geben. Binnen zwei Monaten nach Erhalt der Meldung gibt die ESMA eine unverbindliche Stellungnahme an die jeweils zuständige Behörde ab, in der die Vereinbarkeit der Ausnahme mit den Anforderungen bewertet wird, die in Absatz 1 festgelegt sind und in den gemäß Absatz 6 zu erlassenden technischen Regulierungsstandards festgelegt werden. Gewährt eine zuständige Behörde eine Ausnahme und eine zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats ist damit nicht einverstanden, kann die betreffende zuständige Behörde die ESMA erneut mit der Angelegenheit befassen. Diese kann sodann im Rahmen der ihr durch Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 übertragenen Befugnisse tätig werden. Die ESMA überwacht die

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur Anwendung der Ausnahmen und legt der Kommission jährlich einen Bericht über ihre Anwendung in der Praxis vor. (5) Eine zuständige Behörde kann die nach Absatz 1 gewährte und in Absatz 6 präzisierte Ausnahme aus eigener Initiative oder auf Antrag einer anderen zuständigen Behörde zurücknehmen, wenn sie feststellt, dass von der Ausnahme in einer von ihrem ursprünglichen Zweck abweichenden Weise Gebrauch gemacht wird, oder wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass die Ausnahme zur Umgehung der in diesem Artikel festgelegten Bestimmungen benutzt wird. Die zuständigen Behörden unterrichten die ESMA und die anderen zuständigen Behörden von der Rücknahme einer Ausnahme und begründen dies ausführlich. (6) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, in denen Folgendes präzisiert wird: a) die Bandbreite der Geld- und Briefkurse oder Kursofferten bestimmter Market-Maker sowie die Tiefe der Handelspositionen zu diesen Kursen, die für jede Kategorie von Finanzinstrumenten nach Artikel 3 Absatz 1 zu veröffentlichen sind; dabei ist der erforderliche Zuschnitt auf die verschiedenen Arten von Handelssystemen nach Artikel 3 Absatz 2 zu berücksichtigen; b) der nach Liquiditätsaspekten wichtigste Markt für ein Finanzinstrument gemäß Absatz 1 Buchstabe a; c) die spezifischen Merkmale eines ausgehandelten Geschäfts mit Blick auf die verschiedenen Arten, in denen ein Mitglied oder Teilnehmer eines Handelsplatzes ein solches Geschäft tätigen kann; d) die ausgehandelten Geschäfte, die nicht zur Kursbildung beitragen, bei denen von der Ausnahme nach Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iii Gebrauch gemacht wird; e) Für jede einschlägige Kategorie von Finanzinstrumenten der Umfang der Aufträge mit großem Volumen sowie Art und Mindestgröße der Aufträge, die mittels eines Auftragsverwaltungssystems eines Handelsplatzes getätigt werden, solange ihre Veröffentlichung noch nicht erfolgt ist, bei denen gemäß Absatz 1 von der Veröffentlichung von Vorhandelsinformationen abgesehen werden kann. Die ESMA legt der Kommission bis zum 3. Juli 2015 diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. (7) Von den zuständigen Behörden gemäß Artikel 29 Absatz 2 und Artikel 44 Absatz 2 der Richtlinie 2004/39/EG und Artikel 18, 19 und 20 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 vor dem 3. Januar 2017 gewährte Ausnahmen werden von der ESMA bis zum 3. Januar 2019 überprüft. Die ESMA gibt eine Stellungnahme an die betreffende zuständige Behörde ab, in der die fortwährende Vereinbarkeit jeder dieser Ausnahmen mit den Anforderungen dieser Verordnung und jeglichen auf dieser Verordnung basierenden technischen Regulierungsstandards bewertet wird. Artikel 5 – Mechanismus zur Begrenzung des Volumens (1) Um sicherzustellen, dass die Inanspruchnahme der Ausnahmen nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i die Kursbildung nicht unverhältnismäßig stark beeinträchtigt, wird der Handel unter diesen Ausnahmen wie folgt beschränkt: a) der Prozentsatz der Handelsgeschäfte mit einem Finanzinstrument an einem Handelsplatz unter Inanspruchnahme der genannten Ausnahmen darf 4 % des gesamten Handelsvolumens des betreffenden Finanzinstruments an allen Handelsplätzen der gesamten Union in den vorangegangenen 12 Monaten nicht überschreiten; b) EU-weit darf der Handel mit einem Finanzinstrument unter Inanspruchnahme der genannten Ausnahmen 8 % des gesamten Handelsvolumens des betreffenden Finanzinstruments an allen Handelsplätzen der gesamten Union in den vorangegangenen 12 Monaten nicht überschreiten.

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7. Teil. Organisationsregeln Dieser Mechanismus zur Begrenzung des Handelsvolumens gilt nicht für ausgehandelte Geschäfte mit einer Aktie, einem Aktienzertifikat, einem börsengehandelten Fonds, einem Zertifikat oder einem anderen vergleichbaren Finanzinstrument, für die es keinen liquiden Markt nach Artikel 2 Absatz 1 Nummer 17 Buchstabe b gibt und die innerhalb eines Prozentsatzes eines angemessenen Referenzpreises gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii abgeschlossen werden, oder für ausgehandelte Geschäfte, auf die andere Bedingungen als der jeweils geltende Marktkurs des betreffenden Finanzinstruments gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iii anwendbar sind. (2) Wenn der Prozentsatz der Handelsgeschäfte mit einem Finanzinstrument an einem Handelsplatz unter Inanspruchnahme der Ausnahmen die in Absatz 1 Ziffer a genannte Obergrenze überschritten hat, setzt die zuständige Behörde, die diese Ausnahmeregelungen für den betreffenden Handelsplatz genehmigt hat, innerhalb von zwei Arbeitstagen deren Anwendung für das betreffende Finanzinstrument auf diesem Handelsplatz unter Zugrundelegung der von der ESMA gemäß Absatz 4 veröffentlichten Daten für einen Zeitraum von sechs Monaten aus. (3) Wenn der Prozentsatz der Handelsgeschäfte mit einem Finanzinstrument unter Inanspruchnahme dieser Ausnahmen an allen Handelsplätzen der gesamten Union die in Absatz 1 Ziffer b genannte Obergrenze überschritten hat, setzen alle zuständigen Behörden die Anwendung der Ausnahmeregelungen innerhalb von zwei Arbeitstagen unionsweit für einen Zeitraum von sechs Monaten aus. (4) Die ESMA veröffentlicht innerhalb von fünf Arbeitstagen nach Ablauf eines jeden Kalendermonats das Gesamtvolumen des Unionshandels für jedes Finanzinstrument in den vorangegangenen 12 Monaten, den Prozentsatz der Handelsgeschäfte mit einem Finanzinstrument, die im vorangegangenen Zwölfmonatszeitraum unionsweit unter Anwendung der genannten Ausnahmeregelungen getätigt wurden, sowie den entsprechenden Prozentsatz für jeden Handelsplatz und die Methode, nach der diese Prozentsätze berechnet werden. (5) Überstieg dem in Absatz 4 genannten Bericht zufolge der Handel mit einem Finanzinstrument unter Anwendung der Ausnahmeregelungen an einem Handelsplatz 3,75 % des gesamten unionsweiten Handels mit diesem Finanzinstrument in den vorangegangenen 12 Monaten, veröffentlicht die ESMA innerhalb von fünf Arbeitstagen nach dem 15. des Kalendermonats, in dem der in Absatz 4 genannte Bericht veröffentlicht wurde, einen weiteren Bericht. Er enthält die in Absatz 4 festgelegten Angaben für die Finanzinstrumente, deren Handel den Prozentsatz von 3,75 % überstiegen hat. (6) Überstieg dem in Absatz 4 genannten Bericht zufolge der Handel mit einem Finanzinstrument unter Anwendung der Ausnahmeregelungen an einem Handelsplatz 7,75 % des gesamten EU-weiten Handels mit diesem Finanzinstrument im vorangegangenen Zwölfmonatszeitraum, veröffentlicht die ESMA innerhalb von fünf Arbeitstagen nach dem 15. des Kalendermonats, in dem der in Absatz 4 genannte Bericht veröffentlicht wurde, einen weiteren Bericht. Er enthält die in Absatz 4 festgelegten Angaben für die Finanzinstrumente, deren Handel den Prozentsatz von 7,75 % überstiegen hat. (7) Um sicherzustellen, dass die Überwachung des Handels unter Inanspruchnahme dieser Ausnahmen auf verlässlicher Grundlage erfolgt und damit zuverlässig festgestellt werden kann, ob die in Absatz 1 genannten Obergrenzen überschritten wurden, werden die Betreiber von Handelsplätzen verpflichtet, Systeme und Verfahren einzurichten, a) die die Identifizierung aller Handelsgeschäfte ermöglichen, die an ihren Handelsplätzen unter Inanspruchnahme dieser Ausnahmen getätigt wurden, und b) mit denen sichergestellt wird, dass der im Rahmen dieser Ausnahmen nach Absatz 1 Ziffer a zulässige Prozentsatz von Handelsgeschäften unter keinen Umständen überschritten wird. (8) Der Zeitraum, für den die Handelsdaten durch die ESMA veröffentlicht werden und in dem der Handel mit einem Finanzinstrument unter Inanspruchnahme dieser Ausnahmen zu überwachen ist, beginnt am 3. Januar 2016. Unbeschadet des Artikels 4 Absatz 5 erhalten die zuständigen Behörden die Befugnis, die Anwendung dieser Ausnahmeregelungen ab Inkrafttreten dieser Verordnung und danach auf monatlicher Basis auszusetzen.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur (9) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, mit denen die Methode, einschließlich der Kennzeichnung der Geschäfte, festgelegt wird, mit der sie die Geschäftsdaten nach Absatz 4 zusammenstellt, berechnet und veröffentlicht, um das gesamte Handelsvolumen für jedes Finanzinstrument und die Prozentsätze der Handelsgeschäfte, bei denen EU-weit und an den einzelnen Handelsplätzen von diesen Ausnahmen Gebrauch gemacht wird, genau zu bestimmen. Die ESMA legt der Kommission bis zum 3. Juli 2015 diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 6 – Nachhandelstransparenzanforderungen für Handelsplätze im Hinblick auf Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente (1) Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, veröffentlichen den Preis, das Volumen sowie den Zeitpunkt der Geschäfte im Hinblick auf Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente, die an dem Handelsplatz gehandelt werden. Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, veröffentlichen die Einzelheiten zu sämtlichen Geschäften so nah in Echtzeit wie technisch möglich. (2) Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, gewähren Wertpapierfirmen, die Einzelheiten zu ihren Geschäften mit Aktien, Aktienzertifikaten, börsengehandelten Fonds, Zertifikaten und anderen vergleichbaren Finanzinstrumenten gemäß Artikel 20 offenlegen müssen, zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen und diskriminierungsfrei den Zugang zu den Systemen, die sie für die Veröffentlichung der Angaben nach Absatz 1 dieses Artikels anwenden. Artikel 7 – Genehmigung einer späteren Veröffentlichung (1) Die zuständigen Behörden können Marktbetreibern und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, gestatten, Einzelheiten zu Geschäften je nach deren Art und Umfang zu einem späteren Zeitpunkt zu veröffentlichen. Die zuständigen Behörden können insbesondere eine spätere Veröffentlichung bei Geschäften gestatten, die im Vergleich zum marktüblichen Geschäftsumfang bei der betreffenden Aktie, dem betreffenden Aktienzertifikat, börsengehandelten Fonds, Zertifikat oder einem anderen vergleichbaren Finanzinstrument bzw. der Kategorie einer Aktie, eines Aktienzertifikats, eines börsengehandelten Fonds, eines Zertifikats oder eines anderen vergleichbaren Finanzinstruments ein großes Volumen aufweisen. Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, müssen vorab die Genehmigung der zuständigen Behörde zu geplanten Regelungen für eine spätere Veröffentlichung einholen und die Marktteilnehmer sowie die Öffentlichkeit auf diese Regelungen deutlich hinweisen. Die ESMA überwacht die Anwendung dieser Regelungen für eine spätere Veröffentlichung und legt der Kommission jährlich einen Bericht über ihre Anwendung in der Praxis vor. Gestattet eine zuständige Behörde eine Veröffentlichung zu einem späteren Zeitpunkt, und eine zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats ist mit der Verschiebung oder mit der tatsächlichen Anwendung der erteilten Genehmigung nicht einverstanden, so kann die betreffende zuständige Behörde die ESMA erneut mit der Angelegenheit befassen; diese kann sodann im Rahmen der ihr durch Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 übertragenen Befugnisse tätig werden. (2) Die ESMA erarbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards, in denen in einer Weise, die die Veröffentlichung von nach Artikel 64 der Richtlinie 2014/65/EU geforderten Informationen ermöglicht, Folgendes festgelegt wird: a) die Einzelheiten zu Geschäften, die Wertpapierfirmen, einschließlich systematischer Internalisierer, sowie Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, für jede Kategorie der betreffenden Finanzinstrumente gemäß Artikel 6 Absatz 1 offenzulegen ha-

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7. Teil. Organisationsregeln ben, einschließlich der Kennzeichen der verschiedenen Arten von im Rahmen von Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 20 veröffentlichten Geschäften, bei denen zwischen solchen unterschieden wird, die vor allem durch mit der Bewertung von Finanzinstrumenten verbundene Faktoren charakterisiert sind, und solchen, die durch andere Faktoren bestimmt werden; b) die Frist, die als Erfüllung der Verpflichtung angesehen würde, eine Veröffentlichung so nah in Echtzeit wie möglich vorzunehmen, wenn ein Handel außerhalb der üblichen Handelszeiten vorgenommen wird; c) Die Voraussetzungen, unter denen Wertpapierfirmen, einschließlich systematischer Internalisierer, sowie Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, Einzelheiten zu Geschäften für jede Kategorie der betreffenden Finanzinstrumente gemäß Absatz 1 dieses Artikels und Artikel 20 Absatz 1 später veröffentlichen dürfen; d) die Kriterien, anhand deren entschieden wird, bei welchen Geschäften aufgrund ihres Umfangs oder der Kategorie, einschließlich des Liquiditätsprofils der Aktie, des Aktienzertifikats, des börsengehandelten Fonds, des Zertifikats und anderer vergleichbarer Finanzinstrumente für jede Kategorie der betreffenden Finanzinstrumente eine spätere Veröffentlichung zulässig ist. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen.

Kapitel 2 Transparenz für Nichteigenkapitalinstrumente Artikel 8 – Vorhandelstransparenzanforderungen für Handelsplätze im Hinblick auf Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate (1) Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, veröffentlichen die aktuellen Geld- und Briefkurse und die Tiefe der Handelspositionen zu diesen Kursen, die über ihre Systeme für Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, mitgeteilt werden. Diese Anforderung gilt auch für verbindliche Interessenbekundungen. Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, veröffentlichen diese Informationen während der üblichen Handelszeiten auf kontinuierlicher Basis. Diese Veröffentlichungspflicht gilt nicht für solche Geschäfte mit Derivaten von nichtfinanziellen Gegenparteien, durch die die objektiv messbaren Risiken verringert werden und die in direktem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit oder der Geschäftsfinanzierung der nichtfinanziellen Gegenpartei oder der betreffenden Gruppe stehen. (2) Die in Absatz 1 genannten Transparenzanforderungen sind auf die verschiedenen Arten von Handelssystemen, einschließlich Orderbuch-, Kursnotierungs- und Hybridsystemen sowie auf periodischen Auktionen basierenden Handelssystemen und sprachbasierten Handelssystemen, individuell zugeschnitten. (3) Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, gewähren Wertpapierfirmen, die ihre Offerten für Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate gemäß Artikel 18 offenlegen müssen, zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen und in nichtdiskriminierender Weise Zugang zu den Regelungen, die sie für die Veröffentlichung der Informationen nach Absatz 1 anwenden. (4) Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben und denen eine Ausnahme nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b gewährt wird, veröffentlichen mindestens einen indikativen Vorhandelsgeld- und -briefkurs, der nahe bei dem Kurs der Handelsinteressen liegt, der über ihre Systeme für Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, mitgeteilt wird. Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, veröffentlichen diese Informationen auf

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur elektronischem Wege während der üblichen Handelszeiten auf kontinuierlicher Basis. Durch diese Regelung wird sichergestellt, dass die Informationen zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen und in nichtdiskriminierender Weise zur Verfügung gestellt werden. Artikel 9 – Ausnahmen für Nichteigenkapitalinstrumente (1) Die zuständigen Behörden können Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, in den folgenden Fällen von der Pflicht zur Veröffentlichung der Angaben gemäß Artikel 8 Absatz 1 ausnehmen: a) bei im Vergleich zum marktüblichen Geschäftsumfang großen Aufträgen und bei Aufträgen, die mittels eines Auftragsverwaltungssystems des Handelsplatzes getätigt werden, solange die Veröffentlichung noch nicht erfolgt ist; b) bei verbindlichen Interessensbekundungen in Preisanfragesystemen und sprachbasierten Handelssystemen, die über den für ein Finanzinstrument typischen Umfang hinausgehen, bei dem ein Liquiditätsgeber unangemessenen Risiken ausgesetzt würde, und bei dem berücksichtigt wird, ob es sich bei den einschlägigen Marktteilnehmern um Klein- oder Großanleger handelt; c) bei Derivaten, die nicht der in Artikel 28 festgelegten Pflicht zum Handel unterliegen, sowie bei anderen Finanzinstrumenten, für die kein liquider Markt besteht. (2) Vor der Gewährung einer Ausnahme nach Absatz 1 unterrichten die zuständigen Behörden die ESMA sowie andere zuständige Behörden über ihre jeweilige Absicht, eine individuelle Ausnahme zu gewähren, und erläutern die Handhabung der jeweiligen Ausnahme. Die Absicht zur Gewährung einer Ausnahme ist spätestens vier Monate vor deren Inkrafttreten bekannt zu geben. Binnen zwei Monaten nach Erhalt der Meldung gibt die ESMA eine Stellungnahme an die jeweils zuständige Behörde ab, in der die Vereinbarkeit der Ausnahme mit den Anforderungen bewertet wird, die in Absatz 1 festgelegt sind und in den gemäß Absatz 5 zu erlassenden technischen Regulierungsstandards festgelegt werden. Gewährt eine zuständige Behörde eine Ausnahme, und eine zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats ist damit nicht einverstanden, kann die betreffende zuständige Behörde die ESMA erneut mit der Angelegenheit befassen. Diese kann sodann im Rahmen der ihr durch Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 übertragenen Befugnisse tätig werden. Die ESMA überwacht die Anwendung der Ausnahmen und legt der Kommission jährlich einen Bericht über ihre Anwendung in der Praxis vor. (3) Die zuständigen Behörden können entweder von sich aus oder auf Antrag anderer zuständiger Behörden eine nach Absatz 1 gewährte Ausnahme zurücknehmen, wenn sie feststellen, dass die Ausnahme in einer Weise genutzt wird, die von ihrem ursprünglichen Zweck abweicht, oder wenn sie zu der Auffassung gelangen, dass die Ausnahme genutzt wird, um die in diesem Artikel festgeschriebenen Anforderungen zu umgehen. Die zuständigen Behörden unterrichten die ESMA und die anderen zuständigen Behörden unverzüglich, und bevor sie Wirkung entfaltet, von der Rücknahme einer Ausnahme und begründen dies ausführlich. (4) Eine zuständige Behörde, die einen oder mehrerer Handelsplätze beaufsichtigt, an dem/ denen eine Kategorie von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten gehandelt wird, kann die Pflichten gemäß Artikel 8 vorübergehend aussetzen, wenn die Liquidität dieser Kategorie von Finanzinstrumenten unter einen vorgegebenen Schwellenwert fällt. Dieser vorgegebene Schwellenwert wird auf der Grundlage objektiver Kriterien, die für den Markt für das betreffende Finanzinstrument typisch sind, festgelegt. Die Bekanntgabe einer solchen vorübergehenden Aussetzung ist auf der Website der jeweils zuständigen Behörde zu veröffentlichen. Die vorübergehende Aussetzung gilt zunächst für einen Zeitraum von höchstens drei Monaten ab dem Tag ihrer Bekanntgabe auf der Website der jeweils zuständigen Behörde. Eine solche Aussetzung kann um jeweils höchstens weitere drei Monate verlängert werden, sofern die Gründe für die vorübergehende Aussetzung weiterhin gegeben sind. Wird die vorübergehende Aussetzung nach Ablauf dieser drei Monate nicht verlängert, tritt sie automatisch außer Kraft. Vor einer Aussetzung oder einer Verlängerung der vorübergehenden Aussetzung der Pflichten gemäß Artikel 8 nach diesem Absatz unterrichtet die jeweils zuständige Behörde die ESMA über

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7. Teil. Organisationsregeln ihre Absicht und begründet diese ausführlich. Die ESMA gibt so bald wie möglich eine Stellungnahme an die zuständige Behörde zu der Frage ab, ob ihrer Meinung nach die Aussetzung oder die Verlängerung der vorübergehenden Aussetzung gemäß den Unterabsätzen 1 und 2 gerechtfertigt ist. (5) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, in denen Folgendes festgelegt wird: a) die Parameter und Methoden zur Berechnung der Liquiditätsschwelle nach Absatz 4 in Bezug auf das Finanzinstrument. Die von den Mitgliedstaaten für die Berechnung des Schwellenwerts anzuwendenden Parameter und Methoden sind in einer Weise festzulegen, dass ein Erreichen des Schwellenwerts für das betreffenden Finanzinstrument gestützt auf die Kriterien nach Artikel 2 Absatz 1 Nummer 17 einem erheblichen Rückgang der Liquidität an allen Handelsplätzen der Union entspricht. b) die Bandbreite der Geld- und Briefkurse oder Kursofferten sowie die Markttiefe des Handelsinteresses zu diesen Kursen oder indikative Vorhandelsgeld- und -briefkurse, die nahe bei den Kursen des Handelsinteresses liegen, die für jede Kategorie von Finanzinstrumenten nach Artikel 8 Absätze 1 und 4 zu veröffentlichen sind; dabei ist der erforderliche Zuschnitt auf die verschiedenen Arten von Handelssystemen nach Artikel 8 Absatz 2 zu berücksichtigen; c) für jede einschlägige Kategorie von Finanzinstrumenten der Umfang der großen Aufträge sowie Art und Mindestgröße der Aufträge, die mittels eines Auftragsverwaltungssystems getätigt werden, solange ihre Veröffentlichung noch nicht erfolgt ist, bei denen gemäß Absatz 1 von der Veröffentlichung von Vorhandelsinformationen abgesehen werden kann; d) der in Absatz 1 Buchstabe b genannte für das Finanzinstrument typische Umfang und die Definition des Systems der Preisanfrage und des sprachbasierten Handelssystems, bei denen gemäß Absatz 1 von einer Veröffentlichung von Vorhandelsinformationen abgesehen werden kann. Bei der Festlegung des für ein Finanzinstrument typischen Volumens, bei dem im Einklang mit Absatz 1 Buchstabe b die Liquiditätsgeber unangemessenen Risiken ausgesetzt würden und berücksichtigt wird, ob es sich bei den einschlägigen Marktteilnehmern um Klein- oder Großanleger handelt, trägt die ESMA den nachstehenden Faktoren Rechnung: i) der Frage, ob die Liquiditätsgeber bei diesem Volumen in der Lage sind, ihre Risiken abzusichern; ii) in Fällen, in denen ein Teil des Marktes für ein Finanzinstrument oder eine Kategorie von Finanzinstrumenten von Kleinanlegern gebildet wird, dem Durchschnittswert der von diesen Anlegern getätigten Geschäften; e) Die Finanzinstrumente oder die Kategorien von Finanzinstrumenten, für die kein liquider Markt besteht, bei denen gemäß Absatz 1 von einer Veröffentlichung von Vorhandelsinformationen abgesehen werden kann. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 10 – Nachhandelstransparenzanforderungen für Handelsplätze im Hinblick auf Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate (1) Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, veröffentlichen Kurs, Volumen und Zeitpunkt der Geschäfte, die auf dem Gebiet der Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, getätigt wurden. Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, veröffentlichen die Einzelheiten zu sämtlichen Geschäften so nah in Echtzeit wie technisch möglich. (2) Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, gewähren Wertpapierfirmen, die die Einzelheiten ihrer Geschäfte mit Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten und Derivaten gemäß Artikel 21 offenlegen müssen, zu

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur angemessenen kaufmännischen Bedingungen und in nichtdiskriminierender Weise Zugang zu den Regelungen, die sie für die Veröffentlichung der Informationen nach Absatz 1 anwenden. Artikel 11 – Genehmigung einer späteren Veröffentlichung (1) Die zuständigen Behörden können Marktbetreibern und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, gestatten, Einzelheiten zu Geschäften je nach deren Umfang und Art zu einem späteren Zeitpunkt zu veröffentlichen. Die zuständigen Behörden können eine spätere Veröffentlichung insbesondere bei Geschäften gestatten, die a) im Vergleich zum marktüblichen Geschäftsumfang bei einer Schuldverschreibung, einem strukturierten Finanzprodukt, einem Emissionszertifikat oder einem Derivat, die bzw. das an einem Handelsplatz gehandelt wird, bzw. bei der betreffenden Kategorie von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten, die an einem Handelsplatz gehandelt wird, ein großes Volumen aufwiesen, oder b) mit einer Schuldverschreibung, einem strukturierten Finanzprodukt, einem Emissionszertifikat oder einem Derivat, die bzw. das an einem Handelsplatz gehandelt wird, oder mit einer Kategorie von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten, die an einem Handelsplatz gehandelt wird, im Zusammenhang stehen, für die kein liquider Markt besteht, oder c) über einen Umfang hinausgehen, der für diese Schuldverschreibung, dieses strukturierte Finanzprodukt, Emissionszertifikat oder Derivat, die bzw. das an einem Handelsplatz gehandelt wird, oder für diese Kategorie von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten, die an einem Handelsplatz gehandelt wird, typisch ist, bei dem die Liquiditätsgeber unangemessenen Risiken ausgesetzt würden, wobei berücksichtigt wird, ob es sich bei den einschlägigen Marktteilnehmern um Klein- oder Großanleger handelt. Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, müssen vorab die Genehmigung der zuständigen Behörde zu geplanten Regelungen für eine spätere Veröffentlichung einholen und die Marktteilnehmer sowie die Öffentlichkeit auf diese Regelungen deutlich hinweisen. Die ESMA überwacht die Anwendung dieser Vereinbarungen für eine spätere Veröffentlichung und legt der Kommission jährlich einen Bericht über ihre Verwendung in der Praxis vor. (2) Eine zuständige Behörde, die einen oder mehrerer Handelsplätze beaufsichtigt, an dem/ denen eine Kategorie von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten gehandelt wird, kann die Pflichten gemäß Artikel 10 vorübergehend aussetzen, wenn die Liquidität dieser Kategorie von Finanzinstrumenten unter den nach der Methodik gemäß Artikel 9 Absatz 5 Buchstabe a ermittelten Schwellenwert fällt. Dieser Schwellenwert wird auf der Grundlage objektiver Kriterien, die für den Markt für das betreffende Finanzinstrument typisch sind, festgelegt. Eine solche vorübergehende Aussetzung ist auf der Website der jeweils zuständigen Behörde bekanntzugeben. Die vorübergehende Aussetzung gilt zunächst für einen Zeitraum von höchstens drei Monaten ab dem Tag ihrer Bekanntgabe auf der Website der jeweils zuständigen Behörde. Eine solche Aussetzung kann um jeweils höchstens weitere drei Monate verlängert werden, sofern die Gründe für die vorübergehende Aussetzung weiterhin gegeben sind. Wird die vorübergehende Aussetzung nach Ablauf dieser drei Monate nicht verlängert, tritt sie automatisch außer Kraft. Vor einer Aussetzung oder einer Verlängerung der vorübergehenden Aussetzung der Pflichten gemäß Artikel 10 unterrichtet die jeweils zuständige Behörde die ESMA über ihre Absicht und begründet diese ausführlich. Die ESMA gibt so bald wie möglich eine Stellungnahme an die zuständige Behörde zu der Frage ab, ob ihrer Meinung nach die Aussetzung oder die Verlängerung der vorübergehenden Aussetzung gemäß den Unterabsätzen 1 und 2 gerechtfertigt ist. (3) Die zuständigen Behörden können in Verbindung mit einer Genehmigung einer späteren Veröffentlichung

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7. Teil. Organisationsregeln a) die Veröffentlichung nur weniger Einzelheiten zu einem Geschäft oder die Veröffentlichung der Einzelheiten zu mehreren Geschäften in aggregierter Form oder eine Kombination von beidem während des Zeitraums des gewährten Aufschubs fordern; b) Die Nichtveröffentlichung des Volumens eines einzelnen Geschäfts während des verlängerten Aufschubzeitraums gestatten; c) im Hinblick auf Nichteigenkapitalinstrumente, bei denen es sich nicht um öffentliche Schuldinstrumente handelt, die Veröffentlichung mehrerer Geschäfte in aggregierter Form während eines verlängerten Aufschubzeitraums gestatten; d) im Hinblick auf öffentliche Schuldinstrumente die Veröffentlichung mehrerer Geschäfte in aggregierter Form für einen unbefristeten Zeitraum gestatten. Bei öffentlichen Schuldinstrumenten können die Buchstaben b und d entweder getrennt oder aufeinander folgend angewandt werden, wobei die Volumina nach Ablauf des verlängerten Zeitraums der Nichtveröffentlichung dann in aggregierter Form veröffentlicht werden könnten. Bei allen anderen Finanzinstrumenten sind die noch ausstehenden Einzelheiten zu dem Geschäft sowie sämtliche Einzelheiten zu einzelnen Geschäften nach Ablauf des Zeitraums des gewährten Aufschubs zu veröffentlichen. (4) Die ESMA erarbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards, in denen Folgendes in einer Weise festgelegt ist, die die Veröffentlichung von nach Artikel 64 der Richtlinie 2014/65/EU geforderten Informationen ermöglicht: a) die Einzelheiten zu Geschäften, die Wertpapierfirmen, einschließlich systematischer Internalisierer, sowie Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, für jede Kategorie der betreffenden Finanzinstrumente gemäß Artikel 10 Absatz 1 offenzulegen haben, einschließlich der Kennzeichen der verschiedenen Arten von im Rahmen von Artikel 10 Absatz 1 und Artikel 21 Absatz 1 veröffentlichten Geschäften, bei denen zwischen solchen unterschieden wird, die vor allem durch mit der Bewertung von Finanzinstrumenten verbundene Faktoren charakterisiert sind, und solchen, die durch andere Faktoren bestimmt werden; b) die Frist, die als Erfüllung der Verpflichtung angesehen würde, eine Veröffentlichung so nah in Echtzeit wie möglich vorzunehmen, wenn ein Handel außerhalb der üblichen Handelszeiten vorgenommen wird; c) Die Voraussetzungen, unter denen Wertpapierfirmen, einschließlich systematischer Internalisierer, sowie Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, Einzelheiten zu Geschäften für jede Kategorie der betreffenden Finanzinstrumente gemäß Absatz 1 und Artikel 21 Absatz 4 später veröffentlichen dürfen; d) die Kriterien, anhand deren der Umfang oder die Art des Geschäfts festgelegt wird, für die eine spätere Veröffentlichung und die Veröffentlichung nur weniger Einzelheiten zu einem Geschäft, die Veröffentlichung der Einzelheiten zu mehreren Geschäften in aggregierter Form oder die Nichtveröffentlichung des Umfangs eines Geschäfts, speziell was die Genehmigung eines verlängerten Aufschubzeitraums für bestimmte Finanzinstrumente in Abhängigkeit von ihrer Liquidität angeht, nach Absatz 3 zulässig ist. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

Kapitel 3 Verpflichtung, Handelsdaten gesondert und zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen anzubieten Artikel 12 – Verpflichtung zur gesonderten Offenlegung von Vorhandels- und Nachhandelsdaten (1) Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, legen die gemäß den Artikeln 3, 4 und 6 bis 11 veröffentlichten Informationen offen, wobei sie Vorhandels- und Nachhandelstransparenzdaten gesondert ausweisen. (2) Die ESMA erarbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards, in denen die angebotenen Vorhandels- und Nachhandelstransparenzdaten, die nach Absatz 1 zu veröffentlichen sind, einschließlich des Disaggregationniveaus dieser Daten, festgelegt werden. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 13 – Verpflichtung zur Offenlegung von Vorhandels- und Nachhandelsdaten zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen (1) Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, legen die gemäß Artikel 3, 4 und 6 bis 11 veröffentlichten Angaben zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen offen und stellen einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Informationen sicher. Die Informationen werden kostenlos binnen 15 Minuten nach der Veröffentlichung bereitgestellt. (2) Die Kommission erlässt delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 50, in denen präzisiert wird, was unter „angemessenen kaufmännischen Bedingungen“ zu verstehen ist, unter denen die in Absatz 1 genannten Informationen zu veröffentlichen sind.

1. Grundlagen. Die Vorschriften des Titels II der MiFIR treten an die Stelle der bishe- 172 rigen Regelungen zur Vorhandels- und Nachhandelstransparenz für Aktien und Aktien vertretende Zertifikate in § 30 bzw. § 31 BörsG, die mit dem FRUG 2007 in Umsetzung der unionsrechtlichen Anforderungen aus Artt. 44 und 45 MiFID I eingeführt worden waren und bislang durch die Artt. 17 bis 26 (Vorhandelstransparenz), Artt. 27 bis 29 (Nachhandelstransparenz) und Artt. 29–34 (allgemeine Vorschriften, insbes. Veröffentlichungspflichten) der DVO MiFID I515 konkretisiert wurden. Die einschlägigen Regelungen der MiFIR greifen diese Vorgaben auf, bauen sie aber sowohl im Hinblick auf die erfassten Handelsplätze – geregelte Märkte, MTF und OTF (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 16 MiFIR i.V.m. den jeweiligen Einzelpflichten und i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 24 MiFID II) – als auch hinsichtlich der erfassten Finanzinstrumente erheblich aus. Nach neuem Recht beziehen sich die Pflichten zusätzlich zu Aktien und aktienvertretenden Zertifikaten auch auf börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente (vgl. Art. 3 Abs. 1 zur Vorhandelstransparenz sowie Art. 6 Abs. 1 MiFIR zur Nachhandelstransparenz) sowie auf Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate (vgl. Art. 8 Abs. 1 zur Vorhandelstransparenz und Art. 10 Abs. 1 MiFIR zur Nach-

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VO (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10.08.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen,

die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie, ABlEU Nr. L 241/1 vom 02.09.2006.

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7. Teil. Organisationsregeln

handelstransparenz).516 Das Transparenzregime der MiFIR präsentiert sich damit im konzeptionellen Ausgangspunkt als Querschnittsmaterie für alle Handelsplätze und alle relevanten Arten von Finanzinstrumenten, wobei die Transparenzpflichten unter Berücksichtigung der jeweiligen bereichsspezifischen Besonderheiten umzusetzen sind (vgl. Art. 3 Abs. 2 bzw. Art. 8 Abs. 2 MiFIR). 173 Die Regelungszwecke sind im Grundsatz unverändert: Auch weiterhin sollen Anleger in die Lage versetzt werden, jederzeit die Konditionen für den Kauf bzw. Verkauf von Finanzinstrumenten ex ante beurteilen und ex post die Bedingungen der Auftragsausführung überprüfen zu können. Damit geht es nicht nur um den Schutz des Anlegervertrauens in die Marktintegrität, sondern zugleich um den Schutz der Effizienz der Preisbildung und mithin um Aspekte des Funktionsschutzes.517 Indem alle regulierten Handelsplätze erfasst werden, soll zugleich der Umstand kompensiert werden, dass sich die insgesamt vorhandene Liquidität infolge des – rechtspolitisch gewünschten – Wettbewerbs zwischen den Handelsplätzen und der dadurch ausgelösten Marktfragmentierung zunehmend verteilt, was die Aussagekraft der an einem bestimmten Handelsplatz festgestellten Kurse/Preise verringert.518 Für die Intermediär-Kunden-Beziehung ist der Pflichtenkreis insbesondere insofern von Bedeutung, als die Herstellung von Transparenz über Marktpreise unmittelbar mit den Intermediärpflichten zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen („Best Execution“) nach § 82 WpHG, Artt. 64 ff. DVO MiFID II (oben Rn 91 ff.) zusammenwirkt.519

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2. Überblick über die wesentlichen Regelungen. Die Anforderungen an die Vor- und Nachhandelstransparenz in Titel II der MiFIR gliedern sich grob nach der Unterscheidung zwischen „Eigenkapitalinstrumenten“ (Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und vergleichbare Instrumente, vgl. nochmals Art. 3 Abs. 1 MiFIR) und „Nichteigenkapitalinstrumenten“ (Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate, vgl. nochmals Art. 8 Abs. 1 MiFIR). Innerhalb der beiden Kategorien sind die Pflichten strukturell ähnlich aufgebaut: Artt. 3 und 8 MiFIR regeln zunächst die Vorhandelstransparenzpflichten, jeweils gefolgt von Ausnahmetatbeständen (Artt. 4 und 5 bzw. Art. 9 MiFIR), wobei Art. 5 für Ausnahmen im Hinblick auf die Vorhandelstransparenz bei Eigenkapitalinstrumenten volumenmäßige Beschränkungen vorsieht.520 Für beide Kategorien werden die Ausnahmeregelungen durch Technische Regulierungsstandards weiter konkretisiert.521 Strukturell vergleichbar aufgebaut sind auch die

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Näher Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 480, 485; Clausen/ Sørensen ECFR 2012, 275 (295 f.); Gomber/ Nassauer ZBB 2014, 250 (254). Vgl. heute insbes. Erwägungsgründe 5 und 15 MiFIR, zum früheren Recht entsprechend Schwark/Zimmer/Beck/Röh KapMR § 30 BörsG Rn 1. Vgl. schon Schwark/Zimmer/Beck/Röh KapMR § 30 BörsG Rn 2; eingehend Clausen/Sørensen ECFR 2012, 275 (296 ff.). Dazu näher für das bisherige Recht, aber übertragbar Schwark/Zimmer/Beck/Röh KapMR § 30 BörsG Rn 3. Näher dazu und zum Folgenden Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 481 ff. sowie S. 485 ff.; knapp auch Gomber/Nassauer ZBB 2014, 250 (254 f.).

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Delegierte Verordnung (EU) 2017/587 der Kommission vom 14.07.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards mit Transparenzanforderungen für Handelsplätze und Wertpapierfirmen in Bezug auf Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente und mit Ausführungspflichten in Bezug auf bestimmte Aktiengeschäfte an einem Handelsplatz oder über einen systematischen Internalisierer, ABlEU Nr. L 87/387 vom 31.03.2017; Delegierte Verordnung (EU) 2017/577 der Kommission vom 13. Juni 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

in Art. 6 MiFIR für Eigenkapitalinstrumente und in Art. 10 MiFIR für Nichteigenkapitalinstrumente geregelten Nachhandelspflichten, denen sich jeweils Vorschriften über die ausnahmsweise Genehmigung einer späteren Veröffentlichung anschließen (Einzelheiten: Artt. 7 und 11 MiFIR). In Kapitel 3 (Artt. 12 und 13 MiFIR) werden hier nicht zu vertiefende gesonderte Offenlegungspflichten der Handelsplatzbetreiber vorgesehen, die durch Technische Regulierungsstandards522 konkretisiert werden.

VI. Auftragsabwicklung und Transparenzpflichten von systematischen Internalisierern u.a. (Titel III MiFIR – Überblick) Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Text von Bedeutung für den EWR

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TITEL III Transparenz für systematische Internalisierer und Wertpapierfirmen, die mit OTC handeln Artikel 14 – Verpflichtung der systematischen Internalisierer zur Offenlegung von verbindlichen Kursofferten für Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente (1) Wertpapierfirmen legen verbindliche Kursofferten für die Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelten Fonds, Zertifikate und anderen vergleichbaren Finanzinstrumente offen, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, für die sie eine systematische Internalisierung betreiben und für die es einen liquiden Markt gibt. Besteht kein liquider Markt für die Finanzinstrumente nach Unterabsatz 1, so bieten systematische Internalisierer ihren Kunden auf Anfrage Kursofferten an. (2) Dieser Artikel sowie die Artikel 15, 16 und 17 gelten für systematische Internalisierer bei der Ausführung von Aufträgen bis zur Standardmarktgröße. Systematische Internalisierer unterliegen nicht den Bestimmungen dieses Artikels und der Artikel 15, 16 und 17, wenn sie Aufträge über der Standardmarktgröße ausführen. (3) Die systematischen Internalisierer können das Volumen bzw. die Volumina festlegen, zu denen sie Kursofferten abgeben. Eine Kursofferte muss mindestens 10 % der Standardmarktgröße einer Aktie, eines Aktienzertifikats, eines börsengehandelten Fonds, eines Zertifikats oder eines anderen vergleichbaren Finanzinstruments, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, entsprechen. Für eine bestimmte Aktie, ein bestimmtes Aktienzertifikat, einen bestimmten börsengehan-

und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards für den Mechanismus zur Begrenzung des Volumens und die Bereitstellung von Informationen für Transparenz- und andere Berechnungen, ABlEU Nr. L 87/174 vom 31.03.2017; Delegierte Verordnung (EU) 2017/583 der Kommission vom 14.07.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards zu den Transparenzanforderungen für

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Handelsplätze und Wertpapierfirmen in Bezug auf Anleihen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate, ABlEU Nr. L 87/229 vom 31.03.2017. Delegierte Verordnung (EU) 2017/572 der Kommission vom 02.06.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Festlegung der angebotenen Vor- und Nachhandelsdaten und des Disaggregationsniveaus der Daten, ABlEU Nr. L 87/142 vom 31.03.2017.

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7. Teil. Organisationsregeln delten Fonds, ein bestimmtes Zertifikat oder ein bestimmtes anderes vergleichbares Finanzinstrument, das an einem Handelsplatz gehandelt wird, umfasst jede Offerte einen verbindlichen Geldund/oder Briefkurs bzw. Briefkurse für eine Größe bzw. für Größen bis zur Standardmarktgröße für die Kategorie, der die Aktie, das Aktienzertifikat, der börsengehandelte Fonds, das Zertifikat oder ein anderes, vergleichbares Finanzinstrument angehört. Der Kurs bzw. die Kurse spiegeln die vorherrschenden Marktbedingungen für die betreffende Aktie, das betreffende Aktienzertifikat, den betreffenden börsengehandelten Fonds, das betreffende Zertifikat oder das betreffende andere vergleichbare Finanzinstrument wider. (4) Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate oder andere, vergleichbare Finanzinstrumente werden auf der Grundlage des arithmetischen Durchschnittswerts der Aufträge, die an dem Markt für diese Finanzinstrumente ausgeführt werden, in Kategorien zusammengefasst. Die Standardmarktgröße für jede Klasse von Aktien, Aktienzertifikaten, börsengehandelten Fonds, Zertifikaten oder anderen vergleichbaren Finanzinstrumenten ist eine Größe, die repräsentativ für den arithmetischen Durchschnittswert der Aufträge ist, die am Markt für Finanzinstrumente der jeweiligen Kategorie ausgeführt werden. (5) Der Markt für jede Aktie, jedes Aktienzertifikat, jeden börsengehandelten Fonds, jedes Zertifikat und jedes andere vergleichbare Finanzinstrument umfasst sämtliche in der Union für das betreffende Finanzinstrument ausgeführten Aufträge mit Ausnahme derjenigen, die ein im Vergleich zum üblichen Marktvolumen großes Volumen aufweisen. (6) Die zuständige Behörde des unter Liquiditätsaspekten wichtigsten Marktes, wie in Artikel 26 für jede Aktie, jedes Aktienzertifikat, jeden börsengehandelten Fonds, jedes Zertifikat und jedes andere vergleichbare Finanzinstrument definiert, legt mindestens einmal jährlich auf der Grundlage des arithmetischen Durchschnittswerts der Aufträge, die an dem Markt für dieses Finanzinstrument ausgeführt werden, die Kategorie fest, der es angehört. Diese Informationen werden allen Marktteilnehmern bekannt gegeben und der ESMA mitgeteilt, die die Informationen auf ihrer Website veröffentlicht. (7) Um eine wirksame Bewertung von Aktien, Aktienzertifikaten, börsengehandelten Fonds, Zertifikaten und anderen vergleichbaren Finanzinstrumenten zu gewährleisten und die Möglichkeit von Wertpapierfirmen zu maximieren, das beste Angebot für ihre Kunden zu erhalten, erarbeitet die ESMA Entwürfe technischer Regulierungsstandards, in denen die Regeln für die Veröffentlichung einer festen Notierung gemäß Absatz 1, die Bestimmungsmethode dafür, ob die Preise die vorherrschenden Marktbedingungen gemäß Absatz 3 widerspiegeln, und die Standardmarktgröße gemäß Absätze 2 und 4 weiter festgelegt werden. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 15 – Ausführung von Kundenaufträgen (1) Systematische Internalisierer veröffentlichen ihre Kursofferten regelmäßig und kontinuierlich während der üblichen Handelszeiten. Sie sind berechtigt, ihre Offerten jederzeit zu aktualisieren. Sie dürfen im Falle außergewöhnlicher Marktbedingungen ihre Offerten zurückziehen. Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass Firmen, die die Definition eines systematischen Internalisierers erfüllen, ihre zuständige Behörde hierüber unterrichten. Diese Benachrichtigung wird der ESMA übermittelt. Die ESMA erstellt eine Liste aller systematischen Internalisierer in der Union. Die Kursofferten sind den übrigen Marktteilnehmern zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen in leicht zugänglicher Weise bekanntzumachen. (2) Systematische Internalisierer führen die Aufträge ihrer Kunden in Bezug auf Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate oder andere vergleichbare Finanzinstrumente, für die sie eine systematische Internalisierung betreiben, zu den zum Zeitpunkt des Auftragseingangs gebotenen Kursen aus und kommen dem Artikels 27 der Richtlinie 2014/65/EU nach.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur Sie können diese Aufträge jedoch in begründeten Fällen zu besseren Kursen ausführen, sofern diese Kurse innerhalb einer veröffentlichten, marktnahen Bandbreite liegen. (3) Systematische Internalisierer können Aufträge professioneller Kunden zu anderen als den von ihnen angebotenen Kursen ausführen, ohne die Auflagen von Absatz 2 einhalten zu müssen, wenn es sich dabei um Geschäfte handelt, bei denen die Ausführung in Form verschiedener Wertpapiere Teil ein und desselben Geschäfts ist, oder um Aufträge, für die andere Bedingungen als der jeweils geltende Marktkurs anwendbar sind. (4) Wenn ein systematischer Internalisierer, der nur eine Kursofferte abgibt oder dessen höchste Kursofferte unter der Standardmarktgröße liegt, einen Auftrag von einem Kunden erhält, der über seiner Quotierungsgröße liegt, jedoch unter der Standardmarktgröße, kann er sich dafür entscheiden, den Teil des Auftrags auszuführen, der seine Quotierungsgröße übersteigt, sofern er zu dem quotierten Kurs ausgeführt wird, außer in den Fällen, in denen gemäß Absätze 2 und 3 etwas anderes zulässig ist. Gibt ein systematischer Internalisierer Kursofferten in unterschiedlicher Höhe an und erhält er einen Auftrag, den er ausführen will und der zwischen diesen Volumina liegt, so führt er den Auftrag gemäß Artikel 28 der Richtlinie 2014/65/EU zu einem der quotierten Kurse aus, außer in den Fällen, in denen gemäß Absätze 2 und 3 etwas anderes zulässig ist. (5) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 50 delegierte Rechtsakte zu erlassen, in denen präzisiert wird, was im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Kursofferten im Sinne von Absatz 1 unter angemessenen kaufmännischen Bedingungen zu verstehen ist. Artikel 16 – Pflichten der zuständigen Behörden Die zuständigen Behörden haben Folgendes zu prüfen: a) dass die Wertpapierfirmen die Geld- und/oder Briefkurse, die sie gemäß Artikel 14 veröffentlichen, regelmäßig aktualisieren und Kurse anbieten, die den allgemeinen Marktbedingungen entsprechen; b) dass die Wertpapierfirmen die Bedingungen für die Kursverbesserungen gemäß Artikel 15 Absatz 2 erfüllen. Artikel 17 – Zugang zu Kursofferten (1) Systematische Internalisierer dürfen entsprechend ihrer Geschäftspolitik und in objektiver, nichtdiskriminierender Weise entscheiden, welchen Kunden sie Zugang zu ihren Kursofferten geben. Zu diesem Zweck verfügen sie über eindeutige Standards für den Zugang zu ihren Kursofferten. Systematische Internalisierer können es ablehnen, mit Kunden eine Geschäftsbeziehung aufzunehmen, oder sie können eine solche beenden, wenn dies aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen wie der Kreditsituation des Kunden, des Gegenparteirisikos und der Endabrechnung des Geschäfts erfolgt. (2) Um das Risiko aufgrund einer Häufung von Geschäften mit ein und demselben Kunden zu beschränken, sind systematische Internalisierer berechtigt, die Zahl der Geschäfte, die sie zu den veröffentlichten Bedingungen mit demselben Kunden abzuschließen bereit sind, in nichtdiskriminierender Weise zu beschränken. Sie dürfen – in nichtdiskriminierender Weise und gemäß den Bestimmungen des Artikels 28 der Richtlinie 2014/65/EU – die Gesamtzahl der gleichzeitig ausgeführten Geschäfte für verschiedene Kunden beschränken, sofern dies nur dann zulässig ist, wenn die Zahl und/oder das Volumen der Kundenaufträge erheblich über der Norm liegt. (3) Um die effiziente Bewertung der Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelten Fonds, Zertifikate oder anderer vergleichbarer Finanzinstrumente sicherzustellen, und um die Möglichkeit von Wertpapierfirmen zu maximieren, für ihre Kunden die besten Geschäftskonditionen zu erzielen, erlässt die Kommission nach Anhörung der ESMA delegierter Rechtsakte im Sinne von Artikel 50, in denen Folgendes festgelegt wird: a) die Kriterien dafür, wann eine Offerte im Sinne von Artikel 15 Absatz 1 regelmäßig und kontinuierlich veröffentlicht wird und leicht zugänglich ist, sowie die Mittel und Wege, mit denen Wertpapierfirmen ihrer Pflicht zur Bekanntmachung ihrer Kursofferten nachkommen können; in Betracht kommt eine Veröffentlichung i) über das System jedes geregelten Marktes, an dem das betreffende Finanzinstrument zum Handel zugelassen ist;

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7. Teil. Organisationsregeln

b)

c)

d) e)

ii) über ein genehmigtes Veröffentlichungssystem; iii) mittels eigener Vorkehrungen; die Kriterien zur Festlegung der Geschäfte im Sinne von Artikel 15 Absatz 3, bei denen die Ausführung in Form verschiedener Wertpapiere Teil ein und desselben Geschäfts ist, oder der Aufträge im Sinne von Artikel 15 Absatz 3, auf die andere Bedingungen als der jeweils geltende Marktkurs anwendbar sind; die Kriterien dafür, welche Bedingungen als „außergewöhnliche Marktbedingungen“ im Sinne von Artikel 15 Absatz 1 zu betrachten sind, die die Rücknahme von Kursofferten zulassen, sowie die Bedingungen für die Aktualisierung von Kursofferten im Sinne von Artikel 15 Absatz 1; die Kriterien dafür, wann die Zahl und/oder das Volumen der Aufträge der Kunden nach Absatz 2 erheblich über der Norm liegt. die Kriterien dafür, wann die Kurse – wie in Artikel 15 Absatz 2 ausgeführt – innerhalb einer veröffentlichten, marktnahen Bandbreite liegen.

Artikel 18 – Verpflichtung der systematischen Internalisierer zur Veröffentlichung verbindlicher Kursofferten in Bezug auf Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate (1) Wertpapierfirmen veröffentlichen feste Kursofferten in Bezug auf die Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, für die sie eine systematische Internalisierung betreiben und für die ein liquider Markt besteht, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind: a) sie sind für eine Kursofferte für einen Kunden des systematischen Internalisierers erforderlich; b) die Internalisierer sind mit der Abgabe einer Kursofferte einverstanden. (2) Für Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate, die an einem Handelsplatz gehandelt werden und für die kein liquider Markt besteht, bieten systematische Internalisierer – sofern sie mit der Abgabe einer Kursofferte einverstanden sind – ihren Kunden auf Anfrage Kursofferten an. Sie können von dieser Verpflichtung befreit werden, wenn die Bedingungen nach Artikel 9 Absatz 1 erfüllt sind. (3) Systematische Internalisierer sind berechtigt, ihre Offerten jederzeit zu aktualisieren. Im Falle außergewöhnlicher Marktbedingungen dürfen sie ihre Kursofferten zurückziehen. (4) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass Firmen, die die Definition eines systematischen Internalisierers erfüllen, ihre zuständige Behörde hierüber unterrichten. Diese Benachrichtigung wird der ESMA übermittelt. Die ESMA erstellt eine Liste aller systematischen Internalisierer in der Union. (5) Systematische Internalisierer machen verbindliche Kursofferten, die gemäß Absatz 1 veröffentlicht wurden, ihren anderen Kunden zugänglich. Ungeachtet dessen dürfen systematische Internalisierer entsprechend ihrer Geschäftspolitik und in objektiver, nichtdiskriminierender Weise entscheiden, welchen Kunden sie Zugang zu ihren Kursofferten geben. Zu diesem Zweck verfügen sie über eindeutige Standards für den Zugang zu ihren Kursofferten. Systematische Internalisierer können es ablehnen, mit Kunden eine Geschäftsbeziehung aufzunehmen oder eine solche beenden, wenn dies aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen wie der Kreditsituation des Kunden, des Gegenparteirisikos und der Endabrechnung des Geschäfts erfolgt. (6) Systematische Internalisierer verpflichten sich gemäß den veröffentlichten Bedingungen zum Abschluss von Geschäften mit einem anderen Kunden, dem die Kursofferte im Einklang mit Absatz 5 zur Verfügung gestellt wurde, wenn das notierte Geschäftsvolumen dem für das betreffende Instrument gemäß Artikel 9 Absatz 5 Buchstabe d ermittelten typischen Umfang entspricht oder es unterschreitet. Bei Finanzinstrumenten, die unter den nach Artikel 9 Absatz 4 ermittelten Liquiditätsschwellenwert fallen, unterliegen systematische Internalisierer nicht der Verpflichtung, eine verbindliche Kursofferte im Sinne von Absatz 1 abzugeben. (7) Systematische Internalisierer können die Zahl der Geschäfte, die sie sich mit Kunden infolge einer bestimmten Kursofferte einzugehen verpflichten, auf nichtdiskriminierende und transparente Art und Weise beschränken.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur (8) Gemäß Absätzen 1 und 5 veröffentlichte Kursofferten und Kursofferten, die dem in Absatz 6 genannten Volumen entsprechen oder es unterschreiten, sind so bekanntzumachen, dass sie den übrigen Marktteilnehmern zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen leicht zugänglich sind. (9) Durch die Kursofferte(n) muss sichergestellt werden, dass der systematische Internalisierer seinen Verpflichtungen nach Artikel 27 der Richtlinie 2014/65/EU nachkommt, und sie müssen gegebenenfalls die vorherrschenden Marktbedingungen in Bezug auf die Kurse, zu denen Geschäfte mit denselben oder ähnlichen Finanzinstrumenten an einem Handelsplatz abgeschlossen werden, widerspiegeln. Sie können Aufträge jedoch in begründeten Fällen zu besseren Kursen ausführen, sofern diese Kurse innerhalb einer veröffentlichten, marktnahen Bandbreite liegen. (10) Systematische Internalisierer unterliegen nicht den Bestimmungen dieses Artikels, wenn sie Geschäfte mit einem Volumen tätigen, das den für das Finanzinstrument gemäß Artikel 9 Absatz 5 Buchstabe d ermittelten typischen Geschäftsumfang übersteigt. Artikel 19 – Überwachung durch die ESMA (1) Die zuständigen Behörden und die ESMA überwachen die Anwendung von Artikel 18 im Hinblick auf das Volumen, in dem Kursofferten Kunden von Wertpapierfirmen und anderen Marktteilnehmern in Bezug auf die sonstige Handelstätigkeit der Firma zur Verfügung gestellt werden, sowie den Grad, in dem die Kursofferten die vorherrschenden Marktbedingungen für Geschäfte mit denselben oder ähnlichen Finanzinstrumenten widerspiegeln, die an einem Handelsplatz abgewickelt werden. Die ESMA legt der Kommission bis zum 3. Januar 2019 einen Bericht über die Anwendung von Artikel 18 vor. Im Falle umfangreicher Kursofferten und einer erheblichen Handelstätigkeit knapp über dem in Artikel 18 Absatz 6 genannten Schwellenwert oder außerhalb der vorherrschenden Marktbedingungen legt die ESMA der Kommission vor diesem Datum einen Bericht vor. (2) Die Kommission erlässt delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 50 zur Festlegung des in Artikel 18 Absatz 6 genannten Volumens, in dem eine Wertpapierfirma Geschäfte mit anderen Kunden betreiben kann, denen eine Kursofferte zur Verfügung gestellt wurde. Das für das Finanzinstrument typische Volumen wird gemäß den in Artikel 9 Absatz 5 Buchstabe d festgelegten Kriterien ermittelt. (3) Die Kommission erlässt delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 50, in denen präzisiert wird, was unter „angemessenen kaufmännischen Bedingungen“ zu verstehen ist, unter denen die in Artikel 18 Absatz 8 genannten Kursofferten zu veröffentlichen sind. Artikel 20 – Veröffentlichungen von Wertpapierfirmen – einschließlich systematischer Internalisierer – nach dem Handel betreffend Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente (1) Wertpapierfirmen, die entweder für eigene Rechnung oder im Namen von Kunden Geschäfte mit Aktien, Aktienzertifikaten, börsengehandelten Fonds, Zertifikaten und anderen vergleichbaren Finanzinstrumenten betreiben, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, veröffentlichen das Volumen und den Kurs dieser Geschäfte sowie den Zeitpunkt ihres Abschlusses. Diese Informationen werden im Rahmen eines APA bekannt gegeben. (2) Die gemäß Absatz 1 dieses Artikels veröffentlichten Informationen und die Fristen, innerhalb deren sie zu veröffentlichen sind, müssen den gemäß Artikel 6 festgelegten Anforderungen, einschließlich der nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a angenommenen technischen Regulierungsstandards, genügen. Sehen die gemäß Artikel 7 festgelegten Maßnahmen eine spätere Veröffentlichung für bestimmte Kategorien von Geschäften mit Aktien, Aktienzertifikaten, börsengehandelten Fonds, Zertifikaten und anderen vergleichbaren Finanzinstrumenten, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, vor, so besteht diese Möglichkeit auch für diese Geschäfte, wenn sie außerhalb von Handelsplätzen abgeschlossen werden. (3) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, in denen Folgendes festgelegt wird:

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7. Teil. Organisationsregeln a) die Kennzeichen der verschiedenen Arten von im Rahmen dieses Artikels veröffentlichten Geschäften, bei denen zwischen solchen unterschieden wird, die vor allem durch mit der Bewertung von Finanzinstrumenten verbundene Faktoren charakterisiert sind, und solchen, die durch andere Faktoren bestimmt werden; b) Anwendung der Verpflichtung gemäß Absatz 1 auf Geschäfte, die die Verwendung dieser Finanzinstrumente zum Zwecke der Besicherung, der Beleihung oder für andere Zwecke, bei denen der Umtausch von Finanzinstrumenten durch andere Faktoren als die aktuelle Marktbewertung des Finanzinstruments bestimmt wird, umfassen. c) die an einem Geschäft beteiligte Partei, die ein Geschäft im Einklang mit Absatz 1 veröffentlichen muss, wenn beide an dem Geschäft beteiligte Parteien Wertpapierfirmen sind. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 21 – Veröffentlichungen von Wertpapierfirmen – einschließlich systematischer Internalisierer – nach dem Handel betreffend Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate (1) Wertpapierfirmen, die entweder für eigene Rechnung oder im Namen von Kunden Geschäfte mit Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten und Derivaten tätigen, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, veröffentlichen das Volumen und den Kurs dieser Geschäfte sowie den Zeitpunkt ihres Abschlusses. Diese Informationen werden im Rahmen eines APA bekannt gegeben. (2) Jedes einzelne Geschäft ist einmal im Rahmen eines einzelnen APA zu veröffentlichen. (3) Die gemäß Absatz 1 veröffentlichten Informationen und die Fristen, innerhalb deren sie zu veröffentlichen sind, müssen den gemäß Artikel 10 festgelegten Anforderungen, einschließlich der nach Artikel 11 Absatz 4 Buchstaben a und b angenommenen technischen Regulierungsstandards, genügen. (4) Die zuständigen Behörden können Wertpapierfirmen gestatten, eine spätere Veröffentlichung vorzusehen, oder sie können während des Zeitraums des gewährten Aufschubs von Wertpapierfirmen die Veröffentlichung von wenigen Einzelheiten zu einem Geschäft oder von Einzelheiten zu mehreren Geschäften in aggregierter Form oder eine Kombination von beidem verlangen; alternativ können sie die Nichtveröffentlichung des Umfangs einzelner Geschäfte während eines verlängerten Aufschubzeitraums gestatten oder im Falle von Nicht-Eigenkapitalfinanzinstrumenten, bei denen es sich nicht um öffentliche Schuldinstrumente handelt, die Veröffentlichung mehrerer Geschäfte in aggregierter Form während eines verlängerten Aufschubzeitraums gestatten, oder im Falle öffentlicher Schuldinstrumente die Veröffentlichung mehrerer Geschäfte in aggregierter Form für einen unbefristeten Zeitraum gestatten, und sie können unter den in Artikel 11 festgelegten Voraussetzungen die Verpflichtungen nach Absatz 1 vorübergehend aussetzen. Sehen die gemäß Artikel 11 festgelegten Maßnahmen für bestimmte Kategorien von Geschäften mit Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten und Derivaten, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, eine spätere Veröffentlichung, eine Veröffentlichung von wenigen Einzelheiten oder von Einzelheiten in aggregierter Form oder eine Kombination hiervon oder eine Nichtveröffentlichung des Geschäftsvolumens vor, so besteht diese Möglichkeit für diese Geschäfte auch, wenn sie außerhalb von Handelsplätzen abgeschlossen werden. (5) Die ESMA erarbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards, in denen Folgendes in einer Weise festgelegt wird, die die Veröffentlichung von nach Artikel 64 der Richtlinie 2014/65/ EU geforderten Informationen ermöglicht: a) die Kennzeichen der verschiedenen Arten von im Einklang mit diesem Artikel veröffentlichten Geschäften, bei denen zwischen solchen unterschieden wird, die vor allem durch mit der Bewertung von Finanzinstrumenten verbundene Faktoren charakterisiert sind, und solchen, die durch andere Faktoren bestimmt werden;

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur b) Anwendung der Verpflichtung gemäß Absatz 1 auf Geschäfte, die die Verwendung dieser Finanzinstrumente zum Zwecke der Besicherung, der Beleihung oder für andere Zwecke, bei denen der Umtausch von Finanzinstrumenten durch andere Faktoren als die aktuelle Marktbewertung des Finanzinstruments bestimmt wird, umfassen; c) die an einem Geschäft beteiligte Partei, die ein Geschäft im Einklang mit Absatz 1 veröffentlichen muss, wenn beide an dem Geschäft beteiligte Parteien Wertpapierfirmen sind. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 Verfahren zu erlassen. Artikel 22 – Bereitstellung von Informationen für Transparenz- und andere Berechnungen (1) Für die Berechnungen zur Festlegung der Anforderungen an Vor- und Nachhandelstransparenz und der für Finanzinstrumente geltenden Handelspflichten nach den Artikeln 3 bis 11, 14 bis 21 und 32 sowie zur Festlegung, ob eine Wertpapierfirma ein systematischer Internalisierer ist, können die zuständigen Behörden Informationen anfordern von: a) Handelsplätzen, b) genehmigten Veröffentlichungssystemen (APA) und c) Anbietern konsolidierter Datenticker (CTP). (2) Die Handelsplätze, APA und CTP speichern die erforderlichen Daten während eines ausreichenden Zeitraums. (3) Die zuständigen Behörden übermitteln der ESMA diese Informationen, da die ESMA die Erstellung der Berichte nach Artikel 5 Absätze 4, 5 und 6 verlangt. (4) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, in denen Inhalt und Häufigkeit der Datenanforderungen, Formate und Zeitrahmen, in denen die Handelsplätze, APA und CTP auf die Anforderungen nach Absatz 1 reagieren müssen sowie die Art der zu speichernden Daten und die Frist festgelegt werden, während der die Handelsplätze, APA und CTP die Daten mindestens speichern müssen, damit sie den Anforderungen nach Absatz 2 nachkommen können. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in diesem Absatz genannten technischen Regulierungsstandards gemäß dem in den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 festgelegten Verfahren zu erlassen. Artikel 23 – Handelspflichten für Wertpapierfirmen (1) Wertpapierfirmen stellen sicher, dass ihre Handelsgeschäfte mit Aktien, die zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind oder an einem Handelsplatz gehandelt werden, an einem geregelten Markt oder gegebenenfalls im Rahmen eines MTF, OTF oder systematischen Internalisierers oder an einem Drittlandhandelsplatz, der gemäß Artikel 25 Absatz 4 Buchstabe a der Richtlinie 2014/65/EU als gleichwertig gilt, getätigt werden, sofern nicht zu deren Merkmalen gehört, a) dass sie auf nicht systematische Weise, ad hoc, unregelmäßig und selten getätigt werden, oder b) dass sie zwischen geeigneten und/oder professionellen Gegenparteien getätigt werden und nicht zum Prozess der Kursfestsetzung beitragen. (2) Eine Wertpapierfirma, die ein internes System zur Zusammenführung von Aufträgen betreibt, das Kundenaufträge zu Aktien, Aktienzertifikaten, börsengehandelten Fonds, Zertifikaten und anderen vergleichbaren Finanzinstrumenten auf multilateraler Basis ausführt, muss sicherstellen, dass dieses als MTF im Rahmen der Richtlinie 2014/65/EU zugelassen ist und dass es alle einschlägigen, für eine solche Zulassung geltenden Bestimmungen erfüllt. (3) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, arbeitet die ESMA Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, in denen die besonderen Merkmale derjenigen Ak-

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7. Teil. Organisationsregeln tiengeschäfte festgelegt werden, die nicht zum Prozess der Kursfestsetzung nach Absatz 1 beitragen, wobei etwa Fälle berücksichtigt werden wie a) nicht ausweisbare Liquiditätsgeschäfte oder b) Fälle, in denen der Handel mit solchen Finanzinstrumenten von anderen Faktoren als dem aktuellen Marktwert des Finanzinstruments bestimmt wird. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen.

1. Grundlagen

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a) Regelungshintergrund. Die Vorschriften des Titels III der MiFIR treten im neuen Recht an die Stelle der §§ 32 bis 32d WpHG a.F., welche ihrerseits die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 27 MiFID I und Artt. 21 bis 26 DVO MiFID II umsetzten. Inhaltlich geht es nach wie vor um Anforderungen an die Auftragsabwicklung und die Handelstransparenz bei systematischen Internalisierern, aber auch – in der deutschen Sprachfassung schief wiedergegeben – sonstige bilaterale Auftragsausführungen („Over the Counter“, OTC – in der deutschen Sprachfassung der amtlichen Überschrift unglücklich als „Handel mit OTC“ abgebildet). Das neue Recht beruht konzeptionell nach wie vor auf dem für die MiFID I charakteristischen rechtspolitischen Kompromiss, der bereichsspezifische Nachhandelstransparenzpflichten mit speziellen Pflichten zur Veröffentlichung bindender Kaufund Verkaufsangebote („Kursofferten“, bislang: „Quotes“), um die Anleger über die Konditionen zu informieren, und einem darauf bezogenen Kontrahierungszwang kombiniert.523 Die praktische Bedeutung der systematischen Internalisierung im deutschen Markt ist nach wie vor gering;524 das bei der ESMA geführte Register in Deutschland aktiver systematischer Internalisierer weist lediglich die Deutsche Bank AG aus.

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b) Anwendungsbereich. Der persönliche Anwendungsbereich der Vorschriften ergibt sich zunächst aus der – von § 2 Abs. 10 WpHG a.F. abweichenden – Legaldefinition der systematischen Internalisierung als erlaubnispflichtige Wertpapierdienstleistung in § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 lit. b WpHG (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 UAbs. 1 MiFID II). Danach handelt es sich um das „häufige organisierte und systematische Betreiben von Handel für eigene Rechnung in erheblichem Umfang außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems, wenn Kundenaufträge außerhalb eines geregelten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems ausgeführt werden, ohne dass ein multilaterales Handelssystem betrieben wird (systematische Internalisierung)“.

§ 2 Abs. 8 Satz 3 bis 5 WpHG ergänzen diese Kriterien in Umsetzung des Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 UAbs. 2 MiFID wie folgt: „Ob ein häufiger systematischer Handel vorliegt, bemisst sich nach der Zahl der Geschäfte außerhalb eines Handelsplatzes (OTC-Handel) mit einem Finanzinstrument zur Ausführung von Kun-

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Zur Rechtsentwicklung im Vorlauf auf die korrespondierenden Vorgaben aus Art. 27 MiFID I insoweit Mutschler Internalisierung, S. 150 ff.; Köndgen FS H. Schmidt, 2006, S. 281 (282 ff.); Schwark FS Immenga, 2004, S. 723 (734 ff.); zusf. Schwark/Zimmer/ Beck/Röh KapMR § 32 WpHG Rn 3; siehe

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auch Kumpan Regulierung außerbörslicher Handelssysteme, S. 181 ff.; zum neuen Recht Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 488; Schelling BKR 2015, 221 (222). Vgl. bereits für das frühere Recht KölnKommWpHG/Seiffert § 32 Rn 4.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur denaufträgen, die von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen für eigene Rechnung durchgeführt werden. Ob ein Handel in erheblichem Umfang vorliegt, bemisst sich entweder nach dem Anteil des OTC-Handels an dem Gesamthandelsvolumen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens in einem bestimmten Finanzinstrument oder nach dem Verhältnis des OTC-Handels des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zum Gesamthandelsvolumen in einem bestimmten Finanzinstrument in der Europäischen Union; nähere Bestimmungen enthalten die Artikel 12 bis 17 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 [DVO MiFID II]. Die Voraussetzungen der systematischen Internalisierung sind erst dann erfüllt, wenn sowohl die Obergrenze für den häufigen systematischen Handel als auch die Obergrenze für den Handel in erheblichem Umfang überschritten werden oder wenn ein Unternehmen sich freiwillig den für die systematische Internalisierung geltenden Regelungen unterworfen und eine Erlaubnis zum Betreiben der systematischen Internalisierung bei der Bundesanstalt beantragt hat.“

2. Regelungsinhalte (Übersicht). Die Pflicht der systematischen Internalisierer zur Ver- 178 öffentlichung verbindlicher Kursofferten („Quotes“) gilt nunmehr – im Unterschied zum bisherigen Recht (vgl. § 32a WpHG a.F.) – sowohl für Eigenkapitalinstrumente (verpflichtend Art. 14 MiFIR) als auch für Nichteigenkapitalinstrumente (nur eingeschränkt, Art. 18 Abs. 1 bis 3 MiFiR).525 Für erstere hat der Verordnungsgeber an der bereits im bisherigen Recht vorgesehenen Einschränkung festgehalten, dass eine entsprechende Verpflichtung nur gilt, soweit der systematische Internalisierer Aufträge bis zur sog. Standardmarktgröße ausführt, die die für das jeweilige Finanzinstrument im Massengeschäft üblichen Handelsvolumina abbildet (Art. 18 Abs. 2 MiFIR, vgl. bislang § 32 Satz 1 WpHG a.F.). Hintergrund ist, dass die mit der Veröffentlichung verpflichtender Kursofferten verbundene Festlegung für den Internalisierer als unverhältnismäßig eingestuft wurde; insbesondere sollten sog. Block Orders mit großen Volumina ohne Einhaltung der Anforderungen möglich sein.526 Auch insoweit werden die Einzelheiten – insbesondere zur Berechnung der Standardmarktgröße – in Technischen Regulierungsstandards zur Konkretisierung der Vorgaben aus Art. 14 MiFIR festgelegt.527 Der, wie ausgeführt, schon im bisherigen Recht vorgesehene Kontrahierungszwang zu den Konditionen der festen Kursofferten und die Einschränkungen insoweit werden für Eigenkapitalinstrumente in Art. 15 MiFIR sowie für Nichteigenkapitalinstrumente in Art. 18 Abs. 6 bis 10 MiFIR ausgestaltet (vgl. bislang § 32c WpHG a.F.). Zur Verringerung der daraus für die systematischen Internalisierer resultierenden Risiken sind diese berechtigt, den Zugang von Kunden zu den Kursofferten für Eigenkapitalinstrumente nach objektiven und nicht-diskriminierenden Regelungen zu steuern und einzuschränken (Einzelheiten: Art. 17 MiFIR).528 Auch systematische Internalisierer sind den in Art. 20 MiFIR für Eigenkapitalinstrumente und in Art. 22 MiFIR für Nicht-Eigenkapitalinstrumente geregelten sowie in den VOen (EU) 2017/587 bzw. 525

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Dazu und zum Folgenden eingehend Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 488 ff. („Equity Markets“) und S. 491 ff. („Non-Equity Markets“). Dazu für das bisherige Recht Schwark/Zimmer/Beck/Röh § 32 WpHG Rn 16; für das neue Recht auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 48. Artt. 9 ff. Delegierte Verordnung (EU) 2017/587 der Kommission vom 14.07.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstan-

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dards mit Transparenzanforderungen für Handelsplätze und Wertpapierfirmen in Bezug auf Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente und mit Ausführungspflichten in Bezug auf bestimmte Aktiengeschäfte an einem Handelsplatz oder über einen systematischen Internalisierer, ABlEU Nr. L 87/387 vom 31.03.2017. Siehe dazu näher Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 490: vgl. für das frühere Recht auch bereits Köndgen FS H. Schmidt, 2006, S. 281 (300).

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7. Teil. Organisationsregeln

2017/583 (oben Rn 174 mit Fn 521) durch Technische Regulierungsstandards konkretisierten allgemeinen Anforderungen an die Nachhandelstransparenz für Kundenaufträge unterworfen.

VII. Institutionell-organisatorischer Rahmen für den Derivatehandel (Titel V MiFIR – Überblick) Schrifttum: Awrey The Dynamics of OTC Derivatives Regulation: Bridging the Public-Private Paradigm, EBOR 11 (2010), 155; Cechhetti/Gyntelberg/Hollanders Central counterparties for over-the-counter derivatives, BIS Quarterly Review 2009, 45; CESR, Technical Advice to the European Commission in the Context of the MiFID Review – Standardisation and Organised Platform Trading of OTC Derivatives, 2010 (CESR/10–1096); Committee on Payment and Settlement Systems/Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Principles for financial market infrastructures, 2012; (European) Expert Group in Market Infrastructures (EGMI), Report, 10.10.2011; ESMA, Discussion Paper: The trading obligation for derivatives under MiFIR, 20.9.2016 (ESMA/2016/1389); Ferrarini/Saguato Regulating Financial Market Infrastructures, in: Moloney/Ferran/ Payne (Hrsg.), The Oxford Handbook of Financial Regulation, 2015, S. 568; Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, 2001; dies., Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, 2003; Laucius Potential Impact of the New PostCrisis Regulatory Approach to Financial Derivatives, EBLR 2014, 681; Stegeman/Berket Derivatives – Trading, Clearing, STP, Indirect Clearing and Portfolio Compression, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), Regulation of the EU Financial Markets: MiFID II and MiFIR, 2017, Kap. 15 = S. 391

Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Text von Bedeutung für den EWR

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TITEL V DERIVATE Artikel 28 – Pflicht zum Handel über geregelte Märkte, MTF oder OTF (1) Finanzielle Gegenparteien im Sinne von Artikel 2 Absatz 8 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 sowie nichtfinanzielle Gegenparteien, die die in Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannten Bedingungen erfüllen, schließen Geschäfte, bei denen es sich weder um gruppeninterne Geschäfte im Sinne von Artikel 3, noch um unter die Übergangsbestimmungen von Artikel 89 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 fallende Geschäfte mit anderen finanziellen Gegenparteien oder nichtfinanziellen Gegenparteien handelt, die die Bedingungen von Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 erfüllen, mit Derivaten, die einer Kategorie von Derivaten angehören, die einer Handelspflicht im Sinne des in Artikel 32 genannten Verfahrens unterliegen und in dem in Artikel 34 genannten Verzeichnis registriert sind, lediglich über folgende Plätze ab: a) geregelte Märkte, b) MTF c) OTF oder d) Drittlandhandelsplätze, vorausgesetzt, die Kommission hat einen Beschluss nach Absatz 4 gefasst und das Drittland sieht ein effektives, gleichwertiges Anerkennungssystem für Handelsplätze vor, die nach der Richtlinie 2014/65/EU zugelassen sind, um Derivate zum Handel zuzulassen oder zu handeln, die in dem Drittland einer Handelspflicht auf nichtausschließlicher Basis unterliegen. (2) Die Handelspflicht gilt auch für in Absatz 1 genannte Gegenparteien, die Derivategeschäfte abschließen, die zu einer Derivatekategorie gehören, die der Handelspflicht mit Drittland-

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur finanzinstituten oder sonstigen Drittlandeinrichtungen unterliegt, die bei einer Niederlassung in der Union zum Clearing verpflichtet wären. Die Handelspflicht gilt auch für Drittlandeinrichtungen, die bei Niederlassung in der Union zum Clearing verpflichtet wären und die Derivategeschäfte, die zu einer Derivatekategorie gehören, die der Handelspflicht unterliegt, abschließen, sofern der Kontrakt eine unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkung in der Union hat oder diese Pflicht erforderlich oder angemessen ist, um eine Umgehung von Bestimmungen dieser Verordnung zu vermeiden. Die ESMA überwacht regelmäßig den Handel mit Derivaten, die nicht der Handelspflicht gemäß Absatz 1 unterliegen, um Fälle zu erkennen, in denen eine bestimmte Kategorie von Kontrakten ein Systemrisiko darstellen könnte, und um eine Aufsichtsarbitrage zwischen Geschäften mit Derivaten, die der Handelspflicht unterliegen, und solchen, die nicht der Handelspflicht unterliegen, zu verhindern. (3) Der Handelspflicht unterliegende Derivate gemäß Absatz 1 können zum Handel an einem geregelten Markt oder an einem der in Absatz 1 genannten Handelsplätze zugelassen oder dort gehandelt werden, wenn dies auf nichtausschließlicher und nichtdiskriminierender Basis erfolgt. (4) Die Kommission kann nach dem in Artikel 51 Absatz 2 genannten Prüfverfahren Beschlüsse erlassen, durch die festgestellt wird, dass der Rechts- und Aufsichtsrahmen eines Drittlands gewährleistet, dass ein in diesem Drittland zugelassener Handelsplatz rechtsverbindliche Anforderungen erfüllt, die mit den Anforderungen für die in Absatz 1 Buchstaben a, b oder c dieses Artikels genannten Handelsplätzen, die sich aus dieser Richtlinie, der Richtlinie 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 ergeben, gleichwertig sind und einer wirksamen Beaufsichtigung und Durchsetzung in dem Drittland unterliegen. Bei diesen Beschlüssen geht es allein um die Anerkennungsfähigkeit als Handelsplatz für Derivate, die der Handelspflicht unterliegen. Der Rechts- und Aufsichtsrahmen eines Drittlands wird als gleichwertig betrachtet, wenn dieser Rahmen sämtliche nachstehend genannten Bedingungen erfüllt: a) die Handelsplätze unterliegen in diesem Drittland einer Zulassungspflicht und sind Gegenstand einer wirksamen und kontinuierlichen Beaufsichtigung und Durchsetzung; b) die Handelsplätze verfügen über eindeutige und transparente Regeln für die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel, so dass solche Finanzinstrumente fair, ordnungsgemäß und effizient gehandelt werden können und frei handelbar sind; c) die Emittenten von Finanzinstrumenten kommen regelmäßig und kontinuierlich Informationspflichten nach, die ein hohes Maß an Anlegerschutz gewährleisten; d) Transparenz und Integrität des Marktes sind durch Vorschriften, mit denen gegen Marktmissbrauch in Form von Insider-Geschäften und Marktmanipulation vorgegangen wird, gewährleistet. Der gemäß diesem Absatz von der Kommission gefasste Beschluss kann auf eine Kategorie oder Kategorien von Handelsplätzen beschränkt sein. In diesem Fall fällt ein Drittlandhandelsplatz nur dann unter Absatz 1 Buchstabe d, wenn er einer Kategorie angehört, die von dem Beschluss der Kommission abgedeckt wird. (5) Um eine kohärente Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA Entwürfe technischer Regulierungsstandards, in denen Kategorien von in Absatz 2 genannten Kontrakten festgelegt werden, die eine unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkung in der Union zeitigen, sowie die Fälle, in denen eine Handelspflicht erforderlich oder angemessen ist, um eine Umgehung von Bestimmungen dieser Verordnung zu vermeiden. Die ESMA legt diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards der Kommission bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die technischen Regulierungsstandards im Sinne von Unterabsatz 1 gemäß dem in den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/ 2010 festgelegten Verfahren zu erlassen. Die Entwürfe technischer Regulierungsstandards im Sinne dieses Absatzes entsprechen so weit wie möglich und angemessen den gemäß Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 648/ 2012 angenommenen Standards.

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7. Teil. Organisationsregeln Artikel 29 – Clearingpflicht für über geregelte Märkte gehandelte Derivate und Zeitrahmen für die Annahme zum Clearing (1) Der Betreiber eines geregelten Marktes stellt sicher, dass sämtliche über diesen geregelten Markt abgeschlossenen Geschäfte mit Derivaten von einer zentralen Gegenpartei gecleart werden. (2) Zentrale Gegenparteien, Handelsplätze und Wertpapierfirmen, die im Einklang mit Artikel 2 Absatz 14 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 als Clearingmitglieder auftreten, müssen in Bezug auf geclearte Derivate über wirksame Systeme, Verfahren und Vorkehrungen verfügen, durch die gewährleistet wird, dass Geschäfte mit geclearten Derivaten so schnell wie mit automatisierten Systemen technisch möglich zum Clearing eingereicht und angenommen werden. Für die Zwecke dieses Absatzes bezeichnet „geclearte Derivate“ a) sämtliche Derivate, die aufgrund der Clearingpflicht gemäß Absatz 1 dieses Artikels oder aufgrund der Clearingpflicht gemäß Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 zu clearen sind, b) sämtliche Derivate, für deren Clearing von den relevanten Parteien eine sonstige Regelung vereinbart wurde. (3) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards mit Mindestanforderungen an die in diesem Artikel genannten Systeme, Verfahren und Vorkehrungen einschließlich des Zeitrahmens für die Annahme aus, wobei sie berücksichtigt, dass ein angemessenes Management der operativen und sonstigen Risiken sicherzustellen ist. Die ESMA ist jederzeit befugt, weitere technische Regulierungsstandards zu auszuarbeiten und die geltenden zu aktualisieren, wenn sie der Ansicht ist, dass dies angesichts der sich weiterentwickelnden Branchenstandards notwendig ist. Die ESMA legt der Kommission bis zum 3. Juli 2015 die in Unterabsatz 1 genannten Entwürfe technischer Regulierungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in den Unterabsätzen 1 und 2 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß dem in den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 festgelegten Verfahren zu erlassen. Artikel 30 – Indirekte Clearingvereinbarungen (1) Indirekte Clearingvereinbarungen für börsengehandelte Derivate sind zulässig, sofern durch diese Vereinbarungen das Risiko der Gegenpartei nicht steigt und sichergestellt ist, dass die Vermögenswerte und Positionen der Gegenpartei ebenso geschützt sind wie im Falle der Schutzvorkehrungen nach den Artikeln 39 und 48 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012. (2) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, in denen festgelegt wird, welche Arten von Vereinbarungen über indirekte Clearingdienste gegebenenfalls die in Absatz 1 genannten Bedingungen erfüllen, wobei Kohärenz mit den in Kapitel II der delegierten Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission festgelegten Bestimmungen für OTC-Derivate sicherzustellen ist. Die ESMA legt der Kommission bis zum 3. Juli 2015 diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in diesem Absatz genannten technischen Regulierungsstandards gemäß dem in den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 festgelegten Verfahren zu erlassen. Artikel 31 – Portfoliokomprimierung (1) Wertpapierfirmen und Marktbetreiber, die eine Portfoliokomprimierung durchführen, unterliegen nicht der Pflicht zur bestmöglichen Ausführung nach Artikel 27 der Richtlinie 2014/65/EU, den Transparenzpflichten nach den Artikeln 8, 10, 18 und 21 dieser Verordnung und der Pflicht nach Artikel 1 Absatz 6 der Richtlinie 2014/65/EU. Die Auflösung oder die Ersetzung von verbundenen Derivaten im Rahmen der Portfoliokomprimierung unterliegt nicht Artikel 28. (2) Wertpapierfirmen und Marktbetreiber, die eine Portfoliokomprimierung durchführen, veröffentlichen über ein APA den Umfang der Geschäfte, die Gegenstand von Portfoliokompri-

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur mierungen sind, sowie den Zeitpunkt ihrer Abschlüsse innerhalb der in Artikel 10 genannten Fristen. (3) Wertpapierfirmen und Marktbetreiber, die Portfoliokomprimierungen durchführen, führen vollständige und genaue Aufzeichnungen über sämtliche Portfoliokomprimierungen, die sie organisieren oder an denen sie teilnehmen. Diese Aufzeichnungen sind der zuständigen Behörde oder der ESMA auf Antrag umgehend zur Verfügung zu stellen. (4) Die Kommission kann Maßnahmen in Form delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 50 erlassen, in denen Folgendes festgelegt wird: a) die Elemente der Portfoliokomprimierung, b) die nach Absatz 2 zu veröffentlichenden Informationen in einer Weise, durch die bestehende Anforderungen in Bezug auf Aufzeichnungen, Meldungen oder Veröffentlichungen soweit wie möglich genutzt werden. Artikel 32 – Verfahren bei einer Handelspflicht (1) Die ESMA erarbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards, in denen Folgendes präzisiert wird: a) welche Derivatekategorien, die der Clearingpflicht im Sinne von Artikel 5 Absätze 2 und 4 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 oder entsprechender daraus folgender Bestimmungen unterliegen, ausschließlich auf den in Artikel 28 Absatz 1 dieser Verordnung genannten Handelsplätzen gehandelt werden sollen; b) Zeitpunkt oder Zeitpunkte, ab dem bzw. denen die Handelspflicht wirksam wird, einschließlich einer stufenweisen Einführung und der Kategorien von Gegenparteien, für die die Pflicht gilt, sofern eine solche stufenweise Einführung und solche Kategorien von Gegenparteien in den technischen Regulierungsstandards nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 vorgesehen sind. Die ESMA übermittelt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards binnen sechs Monaten nach Annahme der technischen Regulierungsstandards im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 durch die Kommission. Vor der Übermittlung der Entwürfe technischer Regulierungsstandards zwecks Annahme durch die Kommission führt die ESMA eine öffentliche Anhörung durch und kann sich gegebenenfalls mit den zuständigen Drittlandbehörden ins Benehmen setzen. Die Kommission wird ermächtigt, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards nach den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu verabschieden. (2) Damit die Handelspflicht wirksam wird, a) muss die Derivatekategorie gemäß Absatz 1 Buchstabe a bzw. eine entsprechende Unterkategorie zum Handel an zumindest einem Handelsplatz im Sinne von Artikel 28 Absatz 1 zugelassen sein bzw. dort gehandelt werden und b) muss ein ausreichendes Kauf- und Verkaufsinteresse Dritter in Bezug auf diese Derivatekategorie bzw. eine entsprechende Unterkategorie vorliegen, damit diese Derivatekategorie als ausreichend liquide angesehen wird, um allein auf den in Artikel 28 Absatz 1 genannten Handelsplätzen gehandelt zu werden. (3) Bei der Entwicklung von Entwürfen technischer Regulierungsstandards im Sinne von Absatz 1 stuft die ESMA die Derivatekategorie bzw. eine entsprechende Unterkategorie anhand folgender Kriterien als ausreichend liquide ein: a) Durchschnittsfrequenz und -volumen der Abschlüsse bei einer bestimmten Bandbreite von Marktbedingungen unter Berücksichtigung der Art und des Lebenszyklus von Produkten innerhalb der Derivatekategorie; b) Zahl und Art der aktiven Marktteilnehmer, einschließlich des Verhältnisses Marktteilnehmer zu auf einem bestimmten Produktemarkt gehandelten Produkten/Kontrakten; c) durchschnittlicher Spread. Bei der Ausarbeitung dieser Entwürfe für technische Regulierungsstandards trägt die ESMA den voraussichtlichen Auswirkungen dieser Handelspflicht auf die Liquidität einer Derivatekategorie bzw. einer entsprechenden Unterkategorie und auf die Geschäftstätigkeit der Endnutzer, bei denen es sich nicht um Finanzunternehmen handelt, Rechnung.

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7. Teil. Organisationsregeln Die ESMA legt fest, ob die Derivatekategorie bzw. eine entsprechende Unterkategorie nur bei Geschäften unterhalb eines gewissen Umfangs ausreichend liquide ist. (4) Die ESMA ermittelt aus eigener Initiative im Sinne der in Absatz 2 genannten Kriterien und nach Durchführung einer öffentlichen Anhörung die Derivatekategorien oder einzelne Derivatkontrakte, die der Handelspflicht auf den in Artikel 28 Absatz 1 genannten Handelsplätzen unterliegen sollten, für die aber bislang keine zentrale Gegenpartei eine Genehmigung nach Artikel 14 oder 15 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 erhalten hat bzw. die nicht zum Handel auf einem der in Artikel 28 Absatz 1 genannten Handelsplätze zugelassen sind oder dort gehandelt werden, und teilt dies der Kommission mit. Nach der Meldung nach Unterabsatz 1 durch die ESMA kann die Kommission eine Ausschreibung zur Vorlage von Vorschlägen für den Handel mit diesen Derivaten auf den in Artikel 28 Absatz 1 genannten Handelsplätzen veröffentlichen. (5) Die ESMA übermittelt der Kommission gemäß Absatz 1 neue Entwürfe technischer Regulierungsstandards, um die bestehenden technischen Regulierungsstandards zu ändern, auszusetzen oder zu widerrufen, sollten sich die in Absatz 2 genannten Kriterien wesentlich ändern. Vor einer solchen Maßnahme kann die ESMA gegebenenfalls die zuständigen Behörden von Drittländern konsultieren. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in diesem Absatz genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. (6) Die ESMA erarbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards, in denen die in Absatz 2 Buchstabe b genannten Kriterien festgelegt werden. Die Entwürfe dieser technischen Regulierungsstandards legt die ESMA der Kommission bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die technischen Regulierungsstandards im Sinne von Unterabsatz 1 gemäß dem in den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/ 2010 festgelegten Verfahren zu erlassen. Artikel 33 – Mechanismus zur Vermeidung doppelter oder kollidierender Vorschriften (1) Die Kommission wird von der ESMA bei der Überwachung der internationalen Anwendung der in den Artikeln 28 und 29 festgelegten Grundsätze, insbesondere in Bezug auf etwaige doppelte oder kollidierende Anforderungen an die Marktteilnehmer, und bei der mindestens einmal jährlich erfolgenden Erstellung einschlägiger Berichte an das Europäische Parlament und den Rat unterstützt, und sie empfiehlt mögliche Maßnahmen. (2) Die Kommission kann Durchführungsrechtsakte erlassen, in denen sie erklärt, dass die Rechts-, Aufsichts- und Durchsetzungsmechanismen eines Drittlands a) den durch die Artikel 28 und 29 festgelegten Anforderungen gleichwertig sind, b) einen Schutz des Berufsgeheimnisses gewährleisten, der dem dieser Verordnung gleichwertig ist, c) wirksam angewandt und auf faire und den Wettbewerb nicht verzerrende Weise durchgesetzt werden, damit eine funktionierende Aufsicht und Rechtsdurchsetzung in diesem Drittstaat gewährleistet ist. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß Artikel 51 erlassen. (3) Ein Durchführungsrechtsakt über die Gleichwertigkeit gemäß Absatz 2 bewirkt, dass die in den Artikeln 28 und 29 vorgesehenen Pflichten der Gegenparteien, die ein Geschäft im Rahmen dieser Verordnung abschließen, nur dann als erfüllt gelten, wenn mindestens eine der Gegenparteien in dem betreffenden Drittland niedergelassen ist und die Gegenparteien die Rechts-, Aufsichts- und Durchsetzungsmechanismen dieses Drittlandes befolgen. (4) Die Kommission überwacht in Zusammenarbeit mit der ESMA die wirksame Umsetzung der Anforderungen, die den in den Artikeln 28 und 29 festgelegten Anforderungen gleichwertig sind, durch die Drittländer, für die ein Durchführungsrechtsakt über die Gleichwertigkeit erlassen worden ist, und erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat regelmäßig und mindestens einmal jährlich Bericht.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur Sofern aus diesem Bericht hervorgeht, dass ein erheblicher Fehler oder erhebliche Inkohärenz bei der Umsetzung der Gleichwertigkeitsanforderungen durch Drittstaatsbehörden vorliegt, kann die Kommission innerhalb von 30 Kalendertagen nach Vorlage des Berichts die Anerkennung der Gleichwertigkeit des betreffenden Rechtsrahmens des Drittstaats zurücknehmen. Wird ein Durchführungsrechtsakt über die Gleichwertigkeit zurückgenommen, so unterliegen die Geschäfte der Gegenparteien automatisch wieder allen in Artikel 28 und 29 vorgesehenen Anforderungen dieser Verordnung. Artikel 34 – Verzeichnis von der Handelspflicht unterliegenden Derivaten Die ESMA veröffentlicht und aktualisiert auf ihrer Website ein Verzeichnis, in dem in erschöpfender und eindeutiger Weise die Derivate aufgelistet werden, die der Handelspflicht an den in Artikel 28 Absatz 1 genannten Handelsplätzen unterliegen, sowie die Handelsplätze, an denen sie zum Handel zugelassen sind bzw. gehandelt werden, und den Zeitpunkt, ab dem die Handelspflicht wirksam wird.

1. Regelungshintergrund. Im Gesamtsystem des nach der globalen Finanzkrise neu 180 eingeführten Regulierungsrahmens für die Derivatemärkte bilden die in Titel V MiFIR geregelten Anforderungen an den Derivatehandel über Handelsplätze die – keineswegs unkontrovers aufgenommene529 – zweite Säule, welche die Regelungen der EMIR zur Clearing-Pflicht für OTC-Derivate (dazu Grundmann 6. Teil Rn 703, unten Rn 183 ff.) sowie zur Einführung zentraler Transaktionsregister (dazu unten Rn 196.) ergänzt. Schon die zeitliche Abfolge der Verabschiedung der maßgeblichen Rechtsakte (MiFIR: 2014, EMIR: 2012) weist die einschlägigen Bestimmungen der MiFIR als Abschluss des Regulierungsprogramms insoweit aus.530 Beide Regelungskomplexe sollen Systemrisiken verringern, indem sie zur Verlagerung von OTC-Geschäften auf regulierte Handelsplätze mit belastbaren Mechanismen zur Risikominierung zwingen und zugleich die Transparenz der Derivatemärkte erhöhen. Dass damit zugleich die Systemrelevanz der Handels- und Nachhandelsinfrastruktur erhöht wird, wurde in Kauf genommen und ist bislang nur unzureichend gelöst (siehe bereits oben Rn 20). Auf internationaler Ebene wurde diese Entwicklung maßgeblich durch den G-20-Gipfel in Pittsburgh 2009 vorbereitet und dann durch den Gipfel von Toronto 2011 weiterentwickelt. Schon die Gipfelerklärung von 2009 formulierte das Ziel, den Handel mit allen standardisierten OTC-Derivaten bis 2012 auf Börsen und elektronische Handelssysteme zu verlagern und über zentrale Kontrahenten abwickeln zu lassen sowie außerbörslich abgeschlossene Derivatgeschäfte in zentralen Transaktionsregistern zu erfassen;531 diese Ziele wurden in Toronto 2011 nochmals bekräftigt und die Entwicklung entsprechender Standards angekündigt,532 die insbeson-

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Zur Kritik während der Verhandlungen Stegeman/Berket in Busch/Ferrarini, Regulation of the EU FInancial Markets, Rn 15.07; Vorbehalte gegenüber der Einführung der Handelspflicht auch bei CESR, Technical Advice to the European Commission in the Context of the MiFID Review – Standardisation and Organised Platform Trading of OTC Derivatives, 2010 (CESR/10–1096), S. 12. Dazu und zum Folgenden Stegeman/Berket in Busch/Ferrarini, Regulation of EU Financial Markets, Rn 15.01; Awrey EBOR 11 (2010), 155 (178 ff.); Cecchetti/Gyntelberg/

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Hollanders BIS Quarterly Review Sept. 2009, 45 ff.; Ferrarini/Saguato JCLS 13 (2013), 319 (326 ff.); Laucius EBLR 2014, 681 ff.; siehe auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 573 ff., 622 f.; Hartenfels ZHR 178 (2014), 173 (180 f.). Erklärung der Staats- und Regierungschefs: Gipfeltreffen in Pittsburgh, 24./25.9.2009, Tz 13. G-20, Gipfeltreffen in Toronto: Erklärung, 26./27.6.2010, Tz 25.

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7. Teil. Organisationsregeln

dere von der IOSCO533 und vom FSB534 ausgearbeitet wurden. Im Europäischen Unionsrecht ist die Umsetzung dieser Vorarbeiten eingebettet in umfassend angelegte Maßnahmen zur Eindämmung von Systemrisiken durch die Finanzmarktinfrastruktur allgemein,535 die ebenfalls zunehmende Bemühungen um eine Verbesserung des Regulierungsrahmens für die einzelnen Bereiche der Handels- und Nachhandelsinfrastruktur auf der Ebene der internationalen Standardsetzung reflektieren (siehe auch bereits oben Rn 20).536 Die einschlägigen Bestimmungen der MiFIR sind dabei von vornherein im Interesse größtmöglicher Konsistenz eng mit den bereits zuvor in Kraft getretenen Vorgaben der EMIR abgestimmt worden,537 was sich bereits in den zahlreichen Verweisungen auf EMIR-Vorschriften äußert. Systematisch stehen die Regelungen in den Artt. 28 ff. MiFIR insofern zwischen transaktionsbezogenen und institutionell-organisatorischen Pflichten, als hier transaktionsbezogene Vorgaben mit ablauforganisatorischen Anforderungen verbunden werden. 2. Regelungsinhalte (Überblick)

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a) Anwendungsbereich der Handelspflicht. Die für die oben genannten Regelungszwecke zentrale Vorschrift innerhalb des Titels V MiFIR ist die in Art. 28 Abs. 1 der Verordnung geregelte Pflicht zum Geschäftsabschluss über geregelte Märkte, MTF, OTF oder von der Kommission nach Art. 28 Abs. 4 MiFIR als gleichwertig anerkannte Handelsplätze („Handelspflicht“). Es wird davon ausgegangen, dass sich gerade die durch die MiFID II neu eingeführte Kategorie der OTF als geeignet für die Aufnahme des Derivatehandels erweisen wird.538 In persönlicher Hinsicht verweist die Bestimmung auf die in der EMIR erfassten Kategorien: Der Handelspflicht unterliegen zunächst die in Art. 2 Abs. 8 EMIR zusammengefassten finanziellen Gegenparteien (neben Wertpapierfirmen, Kreditinstituten und Versicherungsfirmen weitere regulierte Intermediäre; näher Grundmann 6. Teil Rn 688 f.), aber auch nicht-finanzielle Gegenparteien, welche die in Art. 10 Abs. 1 lit. b EMIR aufgeführten Bedingungen erfüllen, d.h. die dort festgelegten Schwellenwerte überschreiten (näher Grundmann 6. Teil Rn 690 und Rn 727–730).539 Ausgenommen sind jedoch gruppeninterne Geschäfte (Art. 28 Abs. 1 MiFIR i.V.m. Art. 3 EMIR, dazu Grundmann 6. Teil Rn 694–696) sowie Geschäfte, die unter die Übergangsbestimmungen nach Art. 89 EMIR fallen.540 Weitere, hier nicht im Detail darzustellende Ausnahmeregelungen gelten nach Art. 31 MiFIR für Derivate im Rahmen von Portfoliokomprimierungen i.S.d.

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Siehe insbes. Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Report on Trading of OTC Derivatives, 2011, passim; dass., Follow-On Analysis to the Report on Trading of OTC Derivatives, 2012. FSB, Implementing OTC Derivatives Markets Reforms, 2010; siehe zur weiteren Entwicklung die jährlich vom FSB veröffentlichten „Progress Reports“, abrufbar unter http://www.fsb.org/what-we-do/policydevelopment/otc-derivatives/. Dazu z.B. Expert Group in Market Infrastructures (EGMI), Report, 10.10.2011; Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, 2001; dies., Second Report on

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EU Clearing and Settlement Arrangements, 2003. Siehe insbes. Committee on Payment and Settlement Systems/Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Principles for financial market infrastructures, 2012. Siehe Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 623. Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 624. Näher Stegeman/Berket in Busch/Ferrarini, Regulation of the EU Financial Markets, Rn 15.13. Zu beidem Stegeman/Berket in Busch/Ferrarini, Regulation of the EU Financial Markets, Rn 15.15 f.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

Art. 2 Abs. 1 Nr. 47 MiFIR, bei denen Gegenparteien die zwischen ihnen abgeschlossenen Derivategeschäfte zur Vereinfachung ihrer Rechtsbeziehungen sowie zur Risikoverringerung in einem einzigen Derivat zusammenführen.541 Ebenso wie die EMIR gehen auch die einschlägigen Vorgaben nach der MiFIR nicht von einem unmittelbaren Zugang der Parteien der jeweiligen Derivategeschäfte zu den Handelsplätzen aus. Vielmehr sind nach Art. 30 Abs. 1 MiFIR indirekte Clearingvereinbarungen ausreichend, wenn entsprechende Schutzvorkehrungen, insbesondere hinsichtlich der Organisation der direkten Clearingteilnehmer, ein vergleichbares Schutzniveau für die jeweiligen Gegenparteien sicherstellen wie die in Artt. 39 und 48 EMIR geregelten Pflichten (siehe zu Art. 39 Grundmann 6. Teil Rn 759–763; zu Art. 48 EMIR unten Rn 194).542 Die zur Konkretisierung dieser Anforderungen in Art. 30 Abs. 2 MiFIR vorgesehenen Technischen Regulierungsstandards sind bislang noch nicht verabschiedet. In sachlicher Hinsicht werden die vom Anwendungsbereich der Handelspflicht erfass- 182 ten Derivate in der Verordnung selbst nicht abschließend definiert. Auch hier – im Ausgangspunkt ähnlich wie bei der Clearingpflicht nach Art. 4 i.V.m. Art. 5 EMIR (vgl. Grundmann 6. Teil Rn 708) bleibt die Ausgestaltung des sachlichen Anwendungsbereichs vielmehr Technischen Regulierungsstandards überlassen, die nach Art. 32 von der ESMA zu erarbeiten und bislang noch nicht erlassen worden sind.543 Die Festlegung hat dabei auch insoweit an die Clearingpflicht nach der EMIR anzuknüpfen, als die Auswahl derjenigen Derivategeschäfte, die der Handelspflicht unterworfen werden sollen, von vornherein auf solche Geschäfte beschränkt ist, die bereits im Verfahren nach Art. 5 EMIR als clearingpflichtig bestimmt worden sind (vgl. Art. 32 Abs. 1 lit. a MiFIR). In den Technischen Regulierungsstandards ist auch festzulegen, ab wann die Handelspflicht gelten soll (Art. 32 Abs. 1 lit. b MiFIR). Als Voraussetzung für das Eingreifen der Handelspflicht muss die entsprechende Derivatekategorie gem. Art. 32 Abs. 2 lit. a MiFIR zumindest an einem der in Art. 28 Abs. 1 MiFIR genannten Handelsplätze zugelassen sein bzw. gehandelt werden und muss darüber hinaus gem. lit. b der Vorschrift ein ausreichendes Kauf- und Verkaufsinteresse Dritter hinreichende Liquidität sichern; dies wird nach Maßgabe des Abs. 6 der Vorschrift in Technischen Regulierungsstandards weiter konkretisiert.544 Die Kriterien für die Feststellung ausreichender Liquidität werden in Art. 32 Abs. 3 MiFIR näher definiert. Die Festlegung der erfassten Derivate soll damit vorrangig an der bereits etablierten Marktpraxis ansetzen („bottom-up“).545 Nach Art. 32 Abs. 4 MiFIR soll die ESMA allerdings darüber hinaus auch aus eigener Initiative ermitteln, welche noch nicht zum Handel an einem der in Art. 28 Abs. 1 MiFIR genannten Handelsplätze zugelassenen Kategorien von Derivaten ebenfalls der Handelspflicht unterworfen werden sollten. Auf dieser Basis soll dann die Kommission eine Ausschreibung zur Vorlage von Vorschlägen für den Handel mit die-

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Näher Stegeman/Berket in Busch/Ferrarini, Regulation of the EU Financial Markets, Rn 15.105 ff. Dazu eingehend Stegeman/Berket in Busch/ Ferrarini, Regulation of the EU Financial Markets, Rn 15.76 ff. Zur Entwurfsfassung: ESMA, Discussion Paper: The trading obligation for derivatives under MiFIR, 20.09.2016 (ESMA/2016/1389). Delegierte Verordnung (EU) 2016/2020 der Kommission vom 26.05.2016 zur Ergänzung

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der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für Kriterien zur Entscheidung über die Auferlegung der Handelspflicht für der Clearingpflicht unterliegende Derivate, ABlEU Nr. L 313/2 vom 19.11.2016. Näher Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 624 f.; Stegeman/ Berket in Busch/Ferrarini, Regulation of the EU Financial Markets, Rn 15.18 ff.

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7. Teil. Organisationsregeln

sen Derivaten veröffentlichen („top down“).546 Die der Handelspflicht unterliegenden Derivate sind von der ESMA in einem Register zu erfassen und im Internet zu veröffentlichen (Art. 34 MiFIR).

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b) Clearingpflicht für börsengehandelte Derivate. Art. 29 MiFIR ergänzt die Regelungen um eine Clearingpflicht für an geregelten Märkten gehandelte Derivate und stellt damit die Gleichbehandlung von standardisierten OTC-Derivaten, die der Clearingpflicht nach EMIR unterliegen, und börsengehandelten Derivaten sicher.547 Im Zusammenhang damit steht die in Art. 29 Abs. 2 MiFIR geregelte Verpflichtung für Zentrale Gegenparteien, Handelsplätze und Wertpapierdienstleistungsunternehmen, für die technisch schnellstmögliche Abwicklung der Geschäfte zu sorgen („straight-through-processing“), die wiederum durch Technische Regulierungsstandards weiter ausgestaltet wird.548

VIII. Zugang zu Clearingsystemen und Handelsplätzen (Titel VI MiFIR – Überblick) Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Text von Bedeutung für den EWR

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TITEL VI DISKRIMINIERUNGSFREIER ZUGANG ZUM CLEARING FÜR FINANZINSTRUMENTE Artikel 35 – Diskriminierungsfreier Zugang zu einer zentralen Gegenpartei (1) Unbeschadet Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 übernimmt eine zentrale Gegenpartei das Clearen von Finanzinstrumenten auf nichtdiskriminierender und transparenter Basis, einschließlich der Anforderungen für Sicherheiten und mit dem Zugang verbundener Gebühren und unabhängig vom Handelsplatz, auf dem das Geschäft ausgeführt wird. Damit wird insbesondere sichergestellt, dass ein Handelsplatz in Bezug auf Folgendes das Recht auf nichtdiskriminierende Behandlung der auf diesem Handelsplatz gehandelten Kontrakte hat: a) Anforderungen für Sicherheiten und das Netting wirtschaftlich gleichwertiger Kontrakte, sofern die Glattstellung oder sonstige Aufrechnungsverfahren einer zentralen Gegenpartei aufgrund des geltenden Insolvenzrechts durch die Einbeziehung solcher Kontrakte nicht unterbrochen oder gestört, ungültig oder in Bezug auf ihre Durchsetzbarkeit beeinträchtigt werden, und b) das Cross-Margining mit korrelierten Kontrakten, die im Rahmen eines Risikomodells gemäß Artikel 41 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 von derselben zentralen Gegenpartei gecleart werden. 546

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Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 625; Stegeman/Berket in Busch/Ferrarini, Regulation of the EU Financial Markets, Rn 15.25. Vgl. Erwägungsgrund 37 MiFIR; dazu näher Stegeman/Berket in Busch/Ferrarini, Regulation of the EU Financial Markets, Rn 15.32 ff.; Gomber/Nassauer ZBB 2014, 250 (256). Delegierte Verordnung (EU) 2017/582 der Kommission vom 29.06.2016 zur Ergänzung

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der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der Clearingpflicht für über geregelte Märkte gehandelte Derivate und Zeitrahmen für die Annahme zum Clearing, ABlEU Nr. L 87/224 vom 31.03.2017; dazu eingehend Stegeman/Berket in Busch/Ferrarini, Regulation of the EU Financial Markets, Rn 15.49 ff.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur Eine zentrale Gegenpartei kann verlangen, dass der Handelsplatz den von ihr festgelegten operationellen und technischen Anforderungen, einschließlich derjenigen für das Risikomanagement, genügt. Die Anforderung nach diesem Absatz gilt nicht für Derivatkontrakte, die bereits den Zugangsverpflichtungen gemäß Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 unterliegen. Eine zentrale Gegenpartei ist durch diesen Artikel nicht gebunden, wenn sie durch enge Beziehungen mit einem Handelsplatz verbunden ist, der eine Mitteilung nach Artikel 36 Absatz 5 übermittelt hat. (2) Der Antrag eines Handelsplatzes auf Zugang zu einer zentralen Gegenpartei ist der zentralen Gegenpartei, der für sie zuständigen Behörde und der zuständigen Behörde des Handelsplatzes förmlich zu übermitteln. In dem Antrag ist anzugeben, zu welchen Arten von Finanzinstrumenten Zugang beantragt wird. (3) Die zentrale Gegenpartei antwortet dem Handelsplatz schriftlich, im Falle von übertragbaren Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten binnen drei Monaten und im Falle von börsengehandelten Derivaten binnen sechs Monaten, und gestattet den Zugang unter der Voraussetzung, dass eine der zuständigen Behörden ihn nach Absatz 4 gewährt hat, oder untersagt ihn. Die zentrale Gegenpartei kann einen Antrag auf Zugang nur unter den in Absatz 6 Buchstabe a genannten Bedingungen ablehnen. Untersagt eine zentrale Gegenpartei den Zugang, muss sie dies in ihrer Antwort ausführlich begründen und die zuständige Behörde schriftlich über ihren Beschluss unterrichten. Haben der Handelsplatz und die zentrale Gegenpartei ihren Sitz in unterschiedlichen Mitgliedstaaten, so übermittelt die zentrale Gegenpartei die entsprechende Mitteilung und die Begründung auch an die für den Handelsplatz zuständige Behörde. Die zentrale Gegenpartei ermöglicht den Zugang drei Monate nach Übermittlung einer positiven Antwort auf den Zugangsantrag. (4) Die für eine zentrale Gegenpartei zuständige Behörde oder die für einen Handelsplatz zuständige Behörde gewährt einem Handelsplatz den Zugang zu einer zentralen Gegenpartei nur, wenn ein solcher Zugang a) bei Derivaten, bei denen es sich nicht um OTC-Derivate im Sinne von Artikel 2 Nummer 7 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 handelt, keine Interoperabilitätsvereinbarung erforderlich machen würde oder b) weder das reibungslose und ordnungsgemäße Funktionieren der Märkte, insbesondere durch Fragmentierung der Liquidität, gefährden noch Systemrisiken verstärken würde. Unterabsatz 1 Buchstabe a steht der Gewährung des Zugangs nicht entgegen, wenn ein Antrag nach Absatz 2 Interoperabilität erforderlich macht und der Handelsplatz und alle zentralen Gegenparteien, die Vertragsparteien der vorgesehenen Interoperabilitätsvereinbarung sind, dieser Vereinbarung zugestimmt haben und die Risiken, denen die betreffende zentrale Gegenpartei aufgrund von Positionen zwischen den zentralen Gegenparteien ausgesetzt ist, von einer dritten Partei abgesichert werden. Ist das Erfordernis einer Interoperabilitätsvereinbarung der Grund oder einer der Gründe, aus dem oder denen ein Antrag abgelehnt wird, so setzt der Handelsplatz die zentrale Gegenpartei davon in Kenntnis und informiert die ESMA darüber, welche anderen zentralen Gegenparteien Zugang zu diesem Handelsplatz haben; die ESMA veröffentlicht diese Angaben, sodass Wertpapierfirmen sich dafür entscheiden können, ihre Rechte nach Artikel 37 der Richtlinie 2014/65/EU hinsichtlich dieser anderen zentralen Gegenparteien auszuüben, um alternative Zugangsvereinbarungen zu erleichtern. Verweigert eine zuständige Behörde den Zugang, so muss sie ihren Beschluss innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des in Absatz 2 genannten Antrags fassen und ihn gegenüber der anderen zuständigen Behörde, der zentralen Gegenpartei und dem Handelsplatz klar begründen sowie die Nachweise beibringen, auf deren Grundlage der Beschluss gefasst wurde. (5) Bei handelbaren Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten kann eine neu gegründete zentrale Gegenpartei, die nach Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 als CCP im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 zum Clearing zugelassen wurde oder die nach Artikel 25 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 anerkannt wurde oder die im Rahmen eines zuvor bestehenden nationalen Zulassungssystems am 2. Juli 2014 für einen Zeitraum von

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7. Teil. Organisationsregeln weniger als drei Jahren zugelassen ist, vor dem 3. Januar 2017 bei der für sie zuständigen Behörde beantragen, von der Übergangsregelung Gebrauch zu machen. Die zuständige Behörde kann entscheiden, dass dieser Artikel in Bezug auf handelbare Wertpapiere und Geldmarktinstrumente für einen Übergangszeitraum bis zum 3. Juli 2019 auf die zentrale Gegenpartei keine Anwendung findet. Wird ein solcher Übergangszeitraum genehmigt, so kann die zentrale Gegenpartei für handelbare Wertpapiere und Geldmarktinstrumente die Zugangsrechte nach Artikel 36 oder diesem Artikel während der Dauer der Übergangsregelung nicht in Anspruch nehmen. Die zuständige Behörde benachrichtigt die Kollegiumsmitglieder der für die zentrale Gegenpartei und die ESMA zuständigen Behörden, wenn ein Übergangszeitraum genehmigt wurde. Die ESMA veröffentlicht eine Liste der bei ihr eingegangenen Benachrichtigungen. Ist eine zentrale Gegenpartei, für die eine Übergangsregelung nach diesem Absatz genehmigt wurde, durch enge Beziehungen mit einem oder mehreren Handelsplätzen verbunden, so können diese für handelbare Wertpapiere und Geldmarktinstrumente die Zugangsrechte nach Artikel 36 oder nach diesem Artikel während der Dauer der Übergangsregelung nicht in Anspruch nehmen. Eine zentrale Gegenpartei, die während des Dreijahreszeitraums vor Inkrafttreten zugelassen ist, die jedoch durch eine Fusion oder Übernahme entstanden ist, an der mindestens eine vor diesem Zeitraum zugelassene zentrale Gegenpartei beteiligt war, darf keine Übergangsregelung nach diesem Absatz beantragen. (6) Die ESMA erarbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards, in denen Folgendes festgelegt wird: a) die konkreten Bedingungen, unter denen eine zentrale Gegenpartei einen Antrag auf Zugang verweigern kann, einschließlich des voraussichtlichen Geschäftsvolumens, der Zahl und Art der Nutzer, der Regelungen für die Steuerung von operativem Risiko und operativer Komplexität sowie anderer erhebliche unangemessene Risiken schaffender Faktoren, b) die Bedingungen, unter denen von einer zentralen Gegenpartei Zugang gewährt wird, einschließlich Vertraulichkeit der Informationen, die für Finanzinstrumente während der Entwicklungsphase zur Verfügung gestellt werden, die nichtdiskriminierende und transparente Basis der Clearing-Gebühren, Anforderungen an die Besicherung und operationelle Anforderungen im Hinblick auf das „Einschussverfahren“ (Margining), c) die Bedingungen, unter denen eine Zugangsgewährung das reibungslose und ordnungsgemäße Funktionieren der Märkte gefährden oder Systemrisiken verstärken würde, d) das Mitteilungsverfahren nach Absatz 5, e) Die Bedingungen für eine nichtdiskriminierende Behandlung der an dem betreffenden Handelsplatz gehandelten Kontrakte in Bezug auf die Anforderungen für Sicherheiten und das Netting wirtschaftlich gleichwertiger Kontrakte und das Cross-Margining mit korrelierten Kontrakten, die von derselben zentralen Gegenpartei gecleart werden. Die ESMA legt diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 der Kommission vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 36 – Diskriminierungsfreier Zugang zu einem Handelsplatz (1) Unbeschadet des Artikels 8 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 kann ein Handelsplatz Handelsdaten, auch zu Zugangsgebühren, auf nichtdiskriminierender und transparenter Basis bereitstellen, wenn eine nach der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 zugelassene oder anerkannte zentrale Gegenpartei, die an diesem Handelsplatz abgeschlossene Geschäfte mit Finanzinstrumenten zu clearen gedenkt, dies beantragt. Diese Anforderung gilt nicht für Derivatkontrakte, die bereits den Zugangsverpflichtungen gemäß Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 unterliegen. Ein Handelsplatz ist durch diesen Artikel nicht gebunden, wenn er durch enge Beziehungen mit einer zentralen Gegenpartei verbunden ist, die mitgeteilt hat, dass sie von der Übergangsregelung nach Artikel 35 Absatz 5 Gebrauch macht.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur (2) Der Antrag einer zentralen Gegenpartei auf Zugang zu einem Handelsplatz ist dem Handelsplatz, der für diesen Handelsplatz zuständigen Behörde und der zuständigen Behörde der zentralen Gegenpartei förmlich zu übermitteln. (3) Der Handelsplatz antwortet der zentralen Gegenpartei schriftlich – im Falle von übertragbaren Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten binnen drei Monaten und im Falle von börsengehandelten Derivaten binnen sechs Monaten – und gestattet den Zugang unter der Voraussetzung, dass die jeweils zuständige Behörde ihn nach Absatz 4 gewährt hat, oder untersagt ihn. Der Handelsplatz kann den Zugang nur unter den in Absatz 6 Buchstabe a genannten Bedingungen verweigern. Bei einer Untersagung des Zugangs muss der Handelsplatz dies in seiner Antwort ausführlich begründen und die zuständige Behörde schriftlich über seinen Beschluss unterrichten. Haben die zentrale Gegenpartei und der Handelsplatz ihren Sitz in unterschiedlichen Mitgliedstaaten, so übermittelt der Handelsplatz die entsprechende Mitteilung und die Begründung auch an die für die zentrale Gegenpartei zuständige Behörde. Der Handelsplatz ermöglicht den Zugang drei Monate nach der Übermittlung einer positiven Antwort auf den Zugangsantrag. (4) Die für einen Handelsplatz zuständige Behörde oder die für eine zentrale Gegenpartei zuständige Behörde gewähren einer zentralen Gegenpartei den Zugang zu einem Handelsplatz nur, wenn ein solcher Zugang a) bei Derivaten, bei denen es sich nicht um OTC-Derivate im Sinne von Artikel 2 Nummer 7 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 handelt, keine Interoperabilitätsvereinbarung erforderlich machen oder b) weder das reibungslose und ordnungsgemäße Funktionieren der Märkte, insbesondere durch Fragmentierung der Liquidität gefährden noch Systemrisiken verstärken würde. Unterabsatz 1 Buchstabe a steht der Gewährung des Zugangs nicht entgegen, wenn ein Antrag nach Absatz 2 Interoperabilität erforderlich macht und der Handelsplatz und alle zentralen Gegenparteien, die Vertragsparteien der vorgesehenen Interoperabilitätsvereinbarung sind, dieser Vereinbarung zugestimmt haben und die Risiken, denen die betreffende zentrale Gegenpartei aufgrund von Positionen zwischen den zentralen Gegenparteien ausgesetzt ist, von einer dritten Partei abgesichert werden. Ist das Erfordernis einer Interoperabilitätsvereinbarung der Grund oder einer der Gründe, aus dem oder denen ein Antrag abgelehnt wird, so setzt der Handelsplatz die zentrale Gegenpartei davon in Kenntnis und informiert die ESMA darüber, welche anderen zentralen Gegenparteien Zugang zu diesem Handelsplatz haben; die ESMA veröffentlicht diese Angaben, sodass Wertpapierfirmen sich dafür entscheiden können, ihre Rechte nach Artikel 37 der Richtlinie 2014/65/EU hinsichtlich dieser anderen zentralen Gegenparteien auszuüben, um alternative Zugangsvereinbarungen zu erleichtern. Verweigert eine zuständige Behörde den Zugang, muss sie ihren Beschluss innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des in Absatz 2 genannten Antrags fassen und ihn gegenüber der anderen zuständigen Behörde, dem Handelsplatz und der zentralen Gegenpartei klar begründen sowie die Nachweise beibringen, auf deren Grundlage der Beschluss gefasst wurde. (5) Im Falle börsengehandelter Derivate kann ein Handelsplatz, der im Kalenderjahr vor Inkrafttreten dieser Verordnung den betreffenden Schwellenwert unterschreitet, der ESMA und der für ihn zuständigen Behörde vor Inkrafttreten dieser Verordnung mitteilen, dass er während eines Zeitraums von 30 Monaten ab Beginn der Anwendung dieser Verordnung in Bezug auf von diesem Schwellenwert erfasste börsengehandelte Derivate durch diesen Artikel nicht gebunden sein möchte. Ein Handelsplatz, der den betreffenden Schwellenwert in jedem Jahr des betreffenden 30-monatigen Zeitraums oder späterer 30-monatiger Zeiträume unterschreitet, kann der ESMA und der für ihn zuständigen Behörde am Ende des jeweiligen Zeitraums mitteilen, dass er wünscht, für weitere 30 Monate nicht durch diesen Artikel gebunden zu sein. Im Falle einer solchen Mitteilung kann der Handelsplatz die Zugangsrechte nach Artikel 35 oder nach diesem Artikel für von dem betreffenden Schwellenwert erfasste börsengehandelte Derivate während der Dauer der Nichtbeteiligung nicht in Anspruch nehmen. Die ESMA veröffentlicht eine Liste der bei ihr eingegangenen Mitteilungen.

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7. Teil. Organisationsregeln Der betreffende Schwellenwert für die Nichtbeteiligung ist ein Nominalbetrag des jährlichen Handelsvolumens von 1 000 000 Mio. EUR. Der Nominalbetrag wird in Einfachzählung ermittelt und umfasst alle nach den Regelungen des Handelsplatzes getätigten Geschäfte mit börsengehandelten Derivaten. Ist ein Handelsplatz Teil einer durch enge Beziehungen verbundenen Gruppe, so wird der Schwellenwert berechnet, indem der Nominalbetrag des jährlichen Handelsvolumens der gesamten in der Union gelegenen Handelsplätze der Gruppe addiert wird. Ist ein Handelsplatz, der eine Mitteilung nach diesem Absatz übermittelt hat, durch enge Beziehungen mit einer oder mehreren zentralen Gegenparteien verbunden, so können diese die Zugangsrechte nach Artikel 35 oder nach diesem Artikel für von dem betreffenden Schwellenwert erfasste börsengehandelte Derivate während der Dauer der Nichtbeteiligung nicht in Anspruch nehmen. (6) Die ESMA erarbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards, in denen Folgendes festgelegt wird: a) die konkreten Bedingungen, unter denen ein Handelsplatz einen Antrag auf Zugang verweigern kann, einschließlich der Bedingungen auf der Grundlage des voraussichtlichen Geschäftsvolumens, der Zahl und Art der Nutzer, der Regelungen für die Steuerung von operativem Risiko und operativer Komplexität sowie anderer erhebliche unangemessene Risiken schaffender Faktoren, b) die Bedingungen, unter denen der Zugang gewährt wird, einschließlich Vertraulichkeit der Informationen, die für Finanzinstrumente während der Entwicklungsphase zur Verfügung gestellt werden, und die nichtdiskriminierende und transparente Basis der Zugangsgebühren, c) die Bedingungen, unter denen die Zugangsgewährung das reibungslose und ordnungsgemäße Funktionieren der Märkte gefährden oder die Systemrisiken verstärken würde, d) das Verfahren für eine Mitteilung nach Absatz 5 einschließlich weiterer Spezifikationen für die Berechnung des Nominalbetrags und die Methode, nach der die ESMA die Berechnung der Handelsvolumina überprüfen und die Nichtbeteiligung genehmigen kann. Die ESMA legt diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 der Kommission vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die technischen Regulierungsstandards im Sinne von Unterabsatz 1 gemäß dem in den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/ 2010 festgelegten Verfahren zu erlassen. Artikel 37 – Diskriminierungsfreier Zugang zu Referenzwerten und Genehmigungspflicht (1) Wird der Wert eines Finanzinstruments unter Bezugnahme auf einen Referenzwert berechnet, sorgt eine über Eigentumsrechte an diesem Referenzwert verfügende Person dafür, dass zentralen Gegenparteien und Handelsplätzen für Handels- und Clearingzwecke ein diskriminierungsfreier Zugang gewährt wird zu a) einschlägigen Kurs- und Handelsdaten sowie Angaben zur Zusammensetzung, zur Methode und zur Kursbildung dieser Referenzwert für Clearing- und Handelszwecke und b) Lizenzen. Eine Lizenz, die den Zugang zu Informationen einschließt, wird zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen binnen drei Monaten nach dem Antrag einer zentralen Gegenpartei oder eines Handelsplatzes gewährt. Die Gewährung des Zugangs erfolgt zu einem angemessenen handelsüblichen Preis unter Berücksichtigung des Preises, zu dem einer anderen zentralen Gegenpartei, einem anderen Handelsplatz oder einer damit verbundenen Person zu Clearing- und Handelszwecken der Zugang zum Referenzwert gewährt wird, und zu denselben Bedingungen, zu denen die Rechte an geistigem Eigentum genehmigt werden. Von unterschiedlichen zentralen Gegenparteien, Handelsplätzen oder damit verbundenen Personen dürfen nur dann unterschiedliche Preise verlangt werden, wenn dies aus vertretbaren kommerziellen Gründen, wie etwa der gewünschten Menge oder des gewünschten Geltungs- oder Anwendungsbereichs, objektiv gerechtfertigt ist. (2) Wenn nach dem 3. Januar 2017 ein neuer Referenzwert eingeführt wird, wird die Lizensierungspflicht spätestens 30 Monate nach Beginn des Handels mit einem Finanzinstrument, auf

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur das sich der Referenzwert bezieht, oder nach dessen Zulassung zum Handel wirksam. Ist eine über Eigentumsrechte an einem neuen Referenzwert verfügende Person Eigentümer eines bereits bestehenden Referenzwerts, so weist diese Person nach, dass der neue Referenzwert im Vergleich zu einem entsprechenden bestehenden Referenzwert folgende Kriterien kumulativ erfüllt: a) Der neue Referenzwert ist keine bloße Kopie oder Anpassung eines entsprechenden bestehenden Referenzwerts, und die Methode des neuen Referenzwerts, einschließlich der zugrunde liegenden Daten, unterscheidet sich in wesentlicher Hinsicht von einem entsprechenden bestehenden Referenzwert und b) der neue Referenzwert ist kein Ersatz für einen entsprechenden bestehenden Referenzwert. Die Anwendung geltender Wettbewerbsvorschriften insbesondere der Artikel 101 und 102 AEUV bleibt von diesem Absatz unberührt. (3) Keine zentrale Gegenpartei, kein Handelsplatz bzw. keine verbundene Einheit darf mit dem Erbringer eines Referenzwerts eine Vereinbarung treffen, die folgende Auswirkungen zeitigen würde: a) Hinderung einer anderen zentralen Gegenpartei bzw. eines anderen Handelsplatzes am Zugang zu den in Absatz 1 genannten Informationen oder Rechten oder b) Hinderung einer anderen zentralen Gegenpartei bzw. eines anderen Handelsplatzes am Zugang zu der in Absatz 1 genannten Lizenz. (4) Die ESMA erarbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards, um Folgendes festzulegen: a) die Informationen, die nach Absatz 1 Buchstabe a aufgrund einer Lizensierung zur ausschließlichen Nutzung durch die zentrale Gegenpartei oder den Handelsplatz zur Verfügung zu stellen sind, b) weitere Bedingungen, unter denen der Zugang gewährt wird, einschließlich der Vertraulichkeit der übermittelten Informationen, c) Die Standards, die Anhaltspunkte dafür liefern, wie nachgewiesen werden kann, dass ein Referenzwert gemäß Absatz 2 Buchstaben a und b neu ist. Die ESMA legt diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 der Kommission vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 38 – Zugang für in einem Drittland niedergelassene zentrale Gegenparteien und Handelsplätze (1) Ein in einem Drittland niedergelassener Handelsplatz kann den Zugang zu einer in der Union ansässigen zentralen Gegenpartei nur dann beantragen, wenn die Kommission im Hinblick auf dieses Drittland einen Beschluss nach Artikel 28 Absatz 4 gefasst hat. Eine in einem Drittland niedergelassene zentrale Gegenpartei kann den Zugang zu einem Handelsplatz mit Sitz in der Union beantragen, wenn sie nach Artikel 25 der Verordnung (EG) Nr. 648/2012 anerkannt wurde. In einem Drittland niedergelassenen zentralen Gegenparteien und Handelsplätzen werden die Zugangsrechte nach den Artikeln 35 und 36 nur gewährt, wenn die Kommission mit einem Beschluss nach Absatz 3 entschieden hat, dass das im Rechts- und Aufsichtsrahmen des Drittlands vorgesehene System als wirksames, gleichwertiges System gelten kann, was die Zulassung von nach ausländischem Recht zugelassenen zentralen Gegenparteien und Handelsplätzen für den Zugang zu in diesem Drittland niedergelassenen zentralen Gegenparteien und Handelsplätzen betrifft. (2) In einem Drittland niedergelassene zentrale Gegenparteien und Handelsplätze können die Lizenz und den Zugang nach Artikel 37 nur beantragen, wenn die Kommission mit einem Beschluss nach Absatz 3 dieses Artikels entschieden hat, dass im Rechts- und Aufsichtsrahmen des Drittlands ein wirksames, gleichwertiges Genehmigungssystem vorgesehen ist, in dessen Rahmen zentrale Gegenparteien und Handelsplätze, die nach den rechtlichen Bestimmungen des Drittlands für den Zugang zugelassen sind, zu fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen Zugang gewährt wird zu

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7. Teil. Organisationsregeln a) einschlägigen Kurs- und Handelsdaten sowie Angaben zur Zusammensetzung, zur Methode und zur Kursbildung von Referenzwerten für Clearing- und Handelszwecke und b) Lizenzen von in dem Drittland niedergelassenen Personen mit Eigentumsrechten an Referenzwerten. (3) Die Kommission kann nach dem in Artikel 51 genannten Prüfverfahren Beschlüsse erlassen, durch die festgestellt wird, dass durch den Rechts- und Aufsichtsrahmen eines Drittlands sichergestellt ist, dass ein in diesem Drittland zugelassener Handelsplatz oder eine in diesem Drittland zugelassene zentrale Gegenpartei rechtsverbindliche Anforderungen erfüllt, die den Anforderungen nach Absatz 2 dieses Artikels gleichwertig sind und einer wirksamen Beaufsichtigung und Durchsetzung in dem Drittland unterliegen. Der Rechts- und Aufsichtsrahmen eines Drittlandes wird als gleichwertig betrachtet, wenn dieser Rahmen sämtliche nachstehend genannten Bedingungen erfüllt: a) Die Handelsplätze in diesem Drittland unterliegen einer Zulassungspflicht und sind Gegenstand einer wirksamen und kontinuierlichen Beaufsichtigung und Durchsetzung, b) es ist ein wirksames, gleichwertiges Genehmigungssystem für zentrale Gegenparteien und Handelsplätze vorgesehen, die nach den rechtlichen Bestimmungen eines Drittlandes den Zugang zu in diesem Drittland niedergelassenen zentralen Gegenparteien und Handelsplätzen beantragen können, c) im Rechts- und Aufsichtsrahmen des Drittlandes ist ein wirksames, gleichwertiges Genehmigungssystem vorgesehen, in dessen Rahmen zentrale Gegenparteien und Handelsplätzen, die nach den rechtlichen Bestimmungen des Drittlands für den Zugang zugelassen sind, zu fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen Zugang gewährt wird zu i) einschlägigen Kurs- und Handelsdaten sowie Angaben zur Zusammensetzung, zur Methode und zur Kursbildung von Referenzwerten für Clearing- und Handelszwecke und ii) Lizenzen von in dem Drittland niedergelassenen Personen mit Eigentumsrechten an Referenzwerten.

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1. Überblick. Die Regelungen zum Zugang zu zentralen Gegenparteien für Handelsplätze sowie zum Zugang zu Handelsplätzen für zentrale Gegenparteien in Art. 35 bzw. Art. 36 MiFIR treten neben die spezielleren Parallelvorschriften in Artt. 7 und 8 EMIR (dazu Grundmann 6. Teil Rn 718 f.) und gestalten die Schnittstelle zwischen Handels- und Nachhandelsinfrastruktur. Erfasst ist das Clearing von Finanzinstrumenten aller Art, soweit nicht die spezielleren Regelungen der EMIR eingreifen.549 Ergänzend werden in Art. 37 MiFIR – im Folgenden nicht näher kommentierte – Zugangsrechte zu Referenzwerten eingeräumt. Handelsplätze und zentrale Gegenparteien aus Drittstaaten können diese Rechte nach Maßgabe des Art. 38 MiFIR ausüben, wenn der betreffende Staat durch die Kommission als gleichwertig anerkannt wurde. Auch diese Regelungen spiegeln Bemühungen um eine globale Vereinheitlichung der Regulierungsstandards für die Finanzmarktinfrastruktur auf der Ebene der internationalen Standardsetzung wider (siehe schon oben Rn 180), die die Notwendigkeit verlässlicher Anforderungen an den Zugang zur Handelsinfrastruktur als Bestandteil der Voraussetzungen für sichere und belastbare Marktstrukturen insgesamt besonders betont hat.550

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2. Zugang zu zentralen Gegenparteien (Art. 35 MiFIR). Nach Art. 35 Abs. 1 MiFIR müssen zentrale Gegenparteien, sofern sie dazu nicht bereits nach Art. 7 EMIR verpflichtet sind, Handelsplätzen einen diskriminierungsfreien Zugang zum Clearing von Finanzin549

Dazu und zum Folgenden Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 506 ff.; siehe auch Gomber/Nassauer ZBB 2014, 250 (256).

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Dazu Committee on Payment and Settlement Systems/Technical Committee of the International Organisation of Securities Commissions, Principles for financial market infrastructures, 2012, S. 101 ff.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

strumenten bieten; unzulässig ist insbesondere die Diskriminierung im Hinblick auf Anforderungen an Sicherheiten und das Netting von Derivaten (UAbs. 1). Im Gegenzug kann die zentrale Gegenpartei verlangen, dass der jeweilige Handelsplatz den von ihr festgelegten operationellen und technischen Anforderungen genügt (UAbs. 2). Ausnahmen für die Pflicht zur Einräumung eines diskriminierungsfreien Zugangs gelten für bei Inkraftreten der MiFIR bereits bestehende Kooperationen zentraler Gegenparteien mit bestimmten Handelsplätzen, bei denen das jährliche Nominalvolumen 1.000.000 Mio. Euro nicht übersteigt (Einzelheiten: Art. 35 Abs. 1 UAbs. 3 i.V.m. Art. 36 Abs. 5 MiFIR). Die Einräumung des Zugangs zum Clearing ist dabei nicht allein privatrechtlich ausgestaltet; die Verordnung unterscheidet vielmehr – konzeptionell wenig überzeugend – zwischen der „Gestattung“ des Zugangs durch die zentrale Gegenpartei (Art. 35 Abs. 3 MiFIR) einerseits und der „Gewährung“ des Zugangs durch die zuständige Behörde (Art. 35 Abs. 4 MiFIR) andererseits, welche nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift Voraussetzung für die Gestattung ist. Der zentralen Gegenpartei selbst verbleibt damit von vornherein nur begrenzter Entscheidungsspielraum; praktisch wird sie die „Gestattung“ nur verweigern können, wenn der jeweilige Handelsplatz nicht die Voraussetzungen in technischer Hinsicht erfüllt. Neu gegründete zentrale Gegenparteien können übergangsweise eine Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen (Einzelheiten: Art. 35 Abs. 5 MiFIR). Die Voraussetzungen für die Gewährung und Verweigerung des Zugangs werden nach Maßgabe des Art. 36 Abs. 6 MiFIR durch Technische Regulierungsstandards weiter konkretisiert, die als Delegierte VO (EU) Nr. 2017/581 verabschiedet worden sind.551 3. Zugang zu Handelsplätzen (Art. 36 MiFIR). Spiegelbildlich zur Zugangsregelung 186a für zentrale Gegenparteien regelt Art. 36 MiFIR die Vernetzung zwischen diesen und Handelsplätzen. Auch hier ist setzt der Zugang eine Gestattung (durch den Handelsplatz, Abs. 1 und 3) sowie die von der zuständigen Behörde zu erteilende Genehmigung voraus, die unter der Voraussetzung technischer Kompatibilität gewährt wird (Einzelheiten: Art. 36 Abs. 4 MiFIR sowie Artt. 5 ff. Delegierte VO (EU) Nr. 2017/581).552

B. Nachhandelsinfrastruktur I. Institutionell-organisatorischer Rahmen für das Derivateclearing (Titel III-IX EMIR – Überblick) Schrifttum: siehe auch Schrifttum 6. Teil vor Rn 654. Gregory Central Counterparties, 2014; Jobst Börslicher und außerbörslicher Derivatehandel mittels zentraler Gegenpartei, ZBB 2010, 384; Murphy OTC Derivatives – Bilateral Trading and Central Clearing, 2013; Norman The Risk Controllers: Central Counterparty Clearing in Globalised Financial Markets, 2011; Redeke Zur Corporate Governance zentraler Gegenparteien (Central Counterparties, CCPs), WM 2015, 554; Turing Clearing and Settlement in Europe, 2. Aufl. 2016

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Artt. 1 ff. Delegierte Verordnung (EU) 2017/ 581 der Kommission vom 24.06.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/ 2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für den Clearing-Zugang im Zusam-

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menhang mit Handelsplätzen und zentralen Gegenparteien, ABlEU Nr. L 87/212 vom 31.03.2017. Näher Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 508 f.; siehe auch Gomber/Nassauer ZBB 2014, 250 (256).

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7. Teil. Organisationsregeln

Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister 1. Zulassungspflicht, allgemeines Aufsichtsrecht (Titel III EMIR – Überblick)

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Kapitel 1 Bedingungen und Verfahren für die Zulassung einer CCP Artikel 14 – Zulassung einer CCP (1) Eine in der Union niedergelassene juristische Person, die als CCP Clearingdienstleistungen erbringen will, beantragt ihre Zulassung bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem sie niedergelassen ist (für die CCP zuständige Behörde), gemäß dem Verfahren nach Artikel 17. (2) Sobald die Zulassung im Einklang mit Artikel 17 erteilt ist, gilt sie für das gesamte Gebiet der Union. (3) Die in Absatz 1 genannte Zulassung wird der CCP nur für mit dem Clearing verbundene Tätigkeiten erteilt; darin ist angegeben, welche Dienstleistungen und Tätigkeiten die CCP erbringen bzw. ausüben darf und welche Kategorien von Finanzinstrumenten von dieser Zulassung abgedeckt sind. (4) Eine zentrale Gegenpartei muss zu jedem Zeitpunkt die für die Zulassung erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Eine zentrale Gegenpartei unterrichtet die zuständige Behörde unverzüglich über alle wesentlichen Änderungen der für die Zulassung erforderlichen Voraussetzungen. (5) Eine Zulassung nach Absatz 1 hindert einen Mitgliedstaat nicht daran, zusätzliche Anforderungen bezüglich der in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen CCPs, einschließlich bestimmter Zulassungsanforderungen gemäß der Richtlinie 2006/48/EG, zu erlassen oder weiter anzuwenden. Artikel 15 – Ausweitung der Tätigkeiten und Dienstleistungen (1) Beabsichtigt eine CCP, ihre Geschäfte auf weitere Dienstleistungen oder Tätigkeiten auszuweiten, die nicht durch die Erstzulassung abgedeckt sind, stellt sie einen Erweiterungsantrag bei der für sie zuständigen Behörde. Das Anbieten von Clearingdienstleistungen, für die die CCP noch keine Zulassung besitzt, ist als Ausweitung der von der Zulassung abgedeckten Tätigkeiten zu betrachten. Die Erweiterung einer Zulassung erfolgt nach dem Verfahren des Artikels 17. (2) Beabsichtigt eine CCP, ihre Geschäftstätigkeit auf einen anderen Mitgliedstaat als den, in dem sie niedergelassen ist, auszudehnen, teilt die für sie zuständige Behörde dies unverzüglich der zuständigen Behörde des anderen Mitgliedstaats mit. Artikel 16 – Eigenkapitalanforderungen (1) Um eine Zulassung nach Artikel 14 zu erhalten, muss eine CCP über ein ständiges und verfügbares Anfangskapital in Höhe von mindestens 7,5 Mio. EUR verfügen. (2) Das Eigenkapital einer CCP einschließlich der Gewinnrücklagen und sonstigen Rücklagen muss im Verhältnis zu dem Risiko stehen, das sich aus ihren Tätigkeiten ergibt. Es muss zu jedem Zeitpunkt ausreichen, um eine geordnete Abwicklung oder Restrukturierung der Geschäftstätigkeiten über einen angemessenen Zeitraum zu ermöglichen und einen ausreichenden Schutz der CCP vor Kredit-, Gegenpartei-, Markt-, Betriebs-, Rechts- und Geschäftsrisiken zu gewährleisten, sofern diese nicht bereits durch besondere Finanzmittel gemäß den Artikeln 41 bis 44 gedeckt sind. (3) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die EBA in enger Zusammenarbeit mit dem ESZB und nach Anhörung der ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen die Anforderungen hinsichtlich Eigenkapital, Gewinnrücklagen und sonstige Rücklagen einer CCP gemäß Absatz 2 näher bestimmt werden.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur Die EBA legt der Kommission bis zum 30. September 2012 diese Entwürfe für entsprechende technische Regulierungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zu erlassen. Artikel 17 – Verfahren zur Erteilung oder Verweigerung der Zulassung (1) Die antragstellende CCP beantragt ihre Zulassung bei der zuständigen Behörde in dem Mitgliedstaat, in dem sie niedergelassen ist. (2) Die antragstellende CCP liefert sämtliche Informationen, um der zuständigen Behörde hinreichend nachzuweisen, dass die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Zulassung alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, um den Anforderungen dieser Verordnung zu genügen. Die zuständige Behörde übermittelt umgehend alle von der antragstellenden CCP erhaltenen Informationen an die ESMA und das in Artikel 18 Absatz 1 genannte Kollegium. (3) Die zuständige Behörde prüft binnen 30 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags, ob dieser vollständig ist. Ist der Antrag unvollständig, setzt sie der antragstellenden CCP eine Frist, bis zu der diese zusätzlichen Informationen vorlegen muss. Stellt die zuständige Behörde fest, dass der Antrag vollständig ist, informiert sie die Antragstellerin, die Mitglieder des nach Artikel 18 Absatz 1 eingesetzten Kollegiums sowie die ESMA darüber. (4) Die zuständige Behörde erteilt die Zulassung nur dann, wenn ihr hinreichend nachgewiesen wurde, dass die antragstellende CCP allen Anforderungen dieser Verordnung genügt und dass die CCP als System im Sinne der Richtlinie 98/26/EG gemeldet ist. Die zuständige Behörde trägt der gemäß Artikel 19 erarbeiteten Stellungnahme des Kollegiums gebührend Rechnung. Folgt die für die CCP zuständige Behörde der befürwortenden Stellungnahme des Kollegiums nicht, so muss ihre Entscheidung mit einer ausführlichen Begründung und einer Erläuterung etwaiger erheblicher Abweichungen von dieser befürwortenden Stellungnahme versehen sein. Die CCP wird dann nicht zugelassen, wenn alle Mitglieder des Kollegiums – mit Ausnahme der Behörden des Mitgliedstaats, in dem die CCP niedergelassen ist – gemäß Artikel 19 Absatz 1 im gegenseitigen Einvernehmen zu einer gemeinsamen Stellungnahme gelangen, der zufolge der CCP keine Zulassung erteilt werden sollte. In dieser Stellungnahme wird schriftlich vollständig und detailliert begründet, warum nach Auffassung des Kollegiums die Anforderungen dieser Verordnung oder anderer Bereiche des Unionsrechts nicht erfüllt sind. Ist keine gemeinsame Stellungnahme im gegenseitigen Einvernehmen nach Unterabsatz 3 erreicht worden und gibt das Kollegium mit einer Zweidrittelmehrheit eine ablehnende Stellungnahme ab, so kann jede der betroffenen zuständigen Behörden, gestützt auf die Zweidrittelmehrheit des Kollegiums, innerhalb von 30 Kalendertagen nach Annahme der ablehnenden Stellungnahme im Einklang mit Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 die ESMA in der Sache anrufen. In der Entscheidung, die ESMA in der Sache anzurufen, ist ausführlich schriftlich zu begründen, warum die jeweiligen Mitglieder des Kollegiums zu der Auffassung gelangt sind, dass die Anforderungen dieser Verordnung oder anderer Bereiche des Unionsrechts nicht erfüllt sind. In diesem Fall stellt die für die CCP zuständige Behörde ihre Entscheidung über die Zulassung zurück, bis die ESMA in Einklang mit Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 einen Beschluss über die Zulassung gefasst hat. Die zuständige Behörde trifft dann im Einklang mit dem Beschluss der ESMA ihre Entscheidung. Nach Ablauf der in Unterabsatz 4 genannten Frist von 30 Kalendertagen kann die ESMA in der Sache nicht mehr angerufen werden. Gelangen alle Mitglieder des Kollegiums – mit Ausnahme der Behörden des Mitgliedstaats, in dem die CCP niedergelassen ist – gemäß Artikel 19 Absatz 1 in gegenseitigem Einvernehmen zu einer gemeinsamen Stellungnahme, der zufolge der betreffenden CCP keine Zulassung erteilt werden sollte, kann die für die CCP zuständige Behörde im Einklang mit Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 die ESMA in der Sache anrufen.

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7. Teil. Organisationsregeln Die zuständige Behörde in dem Mitgliedstaat, in dem die CCP niedergelassen ist, übermittelt die Entscheidung den anderen betroffenen zuständigen Behörden. (5) Die ESMA wird gemäß Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 tätig, wenn die für die CCP zuständige Behörde diese Verordnung nicht angewandt hat oder so angewandt hat, dass ein Verstoß gegen Unionsrecht vorzuliegen scheint. Die ESMA kann auf Ersuchen eines Mitglieds des Kollegiums oder von Amts wegen nach Unterrichtung der zuständigen Behörde eine angebliche Verletzung oder Nichtanwendung des Unionsrechts untersuchen. (6) Bei den im Rahmen dieser Aufgaben getroffenen Maßnahmen eines Mitglieds des Kollegiums darf ein Mitgliedstaat oder eine Gruppe von Mitgliedstaaten als Ausgangspunkt für die Erbringung von Clearingdiensten in jeglicher Währung nicht direkt oder indirekt diskriminiert werden. (7) Binnen sechs Monaten nach Einreichung eines vollständigen Antrags teilt die zuständige Behörde der antragstellenden CCP schriftlich mit ausführlicher Begründung mit, ob die Zulassung erteilt oder verweigert wurde. Artikel 18 – Kollegium (1) Binnen 30 Kalendertagen nach Vorlage eines vollständigen Antrags gemäß Artikel 17 richtet die für die CCP zuständige Behörde ein Kollegium ein und übernimmt dessen Management und Vorsitz, um die Durchführung der in den Artikeln 15, 17, 49, 51 und 54 genannten Aufgaben zu erleichtern. (2) Dem Kollegium gehören an: a) die ESMA; b) die für die CCP zuständige Behörde; c) die zuständigen Behörden, die verantwortlich sind für die Beaufsichtigung der Clearingmitglieder der CCP, die in den drei Mitgliedstaaten niedergelassen sind, die auf der aggregierten Basis eines Einjahreszeitraums die höchsten Beiträge in den gemäß Artikel 42 von der CCP unterhaltenen Ausfallfonds einzahlen; d) die zuständigen Behörden, die für die Beaufsichtigung der von der CCP bedienten Handelsplätze verantwortlich sind; e) die zuständigen Behörden, die die CCPs beaufsichtigen, mit denen Interoperabilitätsvereinbarungen geschlossen wurden; f) die zuständigen Behörden, die zentrale Wertpapierverwahrstellen beaufsichtigen, mit denen die CCP verbunden ist; g) die für die Überwachung der CCP jeweils verantwortlichen Mitglieder des ESZB und die Mitglieder des ESZB, die für die Überwachung von CCPs verantwortlich sind, mit denen Interoperabilitätsvereinbarungen geschlossen wurden; h) die Zentralbanken, die die wichtigsten Unionswährungen der abgerechneten Finanzinstrumente emittieren. (3) Die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, die nicht dem Kollegium angehört, kann vom Kollegium jedwede Auskunft verlangen, die sie für die Ausübung ihrer Aufsichtspflichten benötigt. (4) Das Kollegium nimmt – unbeschadet der Verantwortlichkeiten zuständiger Behörden im Rahmen dieser Verordnung – folgende Aufgaben wahr: a) Ausarbeitung der Stellungnahme gemäß Artikel 19; b) Informationsaustausch, einschließlich Informationsersuchen, gemäß Artikel 84; c) Einigung über die freiwillige Übertragung von Aufgaben unter seinen Mitgliedern; d) Koordinierung von aufsichtlichen Prüfungsprogrammen auf der Grundlage einer Risikobewertung der CCP, und e) Festlegung von Verfahren und Notfallplänen für Krisensituationen gemäß Artikel 24. (5) Grundlage für die Einrichtung und die Arbeitsweise des Kollegiums ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen allen Mitgliedern des Kollegiums. In der Vereinbarung werden die praktischen Modalitäten der Arbeitsweise des Kollegiums einschließlich einer detaillierten Regelung für die Abstimmungsverfahren nach Artikel 19 Absatz 3

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur und gegebenenfalls die Aufgaben festgelegt, die der für die CCP zuständigen Behörde oder einem anderen Kollegiumsmitglied übertragen werden sollen. (6) Um die einheitliche und kohärente Arbeitsweise der Kollegien in der gesamten Union sicherzustellen, erarbeitet die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen die Bedingungen, anhand deren entschieden wird, welche die wichtigsten Unionswährungen im Sinne des Absatzes 2 Buchstabe h sind, und die praktischen Modalitäten im Sinne des Absatzes 5 näher bestimmt werden. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 19 – Stellungnahme des Kollegiums (1) Binnen vier Monaten nach Vorlage eines vollständigen Antrags durch die CCP gemäß Artikel 17 führt die für die CCP zuständige Behörde eine Risikobewertung der CCP durch und legt dem Kollegium einen Bericht vor. Das Kollegium erarbeitet binnen 30 Kalendertagen nach Erhalt des Berichts und gestützt auf die darin gewonnenen Erkenntnisse eine gemeinsame Stellungnahme, in welcher es feststellt, ob die CCP alle Anforderungen dieser Verordnung erfüllt. Unbeschadet des Artikels 17 Absatz 4 Unterabsatz 4 verabschiedet das Kollegium, wenn keine gemeinsame Stellungnahme gemäß Unterabsatz 2 erarbeitet wurde, innerhalb dieser Frist eine Stellungnahme mit Stimmenmehrheit. (2) Die ESMA wirkt im Rahmen ihrer allgemeinen Koordinatorfunktion gemäß Artikel 31 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 auf die Annahme einer gemeinsamen Stellungnahme hin. (3) Eine Stellungnahme mit Stimmenmehrheit des Kollegiums wird mit einfacher Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder verabschiedet. In Kollegien mit bis zu 12 Mitgliedern sind höchstens zwei Kollegiumsmitglieder aus demselben Mitgliedstaat stimmberechtigt, und jedes stimmberechtigte Mitglied hat eine Stimme. In Kollegien mit mehr als 12 Mitgliedern sind höchstens drei Mitglieder aus demselben Mitgliedstaat stimmberechtigt, und jedes stimmberechtigte Mitglied hat eine Stimme. Die ESMA hat bei der Verabschiedung der Stellungnahmen des Kollegiums kein Stimmrecht. Artikel 20 – Entzug der Zulassung (1) Unbeschadet des Artikels 22 Absatz 3 entzieht die für die CCP zuständige Behörde die Zulassung, wenn diese a) während eines Zeitraums von zwölf Monaten von der Zulassung keinen Gebrauch gemacht, ausdrücklich auf die Zulassung verzichtet oder in den vorangegangenen sechs Monaten keine Dienstleistungen erbracht bzw. keine Tätigkeiten ausgeübt hat; b) die Zulassung aufgrund falscher Angaben oder auf andere rechtswidrige Weise erhalten hat; c) nicht mehr die Voraussetzungen erfüllt, aufgrund deren die Zulassung erteilt wurde, und die von der für die CCP zuständigen Behörde geforderten Abhilfemaßnahmen innerhalb der gesetzten Frist nicht ergriffen hat; d) in schwerwiegender Weise und systematisch gegen eine Anforderungen dieser Verordnung verstoßen hat. (2) Ist die für die CCP zuständige Behörde der Auffassung, dass einer der in Absatz 1 genannten Sachverhalte gegeben ist, meldet sie dies innerhalb von fünf Arbeitstagen der ESMA und den Mitgliedern des Kollegiums. (3) Die für die CCP zuständige Behörde konsultiert die Mitglieder des Kollegiums zur Notwendigkeit eines Entzugs der Zulassung einer CCP, es sei denn, eine Entscheidung ist dringend geboten. (4) Jedes Mitglied des Kollegiums kann die für die CCP zuständige Behörde jederzeit ersuchen, zu prüfen, ob diese nach wie vor die Voraussetzungen erfüllt, aufgrund deren die Zulassung erteilt wurde.

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7. Teil. Organisationsregeln (5) Die für die CCP zuständige Behörde kann den Entzug der Zulassung auf eine bestimmte Dienstleistung, eine bestimmte Tätigkeit oder eine bestimmte Kategorie von Finanzinstrumenten beschränken. (6) Die für die CCP zuständige Behörde übermittelt der ESMA und den Mitgliedern des Kollegiums ihre ausführlich begründete Entscheidung, in der die Vorbehalte der Mitglieder des Kollegiums berücksichtigt werden. (7) Die Entscheidung über den Entzug der Zulassung gilt in der gesamten Union. Artikel 21 – Überprüfung und Bewertung (1) Unbeschadet der Rolle des Kollegiums überprüfen die in Artikel 22 genannten zuständigen Behörden die Regelungen, Strategien, Prozesse und Mechanismen, die von CCPs angewandt werden, um dieser Verordnung nachzukommen, und bewertet die Risiken, denen diese ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können. (2) Die Überprüfung und Bewertung nach Absatz 1 bezieht sich auf alle Anforderungen dieser Verordnung, die CCP zu erfüllen haben. (3) Die zuständigen Behörden legen unter Berücksichtigung der Größe, der Systemrelevanz, der Art, des Umfangs und der Komplexität der Tätigkeiten der betroffenen CCPs Häufigkeit und Umfang der Überprüfung und Bewertung nach Absatz 1 fest. Die Überprüfung und die Bewertung werden mindestens einmal jährlich aktualisiert. Bei den CCPs werden Prüfungen vor Ort durchgeführt. (4) Die zuständigen Behörden unterrichten das Kollegium regelmäßig, mindestens aber einmal jährlich, über die Ergebnisse der Überprüfung und Bewertung nach Absatz 1, einschließlich etwaiger getroffener Abhilfemaßnahmen oder auferlegter Sanktionen. (5) Die zuständigen Behörden fordern jede CCP, die die Anforderungen dieser Verordnung nicht erfüllt, auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um frühzeitig Abhilfe zu schaffen. (6) Die ESMA nimmt eine Koordinierungsfunktion zwischen den zuständigen Behörden und zwischen den Kollegien wahr, damit eine gemeinsame Aufsichtskultur und kohärente Aufsichtspraktiken geschaffen werden, einheitliche Verfahren und kohärente Vorgehensweisen gewährleistet werden und eine größere Angleichung bei den Ergebnissen der Aufsicht erreicht wird. Für die Anwendung von Unterabsatz 1 führt die ESMA mindestens einmal jährlich folgende Maßnahmen durch: a) sie unterzieht die Aufsichtstätigkeiten aller zuständigen Behörden in Bezug auf die Zulassung und die Aufsicht von CCPs einer vergleichenden Analyse nach Artikel 30 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010, und b) sie initiiert und koordiniert unionsweite Bewertungen der Belastbarkeit von CCPs bei ungünstigen Marktentwicklungen nach Artikel 32 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010. Werden bei einer Bewertung nach Unterabsatz 2 Buchstabe b Mängel bei der Belastbarkeit einer oder mehrerer CCPs aufgedeckt, gibt die ESMA die notwendigen Empfehlungen nach Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 heraus.

KAPITEL 2 Beaufsichtigung und Überwachung von CCPs Artikel 22 – Zuständige Behörde (1) Jeder Mitgliedstaat benennt die zuständige Behörde, die für die Wahrnehmung der aus dieser Verordnung erwachsenden Aufgaben hinsichtlich Zulassung und Beaufsichtigung der in seinem Gebiet niedergelassenen CCPs verantwortlich ist, und unterrichtet die Kommission und die ESMA entsprechend. Benennt ein Mitgliedstaat mehr als eine zuständige Behörde, definiert er eindeutig die jeweiligen Aufgaben und benennt eine einzige Behörde, die für die Koordinierung der Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit der Kommission, der ESMA, den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten, der EBA und den einschlägigen Mitgliedern des ESZB gemäß den Artikeln 23, 24, 83 und 84 verantwortlich ist.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur (2) Jeder Mitgliedstaat stellt sicher, dass die zuständige Behörde mit den für die Ausübung ihrer Funktionen notwendigen Aufsichts- und Untersuchungsbefugnissen ausgestattet ist. (3) Jeder Mitgliedstaat gewährleistet, dass im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften geeignete Verwaltungsmaßnahmen getroffen oder den verantwortlichen natürlichen oder juristischen Personen bei einem Verstoß gegen diese Verordnung auferlegt werden können. Diese Maßnahmen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und können auch in der Aufforderung bestehen, innerhalb einer gesetzten Frist Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. (4) Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website eine Liste der gemäß Absatz 1 benannten zuständigen Behörden.

KAPITEL 3 Zusammenarbeit Artikel 23 – Zusammenarbeit zwischen den Behörden (1) Die zuständigen Behörden arbeiten untereinander, mit der ESMA und, falls erforderlich, mit dem ESZB eng zusammen. (2) Bei der Wahrnehmung ihrer allgemeinen Aufgaben berücksichtigen zuständige Behörden in gebührender Weise, wie sich ihre Entscheidungen – bei Zugrundelegung der zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Informationen – auf die Stabilität des Finanzsystems in allen anderen betroffenen Mitgliedstaaten, insbesondere in Krisensituationen gemäß Artikel 24, auswirken können. Artikel 24 – Krisensituationen Die für die CCP zuständige Behörde oder eine andere Behörde informiert die ESMA, das Kollegium, die einschlägigen Mitglieder des ESZB und andere einschlägige Behörden unverzüglich über etwaige eine CCP betreffende Krisensituationen, einschließlich Entwicklungen auf den Finanzmärkten, die sich negativ auf die Marktliquidität und die Stabilität des Finanzsystems in einem Mitgliedstaat, in dem die CCP oder eines ihrer Clearingmitglieder ansässig ist, auswirken können.

KAPITEL 4 Beziehungen zu Drittstaaten Artikel 25 – Anerkennung einer in einem Drittstaat ansässigen CCP (1) Eine in einem Drittstaat ansässige CCP darf Clearingdienste für in der Union ansässige Clearingmitglieder oder Handelsplätze nur dann erbringen, wenn die betreffende CCP von der ESMA anerkannt wurde. (2) Die ESMA darf nach Anhörung der in Absatz 3 genannten Behörden eine in einem Drittstaat ansässige CCP, die eine Anerkennung für die Erbringung bestimmter Clearingdienste oder für bestimmte Clearingtätigkeiten beantragt hat, anerkennen, wenn: a) die Kommission einen Durchführungsrechtsakt gemäß Absatz 6 erlassen hat; b) die CCP in dem betreffenden Drittstaat zugelassen ist und dort einer wirksamen Aufsicht und Rechtsdurchsetzung unterliegt, die sicherstellt, dass sie die in dem Drittstaat geltenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen uneingeschränkt erfüllt; c) Kooperationsvereinbarungen gemäß Absatz 7 geschlossen wurden; d) die CCP in einem Drittstaat niedergelassen oder zugelassen ist, dessen Systeme zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung nach den in der Vereinbarung zwischen den Mitgliedstaaten über eine Gleichwertigkeit der Systeme von Drittstaaten im Sinne der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierungfestgelegten Kriterien als denjenigen der Union gleichwertig betrachtet werden.

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7. Teil. Organisationsregeln (3) Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen nach Absatz 2 vorliegen, konsultiert die ESMA a) die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem die CCP Clearingdienste erbringt oder zu erbringen beabsichtigt und den die CCP ausgewählt hat; b) die zuständigen Behörden, die für die Beaufsichtigung der Clearingmitglieder der CCP verantwortlich sind, die in den drei Mitgliedstaaten ansässig sind, die auf kumulierter Jahresbasis die höchsten Beiträge in den gemäß Artikel 42 von der CCP unterhaltenen Ausfallfonds einzahlen oder nach Einschätzung der CCP voraussichtlich einzahlen werden; c) die zuständigen Behörden, die für die Beaufsichtigung der in der Union gelegenen Handelsplätze verantwortlich sind, an denen die CCP Dienstleistungen erbringt oder zu erbringen beabsichtigt; d) die für die Beaufsichtigung von in der Union ansässigen CCPs zuständigen Behörden, mit denen Interoperabilitätsvereinbarungen geschlossen wurden; e) die jeweiligen Mitglieder des ESZB derjenigen Mitgliedstaaten, in denen die CCP Clearingdienste erbringt oder zu erbringen beabsichtigt und die für die Überwachung der CCPs zuständigen Mitglieder des ESZB, mit denen Interoperabilitätsvereinbarungen geschlossen wurden; f) die Zentralbanken, die die wichtigsten Unionswährungen der geclearten oder zu clearenden Finanzinstrumente emittieren. (4) Eine CCP im Sinne von Absatz 1 hat ihren Antrag an die ESMA zu richten. Die antragstellende CCP stellt der ESMA alle Informationen zur Verfügung, die für ihre Anerkennung notwendig sind. Die ESMA prüft den Antrag innerhalb von 30 Arbeitstagen nach Eingang auf Vollständigkeit. Ist der Antrag unvollständig, so setzt sie der antragstellenden CCP eine Frist, bis zu der diese zusätzliche Informationen vorlegen muss. Die Entscheidung über eine Anerkennung stützt sich auf die in Absatz 2 genannten Kriterien und ist unabhängig von jeglicher Beurteilung, auf die sich der in Artikel 13 Absatz 3 genannte Beschluss über die Gleichwertigkeit stützt. Die ESMA hört die in Absatz 3 genannten Behörden und Stellen an, bevor sie ihre Entscheidung fällt. Innerhalb von 180 Arbeitstagen nach Übermittlung eines vollständigen Antrags informiert die ESMA die antragstellende CCP schriftlich darüber, ob die Anerkennung gewährt oder abgelehnt wurde, und begründet ihre Entscheidung umfassend. Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website ein Verzeichnis der gemäß dieser Verordnung anerkannten CCPs. (5) Die ESMA überprüft nach Anhörung der in Absatz 3 genannten Behörden und Stellen die Anerkennung einer in einem Drittstaat ansässigen CCP, wenn diese das Spektrum ihrer Tätigkeiten und Dienstleistungen in der Union erweitert hat. Diese Überprüfung wird nach Maßgabe der Absätze 2, 3 und 4 durchgeführt. Die ESMA kann der betreffenden CCP die Anerkennung entziehen, wenn die Bedingungen nach Absatz 2 nicht mehr erfüllt sind und wenn die in Artikel 20 genannten Umstände vorliegen. (6) Die Kommission kann gemäß Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 einen Durchführungsrechtsakt erlassen, in dem sie feststellt, dass die Rechts- und Aufsichtsmechanismen eines Drittstaats gewährleisten, dass die in diesem Drittstaat zugelassenen CCPs rechtsverbindliche Anforderungen erfüllen, die den Anforderungen des Titels IV dieser Verordnung entsprechen, dass in dem Drittstaat dauerhaft eine wirksame Beaufsichtigung der betreffenden CCPs und eine effektive Rechtsdurchsetzung sichergestellt sind und dass der Rechtsrahmen des betreffenden Drittstaats ein wirksames gleichwertiges System der Anerkennung von nach dem Recht eines Drittstaats zugelassenen CCPs vorsieht. (7) Die ESMA schließt Kooperationsvereinbarungen mit den jeweils zuständigen Behörden der Drittstaaten, deren Rechts- und Aufsichtsrahmen gemäß Absatz 6 als dieser Verordnung gleichwertig anerkannt wurden. Diese Vereinbarungen sehen mindestens Folgendes vor: a) einen Mechanismus für den Informationsaustausch zwischen der ESMA und den zuständigen Behörden der betreffenden Drittstaaten, einschließlich des Zugangs zu allen von der ESMA angeforderten Informationen über in Drittstaaten zugelassene CCPs;

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur b) einen Mechanismus zur sofortigen Benachrichtigung der ESMA, wenn die zuständige Behörde eines Drittstaats der Ansicht ist, dass eine von ihr beaufsichtigte CCP gegen die Zulassungsvoraussetzungen oder anderes des für sie geltenden Rechts verstößt; c) einen Mechanismus zur sofortigen Benachrichtigung der ESMA durch die zuständige Behörde eines Drittstaats, wenn einer von ihr beaufsichtigten CCP die Erlaubnis erteilt wurde, Clearingdienste für in der Union ansässige Clearingmitglieder oder Kunden zu erbringen; d) die Verfahren zur Koordinierung der Aufsichtstätigkeiten, einschließlich gegebenenfalls Inspektionen vor Ort. (8) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen festgelegt wird, welche Angaben die antragstellende CCP in ihrem Antrag auf Anerkennung gegenüber der ESMA zu machen hat. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen.

Überblick und Einordnung: Titel III EMIR schafft einen vom allgemeinen Finanz- 188 dienstleistungs-Aufsichtsrecht abgekoppelten, aber inhaltlich daran orientierten eigenständigen Rechtsrahmen für die Zulassung und Beaufsichtigung zentraler Gegenparteien („CCP“ i.S.d. Art. 2 Nr. 1 EMIR, siehe zum Begriff Grundmann 6. Teil Rn 680) in Europa. Der Betrieb eines CCP unterliegt danach der Erlaubnispflicht (Art. 14 EMIR). Diese und die qualitativen Anforderungen an CCP nach der Verordnung treten neben ggf. bereits bestehende nationale Erlaubnispflichten, wie sie in Deutschland mit der Erfassung des Betriebs einer zentralen Gegenpartei als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 i.V.m. § 1 Abs. 31 KWG) bestehen (oben Rn 5 und Rn 23). Diese Dopplung ebenso wie die Festlegung strengerer Anforderungen an Gründung und Betrieb von CCP wird durch die EMIR ausdrücklich zugelassen (siehe aber zur konkreten Ausgestaltung in Deutschland noch unten Rn 190).553 Das Zulassungsverfahren sowie die Anforderungen an die Koordination zwischen den beteiligten Behörden sind geregelt in den Artt. 17 bis 19 EMIR, der Entzug der Zulassung in Art. 20 EMIR. Die Regelungen der EMIR spiegeln dabei einen Kompromiss zwischen Europäisierung und dem Schutz nationaler Interessen wider: Zwar bleibt die Verantwortung für Zulassung und Aufsicht über zentrale Gegenparteien bei den einzelnen Mitgliedstaaten, doch wird versucht, den Interessen der übrigen Mitgliedstaaten im Hinblick auf die grenzüberschreitenden Implikationen finanzieller Schieflagen der zentralen Gegenparteien durch eine wichtige Rolle der ESMA und durch Beteiligtenrechte für die Behörden der übrigen Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen.554 Eine wichtige Rolle spielen auch hier Technische Regulierungsstandards, die nicht nur Einzelheiten der Koordination von Behörden in Kollegien im Zusammenhang des Zulassungsverfahrens (vgl. Art. 18 Abs. 6 EMIR)555 sowie Anforderungen an den Antrag auf Zulassung von CCP nach Art. 25 EMIR556 betreffen, sondern vor allem auch die 553 554

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Erwägungsgrund 50 EMIR. Vgl. Erwägungsgrund 52 EMIR und dazu Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 604 f. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 876/2013 der Kommission vom 28.5.2013 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards bezüglich Kollegien für zentrale Ge-

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genparteien Text von Bedeutung für den EWR, ABlEU Nr. L 244/19 vom 13.9.2013. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 153/2013 der Kommission vom 19.12.2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf technische Regulierungsstandards für Anforderungen an zentrale Gegenparteien, ABlEU Nr. L 52/41 vom 23.2.2013.

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7. Teil. Organisationsregeln

Eigenmittelanforderungen, die ein CCP erfüllen muss und die Art. 16 EMIR nur knapp und nur im Hinblick auf das mindestens aufzubringende Anfangskapital (7,5 Mio. Euro, Art. 16 Abs. 1 EMIR) vorgibt.557 Bislang nur rudimentär entwickelt sind die Vorgaben für Maßnahmen zur Krisenbewältigung bei finanziellen Schieflagen eines CCP; insoweit sieht Art. 24 EMIR lediglich Benachrichtigungspflichten der zuständigen Behörde gegenüber der ESMA und sonst betroffenen Stellen vor (zu Vorschlägen für einen Rechtsrahmen für die Abwicklung von CCP bereits oben Rn 20). 2. Allgemeine institutionell-organisatorische Anforderungen an CCPs (Titel IV, Kapitel 3 EMIR)

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TITEL IV ANFORDERUNGEN AN CCPs KAPITEL 1 Organisatorische Anforderungen Artikel 26 – Allgemeine Bestimmungen (1) Eine CCP muss über solide Regelungen zur Unternehmensführung verfügen, wozu eine klare Organisationsstruktur mit genau abgegrenzten, transparenten und kohärenten Verantwortungsbereichen, wirksamen Ermittlungs-, Steuerungs-, Überwachungs- und Berichterstattungsverfahren für die Risiken, denen sie ausgesetzt ist oder ausgesetzt sein könnte, sowie angemessene interne Kontrollmechanismen einschließlich solider Verwaltungs- und Rechnungslegungsverfahren zählen. (2) Eine CCP führt Strategien und Verfahren ein, die hinreichend wirksam sind, um die Einhaltung dieser Verordnung, auch die Einhaltung sämtlicher Bestimmungen dieser Verordnung durch ihre Manager und Beschäftigten, sicherzustellen. (3) Eine CCP muss dauerhaft über eine Organisationsstruktur verfügen, die Kontinuität und ein ordnungsgemäßes Funktionieren im Hinblick auf die Erbringung ihrer Dienstleistungen und Ausübung ihrer Tätigkeiten gewährleistet. Sie muss angemessene und geeignete Systeme, Ressourcen und Verfahren einsetzen. (4) Eine CCP sorgt für eine stete klare Trennung zwischen den Berichtslinien für das Risikomanagement und den Berichtslinien für ihre übrigen Tätigkeiten. (5) Eine CCP sorgt für die Festlegung, Einführung und Aufrechterhaltung einer Vergütungspolitik, die einem soliden, effektiven Risikomanagement förderlich ist und keine Anreize für eine Lockerung der Risikostandards schafft. (6) Eine CCP betreibt informationstechnische Systeme, die der Komplexität, der Vielfalt und der Art ihrer Dienstleistungen und Tätigkeiten angemessen sind, so dass hohe Sicherheitsstandards und die Integrität und Vertraulichkeit der Informationen gewahrt sind. (7) Eine CCP macht ihre Regelungen zur Unternehmensführung, die für die CCP geltenden Vorschriften sowie die Kriterien für die Zulassung als Clearingmitglied unentgeltlich öffentlich zugänglich. (8) Eine CCP wird regelmäßig stattfindenden unabhängigen Prüfungen unterworfen. Die Ergebnisse dieser Prüfungen werden dem Leitungsorgan mitgeteilt und der zuständigen Behörde zur Verfügung gestellt. (9) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA nach Anhörung der Mitglieder des ESZB Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in de-

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Dazu Delegierte Verordnung (EU) Nr. 152/ 2013 der Kommission vom 19.12.2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/ 2012 des Europäischen Parlaments und des

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Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Eigenkapitalanforderungen an zentrale Gegenparteien, ABlEU Nr. L 52/37 vom 23.02.2013.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur nen der Mindestinhalt der in den Absätzen 1 bis 8 genannten Vorschriften und Regelungen zur Unternehmensführung festgelegt wird. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 27 – Geschäftsleitung und Leitungsorgan (1) Die Geschäftsleitung einer CCP muss gut beleumundet sein und über ausreichende Erfahrung verfügen, um ein solides und umsichtiges Management der CCP sicherzustellen. (2) Eine CCP verfügt über ein Leitungsorgan. Mindestens ein Drittel der Mitglieder, jedoch nicht weniger als zwei Mitglieder dieses Leitungsorgans sind unabhängig. Soweit es um Angelegenheiten geht, die für die Artikel 38 und 39 relevant sind, werden zu den Sitzungen des Leitungsorgans Vertreter der Kunden von Clearingmitgliedern eingeladen. Die Vergütung der unabhängigen und der anderen nicht geschäftsführenden Mitglieder des Leitungsorgans darf nicht vom geschäftlichen Erfolg der CCP abhängen. Die Mitglieder eines Leitungsorgans einer CCP, einschließlich der unabhängigen Mitglieder, müssen gut beleumundet sein und über angemessene Sachkenntnis in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Risikomanagement und Clearingdienstleistungen verfügen. (3) Eine CCP definiert klar die Rollen und Zuständigkeiten des Leitungsorgans und macht der zuständigen Behörde und den Abschlussprüfern die Protokolle der Sitzungen des Leitungsorgans zugänglich. Artikel 28 – Risikoausschuss (1) Eine CCP richtet einen Risikoausschuss ein, dem Vertreter ihrer Clearingmitglieder, unabhängige Mitglieder des Leitungsorgans sowie Vertreter ihrer Kunden angehören. Der Risikoausschuss kann zu seinen Sitzungen Beschäftigte der CCP sowie unabhängige externe Sachverständige einladen, die jedoch nicht stimmberechtigt sind. Die zuständigen Behörden können beantragen, ohne Stimmrecht an den Sitzungen des Risikoausschusses teilzunehmen und über die Tätigkeiten und Beschlüsse des Risikoausschusses in gebührendem Umfang unterrichtet zu werden. Der Risikoausschuss erteilt seine Empfehlungen unabhängig und ohne direkte Einflussnahme durch die Geschäftsleitung der CCP. Keine der Gruppen von Vertretern darf über eine Mehrheit im Risikoausschuss verfügen. (2) Eine CCP legt in klarer Form das Mandat, die Regelungen zur Unternehmensführung zur Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit, die operationellen Verfahren, die Zulassungskriterien und den Mechanismus für die Wahl der Ausschussmitglieder fest. Die Regelungen zur Unternehmensführung sind öffentlich zugänglich und sehen mindestens vor, dass den Vorsitz im Risikoausschuss ein unabhängiges Mitglied des Leitungsorgans führt, dass der Ausschuss unmittelbar dem Leitungsorgan unterstellt ist und dass er regelmäßige Sitzungen abhält. (3) Der Risikoausschuss berät das Leitungsorgan in allen Belangen, die sich auf das Risikomanagement der CCP auswirken können, wie etwa wesentliche Änderungen ihres Risikomodells, die Verfahren bei Ausfall eines Clearingmitglieds, die Kriterien für die Zulassung von Clearingmitgliedern, das Clearing neuer Kategorien von Instrumenten oder die Auslagerung von Funktionen. Eine Beratung durch den Risikoausschuss ist nicht erforderlich, wenn es um das Tagesgeschäft der CCP geht. Es sind angemessene Bemühungen zu unternehmen, in Krisenzeiten den Risikoausschuss in Bezug auf Entwicklungen, die sich auf das Risikomanagement der CCP auswirken, zu hören. (4) Unbeschadet des Rechts der zuständigen Behörden, in gebührender Form unterrichtet zu werden, unterliegen die Mitglieder des Risikoausschusses der Geheimhaltungspflicht. Stellt der Vorsitz des Risikoausschusses fest, dass ein Mitglied sich in Bezug auf eine spezifische Angelegenheit tatsächlich oder potenziell in einem Interessenkonflikt befindet, wird das betreffende Mitglied von der Abstimmung über die betreffende Angelegenheit ausgeschlossen.

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7. Teil. Organisationsregeln (5) Eine CCP unterrichtet die zuständige Behörde unverzüglich über jeden Beschluss des Leitungsorgans, nicht den Empfehlungen des Risikoausschusses zu folgen. Artikel 29 – Aufbewahrungspflichten (1) Eine CCP bewahrt sämtliche Aufzeichnungen über erbrachte Dienstleistungen und ausgeübte Tätigkeiten für einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren auf, so dass die zuständige Behörde überwachen kann, inwieweit die CCP die Bestimmungen dieser Verordnung einhält. (2) Eine CCP bewahrt sämtliche Informationen über alle von ihr abgewickelten Kontrakte für einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren nach Beendigung des jeweiligen Kontrakts auf. Die betreffenden Informationen müssen es zumindest ermöglichen, die ursprünglichen Bedingungen einer Transaktion vor dem Clearing durch die betreffende CCP festzustellen. (3) Eine CCP stellt der zuständigen Behörde, der ESMA und den einschlägigen Mitgliedern des ESZB auf Anfrage die in den Absätzen 1 und 2 genannten Aufzeichnungen und Informationen sowie sämtliche Informationen über die Positionen geclearter Kontrakte zur Verfügung, unabhängig vom Ort, an dem die Transaktionen abgeschlossen wurden. (4) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen die Einzelheiten betreffend die nach Absätzen 1 bis 3 aufzubewahrenden Aufzeichnungen und Informationen festgelegt werden. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. (5) Um einheitliche Bedingungen für die Anwendung der Absätze 1 und 2 zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA Entwürfe für technische Durchführungsstandards, in denen das Format der aufzubewahrenden Aufzeichnungen und Informationen festgelegt ist. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Durchführungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 30 – Aktionäre und Gesellschafter mit qualifizierten Beteiligungen (1) Die zuständige Behörde erteilt einer CCP die Zulassung nicht, bevor sie nicht über die Identität und die Höhe der Beteiligung der natürlichen oder juristischen Personen, die als direkte oder indirekte Aktionäre oder Gesellschafter eine qualifizierte Beteiligung an der CCP halten, unterrichtet worden ist. (2) Die zuständige Behörde erteilt einer CCP die Zulassung nicht, wenn sie der Auffassung ist, dass die Aktionäre oder Gesellschafter, die qualifizierte Beteiligungen an der CCP halten, den zur Gewährleistung eines soliden und umsichtigen Managements einer CCP zu stellenden Ansprüchen nicht genügen. (3) Besteht zwischen der CCP und anderen natürlichen oder juristischen Personen eine enge Verbindung, so erteilt die zuständige Behörde die Zulassung nur, wenn diese Verbindung die zuständige Behörde nicht an der wirksamen Ausübung ihrer Aufsichtsfunktionen hindert. (4) Im Falle einer Einflussnahme der in Absatz 1 genannten Personen, die sich voraussichtlich zum Nachteil eines soliden und umsichtigen Managements der CCP auswirken wird, ergreift die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen, um diesen Zustand zu beenden; dazu kann der Entzug der Zulassung der CCP gehören. (5) Die zuständige Behörde verweigert die Zulassung, wenn die Rechts- oder Verwaltungsvorschriften eines Drittstaats, denen eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen unterliegen, zu der bzw. denen die CCP eine enge Verbindung hat, oder Schwierigkeiten bei der Durchsetzung solcher Vorschriften die zuständige Behörde an der wirksamen Ausübung ihrer Aufsichtsfunktionen hindern.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur Artikel 31 – Informationspflicht gegenüber den zuständigen Behörden (1) Eine CCP teilt der für sie zuständigen Behörde sämtliche Veränderungen in der Geschäftsleitung mit und stellt der zuständigen Behörde alle Informationen zur Verfügung, die erforderlich sind, um die Einhaltung von Artikel 27 Absatz 1 und Artikel 27 Absatz 2 Unterabsatz 2 zu bewerten. Besteht die Gefahr, dass das Verhalten eines Mitglieds des Leitungsorgans einem soliden und umsichtigen Management der CCP abträglich ist, ergreift die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen; dazu kann der Ausschluss des betreffenden Mitglieds aus dem Leitungsorgan gehören. (2) Eine natürliche oder juristische Person oder gemeinsam handelnde natürliche oder juristische Personen (im Folgenden „interessierter Erwerber“), die beschlossen hat bzw. haben, direkt oder indirekt eine qualifizierte Beteiligung an einer CCP zu erwerben oder eine derartige qualifizierte Beteiligung direkt oder indirekt zu erhöhen, mit der Folge, dass ihr Anteil an den Stimmrechten oder am Kapital 10 %, 20 %, 30 % oder 50 % erreichen oder überschreiten würde oder die CCP ihr Tochterunternehmen würde (im Folgenden „beabsichtigter Erwerb“), teilt bzw. teilen dies – unter Angabe des Umfangs der geplanten Beteiligung und zusammen mit den gemäß Artikel 32 Absatz 4 beizubringenden Informationen – zuerst schriftlich der für die CCP, an der eine qualifizierte Beteiligung erworben oder erhöht werden soll, zuständigen Behörde mit. Eine natürliche oder juristische Person, die beschlossen hat, ihre an einer CCP direkt oder indirekt gehaltene qualifizierte Beteiligung zu veräußern (im Folgenden „interessierter Veräußerer“), unterrichtet zuerst schriftlich die zuständige Behörde unter Angabe des Umfangs einer solchen Beteiligung. Die betreffende natürliche oder juristische Person teilt der zuständigen Behörde ebenfalls mit, wenn sie beschlossen hat, eine qualifizierte Beteiligung so zu verringern, dass ihr Anteil an den Stimmrechten oder am Kapital 10 %, 20 %, 30 % oder 50 % unterschreiten würde oder die CCP nicht mehr ihr Tochterunternehmen wäre. Die zuständige Behörde bestätigt dem interessierten Erwerber oder Veräußerer umgehend, in jedem Fall jedoch innerhalb von zwei Arbeitstagen nach dem Erhalt der Meldung gemäß diesem Absatz sowie der in Absatz 3 genannten Informationen schriftlich deren Eingang. Die zuständige Behörde verfügt über maximal 60 Arbeitstage ab dem Datum der schriftlichen Bestätigung des Eingangs der Meldung und aller Unterlagen, die der Meldung nach Maßgabe der in Artikel 32 Absatz 4 genannten Liste beizufügen sind (im Folgenden „Beurteilungszeitraum“), um die Beurteilung nach Artikel 32 Absatz 1 (im Folgenden „Beurteilung“) vorzunehmen. Die zuständige Behörde teilt dem interessierten Erwerber oder Veräußerer bei Bestätigung des Eingangs der Meldung den Zeitpunkt des Ablaufs des Beurteilungszeitraums mit. (3) Die zuständige Behörde kann erforderlichenfalls bis spätestens am 50. Arbeitstag des Beurteilungszeitraums weitere Informationen anfordern, die für den Abschluss der Beurteilung erforderlich sind. Diese Anforderung ergeht schriftlich unter Angabe der zusätzlich benötigten Informationen. Der Beurteilungszeitraum wird für die Dauer vom Zeitpunkt der Anforderung von Informationen durch die zuständige Behörde an bis zum Eingang der entsprechenden Antwort des interessierten Erwerbers unterbrochen. Diese Unterbrechung darf 20 Arbeitstage nicht überschreiten. Es liegt im Ermessen der zuständigen Behörde, weitere Ergänzungen oder Klarstellungen zu den Informationen anzufordern, doch darf dies nicht zu einer Unterbrechung des Beurteilungszeitraums führen. (4) Die zuständige Behörde kann die Unterbrechung nach Absatz 3 Unterabsatz 2 bis auf 30 Arbeitstage ausdehnen, wenn der interessierte Erwerber oder Veräußerer a) außerhalb der Union ansässig ist oder beaufsichtigt wird oder b) eine natürliche oder juristische Person ist, die nicht einer Beaufsichtigung nach dieser Verordnung oder nach einer der folgenden Richtlinien unterliegt: Richtlinie 73/239/EWG, Richtlinie Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung), Richtlinie 2002/83/EG, Richtlinie 2003/41/EG, Richtlinie 2004/39/EG, Richtlinie 2005/68/ EG, Richtlinie 2006/48/EG, Richtlinie 2009/65/EG oder Richtlinie 2011/61/EU.

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7. Teil. Organisationsregeln (5) Entscheidet die zuständige Behörde nach Abschluss der Beurteilung, Einspruch gegen den beabsichtigten Erwerb zu erheben, so setzt sie den interessierten Erwerber davon innerhalb von zwei Arbeitstagen und vor Ablauf des Beurteilungszeitraums schriftlich unter Angabe der Gründe für die Entscheidung in Kenntnis. Die zuständige Behörde setzt das in Artikel 18 genannte Kollegium entsprechend in Kenntnis. Vorbehaltlich einzelstaatlicher Rechtsvorschriften kann eine Begründung der Entscheidung auf Antrag des interessierten Erwerbers der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Mitgliedstaaten können der zuständigen Behörde jedoch gestatten, die Entscheidungsgründe auch ohne entsprechenden Antrag des interessierten Erwerbers der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. (6) Erhebt die zuständige Behörde gegen den beabsichtigten Erwerb innerhalb des Beurteilungszeitraums keinen Einspruch, so gilt der Erwerb als genehmigt. (7) Die zuständige Behörde kann eine Frist für den Abschluss des beabsichtigten Erwerbs festlegen und diese Frist gegebenenfalls verlängern. (8) Die Mitgliedstaaten dürfen an die Meldung eines direkten oder indirekten Erwerbs von Stimmrechten oder Kapital an die zuständige Behörde und die Genehmigung eines solchen Erwerbs durch diese Behörde keine strengeren Anforderungen stellen, als sie in dieser Verordnung vorgesehen sind. Artikel 32 – Beurteilung (1) Bei der Beurteilung der Meldung nach Artikel 31 Absatz 2 und der Informationen nach Artikel 31 Absatz 3 prüft die zuständige Behörde im Interesse eines soliden und umsichtigen Managements der CCP, an der eine Beteiligung angestrebt wird, und unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Einflusses des interessierten Erwerbers auf die CCP die Eignung des interessierten Erwerbers und die finanzielle Solidität des beabsichtigten Erwerbs im Hinblick auf sämtliche folgende Aspekte: a) den Ruf und die finanzielle Solidität des interessierten Erwerbers; b) den Ruf und die Erfahrung der Personen, die infolge des beabsichtigten Erwerbs die Geschäfte der CCP leiten werden; c) die Frage, ob die CCP dauerhaft in der Lage sein wird, diese Verordnung einzuhalten; d) die Frage, ob ein hinreichender Verdacht besteht, dass im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Erwerb Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 2005/60/EG stattfinden, stattgefunden haben oder ob diese Straftaten versucht wurden bzw. ob der beabsichtigte Erwerb das Risiko eines solchen Verhaltens erhöhen könnte. Bei der Bewertung der finanziellen Solidität des interessierten Erwerbers schenkt die zuständige Behörde der Frage besondere Aufmerksamkeit, welcher Art die ausgeübte und geplante Geschäftstätigkeit im Rahmen der CCP ist, an der eine Beteiligung angestrebt wird. Bei der Bewertung der Fähigkeit der CCP, diese Verordnung einzuhalten, schenkt die zuständige Behörde der Frage besondere Aufmerksamkeit, ob die Gruppe, der die CCP angehören wird, über eine Struktur verfügt, die eine wirksame Beaufsichtigung, einen effektiven Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden und die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den zuständigen Behörden ermöglichen wird. (2) Die zuständigen Behörden können gegen den beabsichtigten Erwerb nur dann Einspruch erheben, wenn es dafür vernünftige Gründe auf der Grundlage der in Absatz 1 genannten Kriterien gibt oder wenn die vom interessierten Erwerber beigebrachten Informationen unvollständig sind. (3) Die Mitgliedstaaten dürfen weder Vorbedingungen an die Höhe der zu erwerbenden Beteiligung knüpfen noch ihren zuständigen Behörden gestatten, bei der Prüfung des beabsichtigten Erwerbs auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Marktes abzustellen. (4) Die Mitgliedstaaten veröffentlichen eine Liste, in der die Informationen genannt werden, die für die Beurteilung erforderlich sind und den zuständigen Behörden zum Zeitpunkt der Anzeige nach Artikel 31 Absatz 2 zu übermitteln sind. Der Umfang der beizubringenden Informationen hat der Art des interessierten Erwerbers und der Art des beabsichtigten Erwerbs angemessen und angepasst zu sein. Die Mitgliedstaaten fordern keine Informationen an, die für die aufsichtsrechtliche Beurteilung nicht relevant sind.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur (5) Werden der zuständigen Behörde zwei oder mehrere Vorhaben betreffend den Erwerb oder die Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen an ein und derselben CCP angezeigt, so hat die Behörde unbeschadet des Artikels 31 Absätze 2, 3 und 4 alle interessierten Erwerber auf nicht diskriminierende Art und Weise zu behandeln. (6) Die jeweils zuständigen Behörden arbeiten bei der Beurteilung des Erwerbs eng zusammen, wenn der interessierte Erwerber einer der folgenden Kategorien angehört: a) andere CCP, Kreditinstitut, Lebensversicherungsunternehmen, sonstiges Versicherungsunternehmen, Rückversicherungsunternehmen, Wertpapierfirma, Marktbetreiber, Betreiber eines Wertpapierliefer- und -abrechnungssystems, OGAW-Verwaltungsgesellschaft oder Verwalter alternativer Investmentfonds, der/die/das in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist; b) Mutterunternehmen einer anderen CCP, eines Kreditinstituts, eines Lebensversicherungsunternehmens, sonstigen Versicherungsunternehmens, eines Rückversicherungsunternehmens, einer Wertpapierfirma, eines Marktbetreibers, eines Betreibers eines Wertpapierliefer- und -abrechnungssystems, einer OGAW-Verwaltungsgesellschaft oder eines Verwalters alternativer Investmentfonds, der/die/das in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist; c) natürliche oder juristische Person, die eine andere CCP, ein Kreditinstitut, ein Lebensversicherungsunternehmen, ein sonstiges Versicherungsunternehmen, ein Rückversicherungsunternehmen, eine Wertpapierfirma, einen Marktbetreiber, einen Betreiber eines Wertpapierlieferund -abrechnungssystems, eine OGAW-Verwaltungsgesellschaft oder einen Verwalter alternativer Investmentfonds kontrolliert, der/die/das in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist. (7) Die zuständigen Behörden tauschen untereinander unverzüglich die Informationen aus, die für die Beurteilung unbedingt erforderlich oder relevant sind. Dabei teilen die zuständigen Behörden einander alle relevanten Informationen auf Anfrage und alle unbedingt erforderlichen Informationen von sich aus mit. In der Entscheidung der zuständigen Behörde, die die CCP zugelassen hat, an der eine Beteiligung angestrebt wird, sind die Auffassungen oder Vorbehalte darzulegen, die seitens der für den interessierten Erwerber zuständigen Behörde geäußert wurden. Artikel 33 – Interessenkonflikte (1) Eine CCP muss auf Dauer wirksame, in schriftlicher Form festgelegte organisatorische und administrative Vorkehrungen treffen, um potenzielle Interessenkonflikte zwischen ihr, einschließlich Managern, Beschäftigten oder anderer Personen, zu denen ein direktes oder indirektes Kontrollverhältnis oder eine enge Verbindung besteht, einerseits und ihren Clearingmitgliedern oder deren Kunden, soweit diese ihr bekannt sind, andererseits zu erkennen und zu regeln. Die CCP muss geeignete Verfahren zur Beilegung von Interessenkonflikten einführen und anwenden. (2) Reichen die von der CCP zur Regelung von Interessenkonflikten getroffenen organisatorischen oder administrativen Vorkehrungen nicht aus, um nach vernünftigem Ermessen zu gewährleisten, dass eine mögliche Beeinträchtigung der Interessen eines Clearingmitglieds oder eines Kunden vermieden wird, setzt die CCP das betreffende Clearingmitglied, bevor sie neue Transaktionen in seinem Auftrag durchführt, unmissverständlich über die allgemeine Art oder die Quellen der Interessenkonflikte in Kenntnis. Ist der CCP der Kunde bekannt, informiert sie ihn und das Clearingmitglied, dessen Kunde betroffen ist. (3) Handelt es sich bei der CCP um ein Mutterunternehmen oder ein Tochterunternehmen, tragen die schriftlich festgelegten Regelungen darüber hinaus allen Umständen Rechnung, die der CCP bekannt sind oder bekannt sein sollten und die aufgrund der Struktur und der Geschäftstätigkeiten anderer Unternehmen, von denen sie ein Mutterunternehmen oder ein Tochterunternehmen ist, zu einem Interessenkonflikt führen könnten. (4) In den schriftlichen Regelungen gemäß Absatz 1 ist festzulegen, a) unter welchen Umständen ein Interessenkonflikt vorliegt oder entstehen könnte, der den Interessen eines oder mehrerer Clearingmitglieder oder Kunden erheblich schaden könnte; b) welche Verfahren einzuleiten und welche Maßnahmen zu treffen sind, um einen derartigen Konflikt zu bewältigen. (5) Eine CCP trifft alle angemessenen Maßnahmen, um einen Missbrauch der in ihren Systemen enthaltenen Informationen zu unterbinden, und verhindert die Nutzung dieser Informationen für andere Geschäftstätigkeiten. Eine natürliche Person, die in einer engen Verbindung zu ei-

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7. Teil. Organisationsregeln ner CCP steht, oder eine juristische Person, die in einer Mutter-Tochter-Beziehung zu einer CCP steht, darf von dieser CCP erfasste vertrauliche Informationen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Kunden, der das Verfügungsrecht über die vertraulichen Informationen hat, nicht für gewerbliche Zwecke nutzen. Artikel 34 – Fortführung des Geschäftsbetriebs (1) Eine CCP hat eine angemessene Strategie zur Fortführung des Geschäftsbetriebs sowie einen Notfallwiederherstellungsplan festzulegen, umzusetzen und zu befolgen, um eine Aufrechterhaltung der Funktionen der CCP, eine rechtzeitige Wiederherstellung des Geschäftsbetriebs sowie die Erfüllung der Pflichten der CCP zu gewährleisten. Ein solcher Plan muss zumindest eine Wiederherstellung aller Transaktionen zum Zeitpunkt der Störung ermöglichen, so dass die CCP weiterhin zuverlässig arbeiten und die Abwicklung zum geplanten Termin vornehmen kann. (2) Eine CCP hat ein geeignetes Verfahren einzurichten, anzuwenden und beizubehalten, das Gewähr dafür bietet, dass die Vermögenswerte und Positionen ihrer Kunden und Clearingmitglieder im Fall eines Entzugs der Zulassung aufgrund eines Beschlusses nach Artikel 20 zügig und ordnungsgemäß abgewickelt oder übertragen werden. (3) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA nach Anhörung der Mitglieder des ESZB Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen der Mindestinhalt und die Anforderungen an die Strategie zur Fortführung des Geschäftsbetriebs und an den Notfallwiederherstellungsplan festgelegt werden. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 35 – Auslagerung (1) Wenn eine CCP operationelle Funktionen, Dienstleistungen oder Tätigkeiten auslagert, bleibt sie in vollem Umfang für die Erfüllung aller ihr aus dieser Verordnung erwachsenden Pflichten verantwortlich und muss jederzeit sicherstellen, dass: a) die Auslagerung nicht mit der Delegation ihrer Verantwortung verbunden ist; b) die Beziehung der CCP zu ihren Clearingmitgliedern oder gegebenenfalls deren Kunden und ihre Verpflichtungen ihnen gegenüber unverändert bleiben; c) die Voraussetzungen für die Zulassung der CCP nach wie vor erfüllt sind; d) die Auslagerung der Ausübung von Aufsichts- und Überwachungsfunktionen, wozu auch der Zugang vor Ort gehört, um für die Wahrnehmung dieser Aufgaben erforderliche Informationen einzuholen, nicht entgegensteht; e) die Auslagerung nicht dazu führt, dass die CCP der Systeme und Kontrollmöglichkeiten beraubt wird, die sie für ihr Risikomanagement benötigt; f) der Dienstleister Anforderungen in Bezug auf die Fortführung des Geschäftsbetriebs erfüllt, die denen gleichwertig sind, die die CCP gemäß dieser Verordnung erfüllen muss; g) die CCP für die Erhaltung der Fachkenntnisse und Ressourcen sorgt, die erforderlich sind, um die Qualität der erbrachten Dienstleistungen und die Angemessenheit der Organisationsstruktur und der Eigenkapitalausstattung des Dienstleisters zu bewerten, die ausgelagerten Funktionen wirksam zu überwachen und die mit der Auslagerung verbundenen Risiken zu managen, und die kontinuierliche Überwachung der betreffenden Funktionen sowie ein kontinuierliches Risikomanagement gewährleistet; h) die CCP unmittelbaren Zugang zu den die ausgelagerten Funktionen betreffenden relevanten Informationen hat; i) der Dienstleister, soweit es um die ausgelagerten Tätigkeiten geht, mit der zuständigen Behörde zusammenarbeitet. j) Der Dienstleister gewährleistet den Schutz aller die CCP und ihre Clearingmitglieder und Kunden betreffenden vertraulichen Informationen oder stellt, soweit er in einem Drittstaat ansässig ist, sicher, dass die Datenschutzstandards dieses Drittstaats oder die in der Vereinba-

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur rung zwischen den betreffenden Parteien festgelegten Datenschutzstandards mit den in der Union geltenden Datenschutzstandards vergleichbar sind. Eine CCP darf wichtige, mit dem Risikomanagement zusammenhängende Tätigkeiten nur mit Genehmigung der Auslagerung durch die zuständige Behörde auslagern. (2) Die zuständige Behörde verlangt von der CCP, dass sie in einer schriftlichen Vereinbarung eine klare Definition und Zuweisung ihrer eigenen Rechte und Pflichten sowie der Rechte und Pflichten des Dienstleisters vornimmt. (3) Die CCP stellt der zuständigen Behörde auf Verlangen alle Informationen zur Verfügung, die diese benötigt, um zu beurteilen, ob bei der Durchführung der ausgelagerten Tätigkeiten diese Verordnung eingehalten wird.

a) Regelungshintergrund und -zweck. Die Regelungen in Titel IV, Kapitel 1 EMIR er- 190 gänzen die Erlaubnispflicht aus Art. 14 EMIR sowie die Eigenmittelanforderungen aus Art. 16 EMIR um allgemeine institutionell-prudenzielle Anforderungen an die Corporate Governance und Geschäftsorganisation. Diese orientieren sich konzeptionell an korrespondierenden Anforderungen an Intermediäre im Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht sowie an die Betreiber der Handelsinfrastruktur, bleiben jedoch im Hinblick auf Regulierungsintensität und -dichte teilweise dahinter zurück.558 Für das deutsche Recht, das den Betrieb einer zentralen Gegenpartei als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft qualifiziert (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 i.V.m. § 1 Abs. 31 KWG, oben Rn 5, 23 und Rn 188) werden Kollisionen zwischen beiden Regimes in der Weise gelöst, dass Kreditinstitute, deren Erlaubnis ausschließlich den Betrieb einer zentralen Gegenpartei umfasst, von wesentlichen institutionell-prudenziellen Anforderungen des allgemeinen Bankaufsichtsrechts – insbesondere auch den Organisationspflichten nach §§ 25a bis 25e KWG – ausgenommen werden (§ 2 Abs. 9a KWG). Auch mit diesen Regelungen setzt das Europäische Kapitalmarktrecht Vorgaben um, die auf der Ebene der internationalen Standardsetzung als Teil der Bemühungen um eine Verbesserung des Regulierungsrahmens für die Finanzmarktinfrastruktur nach der globalen Finanzmarktkrise entwickelt worden sind.559 Nicht anders als den Parallelregelungen im Bankenaufsichts- und Kapitalmarktrecht sowie den korrespondierenden Anforderungen an die Betreiber der Handelsinfrastruktur geht es den Vorschriften um die Absicherung der Solvenz und Leistungsfähigkeit der zentralen Gegenparteien, um Systemrisiken infolge einer Insolvenz zu vermeiden. b) Regelungsinhalte im Überblick. Inhaltlich entsprechen die Anforderungen an die 191 Organisation der zentralen Gegenparteien nach Artt. 26 ff. EMIR der bereits aus den allgemeinen bankaufsichts- und kapitalmarktrechtlichen Intermediärpflichten (oben Rn 32 ff.) ebenso wie aus den Anforderungen an die Betreiber der Handelsinfrastruktur (oben Rn 142 ff.) bekannten Kombination aus prinzipienbasierten qualitativen Vorgaben für die Aufbau- und Ablauforganisation (Art. 26 EMIR), Anforderungen an die Qualifikation der Geschäftsleiter und Leitungsorgane (Art. 27 EMIR), Aufzeichnungspflichten (Art. 29 EMIR), Anforderungen an die Inhaber qualifizierter Beteiligungen (Art. 30 558

559

Dazu und zum Folgenden eingehend Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Redeke Teil 5 A Rn 1–42 sowie zur Zulassungspflicht und zu Zulassungsvoraussetzungen Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Achtelik Teil 5 B Rn 11–24; Redeke WM 2015, 554 ff. Siehe Committee on Payment and Settlement Systems/Technical Committee of the Interna-

tional Organization of Securities Commissions, Principles for financial market infrastructures, 2012, S. 21 ff.; Financial Stability Board, Implementing OTC Derivatives Reforms, S. 29 ff.; siehe auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 607 f.; Turing Clearing and Settlement, Rn 7.1 ff., 7.26 ff.

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7. Teil. Organisationsregeln

EMIR), damit korrespondierenden Meldepflichten gegenüber der Aufsichtsbehörde (Einzelheiten: Artt. 31 f. EMIR), spezifischen Vorgaben für die Prävention von und dem Umgang mit Interessenkonflikten (Art. 33 EMIR), die Notfallplanung (Art. 34 EMIR) sowie Schranken für die Auslagerung von Geschäftsaktivitäten (Art. 35 EMIR). Auch hier zeigt sich, dass die Europäische Rechtsetzung die zunächst auf Intermediäre ausgerichteten Organisationspflichten zunehmend als Blaupause für die institutionell-prudenzielle Regulierung von Kapitalmarktakteuren allgemein begreift und fortentwickelt. Auch wenn die Einzelregelungen weniger detailliert ausfallen als die Parallelregelungen für Kapitalmarktintermediäre, wird sich die praktische Umsetzung ganz überwiegend an den dafür entwickelten Kriterien orientieren können, wobei teilweise bereichsspezifische Konkretisierungen in Technischen Regulierungsstandards (Del. VO (EU) Nr. 153/2013) zu beachten sind.560 Hinsichtlich der praktischen Einzelheiten kann damit weitgehend auf die Kommentierung der Organisationspflichten für Intermediäre und Betreiber von Handelsinfrastruktur verwiesen werden. Dies gilt auch hinsichtlich der zivilrechtlichen Implikationen der Organisationspflichten (siehe dazu für die allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Pflichten bereits oben Rn 39 ff., für die Betreiber der Handelsinfrastruktur Rn 168). Eine von den allgemeinen Regelungsvorbildern abweichende Besonderheit innerhalb der Organisationspflichten für CCP ist allerdings der in Art. 28 EMIR vorgesehene, verpflichtend einzurichtende Risikoausschuss, der mit Vertretern der Clearingmitglieder als Stakeholder, unabhängigen Mitgliedern des Leitungsorgans sowie mit Vertretern der Kunden der Clearingmitglieder zu besetzen ist und eine beratende Funktion gegenüber dem Leitungsorgan der CCP zu Fragen des Risikomanagements erfüllt (Art. 28 Abs. 1 und 3 EMIR). Sucht man innerhalb der Organisationspflichten des Europäischen Kapitalmarktrechts nach vergleichbaren Regelungen, ließe sich an die in Art. 5 EU-Benchmark-VO vorgesehene „Aufsichtsfunktion“ denken, die ebenfalls als Ausschuss mit Stakeholder-Beteiligung konzipiert ist (oben Rn 127). Hier wie dort lässt sich die Konzeption mit allgemeinen unternehmensrechtlichen Grundsätzen der Organisationsverfassung nicht bruchfrei vereinbaren. Das Spannungsverhältnis mit dem allgemeinen Unternehmensrecht fällt allerdings beim Risikoausschuss nach Art. 28 EMIR mit Blick auf seine lediglich beratende Funktion überschaubarer aus als bei der Aufsichtsfunktion nach Art. 5 EU-Benchmark-VO.

560

Vgl. im Einzelnen Artt. 12–16 (Aufzeichnungspflichten) und Artt. 17–23 (Notfallplanung) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 153/ 2013 der Kommission vom 19.12.2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/ 2012 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf technische Regulierungs-

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standards für Anforderungen an zentrale Gegenparteien, ABlEU Nr. L 52/41 vom 23.02. 2013. Zum Ganzen im Überblick wiederum Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Redeke Teil 5 A Rn 4 ff.; siehe auch Turing Clearing and Settlement, Rn 726.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

3. Anforderungen an das Risikomanagement und die Risikominimierung (Titel IV, Kapitel 3 EMIR)

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TITEL IV ANFORDERUNGEN AN CCPs KAPITEL 3 Aufsichtsrechtliche Anforderungen Artikel 40 – Management von Risikopositionen Eine CCP misst und bewertet in nahezu Echtzeit ihre Liquiditäts- und Kreditrisikopositionen in Bezug auf jedes Clearingmitglied und gegebenenfalls in Bezug auf eine andere CCP, mit der sie eine Interoperabilitätsvereinbarung geschlossen hat. Eine CCP muss über einen zeitnahen und diskriminierungsfreien Zugang zu den relevanten Quellen für die Preisermittlung verfügen, so dass sie ihre Risikopositionen effektiv messen kann. Dies hat auf einer angemessenen Kostengrundlage zu erfolgen. Artikel 41 – Einschussforderungen (1) Eine CCP schreibt Einschusszahlungen (margins) vor, fordert sie an und zieht sie ein, um ihre von ihren Clearingmitgliedern und gegebenenfalls von anderen CCPs, mit denen Interoperabilitätsvereinbarungen bestehen, ausgehenden Kreditrisiken zu begrenzen. Die entsprechenden Einschusszahlungen müssen ausreichen, um potenzielle Risiken zu decken, die nach Einschätzung der CCP bis zur Liquidierung der relevanten Positionen eintreten können. Die Einschusszahlungen müssen auch ausreichend sein, um Verluste aus mindestens 99 % der Forderungsveränderungen über einen angemessenen Zeithorizont zu decken, und sie müssen gewährleisten, dass eine CCP ihre Risikopositionen gegenüber allen ihren Clearingmitgliedern und gegebenenfalls gegenüber anderen CCPs, mit denen Interoperabilitätsvereinbarungen bestehen, in vollem Umfang mindestens auf Tagesbasis besichert. Eine CCP überwacht regelmäßig die Höhe der von ihr zu fordernden Einschusszahlungen und passt sie gegebenenfalls den aktuellen Marktbedingungen an; sie trägt dabei den potenziell prozyklischen Wirkungen solcher Anpassungen Rechnung. (2) Bei der Festlegung der von ihr eingeforderten Einschusszahlungen gibt eine CCP Modelle und Parameter vor, die die Risikomerkmale der geclearten Produkte berücksichtigen und dem Intervall der Einforderung der Einschusszahlungen, der Marktliquidität und der Möglichkeit von Veränderungen während der Laufzeit der Transaktion Rechnung tragen. Das Modell und die Parameter werden von der zuständigen Behörde validiert und sind Gegenstand einer Stellungnahme gemäß Artikel 19. (3) Eine CCP fordert Einschusszahlungen untertägig ein, und zwar mindestens dann, wenn zuvor festgelegte Schwellenwerte überschritten werden. (4) Eine CCP fordert Einschusszahlungen ein, die geeignet sind, die Risiken aus Positionen abzudecken, die in den einzelnen gemäß Artikel 39 in Bezug auf spezifische Finanzinstrumente geführten Konten registriert sind. Eine CCP kann Einschusszahlungen bezogen auf ein Portfolio von Finanzinstrumenten nur mittels einer konservativen und stabilen Methode berechnen. (5) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA nach Anhörung der EBA und des ESZB Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen der zweckmäßige Prozentsatz und die angemessenen Zeithorizonte für die Liquidierungsfrist und die Berechnung der historischen Volatilität gemäß Absatz 1 für die verschiedenen Kategorien von Finanzinstrumenten festgelegt werden; dabei ist dem Ziel der Vermeidung prozyklischer Effekte und den Bedingungen, unter denen die in Absatz 4 genannten Einschussregelungen bei Portfolien umgesetzt werden können, Rechnung zu tragen. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen.

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7. Teil. Organisationsregeln Artikel 42 – Ausfallfonds (1) Um ihr Kreditrisiko gegenüber ihren Clearingmitgliedern zusätzlich einzuschränken, unterhält eine CCP einen vorfinanzierten Ausfallfonds zur Deckung der Verluste, die aus dem Ausfall eines oder mehrerer Clearingmitglieder, einschließlich aus der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegenüber einem oder mehreren Clearingmitgliedern, entstehen und die von den Einschussanforderungen nach Artikel 41 gedeckten Verluste übersteigen. Die CCP legt eine Mindestsumme für den Ausfallfonds fest, die unter keinen Umständen unterschritten werden darf. (2) Eine CCP legt die Mindesthöhe der in den Ausfallfonds einzuzahlenden Beiträge sowie die Kriterien für die Berechnung der Beiträge der einzelnen Clearingmitglieder fest. Die Höhe des Beitrags muss dem Risiko des jeweiligen Clearingmitglieds angemessen sein. (3) Der Ausfallfonds muss die CCP in die Lage versetzen, unter extremen, aber plausiblen Marktbedingungen zumindest den Ausfall des Clearingmitglieds, gegenüber dem sie die höchsten Risikoositionen hält, oder, wenn diese Summe höher ist, der Clearingmitglieder, gegenüber denen sie die zweit- und dritthöchsten Risikopositionen hält, aufzufangen. Eine CCP entwickelt Szenarien extremer, aber plausibler Marktbedingungen. Die Szenarien beinhalten auch die volatilsten Perioden, die bisher auf den von ihr bedienten Märkten beobachtet wurden, und mehrere für die Zukunft denkbare Szenarien. Die Szenarien berücksichtigen ferner unerwartete Verkäufe von Finanzmitteln und einen schnellen Rückgang der Marktliquidität. (4) Eine CCP kann mehr als einen Ausfallfonds für die verschiedenen von ihr geclearten Kategorien von Instrumenten einrichten. (5) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA in enger Zusammenarbeit mit dem ESZB und nach Anhörung der EBA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen ein Rahmen für die Feststellung extremer, aber plausibler Marktbedingungen im Sinne des Absatzes 3 festgelegt wird; dieser Rahmen sollte herangezogen werden, wenn die Höhe des Ausfallfonds und der anderen in Artikel 43 genannten Finanzmittel bestimmt werden. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 43 – Sonstige Finanzmittel (1) Eine CCP muss ausreichende vorfinanzierte Finanzmittel vorhalten, um potenzielle Verluste zu decken, die über die von den Einschussanforderungen nach Artikel 41 und dem Ausfallfonds nach Artikel 42 gedeckten Verluste hinausgehen. Diese vorfinanzierten Finanzmittel müssen zugeordnete Finanzmittel der CCP umfassen und für die CCP frei verfügbar sein; sie dürfen nicht zur Deckung der Eigenkapitalanforderung nach Artikel 16 verwendet werden. (2) Der Ausfallfonds gemäß Artikel 42 und die sonstigen Finanzmittel gemäß Absatz 1 dieses Artikels müssen es der CCP jederzeit ermöglichen, unter extremen, aber plausiblen Marktbedingungen einen Ausfall mindestens der beiden Clearingmitglieder, gegenüber denen sie die höchsten Risikopositionen hält, aufzufangen. (3) Eine CCP kann von nicht ausfallenden Clearingmitgliedern verlangen, dass sie bei Ausfall eines anderen Clearingmitglieds zusätzliche Mittel bereitstellen. Die Clearingmitglieder einer CCP halten der CCP gegenüber begrenzte Risikopositionen. Artikel 44 – Kontrolle der Liquiditätsrisiken (1) Eine CCP muss jederzeit Zugang zu ausreichender Liquidität haben, um ihre Dienstleistungen und Tätigkeiten ausführen zu können. Zu diesem Zweck verschafft sie sich die erforderlichen Kreditlinien oder ähnliche Möglichkeiten zur Deckung ihres Liquiditätsbedarfs für den Fall, dass ihre Finanzmittel nicht sofort verfügbar sind. Ein Clearingmitglied und sein Mutterunternehmen oder eines seiner Tochterunternehmen dürfen zusammen höchstens 25 % der von der CCP benötigten Kreditlinien bereitstellen.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur Eine CCP ermittelt täglich ihren potenziellen Liquiditätsbedarf. Sie berücksichtigt dabei das Liquiditätsrisiko im Fall eines Ausfalls mindestens der beiden Clearingmitglieder, gegenüber denen sie die höchste Risikoposition hält. (2) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA nach Anhörung der zuständigen Behörden und der Mitglieder des ESZB Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen der Rahmen für die Kontrolle des Liquiditätsrisikos, dass CCPs gemäß Absatz 1 aufzufangen haben, festgelegt wird. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 45 – Wasserfallprinzip (1) Eine CCP verwendet die Einschusszahlungen eines ausgefallenen Clearingmitglieds, bevor sie andere Finanzmittel zur Deckung von Verlusten einsetzen kann. (2) Reichen die Einschusszahlungen des ausgefallenen Clearingmitglieds nicht zur Deckung der von der CCP erlittenen Verluste aus, greift die CCP auf den vom ausfallenden Mitglied in den Ausfallfonds eingezahlten Beitrag zurück, um diese Verluste zu decken. (3) Eine CCP verwendet die in den Ausfallfonds eingezahlten Beiträge der nicht ausgefallenen Clearingmitglieder und sonstige Finanzmittel nach Artikel 43 Absatz 1 erst dann, wenn die Beiträge des ausgefallenen Clearingmitglieds ausgeschöpft sind. (4) Eine CCP setzt zugeordnete Eigenmittel ein, bevor sie auf die in den Ausfallfonds eingezahlten Beiträge der nicht ausgefallenen Clearingmitglieder zurückgreift. Es ist einer CCP nicht gestattet, die von nicht ausfallenden Clearingmitgliedern geleisteten Einschusszahlungen zu verwenden, um Verluste aufgrund des Ausfalls eines anderen Clearingmitglieds zu decken. (5) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA nach Anhörung der jeweils zuständigen Behörden und der Mitglieder des ESZB Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen die Methode zur Berechnung und Beibehaltung des Betrags der Eigenmittel der CCP, die gemäß Absatz 4 einzusetzen sind, festgelegt wird. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 46 – Anforderungen an die Sicherheiten (1) Zur Deckung ihrer anfänglichen und laufenden Risikopositionen gegenüber ihren Clearingmitgliedern akzeptiert eine CCP nur hochliquide Sicherheiten mit minimalem Kredit- und Marktrisiko. Bei nichtfinanziellen Gegenparteien darf eine CCP Bankgarantien akzeptieren, wobei diese Garantien gegenüber einer Bank, die Clearingmitglied ist, als Bestandteil der Risikoposition dieser Bank berücksichtigt werden. Sie erhebt Sicherheitsabschläge auf Vermögenswerte, die dem Wertminderungspotenzial in dem Zeitraum zwischen der letzten Neubewertung und dem Zeitpunkt, bis zu dem nach vernünftigem Ermessen die Veräußerung erfolgen dürfte, entsprechen. Dabei trägt sie dem Liquiditätsrisiko infolge des Ausfalls eines Marktteilnehmers sowie dem Konzentrationsrisiko bei bestimmten Vermögenswerten unter anderem durch Forderung ausreichender Sicherheiten und Vornahme entsprechender Abschläge Rechnung. (2) Eine CCP kann – bei ausreichender Vorsicht – den Basiswert des Derivatekontrakts bzw. das Finanzinstrument, das die Risikoposition der CCP verursacht, als Sicherheit zur Deckung ihrer Einschussanforderungen akzeptieren, soweit dies angemessen erscheint. (3) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA nach Anhörung der EBA, des ESRB und des ESZB Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen Folgendes festgelegt ist:

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7. Teil. Organisationsregeln a) die Arten der Sicherheiten, die als hochliquide angesehen werden können, wie etwa Barmittel, Gold, Staatsanleihen sowie Unternehmensanleihen von sehr guter Bonität und gedeckte Schuldverschreibungen, b) die Abschläge nach Absatz 1 und c) die Bedingungen, die vorliegen müssen, damit Garantien von Geschäftsbanken gemäß Absatz 1 als Sicherheit akzeptiert werden können. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 47 – Anlagepolitik (1) Eine CCP legt ihre Finanzmittel ausschließlich in bar oder in hochliquiden Finanzinstrumenten mit minimalem Markt- und Kreditrisiko an. Die Anlagen einer CCP müssen schnell und mit minimalem negativem Preiseffekt liquidierbar sein. (2) Das Eigenkapital, einschließlich Gewinnrücklagen und sonstigen Rücklagen einer CCP, die nicht gemäß Absatz 1 angelegt werden, wird für die Zwecke des Artikels 16 Absatz 2 oder des Artikels 45 Absatz 4 nicht berücksichtigt. (3) Finanzinstrumente, die als Einschusszahlung oder als Beiträge zum Ausfallfonds hinterlegt werden, werden, soweit möglich, bei Betreibern von Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen hinterlegt, die einen umfassenden Schutz der betreffenden Finanzinstrumente gewährleisten. Alternativ können auch andere besonders sichere Vereinbarungen mit zugelassenen Finanzinstituten genutzt werden. (4) Geldanlagen einer CCP werden mittels besonders sicherer Vereinbarungen mit zugelassenen Finanzinstituten oder alternativ durch die Nutzung der ständigen Einlagefazilitäten der Zentralbanken oder anderer von den Zentralbanken bereitgestellter vergleichbarer Anlageformen getätigt. (5) Wenn eine CCP Vermögenswerte bei einem Dritten hinterlegt, stellt sie durch eine andere Bezeichnung der betreffenden Konten in den Büchern dieses Dritten oder durch andere gleichwertige Vorkehrungen, die dasselbe Schutzniveau garantieren, sicher, dass die Vermögenswerte, die von den Clearingmitgliedern stammen, von den eigenen Vermögenswerten der CCP und von den Vermögenswerten des Dritten unterschieden werden können. Bei Bedarf muss eine CCP sofortigen Zugang zu den Finanzinstrumenten haben. (6) Eine CCP legt ihr Kapital oder die aufgrund der Anforderungen gemäß den Artikeln 41, 42, 43 oder 44 erhaltenen Beträge nicht in eigenen Wertpapieren oder Wertpapieren ihres Mutterunternehmens oder ihres Tochterunternehmens an. (7) Bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigt eine CCP ihre Gesamtrisikoposition gegenüber Einzelschuldnern und trägt dafür Sorge, dass ihre Gesamtrisikoposition gegenüber Einzelschuldnern innerhalb akzeptabler Konzentrationsgrenzen bleibt. (8) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA nach Anhörung der EBA und der ESCB Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen die Einzelheiten betreffend die Finanzinstrumente gemäß Absatz 1, die als hochliquide betrachtet werden können und nur mit einem minimalen Markt- und Kreditrisiko behaftet sind, betreffend die besonders sicheren Vereinbarungen gemäß den Absätzen 3 und 4 und betreffend die Konzentrationsgrenzen gemäß Absatz 7 festgelegt werden. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur Artikel 48 – Verfahren bei Ausfall eines Clearingmitglieds (1) Eine CCP muss über detaillierte Verfahren verfügen, die in dem Fall Anwendung finden, dass ein Clearingmitglied die in Artikel 37 genannten Zulassungsvorschriften der CCP nicht innerhalb der von der CCP vorgegebenen Frist und im Einklang mit den von ihr festgelegten Verfahren erfüllt. Die CCP legt detailliert fest, welche Verfahren Anwendung finden, wenn dies nicht zu einem Ausfall eines Clearingmitglieds führt, der durch die CCP bekanntgegeben wird. Diese Verfahren werden jährlich überprüft. (2) Die CCP ergreift unverzüglich Maßnahmen, um Verluste und Liquiditätsengpässe, die sich durch den Ausfall von Clearingmitgliedern ergeben, zu begrenzen; dazu sorgt sie dafür, dass durch die Glattstellung der Positionen eines Clearingmitglieds ihr Geschäftsbetrieb nicht beeinträchtigt wird und die nicht ausfallenden Clearingmitglieder nicht Verlusten ausgesetzt werden, die sie nicht erwarten oder kontrollieren können. (3) Wenn die CCP der Auffassung ist, dass ein Clearingmitglied nicht in der Lage sein wird, seinen künftigen Verpflichtungen nachzukommen, unterrichtet sie unverzüglich die zuständige Behörde, bevor der Ausfall erklärt oder das entsprechende Verfahren angewendet wird. Die zuständige Behörde übermittelt diese Information umgehend an die ESMA, die einschlägigen Mitglieder des ESZB und die für die Beaufsichtigung des ausfallenden Clearingmitglieds verantwortliche Behörde. (4) Eine CCP überzeugt sich, dass ihre Verfahren bei einem Ausfall rechtlich durchsetzbar sind. Sie trifft alle angemessenen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass sie über die rechtlichen Befugnisse verfügt, um Eigenhandelspositionen des ausfallenden Clearingmitglieds abzuwickeln und die Kundenpositionen des ausfallenden Clearingmitglieds zu übertragen oder abzuwickeln. (5) Wenn Vermögenswerte und Positionen in den Aufzeichnungen und Abrechnungskonten einer CCP im Einklang mit Artikel 39 Absatz 2 als für die Rechnung der Kunden eines ausfallenden Clearingmitglieds geführt werden, verpflichtet sich die CCP zumindest vertraglich dazu, die Verfahren einzuleiten, mit denen die Vermögenswerte und Positionen, die das ausfallende Clearingmitglied für Rechnung der Kunden hält, auf Verlangen jener Kunden und ohne Zustimmung des ausfallenden Clearingmitglieds auf ein anderes, von den betreffenden Kunden benanntes Clearingmitglied zu übertragen. Dieses andere Clearingmitglied muss der Übertragung solcher Vermögenswerte und Positionen nur zustimmen, soweit es sich zuvor gegenüber den entsprechenden Kunden hierzu vertraglich verpflichtet hat. Findet die Übertragung auf das andere Clearingmitglied, gleich aus welchen Gründen, nicht innerhalb eines in den Betriebsvorschriften der CCP vorab festgelegten Übertragungszeitraums statt, kann die CCP alle nach ihren Vorschriften zulässigen Vorkehrungen treffen, um ihre Risiken in Bezug auf die betreffenden Positionen aktiv zu verwalten, wozu auch die Liquidierung der Vermögenswerte und Positionen zählt, die das ausfallende Clearingmitglied für Rechnung seiner Kunden hält. (6) Wenn Vermögenswerte und Positionen in den Aufzeichnungen und Abrechnungskonten einer CCP im Einklang mit Artikel 39 Absatz 3 als für die Rechnung des Kunden eines ausfallenden Clearingmitglieds geführt werden, verpflichtet sich die CCP zumindest vertraglich dazu, die Verfahren einzuleiten, mit denen die Vermögenswerte und Positionen, die das ausfallende Clearingmitglied für Rechnung der Kunden hält, auf Verlangen jener Kunden und ohne Zustimmung des ausfallenden Clearingmitglieds auf ein anderes, von dem betreffenden Kunden benanntes Clearingmitglied übertragen werden. Dieses andere Clearingmitglied muss der Übertragung solcher Vermögenswerte und Positionen nur zustimmen, soweit es sich zuvor gegenüber den entsprechenden Kunden hierzu vertraglich verpflichtet hat. Findet die Übertragung auf das andere Clearingmitglied, gleich aus welchen Gründen, nicht innerhalb eines in den Betriebsvorschriften der CCP vorab festgelegten Übertragungszeitraums statt, kann die CCP alle nach ihren Vorschriften zulässigen Vorkehrungen treffen, um ihre Risiken in Bezug auf die betreffenden Positionen aktiv zu verwalten, wozu auch die Liquidierung der Vermögenswerte und Positionen zählt, die das ausfallende Clearingmitglied für Rechnung des Kunden hält. (7) Sicherheiten von Kunden, die gemäß Artikel 39 Absätze 2 und 3 als solche gekennzeichnet sind, sind ausschließlich zur Besicherung der für die betreffenden Kunden gehaltenen Positionen zu verwenden. Eine CCP muss einen etwaige verbleibenden Überschuss nach Abschluss aller Verfahrensschritte beim Ausfall eines Clearingmitglieds unverzüglich den entsprechenden Kunden

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7. Teil. Organisationsregeln zurückgeben, soweit ihr diese bekannt sind; sind ihr die Kunden nicht bekannt, so sind die Sicherheiten dem Clearingmitglied für Rechnung seiner Kunden zurückzugeben. Artikel 49 – Überprüfung der Modelle, Stresstests und Backtesting (1) Eine CCP überprüft regelmäßig die Modelle und Parameter, die bei der Berechnung ihrer Einschussanforderungen, der Beiträge zum Ausfallfonds und der Anforderungen an die Sicherheiten zugrunde gelegt werden, sowie andere Risikokontrollmechanismen. Sie unterwirft die Modelle häufigen, strikten Stresstests, um ihre Belastbarkeit unter extremen, aber plausiblen Marktbedingungen zu bewerten, und sie führt Backtests durch, um die Zuverlässigkeit der angewandten Methodik zu beurteilen. Die CCP lässt eine unabhängige Validierung vornehmen, unterrichtet die für sie zuständige Behörde und die ESMA über die Ergebnisse der durchgeführten Tests und muss vor einer wesentlichen Änderung der Modelle und Parameter eine Validierung durch diese vornehmen lassen. Die angenommenen Modelle und Parameter sowie wesentliche Änderungen daran werden dem Kollegium zum Zwecke einer Stellungnahme gemäß Artikel 19 vorgelegt. Die ESMA stellt sicher, dass die Informationen über die Ergebnisse der Stresstests an die ESA weitergeleitet werden, damit diese das Risiko von Finanzunternehmen gegenüber dem Ausfall von CCPs bewerten können. (2) Eine CCP unterwirft die wesentlichen Aspekte ihrer Verfahren bei Ausfall eines Clearingmitglieds regelmäßigen Tests und ergreift alle angemessenen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass alle Clearingmitglieder diese Verfahren verstehen und geeignete Vorkehrungen getroffen haben, um bei einem Ausfall entsprechend reagieren zu können. (3) Eine CCP veröffentlicht Hauptaspekte zu ihrem Risikomanagementmodell und die bei der Durchführung des Stresstests gemäß Absatz 1 zugrunde gelegten Annahmen. (4) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA nach Anhörung der EBA, anderer jeweils zuständiger Behörden und der Mitglieder des ESZB Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen Folgendes festgelegt wird: a) Art der Tests, die für verschiedene Kategorien von Finanzinstrumenten und Portfolios durchzuführen sind; b) Einbeziehung von Clearingmitgliedern oder anderen Parteien in die Tests; c) Häufigkeit der Tests; d) Zeithorizont der Tests; e) Schlüsselinformationen gemäß Absatz 3. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 50 – Abwicklung (1) Eine CCP verwendet, soweit zweckmäßig und verfügbar, Zentralbankgeld für die Abwicklung ihrer Transaktionen. Wird kein Zentralbankgeld genutzt, werden Maßnahmen getroffen, um die mit dem Barausgleich verbundenen Risiken streng zu begrenzen. (2) Eine CCP legt in klarer Form ihre Verpflichtungen in Bezug auf die Lieferung von Finanzinstrumenten dar, unter anderem, ob sie verpflichtet ist, Finanzinstrumente zu liefern oder entgegenzunehmen, und ob sie Teilnehmer für Verluste im Zusammenhang mit der Lieferung entschädigt. (3) Ist eine CCP zur Lieferung oder Entgegennahme von Finanzinstrumenten verpflichtet, schaltet sie durch Anwendung des Prinzips „Lieferung gegen Zahlung“ das Erfüllungsrisiko weitestgehend aus.

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a) Einordnung und Überblick. Im Unterschied zu den allgemeinen Organisationspflichten der Artt. 26 ff. EMIR sind die in den Artt. 40 ff. geregelten Vorgaben für die Ri-

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

sikovorsorge und das Risikomanagement bereichsspezifisch auf die Besonderheiten des Geschäfts zentraler Gegenparteien ausgerichtet und ohne Regelungsvorbilder in den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Anforderungen an Gründung und Betrieb der Intermediäre und Betreiber der Handelsinfrastruktur. Auch diese Regelungen entsprechen indessen den auf der Ebene der internationalen Standardsetzung entwickelten Standards zur weltweiten Harmonisierung der Regulierungsanforderungen an die Finanzmarktinfrastruktur561 und nehmen Gestaltungsmuster für die Besicherungspraxis auf, die weltweit bereits vor diesen Entwicklungen etabliert waren.562 Innerhalb der institutionellen Anforderungen an den Betrieb zentraler Gegenparteien nehmen die Artt. 26 ff. EMIR insofern eine zentrale Rolle ein, als damit die für die finanzielle Solidität der CCP letztlich entscheidenden charakteristischen Solvenz- und Liquiditätsrisiken teils mit präventiv, teils situationsgebunden eingreifenden Sicherheitsmechanismen eingehegt werden sollen. Mit den einschlägigen Bestimmungen adressiert die EMIR einen Teilausschnitt der Probleme, die sich aus der – zumal infolge der Einführung von Clearingpflichten für OTC-Derivate weltweit stark gestiegenen (oben Rn 20) – Systemrelevanz zentraler Gegenparteien ergeben und zielt damit durchweg auf die Vermeidung bestandsgefährdender Schieflagen auch bei ad hoc auftretenden großen Verlusten und Belastungen ab. Insgesamt geht es mithin um die Insolvenzprophylaxe, nicht dagegen um Maßnahmen zur Insolvenzbewältigung. Funktional betrachtet, lassen sich die Artt. 26 ff. EMIR damit als Vorstufe des noch im Entwicklungsstadium begriffenen Rechtsrahmens für die Insolvenzbewältigung bei CCP (dazu oben Rn 20 a. E.) einordnen. Zivilrechtliche Relevanz im Sinne einer Haftung gegenüber Kunden haben die Anforderungen schon deshalb nicht unmittelbar, steuern aber mittelbar die Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen zwischen zentralen Gegenparteien und Clearingmitgliedern. b) Regelungsinhalte im Überblick. Mit dem Erfordernis der Festlegung verpflichtender 194 (Bar-)Sicherheiten in Gestalt sog. Einschusszahlungen („margins“) durch die Clearingmitglieder sowie ggf. die dem CCP im Rahmen von Interoperabilitätsvereinbarungen verbundenen anderen CCPs nimmt Art. 41 EMIR übliche Gestaltungsmuster auf und legt damit die Grundlage für die „erste Verteidigungslinie“ zur Abwehr der aus dem Ausfall der jeweiligen Vertragspartner resultierenden Belastungen.563 Die Mindestanforderungen an die zu fordernden Sicherheiten werden durch die Verordnung selbst nur teilweise vorgegeben (vgl. im Einzelnen Art. 41 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2 bis 4 EMIR) und werden durch die nach Abs. 5 der Vorschrift erlassenen Technischen Regulierungsstandards in den Artt. 24 bis 28 Del. VO (EU) 2013/153 (oben Rn 191) weiter konkretisiert. Anforderungen an die Qualität der Sicherheiten werden in Art. 46 EMIR vorgegeben und in Art. 37 bis 42 Del.

561

Committee on Payment and Settlement Systems/Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Principles for financial market infrastructures, 2012, S. 32, insbes. S. 36 ff.; siehe auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 608 f.; Turing Clearing and Settlement, Rn 7.31 ff., zur Umsetzung in der EMIR und zum Folgenden Wilhelmi/ Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Alfes Teil F, passim.

562

563

Vgl. allgemein zur Besicherungspraxis zentraler Gegenparteien z.B. Gregory Central Counterparties, S. 75 ff.; Schwarz Globaler Effektenhandel, S. 139 ff.; knapp auch Murphy OTC Derivatives, S. 163 ff.; eingehend Turing Clearing and Settlement, Rn 7.31 ff. Vgl. Erwägungsgrund 70 EMIR; näher Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Alfes Teil F Rn 15–37; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 608 ff.; näher Turing Clearing and Settlement, Rn 7.34.

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7. Teil. Organisationsregeln

VO (EU) 2013/153 weiter spezifiziert.564 Für den Fall von Verlusten, die durch die gestellten Sicherheiten nicht kompensiert werden, sieht Art. 42 EMIR als „zweite Verteidigungslinie“ die Einrichtung eines – ebenfalls Marktpraktiken entsprechenden – durch Beiträge der Clearingmitglieder ex ante finanzierten Ausfallfonds. Auch insoweit wird die Festlegung der Einzelheiten – insbesondere der Höhe der Beitragspflichten – der Gestaltung durch die zentralen Gegenparteien überlassen; wichtige Konkretisierungen sind allerdings wiederum in Technischen Regulierungsstandards enthalten (Artt. 29 bis 31 Del. VO (EU) 2013/153).565 Über die Pflicht zur Einrichtung eines Ausfallfonds hinaus verpflichten Art. 43 und Art. 44 EMIR die zentralen Gegenparteien zu weiteren Vorkehrungen für die Liquiditätsvorsorge in einem Ausmaß, das jedenfalls den Ausfall der beiden größten Clearingmitglieder verkraftbar macht.566 Die Grundsätze zur Verlusttragung – das sog. Wasserfallprinzip, wonach Verluste zunächst mit den von dem ausfallenden Mitglied selbst erbrachten Sicherheiten und Beiträgen zum Ausfallfonds zu kompensieren sind – sind in Art. 45 EMIR geregelt und werden in Artt. 35 und 36 Del. VO (EU) 2013/153 weiter konkretisiert.567 Art. 47 EMIR sowie Artt. 43 bis 46 Del. VO (EU) 2013/153 regeln ergänzend Anforderungen an die Anlagepolitik der zentralen Gegenparteien,568 Art. 48 EMIR sodann Anforderungen an die Ablauforganisation beim Ausfall eines Clearingmitglieds.569 Art. 49 EMIR schließlich verpflichtet in Verbindung mit Artt. 47–61 Del. VO (EU) 2013/153 die zentralen Gegenparteien zur regelmäßigen Überprüfung der im Rahmen der Risikovorsorge verwendeten Modelle und Parameter, Art. 50 EMIR statuiert die grundsätzliche Pflicht zur Verwendung von Zentralbankgeld für die Transaktionsabwicklung. 4. Interoperabilität (Titel V EMIR)

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TITEL V INTEROPERABILITÄTSVEREINBARUNGEN Artikel 51 – Interoperabilitätsvereinbarungen (1) Eine CCP kann eine Interoperabilitätsvereinbarung mit einer anderen CCP schließen, wenn die Anforderungen der Artikel 52, 53 und 54 erfüllt sind. (2) Im Falle des Abschlusses einer Interoperabilitätsvereinbarung mit einer anderen CCP zum Zwecke der Erbringung von Dienstleistungen für einen bestimmten Handelsplatz muss die CCP, sofern sie den von dem betreffenden Handelsplatz festgelegten operationellen und technischen Anforderungen genügt, einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Daten, die sie für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben vom betreffenden Handelsplatz benötigt, sowie zum entsprechenden Abwicklungssystem erhalten. (3) Der Abschluss einer Interoperabilitätsvereinbarung oder der Zugang zu einem Datenfeedoder einem Abwicklungssystem gemäß den Absätzen 1 und 2 dürfen nur dann direkt oder indirekt abgelehnt oder beschränkt werden, wenn damit die Abwehr der mit einer solchen Vereinbarung oder der Gewährung des Zugangs verbundenen Risiken bezweckt wird.

564

565

Dazu Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Alfes Teil F Rn 87–110; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 610. Dazu Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Alfes Teil F Rn 38–46; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 610 f.

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566 567 568 569

Dazu Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Alfes Teil F Rn 47–71. Dazu Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Alfes Teil F Rn 72–86. Dazu Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Alfes Teil F Rn 111–127. Dazu Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Alfes Teil F Rn 128–135.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur Artikel 52 – Risikomanagement (1) CCPs, die eine Interoperabilitätsvereinbarung schließen, müssen a) angemessene Strategien, Verfahren und Systeme einführen, die es ermöglichen, die aus der Vereinbarung erwachsenden Risiken wirksam zu identifizieren, zu überwachen und zu steuern, so dass sie ihren Verpflichtungen rechtzeitig nachkommen können; b) sich über ihre jeweiligen Rechte und Pflichten, einschließlich des auf die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen anwendbaren Rechts, verständigen; c) Kredit- und Liquiditätsrisiken wirksam identifizieren, überwachen und steuern, so dass der Ausfall eines Clearingmitglieds einer CCP keine Auswirkungen auf eine interoperable CCP hat; d) potenzielle Interdependenzen und Korrelationen identifizieren, überwachen und berücksichtigen, die sich aus einer Interoperabilitätsvereinbarung, die – sich auf Kredit- und Liquiditätsrisiken im Zusammenhang mit Konzentrationen von Clearingmitgliedern auswirken kann, sowie aus der Zusammenlegung von Finanzmitteln in einem Pool ergeben können. Für die Zwecke des Unterabsatzes 1 Buchstabe b wenden CCPs, soweit angebracht, dieselben Regeln hinsichtlich des Zeitpunkts des Einbringens von Übertragungsaufträgen in ihre jeweiligen Systeme und hinsichtlich des Zeitpunkts der Unwiderruflichkeit an, die in der Richtlinie 98/26/EG vorgesehen sind. Für die Zwecke des Unterabsatzes 1 Buchstabe c ist in den Bestimmungen der Vereinbarung der Prozess zur Bewältigung der Folgen des Ausfalls einer CCP, mit der eine Interoperabilitätsvereinbarung geschlossen wurde, darzulegen. Für die Zwecke des Unterabsatzes 1 Buchstabe d müssen die CCPs eine solide Kontrolle über die Weiterverfügung über die Sicherheiten der Clearingmitglieder im Rahmen der Vereinbarung ausüben können, soweit dies von den zuständigen Behörden gestattet wird. In der Vereinbarung ist darzulegen, wie diesen Risiken Rechnung getragen wird, wobei die Notwendigkeit einer ausreichenden Deckung sowie die Notwendigkeit einer Eindämmung der Ansteckungsgefahr zu berücksichtigen sind. (2) Verwenden CCPs unterschiedliche Risikomanagementmodelle zur Absicherung ihrer Risikopositionen gegenüber ihren Clearingmitgliedern oder ihrer gegenseitigen Risikopositionen, ermitteln die CCPs die betreffenden Unterschiede, bewerten die Risiken, die daraus erwachsen können, treffen Maßnahmen, einschließlich der Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel, die die Auswirkungen auf die Interoperabilitätsvereinbarung sowie die potenziellen Konsequenzen hinsichtlich Ansteckungsgefahren eindämmen, und sorgen dafür, dass diese Unterschiede die Fähigkeit der CCPs nicht beeinträchtigen, die Folgen des Ausfalls eines Clearingmitglieds zu bewältigen. (3) Soweit von den Parteien nicht anders vereinbart, sind alle Kosten, die in Verbindung mit den Absätzen 1 und 2 anfallen, von der CCP zu tragen, die die Interoperabilitätsvereinbarung oder den Zugang wünscht. Artikel 53 – Leistung von Einschusszahlungen im Rahmen der Vereinbarungen zwischen CCPs (1) Eine CCP weist in den Abrechnungskonten die Vermögenswerte und Positionen, die sie für die Rechnung von CCPs hält, mit denen sie eine Interoperabilitätsvereinbarung geschlossen hat, gesondert aus. (2) Wenn eine CCP, die eine Interoperabilitätsvereinbarung mit einer anderen CCP schließt, die Ersteinschusszahlungen nur als Finanzsicherheit in Form eines beschränkten dinglichen Rechts leistet, hat die empfangende CCP kein Verfügungsrecht über die von der anderen CCP geleisteten Einschusszahlungen. (3) Sicherheiten in Form von Finanzinstrumenten werden bei den Betreibern von Wertpapierliefer- und Abrechnungssystemen hinterlegt, die nach den Bestimmungen der Richtlinie 98/26/EG mitgeteilt wurden. (4) Die Vermögenswerte im Sinne der Absätze 1, 2 und 3 stehen der empfangenden CCP nur im Falle des Ausfalls der CCP, die die betreffende Sicherheit im Rahmen einer Interoperabilitätsvereinbarung gestellt hat, zur Verfügung.

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7. Teil. Organisationsregeln (5) Bei einem Ausfall der CCP, die eine Sicherheit im Rahmen einer Interoperabilitätsvereinbarung erhalten hat, werden die gemäß den Absätzen 1 und 2 hinterlegten Sicherheiten der CCP, die sie gestellt hat, ohne weiteres erstattet. Artikel 54 – Genehmigung einer Interoperabilitätsvereinbarung (1) Eine Interoperabilitätsvereinbarung unterliegt der vorherigen Genehmigung durch die für die beteiligten CCPs zuständigen Behörden. Dabei findet das Verfahren nach Artikel 17 Anwendung. (2) Die zuständigen Behörden genehmigen die Interoperabilitätsvereinbarung nur dann, wenn den beteiligten CCPs die Genehmigung erteilt wurde, das Clearing nach dem Verfahren des Artikels 17 vorzunehmen, oder die beteiligten CCPs gemäß Artikel 25 oder im Rahmen eines bereits bestehenden nationalen Zulassungssystems für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren zugelassen waren, die Bedingungen des Artikels 52 erfüllt sind und die technischen Bedingungen für Clearingtransaktionen nach den Bestimmungen der Vereinbarung ein reibungsloses und ordnungsgemäßes Funktionieren der Finanzmärkte ermöglichen und die Vereinbarung nicht die Wirksamkeit der Aufsicht beeinträchtigt. (3) Ist eine zuständige Behörde der Auffassung, dass die Anforderungen des Absatzes 2 nicht erfüllt sind, übermittelt sie den anderen zuständigen Behörden und den beteiligten CCPs eine schriftliche Erläuterung ihrer Risikoerwägungen. Außerdem unterrichtet sie die ESMA, die daraufhin eine Stellungnahme dazu abgibt, inwieweit die Risikoerwägungen stichhaltig sind und die Ablehnung einer Interoperabilitätsvereinbarung rechtfertigen. Die Stellungnahme der ESMA wird allen beteiligten CCPs zugänglich gemacht. Weicht die Stellungnahme der ESMA von der Einschätzung der jeweils zuständigen Behörde ab, überprüft letztere ihren Standpunkt unter Berücksichtigung der Stellungnahme der ESMA. (4) Die ESMA gibt gemäß dem Verfahren des Artikels 16 der Verordnung (EU) Nr. 1095/ 2010 spätestens bis zum 31. Dezember 2012 Leitlinien oder Empfehlungen für die Erstellung kohärenter, effizienter und wirksamer Bewertungen von Interoperabilitätsvereinbarungen heraus. Sie arbeitet nach Anhörung der Mitglieder des ESZB Entwürfe für diese Leitlinien oder Empfehlungen aus.

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Überblick und Einordnung: Die Regelungen zur Interoperabilität in Titel V regelt die Voraussetzungen für die Integration der Tätigkeit mehrerer CCP auf der Basis von Interoperabilitätsvereinbarungen, die von den für die Aufsicht über die beteiligten CCPs zuständigen Behörden genehmigt werden müssen. Die praktische Bedeutung ist derzeit gering, weshalb auf eine Kommentierung verzichtet wird.570

570

Siehe dazu eingehend Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt/Ruschkowski/Sigmundt Teil 5 D; knapp auch Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation,

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S. 612; eingehend zum Regelungshintergrund und zu den Einzelaspekten Turing Clearing and Settlement, Kap. 15.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur

5. Registrierung und Aufsicht von Transaktionsregistern (Titel VI EMIR)

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TITEL VI REGISTRIERUNG UND AUFSICHT VON TRANSAKTIONSREGISTERN KAPITEL 1 Bedingungen und Verfahren für die Registrierung eines Transaktionsregisters Artikel 55 – Registrierung eines Transaktionsregisters (1) Für die Zwecke des Artikels 9 lässt sich ein Transaktionsregister bei der ESMA registrieren. (2) Voraussetzung für eine Registrierung gemäß diesem Artikel ist, dass es sich bei dem Transaktionsregister um eine in der Union niedergelassene Rechtsperson handelt, die den Anforderungen des Titels VII genügt. (3) Die Registrierung eines Transaktionsregisters gilt für das gesamte Gebiet der Union. (4) Ein registriertes Transaktionsregister muss zu jedem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Registrierung erfüllen. Ein Transaktionsregister unterrichtet die ESMA unverzüglich über alle wesentlichen Änderungen der Voraussetzungen für die Registrierung. Artikel 56 – Registrierungsantrag (1) Ein Transaktionsregister richtet seinen Antrag auf Registrierung an die ESMA. (2) Innerhalb von 20 Arbeitstagen nach seinem Eingang überprüft die ESMA den Antrag auf Vollständigkeit. Ist der Antrag unvollständig, setzt die ESMA eine Frist, innerhalb deren ihr das Transaktionsregister zusätzliche Informationen zu übermitteln hat. Hat die ESMA festgestellt, dass der Antrag vollständig ist, teilt sie dies dem Transaktionsregister mit. (3) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen die Einzelheiten der Registrierung gemäß Absatz 1 festgelegt werden. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. (4) Um einheitliche Bedingungen für die Anwendung des Absatzes 1 zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA Entwürfe für technische Durchführungsstandard, in denen das Format des Antrags auf Registrierung bei der ESMA festgelegt wird. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Durchführungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 57 – Unterrichtung und Konsultation der zuständigen Behörden vor der Registrierung (1) Handelt es sich bei dem die Registrierung beantragenden Transaktionsregister um eine Einrichtung, die von einer zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem sie niedergelassen ist, zugelassen oder registriert wurde, so unterrichtet und konsultiert die ESMA unverzüglich diese zuständige Behörde, bevor sie die Registrierung des Transaktionsregisters vornimmt. (2) Die ESMA und die jeweils zuständige Behörde tauschen alle für die Registrierung des Transaktionsregisters erforderlichen Informationen sowie alle Informationen aus, die erforderlich sind, um zu prüfen, ob die Einrichtung die Voraussetzungen erfüllt, aufgrund deren ihre Registrierung oder Zulassung in dem Mitgliedstaat, in dem sie niedergelassen ist, erfolgte.

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7. Teil. Organisationsregeln Artikel 58 – Prüfung des Antrags (1) Die ESMA prüft den Registrierungsantrag innerhalb von 40 Werktagen nach der Mitteilung gemäß Artikel 56 Absatz 2 Unterabsatz 3 daraufhin, ob das Transaktionsregister die Artikel 78 bis 81 einhält, und erlässt einen ausführlich begründeten Beschluss über die Registrierung oder die Ablehnung der Registrierung. (2) Ein von der ESMA gemäß Absatz 1 erlassener Beschluss wird am fünften Werktag nach seinem Erlass wirksam. Artikel 59 – Mitteilung von Beschlüssen der ESMA in Bezug auf die Registrierung (1) Hat die ESMA einen Beschluss über die Registrierung oder einen Beschluss über die Ablehnung oder den Widerruf der Registrierung erlassen, teilt sie dies dem Transaktionsregister innerhalb von fünf Werktagen mit einer ausführlichen Begründung ihres Beschlusses mit. Die ESMA teilt der jeweils zuständigen Behörde nach Artikel 57 Absatz 1 unverzüglich ihren Beschluss mit. (2) Die ESMA unterrichtet die Kommission über jeden gemäß Absatz 1 erlassenen Beschluss. (3) Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website ein Verzeichnis der nach dieser Verordnung registrierten Transaktionsregister. Dieses Verzeichnis wird innerhalb von fünf Werktagen nach Erlass eines Beschlusses gemäß Absatz 1 aktualisiert. Artikel 60 – Ausübung der in den Artikeln 61 bis 63 genannten Befugnisse Die der ESMA oder Bediensteten der ESMA oder sonstigen von ihr bevollmächtigten Personen nach den Artikeln 61 bis 63 übertragenen Befugnisse dürfen nicht genutzt werden, um die Offenlegung von Informationen oder Unterlagen zu verlangen, die einem Rechtsprivileg unterliegen. Artikel 61 – Informationsersuchen (1) Die ESMA kann durch einfaches Ersuchen oder durch Beschluss von Transaktionsregistern und mit diesen verbundenen Dritten, an die die Transaktionsregister betriebliche Aufgaben oder Tätigkeiten ausgelagert haben, die Vorlage sämtlicher Informationen verlangen, die sie für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen dieser Verordnung benötigt. (2) Bei der Übermittlung eines einfachen Informationsersuchens nach Absatz 1 verfährt die ESMA wie folgt: a) Sie nimmt auf diesen Artikel als Rechtsgrundlage des Ersuchens Bezug; b) sie erläutert den Zweck des Ersuchens; c) sie erläutert die Art der geforderten Informationen; d) sie legt die Frist fest, innerhalb derer die Informationen beizubringen sind; e) sie unterrichtet die Person, von der die Informationen angefordert werden, darüber, dass sie nicht zu deren Übermittlung verpflichtet ist, dass jedoch die übermittelten Informationen im Falle einer freiwilligen Beantwortung des Ersuchens nicht falsch und irreführend sein dürfen, und f) sie nennt die nach Artikel 65 in Verbindung mit Anhang I Abschnitt IV Buchstabe a vorgesehene Geldbuße für den Fall, dass die Antworten auf die gestellten Fragen falsch oder irreführend sind. (3) Bei der Aufforderung zur Vorlage von Informationen nach Absatz 1 durch Beschluss verfährt die ESMA wie folgt: a) Sie nimmt auf diesen Artikel als Rechtsgrundlage des Ersuchens Bezug; b) sie erläutert den Zweck des Ersuchens; c) sie erläutert die Art der geforderten Informationen; d) Sie legt die Frist fest, innerhalb derer die Informationen beizubringen sind; e) sie nennt die nach Artikel 66 zu verhängenden Zwangsgelder, wenn die geforderten Informationen unvollständig sind; f) sie nennt die nach Artikel 65 in Verbindung mit Anhang I Abschnitt IV Buchstabe a vorgesehene Geldbuße für den Fall, dass die Antworten auf die gestellten Fragen falsch oder irreführend sind, und

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur g) sie weist auf das Recht nach den Artikeln 60 und 61 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 hin, vor dem Beschwerdeausschuss der ESMA Beschwerde gegen den Beschluss einzulegen und den Beschluss durch den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden „Gerichtshof“) überprüfen zu lassen. (4) Die in Absatz 1 genannten Personen oder deren Vertreter und bei juristischen Personen und nicht rechtsfähigen Vereinen die nach Gesetz oder Satzung zur Vertretung berufenen Personen stellen die geforderten Informationen zur Verfügung. Ordnungsgemäß bevollmächtigte Rechtsanwälte können die Auskünfte im Namen ihrer Mandanten erteilen. Letztere bleiben in vollem Umfang dafür verantwortlich, dass die erteilten Auskünfte vollständig, sachlich richtig und nicht irreführend sind. (5) Die ESMA übermittelt der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem die in Absatz 1 genannten und von dem Informationsersuchen betroffenen Personen ansässig oder niedergelassen sind, unverzüglich eine Kopie des einfachen Ersuchens oder ihres Beschlusses. Artikel 62 – Allgemeine Untersuchungen (1) Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dieser Verordnung kann die ESMA im Hinblick auf die in Artikel 61 Absatz 1 genannten Personen erforderliche Untersuchungen durchführen. Zu diesem Zweck haben die Bediensteten der ESMA und sonstige von ihr bevollmächtigte Personen die Befugnis, a) Aufzeichnungen, Daten, Verfahren und sonstiges für die Erfüllung ihrer Aufgaben relevantes Material unabhängig von der Speicherform zu prüfen; b) beglaubigte Kopien oder Auszüge dieser Aufzeichnungen, Daten, Verfahren und des sonstigen Materials anzufertigen oder zu verlangen; c) jede in Artikel 61 Absatz 1 genannte Person oder ihre Vertreter oder Beschäftigten vorzuladen und zur Abgabe mündlicher oder schriftlicher Erklärungen zu Sachverhalten oder Unterlagen aufzufordern, die mit Gegenstand und Zweck der Nachprüfung in Zusammenhang stehen, und die Antworten aufzuzeichnen; d) jede andere natürliche oder juristische Person zu befragen, die einer Befragung zum Zwecke des Erlangens von Informationen über einen Untersuchungsgegenstand zustimmt; e) Aufzeichnungen von Telefongesprächen und Datenübermittlungen anzufordern. (2) Die Bediensteten der ESMA und sonstige von ihr zu diesen Untersuchungen bevollmächtigte Personen im Sinne des Absatzes 1 üben ihre Befugnisse unter Vorlage einer schriftlichen Vollmacht aus, in der Gegenstand und Zweck der Untersuchung angegeben werden. Darüber hinaus wird in der Vollmacht angegeben, welche Zwangsgelder gemäß Artikel 66 für den Fall verhängt werden, dass die angeforderten Aufzeichnungen, Daten, Verfahren und das sonstige Material oder die Antworten auf die Fragen, die den in Artikel 61 Absatz 1 genannten Personen gestellt wurden, nicht bereitgestellt bzw. erteilt werden oder unvollständig sind, und welche Geldbußen gemäß Artikel 65 in Verbindung mit Anhang I Abschnitt IV Buchstabe b für den Fall verhängt werden, dass die Antworten auf die Fragen, die den in Artikel 61 Absatz 1 genannten Personen gestellt wurden, sachlich falsch oder irreführend sind. (3) Die in Artikel 61 Absatz 1 genannten Personen sind verpflichtet, sich den durch Beschluss der ESMA eingeleiteten Untersuchungen zu unterziehen. In dem Beschluss wird Folgendes angegeben: Gegenstand und Zweck der Untersuchung, die in Artikel 66 vorgesehenen Zwangsgelder, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 möglichen Rechtsbehelfe sowie das Recht, den Beschluss durch den Gerichtshof überprüfen zu lassen. (4) Die ESMA unterrichtet die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats, in dem die Untersuchung erfolgen soll, rechtzeitig über die bevorstehende Untersuchung und die Identität der bevollmächtigten Personen. Bedienstete der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats unterstützen auf Antrag der ESMA die bevollmächtigten Personen bei der Durchführung ihrer Aufgaben. Die Bediensteten der betreffenden zuständigen Behörde können auf Antrag auch an den Untersuchungen teilnehmen. (5) Setzt die Anforderung von Aufzeichnungen von Telefongesprächen oder Datenübermittlungen nach Absatz 1 Buchstabe e nach nationalem Recht eine gerichtliche Genehmigung voraus, so muss diese beantragt werden. Die Genehmigung kann auch vorsorglich beantragt werden.

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7. Teil. Organisationsregeln (6) Wird die in Absatz 5 genannte Genehmigung beantragt, so prüft das nationale Gericht, ob der Beschluss der ESMA echt ist und ob die beantragten Zwangsmaßnahmen im Hinblick auf den Gegenstand der Untersuchungen nicht willkürlich oder unverhältnismäßig sind. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahmen kann das nationale Gericht die ESMA um detaillierte Erläuterungen bitten, insbesondere in Bezug auf die Gründe, aus denen die ESMA annimmt, dass ein Verstoß gegen diese Verordnung erfolgt ist, sowie in Bezug auf die Schwere des mutmaßlichen Verstoßes und der Art der Beteiligung der den Zwangsmaßnahmen unterworfenen Person. Das nationale Gericht darf jedoch weder die Notwendigkeit der Untersuchung prüfen noch die Übermittlung der in den Akten der ESMA enthaltenen Informationen verlangen. Die Rechtmäßigkeit des Beschlusses der ESMA unterliegt ausschließlich der Prüfung durch den Gerichtshof nach dem in der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 vorgesehenen Verfahren. Artikel 63 – Prüfungen vor Ort (1) Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Sinne dieser Verordnung kann die ESMA alle erforderlichen Prüfungen vor Ort in den Geschäftsräumen oder auf den Grundstücken der in Artikel 61 Absatz 1 genannten juristischen Personen durchführen. Die ESMA kann die Prüfung vor Ort ohne vorherige Ankündigung durchführen, wenn die ordnungsgemäße Durchführung und die Wirksamkeit der Prüfung dies erfordern. (2) Die Bediensteten der ESMA und sonstige von ihr zur Durchführung der Prüfungen vor Ort bevollmächtigte Personen sind befugt, die Geschäftsräume oder Grundstücke der juristischen Personen, gegen die sich der Beschluss der ESMA über die Einleitung einer Untersuchung richtet, zu betreten und verfügen über sämtliche in Artikel 62 Absatz 1 genannten Befugnisse. Darüber hinaus sind sie befugt, die Geschäftsräume und Bücher oder Aufzeichnungen jeder Art für die Dauer und in dem Ausmaß zu versiegeln, wie es für die Prüfung erforderlich ist. (3) Die Bediensteten der ESMA und sonstige von ihr zur Durchführung der Prüfungen vor Ort bevollmächtigte Personen üben ihre Befugnisse unter Vorlage einer schriftlichen Vollmacht aus, in der der Gegenstand und der Zweck der Prüfung genannt werden, und angegeben wird, welche Zwangsgelder gemäß Artikel 66 für den Fall verhängt werden, dass sich die betreffenden Personen nicht der Prüfung unterziehen. Die ESMA setzt die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Prüfung vorgenommen werden soll, von der Prüfung rechtzeitig vor deren Beginn in Kenntnis. (4) Die in Artikel 61 Absatz 1 genannten Personen müssen sich den durch Beschluss der ESMA angeordneten Prüfungen vor Ort unterziehen. In dem Beschluss wird Folgendes angegeben: Gegenstand, Zweck und Zeitpunkt des Beginns der Untersuchung, die in Artikel 66 festgelegten Zwangsgelder, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 möglichen Rechtsbehelfe sowie das Recht, den Beschluss durch den Gerichtshof überprüfen zu lassen. Die ESMA fasst derartige Beschlüsse nach Anhörung der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Prüfung durchgeführt werden soll. (5) Die Bediensteten der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Prüfung vorgenommen werden soll, sowie von dieser Behörde entsprechend ermächtigte oder bestellte Personen unterstützen auf Ersuchen der ESMA die Bediensteten der ESMA und sonstige von ihr bevollmächtigte Personen aktiv. Sie verfügen hierzu über die in Absatz 2 genannten Befugnisse. Auch die Bediensteten der zuständigen Behörde des betroffenen Mitgliedstaats können auf Antrag an den Prüfungen vor Ort teilnehmen. (6) Die ESMA kann die zuständigen Behörden ebenfalls bitten, in ihrem Namen im Sinne dieses Artikels und des Artikels 62 Absatz 1 spezifische Untersuchungsaufgaben wahrzunehmen und Prüfungen vor Ort durchzuführen. Zu diesem Zweck haben die zuständigen Behörden dieselben Befugnisse wie die ESMA gemäß diesem Artikel und Artikel 62 Absatz 1. (7) Stellen die Bediensteten der ESMA und andere von ihr bevollmächtigte Begleitpersonen fest, dass sich eine Person einer nach Maßgabe dieses Artikels angeordneten Prüfung widersetzt, so gewährt die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats ihnen die erforderliche Unterstützung, wobei sie gegebenenfalls um den Einsatz von Polizeikräften oder einer entsprechenden vollziehenden Behörde ersucht, damit die Prüfung vor Ort durchgeführt werden kann.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur (8) Setzt die Prüfung vor Ort nach Absatz 1 oder die Unterstützung nach Absatz 7 nach nationalem Recht eine gerichtliche Genehmigung voraus, so ist diese zu beantragen. Die Genehmigung kann auch vorsorglich beantragt werden. (9) Wird die Genehmigung nach Absatz 8 beantragt, so prüft das nationale Gericht, ob der Beschluss der ESMA echt ist und ob die beantragten Zwangsmaßnahmen im Hinblick auf den Gegenstand der Untersuchung nicht willkürlich oder unverhältnismäßig sind. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahmen kann das nationale Gericht die ESMA um detaillierte Erläuterungen bitten. Dieses Ersuchen um detaillierte Erläuterungen kann sich insbesondere darauf beziehen, welche Gründe der ESMA Anlass zu der Vermutung geben, dass ein Verstoß gegen diese Verordnung vorliegt, sowie auf die Schwere des mutmaßlichen Verstoßes und die Art der Beteiligung der Person, gegen die sich die Zwangsmaßnahmen richten. Das nationale Gericht darf jedoch weder die Notwendigkeit der Prüfung prüfen noch die Übermittlung der in den Akten der ESMA enthaltenen Informationen verlangen. Die Rechtmäßigkeit des Beschlusses der ESMA unterliegt ausschließlich der Prüfung durch den Gerichtshof nach dem in der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 vorgesehenen Verfahren. Artikel 64 – Verfahrensvorschriften für Aufsichtsmaßnahmen und die Verhängung von Geldbußen (1) Stellt die ESMA bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dieser Verordnung fest, dass es ernsthafte Anhaltspunkte für das mögliche Vorliegen von Tatsachen gibt, die einen oder mehrere der in Anhang I aufgeführten Verstöße darstellen können, benennt sie aus dem Kreis ihrer Bediensteten einen unabhängigen Untersuchungsbeauftragten zur Untersuchung des Sachverhalts. Der benannte Beauftragte darf nicht direkt oder indirekt in die Beaufsichtigung oder das Registrierungsverfahren des betreffenden Transaktionsregisters einbezogen sein oder gewesen sein und nimmt seine Aufgaben unabhängig von der ESMA wahr. (2) Der Untersuchungsbeauftragte untersucht die mutmaßlichen Verstöße, wobei er alle Bemerkungen der Personen, die Gegenstand der Untersuchungen sind, berücksichtigt, und legt der ESMA eine vollständige Verfahrensakte mit seinen Feststellungen vor. Zur Erfüllung seiner Aufgaben kann der Untersuchungsbeauftragte von der Befugnis Gebrauch machen, nach Artikel 61 Informationen anzufordern und nach den Artikeln 62 und 63 Untersuchungen und Prüfungen vor Ort durchzuführen. Bei der Ausübung dieser Befugnisse muss der Untersuchungsbeauftragte Artikel 60 einhalten. Bei der Erfüllung seiner Aufgaben hat der Untersuchungsbeauftragte Zugang zu allen Unterlagen und Informationen, die die ESMA bei ihren Aufsichtstätigkeiten zusammengetragen hat. (3) Beim Abschluss seiner Untersuchung gibt der Untersuchungsbeauftragte den Personen, gegen die sich die Untersuchung richtet, Gelegenheit, zu den untersuchten Fragen angehört zu werden, bevor er der ESMA die Verfahrensakte mit seinen Feststellungen vorlegt. Der Untersuchungsbeauftragte stützt seine Feststellungen nur auf Tatsachen, zu denen die betreffenden Personen Stellung nehmen konnten. Die Verteidigungsrechte der betreffenden Personen müssen während der Untersuchungen nach diesem Artikel in vollem Umfang gewahrt werden. (4) Wenn der Untersuchungsbeauftragte der ESMA die Verfahrensakte mit seinen Feststellungen vorlegt, setzt er die Personen, gegen die sich die Untersuchungen richten, davon in Kenntnis. Die Personen, gegen die sich die Untersuchungen richten, haben das Recht auf Einsicht in die Verfahrensakte, vorbehaltlich des berechtigten Interesses anderer Personen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse. Das Recht auf Einsicht in die Verfahrensakte gilt nicht für vertrauliche Informationen, die Dritte betreffen. (5) Anhand der Verfahrensakte mit den Feststellungen des Untersuchungsbeauftragten und – wenn die betreffenden Personen darum ersuchen – nach der gemäß Artikel 67 erfolgten Anhörung der Personen, die Gegenstand der Untersuchungen waren, entscheidet die ESMA, ob die Personen, die Gegenstand der Untersuchungen waren, einen oder mehrere der in Anhang I aufgeführten Verstöße begangen haben; ist dies der Fall, ergreift sie eine Aufsichtsmaßnahme nach Artikel 73 und verhängt eine Geldbuße nach Artikel 65.

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7. Teil. Organisationsregeln (6) Der Untersuchungsbeauftragte nimmt nicht an den Beratungen der ESMA teil und greift auch nicht in anderer Weise in den Beschlussfassungsprozess der ESMA ein. (7) Die Kommission erlässt weitere Verfahrensvorschriften für die Ausübung der Befugnis zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern, einschließlich Bestimmungen zu den Verteidigungsrechten, zu Zeitpunkten und Fristen und zu der Einziehung der Geldbußen und Zwangsgelder, und erlässt detaillierte Bestimmungen zur Verjährung bezüglich der Verhängung und Vollstreckung von Sanktionen. Die Vorschriften nach Unterabsatz 1 werden anhand delegierter Rechtsakte nach Artikel 82 erlassen. (8) Die ESMA verweist strafrechtlich zu verfolgende Sachverhalte an die zuständigen nationalen Behörden, wenn sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dieser Verordnung feststellt, dass es ernsthafte Anhaltspunkte für das mögliche Vorliegen von Tatsachen gibt, die Straftaten darstellen können. Ferner sieht die ESMA davon ab, Geldbußen oder Zwangsgelder zu verhängen, wenn ein früherer Freispruch oder eine frühere Verurteilung aufgrund identischer Tatsachen oder im Wesentlichen gleichartiger Tatsachen als Ergebnis eines Strafverfahrens nach nationalem Recht bereits Rechtskraft erlangt hat. Artikel 65 – Geldbußen (1) Stellt die ESMA im Einklang mit Artikel 64 Absatz 5 fest, dass ein Transaktionsregister einen der in Anhang I genannten Verstöße vorsätzlich oder fahrlässig begangen hat, so fasst sie im Einklang mit Absatz 2 dieses Artikels einen Beschluss über die Verhängung einer Geldbuße. Ein Verstoß eines Transaktionsregisters gilt als vorsätzlich begangen, wenn die ESMA objektive Anhaltspunkte zum Nachweis dessen ermittelt hat, dass das Transaktionsregister oder seine Geschäftsleitung den Verstoß absichtlich begangen hat. (2) Für die Grundbeträge der gemäß Absatz 1 verhängten Geldbußen gelten die folgenden Ober- und Untergrenzen: a) bei Verstößen nach Anhang I Abschnitt I Buchstabe c, nach Anhang I Abschnitt II Buchstabe c bis g sowie nach Anhang I Abschnitt III Buchstaben a und b betragen die Geldbußen mindestens 10 000 EUR, höchstens aber 20 000 EUR; b) bei Verstößen nach Anhang I Abschnitt I Buchstabe a und b sowie d bis h sowie nach Anhang I Abschnitt II Buchstaben a, b und h betragen die Geldbußen mindestens 5 000 EUR, höchstens aber 10 000 EUR. Bei der Entscheidung darüber, ob der Grundbetrag einer Geldbuße eher an den in Unterabsatz 1 genannten Untergrenzen, in der Mitte oder den Obergrenzen liegen sollte, berücksichtigt die ESMA den Umsatz des betreffenden Transaktionsregisters im vorangegangenen Geschäftsjahr. Für Transaktionsregister mit einem Umsatz von weniger als 1 Mio. EUR liegt der Grundbetrag an den Untergrenzen, bei einem Umsatz zwischen 1 und 5 Mio. EUR in der Mitte und bei einem Umsatz von mehr als 5 Mio. EUR an den Obergrenzen. (3) Die Grundbeträge nach Absatz 2 werden nötigenfalls unter Berücksichtigung etwaiger erschwerender oder mildernder Faktoren entsprechend den in Anhang II festgelegten relevanten Koeffizienten angepasst. Die relevanten erschwerenden Koeffizienten werden einzeln auf den Grundbetrag angewendet. Ist mehr als ein erschwerender Koeffizient anzuwenden, wird die Differenz zwischen dem Grundbetrag und dem Betrag, der sich aus der Anwendung jedes einzelnen erschwerenden Koeffizienten ergibt, zum Grundbetrag hinzugerechnet. Die relevanten mildernden Koeffizienten werden einzeln auf den Grundbetrag angewendet. Ist mehr als ein mildernder Koeffizient anzuwenden, wird die Differenz zwischen dem Grundbetrag und dem Betrag, der sich aus der Anwendung jedes einzelnen mildernden Koeffizienten ergibt, vom Grundbetrag abgezogen. (4) Unbeschadet der Absätze 2 und 3 darf der Betrag der Geldbuße 20 % des Umsatzes des Transaktionsregisters im vorangegangenen Geschäftsjahr nicht überschreiten, und muss in dem

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur Fall, dass das Transaktionsregister direkt oder indirekt einen finanziellen Gewinn aus dem Verstoß gezogen hat, zumindest diesem Gewinn entsprechen. Hat ein Transaktionsregister als Folge einer Handlung oder Unterlassung mehr als einen der in Anhang I aufgeführten Verstöße begangen, so wird nur die höhere der gemäß den Absätzen 2 und 3 berechneten Geldbußen für einen der zugrunde liegenden Verstöße verhängt. Artikel 66 – Zwangsgelder (1) Die ESMA verhängt per Beschluss Zwangsgelder, um folgende Verpflichtungen aufzuerlegen: a) ein Transaktionsregister im Einklang mit einem Beschluss gemäß Artikel 73 Absatz 1 Buchstabe a zur Beendigung eines Verstoßes zu verpflichten, oder b) eine in Artikel 61 Absatz 1 genannte Person: i) zur Erteilung einer vollständigen Auskunft zu verpflichten, die die ESMA per Beschluss nach Artikel 61 angefordert hat; ii) zur Einwilligung in eine Untersuchung und insbesondere zur Vorlage vollständiger Unterlagen, Daten, Verfahren und sonstigen angeforderten Materials sowie zur Vervollständigung und Korrektur sonstiger im Rahmen einer per Beschluss nach Artikel 62 angeordneten Untersuchung beizubringender Informationen zu verpflichten, oder iii) zur Duldung einer Prüfung vor Ort zu verpflichten, die mit Beschluss gemäß Artikel 63 angeordnet wurde. (2) Ein Zwangsgeld muss wirksam und verhältnismäßig sein. Die Zahlung des Zwangsgelds wird für jeden Tag des Verzugs angeordnet. (3) Unbeschadet des Absatzes 2 beträgt das Zwangsgeld 3 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes im vorangegangenen Geschäftsjahr bzw. bei natürlichen Personen 2 % des durchschnittlichen Tageseinkommens im vorausgegangenen Kalenderjahr. Es wird ab dem im Beschluss über die Verhängung des Zwangsgelds festgelegten Termin berechnet. (4) Ein Zwangsgeld kann für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten ab der Bekanntgabe des Beschlusses der ESMA verhängt werden. Nach Ende dieses Zeitraums überprüft die ESMA diese Maßnahme. Artikel 67 – Anhörung der betreffenden Personen (1) Vor einem Beschluss über die Verhängung einer Geldbuße oder eines Zwangsgelds gemäß den Artikeln 65 und 66 gibt die ESMA den Personen, die dem Verfahren unterworfen sind, Gelegenheit, zu den im Rahmen des Verfahrens getroffenen Feststellungen angehört zu werden. Die ESMA stützt ihre Beschlüsse nur auf Feststellungen, zu denen sich die Personen, die dem Verfahren unterworfen sind, äußern konnten. (2) Die Verteidigungsrechte der Personen, die dem Verfahren unterworfen sind, müssen während des Verfahrens in vollem Umfang gewahrt werden. Sie haben Recht auf Einsicht in die Akten der ESMA, vorbehaltlich des berechtigten Interesses anderer Personen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse. Von der Akteneinsicht ausgenommen sind vertrauliche Informationen sowie interne vorbereitende Unterlagen der ESMA. Artikel 68 – Offenlegung, Art, Zwangsvollstreckung und Zuweisung der Geldbußen und Zwangsgelder (1) Die ESMA veröffentlicht sämtliche gemäß den Artikeln 65 und 66 verhängten Geldbußen und Zwangsgelder, sofern dies die Stabilität der Finanzmärkte nicht ernsthaft gefährdet oder den Beteiligten daraus kein unverhältnismäßiger Schaden erwächst. Diese Veröffentlichung darf keine personenbezogenen Daten im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 enthalten. (2) Gemäß den Artikeln 65 und 66 verhängte Geldbußen und Zwangsgelder sind administrativer Art. (3) Beschließt die ESMA, keine Geldbußen oder Zwangsgelder zu verhängen, so informiert sie das Europäische Parlament, den Rat, die Kommission und die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats entsprechend und legt die Gründe für ihren Beschluss dar.

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7. Teil. Organisationsregeln (4) Gemäß den Artikeln 65 und Artikel 66 verhängte Geldbußen und Zwangsgelder sind vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung erfolgt nach den Vorschriften des Zivilprozessrechts des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sie stattfindet. Die Vollstreckungsklausel wird nach einer Prüfung, die sich lediglich auf die Echtheit des Titels erstrecken darf, von der Behörde erteilt, die die Regierung jedes Mitgliedstaats zu diesem Zweck bestimmt und der ESMA und dem Gerichtshof benennt. Sind diese Formvorschriften auf Antrag der die Vollstreckung betreibenden Partei erfüllt, so kann diese die Zwangsvollstreckung nach innerstaatlichem Recht betreiben, indem sie die zuständige Stelle unmittelbar anruft. Die Zwangsvollstreckung kann nur durch eine Entscheidung des Gerichtshofs ausgesetzt werden. Für die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen sind jedoch die Rechtsprechungsorgane des betreffenden Mitgliedstaats zuständig. (5) Die Geldbußen und Zwangsgelder werden dem Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union zugewiesen. Artikel 69 – Kontrolle durch den Gerichtshof Der Gerichtshof besitzt die unbeschränkte Befugnis zur Überprüfung von Beschlüssen, mit denen die ESMA eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt hat. Er kann die verhängten Geldbußen oder Zwangsgelder aufheben, herabsetzen oder erhöhen. Artikel 70 – Änderungen des Anhangs II Um den Entwicklungen auf den Finanzmärkten Rechnung zu tragen, wird der Kommission die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 82 in Bezug auf Maßnahmen zur Änderung des Anhangs II delegierte Rechtsakte zu erlassen. Artikel 71 – Widerruf der Registrierung (1) Unbeschadet des Artikels 73 widerruft die ESMA die Registrierung eines Transaktionsregisters, wenn das Transaktionsregister a) ausdrücklich auf die Registrierung verzichtet oder in den letzten sechs Monaten keine Dienstleistungen erbracht hat; b) die Registrierung aufgrund falscher Erklärungen oder auf sonstige rechtswidrige Weise erlangt hat oder c) Die an die Registrierung geknüpften Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. (2) Die ESMA teilt der jeweils zuständigen Behörde nach Artikel 57 Absatz 1 unverzüglich ihren Beschluss mit, die Registrierung eines Transaktionsregisters zu widerrufen. (3) Vertritt die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, in dem das Transaktionsregister seine Dienstleistungen und Tätigkeiten erbringt, die Auffassung, dass eine der Bedingungen des Absatzes 1 erfüllt ist, kann sie die ESMA auffordern zu überprüfen, ob die Bedingungen für den Widerruf der Registrierung des betreffenden Transaktionsregisters erfüllt sind. Beschließt die ESMA, die Registrierung des betreffenden Transaktionsregisters nicht zu widerrufen, so begründet sie dies umfassend. (4) Die in Absatz 3 genannte zuständige Behörde ist die gemäß Artikel 22 benannte Behörde. Artikel 72 – Gebühren für die Beaufsichtigung (1) Die ESMA stellt den Transaktionsregistern gemäß dieser Verordnung und gemäß den nach Absatz 3 erlassenen delegierten Rechtsakten Gebühren in Rechnung. Diese Gebühren decken die Aufwendungen der ESMA im Zusammenhang mit der Registrierung und Beaufsichtigung von Transaktionsregistern und die Erstattung der Kosten, die den zuständigen Behörden bei Durchführung von Arbeiten nach dieser Verordnung – insbesondere infolge einer Delegierung von Aufgaben nach Artikel 74 – entstehen können, voll ab. (2) Die Höhe einer von einem Transaktionsregister zu entrichtenden Gebühr deckt alle Verwaltungskosten der ESMA im Zusammenhang mit ihren Registrierungs- und Beaufsichtigungstätigkeiten ab und steht in einem angemessenen Verhältnis zum Umsatz des betreffenden Transaktionsregisters.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur (3) Die Kommission erlässt einen delegierten Rechtsakt nach Artikel 82, durch den die Art der Gebühren, die Tatbestände, für die Gebühren zu entrichten sind, die Höhe der Gebühren und die Art und Weise, wie sie zu zahlen sind, genauer festgelegt werden. Artikel 73 – Aufsichtsmaßnahmen der ESMA (1) Stellt die ESMA gemäß Artikel 64 Absatz 5 fest, dass ein Transaktionsregister einen der in Anhang I aufgeführten Verstöße begangen hat, fasst sie einen oder mehrere der nachfolgenden Beschlüsse: a) Aufforderung an das Transaktionsregister, den Verstoß zu beenden; b) Verhängung von Geldbußen gemäß Artikel 65; c) öffentliche Bekanntmachung; d) als letztes Mittel Widerruf der Registrierung des Transaktionsregisters. (2) Beim Erlass der Beschlüsse gemäß Absatz 1 berücksichtigt die ESMA die Art und die Schwere des Verstoßes anhand folgender Kriterien: a) Dauer und Häufigkeit des Verstoßes; b) die Tatsache, ob der Verstoß schwerwiegende oder systemische Schwächen der Verfahren des Unternehmens oder seiner Managementsysteme oder internen Kontrollen aufgedeckt hat; c) die Tatsache, ob ein Finanzverbrechen verursacht oder erleichtert wurde oder ansonsten mit dem Verstoß in Verbindung steht; d) Die Tatsache, ob der Verstoß vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde. (3) Die ESMA teilt dem betreffenden Transaktionsregister unverzüglich jeden aufgrund Absatz 1 gefassten Beschluss mit und setzt die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Sie macht jeden derartigen Beschluss innerhalb von zehn Arbeitstagen ab dem Datum seines Erlasses auf ihrer Website öffentlich bekannt. Bei der öffentlichen Bekanntmachung ihres Beschlusses gemäß Unterabsatz 1 gibt die ESMA auch öffentlich bekannt, dass das betreffende Transaktionsregister das Recht hat, gegen den Beschluss Beschwerde einzulegen, und gegebenenfalls, dass Beschwerde eingelegt wurde, wobei sie darauf hinweist, dass die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat und dass der Beschwerdeausschuss der ESMA die Möglichkeit hat, die Anwendung des angefochtenen Beschlusses nach Artikel 60 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 auszusetzen. Artikel 74 – Delegation von Aufgaben durch die ESMA an die zuständigen Behörden (1) Soweit es für die ordnungsgemäße Erfüllung einer Aufsichtsaufgabe erforderlich ist, kann die ESMA spezifische Aufsichtsaufgaben gemäß den von der ESMA nach Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 herausgegebenen Leitlinien an die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats delegieren. Zu diesen spezifischen Aufsichtsaufgaben können insbesondere die Befugnis zum Stellen von Informationsersuchen gemäß Artikel 61 und zur Durchführung von Untersuchungen und Prüfungen vor Ort gemäß Artikel 62 und Artikel 63 Absatz 6 zählen. (2) Bevor die ESMA Aufgaben delegiert, konsultiert sie die jeweils zuständige Behörde. Gegenstand der Konsultation sind a) der Umfang der zu delegierenden Aufgabe, b) der Zeitplan für die Ausführung der Aufgabe und c) die Übermittlung erforderlicher Informationen durch und an die ESMA. (3) Gemäß der von der Kommission nach Artikel 72 Absatz 3 angenommenen Gebührenverordnung erstattet die ESMA einer zuständigen Behörde die Kosten, die dieser bei der Durchführung delegierter Aufgaben entstanden sind. (4) Die ESMA überprüft den Beschluss nach Absatz 1 in angemessenen Zeitabständen. Eine Delegation von Aufgaben kann jederzeit widerrufen werden. (5) Eine Delegation von Aufgaben berührt nicht die Zuständigkeit der ESMA und schränkt die Möglichkeit der ESMA, die delegierte Tätigkeit durchzuführen und zu überwachen, nicht ein. Aufsichtsbefugnisse nach dieser Verordnung, einschließlich Registrierungsbeschlüsse, endgültige Bewertungen und Folgebeschlüsse im Zusammenhang mit Verstößen, dürfen nicht delegiert werden.

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7. Teil. Organisationsregeln

KAPITEL 2 Beziehungen zu Drittstaaten Artikel 75 – Gleichwertigkeit und internationale Übereinkünfte (1) Die Kommission kann einen Durchführungsrechtsakt erlassen, in dem sie feststellt, dass die Rechts- und Aufsichtsmechanismen eines Drittstaats gewährleisten, dass a) die in diesem Drittstaat zugelassenen Transaktionsregister rechtsverbindliche Anforderungen erfüllen, die denen dieser Verordnung entsprechen, b) in diesem Drittstaat dauerhaft eine wirksame Beaufsichtigung der Transaktionsregister und eine wirkungsvolle Rechtsdurchsetzung sichergestellt ist und c) Garantien hinsichtlich des Berufsgeheimnisses bestehen, einschließlich des Schutzes der von den Behörden mit Dritten geteilten Geschäftsgeheimnisse, und diese Garantien mindestens denen dieser Verordnung gleichwertig sind. Der genannte Durchführungsrechtsakt wird nach dem Prüfverfahren des Artikels 86 Absatz 2 erlassen. (2) Die Kommission unterbreitet dem Rat gegebenenfalls, und in jedem Fall nach dem Erlass eines Durchführungsrechtsakts gemäß Absatz 1, Empfehlungen für die Aushandlung internationaler Übereinkünfte mit den einschlägigen Drittstaaten über den gegenseitigen Zugang zu Informationen über Derivatekontrakte, die in Transaktionsregistern in dem betreffenden Drittstaat erfasst sind, und den Austausch solcher Informationen in einer Weise, die sicherstellt, dass die Behörden der Union, einschließlich der ESMA, unmittelbaren und ständigen Zugang zu allen Informationen haben, die sie zur Ausübung ihrer Aufgaben benötigen. (3) Nach dem Abschluss der Übereinkünfte gemäß Absatz 2 und im Einklang mit ihnen schließt die ESMA Kooperationsvereinbarungen mit den zuständigen Behörden der betroffenen Drittstaaten. In diesen Vereinbarungen wird mindestens Folgendes festgelegt: a) ein Mechanismus für den Austausch von Informationen zwischen der ESMA und anderen Behörden der Union, die Aufgaben aufgrund dieser Verordnung wahrnehmen, einerseits und den jeweils zuständigen Behörden der betroffenen Drittstaaten andererseits und b) Verfahren für die Koordinierung von Aufsichtstätigkeiten. (4) Die ESMA wendet in Bezug auf die Übermittlung personenbezogener Daten an Drittstaaten die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 an. Artikel 76 – Kooperationsvereinbarungen Die einschlägigen Behörden von Drittstaaten, in denen kein Transaktionsregister ansässig ist, können sich an die ESMA wenden, um Kooperationsvereinbarungen über den Zugang zu Informationen über in Transaktionsregistern der Union erfasste Derivatekontrakte zu treffen. Die ESMA kann Kooperationsvereinbarungen mit den genannten Behörden treffen über den Zugang zu Informationen über in Transaktionsregistern der Union erfasste Derivatekontrakte, die diese Behörden zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben und Mandate benötigen, vorausgesetzt, dass Garantien hinsichtlich des Berufsgeheimnisses bestehen, einschließlich des Schutzes der von den Behörden mit Dritten geteilten Geschäftsgeheimnisse. Artikel 77 – Anerkennung von Transaktionsregistern (1) Ein in einem Drittstaat ansässiges Transaktionsregister kann Dienstleistungen und Tätigkeiten für in der Union ansässige Einrichtungen für die Zwecke des Artikels 9 nur erbringen, nachdem es von der ESMA gemäß Absatz 2 anerkannt wurde. (2) Ein Transaktionsregister im Sinne des Absatzes 1 richtet seinen Antrag auf Anerkennung zusammen mit allen erforderlichen Informationen an die ESMA, einschließlich mindestens der Informationen, die erforderlich sind, um zu überprüfen, dass das Transaktionsregister zugelassen ist und einer wirksamen Aufsicht in einem Drittstaat unterliegt, der a) von der Kommission im Wege eines Durchführungsrechtsakts gemäß Artikel 75 Absatz 1 als Staat anerkannt wurde, der über einen gleichwertigen und durchsetzbaren Rechts- und Aufsichtsrahmen verfügt,

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur b) mit der Union eine internationale Übereinkunft gemäß Artikel 75 Absatz 2 geschlossen hat und c) mit der Union Kooperationsvereinbarungen gemäß Artikel 75 Absatz 3 getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Behörden der Union, einschließlich der ESMA, unmittelbaren und ständigen Zugang zu allen erforderlichen Informationen haben. Die ESMA prüft den Antrag innerhalb von 30 Arbeitstagen nach Eingang auf Vollständigkeit. Ist der Antrag unvollständig, so setzt die ESMA eine Frist, innerhalb deren ihr das beantragende Transaktionsregister zusätzliche Informationen zu übermitteln hat. Innerhalb von 180 Arbeitstagen nach Übermittlung eines vollständigen Antrags informiert die ESMA das beantragende Transaktionsregister schriftlich darüber, ob die Anerkennung gewährt oder abgelehnt wurde und begründet ihre Entscheidung umfassend. Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website ein Verzeichnis der nach dieser Verordnung anerkannten Transaktionsregister.

TITEL VII ANFORDERUNGEN AN TRANSAKTIONSREGISTER Artikel 78 – Allgemeine Anforderungen (1) Ein Transaktionsregister muss über solide Regelungen zur Unternehmensführung verfügen, wozu eine klare Organisationsstruktur mit genau abgegrenzten, transparenten und kohärenten Verantwortungsbereichen und angemessenen Mechanismen der internen Kontrolle einschließlich solider Verwaltungs- und Rechnungslegungsverfahren zählen, die jede Offenlegung vertraulicher Informationen verhindern. (2) Ein Transaktionsregister muss auf Dauer wirksame, in schriftlicher Form festgelegte organisatorische und administrative Vorkehrungen treffen, um potenzielle Interessenkonflikte, die seine Manager, Beschäftigten oder andere mit diesen direkt oder indirekt durch eine enge Verbindung verbundene Personen betreffen, zu erkennen und zu regeln. (3) Ein Transaktionsregister führt angemessene Strategien und Verfahren ein, die ausreichend sind, um die Einhaltung sämtlicher Bestimmungen dieser Verordnung, auch durch seine Manager und Beschäftigten, sicherzustellen. (4) Ein Transaktionsregister muss dauerhaft über eine angemessene Organisationsstruktur verfügen, die die Kontinuität und das ordnungsgemäße Funktionieren des Transaktionsregisters im Hinblick auf die Erbringung seiner Dienstleistungen und Ausübung seiner Tätigkeiten gewährleistet. Es muss angemessene und geeignete Systeme, Ressourcen und Verfahren einsetzen. (5) Bietet ein Transaktionsregister Nebendienstleistungen an, wie Geschäftsbestätigung, Geschäftsabgleich, Dienstleistungen bei Kreditereignissen, Portfolioabgleich und Portfoliokomprimierung, so muss das Transaktionsregister diese Nebendienstleistungen betrieblich von seiner Aufgabe der zentralen Erfassung und Verwahrung der Aufzeichnungen zu Derivatekontrakten getrennt halten. (6) Die Geschäftsleitung und die Mitglieder des Leitungsorgans eines Transaktionsregisters müssen gut beleumundet sein und über ausreichende Erfahrung verfügen, um ein solides und umsichtiges Management des Transaktionsregisters sicherzustellen. (7) Ein Transaktionsregister legt objektive, diskriminierungsfreie und öffentlich zugängliche Anforderungen für den Zugang von Unternehmen, die der Meldepflicht nach Artikel 9 unterliegen, fest. Es gewährt externen Dienstleistungsanbietern diskriminierungsfrei Zugang zu den Informationen in dem Transaktionsregister, sofern die jeweiligen Gegenparteien dem zugestimmt haben. Kriterien, die den Zugang beschränken, sind nur insoweit zulässig, als mit ihnen das Ziel verfolgt wird, die Risiken für die von einem Transaktionsregister verwalteten Daten zu kontrollieren. (8) Ein Transaktionsregister veröffentlicht die im Zusammenhang mit den nach dieser Verordnung erbrachten Dienstleistungen zu zahlenden Preise und Entgelte. Es legt die Preise und Entgelte für alle Einzeldienstleistungen offen, einschließlich der Abschläge und Rabatte sowie der Bedingungen für die Gewährung entsprechender Nachlässe. Es ermöglicht den meldenden Ein-

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7. Teil. Organisationsregeln richtungen den Zugang zu einzelnen Diensten. Die von einem Transaktionsregister in Rechnung gestellten Preise und Entgelte müssen im Verhältnis zum Aufwand stehen. Artikel 79 – Operationelle Zuverlässigkeit (1) Ein Transaktionsregister ermittelt Quellen operationeller Risiken und minimiert diese Risiken durch Entwicklung geeigneter Systeme, Kontrollen und Verfahren. Solche Systeme müssen zuverlässig und sicher sein und über eine ausreichende Kapazität zur Bearbeitung der eingehenden Informationen verfügen. (2) Ein Transaktionsregister hat eine angemessene Strategie für die Fortführung des Geschäftsbetriebs und einen Notfallwiederherstellungsplan festzulegen, umzusetzen und zu befolgen, die eine Aufrechterhaltung der Funktionen des Transaktionsregisters, eine rechtzeitige Wiederherstellung des Geschäftsbetriebs sowie die Erfüllung der Pflichten des Transaktionsregisters gewährleisten. Ein solcher Plan muss mindestens die Implementierung von Backup-Systemen vorsehen. (3) Ein Transaktionsregister, dessen Registrierung widerrufen wurde, muss für die ordnungsgemäße Ersetzung sorgen, einschließlich des Datentransfers auf andere Transaktionsregister und der Umleitung der Meldungen auf andere Transaktionsregister. Artikel 80 – Schutz und Speicherung der Daten (1) Ein Transaktionsregister gewährleistet Vertraulichkeit, Integrität und Schutz der gemäß Artikel 9 erhaltenen Informationen. (2) Ein Transaktionsregister darf die Daten, die es nach dieser Verordnung erhält, für gewerbliche Zwecke nur nutzen, wenn die jeweiligen Gegenparteien ihre Zustimmung dazu erteilt haben. (3) Ein Transaktionsregister zeichnet umgehend die gemäß Artikel 9 empfangenen Informationen auf und bewahrt sie mindestens für einen Zeitraum von zehn Jahren nach Beendigung der entsprechenden Kontrakte auf. Es wendet effiziente Verfahren zur zeitnahen Aufzeichnung an, um Änderungen der aufgezeichneten Informationen zu dokumentieren. (4) Ein Transaktionsregister berechnet die Positionen nach Derivatekategorien und nach meldenden Einrichtungen auf der Grundlage der gemäß Artikel 9 übermittelten Angaben zu den Derivatekontrakten. (5) Ein Transaktionsregister ermöglicht den Vertragsparteien, zeitnah auf die Informationen zu einem Kontrakt zuzugreifen und sie gegebenenfalls zu korrigieren. (6) Ein Transaktionsregister trifft alle angemessenen Maßnahmen, um einen Missbrauch der in seinen Systemen abgespeicherten Informationen zu unterbinden. Eine natürliche Person mit einer engen Verbindung zu einem Transaktionsregister oder eine juristische Person, die in einer Mutter-Tochter-Beziehung zu dem Transaktionsregister steht, darf von einem Transaktionsregister aufgezeichnete vertrauliche Informationen nicht für gewerbliche Zwecke nutzen. Artikel 81 – Transparenz und Datenverfügbarkeit (1) Ein Transaktionsregister veröffentlicht regelmäßig und auf leicht zugängliche Art und Weise zu den gemeldeten Kontrakten die aggregierten Positionen nach Derivatekategorien. (2) Ein Transaktionsregister erhebt Daten, hält sie vor und stellt sicher, dass die in Absatz 3 genannten Stellen unmittelbaren Zugang zu den Einzelheiten von Derivatekontrakten haben, die sie für die Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben und Mandate benötigen. (3) Ein Transaktionsregister macht folgenden Stellen die für die Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben und Mandate erforderlichen Informationen zugänglich: a) der ESMA, b) dem ESRB, c) der zuständigen Behörde, die die CCPs mit Zugang zum Transaktionsregister beaufsichtigt; d) der zuständigen Behörde, die die Aufsicht über die Handelsplätze für die Ausführung der gemeldeten Kontrakte führt;

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur e) den einschlägigen Mitgliedern des ESZB; f) den einschlägigen Behörden eines Drittstaats, der eine internationale Übereinkunft nach Artikel 75 mit der Union geschlossen hat; g) den gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote benannten Aufsichtsbehörden; h) den einschlägigen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörden der Union; i) den einschlägigen Behörden eines Drittstaats, die eine Kooperationsvereinbarung nach Artikel 76 mit der ESMA geschlossen haben; j) der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden. (4) Die ESMA übermittelt anderen einschlägigen Behörden der Union die Informationen, die diese für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigen. (5) Um die einheitliche Anwendung dieses Artikels zu gewährleisten, erarbeitet die ESMA nach Anhörung der Mitglieder des ESZB Entwürfe für technische Regulierungsstandards, in denen die Häufigkeit der Übermittlung und die Einzelheiten der in den Absätzen 1 und 3 genannten Informationen angegeben werden, sowie die operationellen Standards, die für die Zusammenstellung und den Vergleich von Daten zwischen den Registern und nötigenfalls für den Zugang der in Absatz 3 genannten Stellen zu diesen Informationen erforderlich sind. Diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards zielen darauf ab, sicherzustellen, dass es aufgrund der gemäß Absatz 1 veröffentlichten Informationen nicht möglich ist, Rückschlüsse auf eine Vertragspartei zu ziehen. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe für technische Regulierungsstandards bis zum 30. September 2012 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Artikel 82 – Ausübung der Befugnisübertragung (1) Die der Kommission übertragene Befugnis zum Erlass delegierter Rechtakte unterliegt den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen. (2) Die in Artikel 1 Absatz 6, Artikel 64 Absatz 7, Artikel 70, Artikel 72 Absatz 3 und Artikel 85 Absatz 2 genannte Befugnisübertragung auf die Kommission gilt auf unbestimmte Zeit. (3) Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission nach Möglichkeit die ESMA. (4) Die in Artikel 1 Absatz 6, Artikel 64 Absatz 7, Artikel 70, Artikel 72 Absatz 3 und Artikel 85 Absatz 2 genannte Befugnisübertragung kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Ein Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der darin angegebenen Befugnis. Der Beschluss über den Widerruf wird am Tag nach dem Datum seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem darin genannten späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt. (5) Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat. (6) Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 1 Absatz 6, Artikel 64 Absatz 7, Artikel 70, Artikel 72 Absatz 3 und Artikel 85 Absatz 2 erlassen worden ist, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben hat oder wenn vor Ablauf dieser Frist sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird die Frist um drei Monate verlängert.

Regelungshintergrund und Einordnung. Die Vorschriften über die Registrierung von 198 Transaktionsregistern (engl. „Trade Repositories“) sowie die Aufsicht darüber in Titel VI der EMIR regeln die institutionellen Grundlagen für die Tätigkeit der Transaktionsregister als neuer Akteur der Nachhandelsinfrastruktur (siehe schon Grundmann 6. Teil Rn 680 f.). Jens-Hinrich Binder

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7. Teil. Organisationsregeln

Auch damit folgt das Europäische Kapitalmarktrecht den auf der Ebene der internationalen Standardsetzung entwickelten Grundsätzen für die Regulierung der Finanzmarktinfrastruktur.571 Artt. 55 bis 59 EMIR regeln insoweit das Verfahren der Registrierung von Transaktionsregistern, Artt. 60 bis 74 aufsichtsrechtliche Kompetenzen und Sanktionen sowie Fragen des Rechtsschutzes. Die in Kapitel 2 zusammengefassten Bestimmungen der Artt. 75 bis 77 EMIR ermöglichen die Anerkennung von Transaktionsregistern mit Sitz in Drittstaaten auf der Grundlage von Gleichwertigkeitsprüfungen durch Kommission und ESMA sowie die Möglichkeit von Mitgliedstaaten ohne eigene Transaktionsregister, durch Kooperationsvereinbarungen den Zugang zu einem Register in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu eröffnen. Die Regelungen sind ohne unmittelbare Transaktionsrelevanz und daher im hiesigen Zusammenhang nicht im Detail zu kommentieren. Entsprechendes gilt für die in Titel VII EMIR geregelten institutionell-prudenziellen Anforderungen an Transaktionsregister (Art. 78 EMIR), die sich wiederum inhaltlich an die allgemeinen bankaufsichts- und kapitalmarktrechtlichen Intermediärpflichten anlehnen, sowie die ablauforganisatorischen Vorgaben für die Tätigkeit der Transaktionsregister (Artt. 79 bis 81 EMIR).572 6. Sonstiges (nur Abdruck)

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TITEL VIII GEMEINSAME BESTIMMUNGEN Artikel 83 – Wahrung des Berufsgeheimnisses (1) Die Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses gilt für alle Personen, die für die gemäß Artikel 22 benannten zuständigen Behörden und für die in Artikel 81 Absatz 3 genannten Behörden, für die ESMA oder für die von den zuständigen Behörden oder der ESMA beauftragten Prüfer und Sachverständigen tätig sind oder tätig waren. Unbeschadet der Fälle, die unter das Strafrecht oder das Steuerrecht fallen, und der Bestimmungen dieser Verordnung dürfen die genannten Personen vertrauliche Informationen, die sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben erhalten, an keine Person oder Behörde weitergeben, es sei denn in zusammengefasster oder aggregierter Form, so dass einzelne CCPs, Transaktionsregister oder sonstige Personen nicht identifiziert werden können. (2) Wenn für eine CCP durch Gerichtsbeschluss das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Zwangsabwicklung eingeleitet worden ist, können vertrauliche Informationen, die sich nicht auf Dritte beziehen, in zivil- oder handelsrechtlichen Verfahren weitergegeben werden, sofern dies für das betreffende Verfahren erforderlich ist. (3) Unbeschadet der unter das Strafrecht oder das Steuerrecht fallenden Fälle dürfen die zuständigen Behörden, die ESMA und andere Stellen oder andere natürliche oder juristische Personen, bei denen es sich nicht um die zuständigen Behörden handelt, vertrauliche Informationen, die sie aufgrund dieser Verordnung erhalten, nur zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben und zur Ausübung ihrer Funktionen verwenden, und zwar im Fall der zuständigen Behörden im Rahmen dieser Verordnung und im Fall anderer Behörden, Stellen oder natürlicher oder juristischer Personen für die Zwecke, für die ihnen die entsprechenden Informationen zur Verfügung gestellt wurden, und/oder in Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren, die in besonderem Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Funktionen stehen. Erteilt jedoch die ESMA, die zuständige Behörde oder eine an-

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Siehe Committee on Payment and Settlement Systems/Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Principles for financial market infrastructures, 2012, Tz. 1.14; Financial Stability Board, Implementing OTC Deriva-

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tives Reforms, 2010, S. 44 ff.; Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt/Zeitz Teil 6 A; näher Turing Clearing and Settlement, Rn 4.19–4.22. Einführend Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 614 f.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur dere Behörde, Stelle oder Person, die Informationen übermittelt, ihre Zustimmung, darf die Behörde, die Empfänger der Informationen ist, diese auch für andere nichtkommerzielle Zwecke verwenden. (4) Vertrauliche Informationen, die aufgrund dieser Verordnung empfangen, ausgetauscht oder übermittelt werden, unterliegen den Vorschriften der Absätze 1, 2 und 3 über das Berufsgeheimnis. Diese Bestimmungen hindern allerdings die ESMA, die zuständigen Behörden oder die zuständigen Zentralbanken nicht daran, vertrauliche Informationen im Einklang mit dieser Verordnung und mit anderen für Wertpapierfirmen, Kreditinstitute, Pensionsfonds, OGAW, AIFM, Versicherungs- und Rückversicherungsvermittler, Versicherungsunternehmen, geregelte Märkte oder Marktteilnehmer geltenden Rechtsvorschriften mit Zustimmung der zuständigen Behörde bzw. der anderen Behörde oder Stelle oder der sonstigen juristischen oder natürlichen Person, die die Informationen übermittelt hat, auszutauschen oder zu übermitteln. (5) Die Absätze 1, 2 und 3 stehen dem Austausch oder der Weitergabe vertraulicher Informationen, die nicht von einer zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats empfangen wurden, durch die zuständigen Behörden im Einklang mit dem nationalen Recht nicht entgegen. Artikel 84 – Informationsaustausch (1) Die ESMA, die zuständigen Behörden sowie andere einschlägige Behörden übermitteln einander unverzüglich die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen. (2) Die zuständigen Behörden, die ESMA, andere einschlägige Behörden und andere Stellen oder natürliche oder juristische Personen, die bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß dieser Verordnung in den Besitz vertraulicher Informationen gelangen, dürfen diese ausschließlich im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben verwenden. (3) Die zuständigen Behörden teilen den einschlägigen Mitgliedern des ESZB Informationen mit, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben relevant sind.

TITEL IX ÜBERGANGS- UND SCHLUSSBESTIMMUNGEN Artikel 85 – Berichte und Überprüfung (1) Die Kommission überprüft diese Verordnung bis zum 17. August 2015 und erstellt einen allgemeinen Bericht über sie. Die Kommission legt den Bericht dem Europäischen Parlament und dem Rat vor, gegebenenfalls zusammen mit geeigneten Vorschlägen. Die Kommission wird insbesondere wie folgt tätig: a) sie prüft in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des ESZB, ob es notwendig ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang von CCPs zu Zentralbank-Liquiditätsfazilitäten zu erleichtern; b) sie nimmt in Abstimmung mit der ESMA und den relevanten sektoralen Behörden eine Bewertung der systemischen Bedeutung der Transaktionen von Nichtfinanzunternehmen mit OTC-Derivaten und insbesondere der Auswirkungen dieser Verordnung auf die Verwendung von OTC-Derivaten durch Nichtfinanzunternehmen vor; c) sie nimmt anhand der bisherigen Erfahrungen eine Bewertung des Funktionierens des Aufsichtsrahmens für CCPs, einschließlich der Wirksamkeit der Tätigkeit der Kollegien von Aufsichtsbehörden, der entsprechenden Abstimmungsmodalitäten nach Artikel 19 Absatz 3 und der Rolle der ESMA, insbesondere bei der Zulassung von CCPs, vor; d) sie bewertet in Zusammenarbeit mit der ESMA und dem ESRB die Effizienz von Einschussanforderungen zur Begrenzung der prozyklischen Effekte und die Notwendigkeit zur Festlegung einer zusätzlichen Interventionsmöglichkeit in diesem Bereich; e) sie bewertet in Zusammenarbeit mit der ESMA, wie sich die Strategien der CCPs bezüglich der Anforderungen an Einschusszahlungen und andere Sicherungsmittel und deren Anpassung an die spezifischen Tätigkeiten und Risikoprofile ihrer Nutzer entwickelt haben. Bei der in Unterabsatz 1 Buchstabe a genannten Bewertung sind etwaige Ergebnisse der laufenden Arbeiten zwischen den Zentralbanken auf der Ebene der Union und auf internationaler Ebene in Betracht zu ziehen. Bei dieser Prüfung ist auch dem Grundsatz der Unabhängigkeit der Zentralbanken und ihrem Recht, nach eigenem Ermessen Zugang zu Liquiditätsfazilitäten zu ge-

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7. Teil. Organisationsregeln währen, sowie potenziellen unbeabsichtigten Auswirkungen auf das Verhalten der CCPs oder den Binnenmarkt Rechnung zu tragen. Etwaige Vorschläge, die dieser Bewertung beigegeben werden, dürfen einzelne Mitgliedstaaten oder Gruppen von Mitgliedstaaten als Ort für die Erbringung von Clearingdiensten weder direkt noch indirekt diskriminieren. (2) Bis zum 17. August 2014 arbeitet die Kommission nach Anhörung der ESMA und der EIOPA einen Bericht aus, in dem eine Bewertung der Fortschritte und Anstrengungen der CCPs bei der Erarbeitung technischer Lösungen für die Übertragung unbarer Sicherheiten als Nachschusszahlungen durch Altersversorgungssysteme sowie der gegebenenfalls notwendigen Maßnahmen zur Erleichterung einer solchen Lösung vorgenommen wird. Für den Fall, dass die Kommission der Auffassung ist, dass die notwendigen Bemühungen um geeignete technische Lösungen nicht unternommen worden sind und dass die nachteiligen Auswirkungen eines zentralen Clearings von Derivatekontrakten auf die Ruhestandseinkünfte künftiger Rentenempfänger bestehen bleiben, wird ihr die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 82 in Bezug auf die Verlängerung des in Artikel 89 Absatz 1 genannten Dreijahreszeitraums einmal um zwei Jahre und einmal um ein Jahr delegierte Rechtsakte zu erlassen. (3) Die ESMA unterbreitet der Kommission Berichte a) über die Anwendung der Clearingpflicht gemäß Titel II und insbesondere das Fehlen einer Clearingpflicht in Bezug auf OTC-Derivatekontrakte, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung geschlossen wurden; b) über die Anwendung des Verfahrens für die Ermittlung nach Artikel 5 Absatz 3; c) über die Anwendung der Bestimmungen über die Kontentrennung nach Artikel 39; d) über die Ausweitung des Anwendungsbereichs von Interoperabilitätsvereinbarungen gemäß Titel V auf andere Kategorien von Finanzinstrumenten als übertragbare Wertpapiere und Geldmarktinstrumente; e) über den Zugang von CCPs zu Handelsplätzen, die Auswirkungen bestimmter Praktiken auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Auswirkungen auf die Fragmentierung der Liquidität; f) über den Personal- und Ressourcenbedarf der ESMA, der sich aus der Wahrnehmung der Befugnisse und Aufgaben nach dieser Verordnung ergibt; g) über die Auswirkungen der Anwendung zusätzlicher Anforderungen durch Mitgliedstaaten gemäß Artikel 14 Absatz 5. Diese Berichte werden der Kommission bis zum 30. September 2014 für die Zwecke des Absatzes 1 übermittelt. Sie werden auch dem Europäischen Parlament und dem Rat unterbreitet. (4) Die Kommission erstellt in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der ESMA und nach Anforderung der Bewertung durch den ESRB einen jährlichen Bericht, in dem die möglichen Auswirkungen von Interoperabilitätsvereinbarungen auf das Systemrisiko und die Kosten bewertet werden. Der Bericht enthält zumindest Angaben zur Anzahl und zur Komplexität entsprechender Vereinbarungen und geht auf die Angemessenheit der Risikomanagementsysteme und -modelle ein. Die Kommission legt den Bericht dem Europäischen Parlament und dem Rat vor, gegebenenfalls zusammen mit geeigneten Vorschlägen. Der ESRB legt der Kommission seine Bewertung der möglichen Auswirkungen von Interoperabilitätsvereinbarungen auf das Systemrisiko vor. (5) Die ESMA legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission einen jährlichen Bericht über die von den zuständigen Behörden verhängten Sanktionen, einschließlich Aufsichtsmaßnahmen, Geldbußen und Zwangsgelder, vor. Artikel 86 – Ausschussverfahren (1) Die Kommission wird von dem durch den Beschluss 2001/528/EG der Kommission eingesetzten Europäischen Wertpapierausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/ 2011.

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur Artikel 87 – Änderung der Richtlinie 98/26/EG (1) In Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 98/26/EG wird folgender Unterabsatz angefügt: „Hat ein Systembetreiber einem anderen Systembetreiber im Rahmen eines interoperablen Systems eine dingliche Sicherheit geleistet, so werden die Rechte des die Sicherheit leistenden Systembetreibers an dieser Sicherheit von Insolvenzverfahren gegen den die Sicherheit empfangenden Systembetreiber nicht berührt.“ (2) Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 17. August 2014 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um Absatz 1 nachzukommen. Sie unterrichten die Kommission unverzüglich davon. Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf die Richtlinie 98/26/EG Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme. Artikel 88 – Websites (1) Die ESMA unterhält eine Website, auf der sie über Folgendes informiert: a) Kontrakte, die gemäß Artikel 5 für die Clearingpflicht in Betracht kommen, b) Sanktionen, die bei Verstößen gegen die Artikel 4, 5 und 7 bis 11 verhängt werden, c) die CCPs, die befugt sind, in der Union Dienstleistungen oder Tätigkeiten anzubieten, und die in der Union niedergelassen sind, sowie die Dienstleistungen oder Tätigkeiten, die sie erbringen bzw. ausüben dürfen, einschließlich der Kategorien von Finanzinstrumenten, die von ihrer Zulassung abgedeckt sind, d) Sanktionen, die bei Verstößen gegen die Titel IV und V verhängt werden, e) die CCPs, die befugt sind, in der Union Dienstleistungen oder Tätigkeiten anzubieten, und in einem Drittstaat ansässig sind, sowie die Dienstleistungen oder Tätigkeiten, die sie erbringen bzw. ausüben dürfen, einschließlich der Kategorien von Finanzinstrumenten, die von ihrer Zulassung abgedeckt sind, f) Transaktionsregister, die befugt sind, Dienstleistungen oder Tätigkeiten in der Union anzubieten, g) Geldbußen und Zwangsgelder, die gemäß den Artikeln 65 und 66 verhängt werden, h) das öffentliche Register nach Artikel 6. (2) Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstaben b, c und d unterhalten die zuständigen Behörden Websites, die mit der Website der ESMA verknüpft sind. (3) Alle in diesem Artikel genannten Websites müssen öffentlich zugänglich sein, regelmäßig aktualisiert werden und die Informationen in verständlicher Form zur Verfügung stellen. Artikel 89 – Übergangsbestimmungen (1) Während drei Jahren ab dem Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung findet die Clearingpflicht nach Artikel 4 keine Anwendung auf OTC-Derivatekontrakte, die objektiv messbar die Anlagerisiken reduzieren, welche unmittelbar mit der Zahlungsfähigkeit von Altersversorgungssystemen im Sinne des Artikels 2 Nummer 10 verbunden sind. Die Übergangsfrist gilt auch für Einrichtungen, die zu dem Zweck errichtet wurden, die Mitglieder von Altersversorgungssystemen bei einem Ausfall zu entschädigen. Für von diesen Einrichtungen während des genannten Zeitraums geschlossene OTC-Derivatekontrakte, die anderenfalls der Clearingpflicht nach Artikel 4 unterliegen würden, gelten die Anforderungen des Artikels 11. (2) In Bezug auf Altersversorgungssysteme im Sinne des Artikels 2 Nummer 10 Buchstaben c und d wird die in Absatz 1 dieses Artikels genannte Befreiung durch die jeweils zuständige Behörde für Arten von Einrichtungen oder Arten von Systemen gewährt. Nach Eingang des Antrags benachrichtigt die zuständige Behörde die ESMA und die EIOPA. Innerhalb von 30 Kalendertagen ab dem Eingang der Benachrichtigung gibt die ESMA nach Anhörung der EIOPA eine Stellungnahme dazu ab, ob die betreffende Art von Einrichtungen oder die betreffende Art von Systemen Artikel 2 Nummer 10 Buchstabe c oder d erfüllt, und die Gründe dafür, weshalb eine Befreiung aufgrund von Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Nachschussanforderungen gerechtfertigt ist. Die zuständige Behörde gewährt eine Befreiung nur dann, wenn ihr hinreichend nach-

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7. Teil. Organisationsregeln gewiesen wurde, dass die betreffende Art von Einrichtungen oder die betreffende Art von Systemen Artikel 2 Nummer 10 Buchstabe c oder d genügt und dass Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Nachschussanforderungen auftreten. Sie trifft ihre Entscheidung innerhalb von zehn Arbeitstagen ab dem Eingang der Stellungnahme der ESMA und trägt dabei dieser Stellungnahme gebührend Rechnung. Folgt die zuständige Behörde der Stellungnahme der ESMA nicht, muss ihre Entscheidung eine ausführliche Begründung und eine Erläuterung erheblicher Abweichungen von der Stellungnahme enthalten. Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website ein Verzeichnis der Arten von Einrichtungen und der Arten von Systemen im Sinne des Artikels 2 Nummer 10 Buchstaben c und d, denen eine Befreiung nach Unterabsatz 1 gewährt wurde. Um bei den Ergebnissen der Aufsicht eine größere Angleichung zu erreichen, unterzieht die ESMA die in dem Verzeichnis genannten Einrichtungen jährlich einer vergleichenden Analyse nach Artikel 30 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010. (3) Eine CCP, die in ihrem Niederlassungsmitgliedstaat für die Erbringung von Clearingdienstleistungen im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats zugelassen wurde, bevor alle technischen Regulierungsstandards nach den Artikeln 4, 5, 8 bis 11, 16, 18, 25, 26, 29, 34, 41, 42, 44, 45, 46, 47, 49, 56 und 81 von der Kommission erlassen wurden, muss binnen sechs Monaten nach dem Tag des Inkrafttretens sämtlicher technischen Regulierungsstandards nach den Artikeln 16, 25, 26, 29, 34, 41, 42, 44, 45, 47 und 49 eine Zulassung nach Artikel 14 für die Zwecke dieser Verordnung beantragen. Eine in einem Drittstaat ansässige CCP, die in einem Mitgliedstaat für die Erbringung von Clearingdienstleistungen im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats zugelassen wurde, bevor alle technischen Regulierungsstandards nach den Artikeln 16, 26, 29, 34, 41, 42, 44, 45, 47 und 49 von der Kommission erlassen wurden, muss binnen sechs Monaten nach dem Tag des Inkrafttretens sämtlicher technischen Regulierungsstandards nach den Artikeln 16, 26, 29, 34, 41, 42, 44, 45, 47 und 49 eine Zulassung nach Artikel 25 für die Zwecke dieser Verordnung beantragen. (4) Bis eine Entscheidung nach dieser Verordnung über die Zulassung oder Anerkennung einer CCP getroffen ist, gelten die jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften über die Zulassung und Anerkennung von CCPs weiter, und die CCP wird weiterhin von der zuständigen Behörde ihres Niederlassungs- oder Anerkennungsmitgliedstaats beaufsichtigt. (5) Hat eine zuständige Behörde eine CCP für das Clearing einer bestimmten Kategorie von Derivaten im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften ihres Mitgliedstaats zugelassen, bevor alle technischen Regulierungsstandards nach den Artikeln 16, 26, 29, 34, 41, 42, 45, 47 und 49 von der Kommission erlassen wurden, setzt die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats die ESMA binnen eines Monats nach dem Tag des Inkrafttretens der technischen Regulierungsstandards nach Artikel 5 Absatz 1 von dieser Zulassung in Kenntnis. Hat eine zuständige Behörde eine in einem Drittstaat ansässige CCP für die Erbringung von Clearingdienstleistungen im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften ihres Mitgliedstaats zugelassen, bevor alle technischen Regulierungsstandards nach den Artikeln 16, 26, 29, 34, 41, 42, 45, 47 und 49 von der Kommission erlassen wurden, setzt die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats die ESMA binnen eines Monats nach dem Tag des Inkrafttretens der technischen Regulierungsstandards nach Artikel 5 Absatz 1 von dieser Zulassung in Kenntnis. (6) Ein Transaktionsregister, das in dem Mitgliedstaat, in dem es niedergelassen ist, für die Erfassung und Verwahrung von Aufzeichnungen zu Derivatekontrakten im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats zugelassen oder registriert wurde, bevor alle technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards nach den Artikeln 9, 56 und 81 von der Kommission erlassen wurden, muss binnen sechs Monaten nach dem Tag des Inkrafttretens dieser technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards die Registrierung nach Artikel 55 beantragen. Ein in einem Drittstaat niedergelassenes Transaktionsregister, das in einem Mitgliedstaat für die Erfassung und Verwahrung von Aufzeichnungen zu Derivatekontrakten im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats zugelassen wurde, bevor alle technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards nach den Artikeln 9, 56 und 81 von der Kom-

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3. Abschnitt. Organisationspflichten für die Marktinfrastruktur mission erlassen wurden, muss binnen sechs Monaten nach dem Tag des Inkrafttretens dieser technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards die Anerkennung nach Artikel 77 beantragen. (7) Bis eine Entscheidung nach dieser Verordnung über die Registrierung oder Anerkennung eines Transaktionsregisters getroffen ist, gelten die jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften über die Zulassung, Registrierung und Anerkennung von Transaktionsregistern weiter, und das Transaktionsregister wird weiterhin von der zuständigen Behörde seines Niederlassungs- oder Anerkennungsmitgliedstaats beaufsichtigt. (8) Ein Transaktionsregister, das in dem Mitgliedstaat, in dem es ansässig ist, für die Erfassung und Verwahrung von Aufzeichnungen zu Derivatekontrakten im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats zugelassen oder registriert wurde, bevor die technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards nach den Artikeln 56 und 81 von der Kommission erlassen wurden, kann genutzt werden, um der Meldepflicht nach Artikel 9 nachzukommen, bis eine Entscheidung aufgrund dieser Verordnung über seine Registrierung getroffen ist. Ein in einem Drittstaat ansässiges Transaktionsregister, das für die Erfassung und Verwahrung von Aufzeichnungen zu Derivatekontrakten im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zugelassen wurde, bevor alle technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards nach den Artikeln 56 und 81 von der Kommission erlassen wurden, kann genutzt werden, um der Meldepflicht nach Artikel 9 nachzukommen, bis eine Entscheidung nach dieser Verordnung über seine Anerkennung getroffen ist. (9) Unbeschadet des Artikels 81 Absatz 3 Buchstabe f kann ein Transaktionsregister in Fällen, in denen keine internationale Übereinkunft nach Artikel 75 zwischen einem Drittstaat und der Union besteht, den einschlägigen Behörden dieses Drittstaats die erforderlichen Informationen bis zum 17. August 2013 übermitteln, vorausgesetzt, dass es die ESMA unterrichtet. Artikel 90 – Personal und Ressourcen der ESMA Die ESMA beurteilt bis zum 31. Dezember 2012 den Personal- und Ressourcenbedarf, der sich aus der Wahrnehmung der ihr gemäß dieser Verordnung übertragenen Befugnisse und Aufgaben ergibt, und übermittelt dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission einen Bericht. Artikel 91 – Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

II. Institutionell-organisatorische Anforderungen an Zentralverwahrer – nur Einführung Schrifttum: siehe allgemeines Schrifttum zum 7. Teil Wymeersch Shadow Banking and the Functioning of Financial Markets, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), Regulation of the EU Financial Markets: MiFID II and MiFIR, 2017, Kap. 22 = S. 613

1. Einführung und Regelungshintergrund. Die in diesem Kommentar nicht im Detail 200 dargestellte Verordnung CSDR („Zentralverwahrerverordnung“) ist der bislang letzte Regulierungsakt des Europäischen Kapitalmarktrechts zur Nachhandelsinfrastruktur. Die Verordnung hat erstmals einheitliche Anforderungen an die Zulassung und Beaufsichtigung von Zentralverwahrern geschaffen und damit das bisherige System ausschließlich nationaler Regelungs- und Aufsichtszuständigkeiten abgelöst (siehe schon oben Rn 23). Zugleich regelt sie einzelne transaktionsbezogene Sachprobleme, die in das jeweilige nationale Depotrecht eingreifen und im Zusammhang mit der Kommentierung des deutschen Depotrechts aufzugreifen sind. Nicht anders als die Anforderungen an das zentrale Clearing von Jens-Hinrich Binder

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7. Teil. Organisationsregeln

Derivaten durch zentrale Gegenparteien und die Erfassung von Transaktionsdaten durch zentrale Transaktionsregister sowie die Anforderungen an die Betreiber dieser Nachhandelsinfrastrukturen in der EMIR (oben Rn 187 ff.) reflektieren die Anforderungen der CSDR dabei die Bemühungen um weltweite Konvergenz der nationalen Regulierungsrahmen für die Finanzmarktinfrastruktur auf der Ebene der internationalen Standardsetzung573 und tragen der Systemrelevanz von Zentralverwahrern Rechnung, die freilich auch bereits bislang im Rahmen der nationalen Gesetzgebung und Aufsicht durchaus effektiv adressiert worden ist.574 Ein „Mehrwert“ der Verordnungsregelungen dürfte daher weniger in einer weiteren Verbesserung des Systemschutzes als vielmehr in Erleichterungen der grenzüberschreitenden Erfüllung von Wertpapiergeschäften und, damit einhergehend, in verbesserter Transaktionseffizienz und -sicherheit575 zu erblicken sein, wobei die praktischen Auswirkungen einstweilen abzuwarten bleiben.

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2. Regelungsstruktur und wesentliche Regelungsinhalte. Die Verordnung ist gegliedert in sechs Titel. Nach der Festlegung des Regelungsgegenstands, des Geltungsbereichs sowie der Begriffsbestimmungen in Titel I (Artt. 1 und 2 CSDR) werden in Titel II (Artt. 3 bis 9 CSDR) zunächst transaktionsbezogene Vorgaben für die Wertpapierlieferung und -abrechnung festgelegt, darunter insbesondere Regelungen zur Absicherung gegen fehlgeschlagene Abwicklungen (Artt. 6 bis 8 CSDR). Titel III der Verordnung enthält demgegenüber institutionell-organisatorische Anforderungen an die Zulassung und Beaufsichtigung der Zentralverwahrer und hier zunächst die Zuständigkeit der Herkunftslandbehörden und wesentliche Vorgaben für die grenzüberschreitende Aufsichtskooperation (Artt. 10 bis 15 CSDR) sowie das Zulassungsverfahren, die Wirkungen und den Widerruf der Zulassung (Artt. 16 bis 21 CSDR). Art. 22 CSDR regelt die Aufsichtsverantwortung für die laufende Überwachung und regelmäßige Überprüfung der Zentralverwahrer, Artt. 23 und 24 der Verordnung die Voraussetzungen für die grenzüberschreitende Tätigkeit im Binnenmarkt und Art. 25 die Voraussetzungen für die Anerkennung von Drittstaatenunternehmen. Institutionell-organisatorische Anforderungen an die Aufbau- und Ablauforganisation, die sich wiederum strukturell an den allgemeinen bankaufsichts- und kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten (oben Rn 29 ff.) orientieren, werden in den Artt. 26 bis 31 CSDR festgelegt. Transaktionsbezogene Wohlverhaltenspflichten folgen in den Artt. 32 bis 35 der Verordnung, an die sich weitere transaktionsbezogene Vorgaben für die erbrachten Dienstleistungen anschließen, die auch ablauforganisatorische Aspekte betreffen (Artt. 36 bis 41 CSDR). Institutionell-prudenzielle Vorgaben an das Risikomanagement sowie die Eigenmittel der Zentralverwahrer werden in Artt. 42 bis 47 CSDR vorgegeben. Art. 48 CSDR enthält Vorgaben für die Vernetzung von Zentralverwahrern (sog. Zentralverwahrer-Verbindungen), während Artt. 49 bis 53 CSDR Fragen des Zugangs zu Zentralverwahrern regeln. Titel IV (Artt. 54 bis 60 CSDR) regelt – mit Blick auf die unterschiedlichen Marktstrukturen und Geschäftsmodelle in Europa von erheblicher Bedeutung – die Voraussetzungen für die Erbringung „bankartiger Nebendienstleistungen“ durch Zentralverwahrer sowie die in diesem Zusammenhang erforderliche Abstimmung mit dem materiellen Aufsichtsrecht und die entsprechenden Aufsichtskompetenzen. Titel V (Artt. 61 bis 66 CSDR) schließlich legt Sanktionen und Rechtsmittel fest, Titel VI Schlussbestimmungen.

573

Siehe besonders Committee on Payment and Settlement Systems/Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Principles for financial markets infrastructures, 2012, S. 64 ff. und 72 ff.

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574

575

Richtig Wymeersch in Busch/Ferrarini, Regulation of the EU Financial Markets, Rn 22.92. Zu diesem Regelungszweck Erwägungsgrund 4 CSDR.

Jens-Hinrich Binder

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ACHTER TEIL Kundenbeziehung (Wertpapierhandel/Effektengeschäft) Übersicht Rn 1. Abschnitt: Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen) . . . . . A. Das WpHG als „Grundgesetz“: Regelungsumfeld, -ziele und -entwicklung . . . . . . . I. Das WpHG: „Grundgesetz“ und Umsetzungsgesetz von WpD-RL, MiFID I & II . . . . . . . . . . . . . . II. WpHG und Kapitalmarktrecht . . . . III. Regelungs- und Auslegungsziele (mit ökonomischer Theorie) . . . . . . IV. Räumlicher Anwendungsbereich . . . B. Gegenstand und Anwendungsbereich (Abschnitt 1: §§ 1–5 WpHG n.F., §§ 1–2c WpHG a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG) . . . . . I. § 1 WpHG n.F.: Gegenstand und Anwendungsbereich . . . . . . . . . II. § 2 WpHG n.F.: Kernbegriffe . . . . III. § 3 WpHG n.F.: Ausnahmen vom Anwendungsbereich . . . . . . . . . IV. §§ 4, 5 WpHG n.F.: Wahl und Veröffentlichung des Herkunftsmitgliedstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Weitere Materien (§§ 6–62 WpHG n.F., §§ 4–30h WpHG a.F.) . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Aufsicht (Abschnitt 2: §§ 6–24 WpHG n.F.) . . . . . . . . . II. Marktmissbrauchsüberwachung (Abschnitt 3: §§ 25–28 WpHG n.F.), Aufsicht über Ratingagenturen und OTC-Derivate (EMIR) (Abschnitte 4 und 5: §§ 29, 30–32 WpHG n.F.) . . III. Beteiligungstransparenz (Abschnitt 6: §§ 33–47 WpHG n.F.) – Verweis . . IV. Informationen zur Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren (Abschnitt 7: §§ 48–52 WpHG n.F.) V. Aufsicht über Leerverkäufe (Abschnitt 8: § 53 WpHG n.F.) . . . VI. Positionslimits (Abschnitt 9: §§ 54–57 WpHG n.F.) . . . . . . . . VII. Organisationspflichten von Datenbereitstellungsdiensten (Abschnitt 10: §§ 58–62 WpHG n.F.)

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D. Wohlverhaltensregeln I – Informationspflichtenregime (Abschnitt 11: §§ 63–66 WpHG n.F., § 31 WpHG a.F.) . . . . . . . . 122

Text der §§ 63–64 WpHG n.F. . . . . . . . I. Transparenz-, Verhaltens- und Organisationspflichten (Abschnitt 11) als Herz der WpHG-Regulierung – die Transparenzpflichten im Beson-' deren . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sorgfalts- und Interessenwahrungspflicht (§ 63 Abs. 1 WpHG n.F. – ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . III. Verhaltensregeln zu Interessenkonflikten (§ 63 Abs. 2 WpHG n.F. – ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . IV. Spezifische Pflichten zur strikten Kundeninteressenwahrung (§ 63 Abs. 3–5 WpHG n.F.) . . . . . . V. Allgemeines Transparenzgebot – insbesondere bei Werbeaussagen und Empfehlungen (§ 63 Abs. 6 und 8 WpHG n.F. – ex-§ 31 Abs. 2) . . . . . VI. Standardisierte Informationspflichten (§§ 63 Abs. 7, 8 und 64 Abs. 1, 2 WpHG n.F., EU-PRIIP-VO, ex-§ 31 Abs. 3, 3a) . . . . . . . . . . . . . . . VII. Schranken bei der Bündelung von Dienstleistungen (§ 63 Abs. 9 WpHG n.F.) . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Individuelle Informations(erhebungsund abgabe-)pflichten (§§ 63 Abs. 10, 11 und 64 Abs. 3, 4 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 3, 3a) . . . . . . . . IX. Weitere Transparenz- und Verhaltensanforderungen bei Honoraranlageberatung und Finanzportfolioverwaltung (§§ 64 Abs. 5–8 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4c–4d) . . . X. Nachhandelsinformation (§ 63 Abs. 12 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 8) . XI. Sanktionen und Ansprüche . . . . . . XII. Annex I: Selbstauskunft bei Vertragsvermittlung über Vermögensanlagen (§ 65 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 5a) . . XIII. Annex II: Ausnahmen (§ 66 WpHG n.F.) . . . . . . . . . . .

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E. Wohlverhaltensregeln II – Sonstiges Regime (Abschnitt 11: §§ 67–71 WpHG n.F., §§ 31a-31e WpHG a.F.) . . . . . . . . . . . 231 I. § 67, 68 WpHG n.F. (ex § 31a, 31b): Kunden, Kundengruppen, geeignete Gegenparteien . . . . . . . . . . . . . 231

Stefan Grundmann

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Übersicht Rn II. § 69 WpHG n.F. (ex § 31c): Ordnungsmäßige Bearbeitung von Kundenaufträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. § 70 WpHG n.F. (ex § 31d): Vergütung und Zuwendungen (Inducements) . . . . . . . . . . . . . . IV. § 71 WpHG n.F. (ex § 31e): Weiterreichung von Aufträgen und Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . V. Anhang: Wohlverhaltensregeln III (organisationsbezogen), Recht der Marktbetreiber sowie weitere Aufsichtsregeln (Abschnitt 11: §§ 72–96 WpHG n.F., ex-§§ 31f-37) – Verweis . . . . . . . . . . . . . . . . .

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F. Haftungsrecht (mit Abschnitt 12: §§ 97–98 WpHG n.F., §§ 37b, 37c WpHG a.F.) . . . . . . . . 256 Text der §§ 97–98 WpHG n.F . . . . . . . . I. Überblick und Parallelität der beiden Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich, Tatbestand und Haftungsverhältnis (Abs. 1) . . . . . . III. Haftungsmodalitäten (Abs. 2–6) . . . . IV. Annex: Haftung für den Verstoß gegen Wohlverhaltensregeln . . . . . . . . . . G. Finanztermingeschäfte, Schiedsvereinbarungen, Drittstaatsmärkte, Überwachung von Unternehmensabschlüssen und Veröffentlichung von Finanzberichten (Abschnitte 13–16: §§ 99–118 WpHG n.F., §§ 37e bis 37z WpHG a.F.) . . . . . . . . . I. § 99, 100 WpHG n.F. (ex-§ 37e, 37g): Finanztermingeschäfte (Überblick) . . . . . . . . . . II. § 101 WpHG n.F. (ex-§ 37h): Schiedsvereinbarungen (Überblick) . . . . . . III. Drittstaatsmärkte (Abschnitt 15: §§ 102–105 WpHG n.F.) . . . . . . . .

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Rn IV. Überwachung von Unternehmensabschlüssen und Veröffentlichung von Finanzberichten (Abschnitt 16: §§ 106– 113 und 114–118 WpHG n.F.) – Verweis . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 H. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht (Abschnitt 17; §§ 119–126 WpHG n.F., §§ 38–40b WpHG a.F.) und Übergangsrecht (Abschnitt 18: §§ 127–137 WpHG n.F., §§ 41–51 WpHG a.F.) . . . . . . . . . . . . I. Zweck des Sanktionsregimes und Entwicklung der EG/EU-Richtlinien . . . II. § 119 WpHG n.F. (ex-§ 38): Strafbarkeit von Marktmissbrauch . . . . . . . III. Strafbarkeit nach anderen Normen (insbesondere Insiderhandel) . . . . . . IV. Annex: Zivilrechtliche Sanktionierung von Insider- und Marktmanipulationsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . V. §§ 120–126 WpHG n.F. (ex-§§ 38–40b): Ordnungswidrigkeitenrecht (Überblick) . . . . . . . . . VI. §§ 127–137 WpHG n.F. (ex-§§ 41–48): Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . 2. Abschnitt: Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen) (Überblick). . . . . . . . . . Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz – DepotG). . . I. Depotgesetz – Entwicklung und allgemeine Vorschriften (§ 1) . . . . . . II. Verwahrung: Formen, Rechte und Ansprüche, Wirksamkeitsregeln (§§ 2–17a) . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfügung über verwahrte Instrumente (Einkaufskommission und Eigenhandel für den Kunden, §§ 18–31) . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Insolvenzrecht, Straf- und Schlussbestimmungen (§§ 32–43) . . .

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

1. Abschnitt: Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)* Schrifttum (zum Kapitalmarktrecht allg. vgl. Schrifttum vor 5. Teil 1. Abschnitt unter 2.) 1. WpHG Anwendungsbereich, Wohlverhaltensregeln (kundenbezogen), Haftung a) Monographien, Sammelbände, Kommentare: Arendts, Die Haftung für fehlerhafte Anlageberatung, 1998; Balzer, Vermögensverwaltung durch Kreditinstitute – eine Untersuchung der Rechtsbeziehung zwischen Kreditinstitut und Anleger bei der Verwaltung von Wertpapiervermögen, 1999; BankR-Hdb/Faust bzw. /Hannöver/Walz bzw. /Walz §§ 109 bzw. 110 bzw. 111 (s.u.); Barth, Schadensberechnung bei Haftung wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformation, 2006; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 2006; Benzinger, Zivilrechtliche Haftungsansprüche im Zusammenhang mit Insiderhandelsverbot und Ad hoc Publizität, 2008; Bertschinger, Sorgfaltspflichten der Bank bei der Anlageberatung und Verwaltungsaufträgen, 1992; Bliesener, Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten beim Wertpapierhandel, 1998; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute bei der Kapitalanlage, Wertpapiergeschäftliche Informationspflichten im Spiegel kapitalmarktrechtlicher Effizienz, 2002; Brenncke, Commentary on MiFID II conduct of business rules, Arts 21–30 MiFID II, 2017; Brinkmann u.a., Compliance – Konsequenzen aus der MiFID, 2008; Buhk, Die Haftung eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens bei der Anlagevermittlung und der Anlageberatung, 1999; Bülow, Chinese Walls: Verhaltenspflichten beim Wertpapierhandel, 1998; Busch/Ferrarini (Hrsg.), Regulation of the EU Financial Markets – MiFID II and MiFIR, Oxford, Oxford University Press, 2017; Casey/Lanoo, The MiFID Revolution, 2009; Cech/Helmreich (Hrsg.), Meldewesen für Finanzinstitute – was bringt die neue europäische Aufsicht? 2017; Cramer/Rudolph (Hrsg.), Handbuch für Anlageberatung und Vermögensverwaltung: Methoden und Instrumente des Portfoliomanagements, 1995; Derleder/Knops/Bamberger, Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht Band 2, 3. Aufl. 2017; Dogan, Ad-hoc-Publizitätshaftung – zivilrechtliche Haftung wegen Verletzung von Ad-hoc-Publizitätspflichten nach dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, 2005; Egan/Rushbrooke/Lockett, EC Financial Services Regulation, London u.a. 1994; Ehrler, Compliance der Universalbanken – Strategien für das Management von Interessenkonflikten, 1997; Ellenberger/ Schäfer, Fehlgeschlagene Wertpapieranlagen Haftung der Bank bei fehlerhafter Aufklärung und Beratung: Von der Beschwerde zum Rechtsstreit, 2006; Ferrarini (Hrsg.), European Securities Markets – the Investment Services Directive and Beyond, London u.a. 1998; ders., Investor Protection in Europe – Corporate Law Making, the MiFID and Beyond, Oxford u.a. 2006; Froehlich, Die Haftung von Anlageberatern für fehlerhafte Dienstleistungen nach deutschem und US-amerikanischem Recht, 1996; Grohnert, Rechtliche Grundlagen einer Compliance-Organisation und ausgewählte Fragen der Umsetzung, 1999; Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011; Herkströter, Haftungsprobleme beim Direkt-Banking – der Verzicht auf Aufklärung, Beratung und Information, 1999; Hoffmann, Rechtliche Schranken interner Informationsflüsse in Kreditinstituten – vom internen Bankgeheimnis zu den Chinese Walls im Insiderrecht, 1998; Jerusalem, Die Regelung der Mitarbeitergeschäfte im Bankgewerbe durch Compliance, 1996; Kaiser, Die Harmonisierung des Europäischen Kapitalmarktrechts und das Recht des Wertpapierhandels in Italien und Deutschland, 1996; Kasten, Die Neuordnung der Explorations- und Informationspflichten von Wertpapierdienstleistern im Wertpapierhandelsgesetz – zugleich ökonomische Analyse von Anlegerverhalten und Informationsvermittlung, 2009; Katsas, Conduct of Business Rules für Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Europa, 2002; Köhler, Die Zulässigkeit derivativer Finanzinstrumente in Unternehmen, Banken und Kommunen, 2012; Kohlert, Anlageberatung und Qualität – ein Widerspruch? Zur Utopie qualitativ hochwer-

* Diese Kommentierung beruht auf der Kommentierung des WpHG als des Umsetzungsgesetzes zur MiFID I im von Ebenroth/ BoujongJoost/Strohn herausgegebenen Kommentar zum Handelsgesetzbuch (2. Aufl. 2009 und 3. Aufl. 2014). Sie wurde jetzt fortgeschrieben als Kommentierung des WpHG als eines ungleich umfangreicheren Umsetzungsgesetzes zur MiFID II, wobei zu-

gleich jedoch die Marktmissbrauchs- und Ad-hoc-Publizitätstatbestände sowie das Directors’ Dealing in die MAR ausgelagert wurden (dazu 6. Teil. 3. Abschnitt). Der Autor dankt den Verlagen Vahlen und Beck für die Freigabe des Manuskripts für eine Fortentwicklung im Staub’schen Großkommentar.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung tiger Anlageberatung im Retail Banking 2009; Koller, Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten, in Assmann/Schneider (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz – Kommentar, 6. Aufl. 2012; Kumpan, Die Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Recht, 2006; ders., Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht, 2014; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz – Eine systematische Darstellung, 2. Aufl. 2006; Kuthe/ Rückert/Sickinger, Compliance-Handbuch Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2008; Lang, Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen – Rechtliche Grundlagen, Typenspezifische Anforderungen, Haftung, 2002; Lange, Informationspflichten von Finanzdienstleistern – Zivilrechtliche Vorfeldpflichten an Finanz- und Terminmärkten unter Berücksichtigung der §§ 31, 32 WpHG, 2000; Lehmann, Finanzinstrumente – vom Wertpapier- und Sachenrecht zum Recht der unkörperlichen Vermögensgegenstände, 2009; Leisch, Informationspflichten nach § 31 WpHG – Rechtsnatur und Inhalt – Zur zivilrechtlichen Geltung einer Norm des Wirtschaftsrechts, 2004; Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, 2003; McVea, Financial Conglomerates and the Chinese Wall – Regulating Conflict of Interest, Oxford 2001; Möllers in Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG, 2014; Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, 3. Aufl. 2014; Mutschler, Internalisierung der Auftragsausführung im Wertpapierhandel: eine rechtliche und ökonomische Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, 2007; Nikolaus, Die Durchsetzung der Wohlverhaltens- und Organisationspflichten nach den §§ 31 ff. WpHG, 2003; Oikonomou, Bankenhaftung bei der Anlageberatung – Beratungspflichten im Optionsscheingeschäft, 1999; Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz – Analyse und Vergleich zur bestehenden Rechtslage, 2016; Pirner, Die Organisation von Vertraulichkeit – eine empirische Analyse der Compliance-Systeme deutscher Universalbanken, 1996; Rimbeck, Rechtsfolgen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen im deutschen und US-amerikanischen Recht, 2005; Rost, Informationspflichten von Wertpapierdienstleistern ohne Beratungsangebot (Discount-Broker) gegenüber Privatkunden, 2001; Rothenhöfer, Compliance-Organisationen in Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn 3.301 ff.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, 2006; Schaber, Handbuch strukturierte Finanzinstrumente, 2. Aufl. 2009; Schäfer/Müller, Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen – Anlageberatung, Vermögensverwaltung, Börsentermingeschäfte, 2. Aufl. 2008; Schlüter, Wertpapierhandelsrecht – Handbuch für Banken und Finanzdienstleistungsinstitute, 2000; Schmitt, Die Haftung wegen fehlerhafter oder pflichtwidrig unterlassener Kapitalmarktinformation – unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Zuständigkeit für Anlegerklagen, 2010; Schön, Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach dem zweiten Finanzmarktförderungsgesetz – Auswirkungen auf die Anlageberatung der Kreditinstitute, 1998; Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 2013; Schulte-Frohlinde, Art. 11 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie und seine Umsetzung durch das Wertpapierhandelsgesetz, 1999; Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, 2005; Seyfried, Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn 3.86 ff.; Siebert, Das Direktbankgeschäft, 1998; Siller, Rechtsfragen des Discount-Broking, 1999; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, Zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Regelungskonzepte, 2001; Stafflage, Die Anlageberatung der Banken – das Kreditinstitut im Spannungsverhältnis zwischen Informationspflicht und Insiderhandelsverbot, 1996; Stephan, Die Sicherstellung der Wohlverhaltensregeln bei grenzüberschreitendem Bezug, 2001; Stünkel, EG-Grundfreiheiten und Kapitalmärkte, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf die Integration der Sekundärmärkte, 2005; Szep MiFID – Markets in Financial Instruments Directives – conflicts of interests and the impact of the so-called “inducement rule” on banks, 2011; Temporale (Hrsg.), Europäische Finanzmarkregulierung – Handbuch zu EMIR, MiFID II/MiFIR, PRIIPs, MAD/MAR, OTC-Derivaten und Hochfrequenzhandel, 2015; Teuber/Schröer (Hrsg.), MiFID II und MiFIR – Umsetzung in der Bankpraxis, 2015; Thieme, Wertpapierdienstleistungen im Binnenmarkt, 2008; Varis, Increasing Transparency and Mitigating Systemic Risk: Is Europe Playing Catch-up with the United States?: EMIR / MiFID II versus Dodd-Frank, 2016 abrufbar unter http://www.theseus.fi/handle/10024/110870; Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014; Vogel, Vom Anlegerschutz zum Verbraucherschutz, Informationspflichten im europäischen Kapitalmarkt-, Anlegerschutz- und Verbraucherschutzrecht, 2005; Vortmann, Aufklärungsund Beratungspflichten der Banken, 11. Aufl. 2016; ders. (Hrsg.), Prospekthaftung und Anlageberatung, 2000; Weimann, Interessenkonflikte im Bereich der Wohlverhaltenspflichten nach WpHG,

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen) 2001; Wieneke, Discount-Broking und Anlegerschutz, 1999; Zerey (Hrsg.), Finanzderivate – Rechtshandbuch, 4. Aufl. 2016. b) Aufsätze und Beiträge: Arendts, Die Haftung für fehlerhafte Anlageberatung – BGH NJW 1993, 2433, JuS 1994, 915; ders., Die Haftung der Banken für fehlerhafte Anlageberatung nach der neueren deutschen Rechtsprechung, ÖBA 1994, 251; ders., Bankenhaftung – Kann Privatautonomie durch Aufklärungs- und Beratungspflichten erreicht werden?, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, 1995, S. 165; Assmann, Interessenkonflikte und „Inducements“ im Lichte der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) und der MiFID-Durchführungsrichtlinie, ÖBA 2007, 40; ders., Interessenkonflikte aufgrund von Zuwendungen, ZBB 2008, 21; ders., Die Pflicht von Anlageberatern und Anlagevermittlern zur Offenlegung von Innenprovisionen, ZIP 2009, 2125; ders., Negativberichterstattung als Gegenstand der Nachforschungs- und Hinweispflichten von Anlageberatern und Anlagevermittlern, ZIP 2002, 637; Aurich, Vermittlung von Vermögensverwalterverträgen unterfällt nicht erlaubnispflichtiger Anlagevermittlung, DB 2017, 1958; Avgouleas, The New EC Financial Markets Legislation and the Emerging Regime for Capital Markets, in: Eeckhout/Tridimas, Yearbook of European Law 2006, 321; Balzer, Discount Broking im Spannungsfeld zwischen Beratungsausschluß und Verhaltenspflichten nach WpHG, DB 1997, 2311; ders., Anlegerschutz bei Verstößen gegen die Verhaltenspflichten nach §§ 31 ff. Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), ZBB 1997, 260; ders., Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Vermögensverwaltung, WM 2000, 441; ders., Rechtsfragen des Effektengeschäfts bei Direktbanken, WM 2001, 1533; ders., Der Vorschlag der EG-Kommission für eine neue Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, ZBB 2003, 177; ders., Umsetzung der MiFID: Ein neuer Rechtsrahmen für die Anlageberatung, ZBB 2007, 333; ders., Rechtliche Rahmenbedingungen der Honorarberatung, Bankrechtstag 2013, 157; ders., Umsetzung von MiFID II: Auswirkungen auf die Anlageberatung und Vermögensverwaltung, ZBB 2016, 226; Barta, Die Haftung der depotführenden Bank bei churning des Anlageberaters, BKR 2004, 433; Bassler, Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens – kritische Würdigung der richterlichen Beweislastumkehr im Kapitalanlageberatungsrecht, WM 2013, 544; Bauer, Best Execution nach der MiFID – Bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen, BP MiFID-Sonderbeilage 2007, 38; Baur, Das Wertpapierhandelsrecht wird neu geordnet – MiFID, MiFIR und das neue WpHG, jurisPR-BKR 6/2017 Anm. 1; Bausch, Beratung und Beratungshaftung von Banken im Lichte der Pilotentscheidungen zu LehmanZertifikaten, NJW 2012, 354; Bausch/Kohlmann, Anforderungen an die Widerlegung der Schadensursächlichkeit nach der Rechtsprechungsänderung des XI. Zivilsenats, BKR 2012, 410; Benicke, Das Recht der Vermögensverwaltung, in: Bankrechtstag 2006, 2007, S. 3; Beule, Product Governance, in Teuber/Schröer (Hrsg.), MiFID II und MiFIR – Umsetzung in der Bankpraxis, 2015, S. 167; Birnbaum, Die Umsetzung der Wohlverhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) in die Aufsichtspraxis des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (BAWe), FS Kümpel 2003, S. 49; Blankenheim, KapMuG-Verfahren in Anlageberatungsfällen – Praxisfragen im Zusammenhang mit dem Beginn des Musterverfahrens, WM 2017, 795; Bödeker/Woijtek, Anlegerschutz und „Grauer Kapitalmarkt“ – ein Überblick über die jüngsten Aktivitäten des Gesetzgebers, GWR 2011, 278; Böhm, Regierungsentwurf zur Verbesserung der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aus Falschberatung, BKR 2009, 221; Botenlänger, MiFID II: Keine Stärkung der Aktienkultur, RdF 2017, 177; Brenncke, Der Zielmarkt eines Finanzinstruments nach der MiFID II, WM 2015, 1173; ders. Die Rechtsprechung des BGH zur Präsentation von Risiken bei der Anlageberatung, WM 2014, 1749; Brocker, Aufklärungspflichten der Bank bei Innenprovisionsgestaltungen, BKR 2007, 365; BuckHeeb, Zur Aufklärungspflicht von Banken bezüglich Gewinnmargen, BKR 2010, 1; dies., Aufklärung über Rückvergütungen – Die Haftung von Banken und freien Anlageberatern, BKR 2010, 309; dies., Die „Flucht“ aus dem Anlageberatungsvertrag, ZIP 2013, 1401; dies., Vom Kapitalanleger- zum Verbraucherschutz – Befund und Auswirkungen auf das Recht der Anlageberatung, ZHR 176 (2012) 66; dies., Verhaltenspflichten beim Vertrieb – zwischen Paternalismus und Schutzlosigkeit der Anleger, ZHR 177 (2013) 310; dies., Compliance bei vertriebsbezogener Product Governance – Neuerungen durch die MiFID II bzw. das Kleinanlegerschutzgesetz, CCZ 2016, 2; dies., Aufsichtsrechtliches Produktverbot und zivilrechtliche Rechtsfolgen – der Anleger zwischen Mündigkeit und Schutzbedürftigkeit, BKR 2017, 89; Buhl/Kaiser, Herausforderungen und Gestaltungschancen aufgrund von MiFID und EU-Vermittlerrichtlinie in der Kundenberatung, ZBB 2008, 43; Busch, MiFID II – Stricter conduct of business rules for investment firms, Capital Markets Law Journal 2017, 340; ders., Product Governance und Produktintervention unter MiFID II/MiFIR, WM 2017, 409; Bußalb, Produktintervention und Vermögensanlagen, WM 2017, 553; Cahn, Grenzen des Markt- und Anlegerschutzes

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung durch das WpHG, ZHR 162 (1998) 1; Cahn/Müchler, Produktinterventionen nach MiFID II – Eingriffsvoraussetzungen und Auswirkungen auf die Pflichten des Vorstands von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, BKR 2013, 45; Carny/Neusüß, Auswirkungen der Finanzmarkt-Richtlinie auf die Institutsaufsicht, Kreditwesen 2007, 41; Casper, Aufklärung über Rückvergütungen: Zwischen Rechtsfortbildung und Verbotsirrtum, ZIP 2009, 2409; Cherednychenko, European Securities Regulation, Private Law and the Investment Firm-Client Relationship, (2009) 5 ERPL 925; Clausen/Sørensen, Reforming the regulation of trading venues in the EU under the proposed MiFID II – levelling the playing field and overcoming market fragmentation?, ECFR 2012, 275; Dieckmann, Öffentlichrechtliche Normen im Vertragsrecht, AcP 213 (2013) 1; Dierkes, Best Execution in der deutschen Börsenlandschaft, ZBB 2008, 11; Duve/Keller, MiFID: Die neue Welt des Wertpapiergeschäfts, Lernen Sie Ihre Kunden kennen – Kundenklassifikation und -information, BB 2006, 2425 und 2477; Eckhardt, MiFID II und die Verschärfungen beim Anlegerschutz, Die Bank 2014, 14; Eichhorn/Klebeck, Drittstaatenregulierung der MiFID II und MiFIR, RdF 2014, 189; Einsele, Anlegerschutz durch Information und Beratung – Verhaltens- und Schadensersatzpflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie (MiFID), JZ 2008, 477; dies., Verhaltenspflichten im Bank- und Kapitalmarktrecht – öffentliches oder Privatrecht? ZHR 180 (2016), 233; Einsiedler, Rückvergütungen und verdeckte Innenprovisionen, WM 2013, 1109; Ellenberger, Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Anlageberatung, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 1; ders., MiFID FRUG: Was wird aus Bond?, FS Nobbe 2009, 523; Enriques/Gargantini, The Overarching Duty to Act in the Best Interest of the Client in MiFID II, in Busch/ Ferrarini (Hrsg.), Regulation of the EU Financial Markets MiFID II and MiFIR, 2017, S. 85; Faust, Verhaltensregeln und Compliance, in Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechtshandbuch, 5. 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RdF 2015, 21; Geier/Hombach/Schütt, Finanzanalysen in MiFID II und MAR, RdF 2017, 108; Geier/Schmitt, MIFID-Reform – der neue Anwendungsbereich der MiFID II und MiFIR, WM 2013, 915; Geßner, Retrozessionen im Fokus der neueren Judikatur, BKR 2010, 89; Gobbo, MiFID’s Systematic Internalisation: the Efficiency Debate and the Future of the European Financial Markets, (2009) EBLR 63; Göres, Neuregelung der Finanzanalyse: Anlegerschutzverbesserungsgesetz und BaFin, Kreditwesen 2006, 89; ders., MiFID – Neue (Organisations-) Pflichten für die Ersteller von Finanzanalysen, BKR 2007, 85; ders., Transparenzgebote bei öffentlichen Auftritten von Wertpapieranalysten, ZBB 2004, 210; Gomber/Nassauer, Neuordnung der Finanzmärkte in Europa durch MiFID II / MiFIR, ZBB 2014, 250; Grieser/Juhnke, MiFID II: Auswirkungen auf die Emission und den Vertrieb von Anleihen und strukturierten Produkten, RdF 2012, 156; Grigoleit, Anlegerschutz – Produktinformation und Produktverbote, ZHR 177 (2013) 264; Grottke, Die EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie, EuZW 1993, 440; Grundmann, Wohlverhaltenspflichten, Interessenkonfliktfreie Aufklärung und MIFID II – Jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung und Reformschritte in Europa, WM 2012, 1745; Grundmann/Hacker, Conflicts of Interest, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), Regulation of the EU Financial Markets – MiFID II and MiFIR, Oxford, 2017, S. 165; Grunewald/Pellens, Provisionen in der Anlageberatung: Änderung durch Streichung der Vermutungsregel in § 31d Abs. 4 WpHG a.F.?, WM 2012, 778; Güllner, MiFID II: Die neue Handelsplatzarchitektur in der EU, WM 2017, 938; Gundermann, Zu den Anforderungen der Bankberatung bei strukturierten Finanzprodukten, BKR 2013, 406; Günther, Hinweise zur Gestaltung des Produktin-

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen) formationsblattes gem. § 31 Abs. 3a WpHG, GWR 2013, 55; Habersack, Die Pflicht zur Aufklärung über Rückvergütungen und Innenprovisionen und ihre Grenzen, WM 2010, 1245; Hadding, Zur Abgrenzung von Unterrichtung, Aufklärung, Auskunft, Beratung und Empfehlung als Inhalt bankrechtlicher Pflichten, FS Schimansky, 1999, S. 67; Hannöver/Walz, Beratungs- und Informationspflichten im Effektengeschäft, in Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechtshandbuch, 5. Aufl. 2017, § 110; Hanke, Der offenkundige Interessenkonflikt in der Anlageberatung, BKR 2012, 493; Harnos, Rechtsirrtum über Aufklärungspflichten beim Vertrieb von Finanzinstrumenten, BKR 2009, 316; Harrer, Neufassung der Wohlverhaltensregeln aufgrund der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) und ihrer Durchführungsbestimmungen, ÖBA 2007, 98; Hausmanninger, Organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung missbräuchlicher Verwendung oder Weitergabe von Insiderinformationen nach der BörsGNov 1993, ÖBA 1993, 847; Heinsius, Pflichten und Haftung der Kreditinstitute bei der Anlageberatung, ZBB 1994, 47; ders., Anlageberatung durch Kreditinstitute, ZHR 145 (1981), 177; Held, MiFID: Auswirkungen auf die Compliance-Organisation der Wertpapierunternehmen in Deutschland, BP MiFID-Sonderbeilage 2007, 26; Helmschrott/Waßmer, Aufklärungs-, Beratungs- und Verhaltenspflichten von Wertpapierdienstleistern nach §§ 31, 32 WpHG bei der Anlage in Aktien des Neuen Marktes, WM 1999, 1853; Herresthal, Die Pflicht zur Aufklärung über Rückvergütungen und die Folgen ihrer Verletzung, ZBB 2009, 348; ders., Die Weiterentwicklung des informationsbasierten Anlegerschutzes in der Swap-Entscheidung des BGH als unzulässige Rechtsfortbildung, ZIP 2013, 1049; ders., Die Rechtsprechung zu Aufklärungspflichten bei Rückvergütungen auf dem Prüfstand des Europarechts, WM 2012, 2261; ders./Bausch, Aufklärungspflichten über Gewinnmargen und Handelsspannen?, WM 2010, 2101; ders./Sandmann, Strukturierte Zinsswaps vor den Berufungsgerichten: eine Zwischenbilanz, ZBB 2010, 77; Heybey, Die neuen Bestimmungen über Interessenkonflikte bei Wertpapiergeschäften, insbesondere über Zuwendungen unter besonderer Berücksichtigung von Provisionsrückvergütungen, BKR 2008, 353; Hirschberg, MiFID – Ein neuer Rechtsrahmen für die Wertpapierhandelsplätze in Deutschland, AG 2006, 398; Hofmann/ Wübker, MiFID II – Paradigmenwechsel im Geschäftsmodell der Banken, Die Bank 2014, 51; Holzborn/Israel, Die Neustrukturierung des Finanzmarktrechts durch das Finanzmarktrichtlinienumsetzungsgesetz (FRUG), NJW 2008, 791; Hoops, Die Drittstaatenregelung von MiFIR/MiFID II und ihre Umsetzung im geplanten Finanzmarktnovellierungsgesetz, ZBB 2016, 47; ders., Das neue Regime für systematische Internalisierer nach MiFID II, WM 2017, 319; Hopt, Insiderwissen und Interessenkonflikte im europäischen und deutschen Bankrecht, FS Heinsius, 1991, S. 296; ders., Die Haftung für Kapitalmarktinformationen – rechtsvergleichende, rechtsdogmatische und rechtspolitische Überlegungen, WM 2013, 101; Horn, Die Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, ZBB 1997, 139; ders., Anlageberatung im Privatkundengeschäft der Banken, WM 1999, 1; ders., Der Ausschluss von Aufklärung und Beratung im Anlegerschutzrecht, FS Schimansky, 1999, S. 653; Inderst/Ottaviani, Regulating financial advice, EBOR 13 (2012), 236: Jaskulla, Das deutsche Hochfrequenzhandelsgesetz – eine Herausforderung für Handelsteilnehmer, Börsen und Multilaterale Handelssysteme (MTF), BKR 2013, 221; Jentsch, Die EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie – Entstehungsgeschichte und Inhalt, WM 1993, 2189; Jordans, Die Umsetzung der MiFID in Deutschland und die Abschaffung des § 37d WpHG, WM 2007, 1827; ders., Aufklärungspflichten über Einnahmen aus dem Vertrieb von Finanzprodukten – eine Übersicht über die Rechtsprechung zu Kick-Backs, Provisionen und Margen seit dem Jahr 2000, BKR 2011, 456; ders., Zum aktuellen Stand der Finanzmarktnovellierung in Deutschland, BKR 2017, 273; ders., Aktueller Überblick: Aufklärungspflichten über Einnahmen aus dem Vertrieb von Finanzprodukten, BKR 2015, 309; Jütten, Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) – Neues „Grundgesetz“ für das Wertpapiergeschäft, Die Bank 2006, 12; Kalss, Zur Umsetzung der Wohlverhaltensregeln nach der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, ÖBA 1995, 835; Kasten, Das neue Kundenbild des § 31 a WpHG – Umsetzungsprobleme nach MiFID und FRUG, BKR 2007, 261; von Katte/Berisha, Die Verjährungsänderung im Rahmen des § 37 b WpHG und deren Implikation auf Geschädigte im VW-Abgasskandal, BKR 2016, 409; Kinermann/Cordiaß, Der rechtliche Rahmen des algorithmischen Handels, ZBB 2014, 178; Kiethe/Hektor, Haftung für Anlageberatung und Vermögensverwaltung, DStR 1996, 547; Klöhn, Preventing Excessive Retail Investor Trading under MiFID: A Behavioural Law & Economics Perspective, (2009) 10 EBOR 417; Knop, Vermögensverwaltung im zweiten Jahr der MiFID, AG 2009, 357; Kobbach, Regulierung des algorithmischen Handels durch das neue Hochfrequenzhandelsgesetz praktische Auswirkungen und offene rechtliche Fragen, BKR 2013, 233; Koch, Innenprovisionen und Rückvergütungen nach der Entscheidung des BGH vom 27.10.2009, BKR 2010, 177; ders, Grenzen des informationsbasierten

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung Anlegerschutzes – die Gratwanderung zwischen angemessener Aufklärung und information overload, BKR 2012, 487; ders., Provisionszahlungen als Gegenstand eines kommissionsrechtlichen Herausgabeanspruchs, ZBB 2013, 217; Köhler, Was müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei der Werbung beachten?, WM 2009, 385; Köndgen, Grenzen des informationsbasierten Anlegerschutzes, BKR 2011, 283; ders./Sandmann, Strukturierte Zinsswaps vor den Berufungsgerichten: eine Zwischenbilanz, ZBB 2010, 77; Komo, Kick-Back-Rechtsprechung des BGH – Aktuelle Entwicklungen, NZG 2011, 1178; Krimphove, Das zweite Finanzmarktförderungsgesetz – ein Beitrag zur „Europäisierung“ des Wertpapierrechts, JZ 1994, 23; Kritter, Die Verjährung nach § 37 a WpHG – eine Zwischenbilanz, BKR 2004, 261; Krüger, Aufklärung und Beratung bei Kapitalanlagen – Nebenpflicht statt Beratungsvertrag, NJW 2013, 1845; Krüger, Aufklärung und Beratung bei Kapitalanlagen – Nebenpflicht statt Beratungsvertrag, NJW 2013, 1845; Kruschev, MiFID II – Zielmarktkonzept mit Tücken, Bank und Markt 2017, 34; Kübler, Anlageberatung durch Kreditinstitute, ZHR 145 (1981) 204; ders., Müssen Anlageempfehlungen anlegergerecht sein? Zum Stellenwert der amerikanischen „suitability“-Doktrin im deutschen Recht, FS Coing, Bd. 2, 1982, S. 193; Kühne, Ausgewählte Auswirkungen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie – MiFiD, BKR 2005, 275; Kümpel, Die allgemeinen Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes, WM 1995, 689; Kuhlen/Tiefensee, Zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente, VuR 2013, 49; Kumpan, Bankrechtstag 2006 der bankrechtlichen Vereinigung e. V. am 23. Juni 2006 in Zürich, Vermögensverwaltung – Übernahmerecht im Gefolge der Übernahmerichtlinie, ZBB 2006, 319; ders., Transparenz als Mittel der Kapitalmarktregulierung – Die neuen Transparenzvorschriften der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, WM 2006, 797; ders., Carrot and Stick – The EU’s Response to New Securities Trading Systems, ECFR 2006, 383; Kumpan/Hellgardt, Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Umsetzung der EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), DB 2006, 1714; Kumpan/Leyens, Conflicts of Interest of Financial Intermediaries – Towards a Global Common Core in Conflicts of Interest Regulation, ECFR 2008, 72; Kurz, MiFID II – Auswirkungen auf den Vertrieb von Finanzinstrumenten, DB 2014, 1182; Lang, Die Beweislastverteilung im Falle der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Wertpapierdienstleistungen, WM 2000, 450; Lang/Balzer, Kundenkategorisierung und allgemeine Informationspflichten, BP MiFID-Sonderbeilage 2007, 10; Lang./Bausch, Aufklärungspflichten über Gewinnmargen und Handelsspannen?, WM 2010, 2101; Lang/Kühne, Anlegerschutz und Finanzkrise – noch mehr Regeln?, WM 2009, 1301; Langen, Die kenntnisabhängige Verjährung bei Anlageberatung und Prospekthaftung, NZG 2011, 94; Lastenouse, Les règles de conduite et la reconnaissance mutuelle dans la directive sur les services d’investissement, Revue du Marché Unique Européen 1995, 79; Lehmann, Zinsswaps der öffentlichen Hand: Vertragswirksamkeit und Beratungspflichten, BKR 2008, 488; Leuering/Zetzsche, Die Reform des Schuldverschreibungs- und Anlageberatungsrechts – (Mehr) Verbraucherschutz im Finanzmarktrecht?, NJW 2009, 2856; Lieder, Gesteigerte Beratungspflichten bei komplexen Anlageprodukten – Implikationen der „Zinswette“-Entscheidung des BGH, GWR 2011, 317246; Lösler, Das moderne Verständnis von Compliance im Finanzmarktrecht, NZG 2005, 104; Loidl/Burgin, RDR, MiFID II und Honorarberatung – das Ende der Provisionsberatung? RdF 2012, 232; Loritz, Produktinformationsblätter nach dem neuen EU-Verordnungsvorschlag („PRIPsInitiative“) – Gedanken zur Konkretisierung von Zielsetzungen und Inhalt, WM 2014, 1513; Maier, Das obligatorische Beratungsprotokoll – Anlegerschutz mit Tücken, VuR 2011, 3; ders., Die Aufklärungspflicht des Anlageberaters über vereinnahmte Provisionen (Rückvergütungen/„Kick-Backs“), VuR 2010, 25; Manzei, Rechtsvergleichende Betrachtung von Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Privatkundengeschäft unter deutschem wie US-amerikanischem Aufsichtsrecht, WM 2009, 393; Marcacci, European Regulatory Private Law Going Global? The Case of Product Governance, EBOR 2017, 305; Maurenbrecher, Von der Investment Services Directive zur Markets in Financial Instruments Directive – ein Überblick aus Schweizer Sicht, AJP/PJA 2005, 19; Meixner, Das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz, ZAP 2017, 911; Mellenberg, MiFID II – New governance rules in relation to investment firms, ECFR 11 (2014), 171; Metz, Discount-Broker – Bankgeschäfte und technologische Veränderungen, VuR 1996, 183; Möllers, Rechtsprechungsänderung zur Vermutung aufklärungsgerechten Handelns – Sackgasse oder Königsweg?, NZG 2012, 1019; ders., Europäische Gesetzgebungslehre 2.0: Die dynamische Rechtsharmonisierung im Kapitalmarktrecht am Beispiel von MiFID II und PRIIP, ZEuP 2016, 323; Möllers/Poppele, Paradigmenwechsel durch MiFID II – divergierende Anlegerleitbilder und neue Instrumentarien wie Qualitätskontrolle und Verbote, ZGR 2013, 437; Möllers/Werninger, Das Anlegerschutz- und Funk-

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen) tionsverbesserungsgesetz, NJW 2011, 1697: Moloney, Building a Retail Investor Culture through Law – The 2004 Markets in Financial Instruments Directive, EBOR 2005, 341; dies; Resetting the location of regulatory and supervisory control over EU financial markets: Lessons from five years, (2013) 62 ICLQ 955; Müchler, Die neuen Kurzinformationsblätter – Haftungsrisiken im Rahmen der Anlageberatung, WM 2012, 974; Müchler/Trafkowski, Honoraranlageberatung – Regulierungsvorhaben im deutschen und europäischen Recht, ZBB 2013, 101; Mülbert, Anlegerschutz bei Zertifikaten – Beratungspflichten, Offenlegungspflichten bei Interessenkonflikten und die Änderungen durch das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), WM 2007, 1149; ders., Auswirkungen der MiFID-Rechtsakte für Vertriebsvergütungen im Effektengeschäft der Kreditinstitute, ZHR 172 (2008), 170; Mülbert/Sajnovits, The element of trust in financial markets law, German Law Journal 2017, 1; Müller-Christmann, Das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, DB 2011, 749; Nassall, Wenn das Blaue am Himmel bleibt – die Rechtsprechung des BGH zur Haftung des freien Anlageberaters, NJW 2011, 2323; Nobbe, Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Wertpapieranlagen, in Bankrecht 1998, 1998, S. 235; Papaconstantinou, Investment Bankers in Conflict – the regime of inducements in MiFID II and the Member States’ struggle for fairness, ERCL 12 (2016) 356; Pfeifer, Einführung der Dokumentationspflicht für das Beratungsgespräch durch § 34 Abs. 2a WpHG, BKR 2009, 485; Podewils, Neuerungen im Schuldverschreibungs- und Anlegerschutzrecht – Das Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung, DStR 2009, 1914; ders., Beipackzettel für Finanzprodukte – Verbesserte Anlegerinformation durch Informationsblätter und Key Investor Information Documents?, ZBB 2011, 169; Poelzig, Private enforcement im deutschen und europäischen Kapitalmarktrecht, ZGR 2015, 801; dies., Durchsetzung und Sanktionierung des neuen Marktmissbrauchsrechts, NZG 2016, 492; Preuße/Schmidt, Anforderungen an Informationsblätter nach § 31 Abs. 3a WpHG, BKR 2011 265; Prorokowski, MiFID II compliance – are we ready? 23 Journal of Financial Regulation and Compliance 196 (2015); Puszkajler/Weber, Wann haftet ein Bankberater für seine Empfehlungen an einen Depotkunden?, ZIP 2007, 401; Raeschke-Kessler, Grenzen der Dokumentationspflicht nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG – Anmerkungen zum Bankgeheimnis und informationellen Selbstbestimmungsrecht der Kunden, WM 1996, 1764; Reich, Informations-, Aufklärungsund Warnpflichten beim Anlagengeschäft unter besonderer Berücksichtigung des „execution-onlybusiness“ (EOB), WM 1997, 1601; Reiter/Methner, Die Interessenkollision beim Anlageberater – Unterschiede zwischen Honorar- und Provisionsberatung, WM 2013, 2053; Renner, Pflicht des Kapitalanlageberaters zum Hinweis auf negative Presseberichterstattung über die empfohlene Anlage, DStR 2001, 1706; Renz/Schwarz, MAR und MiFID II: Auswirkungen auf die Aufgaben einer ComplianceFunktion, Compliance-Berater 2016, 431; Roberts, Beratungsbedarf bei Finanzderivaten im Lichte neuerer Rechtsentwicklungen, DStR 2011, 1231; Röh/Zingel, Compliance nach der MiFID II, Compliance-Berater 2014, 429; Rösmann/Heide, Die Kick-Back-Rechtsprechung des BGH aus der Sicht der Praxis, Ad Legendum 1/2013, S. 8; Rössner/Arendts, Die Haftung wegen Kontoplünderung durch Spesenschinderei (Churning), WM 1996, 1517; Röttger, Die Aufklärungspflichten einer Bank bei der Anlageberatung – Die Rechtsprechung zu den sog. „Schrottanlagen“ nach der Finanzkrise, SchIHA 2011, 256; Roller, Änderungen bei der Umkehr der Beweislast durch die MiFID?, VuR 2007, 441; Rosenblum, Überlegungen und Aspekte zum Anlegerschutz im Lichte aktueller gesetzlicher Regelungen – unter besonderer Berücksichtigung der Anlageberatung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, DB 2012, 1105; Roth, Beweismaß und Beweislast bei der Verletzung von bankvertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten, ZHR 154 (1990), 513; Roth/Blessing, Die neuen Vorgaben nach MiFID II – Teil 1: Änderungen im Rahmen der Anlageberatung und Geeignetheitsprüfung, CCZ 2016, 258; dies., Die neuen Vorgaben nach MiFID II – Teil 2: Die Aufzeichnungspflichten betreffend Telefongespräche und elektronischer Kommunikation, CCZ 2017, 8; dies., Die neuen Vorgaben nach MiFID II – Teil 3 – Die Zulässigkeit und Offenlegung von Zuwendungen, CCZ 2017, 163; dies., Die neuen Vorgaben zur Kostentransparenz nach MiFID II, WM 2016, 1157; Roth/Loff, Zu den Auswirkungen der Finanzmarktrichtlinie auf Kapitalanlagegesellschaften, WM 2007, 1249; Rozok, Tod der Vertriebsprovision oder Alles wie gehabt? – Die Neuregelungen über Zuwendungen bei der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie, BKR 2007, 217; ders., Veranstaltungen als Zuwendungen nach § 31 d WpHG, CCZ 2008, 92; Ruland/Wetzig, Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Cross-CurrencySwaps, BKR 2013, 56; Salomon, Neue Pflichten im Wertpapiergeschäft? – Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, ÖBA 2006, 472; Schäfer, Materielle Aspekte der EG-Richtlinie über Wertpa-

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung pierdienstleistungen, AG 1993, 389; ders., Vermögensverwaltung nach der MiFID, in Bankrechtstag 2006, 2007, S. 31; ders., Die Verjährung von Ersatzansprüchen nach § 37 a WpHG, FS Schimansky, 1999, S. 699; ders., Sind die §§ 31 ff. WpHG n. F. Schutzgesetze i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB?, WM 2007, 1872; ders., Zivilrechtliche Konsequenzen der Urteile des BGH zu Gewinnmargen bei Festpreisgeschäften, WM 2012, 197; Schäfer/Schäfer, Anforderungen und Haftungsfragen bei PIBs, VIBs und KIIDs, ZBB 2013, 23; Scharrenberg, Die Dokumentation in der Anlageberatung nach den §§ 31, 34 Wertpapierhandelsgesetz, Spark. 1995, 108; Schelling, Die systematische Internalisierung in Nichteigenkapitalinstrumenten nach MiFID II und MIFIR, BKR 2015, 221; Schetschok, Belastungsprobe MiFID II und MiFIR, Die Bank 2014, 16; Schleer/Maywald, PIB: Ein neues Risiko im Rahmen der Prospekthaftung?, BKR 2012, 320; Schlicht, Compliance nach Umsetzung der MiFID-Richtlinie – Wesentliche Änderungen oder gesetzliche Verankerung schon gelebter Praxis?, BKR 2006, 469; Schmitt, Aktuelle Rechtsprechung zur Anlageberatung bei OTC-Derivaten, BB 2011, 2824; Schnauder, Auskunfts- und Beratungsvertrag beim Vertrieb von Kapitalanlagen, JZ 2013, 120; Schödermeier, Nachforschungspflicht einer Bank als Vermögensverwalterin zur Person ihres Kunden, WM 1995, 2053; Schultheiß, Die Neuerungen im Hochfrequenzhandel, WM 2013, 596; Schwark, Die Verhaltensnormen der §§ 31 ff. WpHG, in Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, Bankrechtstag 1995, 1996, S. 109; Schwennicke, Die Dokumentation der Erfüllung von Verhaltenspflichten nach § 31 Abs. 2 WpHG durch die Bank, WM 1998, 1101; Schwintowski, Aufklärungspflichten beim Discount-Brokerage, ZBB 1999, 385; Seiler/ Geier, Effektengeschäft (Finanzkommissionsgeschäft), in Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechtshandbuch, 5. Aufl. 2017, § 104; Seitz/Juhnke/Seibold, PIBs, KIIDs und nun KIDs – Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Basisinformationsblätter für Anlageprodukte im Rahmen der Pribs-Initiative, BKR 2013, 1; Sethe, Verbesserung des Anlegerschutzes? – Eine kritische Würdigung des Diskussionsentwurfes für ein Anlegerstärkungs- und Funktionsverbesserungsgesetz, ZBB 2010, 265; ders., Das Drittstaatenregime von MiFIR und MiFID II, SZW/RSDA 2014, 615; Seyfried, Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) – Neuordnung der Wohlverhaltensregeln, WM 2006, 1375; Silverentand/Sprecher/Simons, Inducements, in Busch/Ferrarini (Hrsg.), Regulation of the EU Financial Markets MiFID II and MiFIR, 2017, S. 205; Siol, Beratungs- und Aufklärungspflichten der Discount-Broker, FS Schimansky, 1999, S. 781; Sollors/Klappstein, MiFID – Wohlverhaltensregeln und Anlageberatung: Auswirkungen auf eine Privatbank, Kreditwesen 2007, 43; Spindler, Aufklärungspflichten im Bankrecht nach dem „Zins-Swap-Urteil“ des BGH, NJW 2011, 1920; ders., Aufklärungspflichten eines Finanzdienstleisters über eigene Gewinnmargen? – Ein „Kick-Back“ zu viel, WM 2009, 1821; Spindler/Kasten, Änderungen des WpHG durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), WM 2007, 1245; dies., Der neue Rechtsrahmen für den Finanzdienstleistungssektor – die MiFID und ihre Umsetzung, WM 2006, 1749 und 1797; dies., Organisationsverpflichtungen nach der MiFID und ihre Umsetzung, AG 2006, 785; Stackmann, Klagen gegen Finanzberater – Beobachtungen der Bodenstation, NJW 2011, 2616; ders., Böses Erwachen – die gesetzliche Haftung für fehlgeschlagene Kapitalanlagen, NJW 2013, 1985; Steuer, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung – Eine unendliche Geschichte, FS Schimansky, 1999, S. 793; Teuber, Anlageberatung und Vermögensverwaltung: Neue Pflichten im Überblick, BP MiFIDSonderbeilage 2007, 18; ders., Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID) – Auswirkungen auf Anlageberatung und Vermögensverwaltung im Überblick, BKR 2006, 429; Than, Die Umsetzung der Verhaltensnormen der §§ 31 ff. WpHG in den Kreditinstituten, in Bankrechtstag 1995, S. 135; Tilmes/Jakob/Gutenberger, Das Magische Dreieck der Anlageberatung, Die Bank, 2011, 30; Tison, The civil law effects of MiFID in a comparative law perspective, FS Hopt 2010, 2621; Titz, Beratungspflichten für Discount-Broker?, WM 1998, 2179; Trafkowski, Besondere Pflichten für die Anlageberatung, in Teuber/ Schröer (Hrsg.), MiFID II und MiFIR – Umsetzung in die Bankpraxis, 2015, S. 77; Veil, Anlageberatung im Zeitalter der MiFID – Inhalt und Konzeption der Pflichten und Grundlagen einer zivilrechtlichen Haftung, WM 2007, 1821; ders., Compliance-Organisationen in Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zeitalter der MiFID – Regelungskonzepte und Rechtsprobleme, WM 2008, 1093; ders., Der Schutz des verständigen Anlegers durch Publizität und Haftung im europäischen Kapitalmarktrecht, ZBB 2006, 162; ders., Vermögensverwaltung und Anlageberatung im neuen Wertpapierhandelsrecht – eine behutsame Reform der Wohlverhaltensregeln?, ZBB 2008, 34; ders., Aufklärungspflichten über Rückvergütungen – zur Beachtlichkeit von Rechtsirrtümern im Bankvertragsrecht, WM 2009, 2193; Vester, MiFID II/MiFIR: Überblick über die Auswirkungen auf den Derivatehandel, RdF 2015, 92; Volhard/Wilkens, Auswirkungen der Richtlinie über Märkte für Fi-

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen) nanzinstrumente (MiFID) auf geschlossene Fonds in Deutschland, DB 2006, 2051; Vortmann, Anlegergerechte Beratung und Maßnahmen zur Reduzierung des Haftungsrisikos, ÖBA 1994, 579; ders., Aufklärungs- und Beratungspflichten bei grenzüberschreitenden Bankdienstleistungen, WM 1993, 581; Voß, Das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz – ausgewählte Aspekte des Regierungsentwurfs, BB 2011, 3099; K.-R. Wagner, Kapitalanlagerechtliche Aufklärungspflichten über jede Art von Negativberichterstattungen?, WM 2002, 1037; O. Wagner, Die geänderten Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, WM 2007, 1725; Walz, Vermögensverwaltung, in Schimansky/ Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechtshandbuch, 5. Aufl. 2017, § 111; ders., Aktuelle ESMA-Konsultationen zu MiFID II, RdF 2014, 198; Weber, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Bank bei Zinsswap-Geschäften, ZIP 2008, 2199; Weichert/Wenninger, Die Neuregelung der Erkundigungs- und Aufklärungspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gem. Art. 19 RiL 2004/39/EG (MiFID) und Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, WM 2007, 627; Weiss, Compliance-Funktionen in einer deutschen Universalbank, Die Bank 1993, 136; Weller, Die Dogmatik des Anlageberatungsvertrags – Legitimation der strengen Rechtssprechungslinie von Bond bis Ille ./. Deutsche Bank, ZBB 2011, 191; Wenzel/Coridaß MiFID II: Überblick zur Novellierung der Markets in Financial Instruments Directive, in: Temporale (Hrsg.) Europäische Finanzmarktregulierung, 2015, S. 11; Willemaers, Client protection on European financial markets – from inform your client to know your product and beyond – an assessment of the PRIIPs Regulation, MiFID II/MIFIR and IMD 2, Revue Trimestrielle de Droit Financier 2014(4), 1; Winter, Die Prinzipien der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Innenprovisionen, Rückvergütungen und Gewinnmargen, WM 2014, 1606; Wolf/Lange, Wie neu ist das neue Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz?, NJW 2012, 3751; Wouters, Rules of Conduct, Foreign Investment Firms and the ECJ’s Case-law on Services, The Company Lawyer 10 (1993), S. 193; Zeidler, Marketing nach MiFID, WM 2008, 238; Zimmer/Cloppenburg, Haftung für falsche Information des Sekundärmarktes auch bei Kapitalanlagen des nicht geregelten Kapitalmarktes?, ZHR 171 (2007) 519; Zingel, Die Verpflichtung zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen nach dem Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BKR 2007, 173; Zingel/Varadinek, Der Vertrieb von Vermögensanlagen nach dem Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagerechts, BKR 2012, 177; Zoller, Die Haftung anlagebratender Banken bei Cross-Currency-Swaps, BKR 2012, 405; ders., Das Ende des Kick-Back-Jokers im Kapitalanlagerecht – Grundlegende Gedanken zur Haftung anlageberatender Banken in Zusammenhang mit deren Vergütung, BB 2013, 520. Für weiteres Schrifttum bis 2000 (insbes. auch zur Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie) vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2 – Bankrecht VI (1. Aufl. 2001). Rechtsvergleichend zu den nationalen Regimen: Wymeersch, The Implementation of the ISD and CAD in National Legal Systems, in: Ferrarini (Hrsg.), European Securities Markets, 3; Davies/Dufour/Scott-Quinn, The MiFID: Competition in a New European Equity Market Regulatory Structure; in: Ferrarini, Investor Protection in Europe – Corporate Law Making, the MiFID and Beyond, Oxford u.a. 2006, 163. Weitere, bes. organisationsbezogene Literatur oben 7. Teil Vor Rn 1. 2. Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht (H.) a) Monographien, Sammelbände, Kommentare: Arlt, Der strafrechtliche Anlegerschutz vor Kursmanipulation, 2004; Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, 1983; Heise, Der Insiderhandel an der Börse und dessen strafrechtliche Bedeutung, 2000; Haouache, Börsenaufsicht durch Strafrecht – eine Untersuchung zur straf- und verfassungsrechtlichen Problematik der strafrechtlichen Sanktionierung des Insiderhandels durch das Wertpapierhandelsgesetz in Deutschland im Hinblick auf die Umsetzung der EG-Richtlinie 89/592/EWG, 1996; Koch, Ermittlung und Verfolgung von strafbarem Insiderhandel, 2005; Lücker, Der Straftatbestand des Missbrauchs von Insiderinformationen nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 1997; Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996; Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht Handkommentar, 4. Aufl. 2017; Schröder Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl 2015; Trüstedt, Das Verbot der Börsenkursmanipulation, 2004; Vogel, Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten, in Assmann/Schneider (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz – Kommentar, 6. Aufl. 2012; Ziouvas, Das neue Kapitalmarktstrafrecht – Europäisierung und Legitimation, 2005. b) Aufsätze und Beiträge: Beukelmann, Das Insiderstrafrecht, NJW-Spezial 2009, 216; Cramer, Strafbarkeit der Ausnutzung und Weitergabe von Insiderinformationen nach dem Recht der Bundes-

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung republik Deutschland, FS Triffterer 1996, S. 323; Kappes, Weitergabe von Insidertatsachen, NJW 1995, 2832; Kohlmann, Das Strafrecht – wirksame Waffe gegen Insider-Handel? – skeptische Bemerkungen zu einer „unendlichen Geschichte“, FS Vieregge 1995, S. 443; Kudlich, MADness Takes Its Toll – Ein Zeitsprung im europäischen Strafrecht?, AG 2016, 459; Kutzner, Das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation nach § 20a WpHG – Modernes Strafrecht?, WM 2005, 1401; Otto, Strafrechtliche Aspekte des „insider-dealing“, in Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen in Europa, 1993, 65; Park, Kapitalmarktstrafrecht und Anlegerschutz, NStZ 2007, 369; Ransik/Hüls, Strafrecht zur Regulierung der Wirtschaft, ZGR 2009, 157; Schmitz, Aktuelles zum Kursbetrag gemäß § 88 BörsG, wistra 2002, 208; Schneider, Unternehmenserwerb mit Informationen aus einer Due Diligence kein strafbarer Insiderhandel, DB 2005, 2678; Schröder, Strafbares Insiderhandeln von Organvertretern einer AG nach geltendem und neuem Recht, NJW 1994, 2879; ders., Strafrechtliche Risiken für den investigativen Journalismus? – Die Meinungs- und Pressefreiheit und das Wertpapierhandelsgesetz, NJW 2009, 465; ders., Straf- und Bußgeldtatbestände im BörsG und WpHG, in Achenbach/Ransiek/Rönnau (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. 2015, S. 1286; Seibt/Wollenschläger, Revision des Marktmissbrauchsrechts durch Marktmissbrauchsverordnung und Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen für Marktmanipulation, AG 2014, 593; Sorgenfrei, Zum Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation nach dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz, wistra 2002, 321; Szesny, Das Sanktionsregime im neuen Marktmissbrauchsrecht, DB 2016, 1420; Teigelack/Dolff, Kapitalmarktrechtliche Sanktionen nach dem Regierungsentwurf eines Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes, BB 2016, 387; Tripmaker, Der subjektive Tatbestand des Kursbetruges – Zugleich ein Vergleich mit der Neuregelung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation nach dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz, wistra 2002, 288; Ziouvas/Walter, Das neue Börsenstrafrecht im Blick auf das Europarecht – Zur Reform des § 88 BörsG, WM 2002, 1483. Vgl. ansonsten bereits Schrifttum zur MAR (6. Teil vor Rn 250, 330 und 431) sowie allg. Schrifttum 5. Teil vor Rn 1. 3. Sonstige Materien: Einleitende Fußnoten zur Norm / zum Normkomplex mit Schrifttum Ältere Literatur zu allen Teilen vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2 – Bankrecht VI (1. Aufl. 2001, 2. Aufl. 2009)

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

A. Das WpHG als „Grundgesetz“: Regelungsumfeld, -ziele und -entwicklung Übersicht Rn I. Das WpHG: „Grundgesetz“ und Umsetzungsgesetz von WpD-RL, MiFID I & II 1. Ausgangspunkt: „Grundgesetz“ für Marktintegrität und wertpapierhandelsrechtliches Wohlverhalten und Organisationsregime . . . . . . . . . . . . . . a) Europäischer Ausgangspunkt: EG-Insider- und EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie . . . . . . b) Kapitalmarktrechtliches Grundgesetz – mit zunehmender Fokussierung auf wertpapierhandelsrechtliches Wohlverhalten und Organisationsregime . . . . . . . . . 2. Status quo: „Grundgesetz“ zu (EU-rechtlichen) Wohlverhaltensregeln, Organisation der Wertpapierfirmen und (alternativen) Marktbetreibern . . . . . a) Umsetzungsgesetz für die Wohlverhaltensregeln im Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie, MiFID I und II . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konglomeratgesetz – Überblick zu den jüngeren Gesetzesnovellen . . . c) Trennung in kundenbezogene Wohlverhaltenspflichten und Organisationsvorgaben für Wertpapierfirmen und (alternative) Marktbetreiber . . 3. Heutiger Bestand im Überblick . . . . .

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II. WpHG und Kapitalmarktrecht . . . . . . 1. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . 2. Insbesondere Sekundärmarktrecht . . . 3. Insbesondere Europäisches Sekundärmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Marktregeln – Instrumente . . . . . . . 5. Exkurs: WpHG und klassisches Wertpapierhandelsrecht . . . . . . . . . . . a) Klassisches Wertpapierhandelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Effektenkommissionsrecht – Verweis . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . d) Depotrecht – Verweis . . . . . . . . III. Regelungs- und Auslegungsziele (mit ökonomischer Theorie) . . . . . . . . . . 1. Zielsetzung – insbesondere Wohlverhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . a) Effizienzparadigma als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ökonomische Grundidee von Intermediation und Wohlverhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anreicherung durch weitere Ziele . 2. Auslegung des WpHG in seiner Eigenart als Umsetzungsgesetz . . . . . . . . IV. Räumlicher Anwendungsbereich

. . . . .

Rn 16 16 20 22 24 26 26 28 29 34 35 35 35

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I. Das WpHG: „Grundgesetz“ und Umsetzungsgesetz von WpD-RL, MiFID I & II 1. Ausgangspunkt: „Grundgesetz“ für Marktintegrität und wertpapierhandelsrechtliches Wohlverhalten und Organisationsregime a) Europäischer Ausgangspunkt: EG-Insider- und EG-Wertpapierdienstleistungs- 1 Richtlinie. Das WpHG diente in seiner ursprünglichen Fassung, die am 01.01.1995 in Kraft trat, der Umsetzung zweier wegweisender Richtlinien im Europäischen Kapitalmarktrecht – der EG-Insiderhandels-Richtlinie 19891 und der EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie 1993,2 darüber hinaus der ebenfalls wichtigen, jedoch nicht primär auf

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Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte, ABl.EG 1989 L 334/30; Vorschläge vgl. Grundmann Europäisches Schuldvertragsrecht, 4.21 (mit umfangreichen Literaturnachweisen, Kurzkommentierung und Abdruck). Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.05.1993 über Wertpapierdienstleistun-

gen, ABl. EG 1993 L 141/27; Korrekturen durch Richtlinie 95/26/EWG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29.06.1995, ABl. EG 1995 L 168/7; Vorschläge vgl. Grundmann Europäisches Schuldvertragsrecht, 4.20 (mit umfangreichen Literaturnachweisen, Kurzkommentierung und Abdruck).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

das Investment Banking bezogenen EG-Transparenz-Richtlinie.3 Diese Gründung im Europäischen Recht ist heute insofern tendenziell noch wichtiger als damals, als mit der Fortentwicklung über jeweils zwei weitere Generationen von EU-Rechtsakten die Tiefe und Breite der Harmonisierung/Vereinheitlichung noch erheblich zunahm (zu diesen weiteren Generationen von Rechtsakten zum WpHG im einzelnen unten Rn 6–11). Tiefe und Breite des EU-Bestandes nahmen zu: (i) durch teilweise Überführung in eine EU-Verordnung als einen Akt der Rechtsvereinheitlichung (die MAR, oben 6. Teil 3. Abschnitt); (ii) durch enorme Vertiefung und Verbreiterung in den einzelnen Rechtsakten auf oberster Ebene (Level 1), auch wenn hier, wie im Falle des Wertpapierdienstleistungsrechts, mit der sog. MiFID II (neben der MiFIR) weiterhin eine Richtlinie die Normhierarchie anführt (vgl. zu den Vertiefungen ursprünglich bereits angelegter Materien ebenso wie zum Hinzukommen zahlreicher weiterer ebenfalls unten Rn 6–11); schließlich (iii) dadurch, dass mit der Lamfalussy-Regelungsarchitektur und mit der Idee eines Single Rule Book eine enorme Vertiefung in der Durchführung, in der Ausformulierung der Details – bis hin in die Verwaltungsanweisungen – hinzukam (näher zu diesen Techniken allgemein 5. Teil Rn 96 und 138 und in der Anwendung speziell auf das Wertpapierhandelsrecht im Folgenden). 2 Die unter (i) (vorige Rn) genannte Entwicklung führte freilich auch dazu, dass das WpHG – als Umsetzungsgesetz – in jüngster Zeit eines Großteils seiner Materien verlustig ging, des gesamten Marktintegritätsrechts (jetzt MAR). Auf der anderen Seite kam jedoch die stärkere Betonung der Organisationsregeln für Wertpapierfirmen ebenso hinzu wie – spätestens seit der zweiten Richtliniengeneration, also mit der MiFID I – ein schrittweiser Aufbau eines Organisationsrechts der (alternativen) Marktbetreiber (neben den Börsen). Es kam also neben der Vertiefung und Verbreiterung des EU-rechtlichen Charakters auch zu einer signifikanten Gewichtsverlagerung – bei Verlust des Marktintegritätsrechts – hin zu einem Wohlverhaltensrecht nicht nur im Verhältnis zu den (Einzel-)Kunden (hier 8. Teil), sondern auch organisationsbezogen und bezogen auf (alternative) Marktbetreiber (oben 7. Teil; vgl. auch noch unten Rn 8). 3 Wegweisend waren die genannten beiden Europäischen Ausgangsrechtsakte von 1989 und 1993 vor allem aus folgenden Gründen. Die EG-Insiderhandels-Richtlinie 1989 bildete den wohl umstrittensten EG-Rechtsakt zum Marktintegritätsrecht überhaupt, einen echten Durchbruch. Um ein Insiderhandelsverbot war lange intensiv gerungen worden, mit ökonomischen und juristischen Grundsatzargumenten für und gegen ein Verbot, und lange schien eine Lösung weit entfernt, bis schließlich Deutschland – im damals geradezu sprichwörtlichen April 1989 – seinen Widerstand gegen solch ein Verbot aufgab und bald zu einem überzeugten Verfechter desselben wurde (oben 6. Teil Rn 256). Die EG-Insiderhandels-Richtlinie markierte freilich nicht nur den Beginn eines Europäischen Rechts der Marktintegrität. Vielmehr bildet(e) sie (zusammen mit der Entwicklung im Prospektrecht) auch den Übergang von einem auf die Börsenregulierung beschränkten EU-Recht (bis 1989) zu einem allgemeinen Europäischen Kapitalmarktrecht (näher oben 5. Teil Rn 101– 104 und 6. Teil Rn 256, 262–264), zumal sie mit dem Ad-hoc-Publizitäts-Regime auch einen zentralen Bereich der sog. Folgepublizität (erstmals gesetzlich) regelte. Gleichermaßen wegweisend war dann die EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie 1993, weil hiermit das im Herz des Wertpapierhandelsrechts stehende Bank-Kunden-Verhältnis einer intensiven Regulierung und kapitalmarktrechtlichen Aufsicht unterworfen wurde, der Pflichtenka3

Nachw. zur und Kontext der EG-Transparenz-Richtlinie oben 5. Teil Rn 117. Kurzkommentierung des hierauf beruhenden Beteiligungstransparenzregimes oben 6. Teil 5.

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Abschnitt. Das Regime betrifft direkt nur Emittenten und bildet daher allenfalls am Rande Teil eines Rechts des Investment Banking.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

non dabei auch intensiv ausgestaltet und insbesondere um die (für das deutsche und viele andere Rechte völlig neue) „know-your-customer-rule“ ergänzt wurde, mit der das Modell einer umfassend treuhänderischen Verantwortung für die Anlegerentscheidung einherging. In der Gesamtheit legten beide Richtlinien also auf EU-Ebene einen Gesamtplan an für ein (i) Marktintegritätsrecht, (ii) ein allgemein kapitalmarktrechtliches Regime der Folgepublizität (dieses ergänzt um die Gehalte der EG-Transparenz-Richtlinie), und (iii) das Modell eines treuhandrechtlichen Pflichtenkanons der Wertpapierfirmen in ihrem individuellen Kundenverhältnis zu den Anlegern (zum Vergleich mit den Gehalten des EU-Kapitalmarktrechts insgesamt vgl. oben 5. Teil Rn 97–134). b) Kapitalmarktrechtliches Grundgesetz – mit zunehmender Fokussierung auf wertpa- 4 pierhandelsrechtliches Wohlverhalten und Organisationsregime. Ursprünglich war das WpHG nur – relativ eng – als Umsetzungsgesetz für die EG-Insiderhandels-Richtlinie geplant gewesen.4 Da sich dessen Verabschiedung freilich hinzog und die genannten zwei weiteren EG-Richtlinien im schnellen Takt verabschiedet wurden, wurden diese mit umgesetzt und somit das „Umsetzungsgesetz“ von den geregelten Materien her erheblich ausgedehnt, auf den Großteil aller Kernbereiche der Regulierungsvorgaben für Wertpapierhandel allgemein (Marktintegrität, individuelle Kundenbeziehung, Organisation der Wertpapierfirmen und Marktbetreiber, Kernstücke der Folgepublizität). Erleichtert wurde dies nicht zuletzt durch den Umstand, dass der Bundesgerichtshof im Auslandsbond-Urteil5 Kernaussagen der WpDl-RL bereits kurz vor Einführung der Wohlverhaltensregeln in §§ 31 ff. WpHG (Ursprungsfassung, heute §§ 63 ff. WpHG) ins deutsche Recht übernommen hatte (ohne die Richtlinie zu zitieren). Daher war auch das damalige Gesetzgebungsverfahren kurz und problemlos.6 Wegen ihrer Breite bildeten – die im Folgenden das Herzstück der Kommentierung bil- 5 denden – §§ 31 ff. WpHG (a.F.), heute §§ 63 ff. WpHG seit Anbeginn das Grundgesetz des Wertpapierhandels.7 Ursprünglich wurde diese Qualifikation auf die Dreiheit der Regelungsmaterien bezogen: die Regelung des Insiderhandels (damals §§ 12 ff. WpHG) – unter

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Eingehend: Hopt FS Beusch 1993, S. 393; vgl. auch KölnKomm WpHG/Hirte/Heinrich Einl. Rn 61. BGH Urt. v. 06.07.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 = NJW 1993, 2433 = WM 1993, 1455 (Auslandsbond); Anm. Heinsius ZBB 1994, 47; Assmann/Schütze/Roth § 3 Rn 51; KölnKomm WpHG/Möllers § 31 Rn 50, 100, 108, 338; inzwischen zudem vor allem BGH Urt. v. 27.09.2011 – XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 = WM 2011, 2268 = ZIP 2011, 2237 (Lehman Brothers I); BGH Urt. v. 27.09.2011 – XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 = ZIP 2011, 2246 (Lehman Brothers II); Anm. etwa Bausch NJW 2012, 354; Klöhn ZIP 2011, 2244 (damals ca. 40 weitere Verfahren anhängig); Lang EWiR § 280 BGB 20/11; Muth/Müller GWR 2011, 547; Schäfer WM 2012, 197; Sommermeyer BKR 2012, 27. Insbes. eine Pflicht, die persönlichen Verhältnisse des Kunden zu erkunden, war vor dem Auslandsbond-Urteil nur

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von einer Mindermeinung angenommen worden. Nähere Hinweise vgl. Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, Bankrecht VI Rn 172–177. Für das WpHG als Gesamtregelung: Hopt ZHR 159 (1995) 135 (135); ähnlich Assmann/Schneider Einl. Rn 11; später etwa Jütten Die Bank 2006, 12; KölnKomm WpHG/ Hirte/Henrich Einl. Rn 3, international auch: Moloney, The regulation of investment services in the single market: the emergence of a new regulatory landscape, 3 EBOR 293, 304 (2002). Innerhalb des WpHG bilden und bildeten §§ 31 ff. WpHG a.F. / §§ 63 ff. WpHG n.F. (schon immer) insofern den Zentralkomplex, als sie den Normalfall regeln und jede Transaktion erfassen, nicht nur Außergewöhnliche (wie etwa die ebenfalls besonders prominenten Insiderhandelsregeln).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Einschluss der Ad-hoc-Publizität, die nicht so sehr als eigenständiges Kernstück einer Folgepublizität konzipiert wurde als vielmehr als Präventionsregel für Insiderhandel (damals § 15 WpHG) –, die Regelung der Beteiligungstransparenz (damals §§ 21 ff. WpHG) und die Regelung der Wohlverhaltensregeln (einschließlich erster Organisationsvorgaben) (damals §§ 31 ff. WpHG). Dass von einem „Grundgesetz“ des Kapitalmarktrechts – gerade auch im Kontext des deutschen Rechts – zu sprechen war, liegt nicht zuletzt auch an Folgendem: Bei der Konzeption eines Kapitalmarktrechts für Deutschland bildeten in der Tat das Insiderrecht – als Kernstück von Marktintegrität vor allem von Hopt und Will verstanden und so in den Mittelpunkt gerückt –8 und (fast noch prominenter) die Regulierung der Bank-Kunden-Beziehung im Wertpapierhandel (mit Wohlverhaltensregeln)9 – neben dem Prospektrecht –10 zwei der drei Bereiche, die für das Rechtsgebiet als wirklich konstituierend verstanden wurden. Die Regulierung der Bank-Kunden-Beziehung mit den Wohlverhaltensregeln (§§ 31 ff. WpHG a.F. / §§ 63 ff. WpHG n.F.) freilich konnte schon damals als das Herzstück verstanden werden, wenn auch nicht in der politischen Wahrnehmung. Eine Regelung des Wohlverhaltensregimes an der Spitze des WpHG, noch vor den Insider- und Marktmanipulationsverboten, die doch nur außergewöhnliche und unerwünschte Verhaltensweisen regeln, und des (emittentenbezogenen) Regimes zur Beteiligungstransparenz wäre passend gewesen. Heute jedenfalls sind Insider- und Marktmanipulationsverbote und Ad-hoc-Publizität ohnehin in die MAR überführt.

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2. Status quo: „Grundgesetz“ zu (EU-rechtlichen) Wohlverhaltensregeln, Organisation der Wertpapierfirmen und (alternativen) Marktbetreibern. Die Entwicklung seit 1995 kann primär in zwei Strängen zusammengefasst werden. Einerseits wurde das WpHG in seinem wertpapierhandelsrechtlichen Teil erheblich fortentwickelt und vertieft durch einen Auf- und Ausbau des EU-Rechts über drei Generationen von Rechtsakten hinweg – dies im Hinblick auf die kundenbezogenen Wohlverhaltensregeln, das Organisationsregime der Wertpapierfirmen und die Anforderungen an (alternative) Marktbetreiber (§§ 31 ff. WpHG a.F. / §§ 63 ff. WpHG n.F., hierzu unten a), Rn 7–11). Insoweit ist weiterhin von einem (EU-Recht-basierten) Grundgesetz zu sprechen, freilich nur einem Grundgesetz der Regulierung des Wertpapierhandels. Die vorliegende WpHG-Kommentierung im 7. und 8. Teil – also funktional trennend zwischen Organisationsanforderungen (auch an Marktbetreiber) und Regeln für kundenbezogenes Wohlverhalten – hat ihren Schwerpunkt ganz in diesem Strang. Andererseits jedoch ist die Entwicklung des WpHG nicht nur durch den erwähnten Verlust des Marktintegritätsrechts mit Verabschiedung der MAR gekennzeichnet, also durch Ausgliederung von Insiderrecht, Marktmanipulationsregime, Ad-hoc-Publizitäts-Pflicht und der Vorgaben für Directors’ Dealing, sondern umgekehrt auch durch eine Auffüllung durch eine Reihe sonstiger Regeln (kompetenzrechtlicher oder auch indirekt wertpapierhandelsrechtlicher Art). Daher präsentiert sich das WpHG heute auf Ebene

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Vgl. Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht – Einführende Untersuchung, ausgewählte Materialien, 1973. Konstituierend für das Konzept von Kapitalmarktrecht in Deutschland vor allem bereits in der „Gründungsschrift“ von Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken – gesellschafts-, bank- und börsenrechtliche Anforderungen an das Beratungs- und Verwaltungsverhalten der Kreditinstitute, 1975; danach Grundmann Treuhandvertrag; spä-

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ter etwa Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, 2005; Kumpan, Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht – eine Untersuchung zur Fremdinteressenwahrung und Unabhängigkeit, 2014. Zu dessen paradigmatischer Bedeutung und den intensiven Diskussionen (insbesondere um eine Ausweitung des Anwendungsbereichs), die hier über mehrere Jahrzehnte geführt wurden, vgl. oben 6. Teil Rn 63–78.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

des nationalen Rechts in seinem Nebenstrang als ein Konglomeratgesetz (zu dieser Entwicklung unten b), Rn 12 f.). Die Kommentierung im Folgenden greift diese heterogenen Materien – den zweiten Strang – meist eher nur überblicksweise auf. a) Umsetzungsgesetz für die Wohlverhaltensregeln in Wertpapierdienstleistungs- 7 Richtlinie, MiFID I und II. aa) §§ 31–34 WpHG a.F. wurden ursprünglich erlassen zur Umsetzung desjenigen Teils der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (WpDl-RL),11 der das Bank-Kunden-Verhältnis (zugleich mit gewissen Organisationsvorgaben) regelt, namentlich von Art. 10 f. WpDl-RL. §§ 35–37 WpHG regelten Fragen der behördlichen Überwachung. Seit 2004 trat die erste Finanzmarkt-Richtlinie (FM-RL, MiFID I)12 an die Stelle der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie. Innerhalb der Wohlverhaltensregeln wurde bereits zwischen rein kundenbezogenen (8. Teil) und organisationsbezogenen (7. Teil) unterschieden. MiFID I wurde schließlich 2014 durch MIFID II novelliert, zu deren Umsetzung das WpHG grundsätzlich überarbeitet und gänzlich neu durchnummeriert wurde (dazu dann unten Rn 13). Nach Umsetzung von MiDIF I fanden sich die Umsetzungsregeln für das Bank-Kunden-Verhältnis und für die organisationsbezogenen Wohlverhaltenspflichten in §§ 31–34d (a.F.) und – ebenfalls kundenbezogen, freilich auf die Verstöße gegen die Ad-hoc-Publizitätsregeln bezogen – in 37b–37c WpHG a.F., dieses Regime dann ergänzt noch um einige Restregeln speziell zu Finanztermingeschäften und Schiedsvereinbarungen (§§ 37e–37h WpHG). §§ 35–37 WpHG a.F. regelten auch weiterhin Fragen der behördlichen Überwachung. Der Hauptunterschied zwischen der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie und der ersten Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID I) – und damit auch zwischen der Fassung des WpHG im Jahre 1995 und 2007 lag darin, dass die Regelung ungleich detaillierter wurde, nicht zuletzt auch weil zwischen verschiedenen Kundengruppen viel energischer differenziert wird und alternative Handelssysteme erstmals in die Regelung aufgenommen wurden (zu diesen ebenfalls 7. Teil, bes. Rn 162 ff.).13 Gerade die zuletzt genannte Tendenz sollte dann mit der Novellierung durch die MiFID II noch ausgebaut und vervollkommnet werden. Einige Hauptteile der WpDl-RL bzw. FM-RL/MiFID I und auch heute MiFID II – zu Solvenzaufsicht, Herkunftslandkontrolle und sog. „Europass“ – wur-

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Nachw. oben Fn 2. Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG 2004 L 145/1 und 2005 L 45/18; Verlängerung der Umsetzungsfrist durch Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/32/EG, ABl. EG 2006 L 114/60. Erste Vorschläge vom 14. und 15.11.2000, KOM(2000) 722 und 729 endg., dann vom 19.11.2002, KOM(2002) 625 endg. bzw. ABl. EG 2003 C 71E/62; Stellungnahmen ABl. EG 2003 C 220/1 (Wirtschafts- und Sozialausschuss) und 2004 C 77E/329 (Europäisches Parlament), Text des Entschließungsentwurfs abrufbar unter:

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http://www.europarl.europa.eu/sides/get Doc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+ REPORT+A5–2003–0287+0+DOC+PDF+ V0//DE; Gemeinsamer Standpunkt (Europäisches Parlament) nicht im Amtsblatt veröffentlicht, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef= -//EP//NONSGML+REPORT+A5–2004– 0114+0+DOC+ PDF+V0//DE; Kurzkommentierung und Abdruck Lutter/Bayer/ J. Schmidt, Europäisches Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2011, § 33 (S. 1128 ff.). Fleischer BKR 2006, 389 (391) (statt 32 dann 73 Artikel); Seyfried WM 2006, 1375; Teuber BKR 2006, 429 (434); Jordans WM 2007, 1827 (1828); Maurenbrecher AJP 2005, 19 (24 f.); KölnKomm WpHG/Möllers § 31 Rn 35–45; Assmann/Schütze § 1 Rn 75 f.

Stefan Grundmann

723

8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

den in Deutschland freilich außerhalb des WpHG umgesetzt.14 Während jedoch die Parallelregelung im Commercial Banking15 allein diese Fragen geregelt hatte,16 wurde in die 14

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BGBl. 1997 I S. 2518. Zu diesem Bereich – auch im System der gesamten Harmonisierung der Solvenzaufsicht über Kreditinstitute – vgl. etwa Kurzübersicht bei Grundmann EG-Schuldvertragsrecht, Einl. § 7 Rn 14 f. (Universalbanken- und Trennbankensystem), 4.20 Rn 2–4. Aus neuerer Zeit, nach Konsolidierung des Systems des Europäischen Bankaufsichtsrechts, im Kern aber noch immer vergleichbar: BankR-HdbFischer/Boegl, § 125 Rn 56–76, § 129 Rn 34–39; BankR-Hdb-Kolassa § 135. Heute grundlegend geändert durch das sog. CRD IV-Maßnahmenpaket, vgl. nächste Fn. Ursprünglich war dies das Richtlinienpaket der Eigenmittel-, Solvabilitätskoeffizientenund der 2. Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie, an deren Stelle dann die konsolidierte Fassung in der sog. Banken-Richtlinie trat, Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2006; und die Umgestaltungen in Reaktion auf die Finanzkrise in: Richtlinie 2009/111/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.09.2009 zur Änderung der Richtlinie 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2007/64/EG hinsichtlich Zentralorganisation zugeordneter Banken, bestimmter Eigenmitteltatbestände, Großkredite, Aufsichtsregelungen und Krisenmanagement, ABl. EG 2009 L 302/97 („CRD II“); Richtlinie 2010/76/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuch und Weiterverbriefungen und im Hinblick auf die aufsichtliche Überprüfung der Vergütungspolitik, ABl. EG 2010 L 329/3 („CRD III“); heute weitere Novellierung und Kodifikation in nur einem Paket von zwei Rechtsakten, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 („CRR“) und Richtlinie 2013/36/EU („CRD IV“) vom 26.06.2013, ABl. EU 2013 L 176/1 und L 176/338. Nachw. zum ursprünglichen Richtlinienpaket bei Grundmann EG-Schuldvertragsrecht S. 587 f.; ausführlichere und weitere Nachw. noch unten Fn 66. Vertragsrechtliche Fragen wurden auf unabhängige, auch zeitlich abgekoppelte Rechtsakte ausgelagert, vor allem die Verbraucherkredit-Richtlinie, später die Verbraucher-

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und die Hypothekenkredit-Richtlinie (2008/2014) für das Kreditgeschäft und die Überweisungs-, dann die ZahlungsdiensteRichtlinie (2007) und Teile der Systemrisiken-Richtlinie für das Zahlungsgeschäft: vgl. Nachweise und Kommentierung oben 3. Teil bes. Rn 2–15 und 4. Teil bes. Rn 536–871; Kurzkommentierungen der Ausgangsrichtlinien etwa bei Grundmann EG-Schuldvertragsrecht unter 4.10 und 4.13. Während die Verbraucherkreditrichtlinie 2008 auch weiterhin im Wesentlichen nur das Bankvertragsrecht regelt(e), beinhaltet(e) die Zahlungsdienste-Richtlinie auch umfangreich aufsichtsrechtliche Vorschriften. Sie ist inzwischen selbst überarbeitet in der Zahlungsdiensterichtlinie II („ZDR2“): Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG, ABl.EU 2015 L 337/35; dazu Bauer/Glos, Die zweite Zahlungsdiensterichtlinie – Regulatorische Antwort auf Innovation im Zahlungsverkehrsmarkt, DB 2016, 456; Conreder/Schild, Die Zahlungsdiensterichtlinie II (PSD II) – Auswirkungen auf die Realwirtschaft, BB 2016, 1162; Hingst/Lösing, Die geplante Fortentwicklung des europäischen Zahlungsdiensteaufsichtsrechts durch die Zweite Zahlungsdienste-Richtlinie, BKR 2014, 315; Omlor, Die zweite Zahlungsdiensterichtlinie: Revolution oder Evolution im Bankvertragsrecht, ZIP 2016, 558; Spindler/Zahrte, Zum Entwurf für eine Überarbeitung der Zahlungsdiensterichtlinie (PSD II), BKR 2014, 265; Terlau, Die zweite Zahlungsdiensterichtlinie – zwischen technischer Innovation und Ausdehnung des Aufsichtsrechts, ZBB 2016, 122; ders., 5 Jahre Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz – Reform der Zahlungsdiensterichtlinie, ZBB 2014, 291; MünchKommBGB/Casper § 675 Rn 12 f.; BankR-Hdb-Kolassa § 137 Rn 135; zum Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie vom 17.07.2017, BGBl. 2017 I, S. 2446: Omlor, Aktuelles Gesetzgebungsvorhaben: Umsetzung der zweiten Zahlungsdienste, JuS 2017, 626.

Stefan Grundmann

1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

WpDl-RL bzw. danach die FM-RL/MiFID I – jedenfalls anfangs zu wenig gewürdigt –17 auch das Vertragsrecht – oder jedenfalls die Kundenbeziehung – einbezogen. In einem zweiten Punkt unterschied sich das Regime für das Investment-Banking in Fragen der Bank-Kunden-Beziehung von dem im Commercial Banking zunächst erheblich: Während die EG-Verbraucherkredit-Richtlinie das Kreditrecht und die EG-Überweisungs-Richtlinie das Zahlungsgeschäft nur lückenhaft regelten,18 legten Art. 10 f. WpDl-RL für das Verpflichtungsgeschäft im Wertpapierhandel das Pflichtengefüge in allen wesentlichen Punkten fest.19 Später fand sich der Kern der Regelung in Art. 13, 18–24 FM-RL/MiFID I. Diese Normen zum Wertpapierhandel gelten nicht nur für reine Wertpapierfirmen – so der genannte aufsichtsrechtliche Teil der WpDl-RL bzw. FM-RL (Art. 2 Abs. 1 S. 2 WpDl-RL bzw. Art. 5 Abs. 1 FM-RL) –, sondern auch für Kreditinstitute, weil diese zwar für die Aufsicht dem genannten eigenständigen EU-Aufsichtsrecht unterliegen, dieses jedoch die Kundenbeziehung nach dem Gesagten gerade nicht regelt. In der dritten Generation von EU-Rechtsakten wurde die Finanzmarkt-Richtlinie II 8 (FM-RL II/MiFID II) verabschiedet (ursprünglich bis zum 03.07.2016 umzusetzen, dann jedoch Umsetzungsfrist verschoben auf den 01.01.2018), desgleichen eine FinanzmarktVerordnung (MiFIR), mit welchen die Ausgestaltung des Wertpapierhandelsrechts, vor allem auch seine Vereinheitlichung vorangetrieben, vor allem jedoch auch auf die Finanzkrise und darin deutlich gewordene Defizite reagiert werden sollte.20 Kerngehalte sind: die

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Die beiden ersten deutschsprachigen Monographien zum Europäischen Bankvertragsrecht kommentieren die Wohlverhaltensregeln, dh. das wesentliche Pflichtengefüge für die Wertpapierdienstleistungen, (praktisch) nicht: vgl. Knaul, Auswirkungen des europäischen Binnenmarktes der Banken auf das internationale Bankvertragsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Verbraucherschutzes, 1995; Wernicke, Privates Bankvertragsrecht im EG-Binnenmarkt, 1996; vgl. jedoch auch Schäfer AG 1993, 389 (390); zum Gesamtsystem der bank(vertrags)rechtlichen „Kodifikation“ auf EU-Ebene aus jüngerer Zeit vgl. Grundmann, European Law and Principles on Commercial and Investment Banking Contracts: An Advanced Area of Codification, in: Hartkamp/Hesselink/ Hondius/Mak/du Perron (Hrsg.), Towards a European Civil Code, 4. Aufl. 2011, 787. Erstere nur im Verhältnis zum Verbraucher und ganz ohne Kreditsicherungsrecht, zweitere nur grenzüberschreitend und auch nur eines unter vielen Zahlungsinstrumenten (freilich das mit Abstand wichtigste). Zu wichtigen (sonstigen) Lücken in diesen Richtlinien Grundmann EG-Schuldvertragsrecht, 4.10 Rn 44 und auch 18 sowie 4.13 Rn 27. Die Überweisungs-Richtlinie wurde freilich in der ungleich dichteren und auch sachlich weitgehend flächendeckenden Zah-

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lungsdienste-Richtlinie fortgeschrieben, und auch die zweite Generation der Verbraucherkredit-Richtlinie ist deutlich dichter, so dass dieser Unterschied heute weitestsgehend eingeebnet erscheint. Vgl. nur Grundmann (vorige Fn) und Kommentierungen oben 3. Teil bes. Rn 2–15 und 4. Teil bes. Rn 536–871. Unharmonisiert blieb die – überwiegend noch sachenrechtlich geprägte – Durchführung des Geschäfts, in Deutschland nach dem DepotG; freilich tritt neben dieses heute mit der CSDR für Teilbereiche der Abwicklung und Absicherung eine EU-Verordnung (Nachw. nächste Fn), vgl. zu allem unten 2. Abschnitt. Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. EU 2014 L 172/349 (FM-RL II, MIFID II); Änderung durch Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012, ABl. EU 2014 L 257/1. Vorschlag vom 20.10.2011 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Erfassung auch von Wertpapieren (strukturierten Einlagen), die Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister selbst emittieren, sowie allgemein die Angleichung der Anforderungen auch für diejenigen Institute, die vom Anwendungsbereich ausgenommen sind (vgl. unten Rn 112); die Handelsplätze (bisher §§ 31f bis 32d WpHG a.F., ab 1.1.2018 §§ 72–79 WpHG n.F.) werden noch umfassender in die Regulierung einbezogen, indem über die Kategorien regulierte Märkte, Multilaterale Handelssysteme (MTF) und Systematische Internalisierung hinaus noch eine Auffangkategorie sog. „Organisierter Handelssysteme“ (Organised Trading Facilities, OTF) geschaffen wurde, um zugleich Transparenzlücken (insbes. durch Handel in „Dark Pools“) bei bestimmten, nur in solchen Systemen gehandelten Produkten zu vermeiden, namentlich bei strukturierten Finanzprodukten, die die Finanzkrise auslösten;21 zudem gilt bei komplexen Instrumenten auch für andere als Kleinanleger wieder ein erheblicher Aufklärungsschutz und wird mit der sog. Produkt-Governance der Prozess der Ausarbeitung von Produkten zwingend mit einer formalisierten Risikoanalyse und -kategorisierung verbunden, die auch nach außen transparent zu machen ist (vgl. unten Rn 160–164); Schutzmechanismen gegen zu hohe Volatilität auf Grund von automatisiertem Handel in Form von algorithmischem Handel und Hochfrequenzhandel wurden – wie ähnlich vorher bereits im deutschen Recht – eingeführt (vgl. unten Rn 13, 84, 98); an die Mitglieder der Leitungsorgane von Wertpapierdienstleistern wurden weitere Anforderungen gestellt beim Nachweis, den sie hinsichtlich ausreichender Kenntnisse und Erfahrung zu erbringen haben (oben 7. Teil Rn 45 ff.); auch die unabhängigen Berater und Portfoliomanager wurden dem Verbot, keine zusätzlichen Provisionen von Dritten zu nehmen („kick-backs“, § 31d WpHG, heute § 7 WpHG n.F.), explizit unterworfen und dies in

über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, KOM(2001) 656 endg.; gemeinsamer Standpunkt zum Vorschlag des Rats und des Europäischen Parlaments zu MiFID und MiFIR vom 18.6.2013 – 2011/0298 (COD) – 11006/13: 2011/0296 (COD) u. 2011/0298 (COD) – 11005/13; dazu etwa Busch/Ferrini (Hrsg..), MiFID II and MiFIR, 2017; Cahn/ Müchler BKR 2013, 45; Güllner, MiFID II: Die neue Handelsplatzarchitektur in der EU, WM 2017, 938; Jordans BKR 2017, 273; Funke CCZ 2012, 54; Geier/Schmitt WM 2013, 915; Möllers/Poppele ZGR 2013, 437; Roth/Blessing, Die neuen Vorgaben nach MiFID II – Teil 1–3 …, CCZ 2016, 258, 2017, 8 und 163; dies. WM 2016, 1157; Salewski GWR 2012, 265; Veil/Lerch WM 2012, 1557 und 1605; Frisch § 54 – Wertpapierhandelsgesetz in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht Bd. 2, S. 175 (207 f.); Wenzel/Coridaß in: Temporale (Hrsg.) Europäische Finanzmarktregulierung, S. 11; Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 2016; ESMA Discussion Paper MiFID II/ MiFIR vom 22.5.2014, abzurufen unter

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https://www.esma.europa.eu/sites/default/ files/library/2015/11/2014–548_discussion_ paper_mifid-mifir.pdf; verbunden mit Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl. EU 2014 L 173/84 (diese Verordnung freilich vor allem für die Aufsicht und Fragen der Marktbetreiber und -organisation wichtig, nicht für die individuelle Kundenbeziehung; vgl. unten Rn 47). Zum Phänomen der „dark pools“ vgl. etwa Güllner WM 2017, 938 (941); Kasiske, Compliance-Risiken beim Wertpapierhandel in Dark Pools, BKR 2015, 454; Banks, Dark pools: The structure and future of off-exchange trading and liquidity, 2010; Teall, Financial Trading and Investing, 2012, S. 81 f.; Gomber/Gvozdevskiy Dark Trading under MiFID II, in: Bush/Ferrarini (Hrsg.), MIFIR, 363; zu ihrem Beitrag zur Finanzkrise etwa Banks, a.a.O, S. 177 ff.; EBJS/ Grundmann BankR Rn VI 186; vgl. auch Erw.grund B und C in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14.12.2010 zu der Regulierung des Handels mit Finanzinstrumenten – „Dark Pools“ usw. (2010/2075(INI)), ABl.EU 2012 CE 169/1.

Stefan Grundmann

1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

verschärfter Form (vgl. unten Rn 216–219, 243 ff.); und nicht zuletzt werden auch die Verwaltungssanktionen verschärft (vgl. unten Rn 115 ff.). bb) Die Geschichte der Normentwicklung auf EG-Ebene ist nach allem eine der zuneh- 9 menden Verdichtung: Während sich der ursprüngliche Vorschlag zur Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie insoweit noch in einer Norm zu den Interessenkonflikten erschöpft hatte, war in der verabschiedeten Fassung der Inhalt der vorangegangenen Empfehlung der Kommission – Allgemeine Grundsätze – übernommen worden:22 Eingeführt wurden – britisch geprägt –23 Wohlverhaltensregeln ieS (Art. 11 WpDl-RL, §§ 31 f. WpHG a.F.) und Regeln, die diesen ähneln und daher als Wohlverhaltensregeln iwS zu verstehen waren und sind (Art. 10 WpDl-RL, §§ 33–34a WpHG a.F.), jedoch teils auch weniger spezifisch als Aufsichtsregeln umschrieben werden. Die erste Novellierung in der Finanzmarkt-Richtlinie I (FM-RL I) – Markets in Finan- 10 cial Instruments Directive (MiFID I) –, behielt diese Grundstruktur durchaus bei, insbesondere die Unterscheidung in Wohlverhaltensregeln ieS (Art. 18, 19–24 FM-RL, §§ 31–31c, teils auch §§ 31d, 31e, 33a WpHG a.F.) und Wohlverhaltensregeln iwS oder „Aufsichtsregeln“ (Art. 13, 18 FM-RL, §§ 33–34d WpHG a.F.), ergänzt um (nationale) Haftungsregeln (§§ 37 b–37 c WpHG a.F. [freilich für die Ad-hoc-Publizität]; Sonderverjährungsregeln für den Wertpapierhandel ieS in § 37a WpHG a.F., die freilich später wieder ganz gestrichen wurden); hinzu traten jedoch vor allem auch Regeln zu alternativen Handelssystemen (Art. 26, 29 f. FM-RL, in der deutschen Umsetzung dazwischen hineingeschoben, §§ 31f–32d WpHG a.F., heute §§ 72–79 WpHG n.F.). Auch die Finanzmarkt-Richtlinie II (FM-RL II, MIFID II) behält diese Struktur in ihren Art. 23 und 24 ff. grds. bei. Eine dichtere Harmonisierung in der MiFID I wurde vor allem aus folgenden Gründen für nötig empfunden:24 Der Schutz von Kleinanlegern sollte intensiver werden, umgekehrt sollten die Transaktionen mit professionellen Anlegern relativ frei möglich und nicht von Nichtigkeitsrisiken überschattet sein; insbesondere sollten klassische Konfliktpotentiale, wie die Ausführung (best execution) eingehend geregelt werden, jedoch auch allgemeiner die Wohlverhaltensregeln im Detail noch genauer umrissen werden; durch die Regelung auch der alternativen Handelssysteme sollten einerseits der Wettbewerb zwischen diesen genutzt und transparenter, andererseits die Nachteile aus der mit ihnen einhergehenden Fragmentierung zurückgedrängt werden. Im das letzte Jahrzehnt beherrschenden Aktionsplan Finanzdienstleistungen vom Mai 199925 wurde die FM-RL als „Eckpfeiler eines integrierten Kapitalmarkts“ umschrieben (unter A.III.1.). Für die Finanzmarkt-Richtlinie II und die flankierende Verordnung (MiFID II und MiFIR) wird die Fortschreibung dieser Tendenz ebenso betont wie das Ziel, Defiziten, die in der Finanzkrise deutlich wurden, zu begegnen,

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Vgl. näher, mit Nachw., auch zur Heranziehung oder Nichtheranziehung der damaligen Empfehlung als Auslegungshilfe, Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR Rn VI 174 bes. Fn 374. Die speziellen Grundsätze der Empfehlung, die die allgemeinen konkretisieren, fanden demgegenüber nicht Eingang in die Richtlinie, sondern nur in das WpHG (vgl. § 32 a.F., inzwischen auch wieder aufgehoben, vgl. im Text). Ferrarini CMLR 31 (1994) 1283 (1304); Köndgen ZBB 1996, 361 (362). Zum fehlen-

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den Primat solcher „Modelle“ in Auslegungsfragen (autonom EU-rechtliche Auslegung): Grundmann EG-Schuldvertragsrecht, 1. Teil Rn 144; und oben 1. Teil Rn 113. Etwa 2. und 5. Erwägungsgrund FM-RL I / MiFID I; Fleischer BKR 2006, 389 (390 f.). EG-Kommission, Umsetzung des Finanzmarktrahmens – Mitteilung der Kommission vom 11.05.1999, KOM(1999) 232 endg., Abdruck auch in ZBB 1999, 254; dazu Hammes ZBB 2001, 498; Moloney CMLR 40 (2003), 809.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

um so Krisenprävention zu betreiben.26 Auffällig ist die Heterogenität der nunmehr verwandten Schutzkonzepte – mit einem signifikanten Stabilitätsziel, das so dem Wertpapierhandelsrecht zuvor eher fremd war.27 Dies ist bei der Diskussion der Ziele wieder aufzugreifen (unten Rn 35–40). 11 Die dichtere Durchbildung beruht nicht nur darauf, dass schon die FinanzmarktRichtlinie I deutlich umfangreicher war als die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie und die Finanzmarkt-Richtlinie II wiederum dichter als die Finanzmarkt-Richtlinie I, sondern dass beide zudem im sog. Lamfalussy-Verfahren erlassen wurden:28 Danach werden auf Richtlinienstufe (im Prinzip) nur die Grundsätze ausformuliert, die freilich im Falle der MiFID I und erst recht der MiFID II schon sehr detailliert ausfielen. Auf einer zweiten Stufe wurden diese für die MiFID I (noch zusätzlich) verfeinert durch zwei Durchführungsrechtsakte (der EG-Kommission auf der Grundlage von Vorarbeiten von CESR, inzwischen und für MiFID II ersetzt durch ESMA): die Durchführungs-Richtlinie (FM-DRL), die die hier vorrangig kommentierten Organisationspflichten und Wohlverhaltensregeln zum Gegenstand hatte;29 und die Durchführungs-Verordnung (FM-DVO), die neben einigen Begriffsbestimmungen vor allem aufsichtsrechtliche Fragen zum Gegenstand hatte.30 Die dritte und vierte Stufe betreffen dann die Umsetzung (und Verbürgung von Einheitlichkeit hierbei) und die Überprüfung derselben. Zur Auslegung der Richtlinie und der beiden Durchführungs-Rechtsakte sind dann ebenfalls noch wichtig die – Gerichte freilich nicht bindenden – Erläuterungen der ESMA (ursprünglich von CESR).31 Für die MiFID II sind

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Etwa 4. und 5. Erwägungsgrund MiFID II; dazu etwa Lange DB 2014, 1723; Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, S. 9 f.; Busch/Ferrarini in: Busch/ Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 3 (7). Zur Heterogenität der Schutzkonzepte vgl. Grundmann/Hacker in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 165 (bes 171–181 et passim); zur Einführung eines (prominenten) Stabilitätsziels vgl. 37. und 146. Erw.grund MiFID II und etwa Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 434; vgl. auch Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, S. 22. Zu diesem und MiFID I: Ferrarini, Contract Standards and the Markets in Financial Instruments Directive (MiFID) – An Assessment of the Lamfalussy Regulatory Architecture, ERCL 2005, 19 (kritisierend, dass auf Richtlinienebene im Falle der FM-RL keineswegs nur von „Grundzügen“ gesprochen werden kann); Hirschberg AG 2006, 398 (399 f.); allgemeiner Karpf ÖBA 2005, 573; Schmolke NZG 2005, 912 (912–914) und oben 5. Teil Rn 138; für seine Anwendung spezifisch im Kontext von MiFID II etwa Wenzel/Benedikt/Coridaß in: Temporale (Hrsg.) Europäische Finanzmarktregulierung, S. 11 (12 f.).

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Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10.08.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl.EG 2006 L 241/26. Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10.08.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Auszeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie, ABl.EG 2006 L 241/1. Sog. background notes, für die MiFID insbesondere Background Note Draft Commission Directive implementing Directive 2004/39/EC): http://ec.europa.eu/internal_ market/securities/docs/isd/dir-2004–39implement/reg-backgroundnote_en.pdf (vgl. schon WM 2006, 1375, [1375 Fn 4]; heute Grunewald/Pellens WM 2012, 778 (782 mit Fn 36); Veil/Wundenberg EU-Kapitalmarktrecht § 29 Rn 10; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 331 Fn 70). Die zahlreichen Dokumente der drit-

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

als Durchführungs-Rechtsakte eine wahre Flut an EU-Verordnungen erlassen worden, namentlich: VO Nr. 2017/565; VO Nr. 2017/566; VO Nr. 2017/568; VO Nr. 2017/569; VO Nr. 2017/570; VO Nr. 2017/571; VO Nr. 2017/573; VO Nr. 2017/574; VO Nr. 2017/575; VO Nr. 2017/576; VO Nr. 2017/578; VO Nr. 2017/584; VO Nr. 2017/586; VO Nr. 2017/588; VO Nr. 2017/589; VO Nr. 2017/591; VO Nr. 2017/592; RL Nr. 2017/593; VO Nr. 2017/953; VO Nr. 2017/988; VO Nr. 2017/980; VO Nr. 2017/981; VO Nr. 2017/1005; VO Nr. 2017/1110; VO Nr. 2017/1111 sowie die VO vom 11.7.2017.32

32

ten Stufe, wie Leitlinien und Empfehlungen, sind abrufbar unter https://www.esma. europa.eu/databases-library/esma-library, die jüngeren (von ESMA) geordnet nach den Bereichen Guidelines and Technical standards, Corporate Disclosure, Fund Management, Post Trading, Press Releases, Joint Committee, MiFID – Investor Protection, Corporate Information, Credit Rating Agencies, die älteren (von CESR) CESR Archive. Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25.04.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl.EU 2017 L 87/1; Delegierte Verordnung (EU) 2017/566 der Kommission vom 18.05.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards für das Verhältnis zwischen nicht ausgeführten Verträgen und Geschäften zur Verhinderung marktstörender Handelsbedingungen, ABl.EU 2017 L 87/84; Delegierte Verordnung (EU) 2017/568 der Kommission vom 24.05.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel an geregelten Märkten, ABl.EU 2017 L 87/117; Delegierte Verordnung (EU) 2017/569 der Kommission vom 24.05.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Aussetzung des Handels und den Ausschluss von Finanzinstrumenten vom Handel, ABl.EU 2017 L 87/122; Delegierte Verordnung (EU) 2017/570 der Kommission vom 26.05.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU

des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards zur Bestimmung des in Bezug auf die Liquidität maßgeblichen Markts hinsichtlich Benachrichtigungen über vorübergehende Handelseinstellungen, ABl.EU 2017 L 87/124; Delegierte Verordnung (EU) 2017/571 der Kommission vom 02.06.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Zulassung, die organisatorischen Anforderungen und die Veröffentlichung von Geschäften für Datenbereitstellungsdienste, ABl.EU 2017 L 87/126; Delegierte Verordnung (EU) 2017/573 der Kommission vom 06.06.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards für Anforderungen zur Sicherstellung gerechter und nichtdiskriminierender Kollokationsdienste und Gebührenstrukturen, ABl.EU 2017 L 87/145; Delegierte Verordnung (EU) 2017/574 der Kommission vom 07.06.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für den Grad an Genauigkeit von im Geschäftsverkehr verwendeten Uhren, ABl.EU 2017 L 87/148; Delegierte Verordnung (EU) 2017/575 der Kommission vom 08.06.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards bezüglich der Daten, die Ausführungsplätze zur Qualität der Ausführung von Geschäften veröffentlichen müssen, ABl.EU 2017 L 87/152; Delegierte Verordnung (EU) 2017/576 der Kommission vom 08.06.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die jährliche Veröffentlichung von Informationen durch

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Für die in Teil 8 erörterte Kundenbeziehung sind hiervon (nur und) vor allem die EUVerordnungen 2017/592 (Definition Nebentätigkeit), 2017/593 (Produktüberwachungspflichten und Provisionsfragen), potentiell auch 2017/1111 (zur Übermittlung von SankWertpapierfirmen zur Identität von Handelsplätzen und zur Qualität der Ausführung, ABl.EU 2017 L 87/166; Delegierte Verordnung (EU) 2017/578 der Kommission vom 13.06.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards zur Angabe von Anforderungen an Market-Making-Vereinbarungen und -Systeme, ABl.EU 2017 L 87/183 mit Berichtigung ABl.EU 2017 L 87/209; Delegierte Verordnung (EU) 2017/584 der Kommission vom 14.07.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der organisatorischen Anforderungen an Handelsplätze, ABl.EU 2017 L 87/350; Delegierte Verordnung (EU) 2017/586 der Kommission vom 14.7.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden im Rahmen der Zusammenarbeit bei der Überwachung, bei Überprüfungen vor Ort und bei Ermittlungen, ABl.EU 2017 L 87/382; Delegierte Verordnung (EU) 2017/588 der Kommission vom 14.07.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für das Tick-Größen-System für Aktien, Aktienzertifikate und börsengehandelte Fonds, ABl.EU 2017 L 87/411; Delegierte Verordnung (EU) 2017/589 der Kommission vom 19.07.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen, die algorithmischen Handel betreiben, ABl.EU 2017 L 87/417; Delegierte Verordnung (EU) 2017/591 der Kommission vom 01.12.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Anwendung von Positionslimits für Warenderivate, ABl.EU 2017 L 87/479; Delegierte Verordnung (EU)

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2017/592 der Kommission vom 01.12.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der Kriterien, nach denen eine Tätigkeit als Nebentätigkeit zur Haupttätigkeit gilt, ABl.EU 2017 L 87/492; Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 07.04.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden, Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung beziehungsweise Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen oder anderen monetären oder nicht-monetären Vorteilen, ABl.EU 2017 L 87/500; Durchführungsverordnung (EU) 2017/953 der Kommission vom 06.06.2017 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards im Hinblick auf das Format und den Zeitpunkt der Positionsmeldungen von Wertpapierfirmen und Marktbetreibern von Handelsplätzen gemäß der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, ABl.EU 2017 L 144/12; Durchführungsverordnung 2017/988 der Kommission vom 06.06.2017 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für Standardformulare, Muster und Verfahren für die Zusammenarbeit in Bezug auf Handelsplätze, deren Geschäfte in einem Aufnahmemitgliedstaat von wesentlicher Bedeutung sind, ABl.EU 2017 L 149/3; Durchführungsverordnung (EU) 2017/980 der Kommission vom 07.06.2017 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die Standardformulare, Muster und Verfahren für die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden bei der Überwachung, den Überprüfungen vor Ort und den Ermittlungen und für den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden gemäß der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl.EU 2017 L 148/3; Durchführungsverordnung (EU) 2017/981 der Kommission vom 07.06.2017 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die Standardformulare, Muster und Verfahren zur Konsultation anderer zu-

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

tionen) von Bedeutung, die anderen hingegen für Organisationsanforderungen, Anforderungen an Märkte, Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel (oben 7. Teil) und zahlreiche auch zu hier ohnehin nicht erörterten Materien wie Aufsicht oder etwa Datenbereitstellungsdiensten und Positionslimits. Der Vorschlag vom 11.07.2017 bezieht sich auf die Beteiligungstransparenz (oben 6. Teil Abschnitt 5). b) Konglomeratgesetz – Überblick zu den jüngeren Gesetzesnovellen. Auch wenn man 12 die Entwicklung des Wertpapierhandelsgesetzes in den gut 20 Jahren seit seiner Verabschiedung primär nur auf diejenigen Teile hin beleuchtet, die heute nicht in die EU-Marktmissbrauchs-Verordnung (MAR) überführt sind (oben 6. Teil Abschnitt 3), zeichnet sich diese durch eine Vielzahl von Novellen zum Kernbereich der Wohlverhaltenspflichten (einschließlich Organisationsregeln), aber auch vielfach darüber hinaus aus. Die erste Etappe reicht von der Umsetzung der EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie in der Ursprungsfassung des Wertpapierhandelsgesetzes bis zur Umsetzung der MiFID I. Ursprünglich erlassen wurde das Wertpapierhandelsgesetz als Umsetzungsgesetz für EG-Insider-, EGTransparenz- und EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie und zwar als Art. 1 des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes.33 Einige Novellierungen ließen den Bestand anwachsen, ließen jedoch den Kern, die Wohlverhaltensregeln, unberührt. Namentlich kam mit dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz34 die spezielle Regelung zur Verjährung und zur Haftung im WpHG hinzu (§§ 37a und 37b, 37c WpHG, Erstere mit Gesetz vom 31.07.2009 wieder abgeschafft, Zweitere zur Ad-hoc-Publizität, die später in die MAR

ständiger Behörden vor einer Zulassung gemäß der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl.EU 2017 L 148/16; Durchführungsverordnung (EU) 2017/1005 der Kommission vom 15.06.2017 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards in Bezug auf Format und Zeitpunkt der Mitteilungen und der Veröffentlichung der Aussetzung des Handels und des Ausschlusses von Finanzinstrumenten gemäß der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, ABl.EU 2017 L 153/1; Durchführungsverordnung (EU) 2017/1110 der Kommission vom 22.06.2017 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die Standardformulare, Muster und Verfahren für die Zulassung von Datenbereitstellungsdiensten und die damit zusammenhängenden Mitteilungen gemäß der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, ABl.EU 2017 L 162/3; Durchführungsverordnung (EU) 2017/1111 der Kommission vom 22.06.2017 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards zu den Verfahren und Formularen für die Übermittlung von Informationen über Sanktionen und Maßnahmen im Einklang mit der Richtlinie

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2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl.EU 2017 L 162/14; Vorschlag für Delegierte Verordnung (EU) …/… der Kommission vom 11.07.2017 zur Ergänzung der Richtlinien 2004/39/EG und 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für eine erschöpfende Liste der Informationen, die interessierte Erwerber in die Anzeige des beabsichtigten Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung an einer Wertpapierfirma aufnehmen müssen, C(2017) 4644 final. Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG), Art. 1 des Gesetzes über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) vom 26.07.1994, BGBl. I, S. 1749; Materialien dazu BTDrucks. 12/6679 (Regierungsbegründung), BR-Drucks. 585/94, BT-Drucks. 12/7918, BR-Drucks. 739/1/93. Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland – Drittes Finanzmarktförderungsgesetz vom 24.03.1998, BGBl. I, S. 529; Materialien dazu BT-Drucks. 13/8933 (Regierungsbegründung), BRDrucks. 605/2/97, BT-Drucks. 13/9874, BTDrucks. 13/9919, BR-Drucks. 134/98.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

überführt wurde). Mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz35 wurde die Regelung zu den Finanztermingeschäften vom BörsG ins WpHG transferiert (seit 01.11.2007 wieder weitgehend aufgehoben, vgl. dazu Überblick unten Rn 280–289). Auch mit der Umsetzung der Finanzmarkt-Richtlinie I (MiFID I) durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)36 wurde der Kern der Wohlverhaltens- und Organisationsregeln zwar durchaus erheblich angereichert, in der Grundstruktur jedoch nicht radikal verändert. Besonders wichtig war die ungleich stärkere Ausdifferenzierung nach Schutzgruppen, was dann u.a. auch zur ausdrücklichen Anerkennung einer Möglichkeit des „execution only“ für erfahrene Anleger bzw. bei wenig risikoreichen Anlageformen führte (vgl. näher unten Rn 193–197). Darüber hinaus wurde in mehreren allgemeinen Punkten – unabhängig von dem gänzlich neuen Durchformungsgrad – jetzt ganz neues Terrain betreten: Während unter der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie auch schon Teile des Regimes als vollharmonisierend verstanden wurden, so dass der jeweilige Mitgliedstaat nicht über das Schutzniveau hinausgehen durfte, war dies für die Wohlverhaltens- und auch Organisationsregeln anders.37 Demgegenüber wurde dann die MiFID I gerade auch für die Wohlverhaltensregeln als vollharmonisierend verstanden – und gleichermaßen das FRUG –,38 was jedoch nicht überall in der EU gleichermaßen so gesehen wurde, etwa nicht in Großbritannien, wo namentlich im Bereich der kick-backs ein umfangreiches strengeres Regime („gold-plating“) eingeführt wurde (vgl. dazu unten Rn 243–251). Im Rahmen des WpHG führte die Zugrundelegung des Vollharmonisierungsgrundsatzes u.a. dazu, dass § 32 WpHG a.F., in dem Regelbeispiele zu § 31 WpHG a.F. ausgeformt waren, gestrichen wurde – obwohl dies inhaltlich letztlich keine Änderung bedeutete, weil § 31 WpHG a.F. (heute § 63 WpHG n.F.) dieselben Gehalte haben dürfte, wenn auch in allgemeinerer Form.39 Mit dem Vollharmonisierungsprinzip ging ein Zweites einher: Während unter der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie für die Wohlverhaltensregeln das sog. Gastland- und für die Organisationsregeln das Herkunftslandprinzip galt, wurde mit der MiDIF I und dem FRUG das Herkunftslandprinzip innerhalb der EU umfassend durchgesetzt – nunmehr auch für die

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Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland – Viertes Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.06.2002, BGBl. I, S. 2010; Materialien dazu BTDrucks. 14/8017, BR-Drucks. 936/01 (Regierungsbegründung), BT-Drucks. 14/8600, BT-Drucks. 14/8601, BR-Drucks. 257/02, BT-Drucks. 14/9096, BR-Drucks. 434/02. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 16.07.2007, BGBl. I, S. 1330; Materialien dazu BT-Drucks. 16/4028, 16/4037; BRDrucks. 833/06 (Regierungsbegründung); vor allem Erweiterung des Anwendungsbereichs (Anlageberatung und -vermittlung, Warenderivate, multilaterale Handelssysteme); Erfassung und Regulierung von Handelsplattformen als Alternativen zu Börsen (7. Teil Rn 162 ff.) und Neuformulierung der Wohlverhaltensregeln.

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Vgl. näher Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR VI Rn 177 Fn 379. BR-Drucks. 833/06 S. 1; Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (628); KölnKomm WpHG/Möllers § 31 Rn 11, 30; detaillierte Übersicht zuletzt in: Mittwoch, Vollharmonisierung und Europäisches Privatrecht, 2013, unter S. 29–42; sowie Ellenberger FS Nobbe 2009, 523; Möllers ZEuP 2008, 480. Eine ähnlich spezielle Parallelregel fehlte in der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie und dann in der MiFID I, fand sich jedoch zuvor in der Kommissions-Empfehlung von 1977 – Spezielle Grundsätze: vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR VI Rn 174 Fn 374; zu den Gehalten von § 32 WpHG a.F. im heutigen Recht vgl. unten Rn 135–139.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

Wohlverhaltensregeln.40 In der Fassung des FRUG wurde zudem das WpHG nochmals durch eine Verordnung näher ausgestaltet,41 die, anders als die zuvor ähnlich wirkenden Richtlinien der BaWe bzw. BaFin,42 auch Rechtssatzcharakter hat und die Gerichte bindet. Auf Defizite, die sich in der Analyse der Finanzkrise zeigten, reagierte die BaFin mit den Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion u.a. (MaComp), wiederum normkonkretisierenden (bloßen) Verwaltungsregeln, die primär die Compliance-Funktion (§ 33 WpHG a.F.), daneben jedoch auch Teile der kundenbezogenen Wohlverhaltensregeln betreffen.43 Die zweite Etappe reicht vom FRUG und dem Einsetzen der Finanzkrise 2008 bis zur 13 Umsetzung der MiFID II mit dem Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG) vom 23.06.2017. In den Jahren nach dem FRUG ragen als Novellen zu §§ 31 ff. WpHG

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Karpf ÖBA 2005, 573 (577). Zur früheren Rechtslage, die im deutschen Recht weniger klar aufschien als in den Richtlinienvorgaben, vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR VI Rn 179. Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung – WpDVerOV), BGBl. 2007 I, S. 1432, BGBl. 2007 I, S. 1432, geändert durch BGBl. 2007 I, S. 2602, BGBl. 2009 I, S. 2355, BGBl. 2009 I, S. 2512, BGBl. 2011 I, S. 538, BGBl. 2013 I, S. 1981 und BGBl. 2013 I, S. 3642; BGBl. 2014 I, S. 956; BGBl. 2015 I, S. 1114 (mit BGBl. 2017 I, S. 558); BGBl. 2015 I, S. 2029 (mit BGBl. 2017 I, S. 558); BGBl. 2016 I, S. 1514 (mit BGBl. 2017 I, S. 558); BGBl. 2017 I, S. 1693. Vor allem Richtlinie gemäß § 35 Abs. 6 des Gesetzes über Wertpapierhandel (WpHG) zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG über das Kommissionsgeschäft, den Eigenhandel für andere und das Vermittlungsgeschäft von Wertpapierdienstleistungsunternehmen vom 23.08.2001, Bundesanzeiger Nr. 165 vom 04.09.2001, S. 19217, sowie Richtlinie gemäß § 35 Abs. 6 WpHG zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 WpHG vom 25.10.1999, Bundesanzeiger Nr. 210 vom 6.11.1999, S. 18453, beide Richtlinien aufgehoben durch Schreiben vom 23.10.2007; speziell dazu Baur Die Bank 1997, 485; Köndgen ZBB 1996, 361. Bisher die zentrale Konkretisierung der Wohlverhaltensregeln: Kumpan/Hellgardt DB 2006,

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1714 (1714). Zur fehlenden Verbindlichkeit (für Gerichte): BGH Urt. v. 08.05.2001 – XI ZR 192/00, BGHZ 147, 343 (350) = NJW 2002, 62; BGH Urt. v. 24.01.2006 – XI ZR 320/04, NJW 2006, 1429 (1431); die hM in der Lehre ging freilich immerhin von einer „Ausstrahlwirkung“ aus: Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1715); wohl auch Assmann/ Schneider/Koller § 35 WpHG Rn 6; eher referierend Schwark/Zimmer Vor § 31 WpHG Rn 16 f. (mit ausf. eigener Stellungnahme). BaFin Rundschreiben 4/2010 – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisationsund Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG der Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) vom 07.06.2010, nunmehr in der vierten Neufassung, zuletzt geändert am 08.03.2017 mit der Ergänzung des Abschnitts BT 3.2 (konkrete Kennzeichnungspflichten seitens der Wertpapierdienstleistungsunternehmen für Informationen von Dritten, aber keine Verantwortlichkeit für die Redlichkeit, Eindeutigkeit und Nicht-Irreführung der Informationen); dazu Birnbaum/Kütemeier, In der Diskussion – die MaComp, WM 2011, 293; Lösler, Die Mindestanforderungen an Compliance und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG (MaComp), WM 2011, 1917; Schäfer, Die MaComp und das Erfordernis der Unabhängigkeit, Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit von Compliance, BKR 2011, 45; ders., Die MaComp und die Aufgaben von Compliance, BKR 2011, 187; Wiederholt, Compliance – Anforderungen an die Unternehmensorganisationspflichten, BB 2011, 968; Wolf, Der Compliance-Officer – Garant, hoheitlich Beauftragter oder Berater im Unternehmensinteresse zwischen Zivil-, Straf- und Auf-

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

a.F. das Gesetz zum Schuldverschreibungs- und Anlegerschutzrecht44 und das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz hervor.45 Ersteres brachte die Pflicht zum schriftlichen Beratungsprotokoll, eine Streichung der Sonderverjährung in § 37a WpHG und ein Widerrufsrecht („Recht zum Rücktritt“) im Falle von telefonischer Vornahme der Beratung. Zweiteres brachte (neben Regeln zu offenen Investmentfonds und zur Beteiligungstransparenz in §§ 21 ff. WpHG a.F., oben 6. Teil 5. Abschnitt) für die Wohlverhaltensregeln vor allem die Kurzbroschüre zu Risiken (sog. „Beipackzettel“), die Professionalitätsanforderungen für alle Mitarbeiter in der Anlageberatung, Vertriebsbeauftragte oder Compliance-Beauftragte (§ 34d WpHG a.F., heute § 87 WpHG n.F.), und eine Klärung/ Verschärfung von Einzelpunkten (echte Pflicht zur Beratung, Aufdeckungspflicht hinsichtlich Interessenkonflikten bei Empfehlung von Eigenprodukten und Entfall der Vermutungswirkung in § 31d Abs. 4 WpHG a.F., heute § 70 WpHG n.F.), nicht jedoch – wie vom Bundesrat gefordert – eine Verschärfung der Wirkungen des Beratungsprotokolls. Noch im Jahr des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes brachte das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagevermittler- und Vermögensanlagerechts vom 06.12.2011 eine (teilweise) Erstreckung der Kernpflichten des WpHG auf die sog. grauen Kapitalmärkte (für geschlossene Fonds).46 2013 setzte sich mit dem EMIR-Ausführungsgesetz (zur Beauf-

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sichtsrecht?, BB 2011, 1353; Zingel, Stellung und Aufgaben von Compliance nach der MaComp, BKR 2010, 500. Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31.07.2009, BGBl. 2009 I, S. 2512; Materialien dazu BTDrucks. 16/12814 (Regierungsentwurf und -begründung); BT-Drucks. 16/13672 (Rechtsausschuss); BR-Drucks. 180/09 (Regierungsentwurf); Beiträge hierzu Böhm BKR 2009, 221; Lang/Kühne WM 2009, 1301; Leuering/Zetzsche NJW 2009, 2856; Maier VuR 2011, 3; Pfeifer BKR 2009, 485; Podewils DStR 2009, 1914. Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) vom 07.04.2011, BGBl. 2011 I, S. 538; Materialien dazu BTDrucks. 17/3628, (Regierungsentwurf und -begründung); BT-Drucks. 17/3803 (Stellungnahme Bundesregierung auf Änderungswünsche Bundesrat); BR-Drucks. 584/10 (Regierungsentwurf); Beiträge hierzu Bödeker/Woijtek GWR 2011, 278; Möllers/Werninger NJW 2011, 1697: Müller-Christmann DB 2011, 749; Podewils ZBB 2010, 169; Sethe ZBB 2010, 265; Voß BB 2011, 3099. Im Jahr vor dem Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz zwei für das WpHG wichtige Fortentwicklungen, die jedoch nicht

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die Wohlverhaltensregeln betreffen, durch: (1.) Ausführungsgesetz zur EU-Rating-Verordnung vom 14.6.2010, BGBl. 2010 I, S. 786; (2.) Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom 21.7.2010, BGBl. 2010 I, S. 945 (Verbot von Leerverkäufen mit Ausnahmevorbehalt, später EU-VO, vgl. 6. Teil 4. Abschnitt, Rn 550–653). Beide Entwicklungen stehen für die zunehmende Auslagerung von WpHG-Materien in EU-Verordnungen. Sonstige, für die hier kommentierten handelsgeschäftlichen Regelungen (noch) weniger zentrale Änderungen u.a. BGBl. 2007 I, S. 3089 (Investmentfonds), 2008 I, S. 1666 (Risikobegrenzungsgesetz), 2009 I, S. 1102 (Bilanzrechtsmodernisierung), 2009 I, S. 1528 und 1682 (Vertiefung Einlagenentschädigungseinrichtungen nach Finanzkrise); 2009 I, S. 2512 (Schuldverschreibungsneuregelung mit Aufhebung § 37a); 2011 I, S. 676 (Marktmissbrauch als Aufgreiftatbestand GwG); 2011 I, S. 1126 (Investmentfonds); 2011 I, S. 1475 (Erstreckung auf Emissionshandel). Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 06.12.2011, BGBl. I, S. 2481; (neuer § 2a Abs. 1 Nr. 14 WpHG, heute § 3 Abs. 1 Nr. 14 WpHG n.F.), sowie Art. 5 Nr. 9 desselben Artikelgesetzes mit Einführung von §§ 34 f und 34 g GewO, die Zulassungsvoraussetzungen gänzlich neu gestalten und für die Wohlverhaltenspflichten eine Verord-

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

sichtigung von OTC-Derivaten) die Aushöhlung des WpHG fort (Auslagerung in eine EUVerordnung),47 flankierende Sonderbereiche zum Wertpapierhandel betrafen zwei weitere wichtige Novellen im Jahre 2013 – zum Hochfrequenzhandel und zur Regulierung unabhängiger Honorarberater –,48 bis das WpHG schließlich in der Fassung des CRD IVUmsetzungsgesetzes galt.49 Von den flankierenden Verordnungen sind materiellrechtlich weiterhin wichtig vor allem diejenigen zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§§ 31 ff. WpHG a.F. / §§ 63 ff. WpHG n.F., vgl. bereits vorige Rn) und zur Konkretisierung der Vorgaben

47 48

nungsermächtigung für den Erlass von Wohlverhaltenspflichten (entsprechend §§ 31 ff. WpHG a.F. / §§ 63 ff. WpHG n.F.) enthalten; vgl. BT-Drucks. 17/6051 S. 70 (Regierungsbegründung); und aus dem Schrifttum zur Novellierung etwa Artzt/Kernter BKR 2011, 476 (479–481); Bödeker/Wojtek GWR 2011, 319640; Bruchwitz/Voß BB 2011, 1225 (1230 und 1234); Mattil BKR 2011, 2533 (2537); Wagner NZG 2011, 609 (612); Zingel/Varadinek BKR 2012, 177; ausf. zur Neuregelung der Prospekthaftung etwa Leuering NJW 2012, 1905. Sinn dieses differenzierenden Regimes ist es, nur für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die diese Qualität unabhängig von ihrem Engagement bei Vermögensanlagen des „Grauen Kapitalmarktes“ haben, §§ 31 ff. WpHG a.f. / §§ 63 ff. WpHG n.F. direkt zur Anwendung zu bringen. Für die Vermittler, die ausschließlich im „Grauen Kapitalmarkt“ tätig werden (und somit außerhalb des WpHG reguliert werden), ist das ein fundamentaler Schritt der Neuregulierung. Der „Graue Kapitalmarkt“ ist damit nicht mehr nur in dem einen Kernstück Prospektpflicht reguliert (seit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz von 2005, das eine solche mit § 8f Abs. 1 Verkaufsprospektgesetz einführte), sondern nunmehr auch in dem zweiten Kernstück Wohlverhaltenspflichten, und damit zunehmend nicht mehr „grau“. EMIR-Ausführungsgesetz vom 13.02.2013, BGBl. 2013 I, S. 174. Gesetz zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel (Hochfrequenzhandelsgesetz – HfreqHdlG) vom 07.05.2013, BGBl. 2013 I, S. 1162; Regierungsentw. BR-Drs. 607/12; durch das Gesetz wird Hochfrequenz(eigen-)handel ohne Rücksicht auf ein Dienstleistungselement der Erlaubnispflicht unterworfen, freilich ohne den Anwendungsbereich des § 31 WpHG a.F. (§§ 63 f. WpHG n.F.) zu eröff-

49

nen, wohl aber den von § 33 WpHG a.F. (§§ 80 f. WpHG n.F.); zu den verschiedenen Definitionsmöglichkeiten zum Begriff „Hochfrequenzhandel“ vgl. Gomber/Groth/ Gsell, Handels- und Orderabgabeverhalten von Computern versus menschlichen Händlern, ZfgKW 2009 (Sonderbeil. Technik 2009/02 v. 15.04.2009); Gomolka, Algorithmic Trading, 2011, bes. S. 175; zu Anwendungsbereich und ausgelöster Erlaubnispflicht näher Jaskulla BKR 2013, 221 (223–229); Kobbach BKR 2013, 233 (234–237); Schultheiß WM 2013, 596 (600 f.). Daneben das Gesetz zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz) vom 15.07.2013, BGBl. 2013 I, S. 2390 (mit der Pflicht zu wählen zwischen einem Modell, nach dem der Berater wirtschaftlich gänzlich unabhängig von den Anbietern bleiben muss und nur durch direktes Kundenhonorar vergütet wird, oder dem klassischen Beratermodell mit Honoraren und Provisionen); BR-Drs. 17/12295 (Reg.entw.) und 17/13131 (Finanzausschuss); dazu Balzer Bankrechtstag 2013, 157; Kuhlen/Tiefensee VuR 2013, 49; Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101; Reiter/Methner WM 2013, 2053;; und theoretisch bereits zu den Vor- und Nachteilen dieser Lösung bei Informationsintermediären: Grundmann/Kerber, Information Intermediaries and Party Autonomy – the example of securities and insurance markets, in: Grundmann/Kerber/Weatherill (Hrsg.), Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, 2001, 264. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und

Stefan Grundmann

735

8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

zur Finanzanalyse (§§ 34b, 34c WpHG a.F. / §§ 85, 86 WpHG n.F.), während diejenigen zur Konkretisierung der Anzeigepflichten und des Verzeichnisses von Insidern und des Marktmanipulationsverbotes heute die Anwendung der MAR betreffen.50 Es folgten verschiedene formale Gesetzesanpassungen, daneben aber auch etwas gewichtigere Änderungen wie zur Kundenberatung, zum Kleinanlegerschutz, Verschärfung der Ratinganforderungen, zur Abschlussprüfung51 sowie eine umfassendere Änderung mit dem Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetz (1. FiMaNoG), das freilich vor allem der Flankierung und Umsetzung der EU-Novelle zum Marktmissbrauchrecht galt (MAR und MAD II, oben 6. Teil Abschnitt 3).52 Den vorläufigen Schlusspunkt bildet die Umsetzung der MiFID II durch das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG),53 das zum einen der Umsetzung der genannten umfangreichen Neuerungen in der MiFID II (oben Rn 10 f.) diente, zum anderen und vor allem jedoch eine gänzliche Neufassung des WpHG mit sich brachte. Das Gesetz, das über Jahre einerseits durch Europäische Verordnungen ausgehöhlt wurde, vor allem durch den Erlass der MAR (zu Insiderhandel, Marktmanipulation, Ad-hoc-Publizität und Directors’ Dealing), andererseits jedoch mit Kompetenznormen und Einzelregimen zu Sonderfragen aufgefüllt worden war, wurde nochmals in den verbleibenden Kernbereichen erweitert und zugleich gänzlich neu durchnummeriert (vgl. BRDrucks. 18/10936, S. 3), so dass etwa der Kernbereich der Wohlverhaltensregeln, der bisher in den §§ 31 ff. WpHG zu finden war, nunmehr in §§ 63 ff. WpHG geregelt ist.

50

51

Wertpapierfirmen (CRD IV-Umsetzungsgesetz) vom 28.08.2013, BGBl. 2013 I, S. 3395; BR-Drs. 17/10974 (Reg.entw.). Dieses für die hier kommentierten Teile praktisch nur redaktionell von Bedeutung, ebenso wie das Kapitalanlagegesetzbuch vom 04.07.2013, BGBl. 2013 I, S. 1981 (als der Kodifikation zum vormals „grauen“ Kapitalmarkt). WpDVerOV Nachw. oben Fn 41; zur Finanzanalyse: FinAnV, BGBl. 2004 I, S. 3522, geändert durch BGBl. 2007 I, S. 1430 und BGBl. 2017 I, S. 1693; zu Insiderhandel bzw. Marktmanipulation: WpAIV, BGBl. 2004 I S. 3376, geändert durch BGBl. 2007 I S. 10, BGBl. 2008 I S. 1666, BGBl. 2011 I S. 538, BGBl. 2012 I S. 121, BGBl. 2012 I S. 1375, BGBl. 2015 I, S. 2029 (i.V.m. BGBl. 2017 I, S. 558), BGBl 2016 I, S. 1569, BGBl 2017 I, S. 1822; MaKonV, BGBl. 2005 I S. 515, geändert durch BGBl. 2011 I S. 3044, BGBl. 2013 I S. 1162 und BGBl. 2017 I, S 1693. CRD IV-UG, BGBl. 2013 I, S. 3395; FiMaAnpG, BGBl. 2014 I S. 934; HAnlBG, BGBl. 2014 I S. 2390; RatingG, BGBl. I S. 2085; KlASG, BGBl. 2015 I S. 1114; 10. ZustAnpV, BGBl. 2015 I S. 1474; AbwMechG, BGBl. 2015 I S. 1864; Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, BGBl. 2015 I S. 2029; Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen, BGBl. 2015 I S. 434; Ab-

736

52

53

schlussprüferreformgesetz (AReG) vom 10.05.2016, BGBl. 2016 I S. 1142; Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz (APAReG) vom 31.03.2016, BGBl. 2016 I S. 518. Gesetz zur Anpassung von Gesetzen auf dem Gebiet des Finanzmarktes (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FiMaNoG) vom 30.06.2016, BGBl. 2016 I, S. 1514 sowie das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz vom 11.04.2017, BGBl. 2017 I, S. 802. Zweites Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG) vom 23.06.2017, BGBl. 2017 I, S. 1693; Materialien dazu BT-Drucks. 18/10936, (Regierungsentwurf und -begründung); BT-Drucks. 18/11290 (Stellungnahme Bundesregierung auf Änderungswünsche Bundesrat); BRDrucks. 813/16 (Regierungsentwurf); Beiträge hierzu Jordans BKR 2017, 273; Meixner ZAP 2017, 911; DAV Bank- und Kapitalmarktrechtsausschuss/DAV-Handelsrechtsausschuss, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG), NZG 2016, 1301.

Stefan Grundmann

1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

c) Trennung in kundenbezogene Wohlverhaltenspflichten und Organisationsvorgaben 14 für Wertpapierfirmen und (alternative) Marktbetreiber. Während in den Europäischen Rechtsakten und auch im WpHG die beiden Regime begrifflich eher zusammengefasst werden – als Wohlverhaltensregeln/pflichten – und auch sonst nicht deutlich – etwa kapitelmäßig – getrennt erscheinen, lassen sich doch funktional zwei Gruppen von Anforderungen unterscheiden: diejenigen, die Wertpapierdienstleister (Wertpapierfirmen und Kreditinstitute) im Vertragsverhältnis zum Kunden schulden (genuin vertragsrechtliche Pflichten, unabhängig von dem Streit, ob MiFID II / WpHG allein aufsichtsrechtlich durchzusetzen sind, unten Rn 223–225 und 273–276), und diejenigen, die sie in der internen Organisation zu beachten haben. Beide betreffen gänzlich unterschiedliche Kontexte des Handelns der Wertpapierdienstleister und werden vorliegend daher auch getrennt kommentiert, im 8. Teil bzw. im 7. Teil. Da neben die Wertpapierdienstleister heute im WpHG auch die Marktbetreiber treten, Erstere häufig zugleich als Marktbetreiber auftreten (vgl. oben Teil 7 Rn 162 ff.) und es sich auch bei den Regeln für Marktbetreiber vorrangig um Organisationsanforderungen handelt, werden auch diese im 7. Teil mitbehandelt (vgl. dort ebenfalls Rn 162 ff.).

15 3. Heutiger Bestand im Überblick Ein Überblick über die Regeln im WpHG und die jeweiligen Regeln in den Europäischen Rechtsakten (mit Delegierten und Durchführungsakten), die als die im Zweifelsfall Ausschlag gebende Richtschnur stets ebenfalls herangezogen werden sollten, findet sich in der folgenden Übersicht, ergänzt um einen Hinweis auf Ausgestaltungen der WpHG-Normen in der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisations-Verordnung (WpDVerOV) des Bundesfinanzministeriums: WpHG n.F.

WpHG a.F.

FM-RL II MiFID II

FM-RL I MiFID I

63 Abs. 1

31 Abs. 1 Nr. 1

24 Abs. 1

19 Abs. 1

26, 44 f., 47 ff.

63 Abs. 2

31 Abs. 1 Nr. 2

23 Abs. 2

18 Abs. 1, 2

21 f.

63 Abs. 3 63 Abs. 4–5 63 Abs. 6 63 Abs. 7

MiFIR

FM-DRL MiFID I (wo angezeigt DVO)

24 Abs. 10 24 Abs. 2 31 Abs. 2

DV MiFID II

WpDVerOV

58 – 64 65 67–69 34, 41–43 13 Abs. 4 27

24 Abs. 3

19 Abs. 2

24, 27

31 Abs. 3, 24 Abs. 4 3a

19 Abs. 3

28–34

63 Abs. 8 63 Abs. 9 63 Abs. 10 31 Abs. 5 63 Abs. 11 31 Abs. 7

DR MIFID II

24 Abs. 6 24 Abs. 11 25 Abs. 3 19 Abs. 5 25 Abs. 4 19 Abs. 6 25 Abs. 5

36 f. 38

Stefan Grundmann

36 Abs. 2 44 38 39 41 45–53 61 65

4

55–56 57 56 58 73

6 Abs. 2 7

5, 5a

737

8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung WpHG n.F.

WpHG a.F.

FM-RL II MiFID II

FM-RL I MiFID I

63 Abs. 12 31 Abs. 8 64 Abs. 1

25 Abs. 6 19 Abs. 8 UA 1 31 Abs. 4b 24 Abs. 4a

64 Abs. 2 64 Abs. 3

31 Abs. 3a 31 Abs. 4 25 Abs. 2

64 Abs. 4

25 Abs. 6 UA 2 u. 3

64 Abs. 5

31 Abs. 4c 24 Abs. 7

64 Abs. 6

31 Abs. 4d 24 Abs. 12 UA 5 24 Abs. 8

64 Abs. 7

64 Abs. 8

64 Abs. 9 64 Abs. 10 64 Abs. 10 S. 2 65 Abs. 1 65 Abs. 2 aufgehoben aufgehoben 66 67 Abs. 1 67 Abs. 2

67 Abs. 3

738

19 Abs. 4

MiFIR

FM-DRL MiFID I (wo angezeigt DVO)

DR MIFID II

40–43

DV MiFID II

WpDVerOV

59–63

8 f.

45 46 47 48 49 50 51 52 53 61 65 35 (bes. Abs. 5), 37

12 Abs. 1 UA 3

54 55 54 59 60 61 62 63 53

6 Abs. 1, 2

12 Abs.1 UA 1 u. 3; 12 Abs. 3 UA 1 e), UA 2 u. 3

25 Abs. 6 UA 4

59 60 61 62 63

31 Abs. 11 31 Abs. 4a 31 Abs. 5a 31 Abs. 6 – 31 Abs. 9

– –

31 Abs. 10



25 Abs. 7 31 a Abs. 1 4 Abs. 1 Nr. 9 31 a Abs. 2 4 Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. Anh. II 31 a Abs. 3 4 Abs. 1 Nr. 11

4 Abs. 1 Nr. 10 4 Abs. 1 Nr. 11 iVm. Anh. II 4 Abs. 1 Nr. 12

37 Abs. 3 35 Abs. 2, 36 UA 2 –

55 Abs. 3

– – –



2



2





Stefan Grundmann

1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen) WpHG n.F.

WpHG a.F.

67 Abs. 4

31 a Abs. 4 30 Abs. 2–4 31 a Abs. 5 -

24 Abs. 2–4 – 4 Abs. 2, UA 2



2 Abs. 5

4 Abs. 1 Nr. 11 iVm. Anh. II



2 Abs. 2, 3

67 Abs. 7 68 69 Abs. 1

31 a Abs. 6 Anh. II, I. Abs. 4, UA 2–4 31 a Abs. 7 4 Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. Anh. II 31 a Abs. 8 31 b 30 Abs. 1 31 c Abs. 1 28 Abs. 1

24 Abs. 1 22 Abs. 1

– 47 ff.

69 Abs. 2

31 c Abs. 2 28 Abs. 2

22 Abs. 2

70 Abs. 1

31 d Abs. 1

19 Abs. 1

– 31 f. DVO 26

70 Abs. 2

31 d Abs. 2 24 Abs. 9

aufgehoben 67 Abs. 5

67 Abs. 6

70 Abs. 3 70 Abs. 4 70 Abs. 5 70 Abs. 6 71 72, 74

31 e 31 f–31 h

72

31 f

73 74 75 76

FM-RL II MiFID II

24 Abs. 1

FM-RL I MiFID I

MiFIR

FM-DRL MiFID I (wo angezeigt DVO)

DR MIFID II

50 –

28 Abs. 3

11 Abs. 4

DV MiFID II

WpDVerOV

71 Abs. 1



45 Abs. 3

2 Abs. 4

71 67 68 69 70 70

– 10 Abs. 1, 2

58 64 65 67 68 69



10 Abs. 3

13 Abs. 1 u. 8 13 Abs. 2 11 Abs. 5

24 Abs. 9 13 Abs. 9

31 g

26 20 18 i.V.m. 14, 26, 48, 49; 31, 29 f. 34 f. 18 i.V.m. 48, 49 32 19 20 33

– – 27–30 DVO

– –

Art. 80 Titel II 78 79

31 h 77 78

3 II

20, 21 17 Abs. 5 17 Abs. 6

79 aufgehoben

32 32a-32 d

80 Abs. 1

33 Abs. 1

27

16 Abs. 2–5

Titel III

13 Abs. 2–5

– 21–26 DVO 5–12

Stefan Grundmann

11



78 79

12 f.

739

8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung WpHG n.F.

WpHG a.F.

aufgehoben 80 Abs. 1 Nr. 1 80 Abs. 1 Nr. 2

33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 3

80 Abs. 1 Nr. 3 aufgehoben aufgehoben 80 Abs. 1 Nr. 4 80 Abs. 1 S. 3 80 Abs. 2

33 Abs. 1 S. 2 Nr. 3a 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 4–6 33 Abs. 1 S. 3

80 Abs. 3–5 80 Abs. 6 aufgehoben 80 Abs. 7 80 Abs. 8 80 Abs. 9–11

FM-RL II MiFID II

16 Abs. 4

FM-RL I MiFID I

FM-DRL MiFID I (wo angezeigt DVO)

DR MIFID II

DV MiFID II

13 Abs. 2

6 Abs. 1

22

22

13 Abs. 4

5Abs. 3

23 Abs. 1, 13 Abs. 3, 16 Abs. 3 18 Abs. 1

MiFIR

21–25

82 Abs. 2

740

27 33 34 37 38 39 40 41 42 43

22 Abs. 2 21 Abs. 5

16 Abs. 5

23 24 21–26

33 Abs. 1a 4 Abs. 1 Nr. 39; 17 17 Abs. 2–4 33 Abs. 2 – 33 Abs. 3 –

18

13 f. 14

– –

33 Abs. 3a 12 Abs. 1 UA 2 16 Abs. 3 UA 2–6

33 34 37 38 39 40 41 42 43

80 Abs. 12 80 Abs. 13 81 Abs. 1–3 81 Abs. 4 81 Abs. 5 82 Abs. 1

WpDVerOV

10 Abs. 3 10 Abs. 4; 9 Abs. 7 9 Abs. 3 9 Abs. 6 7 33 a Abs. 1 27 Abs. 4, 21 Abs. 2, 5, 7 3 33 a Abs. 2 27 Abs. 1 21 Abs. 1



66



44 Abs. 1

64



Stefan Grundmann

1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen) WpHG n.F.

WpHG a.F.

82 Abs. 3

33 a Abs. 3 27 Abs. 1 UA 2 33 a Abs. 4 33 a Abs. 5 27 Abs. 5

– 21 Abs. 3

44 Abs. 3, 4 44 Abs. 2 46

82 Abs. 6 82 Abs. 7 aufgehoben 82 Abs. 8 82 Abs. 13 82 Abs. 9 82 Abs. 10–12

33 a Abs. 6 27 Abs. 5 33 a Abs. 7 27 Abs. 8 33 a Abs. 8 -

21 Abs. 3 21 Abs. 5 –

46 – 45

27 Abs. 2 33a Abs. 9 27 Abs. 6 27 Abs. 3



aufgehoben

33 b

16 Abs. 2

13 Abs. 2

83

34

16 Abs. 6, 13 Abs. 6 7; 25 Abs. 5, 7

23, 39, 51 und 7 f. DVO

84

34 a

16 Abs. 8, 13 Abs. 7, 9, 10 8

16–20

85, 86 87 88 89 90

34 b, 34 c 34 d 35 36 36a

– 25 Abs. 1 25 Abs. 1

24 f. 5 f.

91 92 93 94 95 96

– 36b 36c 36d 37 –

82 Abs. 4 82 Abs. 5

FM-RL II MiFID II

FM-RL I MiFID I



– –

MiFIR

FM-DRL MiFID I (wo angezeigt DVO)

DR MIFID II

DV MiFID II

WpDVerOV

64 Abs. 3

11 Abs. 2

66

– 11 Abs. 1

66 Abs. 3 65

11 f.

4 Abs. 2, 3; 5 Abs. 1–4; 6 Abs.1 u. 3

29 22 25 26 28 29 30 31 32 35 72 74 75 76 54 55 58 49

36, 37

11 Abs. 4 – 11 Abs. 3



14

9a, 14a

– –

35 Abs. 8, 86 Abs. 3

1 Abs. 4

Dem sind dann unschwer auch die Background Notes der EU-Kommission (Fn 31) zuzuordnen.

Stefan Grundmann

741

8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

II. WpHG und Kapitalmarktrecht 16

1. Kapitalmarktrecht. Überwiegend wurde und wird noch heute, auch in wichtigen Anwendungsfragen, die Neuartigkeit des WpHG gegenüber dem Zustand bis 1994 betont, und – auf einen Nenner gebracht – dieses als ein kapitalmarktrechtliches Gesetz verstanden.54 Dies betrifft selbst Pflichten, die bisher einhellig als schuldrechtlich qualifiziert wurden – wie die Aufklärungspflicht nach § 31 Abs. 4–7 WpHG a.F. / § 63 Abs. 10 und 11 WpHG n.F.55 17 Der Begriff des Kapitalmarktrechts ist selbst schillernd. Im Wesentlichen lassen sich zwei Tendenzen unterscheiden: Teils werden alle Rechtsnormen, die Transaktionen auf Kapitalmärkten regeln, einbezogen – bis hin zum Steuer-, Bankaufsichts- oder Kartellrecht,56 also der rechtliche Rahmen, der bei Kapitalmarkttransaktionen zu beachten ist. Der Kreis muss enger gezogen werden, wenn Grundstrukturen und Wertungsgesichtspunkte im Normenbestand herausgearbeitet werden sollen – auch etwa für Auslegungszwecke, etwa die Frage nach dem zwingenden Charakter. Von einer juristischen Theorie des (Kapital-)Marktes ist zu sprechen, wenn diejenigen Regeln herausgegriffen werden, die das Verhältnis von Kapitalnachfrager und -anleger zueinander als Marktgegenseiten (mit Intermediären) regeln.57 Anders als bei vertragsrechtlichen Regeln, gehen in sie Interessen der ganzen Marktseite ein; gut zu greifen ist dies, wo ein öffentliches Gut verbürgt wird. Ist Schaden für eine ganze Marktseite denkbar, so können die Regeln in der Tat auch nicht zur Disposition einzelner stehen, obwohl umgekehrt in diesem Falle nicht etwa Schutz und Ansprüche auch der einzelnen Anleger ausgeschlossen sein müssen.58 18 Hierher zählen sicherlich alle standardisierten Informationspflichten, auch diejenigen zur Ad-hoc-Publizität (früher § 15 WpHG), die unabhängig vom individuellen Vertragsabschluss eingreifen. Gleiches gilt für die (auch weiterhin im WpHG geregelten) Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§ 33 WpHG a.F. / § 80 WpHG n.F.), die etwa einem Interessenkonflikt mit (jedem beliebigen unter den) Anlegern oder der Anleger untereinander vorbeugen sollen. Auch die Insiderverbote (früher §§ 12 ff. WpHG) dienen teils – etwa das Weitergabe- und Tippverbot – dem Präventivschutz und damit der

54

55

56

57

BT-Drucks. 12/7918 S. 92 f.; Assmann/ Schneider Einl. Rn 1–11; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht Rn 23. Zur schuldrechtlichen Qualifikation der Aufklärungspflicht näher oben Teil 2 Rn 24–52. Zum Streit um die Qualifikation von §§ 31 f., 33 f., 34a WpHG a.F. / §§ 63 f., 80 f., 83 f. WpHG n.F. unten Rn 223–225 und 273–276. BankR-Hdb/Seiler/Geier Vor § 104 Rn 51; Assmann/Buck EWS 1990, 110, 190, 220; Séché WuR 1986, 193 (202 ff.); Seidel, FS Lukes 1989, S. 575 (585–588); wohlwollend referierend Buck-Heeb Kapitalmarktrecht Rn 3–5; U. H. Schneider AG 2001, 269 (271). S. Weber, F.III. Kapitalmarkt-, Börsen- und Investmentrecht, in Dauses (Hrsg.); Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, Stand 11/2006, Rn 5–11 (heute Follak im Hand-

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buch des EU-Wirtschaftsrecht, Stand 2/2012); ähnlich Creaven 60 Fordham 285 (299 ff.) (1992); vgl. auch Grundmann ZSR 115 nF (1996), 103 (120–122). Möglicherweise können auch noch die (Organisationsund Aufsichts-)Regeln einbezogen werden, die spezifisch nur für die Intermediäre in diesem Markt gelten: So Hopt, Europäisches Kapitalmarktrecht – Rückblick und Ausblick in Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten der Harmonisierung, 2000, S. 307 (314–317); vgl. auch ders., FS 50 Jahre BGH, S. 497 (499); Krüger NJW 2013, 1845 (1847); Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, Rn 7–12. Vgl. nur jüngst Hellgardt, Privatrecht und Regulierung, 2016, bes. S. 170 f.; Grundmann Privatrecht und Regulierung, FS Canaris II 2017, S. 907 (bes. 926–934; 943).

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

ganzen Marktgegenseite, während andere Teile einen Vertragsschluss voraussetzen (der Insiderhandel ieS) und das Verbot hier als Alternative formuliert werden kann: Informierung des Marktes (Veröffentlichung) oder Verzicht auf Vertragsschluss („disclose or abstain“). Dennoch bleibt ein Rest, der mit kommissions- und auftragsrechtlichen Instituten voll- 19 ständig erklärt werden kann, namentlich der Bereich der Sorgfalts-, Interessenwahrungs-, Aufklärungs- und Beratungspflichten (§§ 31–31e, 33a WpHG a.F. / §§ 63–71, 82 WpHG n.F.). Ähnlich gelagert sind Dokumentationspflichten (§ 34 WpHG a.F. / § 83 WpHG n.F.), wenn sie dem Kunden später den Nachweis erleichtern sollen, oder Trenngebote (§ 34a WpHG a.F. / § 84 WpHG n.F.). Dennoch liegt es durchaus nahe, dass auch diese Pflichten nicht nur individuelle Kunden schützen, sondern zur Attraktivität von Märkten insgesamt beitragen – etwa weil mit flächendeckend guter Beratung auch die Chance erhöht werden soll, dass die Kurse auf besser informierter Basis gebildet werden, was treffendere Prognosen erlauben und mehr Stabilität versprechen soll. Das WpHG verklammert also gerade hier das Kapitalmarktrecht und das Schuldrecht der individuellen Transaktion – letzteres herkömmlich als Wertpapierhandelsrecht (unten Rn 26–33) umschrieben. 2. Insbesondere Sekundärmarktrecht. Das WpHG regelt vor allem den Sekundär- 20 markt. Damit ist idealtypisch der Zirkulationsmarkt gemeint, mit Primärmarkt hingegen der Emissionsmarkt, also die erstmalige Markteinführung von Anlageinstrumenten bzw. deren erstmalige Zulassung zu einem bestimmten Marktsegment sowie – etwa bei Emissionsprospekten – die freie Zirkulationsfähigkeit von Instrumenten und Tatbeständen in allen Mitgliedstaaten, die im Sitzland wirksam errichtet oder erfüllt wurden.59 Das WpHG ist zwar bereits auf die einzelnen Absatzverträge bei Markteinführung anwendbar (vgl. bereits 5. Teil Rn 64 f. und nächste Rn), regelt die erste Markteinführung jedoch nicht spezifisch – sondern alle Transaktionen, gerade auch später auf dem Zirkulationsmarkt. Freilich fallen die Platzierungstransaktionen der Emissionskonsortialbanken, also der 21 erste Absatz beim Anleger, bereits unter das WpHG.60 Demnach bestehen Bezüge zum Primärmarktrecht. Von rein primärmarktrechtlichen Rechtsakten unterscheidet sich der Gegenstand des WpHG jedoch insofern, als nicht schon die Inanspruchnahme des Marktes (Zulassung oder öffentliches Angebot) die Pflicht begründet, sondern erst der konkret angebahnte und abgeschlossene Vertrag – so bei den Wohlverhaltensregeln und iE auch bei den (inzwischen in die MAR überführten) Insiderverboten, anders nur bei der Ad-hoc-Publizität (ebenfalls MAR) und der (für das Investment Banking eher randständigen) Beteiligungstransparenz (vgl. oben 6. Teil Abschnitt 5). Im Kernbestand regelt das WpHG also bei der ersten Markteinführung (Primärmarkt) erst die notwendige schuldrechtliche Beziehung zum einzelnen Anleger, umfassend hingegen die spätere Zirkulation des Anlageinstruments.

59

Heinze Primärmarkt S. 4 f.; Kümpel/Wittig/ Oulds Rn 14.62–14.77; Übersichten zu diesen Regeln (Europäisches Recht) und ihrer Entwicklung in Assmann/Buck EWS 1990, 110, 190 und 220; Deckert/v. Rüden EWS 1998, 46; Grundmann ZSR 115 nF (1996), 103; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 54–59; Mülbert WM 2001, 2085; v. Wilmowsky RabelsZ 56 (1992), 521; Heinze Primärmarkt; Hopt/Wymeersch, European Financial Law; Lutter/ Bayer/J. Schmidt EuropUnternehmensR;

60

Weber Kapitalmarktrecht. Zum Zirkulationsregime etwa Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht Rn 693 f.; Wiegel, Die EUProspekt-Richtlinie – eine dogmatische, ökonomische und rechtsvergleichende Analyse, 2008, Teil 7.B; zur Idee des Verbundes nationaler Märkte, die in ihrer Wirkung einem einheitlichen Markt nahe kommen: Seidel, FS Lukes 1989, S. 575 (581, 584 f., 588 f.); Veil/Veil EU-Kapitalmarktrecht § 7 Rn 9–12. Vgl. oben 5. Teil Rn 64 und unten Rn 79.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

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3. Insbesondere Europäisches Sekundärmarktrecht. Das Sekundärmarktrecht des WpHG beruht ganz überwiegend auf Europäischem Recht,61 das deutsche Sekundärmarktrecht ist demnach „Europäisch“ verfasst. Der Markt ist freilich weder Europäisch einheitlich reguliert noch einheitlich überwacht. Noch heute ist – trotz der genannten sehr erheblichen Verdichtung (oben Rn 9–11) – zu konstatieren, dass es sich – jedenfalls bisher noch – um nationale, jedoch integrierte Sekundärmärkte handelt.62 Insbesondere wurde die ESMA (aus EU-kompetenzrechtlichen, aber auch politischen Gründen und anders als die EZB im Bereich der Bankenaufsicht) für das (EU-)Kapitalmarktrecht und insbesondere das (EU-)Sekundärmarktrecht gerade nicht als Aufsichtsbehörde mit EU-weiter Aufsichtskompetenz installiert – obwohl die Kapitalmarkttransaktionen sicherlich nicht weniger genuin grenzüberschreitend zugeschnitten sind als Bankgeschäfte und auch die EU-rechtliche Dimension in der Regulierung deutlich dominiert.63 Freilich sollen in diesen weiterhin national verfassten, jedoch integrierten Sekundärmärkten – trotz der Aufteilung – Verhältnisse herrschen, die denen auf einem einheitlich regulierten und überwachten Markt so nahe wie möglich kommen. Wichtig hierfür sind vor allem angenäherte Regeln sowie – etwa bei Emissionsprospekten – die gegenseitige Anerkennung von im jeweiligen Sitzland erfüllten Tatbeständen und Verfahren – bis hin zur uneingeschränkten (automatischen) Zirkulationsfähigkeit.64 Insbesondere die Finanzmarkt-Richtlinie(n) (MiFID I und II) und der Übergang zur sog. Lamfalussy-Architektur der Gesetzgebung (mit ungleich dichterer Regulierung) dienten der noch intensiveren Annäherung.65 Seit Inkrafttreten der EU-

61 62

63

Vgl. oben Rn 6–11. Vgl. hierzu (sowie dazu, dass vor dem Beitritt Großbritanniens in der Tat ein einheitlicher Europäischer Markt angestrebt worden war): sog. Segré-Bericht: EWG-Kommission, Der Aufbau eines europäischen Kapitalmarktes, 1966; Grundmann ZSR 115 nF (1996), 103 (103 f.); Schäfer AG 1993, 389 (389 f.); U. H. Schneider AG 2001, 269 (269); vgl. auch Assmann/Schütze, 1. Aufl. 1997, § 1 Rn 95; Mülbert WM 2001, 2085 (2088). Zum Fehlen eines einheitlichen EUKapitalmarktes auch nach der dritten EURechtsaktgeneration etwa Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012, S. 218; Veil/Veil EU-Kapitalmarktrecht § 1 Rn 47; Follak, F.III. Kapitalmarkt-, Börsenund Investmentrecht, in Dauses (Hrsg.); Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand 2/2012, Rn 3. Vgl. näher zur fehlenden (allenfalls punktuellen) EU-weiten Aufsichtszuständigkeit der ESMA etwa (teils kritisch): Möllers, Auf dem Weg zu einer neuen europäischen Finanzmarktaufsichtsstruktur – Ein systematischer Vergleich der Rating-VO (EG) Nr. 1060/ 2009 mit der geplanten ESMA-VO, NZG 2010, 285 (289); Veil/Walla EU-Kapitalmarktrecht § 11 Rn 76–78 (optimistisch für eine zukünftige Entwicklung der ESMA zur EU-weiten Aufsichtsbehörde hingegen noch/

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65

bereits: Veil/Walla EU-Kapitalmarkrecht, 1. Aufl. 2011, § 6 Rn 69); Ferran, in: Wymeersch/Hopt/Ferrarini, Financial Regulation and Supervision, 2012, S. 111 (156); vertieft zur Diskussion der Sinnhaftigkeit einer einheitlichen europäischen Aufsichtsbehörde bereits Möller, Kapitalmarktaufsicht, 2006, S. 189–212. Vgl. dazu etwa: Seidel, FS Lukes, 1989, S. 575 (581, 584 f. und 588 f.); Mülbert WM 2001, 2085 (2095–2098) sowie kritisch Assmann AG 1993, 549 (555 f.); ders. ORDO 1993, 87 (bes. 104 f.); grundsätzlich positiv: Grundmann ZSR 115 nF (1996), 103 (bes. 124–135) (mit Nachw. zur generellen Harmonisierungsdiskussion); Weber Kapitalmarktrecht S. 81–103. Für das Hauptbeispiel, den Emissionsprospekt, oben 6. Teil Rn 172–174. Vgl. etwa Grundmann European Company Law, § 22 Rn 1; Franck, Unionsrechtliche Regulierung des Wertpapierhandels und mitgliedstaatliche Gestaltungsspielräume: Dokumentation der Anlageberatung als Paradigma, BKR 2012, 1 (2 f.); Cherednychenko, European Securities Regulation, Private Law and the Investment Firm-Client Relationship, 17 ERPL 925 (928–931) (2009); Fuchs/ Fuchs Vor §§ 31 ff. Rn 21; und allgemein oben 5. Teil Rn 138; Frisch § 54 – Wertpapierhandelsgesetz in: Derleder/Knops/Bam-

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

Marktmissbrauchs-Verordnung MAR am 2. Juli 2014 gilt ein Kernstück dann in der Tat EU-einheitlich (und bricht entsprechend aus dem WpHG heraus, näher oben 6. Teil 3. Abschnitt), freilich auch dieses ohne EU-weit einheitliche Aufsicht durch die ESMA. Zunehmend gilt Europäisches Kapitalmarktrecht auch einheitlich für einen breiten, intensiv regulierten Bereich (unabhängig von Marktsegmenten, über die börslichen und die sog. geregelten Märkte hinaus). Dass andere Marktsegmente ohne entsprechende Erleichterung des grenzüberschreitenden Verkehrs fortbestehen (können), legt jedoch schon Art. 5 EUV nahe. Für die Intermediäre, die das Geschehen auf den Sekundärmärkten beherrschen, soll 23 die Wertpapierdienstleistungs-, dann Finanzmarkt-RL (MiFID I und II) dieses Maß an Integration verbürgen. Eingeführt wurde eine EU-weit wirkende Zulassung, wobei die Solvenzregelung, eine Hauptvoraussetzung hierfür, auf eine zweite Richtlinie ausgelagert wurde, die sog. Kapitaladäquanz-Richtlinie – alles heute wieder in das allgemeine bankaufsichtsrechtliche Regime integriert und geregelt durch das aus zwei Rechtsakten, einer Richtlinie (CRD IV) und einer Verordnung (CRR), bestehende sog. CRD IV-Maßnahmenpaket.66 Hinzu kommen die Materien des WpHG: Die laufend im Geschäft zu beachten-

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berger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht Bd. 2, S. 175 (207 f.); Wenzel/Benedikt/Coridaß in: Temporale (Hrsg.) Europäische Finanzmarktregulierung, S. 11 (12 f.). Ursprünglich, dann vielfach geändert: Richtlinie 93/6/EWG des Rates vom 15.03.1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABl.EG 1993 L 141/1; dann Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABl.EG 2006 L 177/201; und die Umgestaltungen in Reaktion auf die Finanzkrise in: Richtlinie 2009/111/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.09.2009 zur Änderung der Richtlinie 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2007/64/EG hinsichtlich Zentralorganisation zugeordneter Banken, bestimmter Eigenmitteltatbestände, Großkredite, Aufsichtsregelungen und Krisenmanagement, ABl.EG 2009 L 302/97 („CRD II“); Richtlinie 2010/76/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuch und Weiterverbriefungen und im Hinblick auf die aufsichtliche Überprüfung der Vergütungspolitik, ABl.EU 2010 L 329/3 („CRD III“); Richtlinie 2010/78/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG, 2002/87/EG, 2003/6/EG,

2003/41/EG, 2003/71/EG, 2004/39/EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) und der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapierund Marktaufsichtsbehörde), ABl.EU 2010 L 331/120; heute Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/ 87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG („CRD IV“), ABl.EU 2013 L 176/338, sowie Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 („CRR“), ABl.EU 2013 L 176/1; das Aufsichtsrecht ist also teils getrennt vom Transaktionsrecht, vgl. weiterhin Grundmann EG-Schuldvertragsrecht S. 587 f. Umsetzung der Richtlinie 2006/49/EG in BGBl. 2006 I, S. 2637; der Richtlinie 2009/111/EG in BGBl. 2010 I, 1592; dazu etwa Schalast, BB 2010, 1040; der Richtlinie 2010/76/EU u.a. in BGBl. 2011 I, S. 2103; der Richtlinie 2010/78/EU in BGBl. 2011 I, S. 2427; der Richtlinie 2013/36/EU in BGBl. 2013 I, S. 3395; Kurz-

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

den Wohlverhaltensregeln harmonisieren Art. 24–30 MiFID II (früher Art. 10 f. WpDl-RL Art. 19–24 MiFID I) flächendeckend. Schließlich weiten MiFID I/II und die Umsetzungsregeln im WpHG mit den Anforderungen an (alternative) Marktbetreiber die EU-Kapitalmarktregulierung weit über den börslichen Handel hinaus aus (näher unten 7. Teil Rn 162 ff.).

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4. Marktregeln – Instrumente. Die im WpHG geregelten, vor allem sekundärmarktrechtlichen Instrumente, erscheinen auch heute noch breit gefächert – zumal wenn man die funktionalen Bezüge zur MAR (und zu den dorthin überführten Materien) mitberücksichtigt. Geregelt ist (bzw. ursprünglich war) im WpHG (i) die Information des gesamten Marktes, standardisiert und noch unabhängig von einer konkreten Transaktion, freilich nur im Ausschnitt der gesamten Folgepublizität, die besonders auf die Sekundärmärkte bezogen ist: also nicht die Publizität durch Emissionsprospekt (Primärmarktpublizität, oben 6. Teil 2. Abschnitt), wohl jedoch die periodisch wiederkehrende Publizität (so noch heute, wenn auch eingeschränkt, vgl. §§ 37v – 37z WpHG a.F., §§ 114–118 WpHG n.F., oben 6. Teil 5. Abschnitt) sowie auch die Ad-hoc-Publizität (inzwischen allerdings Art. 17 MAR, oben 6. Teil Rn 485–527) und die Beteiligungstransparenz als speziell ausgeformter Tatbestand der Ad-hoc-Publizität, der weiterhin uneingeschränkt im WpHG zu finden ist, freilich allenfalls indirekt das Investment Banking betrifft (§§ 21–30 WpHG a.F./§§ 33–47 WpHG n.F., oben 6. Teil 5. Abschnitt).67 Geregelt ist sodann (ii) die individualisierte Aufbereitung dieser standardisierten Information durch Intermediäre für jeweils einzelne Anleger zur Vorbereitung ihrer konkreten Transaktionen. In diesem Zusammenhang sind weitere Fairnessstandards für diese schuldrechtliche Beziehung niedergelegt (§§ 31–31e, 33aWpHG a.F., heute §§ 63–71, 82 WpHG n.F., unten Rn 122 ff.). Ebenfalls solchermaßen transaktionsbezogen (jedoch nicht mehr im WpHG geregelt) ist (iii) das Insiderhandelsverbot, das durch weitere präventiv wirkende Insiderverbote flankiert wird (§§ 12–14 WpHG a.F., heute Art. 8–11, 14 MAR), ebenso wie das Marktmanipulationsverbot (§§ 20a f. WpHG a.F., heute Art. 12 f., 15 MAR, oben 6. Teil Abschnitt 3). Bei all diesen Regeln steht – trotz der nicht unerheblichen Unterschiede zwischen ihnen – jeweils die Aufklärung der Marktgegenseite im Vordergrund (nur beim Marktmanipulationsverbot auch andere als informationsbasierte Manipulationsformen). 25 Nochmals von ihnen zu unterscheiden ist ein Regelkomplex, der für das deutsche Recht weitgehend Neuland bedeutete: Als zweite Stütze des WpHG – neben der Einrichtung eines Informationsmodells – ist die Verrechtlichung der Organisation zu sehen (§ 33, teils auch §§ 34, 34a WpHG a.F., heute §§ 80 f. bzw. 83, 84 WpHG n.F.). Aufgrund der Komplexität und Flüchtigkeit des Geschäfts, der Vielfalt der Missbrauchsmöglichkeiten greift eine Regelung allein der Transaktion ersichtlich zu kurz. Primär organisationsbezogen sind auch die später hinzugekommenen Regeln zu Marktbetreibern, namentlich die Regeln zu alternativen Handelsplätzen, die u.a. auch den Wettbewerb mit Börsenhandelsplätzen im Blick haben (§§ 32–32d WpHG a.F. / § 79 WpHG n.F.; §§ 32a-32d aufgehoben).

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übersicht oben 1. Teil Rn 31–38 (und 6. Teil Rn 306 zur Anwendung auch auf reine Wertpapierfirmen), außerdem 7. Teil Rn 32–35. Vgl. also zu allen Formen der standardisierten Information, primärmarktbezogen und sekundärmarktbezogen, oben 6. Teil Abschnitte 2, 3 und 5. Freilich hätten sie alle

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auch gesammelt, etwa in einem Publizitätsgesetz geregelt werden können. Die heutige Untergliederung in Prospektgesetz und Wertpapierhandelsgesetz betont stärker den Schnitt zwischen Primärmarkt- und Sekundärmarktbezug als den zwischen standardisierter und individueller Information.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

5. Exkurs: WpHG und klassisches Wertpapierhandelsrecht. a) Klassisches Wertpapierhandelsrecht. Drei Zentralmaterien prägen herkömmlich 26 das Wertpapierhandelsrecht: zwei das Verpflichtungsgeschäft betreffend – das (Effekten-)Kommissionsrecht der §§ 383 ff. HGB (mit Kaufrecht, unten Rn 28) sowie die diesbezüglichen AGB-Banken, heute Nr. 1–9 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (unten Rn 29–33) – und eine primär zum Verfügungsgeschäft sowie zur Verwahrung – das Depotrecht (unten Rn 34 und 2. Abschnitt). Hinzu kamen stets allgemeine Grundsätze. Zu ihnen zählten und zählen vor allem die Interessenwahrungspflicht stricto sensu – der Intermediär hat eigene Interessen bei Entscheidung und Informationsverwendung gänzlich unberücksichtigt zu lassen (etwa im Kommissionsrecht § 384 Abs. 1 2. Halbs. 1. Alt. HGB)68 und – allgemeiner, nahe stehend – die Pflicht, die Wertpapierdienstleistung nach den Standards professioneller Sorgfalt zu erbringen (§ 347 HGB). Zu finden waren im Recht der Handelsgeschäfte – nicht notwendig bereits im Vertragsrecht der Wertpapierdienstleister – auch Pflichten, Interessenkonflikte zu vermeiden, also Präventionsregeln, vor allem Wettbewerbsverbote (etwa beim Handelsvertreter).69 Und zu den allgemeinen Instituten des Schuldrechts zählten Aufklärungs- und Beratungspflichten (vgl. 2. Teil Rn 11 ff.; 24 ff.). Wenn also das WpHG das Grundgesetz der Sekundärmärkte bildet, so nicht nur, weil 27 es Zentralelemente einer Kapitalmarktverfassung festschreibt, sondern auch weil es die genannten allgemeineren Grundsätze in §§ 31 bis 34a WpHG (a.F.), heute §§ 63–84 WpHG legislatorisch ausformuliert. Da der Komplex dieser Verhaltensregeln auf jede Transaktion Anwendung findet und nicht nur auf einige außergewöhnliche (mit Insiderwissen oder in großen Beteiligungen), bildet er sogar die Haupt- oder Basisregelung. Das WpHG ist demnach ebenso wichtig als schuldrechtliches Grundgesetz zum Wertpapierhandel. Und sogar für die Wahl unter den verschiedenen Gestaltungsformen der Effektenkommission nach §§ 383 ff. HGB – Hauptregelungsgegenstand der Sonderbedingungen – gibt das WpHG mit seinem § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (a.F.), heute § 63 Abs. 2 WpHG das Ergebnis praktisch vor – ein Kommissionsmodell mit Interessenwahrungspflicht stricto sensu.70 Das WpHG legt also Leitlinien auch für die anderen beiden Materien im klassischen Wertpapierhandelsrecht fest. Dabei regelt es vor allem das Verpflichtungsgeschäft, teils jedoch auch die Erfüllungsphase (etwa § 34a WpHG a.F. / § 84 WpHG n.F.). b) Effektenkommissionsrecht – Verweis. Das Kommissionsrecht der §§ 383 ff. HGB 28 hat heute seinen Hauptanwendungsbereich im Wertpapierhandel.71 Obsolet ist das Vermittlungsmodell, in dem der Intermediär offen als Stellvertreter auftritt und die Vertragsparteien, verkaufender und kaufender Anleger, gegenseitig ihr Insolvenzrisiko tragen.72 Als kommissionsrechtliche Modelle sehen §§ 383 ff. HGB die Kommission ohne oder mit Selbsteintritt vor. Im ersten Fall wickelt der Effektenkommissionär – hier das Wertpapier-

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Näher oben GroßKommHGB/Koller § 384 Rn 37–52; sowie EBJS/Löwisch § 86 HGB Rn 4–11; Grundmann Treuhandvertrag S. 368–391, 410 f. Näher oben GroßKommHGB/Emde § 86 Rn 57–136; sowie EBJS/Löwisch § 86 HGB Rn 20–37; Grundmann Treuhandvertrag S. 385–389. Ebenso etwa Fuchs/Fuchs Vor §§ 31 ff. Rn 53; wohl auch KölnKomm WpHG/Möllers § 31 Rn 1 f.

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K.Schmidt HandelsR § 31 II 1b; Canaris HandelsR § 30 I Rn 10; MünchKommHGB/ Häuser § 383 Rn 5 sowie oben GroßKommHGB/Koller § 383 Rn 2. Zum Folgenden vgl. daher näher die Kommentierung der §§ 383 ff. HGB. Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2003, § 16 Rn 10; zur damals börsenumsatzsteuerrechtlichen Motivation: Kümpel Bankund Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn 10.73.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

dienstleistungsunternehmen – das Geschäft so ab, dass der erzielte Preis auch für den Anleger gilt und nur eine Gebühr aufgeschlagen bzw. abgezogen wird; jedem Auftrag muss das jeweilige Gegengeschäft zugeordnet werden und Rechenschaft ist geschuldet. Im zweiten Fall (§§ 400 ff. HGB), zulässig nur für Effekten mit Zulassung zum amtlichen Handel oder geregelten Markt, entfiel die Rechnungslegungspflicht. Zwar war der günstigste Preis zu berechnen – Börsenpreis, besserer erzielbarer oder tatsächlich erzielter Preis im Gegengeschäft (§§ 400 Abs. 2 und 3, 401 HGB). Die Zuordnung eines Gegengeschäfts zum Auftrag war jedoch für den Anleger, der die Beweislast trug, praktisch unmöglich.73 Demnach bestand ein Interessenkonflikt, genauer: eine Manipulationsgefahr. Diese auszuräumen oder jedenfalls zu minimieren ist Ziel von § 33a WpHG a.F., heute § 82 WpHG (dazu oben 7. Teil Rn 91–105). Zu den kommissionsrechtlichen Modellen kommt das Eigengeschäft (Propergeschäft), heute Festpreisgeschäft, die kaufrechtliche Abwicklung zwischen Kunden und Wertpapierdienstleistungsunternehmen.

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c) Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. Die Sonderbedingungen des Wertpapierhandels wurden mit Wirkung vom 01.01.1995, parallel zum Inkrafttreten des WpHG, aus den allgemeinen AGB-Banken und -Sparkassen ausgegliedert und gelten (auf Grund der Anpassungen an das FRUG u.a.) in der Fassung vom 01.04.2017 für beide Gruppen (so ab 01.01.2003). Nr. 1–9 betreffen das Wertpapierhandelsrecht ieS, Nr. 10–20 hingegen das Depotrecht (Erfüllung und Verwahrung).74 Beide Bereiche nennt die Präambel, die auf den allgemeinen Effektenbegriff verweist.75 30 Nr. 1 sieht die Kommission ohne Eintrittsrecht als gewöhnliche Ausführungsart vor (für sonstige Formen Abrede nötig, Abs. 3). Damit wird die genannte Manipulationsgefahr bei Kommission mit Selbsteintrittsrecht ausgeräumt – wie es §§ 63 Abs. 2, 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 sowie 82 WpHG n.F. gebieten (bisher §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 sowie 33a WpHG a.F.). Die sonstigen Teile von Nr. 1 iVm Nr. 3 der Sonderbedingungen informieren nur über bestehendes dispositives Recht: Der Kommissionär ist im Außenverhältnis an die Regeln des jeweiligen Marktes gebunden, bei Kommission ohne Selbsteintritt ist der erzielte Preis unverändert an den Kunden weiterzugegeben und es werden nur offen ausgewiesene Gebühren und Kosten erhoben. Die Klausel ist daher nach § 307 Abs. 3 BGB kontrollfrei wirksam. 31 Auch Nr. 2 wiederholte in der Fassung von 2003 nur dispositives Recht (Abs. 1, 6): das Weisungsrecht des Kunden (§§ 665, 675 BGB, 384 Abs. 1 2. Halbs. 2. Alt. HGB) und die Rechenschaftspflicht (§§ 666, 675 BGB, 384 Abs. 2 2. Halbs. HGB), auch die Pflicht, die Ausführungsart nach bestem Kundeninteresse zu wählen (§§ 63 Abs. 1, 82 WpHG n.F., bisher §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 33a WpHG a.F.). Heute gilt all dies, obwohl Nr. 2 nur noch auf die Ausführungsgrundsätze verweist, kraft dispositiven Rechts. Dabei ist über mögliche Vor- und Nachteile aufzuklären (§§ 63 Abs. 2 WpHG n.F./§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F.)76

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Schneiders, Anlegerschutz im Recht der Effektenkommission, 1977, S. 49 f.; GroßKommHGB/Koller § 400 Rn 7; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn 10.255–10.263; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2003, § 16 Rn 17; Buck-Heeb, Vom Kapitalanleger- zum Verbraucherschutz, ZHR 2012, 66 (79); Fuchs/Fuchs Vorb. zu den §§ 37b, 37c Rn 48–55.

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75 76

Dazu unten 2. Abschnitt. Zu den Sonderbedingungen insgesamt etwa: Kümpel WM 1995, 137; Wagner, Die geänderten Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte WM 2007, 1725; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bergmann Bankrechts-Kommentar 36. Kapitel Rn 15 f. Dazu oben 5. Teil Rn 84 f. Nach dem System des Auftragsrechts ist erst in einem zweiten Schritt, wenn Aufklärung

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

und dann abweichender Weisung Folge zu leisten. Entweder ist also der Wertpapierdienstleister schadensersatzpflichtig oder es ist – bei korrekter Aufklärung – die Festlegung von Leitlinien wiederum AGB-rechtlich unbedenklich, weil sie eine routinemäßige Abwicklung im Massengeschäft erlauben, dennoch die typischerweise günstigste Lösung verbürgen und vom Kunden gesteuert werden können. Nicht mehr gilt die Festlegung primär auf börsliche Ausführung, obwohl für sie meist Preisvorteile sprechen mögen.77 Bei all dem ist heute vorrangig § 82 WpHG n.F./§ 33 a WpHG a.F. zu beachten (vgl. 7. Teil Rn 91–105). In Nr. 3–9 sind weitere Ausführungsfragen im Kundeninteresse geregelt: Der Kunde 32 wird auf sein gesetzliches Weisungsrecht auch beim Preis hingewiesen (Limitierung). Geregelt wird die Gültigkeitsdauer von Kundenaufträgen, auch spezieller von Kundenaufträgen zu Bezugsrechten, beides jeweils abhängig davon, ob ein preisliches Limit gesetzt wurde oder nicht. Vorgesehen ist, dass Kundenaufträge bei Kursaussetzung – bei Eintritt von erheblich kursbeeinflussenden Tatsachen – erlöschen, wenn die Bedingungen des Ausführungsplatzes dies vorsehen, um dem Kunden die Chance zu geben, seinen Entschluss auf Grund der neuen Sachlage zu überdenken78 und eventuell angebahntem Insiderhandel zu begegnen. Außerdem übernehmen die Wertpapierdienstleister eine Delkrederehaftung, die sie nach §§ 384 Abs. 3, 394 Abs. 1 HGB nicht träfe. Das Festpreisgeschäft ist heute in Nr. 1 und 2 mitgeregelt, nicht mehr gesondert. Wei- 33 terhin gilt (nunmehr aufgrund von Nr. 1.3 der Sonderbedingungen), dass dieses der ausdrücklichen Vereinbarung zwischen Unternehmen und Kunden bedarf (konkludent durch Vereinbarung von Festpreis) und dass der Preis durch die Vereinbarung festgelegt wird (nicht mehr vom Unternehmen gemäß § 315 BGB).79 Sonstige Fragen werden von der Klausel nicht angesprochen, so dass die gesetzliche Risikoverteilung unverändert bleibt, insbesondere in der Frage, ob der Wertpapierdienstleister ein Deckungsgeschäft abschließen kann und zu welchem Preis.80 AGB-rechtlich ist die Klausel unbedenklich, da Nr. 3–9 durch Individualabrede abbedungen werden können (§ 305b BGB), die (transparente) Preisabsprache kontrollfrei ist (§ 307 Abs. 3 BGB) und die gesetzliche Regelung ansonsten unangetastet bleibt. d) Depotrecht – Verweis. Das Depotrecht ist im Zusammenhang mit dem WpHG zu 34 sehen (und im Anschluss kommentiert). Es betrifft vor allem die Verwahrung in Wertpapierdepots (mit Verwaltung) sowie dann die Ausführung des im WpHG und HGB geregelten Verpflichtungsgeschäfts, das aus solchen Depots erfüllt wird. Gewisse Elemente des Verpflichtungsgeschäfts sind etwa in §§ 18, 26 DepotG geregelt (zu allem Abschnitt 2).

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nicht möglich ist, nach dem Interesse des Kunden zu handeln und eine nachteilige Ausführungsart (auch unter Abweichung von der Weisung) zu vermeiden: BankR-Hdb/ Hannöver/Walz bzw. BankR-Hdb/Seiler/ Geier § 110 Rn 44 bzw. § 104 Rn 55–57; MünchKommBGB/Seiler § 665 Rn 1. Kümpel WM 1995, 137 (140) (für Schuldverschreibungen); sowie unten 7. Teil Rn 94 ff. (abwägend).

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BankR-Hdb/Seiler/Geier § 104 Rn 86 f.; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2003, § 16 Rn 33. Kümpel/Wittig/Starke Rn 17.197; Assmann/ Schütze/Schäfer Kapitalanlagerecht § 13 Rn 84; Wagner WM 2007, 1725 (1727). Kümpel WM 1995, 137 (140); Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2003, § 16 Rn 38–40.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

III. Regelungs- und Auslegungsziele (mit ökonomischer Theorie) 1. Zielsetzung – insbesondere Wohlverhaltensregeln

35

a) Effizienzparadigma als Ausgangspunkt. Die Richtlinienvorgaben für das WpHG zeichneten sich von Beginn an und zeichnen sich noch heute dadurch aus, dass alle die Steigerung und Erhaltung der Effizienz der Sekundärmärkte als Regelungsziel vorgaben und noch heute vorgeben – die Ins-RL in Erwägungsgrund 3 und 6,81 die WpDl-RL in Erwägungsgrund 2–5, 32 und 42,82 und entsprechend dann die Erwägungsgründe 2, 5, 13 und 43 bzw. 5, 44 und 71 der MAD I bzw. der FM-RL I (MiFID I). Heute ergeben sich solche Vorgaben aus den Erwägungsgründen 2, 19 und 51 MAR bzw. 13 und 164 MiFID II. Für das WpHG ist heute die letztgenannte Vorgabe zentral, Gleiches betonte auch der deutsche Gesetzgeber jedoch für jeden der drei Regelungsbereiche.83 Dabei wird (teils nur implizit) zwischen der Attraktivität der Institution Kapitalmarkt generell („institutionelle Funktionsfähigkeit“) sowie der Optimierung der Allokationsaufgabe, des Zuflusses der Mittel in die produktivsten Unternehmungen, und dies bei möglichst geringen Transaktionskosten, unterschieden.84 Diese Zielvorgabe zwingt dazu, ökonomische Effizienzmodelle bei der Auslegung zu berücksichtigen – etwa bei der teleologischen Auslegung, vor allem, soweit unter mehreren Modellen eine Entscheidung für eines getroffen wurde.85

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b) Ökonomische Grundidee von Intermediation und Wohlverhaltensregeln. Solange das WpHG erheblich unterschiedliche Regelungskomplexe, namentlich Kernregeln zur Marktintegrität, zur Folgepublizität und zum Wohlverhalten von Intermediären in sich vereinigte, war auch die ökonomische Modellbildung zum WpHG entsprechend viel81

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Angestrebt wurde mit dieser Umschreibung die Funktionsfähigkeit des Marktes: KOM(87) 111 endg., S. 2; BT-Drucks. 12/6679 S. 33 f., 57; Assmann AG 1994, 196 (202 f.); ders. ZGR 1994, 494 (499); Caspari ZGR 1994, 530 (532 f.); Peltzer ZIP 1994, 746 (747); grundsätzlich Möllers, Effizienz als Maßstab des Kapitalmarktrechts, AcP 208 (2008), 1 (28); heute Grieser/Juhnke RdF 2012, 156 (156); Fuchs/Fuchs Einl. Rn 1–8. Angestrebt wird auch hier die Funktionsfähigkeit des Marktes: Knobl ÖBA 1997, 3 (8); ausführlich Elster Sekundärmarkt § 5 I; sowie Fuchs/Fuchs Vor §§ 31 ff. Rn 72–74; KölnKomm WpHG/Möllers § 31 Rn 8; Brandt Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute bei der Kapitalanlage, S. 44 f. BT-Drucks. 12/6679 S. 1, 33 (Insiderverbote und Ad-hoc-Publizität); BT-Drucks. 12/7918 S. 96, 102, 105 (Wohlverhaltensregeln); für die jüngeren Umsetzungsaktivitäten ebenso: BT-Drucks. 15/3174, S. 26; BT-Drucks. 16/4028 S. 80, 85 und 87; für das 2. FiMaNoG: BT-Drucks. 18/10936, S. 191. Vgl. zu diesen drei Effizienzformen nur GroßkommAktG/Assmann Einl.

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Rn 357–360; noch breiter zu den Funktionen öffentlicher Aktienmärkte (und der Rückwirkung auf die Auslegung): Sester ZGR 2009, 310 (317–334), Buck-Heeb Kapitalmarktrecht Rn 7–10. Dazu ausführlicher und in der Quintessenz übereinstimmend die jüngeren ausführlichen Abhandlungen zum Thema: Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip – Möglichkeiten und Grenzen der ökonomischen Analyse des Rechts, 1998, S. 451 f.; Möllers AcP 208 (2008), 1 (5 f.); ders. Efficiency as a Standard in Capital Market Law – The Application of Empirical and Economic Arguments for the Justification of Civil Law, Criminal Law and Administrative Law Sanctions, 20 EBLR 243 (247) (2009); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 116–123; Grundmann RabelsZ 61 (1997), 423 (430–443); ders. Treuhandvertrag S. 60–76; Taupitz AcP 196 (1996), 114 (127 f., 135 f.); ausf. auch Sester ZGR 2009, 310 („Interpretation der Kapitalmarkteffizienz in Kapitalmarktgesetzen …“); in der Tendenz auch schon manche Beispiele bei Gotthold ZHR 144 (1980), 545 (557–562, etwa Fn 51).

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

schichtig. Dies ist heute entzerrt, da die Marktintegritätsregeln ebenso in die MAR überführt wurden wie der für das Investment Banking (und vielleicht auch allgemein für die Kapitalmarkteffizienz) wichtigste Tatbestand einer Folgepublizität, die Ad-hoc-Publizität (daher insoweit zur ökonomischen Modellbildung oben 6. Teil Rn 261, 487–490 und [zur Beteiligungstransparenz und Finanzberichtserstattung] auch Rn 830–833 und 846–848). Der verbleibende Rest – namentlich der Komplex der Wohlverhaltensregeln – ist ho- 37 mogener auch in der ökonomischen Modellbildung. Insoweit handelt es sich um die zentralen kundenbezogenen Regeln des EU-Rechts im Zirkulations- oder Sekundärmarkt. In ihrer Funktionalität sind diese vor allem im Zusammenhang mit den Hauptregeln des EURechts im Primärmarkt und mit der Folgepublizität zu sehen. Dieses sind nach dem Gesagten diejenigen Regeln, die die Veröffentlichung standardisierter Information vorsehen. Diese Information ist zwar absolut zentral für die (halbstarke Version einer) Kapitalmarkteffizienz (näher 5. Teil Rn 33–35 und 6. Teil Rn 67–69, 490), als Handlungsparameter insbesondere für Kleinanleger jedoch regelmäßig ungeeignet oder ihm unbekannt. Die Wohlverhaltensregeln sollen gewährleisten, dass Intermediäre so agieren, als handelte der Anleger selbst in Kenntnis und Verständnis der primärmarktrechtlichen Informationen und Folgepublizität, und dass sie diese, insbesondere die primärmarktrechtlichen Informationen bei der Aufklärung und Beratung für ihre Kunden, insbesondere für Kleinanleger „übersetzen“, dh. handhabbar machen. Erfasst ist also sowohl ein Handeln der Intermediäre für die Kunden als auch ein rational-gewinnmaximierendes Handeln der Kunden selbst, die die Intermediäre dazu informationell in die Lage zu versetzen haben. Wie im Primärmarktrecht sollen, jedoch konkreter auf jeden einzelnen Anleger zugeschnitten, die Voraussetzungen für eine informierte Anlegerentscheidung geschaffen werden.86 Dabei hat die Intermediärslösung vor allem zwei Vorteile: Die vom Intermediär getätigten Investitionen in Information über die Anlageinstrumente werden vielfach verwendet (Skalenerträge), zugleich kann dieser auf Schwächen in der Informationsverarbeitung beim Kunden – bis hin zu echten kognitiven Verzerrungen – korrigierend einwirken. Bei individueller (sekundärmarktrechtlicher) Aufklärung und standardisierter (primärmarkt- und auch sekundärrechtlicher) Informierung der Anleger parallel zu beurteilen ist die Frage, in welchem Maß die Effizienz der Anlegerentscheidung von der Informiertheit des Kleinanlegers überhaupt beeinflusst wird.87 Unterschiede bestehen in der Frage, wie diese Prämisse herzustellen ist, vor allem beim Maß der Information, das Anlegern nahegebracht werden kann, und potentiell auch in der Frage, ob die Regelung zwingend sein muss (dazu noch unten Rn 177–183 und 193–202). Während die bisher erörterte Funktion einer „Übersetzung“ standardisierter Kapital- 38 marktinformation den zentralen positiven Grund für die Regulierung nach §§ 63 ff. 86

Assmann/Schneider/Koller § 31 Rn 3 ff.; KölnKomm WpHG/Hirte/Heinrich Einl Rn 30 f. Ausführlicher Grundmann/Kerber/ Weatherill (Hrsg.), Party Autonomy in the Internal Market – the Role of Information, 2000; sowie zu diesen Informationsintermediären und ihrer Übersetzungsarbeit (einschließlich Erhaltung der Vertrauensbasis) Grundmann/Kerber, Information Intermediaries and Party Autonomy – the example of securities and insurance markets, in Grundmann/Kerber/Weatherill a.a.O. S. 264, vgl. auch Avgouleas, The Harmonisation of Ru-

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les of Conduct in EU Financial Markets: Economic Analysis, Subsidiarity and Investor Protection, 6 ELJ 72 (74) (2000). Zu dieser sehr komplexen und umstrittenen Frage vgl. bereits Hopt ZHR 159 (1995), 135 (159); Kübler, Transparenz am Kapitalmarkt, AG 1977, 85 (87 f.); dann Bak/Bigus, Kapitalmarkteffizienz versus zwingender Anlegerschutz im Aktienrecht, ZBB 2006, 430; Lösler, Spannungen zwischen der Effizienz der internen Compliance und möglichen Reporting-Pflichten des ComplianceOfficers, WM 2007, 676.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

WpHG bildet, tritt ein zweiter Regelungskomplex hinzu, der der Hauptgefahr der Intermediationslösung begegnen soll und so die Gewinne aus der Intermediärslösung möglichst ungeschmälert erhalten soll. Es handelt sich um die Regulierung und Zurückdrängung von Interessenkonflikten, die die Gefahr begründen, dass die geleistete Intermediärsdienstleistung, etwa Beratung, (aufgrund konfligierender Interessen) verzerrt – und damit im Wert gemindert, wertlos oder gar kontraproduktiv – bereitgestellt wird.88 Hierfür und insbesondere um das Vertrauen der Anleger zu bewahren, müssen die Intermediäre verpflichtet werden, uneigennützig zu handeln. Die Regelung zu den Interessenkonflikten wirkt unter den Wohlverhaltensregeln insofern als besonders hervorgehoben und „vorrangig“, als sie schon in der EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie von 1993 an die Spitze gestellt wurde und mit Anforderungen an die Organisation von Wertpapierdienstleistern unterfüttert war, die Konfliktpotential ausräumen sollten. Dennoch handelt es sich um eine „bloße“ Präventionsregel, die eine Durchsetzung der Primärregelung unterstützen soll, nach der die genannten Informationen und Intermediärsdienstleistungen so bereitgestellt werden müssen, dass die alleinige Leitschnur des Handelns, insbesondere der Beratung, das Interesse des Kunden bildet und dass dafür auch die Gewinne und Vorteile aus der Dienstleistung auf die transparent gemachte Vergütung zu beschränken sind.89 Die Fortschreibung der Regulierung zu den Interessenkonflikten war ein Schwerpunkt der Reform in der MiFID II, namentlich im Bereich der Provisionszahlung durch Dritte (vgl. unten Rn 216–219 und 243–251). 39 Mit den Regeln zu den Interessenkonflikten wurde auch bereits die besondere Bedeutung von Anforderungen an die innere Organisation von Wertpapierdienstleistern angesprochen, die auch nicht auf die (Vermeidung von) Interessenkonflikten beschränkt ist. Vielmehr sind solche Anforderungen grundsätzlich auf alle Pflichten von Wertpapierdienstleistern in ihrem Verhältnis zu den Kunden bezogen und daher auch so bedeutsam, dass sie vorliegend in einem eigenen Teil kommentiert werden (7. Teil, bes. Rn 27 ff.). Dass die innere Organisation – das „Gesellschaftsrecht“ – der Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister so intensiv geregelt ist, bildet eine Besonderheit des Bankrechts. Es kann heute geradezu von einem eigenen Bankengesellschaftsrecht gesprochen werden, das zuerst für die Wertpapierdienstleistungen und mit einem sehr konkreten Bezug auf eine gute Compliance zum Kunden entwickelt wurde.90 Seit der Finanzkrise entwickelte sich jedoch auch ein zweiter großer Zweig, mit dem eine möglichst gute Risikominimierung und Vorsorge insbesondere gegenüber Stabilitätsrisiken angestrebt wird (auf einer ersten Stufe für die einzelnen Kreditinstitute/Wertpapierdienstleister, auf einer zweiten Stufe auch gegenüber Risiken systemischer Art).91 Trotz dieser Prominenz ist freilich auch hier ein durchaus die88

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Zum Folgenden bereits Grundmann/Kerber (Fn 86); jüngst Grundmann/Hacker in: Bush/ Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 165 (bes 181–199). Zu diesem Modell näher Grundmann Treuhandvertrag, bes. S. 166 ff., 192 ff., 482 ff. Zu dieser Eigenart und ihrer Bedeutung für das (regulierte) Wertpapierhandelsrecht vgl. näher Frisch § 9 – Compliance in: Derleder/ Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht Bd. 1, S. 339–489; auch bereits Bliesener, Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten beim Wertpapierhandel, 1998, insbes. S. 96–101; Brandt Aufklärungs- und Beratungspflichten

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der Kreditinstitute bei der Kapitalanlage, insbes. S. 224 ff. Zu diesem Sondergesellschaftsrecht namentlich Binder, Vorstandshandeln zwischen öffentlichem und Verbandsinteresse – Pflichten- und Kompetenzkollisionen im Spannungsfeld von Bankaufsichts- und Gesellschaftsrecht, ZGR 2013, 760; Grundmann, Bankenunion und Privatrecht – Spannungspunkte, Einflusslinien, Beispiele, ZHR 179 (2015) 563 (bes. 582–593); Renner, Bankkonzernrecht, 2017 (im Erscheinen), bes. Kap. 5; alle mit umfangreicher Literatur.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

nender Charakter zu konstatieren, jedenfalls im Wertpapierhandelsrecht. Hier sind die organisatorischen Anforderungen vorrangig und fast ausschließlich auf eine gute Compliance mit den Pflichten im Bank-Kunden-Verhältnis bezogen.92 In der Art der Anforderungen nicht unähnlich sind die Anforderungen an diejenigen „alternativen“ Marktbetreiber, die neben die Börsen als die klassischen Hauptmärkte treten, und die in der Tat (auf EUEbene und im WpHG) auch in regulatorischer Nähe zueinander ausgestaltet wurden. Neben das Ziel der jeweiligen Regulierung, Kundeninteressen zu schützen und insbesondere Gefahren von Interessenkonflikten auszuräumen und eine transparente Information zu gewährleisten, tritt hier freilich ein (nochmals anders gelagertes) Ziel, den Wettbewerb gegenüber den Börsen zu fördern (näher 7. Teil, bes. Rn 94 ff., auch 164 ff.).93 c) Anreicherung durch weitere Ziele. Mit MiFID II und ihrer Umsetzung treten weitere 40 Ziele erkennbar neben die Genannten, nunmehr deutlich heterogener, die zuvor nicht oder allenfalls verdeckt angelegt waren. Deutlich wird inzwischen namentlich ein Strang von verhaltenswissenschaftlich beeinflussten Regulierungselementen (behavioral finance), der nicht etwa das Grundmodell revolutioniert94 – namentlich eine grds. rationale Verarbeitung von flächendeckender Information zu den wirtschaftlich wichtigen Entwicklungen des jeweiligen Anlageinstruments. Die Wichtigkeit von Anlegervertrauen wird noch zentraler betont und als besonders anfällig verstanden, auch über das Maß rationaler Risikoprämien hinaus. Und die fehlende Informationsverarbeitungskapazität führt zu deutlich stärker paternalistischen Elementen, namentlich mit dem Konzept einer Produkt-Governance.95 In einem weiteren Strang ist zudem eine Ausrichtung auf Stabilitätsrisiken (auf Einzelinstitutsebene und systemisch) auch spezifisch in der Wertpapierhandelsregulierung deutlich prominenter geworden. So findet sich eine Ausrichtung auf das Ziel von Finanzstabilität zwar primär bei den Anforderungen an die Organisation (auch) von Wertpapierdienstleistern (oben 7. Teil Rn 9 f., 32–35) und selbstverständlich ebenfalls bei der Einräumung von Befugnissen an die BaFin für den Vollzug von EU-Verordnungen mit genuiner Ausrichtung auf die Finanzstabilität (namentlich EU-Leerverkaufs-VO und EMIR, vgl.

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Zu diesem vorrangigen Bezug der Organisationsanforderungen namentlich Fuchs/Fuchs Vor §§ 31 ff. Rn 62–66; Einsele Bank- und Kapitalmarktrecht § 8 Rn 36; Krisl Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach den §§ 31 ff WpHG, 2013, S. 209; Nikolaus Die Durchsetzung der Wohlverhaltens- und Organisationspflichten nach den §§ 31 ff. WpHG, 2003 S. 113 ff.; und ausführlich oben 7. Teil Rn 7 ff., 27 ff. Zur wettbewerblichen Dimension und Zielrichtung der Regulierung der alternativen Marktbetreiber vgl. 162. Erw.grund; grundlegend auch Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform – eine ökonomische, rechtsvergleichende und rechtspolitische Untersuchung, 1997 (das rechtspolitische Herzstück Hopt/Baum, S. 287–467); und auch Hopt/ Baum, Börsenrechtsreform – Überlegungen aus rechtsvergleichender Perspektive WMBeil. 4/1997, 1; sowie etwa.; Storm Alternative Freiverkehrssegmente im Kapitalmarkt-

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recht, 2009, S. 153 f.; und ausführlich unten 7. Teil Rn 94 ff., auch 164 ff. Zu dieser Art der Verwendung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse im Hauptstrang der behavioral finance etwa Hacker Verhaltensökonomik und Normativität. Die Grenzen des Informationsmodells im Privatrecht und seine Alternativen. 2017, S. 436 ff.; zusammenfassende Darstellung dieser Ausrichtung und der Wurzeln bei Grundmann in: Grundmann/Micklitz/Renner, Privatrechtstheorie, 2015, S. 167 (bes. 193 f.); Jolls/Sunstein/Thaler, A Behavioral Approach to Law and Economics, 50 Stanford L. Rev. 1471 (1998); Ulen, The Growing Pains of Behavioral Law and Economics, 51 Vand. L. Rev. 1747 (1998). Zu diesen Beispielen (und weiteren) Grundmann/Hacker (oben Fn 88), bes. S. 183–186 et passim; und unten Rn 160–164 und 215–219.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Auflistung unten Rn 50). Vereinzelt konstatiert man solch eine Ausrichtung jedoch auch bei Instrumenten unter den Wohlverhaltensregeln. Ein Beispiel bildet die vielfache Beurteilung bestimmter Risiko(-Bewertungs-)Modelle durch viele Akteure, mit denen (auch) einem Klumpenrisiko bzw. Risiko von herding entgegengewirkt werden soll.96

41

2. Auslegung des WpHG in seiner Eigenart als Umsetzungsgesetz. Eine richtlinienkonforme Auslegung in dem Sinne, dass die Ergebnisse, die sich aus der Auslegung der Richtlinie ergeben, vollumfänglich erreicht werden müssen und mit Vorrang auch im innerstaatlichen Recht gelten, ist stets zu befürworten, wenn sich der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung richtlinienkonform verhalten wollte bzw. -konform zu verhalten glaubte; sie ist nur abzulehnen, wenn der Gesetzgeber dezidiert von den Richtlinienvorgaben abweichen wollte.97 Insbesondere liegt die letzte Auslegungskompetenz in allen Fragen beim EuGH, was namentlich bei der privatrechtlichen Wirkung von MiFID I und MiFID II bisher in der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung leider negiert wird. In wenigen Einzelfällen ist im Rahmen des WpHG wichtig, dass das Gesagte auch gilt, wenn der Gesetzgeber unter Hinweis auf bestehendes Recht eine Umsetzung für überflüssig hält. 42 Für das WpHG war und ist daher weitestgehend von der Zulässigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung im genannten Sinne auszugehen. Dies ergab sich – seit Anbeginn – aus folgenden Aussagen im Gesetzgebungsverfahren: Mit §§ 12 bis 14 WpHG a.F. intendierte der insoweit maßgebliche Regierungsentwurf eine Regelung „entsprechend der Insider-Richtlinie“.98 Erst während des Gesetzgebungsverfahrens fiel die Entscheidung, die Wohlverhaltensregeln der Art. 10 f. WpDl-RL ebenfalls bereits in §§ 31 bis 34 WpHG (a.F.) umzusetzen, später fortgeführt für Art. 19–24 Finanzinstrumente-RL (MiFID I). Nach dem Willen des Gesetzgebers „setzt (diese Regelung die) … Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie um.“99 Entsprechendes findet sich für die späteren Änderungen, namentlich auch bei der MiFID II.100 Zusammenfassend ist zudem darauf hinzuweisen, dass der

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Vgl. unten Rn 181. Zur Wichtigkeit auch eines Finanzstabilitätsziels im WpHG nach der Umsetzung der MiFID II etwa 37. und 146. Erw.grund MiFID II und Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 434; vgl. auch Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, S. 22. Zur Zulässigkeit der richtlinienkonformen Auslegung allein schon unter dieser Voraussetzung oben 1. Teil Rn 112; BGH Urt. v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 = BGH NJW 2009, 427 (für die gesamte Schuldrechtsharmonisierung); dazu etwa Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung gegen den Wortlaut des nationalen Gesetzes – Die Quelle-Folgeentscheidung des BGH, NJW 2009, 412; früh Grundmann ZEuP 1996, 399 (419–423) (jeweils mit umfangreichen Nachw. aus der EuGH-Rspr.) und i. Erg. seitdem vor allem EuGH Urt. v. 22.11.2005 – Rs. C-144/04 (Mangold), Slg. 2005, I-9981 = NJW 2005, 3695; vgl. Riesenhuber/Domröse, Richtlinienkonforme

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Rechtsfindung und nationale Methodenlehre, RIW 2005, 47; Ausnahme: Begründung der Strafbarkeit, vgl. 1. Teil Rn 112 Fn 381. BT-Drucks. 12/6679 S. 34, 48 f.; entsprechend für MAD I dann BT-Drucks. 15/3174, S. 33 f. und 27 (für die Ad-hoc-Publizität), für die eine richtlinienkonforme Auslegung teils in Frage gestellt wurde, vgl. EBJS/ Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2 – Bankrecht VI Rn 26 (1. Aufl. 2001). Für die MAR stellt sich die Frage selbstverständlich nicht mehr. BT-Drucks. 12/7918 S. 105, auch 97, 103 sowie (für die „Nachbesserung“ in § 34a WpHG): BR-Drucks. 963/96, S. 58 („Umsetzung der Wertpapierdienstleistungs- und Kapitaladäquanz-Richtlinie“); entsprechend für die Umsetzung der MiFID I dann BTDrucks. 16/4028, S. 31 ff. BT-Drucks. 18/10936, S. 1 ff.; sowie Möllers ZEuP 2016, 325 (329 f.); Eichhorn/Klebeck RdF 2014, 189 (189–191).

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

deutsche Gesetzgeber (auch) auf Grund des (angenommenen) Vollharmonisierungsansatzes die Richtlinienvorgaben, auch im Falle von MiFID II, in fast allen Punkten 1:1 umsetzte.101 Dem steht nicht entgegen, dass in manchen Fällen eine ausdrückliche Umsetzung unterblieb und darauf hingewiesen wurde, das Auftragsrecht reiche bereits hin – auch wenn diese Art Umsetzung aus anderen Gründen, namentlich wegen ihrer geringeren Transparenz, etwa auch hinsichtlich des zwingenden Charakters der (Richtlinien-)Vorgabe, problematisch sein mag.102

IV. Räumlicher Anwendungsbereich

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Solange das WpHG Marktintegritätsregeln (mit den Normen zu Insiderhandel und Marktmanipulation), die Folgepublizität (vor allem mit der Ad-hoc-Publizität) und die Fragen des individuellen Bank-Kunden-, vor allem Beratungsverhältnisses zusammen regelte, war die Frage nach dem räumlichen Anwendungsbereich komplex und facettenreich zu beantworten.103 Da die ersten beiden Fragenkomplexe heute in der MAR geregelt (und dort kommentiert) sind bzw. vorab (nur überblicksweise) kommentiert wurden (oben 6. Teil Abschnitte 3 und 5), reduziert sich die Problematik. Sie ist hier für die Wohlverhaltensregeln zusammenfassend zu erörtern. Es findet sich zwar nicht mehr – wie in § 31 Abs. 10 WpHG a.F. – eine spezifische Kollisionsnorm für Wohlverhaltensregeln dem Kunden gegenüber. Mit § 1 Abs. 2 WpHG n.F., der auch noch weitere (im WpHG verbliebene) Materien einbezieht, gibt es jedoch auch heute eine explizite sedes materiae (vgl. daher unten Rn 52–56).

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Für MiFID I: Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (628); Spindler/Kasten WM 2007, 1245 (1249); (kleinere) Umsetzungsfehler nur bei execution only: Weichert/Wenninger WM 2007, 627. Für MiFID II: Jordans BKR 2017, 273 (279). Vgl. EuGH Urt. v. 12.11.1974 – Rs. 32/74 (Haaga), Slg. 1974, 1201 (1206 f.). Das Gericht fordert in dieser ersten Entscheidung zur richtlinienkonformen Auslegung, dass

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Normen der Ersten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie so ausgelegt (und umgesetzt) würden, dass die Verhältnisse für einen Ausländer, der nicht notwendig vertiefte Kenntnisse in der fraglichen Rechtsordnung habe, möglichst transparent würden; weit. Nachw. Grundmann JZ 1996, 274 (284 Fn 112). Vgl. EBJS/Grundmann BankR VI Rn 38–42; Einsele Bank- und Kapitalmarktrecht § 8 Rn 100 f.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

B. Gegenstand und Anwendungsbereich (Abschnitt 1: §§ 1–5 WpHG n.F., §§ 1–2c WpHG a.F.) Übersicht Rn Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG) . . . . . . . . . I. § 1 WpHG n.F.: Gegenstand und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand des WpHG (Abs. 1) . . . . a) Regelungsgedanke . . . . . . . . . . b) Regelungsinhalte . . . . . . . . . . . 2. Räumlicher Anwendungsbereich der Wohlverhaltensregeln in Abschnitt 11 (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vielteilige Kollisionsnorm mit verschiedenen Anknüpfungspunkten für verschiedene Materien . . . . . . b) Kollisionsnorm für Wohlverhaltensregeln dem Kunden gegenüber (Nr. 3 iVm §§ 63–70 WpHG n.F.) . 3. Ausnahmen für Anteile an offenen Investmentfonds (Abs. 3) . . . . . . . . II. § 2 WpHG n.F.: Kernbegriffe . . . . . . . 1. Überblick: Klärung des Anwendungsbereichs und sonstige Kernbegriffe . . . 2. Anlageinstrumente (Finanzinstrumente und Waren, Abs. 1–5), diesbezügliche Verträge und Messgrößen (Abs. 6, 7) . . a) Wertpapiere und Finanzinstrumente als Kern- und Sammelbegriffe (Abs. 1 und 4) – Überblick und Verweis . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insbes. Geldmarktinstrumente (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insbes. derivative Geschäfte (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Insbes. Anlagen in Investmentfonds und sonstige Vermögensanlagen (Abs. 4 Nr. 2 und 7) . . . . . . . . . e) Waren (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . f) Waren-Spot-Kontrakte (Abs. 6) und Referenzwerte (Abs. 7) – Verweis . . 3. Wertpapierdienstleistungen (Abs. 8), Wertpapiernebendienstleistungen (Abs. 9) und Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Abs. 10) . . . . . . . . . . . . a) Überblick und Entwicklung . . . . . b) Wertpapierhandel ieS und Emissionsgeschäfte (Abs. 8 Nr. 1, 2 lit. c) und 3–6) . . . . . . . . . . . . . . . c) Finanzportfolioverwaltung und Anlageberatung (Abs. 8 Nr. 7 und 10) d) Market Making, Hochfrequenzhandel und Betreiben von Märkten als Wertpapierdienstleistung (Abs. 8 Nr. 2 lit a), b), d) iVm Abs. 44, Abs. 8 Nr. 8 und 9) . . . . . . . . . e) Wertpapiernebendienstleistungen (Abs. 9) . . . . . . . . . . . . . . . .

756

Rn

44 4. 45 46 46 48

52

52

55 57

5.

58 6. 59

61

61 64 65

72 74

7. 8.

75 9. 76 76

79 81

83

f) Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Abs. 10) . . . . . . . . . . Marktformen und räumlicher Bezug von Emittenten, Wertpapierdienstleistern und Marktbetreibern (Abs. 11–18, 21–23) . . . . . . . . . . a) Organisierter (Geregelter) Markt und andere Marktalternativen (Abs. 11 und 21, 22) – Verweis . . . b) Räumlicher Bezug: Bundesdeutsche und Inlandsemittenten, Herkunftsund Aufnahmemitgliedstaat (Abs. 12–14, 17, 18) . . . . . . . . . c) MTF- und OTF-Emittenten (Abs. 15, 16) – Verweis . . . . . . . d) Annex: Liquider Markt (Abs. 23) – Verweis . . . . . . . . . . . . . . . . Zweigniederlassung, Gruppen, Gruppenmitglieder und enge Verbindung (Abs. 24–28 . . . . . . . . . . Weitere Handelsformen (Abs. 29, 30) und weitere (komplexe und indirekte) Anlageformen (Abs. 19, 20, 31–36) . . a) Matched Principal Trading (Abs. 29) und direkter elektronischer Zugang (Abs. 30) – Verweis . . . . . . . . . b) Strukturierte Einlagen (Abs. 19) und Energiegroßhandelsprodukte (Abs. 20) . . . . . . . . . . . . . . . c) Hinterlegungsscheine (Abs. 31) . . . d) Börsengehandelte Investmentvermögen, Zertifikate und strukturierte Finanzprodukte (Abs. 32–34) . . . . e) Weitere Derivateformen (Abs. 35, 36) – mit Verweis . . . . . Veröffentlichungs-, Melde- und Datenbereitstellungssysteme (Abs. 37–40) . . Besondere Formen von Wertpapierdienstleistern/Finanzinstituten und Emittenten (Abs. 41, 42 und 45–47) . . Dauerhafte Datenträger (Abs. 43), PRIP und PRIIP (Abs. 48, 49) . . . . .

87

89

89

90 93 94

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99 101

102 104 105

106 108

III. § 3 WpHG n.F.: Ausnahmen vom Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . 110 1. Ausgenommene Stellen, Institutionen und Unternehmen (Abs. 1 und Abs. 3 S. 1) . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Modifizierte Anwendung auf vertraglich gebundene Vermittler und reine Absicherungsdienstleister im Energiesektor (Abs. 2 und 3 S. 2) . . . . . . . . . . . 113 IV. §§ 4, 5 WpHG n.F.: Wahl und Veröffentlichung des Herkunftsmitgliedstaates . . . 114

86

Stefan Grundmann

1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

Wertpapierhandelsgesetz

44

Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG)* Art. 1 des Gesetzes über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) vom 26.07.1994, BGBl. I S. 1749 idF des Gesetzes vom 09.09.1998, BGBl. I S. 2708, heute in der idF der Art. 1–3a des Gesetzes vom 23.06.2017, BGBl. I S. 1693 (2. FiMaNoG)

Inhaltsübersicht

§1 §2 §3 §4 §5

Abschnitt 1 Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen Anwendungsbereich Begriffsbestimmungen Ausnahmen; Verordnungsermächtigung Wahl des Herkunftsstaates; Verordnungsermächtigung Veröffentlichung des Herkunftsstaates; Verordnungsermächtigung

* Aus konzeptionellen Gründen (kein Recht der Handelsgeschäfte) bleiben 1. im Folgenden unkommentiert die aufsichtsrechtlichen Teile (mit Aufzeichnungspflichten und Mitteilungspflichten an die BaFin), desgleichen die unmittelbar emittentenbezogenen Teile (Aktien- oder Börsengesellschaftsrecht, dazu aber, jedenfalls überblicksweise, die Kernstücke oben 6. Teil, 5. Abschnitt (Beteiligungstransparenz und Finanzberichtserstattung, §§ 33–47 und 114–119) und teils 3. Abschnitt (Ad-hoc-Publizität), und auch die (intertemporalen) Übergangs- und Anwendungsvorschriften werden allenfalls annexweise angesprochen. Unkommentiert bleiben also namentlich §§ 4, 5 und 6–62 WpHG n.F. (mit Ausnahme der §§ 33–47 zur Beteiligungstransparenz, s.o.; vgl. näher unten Unterabschnitt C., d.h. Rn 115–121) sowie §§ 102–105, 106–113 (Aufsicht über Drittstaatenmärkte bzw. Unternehmensabschlüsse) und 127–137 WpHG n.F. Außerdem werden 2. aus Gründen des Gleichgewichts (keine schwerpunktmäßig bankvertragliche Regelung im WpHG) folgende (eher spezielle, teils auch bruchstückartige) Bereiche eher rudimentär bzw. nur annexweise kommentiert: §§ 34b, 34c

WpHG a.F. / §§ 85, 86 WpHG n.F. (Finanzanalyse, diese wieder vor allem aufsichtsrechtliche Zuverlässigkeitsanforderungen); §§ 37 e, 37 g a.F. / §§ 99 und 100 WpHG n.F. (Finanztermingeschäfte, die seit 2007 (FRUG) primär in § 31 WpHG a.F. heute §§ 63 f. WpHG n.F. mitgeregelt sind, BRDrucks. 833/06, S. 178 [Regierungsbegründung]), § 37 h WpHG a.F. / § 101 WpHG n.F. (Schiedsvereinbarungen). Auch die (inzwischen zahlreichen) bloßen Zuständigkeitsregeln werden nur „angesprochen“ (und die meisten dazu gehörigen materiellrechtlichen Materien als EU-Verordnungen gesondert kommentiert, vgl. Aufzählung unten Rn 48 und 50), namentlich die Regeln zu den Komplexen Leerverkäufe, OTC-Derivate und Benchmarks. Schließlich werden 3. die Regeln zu organisatorischen Anforderungen an die Wertpapierdienstleister (Aufsichtsgesellschaftsrecht der Wertpapierdienstleister) und die Regeln zu Marktbetreibern/-organisation (§§ 72–96 WpHG n.F., §§ 31f-37 WpHG a.F.) – von Funktionalität und Zielrichtung her ganz eigenständig – ausgelagert und gesondert kommentiert: 7. Teil Rn 27 ff., 162 ff..

Stefan Grundmann

757

8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

§6 §7 §8 §9 § 10 § 11 § 12 § 13 § 14 § 15 § 16 § 17 § 18 § 19 § 20 § 21 § 22 § 23 § 24

Abschnitt 2 Bundesanstalt für Finanzdienstleistung Aufgaben und allgemeine Befugnisse der Bundesanstalt Herausgabe von Kommunikationsdaten Übermittlung und Herausgabe marktbezogener Daten; Verordnungsermächtigung Verringerung und Einschränkung von Positionen oder offenen Forderungen Besondere Befugnisse nach der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 und der Verordnung (EU) 2016/1011 Anzeige straftatbegründender Tatsachen Adressaten einer Maßnahme wegen möglichen Verstößen gegen Artikel 14 oder 15 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 Sofortiger Vollzug Befugnisse zur Sicherung des Finanzsystems Produktintervention Wertpapierrat Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Inland Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland; Verordnungsermächtigung Zusammenarbeit mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission im Rahmen des Energiewirtschaftsgesetzes Verschwiegenheitspflicht Meldepflichten Anzeige von Verdachtsfällen Verpflichtung des Insolvenzverwalters

§ 27 § 28

Abschnitt 3 Marktmissbrauchsüberwachung Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 auf Waren und ausländische Zahlungsmittel Übermittlung von Insiderinformationen und von Eigengeschäften; Verordnungsermächtigung Aufzeichnungspflichten Überwachung der Geschäfte der bei der Bundesanstalt Beschäftigten

§ 29

Abschnitt 4 Ratingagenturen Zuständigkeit im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1060/2005

§ 25 § 26

§ 30 § 31 § 32

§ 33

758

Abschnitt 5 OTC-Derivate und Transaktionsregister Überwachung des Clearings von OTC-Derivaten und Aufsicht über Transaktionsregister Mitteilungspflichten nichtfinanzieller Gegenparteien Prüfung der Einhaltung bestimmter Pflichten der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 und der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 Abschnitt 6 Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Veränderungen des Stimmrechtsanteils an das Unternehmensregister Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen; Verordnungsermächtigung

Stefan Grundmann

1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen) § 34 § 35 § 36 § 37 § 38 § 39 § 40 § 41 § 42 § 43 § 44 § 45 § 46 § 47

§ 48 § 49 § 50 § 51 § 52

Zurechnung von Stimmrechten Tochterunternehmenseigenschaft; Verordnungsermächtigung Nichtberücksichtigung von Stimmrechten Mitteilung durch Mutterunternehmen; Verordnungsermächtigung Mitteilungspflichten beim Halten von Instrumenten; Verordnungsermächtigung Mitteilungspflichten bei Zusammenrechnung; Verordnungsermächtigung Veröffentlichungspflichten des Emittenten und Übermittlung an das Unternehmensregister Veröffentlichung der Gesamtzahl der Stimmrechte und Übermittlung an das Unternehmensregister Nachweis mitgeteilter Beteiligungen Mitteilungspflichten für Inhaber wesentlicher Beteiligungen Rechtsverlust Richtlinien der Bundesanstalt Befreiungen; Verordnungsermächtigung Handelstage Abschnitt 7 Notwendige Informationen für die Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren Pflichten des Emittenten gegenüber Wertpapierinhabern Veröffentlichung von Mitteilungen und Übermittlung im Wege der Datenfernübertragung Veröffentlichung zusätzlicher Angaben und Übermittlung an das Unternehmensregister; Verordnungsermächtigung Befreiung Ausschluss der Anfechtung

§ 53

Abschnitt 8 Leerverkäufe und Geschäfte in Derivaten Überwachung von Leerverkäufen; Verordnungsermächtigung

§ 54 § 55 § 56 § 57

Abschnitt 9 Positionslimits und Positionsmanagementkontrollen bei Warenderivaten und Positionsmeldungen Positionslimits und Positionsmanagementkontrollen Positionslimits bei europaweit gehandelten Derivaten Anwendung von Positionslimits Positionsmeldungen; Verordnungsermächtigung

§ 58 § 59 § 60 § 61 § 62

Abschnitt 10 Organisationspflichten von Datenbereitstellungsdiensten Organisationspflichten für genehmigte Veröffentlichungssysteme Organisationspflichten für Bereitsteller konsolidierter Datenticker Organisationspflichten für genehmigte Meldemechanismen Überwachung der Organisationspflichten Prüfung der Organisationspflichten; Verordnungsermächtigung

§ 63

Abschnitt 11 Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten Allgemeine Verhaltensregeln

Stefan Grundmann

759

8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung § 64 § 65 § 66 § 67 § 68 § 69 § 70 § 71 § 72 § 73 § 74 § 75 § 76 § 77 § 78 § 79 § 80 § 81 § 82 § 83 § 84 § 85 § 86 § 87 § 88 § 89 § 90

§ 91 § 92 § 93 § 94 § 95 § 96

§ 97 § 98

760

Besondere Verhaltensregeln bei der Erbringung von Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung; Verordnungsermächtigung Selbstauskunft bei der Vermittlung des Vertragsschlusses über eine Vermögensanlage im Sinne des § 2a des Vermögensanlagengesetzes Ausnahmen für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge Kunden; Verordnungsermächtigung Geschäfte mit geeigneten Gegenparteien; Verordnungsermächtigung Bearbeitung von Kundenaufträgen; Verordnungsermächtigung Zuwendungen und Gebühren; Verordnungsermächtigung Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen über ein anderes Wertpapierdienstleistungsunternehmen Betrieb eines multilateralen Handelssystems oder eines organisierten Handelssystems Aussetzung des Handels und Ausschluss von Finanzinstrumenten Besondere Anforderungen an multilaterale Handelssysteme Besondere Anforderungen an organisierte Handelssysteme KMU-Wachstumsmärkte; Verordnungsermächtigung Direkter elektronischer Zugang Handeln als General-Clearing-Mitglied Mitteilungspflicht von systematischen Internalisierern Organisationspflichten; Verordnungsermächtigung Geschäftsleiter Bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht Vermögensverwahrung und Finanzsicherheiten; Verordnungsermächtigung Anlagestrategieempfehlungen und Anlageempfehlungen; Verordnungsermächtigung Anzeigepflicht Einsatz von Mitarbeitern in der Anlageberatung, als Vertriebsbeauftragte, in der Finanzportfolioverwaltung oder als Compliance-Beauftragte; Verordnungsermächtigung Überwachung der Meldepflichten und Verhaltensregeln Prüfung der Meldepflichten und Verhaltensregeln; Verordnungsermächtigung Unternehmen, organisierte Märkte und multilaterale Handelssysteme mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat Werbung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen Register Unabhängiger Honorar-Anlageberater; Verordnungsermächtigung Bezeichnungen zur Unabhängigen Honorar-Anlageberatung Ausnahmen Strukturierte Einlagen Abschnitt 12 Haftung für falsche und unterlassene Kapitalmarktinformationen Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen Schadenersatz wegen Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen

Stefan Grundmann

1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

§ 99 § 100

Abschnitt 13 Finanztermingeschäfte Ausschluss des Einwands nach § 762 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Verbotene Finanztermingeschäfte Abschnitt 14 Schiedsvereinbarungen

§ 101

Schiedsvereinbarungen

§ 102 § 103 § 104 § 105

Abschnitt 15 Märkte für Finanzinstrumente mit Sitz außerhalb der Europäischen Union Erlaubnis; Verordnungsermächtigung Versagung der Erlaubnis Aufhebung der Erlaubnis Untersagung

Abschnitt 16 Überwachung von Unternehmensabschlüssen, Veröffentlichung von Finanzberichten

§ 106 § 107 § 108 § 109 § 110 § 111 § 112 § 113

Unterabschnitt 1 Überwachung von Unternehmensabschlüssen Prüfung von Unternehmensabschlüssen und –berichten Anordnung einer Prüfung der Rechnungslegung und Ermittlungsbefugnisse der Bundesanstalt Befugnisse der Bundesanstalt im Fall der Anerkennung einer Prüfstelle Ergebnis der Prüfung von Bundesanstalt oder Prüfstelle Mitteilungen an andere Stellen Internationale Zusammenarbeit Widerspruchsverfahren Beschwerde

Unterabschnitt 2 Veröffentlichung und Übermittlung von Finanzberichten an das Unternehmensregister § 114

Jahresfinanzbericht; Verordnungsermächtigung

§ 115

Halbjahresfinanzbericht; Verordnungsermächtigung

§ 116

Zahlungsbericht; Verordnungsermächtigung

§ 117

Konzernabschluss

§ 118

Ausnahmen; Verordnungsermächtigung Abschnitt 17 Straf- und Bußgeldvorschriften

§ 119

Strafvorschriften

§ 120

Bußgeldvorschriften; Verordnungsermächtigung

§ 121

Zuständige Verwaltungsbehörde

§ 122

Beteiligung der Bundesanstalt und Mitteilungen in Strafsachen

§ 123

Bekanntmachung von Maßnahmen

§ 124

Bekanntmachung von Maßnahmen und Sanktionen wegen Verstößen gegen Transparenzpflichten

§ 125

Bekanntmachung von Maßnahmen und Sanktionen wegen Verstößen gegen die Verordnung (EU) Nr. 596/2014, Verordnung (EU) 2015/2365 und Verordnung (EU) 2016/1011

Stefan Grundmann

761

8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung § 126

Bekanntmachung von Maßnahmen und Sanktionen wegen Verstößen gegen Vorschriften der Abschnitte 9 bis 11 und gegen die Verordnung (EU) Nr. 600/2014 Abschnitt 18 Übergangsbestimmungen

§ 127

Erstmalige Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten

§ 128

Übergangsregelung für die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten zur Wahl des Herkunftsstaats

§ 129

Übergangsregelung für die Kostenerstattungspflicht nach § 11 der bis zum 2. Januar 2018 gültigen Fassung dieses Gesetzes

§ 130

Übergangsregelung für die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für Inhaber von Netto-Leerverkaufspositionen nach § 30i in der Fassung dieses Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2481)

§ 131

Übergangsregelung für die Verjährung von Ersatzansprüchen nach § 37a der bis zum 4. August 2009 gültigen Fassung dieses Gesetzes

§ 132

Anwendungsbestimmung für das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz

§ 133

Anwendungsbestimmung für § 34 der bis zum 2. Januar 2018 gültigen Fassung dieses Gesetzes

§ 134

Anwendungsbestimmung für das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie

§ 135

Übergangsvorschriften zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014

§ 136

Übergangsvorschrift für Verstöße gegen die §§ 119, 120

§ 137

Übergangsvorschrift zur Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente

I. § 1 WpHG n.F.: Gegenstand und Anwendungsbereich

45

§ 1 Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz enthält Regelungen in Bezug auf 1. die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen, 2. die Erbringung von Datenbereitstellungsdiensten und die Organisation von Datenbereitstellungsdienstleistern, 3. das marktmissbräuchliche Verhalten im börslichen und außerbörslichen Handel mit Finanzinstrumenten, 4. die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Finanzinstrumenten und strukturierten Einlagen, 5. die Konzeption von Finanzinstrumenten zum Vertrieb, 6. die Überwachung von Unternehmensabschlüssen und die Veröffentlichung von Finanzberichten, die den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegen, 7. die Veränderungen der Stimmrechtsanteile von Aktionären an börsennotierten Gesellschaften sowie 8. die Zuständigkeiten und Befugnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) und die Ahndung von Verstößen hinsichtlich a) der Vorschriften dieses Gesetzes, b) der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 1; L 350 vom 29.12.2009, S. 59; L 145 vom 31.5.2011, S. 57; L

762

Stefan Grundmann

1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

c)

d)

e)

f)

g)

h)

i)

j)

267 vom 6.9.2014, S. 30), die zuletzt durch die Richtlinie 2014/51/EU (ABl. L 153 vom 22.5.2014, S. 1; L 108 vom 28.4.2015, S. 8) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps (ABl. L 86 vom 24.3.2012, S. 1), die durch die Verordnung (EU) Nr. 909/2014 (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 1) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1; L 321 vom 30.11.2013, S. 6), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2365 (ABl. L 337 vom 23.12.2015, S. 1) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1; L 287 vom 21.10.2016, S. 320; L 306 vom 15.11.2016, S. 43; L 348 vom 21.12.2016, S. 83), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2016/1033 (ABl. L 175 vom 30.6.2016, S. 1) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 84; L 6 vom 10.1.2015, S. 6; L 270 vom 15.10.2015, S. 4) in der jeweils geltenden Fassung, der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 1; L 349 vom 21.12.2016, S. 5), die durch die Verordnung (EU) 2016/1033 (ABl. L 175 vom 30.6.2016, S. 1; L 349 vom 21.12.2016, S. 5), geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) (ABl. L 352 vom 9.12.2014, S. 1; L 358 vom 13.12.2014, S. 50), in der jeweils geltenden Fassung, der Verordnung (EU) 2015/2365 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und der Weiterverwendung sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 337 vom 23.12.2015, S. 1), in der jeweils geltenden Fassung, der Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (ABl. L 171 vom 29.6.2016, S. 1), in der jeweils geltenden Fassung. Stefan Grundmann

763

8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

(2) Soweit nicht abweichend geregelt, sind die Vorschriften des Abschnitts 11 sowie die §§ 54 bis 57 auch anzuwenden auf Handlungen und Unterlassungen, die im Ausland vorgenommen werden, sofern sie 1. einen Emittenten mit Sitz im Inland, 2. Finanzinstrumente, die an einem inländischen organisierten Markt, einem inländischen multilateralen Handelssystem oder einem inländischen organisierten Handelssystem gehandelt werden oder 3. Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen, die im Inland angeboten werden, betreffen. Die §§ 54 bis 57 gelten auch für im Ausland außerhalb eines Handelsplatzes gehandelte Warenderivate, die wirtschaftlich gleichwertig mit Warenderivaten sind, die an Handelsplätzen im Inland gehandelt werden. (3) Bei Anwendung der Vorschriften der Abschnitte 6, 7 und 16 unberücksichtigt bleiben Anteile und Aktien an offenen Investmentvermögen im Sinne des § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs. Für Abschnitt 6 gilt dies nur, soweit es sich nicht um Spezial-AIF im Sinne des § 1 Absatz 6 des Kapitalanlagegesetzbuchs handelt. 1. Gegenstand des WpHG (Abs. 1)

46

a) Regelungsgedanke. Mit Abs. 1 zielt der Gesetzgeber des WpHG darauf ab, den (sachlichen) „Anwendungsbereich“ zu umreißen (worauf in Abs. 2 eine Regelung des räumlichen Anwendungsbereichs folgt). Abs. 1 enthält jedoch eher eine Aufzählung der Gegenstände der Regulierung im WpHG als eine präzise Festlegung des sachlichen Anwendungsbereichs. Denn die Vorschrift umreißt den sachlichen Anwendungsbereich des WpHG so weit, dass sie letztlich erst im Zusammenspiel mit den Einzelnormen zu verstehen ist und durch diese viel von ihrer Bedeutung verliert. Dies wird auch bereits in § 1 Abs. 1 WpHG deutlich. Schon der Einleitungssatz, nach dem das WpHG „Regelungen in Bezug auf“ die aufgezählten Materien enthält, lässt das jeweilige Maß der Regulierung offen.104 Charakteristisch ist dann, dass zwar unterschieden wird zwischen Materien, die das WpHG (angeblich) regelt oder zu denen es zumindest materiellrechtliche Teilregelungen enthält (Nr. 1 bis 7), und solchen, für die es offensichtlich auf eine materiellrechtliche Regelung an anderem Ort verweist (Nr. 8). Denn Nr. 8 bezieht sich nur auf die Zuständigkeit und die Befugnisse der BaFin zur Durchsetzung der Pflichten, die sich dann aus anderen materiellrechtlichen Regelungen ergeben müssen. So sinnvoll diese Unterscheidung ist, insbesondere im Zusammenspiel mit den immer zahlreicheren EU-Verordnungen, so wird sie doch nicht durchgehalten. So ist das Marktmissbrauchsrecht (Nr. 3) inzwischen gänzlich in der MAR geregelt, die BaFin hat nur die Zuständigkeit und Befugnisse zur Durchsetzung der dort zu findenden Regulierung (so in der Tat Nr. 8 lit. e)). Nach Nr. 3 wird „(markt)missbräuchliches Verhalten“ jedoch weiterhin als „Anwendungsbereich“ des WpHG deklariert (diese Herausstellung eigentlich nur zu erklären mit der historischen Bedeutung dieser Materie für die Entstehung des WpHG). Umgekehrt sind jedoch auch teilweise in Abs. 1 Unterscheidungen zwischen Materien getroffen, deren Trennung sehr sinnvoll erscheint, während diese dann in den Einzelregelungen doch miteinander verschränkt und solchermaßen ungetrennt erscheinen. Das gilt namentlich für die – erstmals

104

Ebenso Fuchs/Fuchs § 1 Rn 4; Assmann/ Schneider § 1 Rn 2; Schwark/Zimmer § 1 Rn 11; ähnlich auch der Gesetzgeber, BR-

764

Drucks. 18/10936, S. 220 („ohne den Anwendungsbereich abschließend zu bestimmen“).

Stefan Grundmann

1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

in 2. FiMaNoG zu findende – Unterscheidung zwischen Fragen der Konzeption von Finanzinstrumenten und solchen ihres Vertriebs (Nr. 5 und Nr. 1 und 4), die in § 63 WpHG jedoch wieder in einer Norm vereint erscheinen (dort Abs. 5–11 einerseits und 3 und 4 andererseits – mit der sog. Produkt-Governance). Die „Konzeption von Finanzinstrumenten“ erhält im WpHG in der Tat weder eine eigenständige Definition noch solch eine Regulierung, was der Bedeutung der neuen Materie (und der Intensität der um sie geführten Diskussion) kaum gerecht wird. Klarer als die positive Aussage ist die negative: Jedenfalls enthält Abs. 1 keine Abgren- 47 zung gegenüber anderen Gesetzen. Als Umsetzungsgesetz für ursprünglich drei, heute zwei EU-Richtlinien sollte das WpHG andere wertpapierhandelsrechtliche Normen offensichtlich nicht verdrängen. Dies gilt insbesondere für die Regeln des HGB (zumal §§ 383–406 HGB). Ebenfalls nicht verdrängt sind die heute in § 1 Abs. 1 Nr. 8 WpHG angesprochenen Aufsichtsregeln, soweit sie sich in anderen Gesetzen, vor allem dem BörsG, oder gar in EUVerordnungen finden (Letzteres inzwischen sehr umfangreich). Eine (andere Art) negative Abgrenzung enthält demgegenüber Art. 1 Abs. 1 der MiFIR, mit der klargestellt wird, dass in der MiFIR nur die folgenden aufsichtsbezogenen und für Marktbetreiber zentralen Regelungsmaterien zu finden sind: zum (i) diskriminierungsfreien Zugang und Handel auf Handelsplätzen sowie zur Veröffentlichung von Handelsdaten auf diesen (lit. a), c) und d)), (ii) zur Meldung an Behörden (mit Aufzeichnungspflichten) und zu deren Befugnissen zu Produktintervention und Positionslimits (lit. b) und e)), sowie (iii) zur Zulassung von Drittlandfirmen nach Gleichwertigkeitsfeststellung (lit. f)). Bezug zu den kundenbezogenen Wohlverhaltensregeln haben hiervon allein Art. 39 ff. MiFIR mit den Produktinterventionsbefugnissen, speziell auch aus Gründen des Anlegerschutzes (vgl. unten Rn 160 ff.). Transaktionsbezogen sind zudem Art. 28 ff. MiFIR, freilich – enger – nur auf OTCDerivate-Transaktionen bezogen, die die EMIR reguliert (vgl. oben 6. Teil Rn 702 ff., 747 ff.). b) Regelungsinhalte. Abs. 1 enthält in Nr. 1–7 eine Aufzählung materiellrechtlicher 48 Regulierungsmaterien, deren Umfang und Zuschnitt jedoch erst durch die Definitionen in § 2 WpHG n.F., teils auch erst durch die dazu ergangenen EU-Verordnungen konkreter fassbar wird. Es handelt sich um: 1. die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen, das komplexeste Konzept, das erst durch die weiteren Aufzählungen in § 2 Abs. 8 und 9 WpHG n.F. (selbst wieder häufig mit Weiterverweisungen) greifbar wird (vgl. unten Rn 76–86); 2. die Erbringung von Datenbereitstellungsdiensten und die Organisation von Datenbereitstellungsdienstleistern (neu eingeführt durch das 2. FiMaNoG, vgl. BRDrucks. 18/10936, S. 220; Definition § 2 Abs. 40 WpHG n.F., unten Rn 105 und 121); 3. das marktmissbräuchliche Verhalten im börslichen und außerbörslichen Handel mit Finanzinstrumenten (keine Definition des Marktmissbrauchs, namentlich von insiderrechtlichen Verstößen und Marktmanipulation, in § 2 WpHG, sondern Verweis auf die MAR [zurecht, weil EU-rechtlich festgelegt]) (durchaus jedoch Definition des Begriffs Finanzinstrument in § 2 Abs. 4 WpHG n.F. – in Umsetzung von MiFID II –, vgl. unten Rn 61–73); 4. die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Finanzinstrumenten und strukturierten Einlagen (mit weiteren Definitionen – über das zu 3. Gesagte hinaus – in § 2 Abs. 19 WpHG n.F., unten Rn 99; dieser Gegenstand sich erheblich mit dem der Wertpapierdienstleistungen überschneidend, vgl. ebenfalls unten Rn 99); Stefan Grundmann

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5. die Konzeption von Finanzinstrumenten zum Vertrieb (nicht eigens definiert, neu eingeführt durch das 2. FiMaNoG, vgl. BR-Drucks. 18/10936, S. 220; vgl. dazu oben Rn 46 und auch noch unten Rn 160–164); 6. die Überwachung von Unternehmensabschlüssen und die Veröffentlichung von Finanzberichten, die den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegen (hier nur überblicksweise kommentiert, vgl. oben 6. Teil Rn 830–845 [Finanzberichte]; Definitionen in § 2 WpHG n.F. sämtlich auch nur für einzelne Tatbestandsmerkmale, nicht den Regulierungsbereich als solchen); 7. die Veränderungen der Stimmrechtsanteile von Aktionären an börsennotierten Gesellschaften (hier nur überblicksweise kommentiert, vgl. oben 6. Teil Rn 846–866; Definitionen in § 2 WpHG n.F. sämtlich auch nur für einzelne Tatbestandsmerkmale, nicht den Regulierungsbereich als solchen). Einige Materien, die im WpHG a.F. als „Gegenstände“ in § 1 Abs. 1 angesprochen wurden (noch vor Einführung der numerischen Aufzählung), sind heute nicht mehr ausdrücklich genannt, jedoch anderen Nummern zuzuordnen. Dies gilt namentlich für die Finanzanalyse (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 iVm §§ 34b und 34c WpHG a.F.), für die sich allein eine aufsichtsrechtliche Regelung findet (heute § 85, 86 WpHG n.F.) und die daher mit dem (eher pauschal-nichtssagenden) Verweis in § 1 Nr. 8 lit. a) WpHG n.F. miterfasst erscheint. Dies gilt gleichermaßen für die Finanztermingeschäfte (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 iVm 34e und 34g WpHG a.F.), die das WpHG zwar durchaus auch materiellrechtlich regelt (§§ 99, 100 WpHG n.F.), deren Regelung in §§ 99, 100 WpHG n.F. jedoch auch als von § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4 und 5 WpHG n.F. miterfasst zu verstehen ist.105 49 Definiert sind die in § 1 Abs. 1 WpHG verwandten Begriffe nach dem Gesagten überwiegend in § 2 WpHG. Für die folgende Kommentierung von größter Bedeutung sind diejenigen der Finanzinstrumente (Wertpapiere, Geldmarktinstrumente und Derivate), der Wertpapierdienstleistungen106 sowie der Wertpapiernebendienstleistungen (§ 2 Abs. 4, 8 und 9 WpHG n.F., bisher Abs. 1–3a). Dies – und auch die Änderungen in den Marktsegmenten, auf denen Instrumente gehandelt werden müssen, um als Finanzinstrumente zu gelten – ist besser im Zusammenhang unten aufzugreifen (unten Rn 59–93). 50 Mit Umsetzung von MiFID II ist auch diejenige Materie erstmals ausdrücklich angesprochen, deren Regelung ursprünglich die „größten Komplikationen“107 im Gesetzgebungsverfahren mit sich brachte: die verwaltungsmäßige Überwachung mit Errichtung eines Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel, heute der Bundesanstalt für Finanz-

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Ebenso und näher: Fuchs/Fuchs § 1 Rn 7. Hinter diesem Begriff verbirgt sich seit dem FRUG, also der Umsetzung von MiFID I, auch die Organisation von Märkten und sogar der Eigenhandel zum Zwecke der systematischen Internalisierung (ursprünglich § 2 Abs. 3 Nr. 2 lit. b), c) und Nr. 8 und Abs. 10 WpHG a.F., heute § 2 Abs. 8 Nr. 2 lit. b), c) und Nr. 8 und 9 WpHG n.F,). Demgegenüber sind die wichtigsten Weiterungen, die MiFID II brachte (neben der Einführung von Positionslimits für Warenderivate, §§ 54–57 WpHG n.F., vgl. BR-Drucks. 18/10936, S. 2), die Regulierung der „Konzeption von Fi-

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nanzinstrumenten“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 WpHG n.F.) und die „Regulierung der Erbringung von Datenbereitstellungsdiensten“ (und der Organisation der Anbieter, § 1 Abs. 1 Nr. 2 WpHG n.F.), gerade nicht als Wertpapierdienstleistung ausgestaltet. Daher qualifiziert ihre Erbringung allein noch nicht als Wertpapierdienstleister – mit der Folge umfassender Anwendbarkeit des WpHG und seiner Regulierungsanforderungen. Assmann AG 1994, 196 (199); Weißgerber/ Jütten, 2. Finanzmarktförderungsgesetz, 1995, S. 13.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

dienstleistungsaufsicht (BaFin, §§ 3–11, dann §§ 4–11 WpHG a.F., heute §§ 6–24 WpHG n.F. für die allgemeine Aufsicht – et passim). Die diesbezügliche Aufzählung in Nr. 8 betont die jeweilige Zuständigkeit der BaFin, aber auch die Regelung ihrer Befugnisse. Deutlich wird schnell, dass es sich – außer dem Verweis auf das WpHG selbst in lit. a) – sämtlich um EU-Verordnungen handelt, die das jeweilige materielle Recht enthalten und die praktisch alle in Teile 6–8 gesondert kommentiert sind. Die Auswahl der staatlichen Behörde überlassen alle EU-Verordnungen dem jeweiligen Mitgliedstaat. Im WpHG n.F. sind dies – in der Reihenfolge, die in Nr. 8 lit. a) bis i) gewählt wird – die Zuständigkeitsbestimmungen in – § 6 Abs. 3, 5 S. 1 (WpHG / MiFID II-Umsetzung), – § 1 Abs. 1 Nr. 8 b), § 29 Abs. 1 (EU-Rating-VO, nicht kommentiert, vgl. oben Rn 44 Fn *), – § 1 Abs. 1 Nr. 8 c), § 53 Abs. 1 S. 1 (EU-Leerverkaufs-VO, 6. Teil im 4. Abschnitt) – § 1 Abs. 1 Nr. 8 d), § 30 Abs. 1 (EMIR, 6. Teil im 4. Abschnitt) – § 1 Abs. 1 Nr. 8 e), § 6 Abs. 3 S. 1 und 5 S. 1 (MAR, 6. Teil im 3. Abschnitt) – § 1 Abs. 1 Nr. 8 f), § 6 Abs. 3 S. 1 und 5 S. 1 (MiFIR, Kommentierung im Folgenden und vor allem 7. Teil, bes. passim, etwa Rn 170–186), – § 1 Abs. 1 Nr. 8 g) (WpHG /CSDR-Umsetzung unten Abschnitt 2) – § 1 Abs. 1 Nr. 8 h), § 10 Abs. 1 (EU-PRIIP-VO / Basisinformationsblätter, vgl. unten Rn 178–183) – § 1 Abs. 1 Nr. 8 i), § 6 Abs. 3 (WpHG / Umsetzung der VO 2015/2365 Wertpapierfinanzierungsgeschäfte) – § 1 Abs. 1 Nr. 8 j), §§ 6 Abs. 3 S. 1 und § 10 Abs. 2 (EU-Benchmark-VO, 6. Teil im 4. Abschnitt) Anders als die Bestimmung der Zuständigkeiten ist umgekehrt jedoch die Einräumung von Befugnissen an die BaFin für jeden Regelungsbereich mit der jeweiligen EU-Verordnung abzugleichen, mit Vorrang der Bestimmung in Letzterer, gegebenenfalls auch dahingehend, dass der dortige Befugniskatalog als abschließend zu verstehen ist.108 In der vorliegenden Kommentierung werden die im Kern aktien- bzw. börsengesell- 51 schaftsrechtlichen Regeln im WpHG wegen dieser Ausrichtung nicht näher erörtert, desgleichen nicht die Regeln für besondere Dienstleister im WpHG – namentlich Finanzanalysten, Ratingagenturen und Datenbereitstellungsdienste – wegen ihrer rein aufsichtsrechtlichen und nicht transaktionsbezogenen Ausrichtung und weil sie kein Investment Banking betreiben (vgl. näher oben Rn 44 Fn * und schon 5. Teil Rn 47–54). 2. Räumlicher Anwendungsbereich der Wohlverhaltensregeln in Abschnitt 11 (Abs. 2). a) Vielteilige Kollisionsnorm mit verschiedenen Anknüpfungspunkten für verschie- 52 dene Materien. Vor der Umsetzung der MiFID II durch das 2. FiMaNoG hielt das WpHG a.F. mit § 1 Abs. 2 und mit § 31 Abs. 10 zwei Kollisionsnormen vor. Die erstgenannte

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Zum klassischen Kreis der Befugnisse in den kapitalmarktrechtlichen EU-Verordnungen und ihrem Verhältnis zu nationalem Verwaltungsrecht (etwa im WpHG) vgl. näher etwa Veil/Walla EU-Kapitalmarktrecht § 11 Rn 2–27; vgl. auch etwa Augsberg, Europäisches Verwaltungsorganisationsrecht und

Vollzugsformen, in Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, 2011, § 6 Rn 25; Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, 2012, S. 465–472.

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Norm betraf die Regulierung von Insiderhandel, Marktmanipulation und (das Aufsichtsrecht der) Anlageanalyse und stellte – wie § 1 Abs. 2 Nr. WpHG n.F. – auf den Zulassungsmarkt von Finanzinstrumenten im Inland ab, um deutsches Recht zur Anwendung zu bringen. Die zweitgenannte Norm hingegen betraf praktisch die Gesamtheit der Wohlverhaltenspflichten dem Kunden gegenüber (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2–9, §§ 31a, 31b, 31d und 31e WpHG a.F., was heute §§ 63, 64, 67, 68, 70, 71 WpHG n.F. entspricht). Sie stellte jedoch – anders als heute § 1 Abs. 2 Nr. 3 WpHG n.F. – darauf ab, ob der Kunde seinen „gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Geschäftsleitung im Inland [hatte], sofern nicht die Wertpapierdienstleistung [mit allen Nebenleistungen] … ausschließlich im Drittstaat erbracht [wurde].“ Heute findet sich nur noch eine einzige Kollisionsnorm in § 1 Abs. 2 WpHG n.F.109 Obwohl durch die Ausgliederung der Materien der MAR auch das Kollisionsrecht erheblich entzerrt wurde, ist § 1 Abs. 2 WpHG n.F. ebenfalls komplex, weil auch er heterogene Materien regelt. 53 Im Ausgangspunkt ist vor allem einem Missverständnis vorzubeugen: Die drei Nummern sind nicht kumulativ, auch nicht alternativ kumulierend zu verstehen, sondern als einander gegenseitig exkludierend. So findet sich namentlich für Wertpapierdienstleistungen die Anknüpfungsnorm allein in Nr. 3 (als handelte es sich noch um eine gesonderte Kollisionsnorm wie im bisherigen § 31 Abs. 10 WpHG a.F.).110 Es ist nicht etwa, wenn die Wertpapierdienstleistung nicht in Deutschland angeboten wurde, sondern der Kunde sie eigeninitiativ im Ausland (etwa den USA) nachfragte, hilfsweise darauf abzustellen, dass im konkreten Fall eine Finanzkommission (Wertpapierdienstleistung nach § 2 Abs. 8 Nr. 1 WpHG n.F.) ein „Finanzinstrument“ zum Gegenstand hatte, dessen Emittent seinen „Sitz im Inland“ hat (Nr. 1), oder sich auf ein Finanzinstrument bezog, das an einem „inländischen organisierten Markt … gehandelt“ wird. 54 Vielmehr ist Nr. 1 exklusiv auf Normen anzuwenden, die spezifisch die Regulierung von Emittenten zum Gegenstand haben, namentlich die Organisationsanforderungen (oben Teil 7 Rn 27 ff.). Und Nr. 2 betrifft exklusiv solche Regulierung, die spezifisch Finanzinstrumente in den Blick nimmt. Das sind – wie der Verweis klarstellt – u.a. die Positionslimits für Warenderivate nach §§ 54–57 WpHG n.F.. Sie zählen ohnehin ebenfalls zu den Finanzinstrumenten (§ 2 Abs. 4 Nr. 4 iVm Abs. 3 Nr. 2 WpHG n.F.), zudem erweitert S. 2 für sie jedoch den Anwendungsbereich auch auf nur im Ausland gehandelte Warenderivate, die jedoch im Inland Gehandelten gleichwertig sind (d.h. von Märkten als austauschbar angesehen werden). Solche Regeln nach Nr. 2 sind jedoch auch diejenigen zur „Konzeption von Finanzinstrumenten“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 WpHG n.F., als solche keine Wertpapierdienstleistung, vgl. unten Rn 76–85). Die Abgrenzung wird zwischen Nr. 2 und 3 wird freilich gelegentlich nicht zweifelsfrei sein.

55

b) Kollisionsnorm für Wohlverhaltensregeln dem Kunden gegenüber (Nr. 3 iVm §§ 63–70 WpHG n.F.). Bei den Wohlverhaltensregeln dem Kunden gegenüber – dem Kernbereich – hat sich die Anknüpfung – dem Anschein nach – geändert,111 und die Folgen sind

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Vgl. BR-Drucks. 18/10936, S. 221 (sedes materiae für den „territorialen Anwendungsbereich“ des WpHG). Vgl. das Beispiel in BR-Drucks. 18/10936, S. 221 (bei fehlendem „Angebot“ im Inland nach Nr. 3 nicht etwa auf die anderen Anknüpfungspunkte rekurriert).

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In BR-Drucks. 18/10936, S. 221 wird weder der Wegfall von § 31 Abs. 10 WpHG a.F. erwähnt, noch auf eine Umstellung des Konzepts hingewiesen. Zum bisherigen Konzept EBJS/Grundmann BankR VI Rn 38–42 und 272–274.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

nicht gänzlich absehbar. Bei jeder Analyse von Anknüpfungspunkten im WpHG ist – zusätzliche Komplexität begründend – stets zu berücksichtigen, dass Regulierung und Privatrecht, vor allem Vertragsrecht, in ihrer kollisionsrechtlichen Behandlung zusammen zu sehen sind. War bisher für den Anknüpfungspunkt auf einen inländischen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. Sitz des Kunden abgestellt worden (wenn nicht die „Wertpapierdienstleistung [mit allen Nebenleistungen] … ausschließlich im Drittstaat erbracht [wurde]“), so wird jetzt darauf abgestellt, ob die Wertpapierdienstleistung (auch) im Inland angeboten wurde. Für das Verhältnis zu Drittstaaten ist dieser Anknüpfungspunkt unschwer einzuordnen und erscheint auch die Neuorientierung sehr „stimmig“.112 Der Anknüpfungspunkt kann einerseits als Spezifikation des – für Regulierungsmaterien und insbesondere auch die Kapitalmarktregulierung typischen – Auswirkungsprinzips verstanden werden, weil ein Angebot (auch) auf einem Inlandsmarkt die eindeutigste Form Einwirkung auf und Beanspruchung dieses Marktes bildet.113 Andererseits erscheint das Abstellen auf ein „Angebot“ im Inland jedoch auch aus internationalvertragsrechtlicher Sicht stimmig – und auch stimmiger im Anknüpfungspunkt als die Vorgängerfassung. Denn auch Art. 6 Abs. 1 lit. b) Rom-I-VO stellt auf das – sehr ähnliche – Anknüpfungskriterium einer „Ausrichtung der Tätigkeit auf“ das Inland ab.114 Schwieriger ist die Einordnung im Verhältnis zu EU-Mitgliedstaaten (und auch EWR- 56 Staaten mit Herkunftslandkontrolle). Denn hier gilt heute uneingeschränkt das Herkunftslandprinzip, sowohl für die Organisationsregeln (wie schon seit 1995) als auch für die Wohlverhaltensregeln (erst seit Umsetzung von MiFID I).115 Aus der Finanzmarkt-Richtlinie ergab sich dies mit hinreichender Klarheit (Erw.gründe 17, 22 f., Art. 8, 31, 32 FM-RL / MiFID I), jedoch auch der Wille des deutschen Gesetzgebers im FRUG ging dahin.116 Das hat sich mit der Umsetzung der MiFID II und dem 2. FiMaNoG auch nicht geändert.117

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§ 31 Abs. 10 WpHG a.F. bezog sich ausdrücklich allein auf solche Drittstaatsbeziehungen. Zur ursprünglichen Fassung (§ 31 Abs. 3 WpHG 1995), die nach ihrem Wortlaut auch Binnenmarktbeziehungen erfasste (wie dann wieder die aktuelle, idF des 2. FiMaNoG), zu ihrer (m.E. bestehenden) Richtlinienwidrigkeit und zu ihrem Gehalt vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2 – Bankrecht VI Rn 232 (1. Aufl. 2001). Zur dann mit der Umsetzung der MiFID I eingeführten Trennung zwischen EU/EWR-Beziehungen und Drittstaatbeziehungen: BRDrucks. 833/06 S. 148. Marktrecht, da sich hier die „wettbewerblichen Interessen treffen“: vgl. BGH Urt. v. 30.06.1961 – I ZR 39/60, BGHZ 35, 329 (333 f.) = NJW 1962, 37 (38 f.) (Kindersaugflaschen); Urt. v. 20.12.1963 – I b ZR 104/62, BGHZ 40, 391 (396 f.) = NJW 1964, 969 (971) (Stahlexport); Urt. v. 13.5.1977 – I ZR 115/75, NJW 1977, 2211; Grundmann RabelsZ 54 (1990) 283 (bes.

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292–294 und 311–313). Vgl. ausführlich oben 5. Teil Rn 39 f. Vgl. 85. Erw.grund MiFID II (vormals wortgleich 30. Erw.grund MiFID I, obwohl doch § 31 Abs. 10 WpHG a.F. zwar einen nicht ganz unähnlichen, jedoch durchaus anderen Anknüpfungspunkt wählte); vgl. auch Sethe SZW/RSDA 2014, 615 (621). Für die entgegengesetzte Lage (Gastlandprinzip) nach WpHG 1995 und für eine Erklärung dieser „Ausnahme“: Grundmann EGSchuldvertragsrecht 1. Teil Rn 110–120 (allgemein), 4.20 Rn 9 (speziell für die WpDl-RL); für die WpDl-RL entspr. Ferrarini CMLR 31 (1994) 1283 (1297–1300); Schwark Bankrechtstag 1995, 109 (112) (jeweils auch zu den Grenzen, insbes. im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die den Erhalt der Integrationswirkung der Harmonisierung sicherstellen sollten). Vgl. BR-Drucks. 833/06 S. 175. Vgl. 37., 46. und 48. Erw.grund MiFID II (entspricht den vorherigen Erw.gründen 17, 22 und 23 MiFID I) sowie vor allem Art. 3

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Für die aufsichtsrechtliche Ebene bedeutet dies, dass die Anknüpfung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 WpHG n.F. schwerlich Wirkung entfalten wird, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde (am Emittentensitz) ihre Version der Wohlverhaltensstandards durchsetzt. Deutlich relativiert wird die Problematik freilich dadurch, dass nach dem Gesagten der Gehalt der Wohlverhaltensstandards durch weitere Verdichtung der Harmonisierung und vor allem durch die Level-2-Ausführungsgesetzgebung zwischen EU-Mitgliedstaaten ohnehin zunehmend vereinheitlicht erscheint. Doch auch auf vertragsrechtlicher Ebene erscheint die Anknüpfung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 WpHG n.F. aus verschiedenen Gründen zweifelhaft: für den Bundesgerichtshof schon deswegen, weil er §§ 63 ff. WpHG keine Wirkung als Vertragsinhalt zuschreibt. Jenseits dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. zur Ablehnung derselben oben 5. Teil Rn 141–143 und unten Rn 223–225 und 273–276) stellt sich die Frage, ob nicht die aufsichts- und die vertragsrechtliche Pflichtenlage parallel ausgestaltet sein und das Herkunftslandprinzip internationalvertragsrechtlich dann die vorrangige Regel bilden sollte (vgl. in diesem Sinne für das allgemeine Internationale Vertragsrecht Art. 23 Rom-I-VO).

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3. Ausnahmen für Anteile an offenen Investmentfonds (Abs. 3). Die Regeln zur Beteiligungstransparenz (6. Abschnitt), zu Informationspflichten zur Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren (7. Abschnitt) und zur Finanzberichterstattung u.a. (16. Abschnitt) finden keine Anwendung auf offene Investmentfonds (die Beteiligungstransparenz allerdings durchaus bei Spezial-AIFs). Da diese Regeln – als auf Emittenten bezogenes Kapitalmarktrecht ohne näheren Bezug zum Investment Banking – nur überblicksweise kommentiert werden (Beteiligungstransparenz und Finanzberichterstattung, oben 6. Teil Abschnitt 5) oder auch gar nicht (Information zur Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren, unten Rn 118), bleibt auch auf diese Ausnahme unkommentiert.

II. § 2 WpHG n.F.: Kernbegriffe § 2 Begriffsbestimmungen (1) Wertpapiere im Sinne dieses Gesetzes sind, auch wenn keine Urkunden über sie ausgestellt sind, alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind, insbesondere 1. Aktien, 2. andere Anteile an in- oder ausländischen juristischen Personen, Personengesellschaften und sonstigen Unternehmen, soweit sie Aktien vergleichbar sind, sowie Hinterlegungsscheine, die Aktien vertreten, 3. Schuldtitel, a) insbesondere Genussscheine und Inhaberschuldverschreibungen und Orderschuldverschreibungen sowie Hinterlegungsscheine, die Schuldtitel vertreten, b) sonstige Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren nach den Nummern 1 und 2 berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von Wertpapieren, von Währungen, Zinssätzen oder anderen

Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 MiFID II (sämtliche zu lesen mit der Begriffsbestim-

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mung nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 55 MiFID II) sowie BR-Drucks. 18/10936 S. 119 f.

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Erträgen, von Waren, Indices oder Messgrößen bestimmt wird; nähere Bestimmungen enthält die Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie (ABl. L 87 vom 31.3.2017, S. 1), in der jeweils geltenden Fassung. (2) Geldmarktinstrumente im Sinne dieses Gesetzes sind Instrumente, die üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelt werden, insbesondere Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate, Commercial Papers und sonstige vergleichbare Instrumente, sofern im Einklang mit Artikel 11 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 1. ihr Wert jederzeit bestimmt werden kann, 2. es sich nicht um Derivate handelt und 3. ihre Fälligkeit bei Emission höchstens 397 Tage beträgt, es sei denn, es handelt sich um Zahlungsinstrumente. (3) Derivative Geschäfte im Sinne dieses Gesetzes sind 1. als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswertes ableitet (Termingeschäfte) mit Bezug auf die folgenden Basiswerte: a) Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente, b) Devisen, soweit das Geschäft nicht die in Artikel 10 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 genannten Voraussetzungen erfüllt oder Rechnungseinheiten, c) Zinssätze oder andere Erträge, d) Indices der Basiswerte der Buchstaben a, b, c oder f, andere Finanzindizes oder Finanzmessgrößen, e) derivative Geschäfte oder; f) Berechtigungen, Emissionsreduktionseinheiten und zertifizierte Emissionsreduktionen im Sinne des § 3 Nummern 3, 6 und 16 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, soweit sie im EU- Emissionshandelsregister gehalten werden dürfen (Emissionszertifikate); 2. Termingeschäfte mit Bezug auf Waren, Frachtsätze, Klima- oder andere physikalische Variablen, Inflationsraten oder andere volkswirtschaftliche Variablen oder sonstige Vermögenswerte, Indices oder Messwerte als Basiswerte, sofern sie a) durch Barausgleich zu erfüllen sind oder einer Vertragspartei das Recht geben, einen Barausgleich zu verlangen, ohne dass dieses Recht durch Ausfall oder ein anderes Beendigungsereignis begründet ist, b) auf einem organisierten Markt oder in einem multilateralen oder organisierten Handelssystem geschlossen werden und nicht über ein organisiertes Handelssystem gehandelte Energiegroßhandelsprodukte im Sinne von Absatz 20 sind, die effektiv geliefert werden müssen, oder c) die Merkmale anderer Derivatekontrakte im Sinne des Artikels 7 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 aufweisen und nichtkommerziellen Zwecken dienen, und sofern sie keine Kassageschäfte im Sinne des Artikels 7 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 sind; Stefan Grundmann

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3. finanzielle Differenzgeschäfte; 4. als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und dem Transfer von Kreditrisiken dienen (Kreditderivate); 5. Termingeschäfte mit Bezug auf die in Artikel 8 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 genannten Basiswerte, sofern sie die Bedingungen der Nummer 2 erfüllen. (4) Finanzinstrumente im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Wertpapiere im Sinne des Absatzes 1, 2. Anteile an Investmentvermögen im Sinne des § 1 Absatz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs, 3. Geldmarktinstrumente im Sinne des Absatzes 2, 4. derivative Geschäfte im Sinne des Absatzes 3, 5. Emissionszertifikate, 6. Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren und 7. Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes mit Ausnahme von Anteilen an einer Genossenschaft im Sinne des § 1 des Genossenschaftsgesetzes sowie Namensschuldverschreibungen, die mit einer vereinbarten festen Laufzeit, einem unveränderlich vereinbarten festen positiven Zinssatz ausgestattet sind, bei denen das investierte Kapital ohne Anrechnung von Zinsen ungemindert zum Zeitpunkt der Fälligkeit zum vollen Nennwert zurückgezahlt wird, und die von einem CRR-Kreditinstitut im Sinne des § 1 Absatz 3d Satz 1 des Kreditwesengesetzes, dem eine Erlaubnis nach § 32 Absatz 1 des Kreditwesengesetzes erteilt worden ist, ausgegeben werden, wenn das darauf eingezahlte Kapital im Falle des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Instituts oder der Liquidation des Instituts nicht erst nach Befriedigung aller nicht nachrangigen Gläubiger zurückgezahlt wird, (5) Waren im Sinne dieses Gesetzes sind fungible Wirtschaftsgüter, die geliefert werden können; dazu zählen auch Metalle, Erze und Legierungen, landwirtschaftliche Produkte und Energien wie Strom. (6) Waren-Spot-Kontrakt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Vertrag im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Nummer 15 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014. (7) Referenzwert im Sinne dieses Gesetzes ist ein Kurs, Index oder Wert im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Nummer 29 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014. (8) Wertpapierdienstleistungen im Sinne dieses Gesetzes sind 1. die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung (Finanzkommissionsgeschäft), 2. das a) kontinuierliche Anbieten des An- und Verkaufs von Finanzinstrumenten an den Finanzmärkten zu selbst gestellten Preisen für eigene Rechnung unter Einsatz des eigenen Kapitals (Market-Making), b) häufige organisierte und systematische Betreiben von Handel für eigene Rechnung in erheblichem Umfang außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems, wenn Kundenaufträge außerhalb eines geregelten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems ausgeführt werden, ohne dass ein multilaterales Handelssystem betrieben wird (systematische Internalisierung), c) Anschaffen oder Veräußern von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere (Eigenhandel) oder

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

d) Kaufen oder Verkaufen von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als unmittelbarer oder mittelbarer Teilnehmer eines inländischen organisierten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems mittels einer hochfrequenten algorithmischen Handelstechnik im Sinne von Absatz 44, auch ohne Dienstleistung für andere (Hochfrequenzhandel), 3. die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten in fremdem Namen für fremde Rechnung (Abschlussvermittlung), 4. die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (Anlagevermittlung), 5. die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien (Emissionsgeschäft), 6. die Platzierung von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung (Platzierungsgeschäft), 7. die Verwaltung einzelner oder mehrerer in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum (Finanzportfolioverwaltung), 8. der Betrieb eines multilateralen Systems, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt (Betrieb eines multilateralen Handelssystems), 9. der Betrieb eines multilateralen Systems, bei dem es sich nicht um einen organisierten Markt oder ein multilaterales Handelssystem handelt und das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten innerhalb des Systems auf eine Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt (Betrieb eines organisierten Handelssystems), 10. die Abgabe von persönlichen Empfehlungen im Sinne des Artikel 9 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird (Anlageberatung). Das Finanzkommissionsgeschäft, der Eigenhandel und die Abschlussvermittlung umfassen den Abschluss von Vereinbarungen über den Verkauf von Finanzinstrumenten, die von einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder einem Kreditinstitut ausgegeben werden, im Zeitpunkt ihrer Emission. Ob ein häufiger systematischer Handel vorliegt, bemisst sich nach der Zahl der Geschäfte außerhalb eines Handelsplatzes (OTC-Handel) mit einem Finanzinstrument zur Ausführung von Kundenaufträgen, die von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen für eigene Rechnung durchgeführt werden. Ob ein Handel in erheblichem Umfang vorliegt, bemisst sich entweder nach dem Anteil des OTC-Handels an dem Gesamthandelsvolumen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens in einem bestimmten Finanzinstrument oder nach dem Verhältnis des OTC-Handels des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zum Gesamthandelsvolumen in einem bestimmten Finanzinstrument in der Europäischen Union; nähere Bestimmungen enthalten die Artikel 12 bis 17 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. Die Voraussetzungen der systematischen Internalisierung sind erst dann erfüllt, wenn sowohl die Obergrenze für den häufigen systematischen Handel als auch die Obergrenze für den Handel in erheblichem Umfang überschritten werden oder wenn ein Unternehmen sich freiwillig den für die systematische Internalisierung geltenden Regelungen unterworfen und eine Erlaubnis zum Betreiben Stefan Grundmann

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

der systematischen Internalisierung bei der Bundesanstalt beantragt hat. Als Wertpapierdienstleistung gilt auch die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung, die keine Dienstleistung für andere im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 darstellt (Eigengeschäft). Der Finanzportfolioverwaltung gleichgestellt ist hinsichtlich der §§ 22, 63 bis 83 und 85 bis 92 dieses Gesetzes sowie des Artikels 20 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 und der Artikel 72 bis 76 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 die erlaubnispflichtige Anlageverwaltung nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 des Kreditwesengesetzes. (9) Wertpapiernebendienstleistungen im Sinne dieses Gesetzes sind 1. die Verwahrung und die Verwaltung von Finanzinstrumenten für andere, einschließlich Depotverwahrung und verbundener Dienstleistungen wie Cash-Management oder die Verwaltung von Sicherheiten mit Ausnahme der Bereitstellung und Führung von Wertpapierkonten auf oberster Ebene (zentrale Kontenführung) gemäß Abschnitt A Nummer 2 des Anhangs zur Verordnung (EU) Nr. 909/2014 (Depotgeschäft), 2. die Gewährung von Krediten oder Darlehen an andere für die Durchführung von Wertpapierdienstleistungen, sofern das Unternehmen, das den Kredit oder das Darlehen gewährt, an diesen Geschäften beteiligt ist, 3. die Beratung von Unternehmen über die Kapitalstruktur, die industrielle Strategie sowie die Beratung und das Angebot von Dienstleistungen bei Unternehmenskäufen und Unternehmenszusammenschlüssen, 4. Devisengeschäfte, die in Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen stehen, 5. das Erstellen oder Verbreiten von Empfehlungen oder Vorschlägen von Anlagestrategien im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Nummer 34 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (Anlagestrategieempfehlung) oder von Anlageempfehlungen im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Nummer 35 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (Anlageempfehlung), 6. Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft stehen, 7. Dienstleistungen, die sich auf einen Basiswert im Sinne des Absatzes 2 Nr. 2 oder Nr. 5 beziehen und im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen stehen. (10) Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne dieses Gesetzes sind Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und nach § 53 Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätige Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. (11) Organisierter Markt im Sinne dieses Gesetzes ist ein im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt. (12) Drittstaat im Sinne dieses Gesetzes ist ein Staat, der weder Mitgliedstaat der Europäischen Union (Mitgliedsstaat) noch Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

(13) Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, sind 1. Emittenten von Schuldtiteln mit einer Stückelung von weniger als 1 000 Euro oder dem am Ausgabetag entsprechenden Gegenwert in einer anderen Währung oder von Aktien, a) die ihren Sitz im Inland haben und deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind oder b) die ihren Sitz in einem Drittstaat haben, deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt im Inland zugelassen sind und die die Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat nach § 4 Absatz 1 gewählt haben, 2. Emittenten, die andere als die in Nummer 1 genannten Finanzinstrumente begeben und a) die ihren Sitz im Inland haben und deren Finanzinstrumente zum Handel an einem organisierten Markt im Inland oder in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind oder b) die ihren Sitz nicht im Inland haben und deren Finanzinstrumente zum Handel an einem organisierten Markt im Inland zugelassen sind und die die Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des § 4 Absatz 2 als Herkunftsstaat gewählt haben, 3. Emittenten, die nach Nummer 1 Buchstabe b oder Nummer 2 die Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat wählen können und deren Finanzinstrumente zum Handel an einem organisierten Markt im Inland zugelassen sind, solange sie nicht wirksam einen Herkunftsmitgliedstaat gewählt haben nach § 4 in Verbindung mit § 5 oder nach entsprechenden Vorschriften anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. (14) Inlandsemittenten sind 1. Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, mit Ausnahme solcher Emittenten, deren Wertpapiere nicht im Inland, sondern lediglich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, soweit sie in diesem anderen Staat Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten nach Maßgabe der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. EU Nr. L 390 S. 38) unterliegen, und 2. Emittenten, für die nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum der Herkunftsstaat ist, deren Wertpapiere aber nur im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. (15) MTF-Emittenten im Sinne dieses Gesetzes sind Emittenten von Finanzinstrumenten, 1. die ihren Sitz im Inland haben und die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem multilateralen Handelssystem im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (Mitgliedstaat) oder einem anderen VerStefan Grundmann

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tragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum beantragt oder genehmigt haben, wenn diese Finanzinstrumente nur auf multilateralen Handelssystemen gehandelt werden, mit Ausnahme solcher Emittenten, deren Finanzinstrumente nicht im Inland, sondern lediglich in einem anderen Mitgliedstaat oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, wenn sie in diesem anderen Staat den Anforderungen des Artikels 21 der Richtlinie 2004/109/EG unterliegen, oder 2. die ihren Sitz nicht im Inland haben und die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem im Inland beantragt oder genehmigt haben, wenn diese Finanzinstrumente nur an multilateralen Handelssystemen im Inland gehandelt werden. (16) OTF-Emittenten im Sinne dieses Gesetzes sind Emittenten von Finanzinstrumenten, 1. die ihren Sitz im Inland haben und die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Handelssystem im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum beantragt oder genehmigt haben, wenn diese Finanzinstrumente nur auf organisierten Handelssystemen gehandelt werden, mit Ausnahme solcher Emittenten, deren Finanzinstrumente nicht im Inland sondern lediglich in einem anderen Mitgliedstaat oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, soweit sie in diesem Staat den Anforderungen des Artikels 21 der Richtlinie 2004/109/EG unterliegen, oder 2. die ihren Sitz nicht im Inland haben und die für ihre Finanzinstrumente nur eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Handelssystem im Inland beantragt oder genehmigt haben. (17) Herkunftsmitgliedstaat im Sinne dieses Gesetzes ist 1. im Falle eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, a) sofern es sich um eine natürliche Person handelt, der Mitgliedstaat, in dem sich die Hauptverwaltung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens befindet; b) sofern es sich um eine juristische Person handelt, der Mitgliedstaat, in dem sich ihr Sitz befindet; c) sofern es sich um eine juristische Person handelt, für die nach dem nationalen Recht, das für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen maßgeblich ist, kein Sitz bestimmt ist, der Mitgliedstaat, in dem sich die Hauptverwaltung befindet; 2. im Falle eines organisierten Marktes der Mitgliedstaat, in dem dieser registriert oder zugelassen ist, oder, sofern für ihn nach dem Recht dieses Mitgliedstaats kein Sitz bestimmt ist, der Mitgliedstaat, in dem sich die Hauptverwaltung befindet; 3. im Falle eines Datenbereitstellungsdienstes, a) sofern es sich um eine natürliche Person handelt, der Mitgliedstaat, in dem sich die Hauptverwaltung des Datenbereitstellungsdienstes befindet; b) sofern es sich um eine juristische Person handelt, der Mitgliedstaat, in dem sich der Sitz des Datenbereitstellungsdienstes befindet; c) sofern es sich um eine juristische Person handelt, für die nach dem nationalen Recht, das für den Datenbereitstellungsdienst maßgeblich ist, kein Sitz bestimmt ist, der Mitgliedstaat, in dem sich die Hauptverwaltung befindet. (18) Aufnahmemitgliedstaat im Sinne dieses Gesetzes ist 1. für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen der Mitgliedstaat, in dem es eine Zweigniederlassung unterhält oder Wertpapierdienstleistungen im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs erbringt;

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

2. für einen organisierten Markt der Mitgliedstaat, in dem er geeignete Vorkehrungen bietet, um in diesem Mitgliedstaat niedergelassenen Marktteilnehmern den Zugang zum Handel über sein System zu erleichtern. (19) Eine strukturierte Einlage ist eine Einlage im Sinne des § 2 Absatz 3 Satz 1 und 2 des Einlagensicherungsgesetzes, die bei Fälligkeit in voller Höhe zurückzuzahlen ist, wobei sich die Zahlung von Zinsen oder einer Prämie, das Zinsrisiko oder das Prämienrisiko aus einer Formel ergibt, die insbesondere abhängig ist von 1. einem Index oder einer Indexkombination, 2. einem Finanzinstrument oder einer Kombination von Finanzinstrumenten, 3. einer Ware oder einer Kombination von Waren oder anderen körperlichen oder nicht körperlichen nicht übertragbaren Vermögenswerten oder 4. einem Wechselkurs oder einer Kombination von Wechselkursen. Keine strukturierten Einlagen stellen variabel verzinsliche Einlagen dar, deren Ertrag unmittelbar an einen Zinsindex, insbesondere den Euribor oder den Libor, gebunden ist. (20) Energiegroßhandelsprodukt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Energiegroßhandelsprodukt im Sinne des Artikels 2 Nummer 4 der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts (ABl. L 326 vom 8.12.2011, S. 1), sowie der Artikel 5 und 6 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. (21) Multilaterales System im Sinne dieses Gesetzes ist ein System oder ein Mechanismus, der die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems zusammenführt. (22) Handelsplatz im Sinne dieses Gesetzes ist ein organisierter Markt, ein multilaterales Handelssystem oder ein organisiertes Handelssystem. (23) Liquider Markt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Markt für ein Finanzinstrument oder für eine Kategorie von Finanzinstrumenten, 1. auf dem kontinuierlich kauf- oder verkaufsbereite vertragswillige Käufer oder Verkäufer verfügbar sind und 2. der unter Berücksichtigung der speziellen Marktstrukturen des betreffenden Finanzinstruments oder der betreffenden Kategorie von Finanzinstrumenten nach den folgenden Kriterien bewertet wird: a) Durchschnittsfrequenz und -volumen der Geschäfte bei einer bestimmten Bandbreite von Marktbedingungen unter Berücksichtigung der Art und des Lebenszyklus von Produkten innerhalb der Kategorie von Finanzinstrumenten; b) Zahl und Art der Marktteilnehmer, einschließlich des Verhältnisses der Marktteilnehmer zu den gehandelten Finanzinstrumenten in Bezug auf ein bestimmtes Finanzinstrument; c) durchschnittlicher Spread, sofern verfügbar. Nähere Bestimmungen enthalten die Artikel 1 bis 4 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/567 der Kommission vom 18. Mai 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf Begriffsbestimmungen, Transparenz, Portfoliokomprimierung und Aufsichtsmaßnahmen zur Produktintervention und zu den Positionen (ABl. L 87 vom 31.3.2017, S. 90), in der jeweils geltenden Fassung. (24) Zweigniederlassung im Sinne dieses Gesetzes ist eine Betriebsstelle, die 1. nicht die Hauptverwaltung ist, 2. einen rechtlich unselbstständigen Teil eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens bildet und Stefan Grundmann

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

3. Wertpapierdienstleistungen, gegebenenfalls auch Wertpapiernebendienstleistungen, erbringt, für die dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Zulassung erteilt wurde. Alle Betriebsstellen eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens mit Hauptverwaltung in einem anderen Mitgliedstaat, die sich in demselben Mitgliedstaat befinden, gelten als eine einzige Zweigniederlassung. (25) Mutterunternehmen im Sinne dieses Gesetzes ist, sofern nicht die Abschnitte 6 und 16 besondere Regelungen enthalten, ein Mutterunternehmen im Sinne des Artikels 2 Nummer 9 und des Artikels 22 der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 19), die zuletzt durch die Richtlinie 2014/102/EU (ABl. L 334 vom 21.11. 2014, S. 86) geändert worden ist. (26) Tochterunternehmen im Sinne dieses Gesetzes ist, sofern nicht die Abschnitte 6 und 16 besondere Regelungen enthalten, ein Tochterunternehmen im Sinne des Artikels 2 Nummer 10 und des Artikels 22 der Richtlinie 2013/34/EU, einschließlich aller Tochterunternehmen eines Tochterunternehmens des an der Spitze stehenden Mutterunternehmens. (27) Gruppe im Sinne dieses Gesetzes ist eine Gruppe im Sinne des Artikels 2 Nummer 11 der Richtlinie 2013/34/EU. (28) Eine enge Verbindung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen wie folgt miteinander verbunden sind: 1. durch eine Beteiligung in Form des direkten Haltens oder des Haltens im Wege der Kontrolle von mindestens 20 Prozent der Stimmrechte oder der Anteile an einem Unternehmen, 2. durch Kontrolle in Form eines Verhältnisses zwischen Mutter- und Tochterunternehmen, wie in allen Fällen des Artikels 22 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 2013/ 34/EU oder einem vergleichbaren Verhältnis zwischen einer natürlichen oder juristischen Person und einem Unternehmen; Tochterunternehmen von Tochterunternehmen gelten ebenfalls als Tochterunternehmen des Mutterunternehmens, das an der Spitze dieser Unternehmen steht oder 3. durch ein dauerhaftes Kontrollverhältnis beider oder aller Personen, das zu derselben dritten Person besteht. (29) Zusammenführung sich deckender Kundenaufträge (Matched Principal Trading) im Sinne dieses Gesetzes ist ein Geschäft, bei dem 1. zwischen Käufer und Verkäufer ein Vermittler zwischengeschaltet ist, der während der gesamten Ausführung des Geschäfts zu keiner Zeit einem Marktrisiko ausgesetzt ist, 2. Kauf- und Verkaufsgeschäfte gleichzeitig ausgeführt werden und 3. das zu Preisen abgeschlossen wird, durch die der Vermittler abgesehen von einer vorab offengelegten Provision, Gebühr oder sonstigen Vergütung weder Gewinn noch Verlust macht. (30) Direkter elektronischer Zugang im Sinne dieses Gesetzes ist eine Vereinbarung, in deren Rahmen ein Mitglied, ein Teilnehmer oder ein Kunde eines Handelsplatzes einer anderen Person die Nutzung seines Handelscodes gestattet, damit diese Person Aufträge in Bezug auf Finanzinstrumente elektronisch direkt an den Handelsplatz übermitteln kann,

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

mit Ausnahme der in Artikel 20 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 genannten Fälle. Der direkte elektronische Zugang umfasst auch Vereinbarungen, die die Nutzung der Infrastruktur oder eines anderweitigen Verbindungssystems des Mitglieds, des Teilnehmers oder des Kunden durch diese Person zur Übermittlung von Aufträgen beinhalteten (direkter Marktzugang), sowie diejenigen Vereinbarungen, bei denen eine solche Infrastruktur nicht durch diese Person genutzt wird (geförderter Zugang). (31) Hinterlegungsscheine im Sinne dieses Gesetzes sind Wertpapiere, die auf dem Kapitalmarkt handelbar sind und die ein Eigentumsrecht an Wertpapieren von Emittenten mit Sitz im Ausland verbriefen, zum Handel auf einem organisierten Markt zugelassen sind und unabhängig von den Wertpapieren des jeweiligen Emittenten mit Sitz im Ausland gehandelt werden können. (32) Börsengehandeltes Investmentvermögen im Sinne dieses Gesetzes ist ein Investmentvermögen im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuchs, bei dem mindestens eine Anteilsklasse oder Aktiengattung ganztägig an mindestens einem Handelsplatz und mit mindestens einem Market Maker, der tätig wird, um sicherzustellen, dass der Preis seiner Anteile oder Aktien an diesem Handelsplatz nicht wesentlich von ihrem Nettoinventarwert und, sofern einschlägig, von ihrem indikativen Nettoinventarwert abweicht, gehandelt wird. (33) Zertifikat im Sinne dieses Gesetzes ist ein Wertpapier, das auf dem Kapitalmarkt handelbar ist und das im Falle der durch den Emittenten vorgenommenen Rückzahlung einer Anlage bei dem Emittenten Vorrang vor Aktien hat, aber nicht besicherten Anleiheinstrumenten und anderen vergleichbaren Instrumenten nachgeordnet ist. (34) Strukturiertes Finanzprodukt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Wertpapier, das zur Verbriefung und Übertragung des mit einer ausgewählten Palette an finanziellen Vermögenswerten einhergehenden Kreditrisikos geschaffen wurde und das den Wertpapierinhaber zum Empfang regelmäßiger Zahlungen berechtigt, die vom Geldfluss der Basisvermögenswerte abhängen. (35) Derivate im Sinne dieses Gesetzes sind derivative Geschäfte im Sinne des Absatzes 3 sowie Wertpapiere im Sinne des Absatzes 1 Nummer 3 Buchstabe b. (36) Warenderivate im Sinne dieses Gesetzes sind Finanzinstrumente im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Nummer 30 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014. (37) Genehmigtes Veröffentlichungssystem im Sinne dieses Gesetzes ist ein Unternehmen, das im Namen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen Handelsveröffentlichungen im Sinne der Artikel 20 und 21 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 vornimmt. (38) Bereitsteller konsolidierter Datenticker im Sinne dieses Gesetzes ist ein Unternehmen, das zur Einholung von Handelsveröffentlichungen nach den Artikeln 6, 7, 10, 12, 13, 20 und 21 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 auf geregelten Märkten, multilateralen und organisierten Handelssystemen und bei genehmigten Veröffentlichungssystemen berechtigt ist und diese Handelsveröffentlichungen in einem kontinuierlichen elektronischen Echtzeitdatenstrom konsolidiert, über den Preis- und Handelsvolumendaten für jedes einzelne Finanzinstrument abrufbar sind. (39) Genehmigter Meldemechanismus im Sinne dieses Gesetzes ist ein Unternehmen, das dazu berechtigt ist, im Namen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens Einzelheiten zu Geschäften an die zuständigen Behörden oder die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde zu melden. (40) Datenbereitstellungsdienst im Sinne dieses Gesetzes ist 1. ein genehmigtes Veröffentlichungssystem, 2. ein Bereitsteller konsolidierter Datenticker oder 3. ein genehmigter Meldemechanismus. Stefan Grundmann

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(41) Drittlandunternehmen im Sinne dieses Gesetzes ist ein Unternehmen, das ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen wäre, wenn es seinen Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum hätte. (42) Öffentliche Emittenten im Sinne dieses Gesetzes sind folgende Emittenten von Schuldtiteln: 1. die Europäische Union, 2. ein Mitgliedstaat einschließlich eines Ministeriums, einer Behörde oder einer Zweckgesellschaft dieses Mitgliedstaats, 3. im Falle eines bundesstaatlich organisierten Mitgliedstaats einer seiner Gliedstaaten, 4. eine für mehrere Mitgliedstaaten tätige Zweckgesellschaft, 5. ein von mehreren Mitgliedstaaten gegründetes internationales Finanzinstitut, das dem Zweck dient, Finanzmittel zu mobilisieren und seinen Mitgliedern Finanzhilfen zu gewähren, sofern diese von schwerwiegenden Finanzierungsproblemen betroffen oder bedroht sind, 6. die Europäische Investitionsbank. (43) Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das 1. es dem Kunden gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine Dauer, die für die Zwecke der Informationen angemessen ist, einsehen kann, und 2. die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht. Nähere Bestimmungen enthält Artikel 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. (44) Hochfrequente algorithmische Handelstechnik im Sinne dieses Gesetzes ist ein algorithmischer Handel im Sinne des § 80 Absatz 2 Satz 1, der gekennzeichnet ist durch 1. eine Infrastruktur zur Minimierung von Netzwerklatenzen und anderen Verzögerungen bei der Orderübertragung (Latenzen), die mindestens eine der folgenden Vorrichtungen für die Eingabe algorithmischer Aufträge aufweist: Kollokation, Proximity Hosting oder einen direkten elektronischen Hochgeschwindigkeitszugang, 2. die Fähigkeit des Systems, einen Auftrag ohne menschliche Intervention im Sinne des Artikels 18 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 einzuleiten, zu erzeugen, weiterzuleiten oder auszuführen und 3. ein hohes untertägiges Mitteilungsaufkommen im Sinne des Artikels 19 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 in Form von Aufträgen, Kursangaben oder Stornierungen. (45) Zentrale Gegenpartei im Sinne dieses Gesetzes ist ein Unternehmen im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 in der jeweils geltenden Fassung. (46) Kleine und mittlere Unternehmen im Sinne dieses Gesetzes sind Unternehmen, deren durchschnittliche Marktkapitalisierung auf der Grundlage der Notierungen zum Jahresende in den letzten drei Kalenderjahren weniger als 200 Millionen Euro betrug. Nähere Bestimmungen enthalten die Artikel 77 bis 79 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. (47) Öffentlicher Schuldtitel im Sinne dieses Gesetzes ist ein Schuldtitel, der von einem öffentlichen Emittenten begeben wird. (48) PRIP im Sinne dieses Gesetzes ist ein Produkt im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014. (49) PRIIP im Sinne dieses Gesetzes ist ein Produkt im Sinne des Artikels 4 Nummer 3 der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014.

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1. Überblick: Klärung des Anwendungsbereichs und sonstige Kernbegriffe. Die Defi- 59 nitionsnorm des § 2 WpHG n.F. unterfällt in zwei große Teile. Der erste Teil – je nach Zählung Abs. 1 bis 23 oder aber Abs. 1 bis 11 und 21, 22 – enthält die Begrifflichkeiten, mit denen der sachliche Anwendungsbereich definiert wird. Dies erfolgt durch Klärung von drei großen Gruppen: (Anlage-)Instrumente mit Kernparametern (Abs. 1–7), regulierte Tätigkeiten und Akteure (Abs. 8–10) und regulierte Märkte (Abs. 11, 21 und 22). Da zum sachlichen Anwendungsbereich der räumliche Anwendungsbereich tritt, kann man diejenigen Regeln, die diesen betreffen (Abs. 12–18), namentlich die grenzüberschreitenden Konstellationen bei den Emittenten, hinzunehmen. So ergibt sich dann eine zusammenhängende Sequenz – vor allem zum sachlichen, aber auch zum räumlichen Anwendungsbereich – von Abs. 1 bis 23 (mit Ausnahme von Abs. 19, 20). Der zweite Teil (Abs. 24–49 sowie 19, 20) vereinigt dann in sich – weniger wichtig – eine Unzahl an sonstigen Begrifflichkeiten, von denen eine Reihe nur für einen einzigen Regelungskomplex von Bedeutung sind (und daher besser zu diesem zu ziehen wären) und die daher und aus Gründen der Gewichtung im Folgenden auch eher kursorisch erörtert werden. Locker gegliedert findet man hier die Komplexe zum Unternehmensaufbau (besonders zur Gruppe, Abs. 24–28), zu besonderen Handels- und Anlageformen (Abs. 18, 19, 29–36), zu besonderen Informationssystemen (Abs. 37–40), und zwei besonders heterogene Gruppen zu weiteren Akteuren oder Akteursformen (Abs. 41, 42 und 45–47) und weiteren Handlungsformen und Instrumenten (Abs. 43, 44, 48, 49). Die Definition des sachlichen Anwendungsbereichs – in früheren Fassungen des 60 WpHG noch stärker der absolute Kernbereich der Begrifflichkeiten – ist sehr komplex gewesen, letztlich nur im Zusammenspiel mit Ausnahmen und Gegenausnahmen in den besonderen Teilen zu erfassen gewesen, solange im Wesentlichen drei Anwendungsbereiche zu definieren waren: für das Marktmissbrauchsrecht, die Ad-hoc-Publizität und die Wohlverhaltensregeln des Wertpapierhandelsrechts – alle für unterschiedliche Handlungsformen und Instrumente, vor allem jedoch auf unterschiedlichen Marktsegmenten verbindlich.118 Die Komplexität hat enorm abgenommen einerseits dadurch, dass sich zunehmend als das maßgebliche Marktsegment dasjenige des „organisierten Marktes“ herausgebildet hat,119 das heute als Konzept des Allgemeinen Teils eines Europäischen Kapitalmarkt-

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Vgl. Übersicht zum damaligen Zustand und Zusammenspiel bei EBJS/Grundmann (2. Aufl. 2007), BankR Rn VI 44. Zusätzliche Komplikationen ergaben sich daraus, dass die Abfolge verschachtelt war und – vor allem – dass Begrifflichkeiten teils durch wechselseitige Hin- und Herverweisungen zwischen Kernbegrifflichkeiten geklärt wurden. Wichtige Begriffe – wie die der Wertpapierdienstleistungen, -nebendienstleistungen und Wertpapierdienstleister – waren auch nur für einen Bereich, etwa den der Wohlverhaltensregeln, von Bedeutung, während die Insiderhandelsregeln Jedermannsregeln waren und sind und die Ad-hoc-Publizität (nur) (Inlands-)Emittenten verpflichtet(e), desgleichen freilich die noch immer im WpHG zu

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findende Beteiligungstransparenz (§§ 33–47 WpHG n.F, vgl. 6. Teil Rn 846–866). Wirklich für alle Regelungsbereiche gleichermaßen galt damals nur der Begriff der Finanzinstrumente: vgl. heute Assmann/Schneider § 2 Rn 1 f. (auch zur Entwicklung). Die Ad-hoc-Publizität zunächst nur für den (staatlich überwachten, börslichen) sog. „geregelten Markt“ vorgeschrieben, die Insiderverbote in Deutschland darüber hinaus auch im sog. Freiverkehr geltend, die Wohlverhaltensregeln auf allen Märkten und nur über den Begriff des (fungiblen und sekundärmarktfähigen) Finanzinstruments eingegrenzt und abgegrenzt vom (damals weitestgehend unregulierten) sog. „grauen Kapitalmarkt“. Vgl. auch zu dieser Unter-

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rechts zu verstehen ist (vgl. daher schon 5. Teil Rn 66–71), und andererseits dadurch, dass Marktmissbrauchsrecht und Ad-hoc-Publizität ausgegliedert wurden in die MAR. Deswegen stehen heute die auf die Wertpapierdienstleistungen und -dienstleister bezogenen Wohlverhaltensregeln ganz im Vordergrund. 2. Anlageinstrumente (Finanzinstrumente und Waren, Abs. 1–5), diesbezügliche Verträge und Messgrößen (Abs. 6, 7)

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a) Wertpapiere und Finanzinstrumente als Kern- und Sammelbegriffe (Abs. 1 und 4) – Überblick und Verweis. Wie schon in den Vorgängergenerationen (Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie und WpHG 1995 bzw. MiFID I und FRUG)120 setzen § 2 Abs. 1–4 WpHG Art. 4 Abs. 1 Nr. 44, 17, 49, 15 MiFID II um – inhaltlich identisch, an vielen Punkten jedoch noch etwas ausführlicher definiert, teils auch mit Regelbeispielen. Wichtig ist jedoch, dass auch im deutschen Recht das Kriterium spezifiziert wird, nach dem sich die Vergleichbarkeit bestimmt – die Handelbarkeit, die die MiFID II in Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 (wie schon die MiFID I) ganz in den Mittelpunkt rückt –, und dass auch im deutschen Recht betont wird, dass Verbriefung unerheblich ist (Abs. 1, Einleitungssatz), und, praktisch nicht sehr bedeutend, auch der Kreis derjenigen Geldmarktinstrumente einbezogen ist, die nach diesem Kriterium nicht erfasst wären (Auffangtatbestand, Abs. 2). Zudem wurden – wiederum autonom durch den deutschen Gesetzgeber – vor allem die Vermögensanlagen im „Grauen Kapitalmarkt“ einbezogen (vgl. dazu sogleich Rn 72 f.). Ansonsten werden die gleichen Begriffe verwandt, sie sind im Einklang mit der MiFID II auszulegen. 62 Der – historisch und systematisch – im Zentrum stehende Begriff des Wertpapiers (Abs. 1) bildet heute auch gesetzessystematisch den Ausgangspunkt, obwohl dann der Begriff des Finanzinstruments als der zentrale Anknüpfungspunkt im WpHG fungiert. Zentral ist für den Begriff des Wertpapiers die massenweise standardisierte Ausgestaltung, die das Wertpapier fungibel (handelbar) macht, insbesondere flankiert von der Einräumung eines starken Gutglaubensschutzes für Erwerber. Der kapitalmarktrechtliche Begriff des Wertpapiers hebt sich solchermaßen von dem allgemeinen Wertpapierbegriff – etwa auch für solche des Zahlungsverkehrs, Wechsel und Scheck (3. Teil Rn 646–654) – ab (sog. Effekten).121 Er bildet jedoch heute freilich einen Begriff des Allgemeinen Europäischen Kapitalmarktrechts und wurde als solcher vorweg kommentiert, worauf verwiesen werden kann (vgl. für die Einzelheiten oben 5. Teil Rn 81–85). Ebendies bildet den einen Grund, warum der Wertpapierbegriff systematisch als der Haupt- und Ausgangsbegriff zu verstehen ist. Der andere liegt darin, dass alle anderen Begriffe zu den Anlageinstrumenten in Abgrenzung zu ihm zu sehen sind bzw. sich durch Bezug auf ihn definieren – besonders plastisch Letzteres bei den Derivaten (vgl. unten Rn 65–71).

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schiedlichkeit in den erfassten Marktsegmenten: EBJS/Grundmann (2. Aufl. 2007), BankR Rn VI 45. Zu den beiden Umsetzungen in den Vorgängergenerationen vgl. EBJS/Grundmann (1. Aufl. 2001), BankR Rn VI 40, und ebenda (2. Aufl., 2007, 3. Aufl. 2011), BankR Rn VI 46.

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Zur Eigenständigkeit des Effektenbegriffs (kapitalmarktrechtlichen Wertpapierbegriffs) vgl. nur Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Bergmann, 36. Kap. Rn 2; Derleder/Knops/Bamberger/Bernau, Handbuch zum europäischen und deutschen Bankrecht, § 56 Rn 10 ff. (über die Nachw. oben 5. Teil Rn 81–85 hinaus).

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

Erst der Begriff des Finanzinstruments (Abs. 4) bildet jedoch nach dem Gesagten ge- 63 setzestechnisch durchgehend den Anknüpfungspunkt im WpHG (vgl. zu diesem Begriff allgemein im Europäische und deutschen Kapitalmarktrecht bereits oben 5. Teil Rn 79–91). Diese Funktion hat der Begriff (i) für die Festlegung von Wertpapierdienstleistungen als dem Zentralbegriff, an dem die Regulierung anknüpft (Vgl. § 2 Abs. 8 Nr. 1–10 WpHG n.F. – alle Dienstleistungen außer Markteröffnung auf Finanzinstrumente bezogen, jedoch auch Letztere als Handelsplätze für Finanzinstrumente definiert, vgl. §§ 72–76, 82 Abs. 10 WpHG n.F.). Dies gilt (ii) daher auch für die Festlegung der regulierten Akteure (§ 2 Abs. 11 WpHG) und schließlich (iii) für die materiellrechtliche Kernregelung der Wohlverhaltensregeln, einschließlich der Organisationsanforderungen (§§ 63 ff., 80 ff. WpHG n.F.) und auch für die Regeln für Marktbetreiber (7. Teil Rn 162 ff.).122 Beim Begriff des Finanzinstruments handelt es sich jedoch nur um einen Sammelbegriff, mit dem auf andere Definitionen verwiesen wird, neben derjenigen des Wertpapiers (Abs. 1 und vorige Rn) auf diejenigen zu Geldmarktinstrumente (Abs. 2, unten b), Rn 64) und zu derivativen Geschäften (Derivaten, Abs. 3, unten c) Rn 65–71).123 Dabei kommt dem – besonders komplexen – § 2 Abs. 3 WpHG n.F. eine hervorgehobene Rolle zu. Er allein setzt Anh. II C Nr. 4–10 von MiFID II um (derivative Geschäfte), während in besagtem Anhang II C Nr. 1–3 und 11 alle anderen Formen von Finanzinstrumenten betreffen (in § 2 Abs. 4 WpHG n.F. die Nr. 1 (mit Abs. 1), die Nr. 2 (mit Abs. 2) und die Nummern 2 und 7 bzw. die Nr. 5). b) Insbes. Geldmarktinstrumente (Abs. 2). Nach § 2 Abs. 1a WpHG a.F. waren Geld- 64 marktpapiere noch explizit als subsidiäre Auffangkategorie ausgestaltet („die nicht unter Abs. 1 [zu den Wertpapieren] fallen“; noch früher gar gemeinsam mit den Wertpapieren genannt).124 § 2 Abs. 2 WpHG n.F. führt sie jetzt – formal – als eigenständige Kategorie auf, dies unter Benennung der in Art. 11 Durchführungs-VO (EU) 2017/565 spezifizierten Kriterien und auch unter der Nennung der dort aufgeführten Beispielsfälle: namentlich die sog. Euro-Notes mit den Certificates of Deposit bzw. den Commercial Papers (begeben von Kreditinstituten bzw. sonstigen Emittenten) sowie Schatzanweisungen (öffentliche Schuld-

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Zu dieser Funktion des Begriffs Finanzinstrumente als des zentralen Anknüpfungspunkts für die Regulierung im WpGH etwa: Asmann/Schneider § 2 Rn 59; Derleder/ Knops/Bamberger/Frisch, Handbuch zum europäischen und deutschen Bankrecht, § 54 Rn 33. Zu den weiteren Begriffen vgl.: (i) für die Emissionszertifikate nach Nr. 5, die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 lit. f) WpHG n.F. definiert werden durch Verweis auf das enumerativ abschließende Emissionshandelsregister: KölnKommWpHG/Roth § 2 Rn 96; Assmann/Schneider § 2 Rn 50; Schwark/Zimmer/Kumpan § 2 WpHG Rn 45; vgl. auch Frenz Emissionshandelsrecht, 2. Aufl. 2008, § 6 TEHG Rn 1–40; und (ii) für die Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren nach Nr. 6 (jenseits der Derivate), bei denen es sich zum Beispiel um mitgliedschaftliche Bezugsrechte

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auf Aktien oder hybride Finanztitel nach §§ 186, 202, 221 Abs. 4 AktG handelt: so Fuchs/Fuchs § 2 Rn 69; Schwark/Zimmer/ Kumpan § 2 WpHG Rn 69. Zurecht weist freilich MünchKommHGB/Ekkenga Effektengeschäft Rn 64 darauf hin, dass idR Ausgestaltung als fungibles Wertpapier (mit Verbriefung), so dass die Auffangkategorie nicht eingreifen muss. Erstmals einbezogen durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 5 Wertpapierdienstleistungs-RL 93/22/EWG. Häufig wurde davon ausgegangen, dass auch Geldmarktinstrumente zirkulationsfähig sein müssen (näher zu ihnen Assmann/Schneider § 2 WpHG Rn 35–37; KölnKommWpHG/Roth § 2 Rn 70–72), dann freilich würden sie stets schon unter die Definition von Abs. 1 fallen; etwas anders Schäfer/Hamann § 2 WpHG Rn 17.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

ner).125 Ob, wenn solche Instrumente fungibel sind (zu massenweisem Handel, auch mit Gutglaubensschutz geeignet und ausgestattet), sie nicht ohnehin unter Abs. 1 fallen, ist heute unerheblich. Jedenfalls bis zu einer Restlaufzeit von 397 Tagen sind Instrumente erfasst, deren Wert jederzeit bestimmt werden kann und die nicht unter Abs. 3 (Derivate) fallen. Wichtig bleibt freilich, dass es sich um Anlageinstrumente handeln muss, nicht um Zahlungsinstrumente. Letztlich handelt es sich also um eine gewisse Ausdehnung in den Fällen, in denen solche kurzfristigen Anlageinstrumente die Standardisierungs- und die Gutglaubensanforderungen, die sonst für hinreichende Fungibilität aufgestellt werden, nicht zweifelsfrei erfüllen („mit im Wesentlichen den gleichen Merkmalen“). Märkte für Geldmarktpapiere sind typischer Weise von solchen für längerfristige Schuldtitel und Aktien sowie Derivate getrennt.126

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c) Insbes. derivative Geschäfte (Abs. 3). Besonders komplex ist die Unterkategorie der Derivate. Als Grundbegriff wählt der WpHG-Gesetzgeber seit Umsetzung der MiFID II denjenigen der „derivativen Geschäfte“ (Abs. 3), um denjenigen der Derivate (Abs. 35) für eine noch etwas breitere Kategorie verwenden zu können, die sich aus den im Folgenden erörterten „derivativen Geschäften“ nach Abs. 3 und den (in ihrer Wertentwicklung von Referenzwerten abhängigen) Wertpapieren nach Abs. 1 Nr. 3 lit. b) zusammensetzt.127 Abs. 3 Nr. 1 setzt dabei – mit häufig abweichender Terminologie – inhaltlich identisch Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 iVm Anh. I C (4) MiFID II um, Abs. 3 Nr. 2 hingegen – in der Systematik umgestellt, jedoch ebenfalls inhaltlich identisch – Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 iVm Anh. I C (5) bis (7) und (10) MiFID II. Damit vereinfacht sich die Systematik – mit nur noch zwei (Haupt-)Nummern – erheblich gegenüber der Regelung, die das FRUG brachte und die sich auch noch etwa in der MAR findet (dort mit Verweis auf MiFID I; vgl. zum inhaltlich weitestgehend gleichen, in der Zählung jedoch erheblich abweichenden Parallelregime in der MAR Kommentierung oben 6. Teil Rn 280–285, auch inhaltlich mit zahlreichen Parallelen). Abs. 3 Nr. 3 und 4 setzen dann Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 iVm Anh. I C (8) und (9) MiFID II auch formal gut vergleichbar und parallel um (und Nr. 5 verweist auf Klarstellungen in der Durchführungs-VO (EU) Nr. 2017/565).

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Hierzu (und der üblichen Kombination mit Kreditzusage in den Note Issuance Facilities): Ebenroth FS Keller 1989, S. 391 (408–413); Dempfle, Finanzinnovationen an den internationalen Geld- und Kapitalmärkten, 1988, S. 22–29; zur ganzen Bandbreite ausführlicher Assmann/Schneider § 2 Rn 35–37; Binkowski/Beeck, Finanzinnovationen, 1995; Brechmann, Strukturierte Produkte, 2000; Eilenberger (Hrsg.), Lexikon der Finanzinnovationen, 1996; Goergen, Finanzinnovationen und Wertpapier-Design, 2000; Hull, Options, futures and other derivatives, 1997; Kniehase, Derivate auf eigene Aktien, 2005; Kolb, Financial Derivatives, Cambridge 1996; Storck Globale Dreh-

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scheibe Euromarkt, 3. Aufl. 2005, bes. 13–57; KölnKommWpHG/Versteegen § 2 Rn 37; Kümpel/Wittig/Oulds Rn 14.54– 14.57. Dazu Fuchs/Fuchs § 2 Rn 35; Assmann/ Scheider § 2 Rn 37 Fn 1; Kümpel/Wittig/ Oulds Rn 14.52; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, § 2 Rn 80 f.; und schon oben 5. Teil Rn 72–76. BT-Drucks. 18/10936, S. 221; zu den Wertpapieren nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) WpHG n.F. vgl. Fuchs/Fuchs § 2 Rn 29 f.; Assmann/ Schneider § 2 Rn 30 f.; KölnKomm WpHG/ Roth § 2 Rn 67; Schwark/Zimmer/Kumpan § 2 WpHG Rn 25.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

aa) Alle derivativen Geschäfte (und Derivate, Abs. 38) beziehen sich auf einen zugrun- 66 deliegenden Wert („Underlying“) (etwa Wertpapiere, Emissionsrechte, Rohstoffe) und hängen in ihrer Wertentwicklung von der Wertentwicklung des „Underlying“ ab.128 Dabei fällt der Wertausschlag bezogen auf die nötige Investition durchweg (erheblich) höher aus als beim „Underlying“, in beide Richtungen (bis hin zum Totalverlust; Hebelwirkung).129 Das jeweils spekulative Element ist begründet in der Herauszögerung der Erfüllung bzw. der Optionsrechtsausübung, weswegen die Kassageschäfte (mit einer Erfüllung innerhalb bis zu zwei Tagen) in einem ersten Schritt aus dem Kreis aller derivativen Geschäfte / Derivate zu eliminieren sind.130 Derivatekontrakte unterfallen – bezogen auf die Form der Abhängigkeit – in drei große Gruppen. Das sind (1) Festkontrakte in Form der Termingeschäfte mit gegenseitigen Verpflichtungen bei hinausgeschobenem Erfüllungszeitpunkt (in den verschiedenen Terminologien: „Kauf“, „Terminkontrakt“). Das sind (2) der Austausch von Risiken aus einzelnen Festkontrakten (Swaps), idR auf Dauer angelegt und abgestimmt, mit genauerer Risikosteuerung und daher auch besonders großen Marktvolumina (in den verschiedenen Terminologien „Tausch“, „Swap“).131 Und das sind (3) die einseitige (vergütete) Einräumung von Optionsrechten, die dem Berechtigten (gegen Zahlung einer Optionsprämie) erlauben, im vereinbarten Optionszeitraum ein bestimmtes (Bündel von) Recht(en) vom Stillhalter zu einem bereits festgesetzten Preis zu erwerben bzw. gegen ihn geltend zu machen – oder auch von einer Ausübung abzusehen. Die ersten beiden Geschäftsformen werden auch als sog. „Festgeschäfte“ zusammengefasst, weil beide Parteien jeweils mit Eingehen des Geschäfts fest verpflichtet sind. Entscheidend ist demnach die (i) Art des Bezugs, der (ii) zugrunde liegende (Ba- 67 sis-)Wert (oder Werte, „underlying“) sowie in den genannten MiFID II-Definitionen teils auch das (iii) Marktsegment, auf dem der Basiswert gehandelt wird (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 iVm Anh. I C (5) bis (7) und (10) MiFID II und entsprechend § 2 Abs. 3 Nr. 2 WpHG n.F.). In der Gesetzgebungsentwicklung (auf EU-Ebene, teils vorweggenommen autonom im deutschen Recht) stellt man (seit 1995 bis vor allem zum FRUG) eine erhebliche Erweiterungstendenz bei den Bezugswerten fest. Ausgegangen wurde von einem klassischen Zuschnitt der Derivate, bezogen auf Wertpapiere, Geldmarktinstrumente und Zinssätze, zu denen dann Waren (Rohstoffe) oder Edelmetalle hinzukamen und schließlich allgemeine wirtschaftliche Größen, an denen handelbare Instrumente anknüpfen, insbe-

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Näher zur Definition und den verschiedenen Kategorien Sigmundt in: Wilhelmi/Achtelik/ Kunschke/Sigmundt (Hrsg.), Handbuch EMIR – Europäische Regulierung der OTCDerivate, 2015, Teil 1 A Rn 2–10; Zerey/ Schüwer Finanzderivate Teil 1 § 1 Rn 1–8; Sernetz Derivate und Corporate Governance, 2005, S. 54 f.. Überblick zu Derivatemärkten und ihrem Volumen etwa bei Blum in: Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/Sigmundt (a.a.O..), Teil 2 B; Zerey/Schüwer Finanzderivate Teil 1 § 1 Rn 9–11. Zu dieser Hebelwirkung vgl. nur Harder, Derivative Finanzinstrumente bei Kreditinstituten, 2015, S. 10 f.; Zerey/Schüwer Finanzde-

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rivate Teil 1 § 5 Rn 2; sowie Nachw. unten Fn 138. BankR-Hdb/Seiler/Geier Vor § 104 Rn 12–14; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht § 2 Rn 83 f.; KölnKommWpHG/Heinrich § 25a Rn 44; Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Binder Kap. 37 Rn 12, 22; Zerey/Schüwer Finanzderivate § 1 Rn 4. Zu dieser Funktion „maßgeschneiderten“ Risikomanagements von Swaps vgl. nur Zerey/Schüwer Finanzderivate Teil 1 § 1 Rn 27 und § 3 Rn 41. Zu den Marktvolumina vgl. etwa BIS http://www.bis.org/statistics/ d10_1.pdf: 9.800 Mrd. US Dollar.

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sondere Klimavariablen, Emissionsrechte, jedoch auch – ganz offen, generalklauselartig – überhaupt volkswirtschaftliche Variablen.132

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bb) Nach dem Gesagten ist der Abschluss für einen zukünftigen Termin das verbindende Element für alle Grundformen,133 die in Nr. (1) und (2) in eine weitgehend identische Aufzählung eingestellt werden. Identisch aufgezählt sind – in Ausdifferenzierung der oben (vorige Rn) genannten drei Grundformen – die fünf Derivateformen Optionen, Futures, Forwards, Swaps und „andere“ (d.h. vergleichbare) Derivatekontrakte (im WpHG zusammengefasst als „Termingeschäfte“, vgl. Nr. 1). Dies sind – sowohl in Nr. 1 als auch in Nr. 2 (alle Unterpunkte) – jeweils Folgende (in der Reihenfolge ihrer Nennung in der MiFID II). Optionen verbriefen für den Begünstigten das Recht, zu einem festen Termin in der Zukunft den fraglichen Basiswert zu einem festgelegten Preis zu kaufen oder zu verkaufen, wenn er von der Option bei Eintritt des Termins Gebrauch macht. Der Verpflichtete (Stillhalter) erhält im Gegenzug Zahlung eines Optionspreises und verpflichtet sich hierfür, bei Ausübung der Option durch die andere Seite, das Austauschgeschäft zu erfüllen. Für den Fall der Ausübung der Option kann tatsächliche Lieferung oder bloße Verrechnung der Differenz („Barzahlung“) vereinbart werden.134 Termingeschäfte verbriefen für beide Seiten eine feste Verpflichtung, den Basiswert zu einem im voraus festgelegten Preis zur Verfügung zu stellen bzw. den für diesen Zeitpunkt festgelegten Preis zu zahlen, wiederum je nach Vereinbarung durch tatsächliche Lieferung oder nur durch Differenzausgleich.135 Dabei unterfallen Termingeschäfte in hoch standardisierte, zirkulationsfähige, an Börsen gehandelte – die sog. (börslichen) Terminkontrakte oder „futures“ – und solche, bei denen dies nicht der Fall ist – die sog. (sonstigen) Termingeschäfte oder „forwards“.136 Beide sind in MiFID II (und entsprechend im WpHG) als Finanzinstrumente erfasst (vgl. Aufzählungen in Nr. (4) bis (7) und (10) in Anh. II C MiFID II). Die Vereinbarung kann so ausgestaltet sein, dass keine Seite Leistungen vor Termin zu erbringen oder abzusichern hat, etwa die zugesagten Basiswerte bereits im eigenen Portfolio zu halten hat.137 Diese Ausgestal-

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Zu diesen Fällen vgl. KölnKommWpHG/ Roth § 2 Rn 85–115; BankR-Hdb/Jahn/Reiner, § 114 Rn 4. Dazu, dass im WpHG wichtige Erweiterungsschritte bereits vorher teils autonom gegangen worden sind, etwa Fleischer BKR 2006, 389 (392) Zur Kritik an vergleichbaren Generalklauseln aus verfassungsrechtlichen Gründen (Bestimmtheitsgebot), insbesondere im Hinblick auf die Strafbzw. Bußgeldbewehrung, vgl. unten Rn 293. Hartenfels, Die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister („EMIR“), ZHR 178 (2014), 173 (175); Casper, Das neue Recht der Termingeschäfte, WM 2003, 161 (161); Jander/Plecher, Risikomanagement bei Finanzderivaten, WiB 1995, 137 (138); Fuchs/Fuchs Vor §§ 37e, 37g WpHG Rn 18; KölnKomm WpHG/ Roth § 2 Rn 78. Zu diesen Elementen von Optionen näher Haisch/Helios/Haisch § 1 Rn 8; KölnKomm

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WpHG/Roth § 2 Rn 83, Zerey/Schüwer Finanzderivate, § 1 Rn 8. Zu diesen Elementen von Termingeschäften iwS näher Casper WM 2003, 161 (162 f.); Haisch/Helios/Haisch/Danz § 5 Rn 10; Zerey/Schüwer Finanzderivate § 1 Rn 4. Zur Abgrenzung innerhalb der Termingeschäfte (iwS) zwischen „futures“ und „forwards“ näher Haisch/Helios/Haisch § 1 Rn 40–43; KölnKomm WpHG/Heinrich § 25a Rn 44; Zerey/Schüwer Finanzderivate § 1 Rn 5, 6. Vgl. KölnKomm WpHG/Heinrich § 25a Rn 44; Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Binder Kap. 37 Rn 22. Ebenso auch bei Optionen, vgl. etwa Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Binder Kap. 37 Rn 24–27; Zerey/ Schüwer Finanzderivate § 1 Rn 5 f. Für beides vgl. Woywode, Die abkommensrechtliche Einordnung von Einkünften aus Forward-/Future- und Optionsverträgen, IStR 2006, 325.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

tung, insbesondere die Notwendigkeit von grundsätzlich nur geringem Kapitaleinsatz im Vergleich zur möglichen Rendite ermöglichen eine erhebliche Hebelwirkung für den Kapitaleinsatz und begründen damit die besondere Spekulationseignung von Derivaten,138 begründen jedoch zugleich auch entsprechende Stabilitätsrisiken (vgl. nur 6. Teil 4. Abschnitt unter A., jedoch auch B.). Es sind diese Elemente, die alle „anderen Derivatekontrakte“ ebenfalls auszeichnen müssen, sollen sie nach Nr. (4) bis (7) und (10) ebenfalls erfasst sein, namentlich: die Verpflichtung erst für einen zukünftigen Termin, Wertermittlung durch Bezugnahme auf einen bestimmten Basiswert, aber auch die für Finanzinstrumente unverzichtbare Zirkulationsfähigkeit (Handelbarkeit durch Standardisierung, fälschungssichere Ausstattung und Gutglaubensschutz beim Transfer).139 Strukturell doch verschieden sind die Swaps als die fünfte in Nr. (4) bis (7) und (10) MiFID II bzw. Nr. 1 und 2 WpHG durchgehend genannte (dort jedoch weiter nach vorne gerückte) Derivateform. Auch sie sind zwar gekennzeichnet durch den Bezug auf einen zukünftigen Termin, teils freilich nicht eine erst zukünftige Verpflichtung. Beim Swap handelt es sich um einen Tausch zwischen den Partnern von Einkommensströmen aus je einer festgelegten Quelle, etwa Zinscoupons je einer Anleihe, für einen festgelegten Zeitraum. Damit wird der Bezug zu einem zukünftigen Termin definiert, allerdings rechtstechnisch doch signifikant anders (keine Leistung erst in der Zukunft), vom wirtschaftlichen (Absicherungs- und Spekulations-) Gehalt jedoch vergleichbar. Getauscht werden die Einkommensströme, nicht hingegen die Einkommensquelle selbst per Kassageschäft.140 Swaps können gleichermaßen der Absicherung von Risiken dienen (Hedging) wie spekulativen Zielen, und zählen zu den volumenstärksten Derivateformen, wobei eine deutliche Tendenz zum erstgenannten Einsatz jüngst unverkennbar erscheint.141 Die wichtigsten Formen bilden der Zinsswap, mit dem vor allem

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Hierzu näher Casper WM 2003, 161 (163); Melzer, Zum Begriff des Finanztermingeschäfts, BKR 2003, 366 (368 f.); Haisch/Helios/Haisch/Danz § 5 Rn 10; KölnKomm WpHG/Roth § 2 Rn 126; Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Binder Kap. 37 Rn 13, 20; Lenenbach Kapitalmarktrecht Rn 19.51. Hierzu näher Haisch/Helios/Haisch § 1 Rn 66–69; KölnKomm WpHG/Roth § 2 Rn 106–115. Zur näheren Ausgestaltung dieser Zukunftsdimension beim Swap: Kropf, Beratung durch Banken beim Abschluss von swap-Geschäften, ZIP 2013, 401 (401 f.); Haisch/Helios/Haisch § 1 Rn 47; Zerey/Schüwer Finanzderivate § 1 Rn 4, 7. Zu den Einsatzformen: Kropf ZIP 2013, 401 (401 f.); Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Binder Kap. 37 Rn 28. Das Zahlenmaterial der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) für die 1. Hälfte 2015 belegt – bereits vorher angedeutet –, dass insgesamt die Swap-Volumina deutlich abnehmen (10–20 % des Gesamtvolumens je nach Zahlen in einem Halbjahr), zugleich die über zen-

trale Gegenparteien „abgesicherten“ Volumina prozentual steigen (von 29 % auf 31 % aller Transaktionen). Vgl. Bank für International Settlement, Statistical release OTC derivates statistics at the end-June 2015 – Monetary and Economic Department, Nov. 2015, S. 1 f. (abrufbar über http://www. bis.org/statistics/derstats.htm). Mit anderen Worten: Wenn aus realen Absicherungsbedürfnissen resultierende Kontrakte als relativ gleichbleibend angenommen werden, sank das Volumen der spekulativen Kontrakte in diesem Halbjahr um weit mehr als die auf das Gesamtvolumen bezogenen 10–20 % (leider keine – zugegebenermaßen sehr komplizierte – Aufteilung in der Statistik). Der Trend setzt sich fort, vgl. Statistik zu OTCDerivaten von Ende Dezember 2016: http:// www.bis.org/publ/otc_hy1705.pdf. Nach kurzem Anstieg haben die Swap-Volumina im zweiten Halbjahr 2015 weiter abgenommen (von 533 auf 483 Billionen US-Dollar), gleichzeitig ist der Anteil der über zentrale Gegenparteien „abgesicherten“ Volumina weiter von 37 % auf 44 % gestiegen.

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Unternehmen ihre Zinsbelastungen tauschen und so ihre jeweiligen Vorteile bei Kreditaufnahme in unterschiedlichen Märkten gemeinsam nutzen, der Währungsswap, bei dem vergleichbare Vorteile bzgl. Währungen ausgenutzt werden,142 der Swap von Waren, namentlich Rohöl, bzw. deren Preis über einen bestimmten Zeitraum, mit dem vor allem Preisentwicklungen auf den entsprechenden Warenmärkten abgesichert werden.143 69 In MiFID II werden die erfassten Derivate näher spezifiziert durch Festlegung des Basiswertes, auf den sie sich zu beziehen haben, teils aber auch durch die Marktsegmente (vgl. Nr. (5) bis (7) und (10) und in § 2 WpHG Abs. 3 n.F. die Nr. 2., dazu sogleich). Der Kreis der möglichen Basiswerte ist sehr breit und teilt sich auf in drei Kategorien: Nach Nr. (1) werden als Basiswerte erfasst Wertpapiere (oben Rn 61 f., auch 64), Währungen (Devisen), Zinssätze – gemeint sind solche, die für Märkte allgemein festgesetzt oder festgestellt werden, wie LIBOR oder EURIBOR –,144 Emissionszertifikate (vgl. oben Fn 123) und finanzielle Indizes und Messgrößen, namentlich Aktienindizes (Dax, Dow Jones, Eurostoxx etc.),145 und alle anderen vergleichbaren Basiswerte, die sich durch marktweite Festlegung des Preises auszeichnen.146 Für all diese – (großteils) klassischen – Basiswerte werden auch keine Einschränkungen gemacht in der Frage, ob die Abrede in bar oder durch Lieferung zu erfüllen sei, und hinsichtlich der Marktsegmente, auf denen Basiswert bzw. Derivat gehandelt werden bzw. zu denen sie zugelassen sein müssen. Nach Nr. (2) werden ebenfalls als Basiswerte erfasst Waren, genauer: die Preisentwicklung auf Waren- und Rohstoffmärkten, hier nun jedoch mit Binnendifferenzierungen. Soll bei Derivaten auf Waren eine Lieferung nicht verlangt werden können, also die Absicherung von Warenaustausch nicht im Vordergrund stehen (Nr. 2 lit. a)), erfolgt keine Einschränkung im Anwendungsbereich, sollen also die Pflichten nach MiFID II (namentlich Beratung) uneingeschränkt zur Anwendung kommen. Anders ist das, wenn Lieferung nicht ausgeschlossen ist. Die hierfür vorgenommene Einschränkung im Anwendungsbereich (der Beratungspflichten) greift freilich erst ein, wenn der jeweilige Basiswert „Ware“ (zu einem bestimmten Preis) nicht über or-

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Zu beiden Formen näher Wenger/Bayer, Die erfolgskonforme Abbildung von Zins- und Währungsswaps in der Handels- und Steuerbilanz, DStR 1995, 948; Fülbier Zivilrechtliche Einordnung von Zins- und Währungsswaps, ZIP 1990, 544; Haisch/Helios/Haisch § 1 Rn 49–53; Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Binder Kap. 37 Rn 28. Hierzu näher Puderbach/Zenke, Der Handel mit Warenderivaten in Europa und Deutschland, BKR 2003, 360; BankR-Hdb/Jahn § 114 Rn 5–7. Zu weiteren Swap-Formen Maulshagen, Rechtliche und bilanzielle Behandlung von Swapgeschäften, BB 2000, 243; Zerey/Stuhlmacher/Sessel-Zsebik Finanzderivate, § 11. Zu Swaps von Kreditrisiken noch unten Rn 71. Vgl. BankR-Hdb/Jahn § 114 Rn 3; Clouth in: Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang (Hrsg.), Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 4. Aufl. 2011, Rn 1124; Schwark/ Zimmer/Kumpan § 2 WpHG Rn 42; Zerey/

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Kübler Finanzderivate, § 35 Rn 28–31. Zum Libor (London Interbank Offered Rate) und Euribor (Euro Interbank Offered Rate) oben 6. Teil Rn 766 ff., 794 ff.; sowie Buck-Heeb, LIBOR- und EURIBOR-Manipulationen – Haftungsrechtliche Fragen, WM 2015, 157; Bausch/Wittmann, Schadensersatzklagen vor deutschen Gerichten im Zusammenhang mit der Manipulation von Libor und Euribor, WM 2014, 494; Weck Die Manipulation des LIBOR als Referenzzinssatz in kommunalen Derivat-Geschäften – Teil 1, KommJur 2013, 247 und Teil 2, KommJur 2013, 281. Vgl. näher zu Indizes und Messgrößen Fuchs/Fuchs § 2 WpHG Rn 55; Schwark/ Zimmer/Kumpan § 2 WpHG Rn 43; Zerey/ Kübler Finanzderivate, § 35 Rn 1–10. Zur marktweiten Festlegung des Preises / Werts nach einem bestimmten, festgelegten Verfahren als dem Kerncharakteristikum vgl. näher Seitz, Das neue Wertpapierprospekt-

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ganisierte oder multilaterale Handelsfazilitäten gehandelt wird (andernfalls Anwendungsbereich wiederum eröffnet nach Nr. 2 lit. b)).147 Bei diesen potentiell auf echte Lieferung ausgerichteten, d.h. diesen vom Design her der Absicherung dienenden Derivatekontrakten sollten, wenn die Waren zudem außerhalb dieser organisierten Marktsegmente gehandelt werden, grds. keine Wohlverhaltenspflichten eingreifen.148 Anh. I C Nr. (10) MiFID II schließlich erfasst als Basiswerte Klimavariablen, Frachtsätze, Inflationsraten und andere offizielle Wirtschaftsstatistiken (im WpHG mit unter Nr. 2 gezogen, freilich schwerer verständlich und sicherlich richtlinienkonform auszulegen). Zentral ist die marktweite Festlegung, bei den Statistiken ausdrücklich von offizieller Seite, bei den Inflationsraten ebenfalls (vgl. Wortlaut, „andere offizielle Statistiken“),149 bei den anderen Größen jedenfalls nach einem Verfahren, das vergleichbare Verlässlichkeit verbürgt.150 Die Stellung dieser Basiswerte am Schluss erklärt sich aus ihrer relativ jungen Geschichte (keine „klassischen“ Basiswerte), zugleich schließt sich so die Auffangklausel in der zweiten Hälfte von Nr. (10) nahtlos an: Bei allen weiteren möglichen Basiswerten kommt es auf Vergleichbarkeit an, namentlich darauf, ob ein marktweit einheitliches und geregeltes Verfahren für die Preisoder Wertfeststellung existiert, aber auch (ausdrücklich), ob die Zirkulationsfähigkeit gesichert ist, namentlich aufgrund existierender (organisierter) Sekundärmärkte (ausdrücklich als Kriterium genannt).151 cc) Neben die in Nr. 1. und 2. genannten Derivateformen – auf klassische Finanzwerte 70 und -größen einerseits bzw. auf Waren, Indices u.ä. andererseits – treten die Derivate auf Kreditrisiken, namentlich die finanziellen Differenzgeschäfte (Nr. (3) und Fest- oder Optionsgeschäfte und Swaps auf/von Kreditrisiken (Nr. 4). Diese weiteren Kategorien wurden vor allem deswegen ausgebildet, weil die wirtschaftliche Wirkung unstreitig diejenige von Derivaten ist, hinsichtlich der rechtlichen Konstruktion jedoch Unsicherheit herrscht und die (je nach Auslegung der Definitionen in Nr. 1 und 2 ohnehin gegebene) Erfassung solchermaßen durch ausdrückliche Nennung sichergestellt werden sollte. Unter finanziellen Differenzgeschäften („Contract for Difference“, Nr. 3) versteht man diejenigen (spekulativen oder Risiko-)Kontrakte, die zu einem zukünftigen Termin zu erfüllen sind, bei denen jedoch tatsächliche Lieferung ausdrücklich oder nach dem Verständnis der Parteien

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recht – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678 (679); BankR-Hdb/Jahn/Reiner § 114 Rn 6, 11. Gegenausnahme bei Energiegroßhandelsprodukten, vgl. Definition § 2 Abs. 20 WpHG n.F., die Gegenausnahme näher ausgestaltet durch Art. 5 und auch 6 der Durchführungs-VO (EU) 2017/565. (Außerbörslich gehandelte) Forwards sind dabei aus Nr. (6) ganz ausgenommen und unterfallen nur Nr. (7) von Anh. I C MiFID II. Zum Fehlen von Pflichten nach MiFID II bei Derivatkontrakten auf Waren, die durch Lieferung erfüllt werden können, wenn die Waren nicht auf organisierten Märkten gehandelt werden, näher Zerey/Stuhlmacher/Sessel-Zsebik Finanzderivate, § 11 Rn 7; a.A. Geier/Schmitt, Mi-

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FID-Reform: der neue Anwendungsbereich der MiFID II und MiFIR, WM 2013, 915 (919 f.) für den Anwendungsbereich der MiFID II und MiFIR, wenn der Handel mit Warenderivaten nicht lediglich eine Nebentätigkeit der Bank darstellt. Zu diesem Kriterium und zu diesen Basiswerten näher Haisch/Helios/Böhringer/ Funck § 13 Rn 234; Zerey/Kurz/Steck Finanzderivate, § 28 Rn 17 in Bezug auf Inflations-Swaps. Zu diesem Kriterium und zu diesen Basiswerten näher Zerey/Stuhlmacher/Sessel-Zsebik Finanzderivate, § 11 Rn 70–72. Zum Kriterium „Vergleichbarkeit“ (Zirkulationsfähigkeit, Existenz von Sekundärmärkten) in dieser Auffangklausel näher Haisch/ Helios/Böhringer/Funck § 13 Rn 60–63.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

ausgeschlossen sein soll.152 Vor allem weil sog. Leerverkäufe – Verkäufe von Basiswerten auf einen zukünftigen Termin, bei denen der Verkäufer den Basiswert nicht im Portfolio hat – nicht sicher als Termingeschäfte qualifiziert wurden, wohl aber als Differenzgeschäfte,153 und weil ihre wirtschaftliche Funktion derjenigen von Termingeschäften unzweifelhaft vergleichbar ist, wurde die (Auffang-)Kategorie eröffnet.154 Der Begriff ist freilich so weit, dass alle Optionen sowie Termingeschäfte (futures und forwards), bei denen Lieferung ausgeschlossen ist, auch darunter fielen.155 Wichtige weitere finanzielle Differenzgeschäfte umfassen Termingeschäfte mit künstlichem Bezugsobjekt (z.B. Indizes, Virtuelle Fonds wie Währungskörbe oder „Baskets“) wie auch wohl das (echte) Day-Trading.156 71 Derivate auf Kreditrisiken (Nr. 4) haben als Basiswert Kreditgeschäfte gleich welcher Form (Darlehen, Kredite, Anleihen), wobei jeweils ein Sicherungsgeber („protection seller“) die Gefahr des Eintritts eines Kreditereignisses (Versäumnis, Insolvenz oder Neustrukturierung, vgl. Art. 216 Abs. 1 lit. a) CRR) dem Sicherungsnehmer („protection buyer“) abnimmt.157 Dabei kann Basiswert der Kredit selbst sein (mit Ausfallrisiko), desgleichen jedoch ein Wertpapier, dessen Kurs von einem Ausfallrisiko beeinflusst wird (bis hin zum Totalausfall).158 Der Zukunftsbezug wird bei den Derivaten auf Kreditrisiken nicht in Form der Festlegung eines bestimmten Termins, sondern eines Ereignisses hergestellt, wobei wieder Ausgestaltungen als Festgeschäfte oder als Optionen möglich sind (vgl.

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Vgl. näher Haisch/Helios/Haisch § 1 Rn 55 f.; Assmann/Schneider § 2 WpHG Rn 53; KölnKomm WpHG/Roth § 2 Rn 107; Schwark/ Zimmer/Kumpan § 2 WpHG Rn 48. Vgl. etwa BGH Urt. v. 12.6.1978– II ZR 48/77, WM 1978, 1203 = NJW 1979, 488; näher KölnKomm WpHG/Roth § 2 Rn 120; a.A. Wansleben/Weick-Ludewig, „Unvollkommene Deckung“ von Leerverkäufen nach der VO (EU) Nr. 236/2012, ZBB 2015, 395 (401). KölnKomm WpHG/Roth § 2 Rn 120. Näher zu den für die Entwicklung des deutschen Rechts zentralen Differenzgeschäften und dem sog. Differenzeinwand nach §§ 762, 764 BGB a.F., dann §§ 37e und 37g WpHG a.F., heute §§ 99 f. WpHG n.F. unten Rn 280–287. Zur Regulierung der Leerverkäufe – gemeinsam mit den sog. „naked“ (ungedeckten) CDS – oben 6. Teil Rn 551–653. Ebenso Haisch/Helios/Haisch § 1 Rn 55; KölnKomm WpHG/Roth § 2 Rn 107; Schwark/Zimmer/Kumpan § 2 WpHG Rn 48. Zu Ersterem MünchKommHGB/Ekkenga Bd. 6 Rn 60; zu Zweiterem und allgemeiner zu den Differenzgeschäften: Schwark/Zimmer/Kumpan § 2 WpHG Rn 48; sowie auch KölnKomm WpHG/Roth § 2 Rn 108.

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Vgl. näher Litten/Bell, Kreditderivate – Neue Dokumentations-Standards als Reaktion auf die globale Finanzmarktkrise, WM 2011, 1109 (1110–1111); dies., Regulierung von Kreditderivaten im Angesicht der globalen Finanzmarktkrise, BKR 2011, 314 (314 f.); Haisch/Helios/Haisch § 1 Rn 57; Zerey/ Schüwer Finanzderivate, § 1 Rn 33–35. Dazu dass nach dem durchweg zugrunde gelegten ISDA Agreement die Feststellung, ob ein Kreditereignis eingetreten ist, jeweils nicht den Parteien, sondern einem unabhängigen Panel überantwortet wird: Berger, Schiedsgerichtsbarkeit und Bankgeschäft – Eine Zeitenwende, WM 2012, 1701 (1705); Keller/Netzer, Finanzmarkt, Banken und Streitbeilegung – ein Fall für die Schiedsgerichtsbarkeit? BB 2013, 1347; Schwarze, Reform der CDS Abwicklung durch Big Bang und Small Bang in 2009, BKR 2010, 42 (43). Zur Geschichte dieser – sich erst seit 1991 entwickelnden – Derivateform vgl. etwa Litten/Bell WM 2011, 1109; dies. BKR 2011, 314; Brandt, Kreditderivate. Zentrale Aspekte innovativer Kapitalmarktprodukte, BKR 2002, 243; Haisch/Helios/Haisch § 1 Rn 57. Vgl. näher zu dieser Unterscheidung zwischen CDS/CDOs auf (direkte Kreditnehmer-)Adressrisiken und solchen auf Markt-

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

Definition in § 2 Abs. 3 Nr. 4 WpHG). Die wichtigsten Formen (vgl. Art. 204 Abs. 1 CRR) sind: die Kreditversicherungen / Credit Default Swaps (CDS), bei denen der Sicherungsgeber die Übernahme eines Kredit(portfolio)s bei Eintritt des Kreditereignisses zusagt, während bei den sog. Credit Default Options (CDOs) im Falles der Realisierung eines Kreditereignisses nur ein Barausgleich zugesagt wird;159 die Credit Linked Notes, bei denen der Emittent einer (strukturierten) Schuldverschreibung von den Anleihegläubigern eine Credit Default Option für dasjenige Kreditbündel erhält, das er in der Schuldverschreibung verbrieft (Securitization) und veräußert, um so das wirtschaftliche Risiko aus diesen Krediten an die Anleihegläubiger weiterzugeben;160 und die Total Return Swaps, bei denen Erträge aus je einer Vermögenseinheit gegeneinander zu einem bestimmten Termin getauscht werden, etwa Erträge von Aktien (Equity Swap), wobei sich jedenfalls in einem Ertrag auch ein Kreditrisiko niederschlagen muss.161 Nr. 5 verweist auf die Auffangkategorie, die Art. 8 Durchführungs-VO (EU) Nr 2017/565 formuliert, um den verschiedenen Öffnungsklauseln („alle anderen Derivatekontrakte“ u.ä.) durch eine ausformulierte Beispielsliste Konturen zu geben.

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preisrisiken, vgl. Hartenfels ZHR 178 (2014), 173 (175 f.); Litten/Bell WM 2011, 1109 (1110) und 314 (314 f.); Wittinghofer, Fachbegriffe aus M&A und Corporate Finance. Credit Default Swaps als Instrument zur Absicherung von Kreditrisiken, NJW 2010, 1125; Haisch/Helios/Haisch § 1 Rn 57; Zerey/Schüwer Finanzderivate, § 1 Rn 33. Vgl. näher zu den CDS Luttermann, Kreditversicherung (Credit Default Swaps): Vertrag, Restrukturierung und Regulierung (Hedge-Fonds, Rating, Schattenbanken), RIW 2008, 737; Reiner/Schacht, Credit Default Swaps und verbriefte Kreditforderungen in der Finanzmarktkrise – Bemerkungen zum Wesen verbindlicher und unverbindliche Risikoverträge, WM 2010, 337 (Teil I) und 385 (Teil II); Wittinghofer NJW 2010, 1125; Haisch/Helios/Haisch § 1 Rn 59 f.; Zerey/Schüwer Finanzderivate, § 1 Rn 37 f. Zu den CDOs etwa Haisch/Helios/ Haisch § 1 Rn 59 f. Zu den sog. „naked“ (ungedeckten) CDS, die sich dadurch auszeichnen, dass der Sicherungsnehmer / buyer of protection die fraglichen Kreditaußenstände gar nicht hat und die insbesondere ge-

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genüber ausfallgefährdeten Staaten eingesetzt werden/wurden („Wetten auf Staatspleiten“), vgl. Litten/Bell WM 2011, 1109 (1111); Möllers/Christ/Harrer, Das neue Recht zur Regulierung ungedeckter Kreditderivate. Das Gesetz gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte versus europäische Regulierungsvorschläge, NZG 2010, 1124; Mülbert/Sajnovits, Das künftige Regime für Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps nach der Verordnung (EU) Nr. 236/2012, ZBB 2012, 266; und näher oben 6. Teil Rn 551 ff., bes. 617 ff., 637 ff.: Regulierung, mit Ermächtigung der ESMA zu Verboten. Vgl. näher hierzu Brandt BKR 2002, 243 (244); Litten/Bell WM 2003, 1109 (1111); Zahn/Lemke, Die Credit Linked Note – Anleihe mit integriertem Kreditderivat, WM 2002, 1536; Haisch/Helios/Haisch § 1 Rn 64 f.; Zerey/Schüwer Finanzderivate, § 1 Rn 39. Vgl. näher Brandt BKR 2002, 243 (244); Haisch/Helios/Haisch § 1 Rn 61–63; Zerey/ Schüwer Finanzderivate, § 1 Rn 40; Zerey/ Läger Finanzderivate, § 2 Rn 4.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

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d) Insbes. Anlagen in Investmentfonds und sonstige Vermögensanlagen (Abs. 4 Nr. 2 und 7). Die Ausweitungstendenzen bei den Finanzinstrumenten – ursprünglich Wertpapieren, Geldmarktpapieren und Derivaten sowie (seit 1997) OGAW-Anteilen – beruhen nicht nur auf denjenigen in der Untergruppe Derivate (oben Rn 65–71) sondern auch auf einer Ausweitung im Kreis der erfassten Fonds. Bis Ende 2011 umfasste der WpHG-Begriff des Finanzinstruments nicht die Anlagen des „grauen Kapitalmarkts“ – Anlagen (vor allem in Anteils- oder Treuhandrechten in Publikums-KGs), die nicht aktienähnlich sind, insbesondere nicht zirkulationsfähig (vgl. noch nächste Rn). Dies änderte sich mit der Erstreckung des Begriffes „Finanzinstrument“ in § 2 Abs. 2b WpHG a.F. auch auf diese Anlagen mit Wirkung ab dem 1.6.2012.162 Freilich wurde für die „reinen“ Emittenten, Anbieter und Vermittler solcher Anlagen eine Parallelregelung in §§ 34f und 34g GewO geschaffen und sie wurden aus dem Kreis der Wertpapierdienstleister umgekehrt wieder ausgenommen, obwohl sie ab diesem Zeitpunkt Finanzinstrumente emittierten und vermittelten (heute § 3 Abs. 1 Nr. 7 WpHG n.F., vgl unten Rn 112). Die Einbeziehung der vormaligen Anlagen im „grauen Kapitalmarkt“ in den Kreis der Finanzinstrumente hatte also eine beschränkte(re) Wirkung. Sie führte und führt nur dazu, dass Intermediäre (Kreditinstitute u.a.), die unabhängig von einem Engagement in diesen Anlagen, also aufgrund der Erbringung anderer Wertpapierdienstleistungen bereits als Wertpapierdienstleister zu qualifizieren sind, die „genuinen“ Wertpapierdienstleister, den Wohlverhaltensregeln in §§ 31 ff. WpHG a.F., heute § 63 ff. WpHG n.F. auch im Hinblick auf die Vermittlung dieser Anlageform unterworfen sind.163 Freilich engagieren sich Kreditinstitute selbst nicht umfangreich in diesem Segment (vgl. 5. Teil Rn 78). 73 Bei den seit dem 1.6.2012 als Finanzinstrumente qualifizierten Investmentvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 KAGB164 (Abs. 4 Nr. 2) handelt es sich – neben den Anteilen an den klassischen Investmentfonds des offenen Typs (mit jederzeitigem Rückgaberecht) – auch um die (ehemaligen) Vermögensanlagen im sog. grauen Kapitalmarkt, namentlich die Anteile an geschlossenen Fonds in der Form von Personengesellschaften, insbesondere Kommanditistenanteile oder Treuhandschaften an solchen Anteilen (in der sog. kupierten KG, vgl. § 1 Abs. 3–5 KAGB).165 Nachdem sie zunächst im Vermögensanlagegesetz geregelt

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Überholt (und zugleich jedenfalls in der Qualifikation als Finanzinstrument durchgesetzt) hat sich damit – kraft dahingehenden Gesetzgeberspruches – eine frühere Mindermeinung, die auch Anlagen des grauen Kapitalmarktes als Finanzinstrumente iSv § 2 WpHG qualifizierte (und sogar die Insiderhandelsverbote anwenden wollte): vor allem BankR-Hdb/Hopt, 4. Aufl. 2011, § 107 Rn 11; Schwark/Zimmer/Kruse § 12 Rn 3; ausf. Sester ZBB 2008, 369; Voß BKR 2007, 45. Vgl. näher EBJS/Grundmann, Rn VI 52; Fuchs/Fuchs § 2 Rn 70 f.; KölnKommWpHG/Roth § 2 Rn 136a; Zingel/Varadinek BKR 2012, 177 (178 ff.). Kapitalanlagegesetzbuch vom 04.07.2013, BGBl. 2013 I, S. 1981. Da der Anwendungsbereich des KAGB (auch AIFM-Umsetzungsgesetz) im Vergleich zum InvG neben offenen

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nun auch geschlossene Investmentvermögen umfasst und die erfassten Investmentvermögen demnach nur noch teilweise übertragbar und handelbar sind, können Anteile an Investmentvermögen nicht mehr generell als Wertpapiere eingestuft werden, sondern unterfallen seit dem AIFM-Umsetzungsgesetz allgemein dem Oberbegriff des Finanzinstruments. Dies hindert im Einzelfall indes nicht die Qualifikation auch als Wertpapier im Sinne des § 2 Abs. 1 WpHG, siehe BRDrucks. 791/12, S. 560 f. Bödeker/Wojtek GWR 2011, 278; Bruchwitz/Voß BB 2011, 1225 (1227–1230); Mattil BKR 2011, 2533 (2537); Wagner NZG 2011, 609 (612); zu den Folgen auch Artzt/Kernter BKR 2011, 476 (481 f.); zu Parallelentwicklungen im britischen Kapitalmarktrecht Voigt BB 2011, 451.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

waren,166 wurde dieses inzwischen selbst zum Sammelbecken von Anlageformen (§ 1 Abs. 2 VermAnlG), die nicht auf dem Fondsprinzip basieren, jedoch (aufgrund der Teilnahme an unternehmerischen Risiken) ebenfalls als regulierungsbedürftig verstanden und daher selbst als Finanzinstrumente qualifiziert werden.167 Dies gilt insbesondere für das partiarische Darlehen. e) Waren (Abs. 5). Waren iSd WpHG müssen so standardisiert sein, dass sie massen- 74 weise gehandelt werden können168 – nach Stückzahl und Art hinreichend verifizierbar und gleichbleibend definiert. Nur dann sind sie fungibel, wie im wertpapierhandelsrechtlichen Warenbegriff vorausgesetzt. Der Fungibilitätsbegriff ist in Anlehnung an die Begriffsbildung bei Wertpapieren auszulegen (oben 5. Teil Rn 84 f.). Dort wird neben der Standardisierung auch gefordert, dass ein Gutglaubensschutz beim Erwerb verbürgt ist (bei Inhaberpapieren idR auch im Falle von Abhandenkommen). Während das Fungbilitätserfordernis den Warenbegriff des WpHG eingrenzt, erscheint das Erfordernis der Körperlichkeit als des im BGB konstituierenden Elements für den Sachbegriff sehr ausgedünnt. Jegliche materielle Konsistenz genügt, Abgrenzbarkeit ist nicht nötig169 – wie das Regelbeispiel „Strom“ belegt. Entscheidend ist die Eignung für massenweisen, standardisierten Handel (Lieferbarkeit), also etwa auch mengenmäßige Messung. Jede Art Rohstoff ist potentiell einbezogen, für agrarische Produkte wie Kakao etc., für die es standardisierte Kontraktarten und spezialisierte Handelsplätze gibt, wird das ausdrücklich bestätigt. f) Waren-Spot-Kontrakte (Abs. 6) und Referenzwerte (Abs. 7) – Verweis. Die Be- 75 griffe des Waren-Spot-Kontrakts (Abs. 6) und des Referenzwerts (Abs. 7) werden durch Verweis auf die – im 6. Teil kommentierte – MAR und die dort zu findenden Definitionen gebildet (vgl. daher dort, 6. Teil Rn 293–295 und 794 f.). Die Konzepte des Waren-SpotKontrakts und des Referenzwertes werden im WpHG auch sonst nur noch in den Strafund Bußgeldnormen der §§ 119 und 120 WpHG n.F. verwendet, die selbst wiederum auf die Normen in der MAR und auch der EU-Benchmark-VO verweisen (das Konzept des Referenzwertes zusätzlich auch noch in Aufsichtsnormen). Es sind dann diese Normen in der EU-Verordnung, die die materiellrechtlichen Gebote enthalten, deren Verletzung strafoder bußgeldbewährt ist. Maßgeblich ist also jeweils die Anwendung und Auslegung jeder

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Zur Geschichte, wie diese Anlageform in kürzerer Zeit in verschiedenen Gesetzen geregelt wurde, schließlich aus dem damaligen Vermögensanlagegesetz in das Kapitalanlagegesetzbuch überführt und Ersteres umgekehrt um neue Anlageformen bereichert wurde, zusammenfassend BankR-Hdb/ Grundmann § 112 Rn 28, 35; ausf. zum KAGB etwa Weitnauer/Boxberger/Anders/ Volhard/Jang KAGB, 2. Aufl. 2017, § 1 Rn 37; Moritz/Klebeck/Jesch/Gottschling KAGB, 2016, § 1 Rn 1. Zum Kreis der Anlagen zusammenfassend BankR-Hdb/Grundmann § 112 Rn 35; ausf. zu den Anlagen nach dem VermAnlG etwa

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Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb/Maas, WpPG/VermAnlG, 3. Aufl. 2017, § 1 VermAnlgG Rn 55–87. Gegenausnahme bei Namensschuldverschreibungen, deren Schuldner CRR-Institute sind, wenn diese vom bail-in ausgenommen sind (Nr. 7 a.E.) und bei denen von einer wirklichen Teilnahme an einem unternehmerischen Risiko nicht mehr auszugehen ist. KölnKommWpHG/Roth § 2 Rn 140; von „Vertretbarkeit“ sprechend: Assmann/ Schneider § 2 Rn 62. Vgl. KölnKommWpHG/Roth § 2 Rn 140; insb. zu „Strom“ als Ware: Assmann/Schneider § 2 Rn 50 Spiegelstrich 1 m.w.N.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

fraglichen Norm der EU-Verordnung in ihrer Gesamtheit (oben 6. Teil 4. Abschnitt unter C.). 3. Wertpapierdienstleistungen (Abs. 8), Wertpapiernebendienstleistungen (Abs. 9) und Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Abs. 10)

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a) Überblick und Entwicklung. Den Anwendungsbereich der Regulierung durch das WpHG umreißt von den Dienstleistungen her Abs. 8 zum Begriff der Wertpapierdienstleistungen. Allein diese Geschäfte auch begründen (bei Vorliegen von gewerbsmäßiger Erbringungsform) den Status als Wertpapierdienstleister (Abs. 10), der die Pflichtenbindung nach §§ 63 ff. und 80 ff. WpHG auslöst, also sowohl hinsichtlich der kundenbezogenen Wohlverhaltensregeln als auch hinsichtlich der Organisationsanforderungen. Demgegenüber unterliegen die Wertpapiernebendienstleistungen (Abs. 9) zwar für Wertpapierdienstleister – also Unternehmen, die daneben zwingend auch Wertpapierdienstleistungen erbringen – ebenfalls der Regulierung durch das WpHG, nicht jedoch für andere Unternehmen als Wertpapierdienstleister. Während also die (gewerbsmäßige) Erbringung von Wertpapierdienstleistungen allein bereits die Wirkung der WpHG-Regulierung auslöst, ist dies bei der Erbringung von Wertpapiernebendienstleistungen nicht der Fall. Letztere unterfallen der WpHG-Regulierung nur für Wertpapierdienstleister, die diesen Status bereits aufgrund der Tätigung (zusätzlich) auch von Wertpapierdienstleistungen begründet haben. Unternehmen, die also allein Kreditierungshilfe für den Wertpapierhandel oder andere Hilfsdienstleistungen erbringen, unterliegen als solche nicht der WpHG-Regulierung. Solchermaßen bildet der Begriff der Wertpapierdienstleistungen (Abs. 8) den Schlüsselbegriff und ist dieser in Abs. 8 auch entsprechend detailliert ausdifferenziert und an die Spitze der Dreiheit gerückt (kommentiert unten b) bis d), Rn 79–85), während derjenige der Wertpapiernebendienstleistungen (Abs. 9, unten e), Rn 86) nicht selbständig Regulierungswirkungen auslöst und derjenige der Wertpapierdienstleister (Abs. 10, unten f), Rn 87 f.) „nur“ in Abhängigkeit dem der Wertpapierdienstleistungen konzipiert ist. 77 Dieser Schlüsselbegriff der Wertpapierdienstleistungen ist freilich über die 20 Jahre der Entwicklung vom WpHG 1995 bis heute kontinuierlich ausgedehnt worden – und mit ihm die Breite der Regulierung –, insbesondere sind auch Geschäfte wie die Anlageberatung in diesem Zeitraum von einer Qualifikation als bloße Wertpapiernebendienstleistung zu einer als Wertpapierdienstleistung „heraufgestuft“ worden. Desgleichen ist teils solch eine „Heraufstufung“ auch die Folge einer Einbeziehung weiterer Anlageformen in den Kreis der Finanzinstrumente, auf die sich die Wertpapierdienstleistungen durchweg beziehen (vgl. bereits oben etwa Rn 69, 72 f.). Der Kreis der Wertpapierdienstleistungen unterfällt in drei Gruppen. Die ersten beiden Gruppen betreffen Tätigkeiten, die auch im herkömmlichen Sprachverständnis als Dienstleistungen zu verstehen sind. Sie fanden sich schon seit 1995 und in der Folgezeit in § 2 Abs. 3, 3a WpHG a.F., wobei freilich die Anlageberatung nach dem Gesagten ebenfalls erst später – durch das FRUG, in Umsetzung der MiFID I – „heraufgestuft“ wurde. Es handelt sich um die verschiedenen Formen der Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten einerseits (vgl. unten b), Rn 79 f.) und um die beiden Formen, in denen Beratungsleistungen besonders im Vordergrund stehen und die daher einem ungleich strengeren Regime unterworfen werden: die Finanzportfolioverwaltung einerseits, bei welcher der Intermediär selbst die Anlageentscheidungen im Kundeninteresse trifft, und die Anlageberatung andererseits (vgl. unten c), Rn 81 f.). Demgegenüber umfasst die dritte Gruppe die verschiedenen Formen der Einrichtung und des Betreibens von Marktalternativen (vgl. unten d), Rn 83–85), im herkömmlichen Sprachgebrauch eher als Organisation einer Institution umschrieben, obwohl die Bereitstellung dieser Fazilitäten sicherlich auch Dienstleistungselemente auf-

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

weist.170 Dieses Dienstleistungselement fehlt schließlich ganz beim Hochfrequenzhandel (für eigene Rechnung), wie auch der Gesetzgeber selbst in der Begriffsbestimmung klarstellt. Insoweit ist die Einbeziehung (am besten im Rahmen der dritten Gruppe, Abs. 8 Nr. 2 lit. d) WpHG n.F.) nur dem Ziel geschuldet, diese Art der Marktinanspruchnahme als solche der Regulierung durch das WpHG – insbesondere auch den Organisationsanforderungen – zu unterwerfen (vgl. zu organisationsrechtlichen Anforderungen gerade für den Hochfrequenzhandel unten 7. Teil Rn 76–78; und zu marktrechtlichen Überlegungen oben 6. Teil Rn 313, 395, 469 f.). Die auf die „Dienstleistung“ bezogenen Wohlverhaltenspflichten dem Kunden gegenüber haben insoweit hingegen keine Bedeutung.171 Bei der Umsetzung hat der deutsche Gesetzgeber die Begrifflichkeiten in Anh. I A der 78 MiFID II – wie auch schon bei früheren Umsetzungsakten – im Hinblick auf die Wertpapierdienstleistungen nicht nur in der Reihenfolge umgestellt und neu geordnet, sondern auch so ausgebaut, dass dogmatische Strukturen des deutschen Privatrechts deutlicher und akribischer hervortreten. Dennoch stimmen beide Kataloge inhaltlich überein, wobei man für die MiFID II teils auch auf andere Teile der Regelung (etwa Art. 2 Abs. 1 lit. d)) rekurrieren muss. Umgekehrt hat der Umsetzungsgesetzgeber es für die Wertpapiernebendienstleistungen bei der Reihenfolge und auch bei den einzelnen Begriffsbildungen im Wesentlichen beim Standard der Richtlinie belassen (Anh. I B der MiFID II). Umsetzungsfehler sind in keinem der Fälle zu konstatieren, eine richtlinienkonforme Auslegung ist in allen Fällen unschwer möglich.172 170

Es handelt sich um Alternativformen zum klassischen Börsenhandel. Eine davon wurde ursprünglich im Wertpapierdienstleistungskatalog des § 2 WpHG nicht ausdrücklich aufgeführt, die systematische Internalisierung, weil sie zwangsläufig auch mit eigenem Handel für die Kunden verbunden ist und schon von daher (auch) in die erste Gruppe einzuordnen ist. Dann freilich klarstellend auch in § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b) WpHG

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a.F. explizit aufgeführt, heute in § 2 Abs. 8 Nr. 2 lit. b) WpHG n.F. Ausführlicher zum Hochfrequenzhandel und dessen Regelung durch das Hochfrequenzhandelsgesetz vom 14.05.2013 Kindermann/ Cordiaß ZBB 2014, 178. Die Wertpapierdienstleistungen, die in MiFID II, WpHG und KWG parallel aufgeführt werden, im Überblick:

Wertpapierdienstleistung (in WpHG (§ 2 Abs. 8) der Reihenfolge im WpHG) Finanzkommission Nr. 1 Market Making Nr. 2 lit. a)

KWG (§ 1 Abs. 1 bzw. 1a) Abs. 1 Nr. 4 Abs. 1a Nr. 4 lit. a)

Systematische Internalisierung Eigenhandel Hochfrequenzhandel

Nr. 2 lit. b)

Abs. 1a Nr. 4 lit. b)

Nr. 2 lit. c) Nr. 2 lit. d)

Abs. 1a Nr. 4 lit. c) Abs. 1a Nr. 4 lit. d)

Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7

Abs. 1a Nr. 2 Abs. 1a Nr. 1 Abs. 1 Nr. 10 Abs. 1a Nr. 1c Abs. 1a Nr. 3

MiFID II (Anh. I A, soweit nicht anders vermerkt) Nr. 1 und 2 Nr. 2 und Art. 2 Abs. 1 lit. d) (i) e contrario Nicht ausdrücklich, vgl. Text Nr. 3 Art. 2 Abs. 1 lit. d) (ii) e contrario Nr. 1 Nr. 1 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 4

Abs. 8 2. UAbs. S. 6 Nr. 8 Nr. 9 Nr. 10

Abs. 1a Nr. 11 Abs. 1a Nr. 1b Abs. 1a Nr. 1d Abs. 1a Nr. 1a

Nr. 8 Nr. 9 Nr. 5

Abschlussvermittlung Anlagevermittlung Emissionsgeschäft Platzierungsgeschäft Finanzportfolioverwaltung; gleichgestellt: Anlageverwaltung Betrieb MTF Betrieb OTF Anlageberatung

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b) Wertpapierhandel ieS und Emissionsgeschäfte (Abs. 8 Nr. 1, 2 lit. c) und 3–6). Die Einzelgeschäfte umfassen zunächst die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten für andere (kommissionsweise; im Wege des Eigenhandels; durch Stellvertretung; oder durch bloße Abschlussvermittlung oder gar nur durch Nachweis:173 § 2 Abs. 8 Nr. 1, 2 lit.c), 3 und 4 WpHG n.F.). Erfasst sind demnach alle Formen des Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäfts im Effektenhandel durch Intermediäre, unabhängig von der rechtlichen Konstruktion des Geschäfts in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten. Gerade hier ist die Formulierung der MiFID II deutlich karger – die Offenheit für alle Formen im mitgliedstaatlichen Privatrecht betonend. Obwohl das WpHG vor allem auf die Zirkulationsmärkte (Sekundärmärkte) zugeschnitten ist, sind seine Regulierungsvorgaben nach dem Gesagten auch anwendbar auf Transaktionen, die bei der erstmaligen Emission („Primärmarkt“) vorgenommen werden (oben 5. Teil Rn 64). Ebendies betont UAbs. 1 S. 1 für die Finanzkommission, den Eigenhandel und die Abschlussvermittlung als die hier maßgeblichen Geschäfte ausdrücklich. Die primärmarktrechtlichen Emissionsund Platzierungstätigkeiten bilden in der Tat die zweite Untergruppe in der Gruppe der hier erörterten Absatzgeschäfte. Erfasst sind nämlich neben den genannten Geschäften die Übernahmeverträge im Emissionsgeschäft, inzwischen ebenfalls unabhängig von der Ausgestaltungsform, namentlich: sowohl Verträge, mit denen auch die Verpflichtung eingegangen wird, bei Fehlschlag der Platzierung (wie auch immer) wertmäßig einzutreten (Nr. 5), als auch die bloße kommissionsweise Übernahme im sog. Begebungskonsortium („best effort comittment“, ausdrücklich inzwischen Nr. 6).174 80 Waren nach Verabschiedung des WpHG ausdrücklich nur Geschäfte „für“ andere/ Dritte erfasst, so sollten damit reine Austauschgeschäfte ausgeschlossen sein: vor allem der Eigenhandel ohne Bezug zu einer Kundenorder („Eigengeschäft“)175 und die reine Rechtsbeziehung zwischen Anleger und Emittenten (bei Selbstemissionen). Das Eigengeschäft ist jedoch seit dem FRUG grundsätzlich einbezogen (heute UAbs. 2 S. 5), was freilich für die Wohlverhaltenspflichten dem Kunden gegenüber mangels Kundenkontakts bei diesen Geschäften keine Bedeutung hat, wohl jedoch für die Organisationspflichten. In der Tat statuierte § 31 Abs. 5 WpHG a.F. die entscheidende Pflicht (jenseits der noch strenger geregelten Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung), nur für die „Ausführung von Kundenaufträgen“, also nicht das Eigengeschäft. Für das echte Eigengeschäft sollte sich das auch mit der Nachfolgevorschrift in § 63 Abs. 10 WpHG n.F. nicht geändert haben, obwohl sie nicht mehr explizit von „Ausführung von Kundenaufträgen“ spricht (vgl. jedoch noch unten Rn 84). Und Selbstemissionen spielen ohnehin nur bei Werten von Kreditinstituten und bei Investmentfonds praktisch eine Rolle (vgl. ausdrückliche Ausnahmen insoweit in § 3 Abs. 1 Nr. 7 lit. a) bis d) WpHG n.F.).

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c) Finanzportfolioverwaltung und Anlageberatung (Abs. 8 Nr. 7 und 10). Für die Definition der Portfolioverwaltung (Nr. 7), die schon in der Ursprungsfassung des WpHG

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KölnKomm WpHG/Versteegen § 2 Rn 126 f. Zu den sog. Botenbanken, bei denen mehr als nur reine Übermittlungstätigkeit verlangt wird: BR-Drucks. 963/96, S. 101. Zu den Formen vgl. nur 6. Teil Rn 18–21; BankR-Hdb/Grundmann § 112 Rn 6–9; zur Qualifikation jeder Konsortialbank als selbstständig: Grundmann, FS Boujong 1996, S. 159 (163–173). Anh. A Nr. 5

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WpDl-RL hatte es mit seiner offeneren Formulierung schon bisher erfasst, weshalb es bereits früher wohl jedenfalls unter § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG a.F. zu fassen war: So der damalige Gesetzgeberwille: BR-Drucks. 963/96 S. 101. Assmann/Schneider § 2 Rn 72–76 (auch zum Ausschluss der Anlagegeschäfte für den Investmentfonds, nicht „für andere“).

Stefan Grundmann

1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

Wertpapierdienstleistung war176 und die dann das FRUG auch nicht änderte,177 ist entscheidend der Ermessensspielraum,178 der dem Portfolioverwalter eingeräumt wird, um für den Kunden in eine Mehrzahl von Wertpapieren iSd. WpHG zu investieren. Der Ermessensspielraum ist gleichermaßen charakteristisch für die nach UAbs. 2 S. 6 gleichgestellte Anlageverwaltung nach § 1 Abs. 1a Nr. 11 KWG. Weisungsabhängigkeit ist jeweils gesetzlich vorgesehen (§ 665 BGB) und schadet daher nicht. Die Definition der Anlageberatung (Nr. 10),179 die erst seit 2004/2007 als Wertpapier- 82 dienstleistung eingestuft wird,180 ist dreiteilig: Die Empfehlung muss sich an einen Kunden persönlich richten, dh. auf ihn zugeschnitten sein (näher Art. 52 FMD-RL, heute Art. 9 DV 2017/565)181 – anders als etwa die Anlageanalyse; sie muss also die in § 31 Abs. 4 WpHG a.F., heute § 64 Abs. 3 WpHG n.F. genannten drei Anforderungen (u.a. Eruierung des Risikoprofils und der Erfahrung/Kenntnisse des Kunden) zumindest dem ersten Anschein nach erfüllen. Andernfalls ist offensichtlich, dass die Mitteilung nicht „persönlich“ gemeint ist – weswegen auch Mitteilungen, die ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle gemacht werden oder an die Öffentlichkeit gerichtet sind, a limine ausscheiden, wie im Falle der Informationsverbreitungskanäle durch das 2. FiMaNoG klargestellt wurde.182 Die Anlageberatung muss so auf ein Einzelgeschäft eingegrenzt sein, dass es sich nicht um eine allgemeine Empfehlung handelt (vgl. unten Rn 86). Die Mitteilung muss sich also auf ein oder mehrere Geschäfte in Finanzinstrumenten beziehen.183 Dies schließt beispielsweise den Börsendienst aus.184 Zuletzt ist auch der Empfehlungscharakter unerlässlich, die bloße Information (ohne Empfehlung) ist nicht Beratung,185 wobei jedoch die

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Teuber BKR 2006, 429 (430); Harrer ÖBA 2007, 98 (105 f.). Für das alte Recht: Assmann/Schneider § 2 Rn 101. Teuber BKR 2006, 429 (431); vgl. Anh. I Abschn. A Nr. 4 FM-RL / MiFID I. Fuchs/Fuchs § 2 Rn 108; Möllers WM 2008, 93; Seyfried WM 2006, 1375 (1382); Teuber BKR 2006, 429 (430); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (629); Zingel BKR 2007, 173 (174). Erstmals Art. 4 I Abschnitt A Nr. 5 FM-RL / MiFID I; dazu Fuchs/Fuchs § 2 Rn 114 ff.; Holzborn/Israel NJW 2008, 791 (792); Kühne BKR 2005, 275 (276 f.): Seyfried WM 2006, 1375 (1381 f.); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (634); Balzer ZBB 2007, 333 (334 f.); Harrer ÖBA 2007, 98 (105); Veil WM 2007, 1821 (1821 f.). Anh. I A Nr. 5 FM-RL / MiFID I; Teuber BKR 2006, 429 (429); Fleischer BKR 2006, 389 (392). Vorher Nebendienstleistung, so dass das WpHG (als Aufsichtsrecht) auf reine Anlageberater keine Anwendung fand: Teuber BKR 2006, 429 (429). Die Einbeziehung führt also zu neuen Erlaubnispflichten, die in Randbereichen besonders belastend sein können: Kühne BKR 2005, 275 (275 f.) und im Text, vgl. unten a.E. dieser Rn. Fuchs/Fuchs § 2 Rn 118; Geier/Hombach/ Schütt RdF 2017, 108 (109); Weichert/Wen-

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ninger WM 2007, 627 (634); Balzer ZBB 2007, 333 (335); Harrer ÖBA 2007, 98 (105). Vgl. schon Harrer ÖBA 2007, 98 (105); Balzer ZBB 2007, 333 (335); Teuber BKR 2006, 429 (430). Vgl. Fuchs/Fuchs § 2 Rn 119; Kühne BKR 2008, 133 (135 f.); CESR/04–562 (Oktober 2004) (zur Unterscheidung zwischen sog. generic recommendation und specific recommendation), http://www.esma.europa.eu/ page/MIFID-archive; auch Nr. 8.1. Background Note Draft Commission Directive implementing Directive 2004/39/EC: http:// ec.europa.eu/internal_market/securities/ docs/isd/dir-2004–39-implement/reg-back groundnote_en.pdf; dazu auch Seyfried WM 2006, 1375 (1380); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (634). In Abgrenzung hierzu ist die allgemeine Empfehlung nur Wertpapiernebendienstleistung (iSv. Abs. 9 Nr. 5). Teuber BKR 2006, 429 (430); Schwark/Zimmer/Kumpan § 2 Rn 95; KölnKommWpHG/ Baum § 2 Rn 190. Vgl. BGH Urt. v. 9.5.2000 – XI ZR 159/99, NJW-RR 2000, 1497 = WM 2000, 1441 (1442); Fuchs/Fuchs § 2 Rn 117; Kühne BKR 2005, 275 (276 f., Fn 9); auch Seyfried WM 2006, 1375 (1381).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Kommunikation auszulegen ist und sich eine Empfehlung auch aus dem Zuschnitt der Information ableiten lassen kann („Die höchste Rendite aller drei Instrumente hat dieses, im Risikorating sind alle drei gleich“). Neben die drei positiven Kriterien tritt die Ausnahme des nur gelegentlichen Auftretens in beratender Funktion, freilich nur für die Angehörigen freier Berufe (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 WpHG n.F.). Problematisch ist das vor allem bei Berufen, bei denen die Anlageberatung nicht zum Kerngeschäft gehört, die jedoch damit häufiger in Berührung geraten, besonders prominent die Steuerberater. Hier wird aus Vorsichtsgründen die Gründung einer eigenen Beratergesellschaft empfohlen.186 Besonders betroffen sind Family Office, Financial Planning, Steuerberater, wo Abgrenzungsprobleme unvermeidlich sind.187

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d) Market Making, Hochfrequenzhandel und Betreiben von Märkten als Wertpapierdienstleistung (Abs. 8 Nr. 2 lit a), b), d) iVm Abs. 44, Abs. 8 Nr. 8 und 9). Market Maker bieten – nach der Definition in Abs. 2 lit. a), kombiniert mit § 36 Abs. 5 WpHG n.F. – dauerhaft an, im Wege des Eigenhandels (daher auch bereits Wertpapierdienstleistung nach lit. c)) Finanzinstrumente „zu selbst gestellten Preisen für eigene Rechnung und unter Einsatz des eigenen Kapitals“ zu erwerben oder zu veräußern (entsprechend Art. 4 Abs. 1 Nr. 7 MiFID II). Sie erklären sich hierzu öffentlich bereit, an einem bestimmten Handelsplatz bestimmte Wertpapiere und sonstige Finanzinstrumente zu einem veröffentlichten, jedoch in sehr kurzen Abständen wechselnden Kurs zu verkaufen, idR aus ihrem bestehenden Inventar, bzw. zu einem (niedrigeren) veröffentlichten Kurs zu kaufen,188 vor allem an Börsen, in Frankfurt etwa Close Brothers Seydler als der Volumenstärkste, um so entsprechende Liquidität zu schaffen.189Aus dem Unterschiedspreis zwischen Verkäufen und Käufen („Spread“) resultiert der Gewinn, im Umfang des zeitgleichen An- und Verkaufs mit gesicherter Aussicht auf den Spread, bei zeitlichem Auseinanderfallen belastet mit dem Kursänderungsrisiko. 84 Durch das Hochfrequenzhandelsgesetz vom 7. Mai 2013 wurde auch der Hochfrequenz(eigen-)handel in den Kreis der Wertpapierdienstleistungen einbezogen, nach dem Gesagten ohne Rücksicht auf ein Dienstleistungselement (oder sein Fehlen), und somit der Erlaubnispflicht unterworfen (ausdrücklich Abs. 2 lit. d)).190 Zwar wird der Eigenhandel im Rahmen eines multilateralen Handelssystems oder bei systematischer Internalisierung

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Kühne BKR 2005, 275 (276 f.). Fleischer BKR 2006, 389 (392); Kühne BKR 2005, 275 (276); Duve/Keller BB 2006, 2425 (2426). Zu den Abgrenzungsproblemen hier aus heutiger Sicht Fuchs/Fuchs § 2 Rn 115; ausführlicher zu Family Offices Zetsche ZIP 2017, 945. Näher hierzu Ludewig/Geilfus, EU-Leerverkaufsregulierung: ESMA-Guidelines bestimmen neuen Rahmen der Ausnahmeregelungen für Market-Maker und Primärhändler – Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung der BaFin-Erklärung, dem Großteil der Regelungen nachzukommen (Partially-Comply-Erklärung), WM 2013, 1533; Fuchs/ Fuchs § 2 WpHG Rn 86; KölnKomm WpHG/Baum § 2 Rn 157.

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Näher hierzu Ludewig/Geilfus WM 2013, 1533 (1533 f.); Fuchs/Fuchs § 2 WpHG Rn 86. Gesetz zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel (Hochfrequenzhandelsgesetz – HfreqHdlG) vom 07.05.2013, BGBl. 2013 I, S. 1162; Regierungsentw. BR-Drs. 607/12; zu den verschiedenen Definitionsmöglichkeiten zum Begriff „Hochfrequenzhandel“ vgl. Gomber/ Groth/Gsell, Handels- und Orderabgabeverhalten von Computern versus menschlichen Händlern, ZfgKW 2009 (Sonderbeil. Technik 2009/02); Gomolka, Algorithmic Trading, 2011, bes. S. 175; zu Anwendungsbereich und ausgelöster Erlaubnispflicht näher Jaskulla BKR 2013, 221 (223–229); Kobbach BKR 2013, 233 (234–237); Schultheiß WM 2013, 596 (600 f.).

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

klarstellend dem Regime des Eigenhandels, nicht des Eigengeschäfts unterworfen (§ 2 Abs. 8 2. UAbs. S. 5 WpHG n.F., § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WpHG a.F.).191 Dennoch entfalten – mangels Kundenkontakts – die kundenbezogenen Wohlverhaltensregeln keine Wirkung, wohl jedoch umfangreich organisatorische Anforderungen, namentlich in § 80 WpHG n.F., einschließlich Anforderungen, die spezifisch auf diesen Handel zugeschnitten sind (vgl. unten 7. Teil Rn 27 ff.). Es handelt sich heute volumenmäßig um die deutlich wichtigste Form des Eigenhandels.192 Konstituierend für diese Form des Eigenhandels (Einleitungsfloskel von Abs. 2 lit. d)) ist nach der nunmehr aufgeteilten Definition in Abs. 2 lit. d) und Abs. 44, (i) dass er mittels (zumindest indirekter) Teilnahme an einem inländischen organisierten Markt oder an einem – wohl ebenfalls nur inländischen – multilateralen oder organisierten Handelssystem durchgeführt wird193 und dies mittels einer hochfrequenten algorithmischen Handelstechnik iSv Abs. 44. Charakteristisch hierfür ist ein Algorithmus, der Kauf- und Verkaufsorder in großer Zahl („hohes untertägiges Aufkommen“ nach Abs. 44 Nr. 3 iVm Spezifikationen in Art. 19 Durchführungs-VO (EU) 2017/565) und sehr schnell (hochfrequent) automatisiert auslöst – und zwar hinsichtlich Einleitung, Erzeugung und Übertragung sowie Ausführung des Auftrags (Abs. 44 Nr. 2 iVm Spezifikationen in Art. 18 Durchführungs-VO (EU) 2017/565). Der Algorithmus stützt sich jeweils auf eine Auswertung des Handelsbuches der Marktbetreiber in Echtzeit (gegen Bezahlung dieses Zugangs). Auf die Bewegungen im Handelsbuch wird in Millisekunden automatisiert (entsprechend dem Algorithmus) reagiert (Abs. 44 Nr. 1 spezifiziert die dafür denkbaren technischen Vorrichtungsarten; Spezifikationen zum notwendigen Zugang zum Server dann in Art. 20 Durchführungs-VO (EU) 2017/565). Daher wird auch um die Plätze (räumlich) möglichst nahe bei den Servern der Handelssysteme gekämpft. Die Legalität (vor allem aus marktmissbrauchsrechtlicher Sicht, jedoch auch unter Informationsschutz- und Treupflichtgesichtspunkten ist heute im deutschen und im EU-Recht im Kern unangezweifelt (näher oben 6. Teil Rn 395, 465 f.).194 Umgekehrt sind mit Informationen aus dem Handelsbuch zwar vorab (in Millisekunden) durchaus (kleinste) Margen zu erzielen, in aller Regel jedoch weit unter der Schwelle eines signifikanten Kursbeeinflussungspotentials, erst die enormen Transaktionszahlen machen den Hochfrequenzhandel zu einem lukrativen Geschäft.195 191

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Vgl. KölnKomm WpHG/Baum Rn 142. Zur Unterwerfung des Handels im Rahmen eines multilateralen Handelssystems oder bei systematischer Internalisierung unter das Regime des Eigenhandels („Ausführung von Kundenordern“): Assmann/Schneider § 2 Rn 73a-73c. Zu Zahlen http://www.heise.de/tp/artikel/ 38/38220/1.html; http://www.financemagazin.de/maerkte-wirtschaft/kapital markt/fuenf-antworten-zum-hochfrequenz handel-in-deutschland-1342129; /http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/ geld/Risiko-Hochfrequenzhandel/story/ 17059994; http://www.boerse.de/grund lagen/hochfrequenzhandel/grafik; http://www.eurexchange.com/blob/426058/ d66b6713e508ca546b5f2785386c958c/ data/presentation_hft_media_workshop_ chi_nyc_en.pdf; vgl. auch Kasiske WM 2014, 1933 (1933).

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Der deutsche Wortlaut ist nicht klar, der englische geht eher in diese Richtung. Im Ergebnis ebenso BaFin – Fragen und Antworten zum HFT-Gesetz – Was ist nicht von der Erlaubnispflicht erfasst_. (https://www.bafin. de/SharedDocs/FAQs/DE/HFT-Gesetz/ 230_hft_faq.html?id=7865116 und https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/Boersen Maerkte/Hochfrequenzhandel/high_ frequency_trading_artikel.html); Fuchs/ Fuchs § 2 WpHG Rn 91. Zu den verschiedenen Handels- und Marktformen vgl. oben 5. Teil 66–76 und 7. Teil 141 ff., 162 ff. Näher etwa Forst BKR 2009, 454 (454); Kasiske WM 2014, 1933 (1937–1939). Forst BKR 2009, 454 (454); Kasiske WM 2014, 1933 (1937–1939) (auch zu den Ausnahmen, namentlich dem sog electronic frontrunnig, aber auch dem „Erahnen“ der Aufträge anderer [„Pinging“], das jedoch

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

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Die drei Formen von Marktbetreiben, die heute eine Wertpapierdienstleistung darstellen, sind vorliegend nicht näher zu erörtern. Zum einen sind sie Teil eines Allgemeinen Europäischen Kapitalmarktrechts und wurden als solche bereits diskutiert (vgl. oben 5. Teil Rn 56–58 und 66–71). Zum anderen und vor allem jedoch wurde diese Art Wertpapierdienstleistung als solche – mit den organisatorischen Anforderungen an das Marktbetreiben – bereits ausführlicher im organisationsrechtlichen Teil beschrieben (oben 7. Teil Rn 162 ff.). Einige ergänzende Ausführungen sind freilich für die am wenigsten formalisierte Form, mit der geringsten institutionellen Ausbildung – die systematische Internalisierung – nötig. Abs. 2 lit. b) qualifiziert sie als Eigenhandel für den Kunden, weswegen bei der systematischen Internalisierung auch die dem Kunden gegenüber geschuldeten Wohlverhaltensstandards der §§ 63 ff. WpHG n.F. (neben den organisatorischen Anforderungen) Anwendung finden. Zudem macht Abs. 2 lit. b) iVm UAbs. 2 Sätze 2–4 iVm Art. 12–17 Durchführungs-VO (EU Nr. 2017/565 die Qualifikation als Wertpapierdienstleistung und damit die Unterwerfung unter die Erlaubnispflicht vom Vorliegen weiterer quantitativer Voraussetzungen abhängig (außer im Fall freiwilligen Hineinoptierens des Dienstleisters in die Regulierung). Notwendig ist (kumulativ, S. 4) sowohl Häufigkeit als auch erheblicher Umfang (bezogen auf die in Art. 17 Durchführungs-VO [EU] Nr. 2017/ 565 genannten Stichtage). Dabei beurteilt sich das erste nach der absoluten Zahl der Transaktionen, die im Wege des Over-the-Counter-Handels (außerhalb eines Handelsplatzes) abgewickelt werden (dazu auch Art. 12–16 Durchführungs-VO [EU] Nr. 2017/565 für verschiedene Arten von Finanzinstrumenten aufgeschlüsselt). Für das zweite wird hingegen nach dem Verhältnis der OTC-Handels dieses Dienstleisters in diesem Instrument entweder zu all seinen Transaktionen in demselben Instrument oder zu allen EU-weiten Transaktionen in demselben Instrument gefragt (dazu wiederum Art. 12–16 Durchführungs-VO [EU] Nr. 2017/565, Aufschlüsselung vgl. oben).196

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e) Wertpapiernebendienstleistungen (Abs. 9). Wertpapiernebendienstleistungen bilden häufig Annexgeschäfte zu denen, die § 2 Abs. 8 WpHG n.F. als Wertpapierdienstleistung definiert. Das „prominenteste“ Geschäft, das bis zum FRUG als Wertpapiernebendienstleistung qualifiziert wurde, die Anlageberatung, wurde freilich umgruppiert (oben Rn 82). Die konzeptionell beiden wichtigsten Wertpapiernebendienstleistungen sind geregelt in einem eigenen Gesetz – so die Verwahrung (mit bloßer depotrechtlicher Verwaltung) der jeweiligen Werte (Nr. 1) – oder müssen im Folgenden unkommentiert bleiben – so die (erst später) als Wertpapiernebendienstleistung erfasste Finanzanalyse (Nr. 5), die im WpHG allein aufsichtsrechtlich geregelt wird197 und die sich von der Anlageberatung dadurch abhebt, dass sie gerade nicht persönlich auf einen Anleger oder eine individuell umrissene Mehrzahl von Anlegeradressaten zugeschnitten ist.198 Ebenfalls sehr eigenständig, dem Kern des Wertpapierhandelsrechts jedoch ferner stehend erscheint die Beratung zu Kapitalstruktur, industrieller Struktur und Übernahmen bzw. Fusionen von Unternehmen (Nr. 3).199 Sehr deutlich wird demgegenüber der Annexcharakter bei allen weiteren Ge-

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mangels Verstoß gegen den diskriminierungsfreien Informationszugang wohl keine Insiderinformation darstellt). Zu diesen Voraussetzungen/Schwellen näher Hoops WM 2017, 319 (319 f.). §§ 34b, 34c WpHG a.F., §§ 85 f. WpHG n.F., in Deutschland Wertpapiernebendienstleistung bereits seit dem 4. Finanzmarktför-

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derungsgesetz, auf Europäischer Ebene erst seit der FM-RL / MiFID I. Zu diesem Abgrenzungskriterium näher Fuchs/Fuchs § 2 Rn 143; Assmann/Schneider § 2 Rn 116. Hierzu vgl. Assmann/Schneider § 2 Rn 116; Forstinger/Pradler ÖBA 2004, 329 (332 f.).

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

schäften: der Kreditierung des Geschäfts durch einen an der Wertpapierdienstleistung Beteiligten (Nr. 2), den Devisengeschäften im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen (Nr. 4), den Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft, etwa der Kurspflege (Nr. 6), und gewissen derivatebezogenen Dienstleistungen (Nr. 7). Die Vornahme allein von Wertpapiernebendienstleistungen qualifiziert das fragliche Unternehmen noch nicht als Wertpapierdienstleister iSv. Abs. 10 – mit den entsprechenden Rechtsfolgen. f) Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Abs. 10). § 2 Abs. 10 WpHG n.F. setzt 87 Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II um – primär für Juristische Personen, inzwischen jedoch auch für Unternehmen in anderer Rechtsform200 (entsprechend den in S. 2 f. der Richtliniennorm eröffneten Wahlrechten der Mitgliedstaaten). Wertpapierdienstleistungsunternehmen (oder auch Wertpapierdienstleister) sind Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, wenn sie gewerblich Wertpapierdienstleistungen erbringen. Unerheblich ist, ob zusätzlich Wertpapiernebendienstleistungen erbracht werden; ihre Erbringung allein genügt nicht.201 Der Gewerblichkeitsbegriff des HGB setzt planmäßiges, selbstständiges, nach hM gewinnorientiertes Handeln gegenüber Dritten voraus. Fehlt es insbesondere an der Gewinnerzielungsabsicht, genügt es jedoch, wenn eine kaufmännische Einrichtung notwendig ist.202 Schon der erste Begriff ist freilich mit der MiFID II autonom, dh. Europäisch (auch rechtsvergleichend) auszulegen. Jedenfalls für die Beruflichkeit iSv Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II (Gegenteil: gelegentlich) ist Planmäßigkeit zentral, nicht jedoch der Geschäftsumfang.203 Dass zumindest ein Finanzdienstleistungsinstitut tätig werden muss, bedeutet praktisch keine Einengung, da gewerbliche oder erhebliche Erbringung von Wertpapierdienstleistungen nach § 1 Abs. 1 bzw. Abs. 1a KWG zugleich den Status als Kredit- oder zumindest als Finanzdienstleistungsinstitut begründet (alle Wertpapierdienstleistungen sind heute in § 1 Abs. 1 bzw. 1a KWG ebenfalls aufgeführt, vgl. Grafik oben Fn 172). Einbezogen sind außerdem (rechtlich unselbstständige) Zweigstellen ausländischer Wertpapierdienstleister nach § 53 Abs. 1 S. 1 KWG. Der Verweis ist richtlinienkonform auszulegen: Er gilt (gemäß § 53b Abs. 1 S. 3 KWG) nicht für Anbieter aus EWR-Staaten (einschließlich EU-Mitgliedstaaten), da die MiFID II grds. eine Herkunftslandkontrolle vorsieht. Die Einordnung als Wertpapierdienstleister hat zur Folge, dass das WpHG sowohl mit 88 seiner aufsichts- und organisationsrechtlichen Seite als auch mit jenem Normenbestand Anwendung findet, der Inhalt der privatrechtlichen Rechtsbeziehung zum Kunden wird (vgl. hierzu jeweils bei den Einzelnormen). Alle Normen des WpHG sind für diese Unternehmen auch Teil des aufsichtsrechtlich zu beachtenden und durchsetzbaren Pflichtenstandards. Unternehmen, die allein Wertpapiernebendienstleistungen erbringen, unterliegen sicherlich nicht der Aufsicht durch die BaFin. Soweit jedoch Normen des WpHG auch Inhalt der privatrechtlichen Rechtsbeziehung zum Kunden werden, ist jeweils zu fragen, ob sie (nur) die Regeln des Geschäftsbesorgungsvertrages im Bereich Wertpapierhandel und verwandter anlagebezogener Geschäfte konkretisieren oder aber so spezifisch sind, dass sie al-

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Vgl. näher §§ 2b Abs. 2 und 53 KWG: KölnKommWpHG/Baum § 2 Rn 216, 169; Boos/ Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, KWG, 5. Aufl. 2015, § 1 Rn 17 f. und § 2b Rn 1. BGH Urt. v. 19.01.2006 – III ZR 105/05, BGHZ 166, 29 = NJW-RR 2006, 630; Fuchs/Fuchs § 2 WpHG Rn 149; KölnKommWpHG/Baum § 2 Rn 220; Assmann/ Schneider § 2 WpHG Rn 146; Kühne BKR 2005, 275 (276 f.).

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Fuchs/Fuchs § 2 Rn 151; Schwark/Zimmer/ Kumpan § 2 WpHG Rn 115; KölnKommWpHG/Baum § 2 Rn 221; Assmann/ Schneider § 2 Rn 147. Vgl. auch zu den unionsrechtlichen Grundlagen: Staudinger/Habermann 2013 § 14 BGB Rn 4–14; Soergel/Pfeiffer § 14 BGB Rn 4 f., § 13 Rn 5.

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lein für Wertpapierdienstleistungen im technischen Sinne Anwendung finden können. Letzteres ist bei Normen eher anzunehmen, die nicht nur Ausprägung der allgemeinen und alt bekannten Gehalte des § 31 Abs. 1 WpHG a.F., § 63 Abs. 1 WpHG n.F. sind, sondern eigene, über das Auftragsrecht sichtlich hinaus gehende Gehalte haben. Vor allem organisationsbezogene Regeln werden, soweit die hier statuierten Standards überhaupt Rechte und Pflichten auch im Verhältnis zum Kunden begründen, eher als eng wertpapierdienstleistungsrechtlich zu qualifizieren sein. Dass etwa §§ 31 ff. WpHG a.F., §§ 63 ff. WpHG n.F. generell für Unternehmen nicht gälte, die allein Wertpapiernebendienstleistungen erbringen,204 gilt in dieser Pauschalität freilich nicht. 4. Marktformen und räumlicher Bezug von Emittenten, Wertpapierdienstleistern und Marktbetreibern (Abs. 11–18, 21–23)

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a) Organisierter (Geregelter) Markt und andere Marktalternativen (Abs. 11 und 21, 22) – Verweis. Definiert sind in Abs. 11, 21 und 22 wichtige Marktalternativen zur amtlichen Börsennotierung. Das Bild wird freilich deutlicher in Art. 4 Abs. 1 Nr. 21–24 MiFID II, der diese Alternativen nicht nur in einer Reihe – nicht auseinander gerissen wie im WpHG – aufführt, sondern auch vollständig. Ausgangspunkt ist Nr. 24, nach dem unter dem Sammelbegriff „Handelsplatz“ (wie auch in Abs. 22 WpHG n.F.) die drei Formen (i) geregelter Markt (Nr. 21 in der MiFID II), (ii) multilaterales Handelssystem (Nr. 22 in der MiFID II) und (iii) organisiertes Handelssystem (Nr. 23 in der MiFID II) zusammengefasst werden. Freilich sind alle drei Marktalternativen mit der Festschreibung in der MiFID II, aber auch in Kernrechtsakten der Marktintegrität wie der MAR so sehr einheitlich ausgestaltet, dass sie ein Kernstück eines Allgemeinen Teils des Europäischen Kapitalmarktrechts bilden und als solches beschrieben wurden (oben 5. Teil Rn 66–71). Da zudem die Anforderungen an das Betreiben dieser Marktalternativen im organisationsrechtlichen Teil ausführlich erörtert werden (unten 7. Teil Rn 162 ff.), kann es hier – bei den Begrifflichkeiten – bei der Nennung einiger weniger charakteristischer Grundzüge bleiben. Was in der Terminologie der MIFID (I + II) als geregelter Markt eingeführt wird, bezeichnet das WpHG als organisierten Markt (Abs. 11), – den am stärksten regulierten Markt, der auch die amtliche Börsennotierung umfasst. Entscheidend ist, dass das jeweilige Marktsegment nicht nur staatlich geregelt, sondern auch staatlich genehmigt und überwacht ist – was in Deutschland bei allen Marktsegmenten oberhalb des Freiverkehrs der Fall ist, bei diesem selbst jedoch nicht.205 Unter den anderen beiden Alternativen, dem multilateralen Handelssystem (Nr. 22 MiFID II, Abs. 21 WpHG n.F.) und dem organisierten Handelssystem (Nr. 23 MiFID II) bildet das Zweitgenannte nicht nur die jüngere, erst mit der Reformwelle ab 2014 eingeführte Variante, sondern nach dem Wortlaut auch die Auffangkategorie, wenn ein multilaterales Handelssystem zu verneinen wäre. Das WpHG definiert diese Auffangvariante denn auch gar nicht gesondert, sondern nur im Rahmen der Auflistung der Wertpapierdienstleistungen (Abs. 8 Nr. 9). Beide Varianten unterscheiden sich vom geregelten Markt namentlich dadurch, dass nur der Betreiber, nicht der Markt als solcher der Zulassung bedarf. Gemeinsam haben alle Alternativen jedoch (i) die staatliche Regulierung und Überwachung, (ii) die Betreiberverantwortlichkeit, (iii) die multilaterale Orientierung, (iv) die Ausrichtung auf Vertragsschlüsse und ihre Förderung sowie (v) die Formulierung eines Regelkatalogs, nach welchem der Vertragsschluss erfolgt (näher 5. Teil Rn 68 ff.). In diesem Zusammenhang ist zuletzt auch die Definition der systematischen Internalisierer 204

Etwa Kühne BKR 2005, 275 (276 f.); ähnlich Teuber BKR 2006, 429 (429).

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KölnKommWpHG/Baum § 2 Rn 227; Schwark/Zimmer/Kumpan § 2 WpHG Rn 120.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

von Bedeutung (Nr. 20 MiFID II; § 2 Abs. 8 Nr. 2 lit. b) WpHG n.F.),206 in der MiFID II auch tatsächlich in die Abfolge der Marktalternativen eingereiht, obwohl sie (mangels vergleichbarer Institutionalisierung) keinen Handelsplatz iSv Nr. 24 (Abs. 22 WpHG) schafft. Denn die Einbeziehung all dieser Marktalternativen – insbesondere der multilateralen Handelssysteme und der systematischen Internalisierung – in das WpHG durch das FRUG (und damit die grundsätzlich vergleichbare, wettbewerbsneutrale Regulierung der Kundenbeziehungen in allen Marktformen) gehörte zu den Reformschwerpunkten. b) Räumlicher Bezug: Bundesdeutsche und Inlandsemittenten, Herkunfts- und Auf- 90 nahmemitgliedstaat (Abs. 12–14, 17, 18). Ein zweiter Komplex von Begriffsbestimmungen betrifft den räumlichen Anwendungsbereich des WpHG – und damit MiFID II –, wobei zu unterscheiden ist, ob im Verhältnis zu anderen EU/EWR-Staaten (die alle ebenfalls die MiFID II umzusetzen haben) oder im Verhältnis zu Drittstaaten (nach Abs. 12 alle Nicht-EU/ EWR-Staaten). Abs. 13–14 und 17–18 enthalten zu diesen Fragen Regeln (i) für Emittenten (Abs. 13–14 iVm §§ 4, 5 WpHG n.F.; weitere Regeln noch in Abs. 15–16, unten c)), (ii) für Wertpapierdienstleister und (iii) für geregelte Märkte als Betreiberinstitution (Abs. 17–18). Zentral ist jeweils das Konzept des Herkunfts- und Aufnahmestaates oder -mitglied- 91 staates, das für alle drei Gruppen Bedeutung hat (außerdem noch für die hier nicht kommentierten Datenbereitstellungsdienste, Abs. 17 Nr. 3, und geeigneten Gegenparteien, § 67 Abs. 4 WpHG n.F., unten Rn 233–235). Die Bestimmungskriterien sind jedoch für jede Gruppe gesondert ausgebildet. Für Emittenten (Abs. 13 und 14) haben diese Fragen (neben der entsprechenden Aufsicht) nur für die hier kursorisch kommentierte Beteiligungstransparenz (Emittentenkapitalmarktrecht, vgl. 6. Teil Rn 846–866) Relevanz sowie für die hier nicht kommentieren Veröffentlichungspflichten zu Aktionärsrechten und Überwachungsregeln zu Unternehmensabschlüssen (vgl. unten Rn 118 und 291).207 Dabei werden Abs. 13 und 14 durch die wichtige Regelung zu den Wahlrechten in dieser Frage in § 4, 5 WpHG n.F. ergänzt. Das Gesamtregime (Abs. 13, 14 iVm §§ 4, 5 WpHG n.F.)208 ist gekennzeichnet durch folgende Abstufung. Bei typischen Finanzinstrumenten (auch) für Kleinanleger (Schuldtitel mit einer Stückelung bis zu 1.000,– € und Aktien, die zudem an einem organisierten Markt in der EU notieren, also entsprechend „sichtbar“ sind) wird bei Inlandssitz des Emittenten Deutschland als Herkunftsland zwingend vorgeschrieben. In diesem Fall wird ein Wahlrecht eng umgrenzt und nur eröffnet bei Sitz in einem Drittstaat und gleichzeitigem Inlandsbezug (aufgrund der Markteinführung der Instrumente im Inland). In solch einem Fall darf Deutschland als Herkunftsland gewählt werden (bei Sitz im EU/EWR-Ausland ist zwingend dieses Herkunftsland). Bei allen anderen Finanzinstrumenten ist die Wahlfreiheit deutlich breiter eröffnet, im Wesentlichen in beiden eben genannten

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Baur juris BKR 6/2017, Anm. 1; Spindler/ Kasten WM 2006, 1749 (1755 f.); Fleischer BKR 2006, 389 (393); Duve/Keller BB 2006, 2537 (2538 ff.); ausführlich Mutschler, Internalisierung der Auftragsausführung im Wertpapierhandel: eine rechtliche und ökonomische Betrachtung. Demgegenüber sind für Art. 17 MAR (Adhoc-Publizität, oben 6. Teil Rn 486–527), der einzigen hier kommentierten Regelung, die Pflichten spezifisch für Emittenten statuiert (nicht für jedermann oder Wertpapier-

208

dienstleistungsunternehmen), Sitz und Herkunftsland unerheblich. Entscheidend ist dort die Zulassung der Finanzinstrumente dieses Emittenten zu einem organisierten Markt im Inland oder dahingehender Antrag (kapitalmarktrechtliches Auswirkungsprinzip, vgl. ebenda Rn 493). Zum Gesamtsystem der Bestimmung von Deutschland als Herkunftsland für Emittenten vgl. näher Eichhorn/Klebeck RdF 2014, 189; Hoops ZBB 2016, 47; Sethe SZW 2014, 615.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Konstellationen auch zugunsten von Deutschland möglich, aber nicht zwingend vorgeschrieben, so dass auch andere Herkunftsländer gewählt werden können (Registrierungsfreiheit). Die jeweilige Wahl ist ab Veröffentlichung der Wahl nach § 5 WpHG n.F. wirksam, so dass Deutschland damit Herkunftsland wird. Dieses Regime mit seiner Bedeutung vor allem für die Beteiligungstransparenz wird – im notwendigen Umfang – bei deren Diskussion berücksichtigt (oben 6. Teil Rn 846–866). Der Begriff des Inlandsemittenten (Abs. 14) – wichtig wiederum vor allem für die Beteiligungstransparenz, jedoch auch für die Finanzberichtserstattung (vgl. oben 6. Teil Rn 830–845) – ist demgegenüber der stärker auf den Absatzmarkt des jeweiligen Finanzinstruments bezogene, für stärker kapitalmarktrechtliche Vorgaben. 92 Für Wertpapierdienstleistungsunternehmen definieren Abs. 17 und 18 näher, welches Land als Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaat zu sehen ist (jeweils Nr. 1), desgleichen für organisierte Märkte (jeweils Nr. 2), und damit auch, welches Wertpapierhandelsrecht auf die jeweilige Institution anzuwenden ist. Das jeweilige Herkunftsland ist vor allem für die Aufsicht EU-weit zuständig (vgl. Art. 5 MiFID II und 46./47. Erw.grund für Wertpapierdienstleister bzw. Art. 44 Abs. 4 MiFID II für geregelte Märkte), der Aufnahmemitgliedstaat hat nur Hilfsfunktion, Ersatzzuständigkeiten in Notfällen (vgl. § 90 WpHG n.F. Herkunftslandprinzip für Marktbetreiber, für solche aus Drittstaaten §§ 102 ff. WpHG n.F. mit Gleichwertigkeitsvoraussetzung, § 90 WpHG n.F. für Wertpapierdienstleister, für solche aus Drittstaaten § 91 WpHG n.F. mit Gleichwertigkeitsvoraussetzung). Mit den Regeln über die Aufsicht ist der Herkunftsmitgliedstaat auch derjenige Staat, dessen Regeln (dessen Umsetzungsgesetz) die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierdienstleister bzw. Marktbetreiber und geregelte Märkte festlegt (näher dazu Teil 7 Rn 27 ff., 162 ff.; für die Anknüpfung der Wohlverhaltensregeln dem Kunden gegenüber, auch ihre potentiell privatrechtliche Wirkung vgl. bereits oben Rn 56). Für die Bestimmung des Herkunftsmitgliedstaates legt Abs. 17 – in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 4 iVm Art. 4 Abs. 1 Nr. 55 lit. a) MiFID II (für Wertpapierdienstleister) und mit Art. 4 Abs. 1 Nr. 55 lit. b) MiFID II (für geregelte Märkte) – zweierlei fest. Für als Juristische Person verfasste Wertpapierdienstleister (Regelfall) bestimmt bereits EU-Recht, dass mit dem Hauptverwaltungssitz auch bereits das Herkunftsland festgelegt ist.209 Für anders organisierte Wertpapierdienstleister und für geregelte Märkte gestattet EU-Recht dem jeweiligen Mitgliedstaat die Anordnung der gleichen Regelung (verpflichtet ihn jedoch nicht dazu), so dass jeder Mitgliedstaat, in dem Registrierung erfolgen soll, die Zulässigkeit solch einer Registrierung davon abhängig machen kann, dass hier auch der Hauptverwaltungssitz genommen wird210 (um Zugriff auf das regulierte Unternehmen zu haben, so auch das deutsche Recht).211 Entscheidend ist für Wertpapierdienstleister daher regelmäßig der Ort der Hauptniederlassung (meist schon nach EU-Recht, weil Juristische Person), nach deutschem IPR also der Hauptverwaltung,212 für geregelte Märkte unter deutschem Recht ebenfalls. 209

210

In diesem Sinne auch etwa Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 355. Die im Normtext angelegte Differenzierung idR nicht problematisiert, etwa Moloney (vorige Fn.). Die Eröffnung eines Mitgliedstaatenwahlrechts dahingehend, zwingende Anknüpfung an den Hauptverwaltungssitz zwar nicht allgemein, jedoch in ausgewählten sicherheitsrelevanten Fragen zu fordern, hat freilich im Europäischen Gesellschafts-

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recht Tradition. Vgl. etwa Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht Rn 1060. Vgl. MünchKommBGB/Kindler IntGesR Rn 312–377; Staudinger/Großfeld IntGesR Rn 20 f., 26–30, 38–77, 153–158. In Deutschland verstanden als der Ort, an dem „die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden“: BGH Urt. v. 21.03.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 (272) = NJW 1986, 2194;

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

c) MTF- und OTF-Emittenten (Abs. 15, 16) – Verweis. Mit den Begriff MTF- und 93 OTF-Emittenten (für Emissionen in multilateralen Handelssystemen [Multilateral trading facilities, MTFs] und/oder in organisierten Handelssystemen [Organized trading facilities, OTFs]) werden Emittenten auf solchen Handelsplätzen umschrieben, die einen derart starken Bezug zu Inlands-MTFs oder –OTFs haben, dass deutsches Recht zur Anwendung kommt. Da die Begrifflichkeit freilich nur für die Meldung von Insidergeschäften im Rahmen des Regimes zum Directors’ Dealing von Bedeutung ist – und hierbei auch nur für die diesbezügliche Aufsicht, vgl. § 26 WpHG n.F. –, muss auch die Begrifflichkeit über das zur Regelung des Directors’ Dealing Gesagte hinaus hier nicht vertieft werden (vgl. daher oben 6. Teil Rn 528–538). d) Annex: Liquider Markt (Abs. 23) – Verweis. Das Konzept „liquider Märkte“ – die 94 keine Marktalternative darstellen und daher hier nur annexweise mit angesprochen werden – entfaltet Wirkung allein bei den (Integritäts-)Anforderungen an Marktbetreiber von organisierten Handelssystemen (§ 75 Abs. 3 WpHG n.F.) und bisher auch an systematische Internalisierer (§ 32a WpHG a.F.). Es wird daher in diesem Zusammenhang aufgegriffen (vgl. oben 7. Teil Rn 162 ff., bes. 169). 5. Zweigniederlassung, Gruppen, Gruppenmitglieder und enge Verbindung (Abs. 24– 95 28). Die Definitionen in Abs. 24–28 betreffen sämtlich die organisatorische Struktur von Wertpapierdienstleistern und die von ihr ausgehenden Verantwortlichkeits- und Interessenkonfliktlagen – in unterschiedlichen Kontexten. Weitgehend selbsterklärend ist die – allgemein übliche, hier spezifisch auf Wertpapierdienstleister angewandte – Begriffsbestimmung für Zweigniederlassungen (Abs. 24) als rechtlich unselbstständige, organisatorisch selbständige Einheiten des Mutterunternehmens,213 von dessen Zulassung sie Gebrauch machen, wobei sie im Ausland rechtlich jeweils zu einer Zweigniederlassung zusammengefasst werden. Die Begriffsbestimmungen für Gruppe und Gruppenmitglieder (Abs. 25–27) (Mutter- und Tochterunternehmen und Gruppenbegriff) sind sämtlich der EU-Bilanz- und Konzernbilanz-Richtlinie 2013/34/EU entnommen,214 für das WpHG freilich (außer in wenigen reinen Aufsichtskontexten) auch nur für die Materien der Beteiligungstransparenz (§§ 33–47 WpHG n.F.) und der Finanzberichtserstattung (§§ 114–118 ff. WpHG n.F.) von Bedeutung, am wichtigsten für die Zurechnung von Stimmrechten. Sie werden dort mitberücksichtigt (vgl. oben 6. Teil Rn 830–845 und 846–866).

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auch nicht zurückgenommen im Zusammenhang mit der Überseering-Entscheidung des EuGH: BGH Urt. v. 01.07.2002 – II ZR 380/00, BGHZ 151, 204 = NJW 2002, 3539; ausführlich MünchKommBGB/Kindler IntGesR Rn 316–323; Staudinger/Großfeld IntGesR Rn 20 f., 26–30, 38–77, 153–158. Freilich wird rechtsvergleichend der Hauptverwaltungssitz auch schon nicht überall gleich verstanden: Drury, Migrating Companies, ELR 1999, 354 (362) (unter Hinweis auf KPMG-Bericht). Dies ist für den – auf europäischer Vorgabe beruhenden – Begriff im Zweifelsfall wichtig. Zu dieser Begriffsbestimmung allgemein im (Europäischen) Gesellschaftsrecht etwa Grundmann Europäisches Gesellschafts-

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recht Rn 825; Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht Rn 56, jeweils m.w.N. Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl.EU 2013 L 182/19; zu den drei Begriffen in diesem Kontext namentlich etwa Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht Rn 563–580; Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht Rn 43–44.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

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Einzig der Begriff der engen Verbindung nach Abs. 28 ist auch für die hier vorrangig kommentierten Teile von Bedeutung, jeweils für die Frage danach, ob echte Unabhängigkeit vorliegt oder aber ein Interessenkonflikt zu bejahen ist. Eine enge Verbindung ist namentlich relevant in der Frage, ob unabhängige Honorarberater aufzudecken haben, dass sie dem Emittenten des von ihnen empfohlenen Finanzinstruments eng verbunden sind (§ 64 Abs. 6 WpHG n.F., unten Rn 217), und ob Betreiber eines organisierten Handelssystems eine andere Person als Market Maker in diesem System zulassen bzw. bestimmen dürfen (§ 75 Abs. 5 WpHG n.F., oben 7. Teil Rn 169). In beiden Kontexten werden diese Begriffsfragen wiederaufgegriffen, entscheidend ist, dass Interessenkonflikte nicht nur auf dem Bestehen von Kontrollrechten (bezogen auf Verwaltungsrechte) beruhen, sondern auch auf dem Bestehen von Vermögensrechten (etwa Gewinnbeteiligung). Nr. 1 lässt daher auch 20 % der Anteilsrechte unabhängig von ihrem Stimmrecht genügen,215 desgleichen (allein) 20 % der Stimmrechte (ohne Vermögensrechte) und die dadurch vermittelte Kontrollmacht.216 Ansonsten ist der konzernrechtliche Gruppenbegriff maßgeblich und wird daher auf Kontrollmacht abgestellt (Nr. 2), nach Art. 22 Abs. 1 und 2 der Bilanz- und Konzernbilanz-Richtlinie 2013/34/EU. Dabei werden die verschiedenen Kontrolltatbestände auch angewandt auf natürliche Personen, wenn Unternehmen beim Vorliegen der gleichen Verhältnisse als Muttergesellschaften zu qualifizieren wären. In der Quintessenz erfassen die Tatbestände in Art. 22 Abs. 1 und 2 (i) rechtlich abgesicherte maßgebliche Kontrollmacht in die Zukunft hinein (Mehrheit der Stimmrechte, Abs. 1 lit. a), bereits von Abs. 28 Nr. 1 abgedeckt; Bestimmungsrecht für die Mehrheit in den Leitungsorganen, Abs. 1 lit. b), oder Bestimmungsrecht für die Unternehmenspolitik, Abs. 1 lit. c))217 oder aber (ii) in der Vergangenheit tatsächlich ausgeübte oder eingerichtete maßgebliche Kontrollmacht (Bestimmung der Mehrheit in den Leitungsorganen bzw. entsprechende Stimmbindungsverträge, Abs. lit. d) mit zwei Alternativen).218 Hinzu kommt ein Auffangtatbestand, nach dem jede andere Art tatsächlicher Kontrolle genügt (Abs. 2 lit. a))219 und auch die indirekte Ausübung vergleichbarer Kontrolle über ein Tochterunternehmen (Abs. 2 lit. b), Enkelunternehmen). Schließlich sind auch Tochterunternehmen desselben Mutterunternehmens einander eng verbunden (Nr. 3). 6. Weitere Handelsformen (Abs. 29, 30) und weitere (komplexe und indirekte) Anlageformen (Abs. 19, 20, 31–36)

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a) Matched Principal Trading (Abs. 29) und direkter elektronischer Zugang (Abs. 30) – Verweis. Das Matched Principal Trading (Abs. 29) bildet eine Form der Zusammenführung von sich deckenden Kundenaufträgen auf Handelsplätzen ohne Risikoübernahme,

215 216

217

Der Interessenkonflikt wird in diesem Falle also rein vermögensmäßig vermittelt. Die „enge Verbindung“ setzt also auf niedrigerer Schwelle an als die Kontrolle durch Stimmrecht im Konzernbilanzrecht, weil eine gewisse Einflussmacht je nach Aktionärsstruktur auch schon durch 20 % vermittelt ist. Zu diesen Formen stabiler, rechtlich verbürgter auf die Zukunft bezogener Kontrollmacht näher: KölnKommRLR/Claussen/ Scherrer § 290 HGB Rn 36 ff.; Haufe HGB Bilanz/Müller § 290 HGB Rn 28 ff.; sowie

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Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 570–571; Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 43–44. Zu diesen Formen bereits ausgeübter oder spezifisch eingerichteter Kontrollmacht Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 570; Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 43–44. Zum offenen Kontrollkonzept (typischer für das angloamerikanische Recht) näher KölnKommRLR/Claussen/Scherrer Vor § 290 HGB Rn 27; sowie Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht Rn 569–570.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

aber auch ohne jegliche Gewinnberechtigung seitens des dazwischen tretenden Vermittlers außer durch Provisionen (reine Vermittlung). Diese ist auf unterschiedlichen Handelsplätzen unterschiedlich gestattet bzw. wird vom Vorliegen weiterer Anforderungen abhängig gemacht (namentlich in §§ 74, 75 WpHG n.F.). Solchermaßen ist auch die Begrifflichkeit Teil eines Marktorganisationsrechts (vgl. dazu oben 7. Teil Rn 141 ff., 162 ff.). Auch der Begriff des direkten elektronischen Zugangs (Abs. 30) als einer durch Abrede 98 gesicherten Zugriffsmöglichkeit direkt auf den Handelscode eines Handelsplatzes entfaltet Relevanz allein im Marktorganisationsrecht, namentlich, jedoch nicht nur beim Hochfrequenzhandel (vgl. Abs. 44) – mit seinen organisatorischen Anforderungen namentlich in § 72 Abs. 1 Nr. 9 (angemessene Risikovorsorge durch OTFs) und spezifisch § 77 WpHG n.F. zur direkten elektronischen Zugangsmöglichkeit (vgl. wiederum näher onen 7. Teil Rn 162 ff., bes. 165). b) Strukturierte Einlagen (Abs. 19) und Energiegroßhandelsprodukte (Abs. 20). Die 99 Vermarktung, der Vertrieb und der Verkauf von strukturierten Einlagen ist Gegenstand der WpHG-Regulierung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 WpHG n.F., namentlich dann § 96 WpHG). Die strukturierte Einlage bildet zwar mangels Fungibilität regelmäßig kein Finanzinstrument (§ 2 Abs. 4 WpHG n.F.)220 und daher auch nicht den Gegenstand einer Wertpapierdienstleistung (§ 2 Abs. 8 WpHG n.F.). Sie wirft jedoch – anders als die schlichte Entgegennahme von einfachen Einlagen – durchaus die Fragen auf, die namentlich mit §§ 63 ff. WpHG geregelt werden sollen (vgl. nuancierend § 63 Abs. 11 Nr. 1 lit. e) WpHG n.F., auch § 87 Abs. 2 WpHG n.F.), und bei ihr können etwa Produktinterventionen sinnvoll erscheinen (vgl. etwa § 6 Abs. 2 WpHG n.F.). § 96 WpHG n.F. stellt daher eine Liste auf, welche Regeln des WpHG auf diese Art Produkt Anwendung finden sollen, auch wenn es nicht als Finanzinstrument ausgestaltet ist. Es handelt sich um eine Einlage, die wie jede sonstige Einlage bei Fälligkeit voll rückzuzahlen ist, bei deren Zinsbestimmung jedoch ein Element derivativer Geschäfte Eingang findet – weshalb sich diese Form Einlage den derivativen Geschäften und damit den Finanzinstrumenten wirtschaftlich annähert.221 Die in Nr. 1–4 genannten Bezugswerte („Underlying“), von denen die Zinsentwicklung abhängig gemacht sein muss, sind sämtlich klassische Bezugswerte auch in derivativen Geschäften iSv § 2 Abs. 3 WpHG n.F. Die Aufzählung ist beispielhaft gemeint, so dass Einlagen, bei denen der Zinssatz auf andere Weise derivativ bestimmt wird, ebenfalls einbezogen erscheinen.222 Die Variabilität des vereinbarten Zinses als solche genügt ausdrücklich nicht – obwohl die Anbindung an einen Leitzinssatz durchaus ebenfalls ein derivatives Element zum Tragen bringt. Offenbar wird diese Form der Anbindung als zu „üblich“ und daher wenig komplex gesehen, auch bei Zentralbankleitzins, aber auch bei anderen Zinsindices (nach Verabschiedung der EU-Benchmark-VO) als so wenig manipulationsanfällig, dass die Aufbürdung von Regulierungslasten exzessiv erschienen wäre.223 Der Begriff des Energiegroßhandelsprodukts (Abs. 20) ist für MiFID II und das WpHG 100 nur von Bedeutung im Zusammenhang mit Warenderivaten und deren Definition (sowie Regulierung und Aufsicht) und wurde in diesem Zusammenhang bereits eingeordnet (vgl. oben Rn 69, bes. Fn 147). c) Hinterlegungsscheine (Abs. 31). Um Schuldtitel oder Aktien handelbar zu machen, 101 obwohl ihnen als solche die Handelbarkeit (Fungibilität) fehlt, etwa weil die Ausstattung

220 221

Vgl. etwa Fuchs/Fuchs § 2 Rn 185. Ebenso Fuchs/Fuchs § 2 Rn 187; Geier/ Schmitt WM 2013, 915.

222 223

In diesem Sinne auch Fuchs/Fuchs § 2 Rn 187. Ebenso vgl. Fuchs/Fuchs § 2 Rn 187.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

nicht fälschungssicher ist oder weil sie auf Namen lauten, geben Verwahrstellen Hinterlegungsscheine aus (vgl. § 2 Abs. 1 WpHG n.F.)224 – vor dem FiMaNoG „Zertifikate“ genannt (zum neuen Begriff „Zertifikate“ unten Rn 102 f.). Bei Ausgabe solcher Hinterlegungsscheine ist bei der Beteiligungstransparenz zu klären, an wen sich die Meldepflicht richtet (§ 33 Abs. 1 WpHG n.F.), und bei Informationen über die Ausübung von Aktionärsrechten, wer sie zu geben hat (§ 44 Abs. 3 WpHG n.F.). Abs. 31 definiert und eröffnet die Möglichkeit, Hinterlegungsscheine auszugeben, (insbesondere) für Emittenten mit Sitz in Drittstaaten.

102

d) Börsengehandelte Investmentvermögen, Zertifikate und strukturierte Finanzprodukte (Abs. 32–34). Abs. 32–34 definieren drei Arten von Finanzinstrumenten mit spezifischen Inhalten, im ersten Fall zudem mit spezifischer Zulassung. Für den Begriff des Zertifikats ist das eine Neuerung, da dieser bisher allein die Handelbarkeit, nicht die Inhalte betraf (vorige Rn). Börsengehandelte Investmentvermögen (Abs. 32) sind solche OGAWs oder AIFs (Investmentfonds nach § 1 Abs. 1 KAGB), die (mindestens) eine ihrer Anteilsgattungen an einem Handelsplatz zulassen oder handeln lassen (zum Kreis der Handelsplätze nach WpHG vgl. oben 5. Teil Rn 66–71). Damit soll ein Marktpreis für alle Anteile durch Handel ermittelt werden, auch etwa für Rückgaberechte an den Fonds in den anderen Gattungen.225 Damit die Preisbildung hinreichend verlässlich ist, muss mindestens ein Market-Maker eingeschaltet sein, während die Realisierung des gewünschten Ziels („damit sichergestellt ist …“) nicht Voraussetzung dafür ist, dass das Investmentvermögen als börsengehandelt zu verstehen ist. 103 Mit den letzten beiden Definitionen werden allein besondere Inhalte der im Instrument verbrieften Rechte umschrieben, beide wichtig im Bereich der multilateralen Handelssysteme. Mit dem Begriff Zertifikat (Abs. 33) wird seit dem FiMaNoG ein Wertpapier umschrieben, das Vorrang vor Aktien, aber Nachrang gegenüber unbesicherten Obligationen und anderen Schuldtiteln hat. Gegenüber den nachrangigen Schuldtiteln verschiedener Art, bei denen dies herkömmlich ebenfalls der Fall ist, zeichnet sich diese (neue) Kategorie dadurch aus, dass dies (nur) „im Falle der durch den Emittenten vorgenommenen Rückzahlung“ gelten soll. Dies bezieht sich auf aktienvertretende Zertifikate.226 Bedeutung hat dies im Rahmen multilateraler Handelssysteme und ihrer Funktionsvoraussetzungen/anforderungen (vgl. § 72 Abs. 1 Nr. 8 WpHG n.F., vgl. daher oben 7. Teil Rn 162 ff.). Eine zweite in diesen Systemen bedeutsame Form von Finanzinstrumenten bildet das auf (Übertragung von Kreditrisiken ausgerichtete) strukturierte Finanzprodukt (Abs. 34), etwa in Form von CDOs und CDS227 (vgl. § 2 Abs. 8 Nr. 9, § 75 Abs. 2 WpHG n.F) (vgl. daher ebenfalls oben 7. Teil Rn 167–169).

104

e) Weitere Derivateformen (Abs. 35, 36) – mit Verweis. Auf den begrifflichen Unterschied, den der WpHG-Gesetzeber neu eingeführt hat zwischen derivativen Geschäften und Derivaten (Abs. 35), wurde bereits bei der Erläuterung der derivativen Geschäfte (Abs. 3, oben Rn 65–71) eingegangen. Für die Definition von Warenderivaten iSv Art. 2 Abs. 1 Nr. 30 MiFIR (Abs. 36) wird zwar auf diese Verordnung verwiesen, diese jedoch

224

225

Vgl. zum WpHG a.F. – dort noch unter der Bezeichnung „Zertifikate“: Fuchs/Fuchs § 2 Rn 25; Assmann/Schneider § 2 Rn 19. Zu den Transparenzvorteilen börsengehandelter Fonds vgl. BaFin Journal Juni 2017, S. 24.

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226

227

Näher hierzu Hoops WM 2017, 319 (320); Schwark/Zimmer/Kumpan § 2 WpHG Rn 29. Näher hierzu Fuchs/Fuchs § 2 Rn 28.

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

verweist ihrerseits auf die Definition in MiFID II (Anh. I Abschnitt C Nr. 5–7 und 10), die selbst wiederum in § 2 Abs. 3 Nr. 2 WpHG n.F. umgesetzt ist (vgl. oben Rn 69). Wichtig ist die Definition – außer dafür, dass auch Warenderivate zu den Finanzinstrumenten zählen – vor allem für die hier nicht näher kommentierten Regeln zu Positionslimits in §§ 54–57 WpHG n.F.228 7. Veröffentlichungs-, Melde- und Datenbereitstellungssysteme (Abs. 37–40). Unter 105 dem Sammelbegriff des Datenbereitstellungsdienstes (Abs. 40) werden drei Anbieterformen zusammengefasst, die in Abs. 37–39 definiert werden. Dies sind (i) genehmigte Veröffentlichungssysteme, die für Wertpapierdienstleister (Nach-)Handelsveröffentlichungen vornehmen dürfen; (ii) Bereitsteller konsolidierter Datenticker, die Daten (dauerhaft und) konsolidiert über Preis und Handelsvolumen einzelner Finanzinstrumente bereitstellen; und (iii) genehmigte Meldemechanismen, die für Wertpapierdienstleister die von diesen geforderten Meldungen an die zuständigen Hoheitsträger abgeben dürfen. Für alle diese Anbieter regelt das WpHG – in Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 52–54 und 63, Art. 59–66 MiFID II – organisatorische Anforderungen und die Aufsicht hierüber (§§ 58–62 WpHG n.F.). Da diese Datenbereitstellungsdienste freilich – ebenso wie etwa Ratingagenturen – als eigenständige weitere professionelle Funktionsträger in Kapitalmärkten vorliegend nicht vertieft erörtert werden, sind auch die Begrifflichkeiten nicht zu vertiefen (vgl. unten Rn 121). 8. Besondere Formen von Wertpapierdienstleistern/Finanzinstituten und Emittenten 106 (Abs. 41, 42 und 45–47). Zwei Formen von Finanzinstituten werden begrifflich besonders herausgehoben. Unternehmen aus Drittstaaten, die alle Voraussetzungen erfüllen, aufgrund derer sie nach § 2 Abs. 10 WpHG n.F. als Wertpapierdienstleister einzustufen wären, werden – tendenziell allzu wenig spezifisch – als „Drittlandunternehmen“ (Abs. 41) umschrieben, der Begriff bezeichnet also inhaltlich Wertpapierdienstleister mit Sitz in einem Drittstaat. Zentrale Gegenparteien (Abs. 42) sind nach deutschem Recht zwingend Kreditinstitute (§ 1 Abs. 1 Nr. 12 KWG). Definiert sind sie in Funktion und rechtlicher Konstruktion in Art. 2 Nr. 1 EMIR, worauf verwiesen werden kann (vgl. oben 6. Teil 670, 680). Als Emittenten besonders definiert werden die öffentlichen Emittenten und die KMUs. 107 Für den Kreis der als solche anerkannten öffentlichen Emittenten enthält Abs. 42 eine abschließende Liste.229 Die von ihnen begebenen Fremdkapitaltitel (Schuldtitel, Anleihen) werden als öffentliche Schuldtitel umschrieben (Abs. 47). Der Kreis öffentlicher Emittenten umfasst die drei Ebenen von Gebietskörperschaften – EU, Mitgliedstaaten und (in föderalen Systemen) deren Gliedstaaten –, wobei deren Ministerien, Behörden und Zweckverbände, etwa öffentliche Anstalten nur auf der Ebene der Mitgliedstaaten miterfasst sind. Für die Ebene der EU sollen Untergliederungen offenbar nicht Finanzprodukte emittieren, auf Ebene der Gliedstaaten soll gebündelt werden.230 Auch die Gründung durch

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Näher zu Warenderivaten: Wenzel/Cordiaß in: Temporale (Hrsg.) Europäische Finanzmarktregulierung, S. 11 (20); zu den Positionslimits: ESMA, Questions and Answers: On MiFID II and MiFIR commodity derivatives topics, 2.7.2017, insb. Fragen 7 und 10. Vgl. (zum identischen Wortlaut in Art. 2 Abs.1 d) der Leeverkaufsverordnung):

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Fuchs/Weick-Ludewig § 30h Rn 34; Wansleben/Weick-Ludewig ZBB 2015, 395 (397). Vgl. zum Begriff Fuchs/Weick-Ludewig § 30h WpHG Rn 34. Die Einbeziehung unter den Begriff des öffentlichen Emittenten führt u.a. zu einer (insbesondere für die Kommunen hiermit ausgeschlossenen) Schutzabsenkung dahingehend, dass Betreibern eines organisierten Handelssystems

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Zusammenarbeit – Zweckverbände oder Kreditinstitute – wird auf die Mitgliedstaatebene beschränkt. Unter den Kreditinstituten, die zudem allein auf Hilfestellung in Situationen schwerwiegender Finanzprobleme eines oder mehrerer Mitgliedstaaten ausgelegt sein dürfen, gibt es solche gemeinsame Einrichtungen in der Tat nur auf dieser Ebene – namentlich das EFSF und den ESM.231 Hinzutritt die Europäische Investitionsbank, die zwar ebenfalls durch Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten entstand,232 jedoch einem anderen Ziel dient. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU, Abs. 46) werden speziell definiert,233 um Märkte, auf denen mehrheitlich Finanzinstrumente von solchen Unternehmen gehandelt werden, von gewissen Organisationsanforderungen zu entlasten (§ 76 WpHG n.F., dazu näher 7. Teil Rn 165, 167).

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9. Dauerhafte Datenträger (Abs. 43), PRIP und PRIIP (Abs. 48, 49). Die Definition für dauerhafte Datenträger (Abs. 43), die bisher in § 34 WpHG a.F. zu den Aufzeichnungspflichten mitenthalten war, ruht auf zwei Säulen. Dauerhafte Datenträger sind nicht nur für die genannten Aufzeichnungen von Bedeutung, sondern auch für die jährliche Auflistung der Gelder und Finanzinstrumente nach § 84 WpHG n.F. (zu diesen organisatorischen Vorgaben heute oben 7. Teil Rn 111–114), außerdem für die Standardinformation und Nachhandelsinformation nach § 63 WpHG n.F. sowie die Geeignetheitserklärung nach § 64 Abs. 4 (vgl. unten Rn 171, 222 und 208). Die beiden Säulen betreffen die Information für die Vertragsdurchführung und die Beweissicherung. Daher muss die Unterlage (gleich welcher Form, gerade auch elektronisch),234 die persönlich an den Kunden gerichtete Information enthält (keine bloßen Flyer und Werbung etc.),235 jederzeit verfügbar blei-

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nach § 75 Abs. 3 WpHG n. F. ausnahmsweise der Handel für eigene Rechnung gestattet ist. Dazu näher Busch/Seitz, Organisiertes Handelssystem OTF, in Teuber/Schröer (Hrsg.), MiFID II und MiFIR – Umsetzung in der Bankpraxis, S. 283 (309). Zur Entscheidung, Kommunen (zu ihrem eigenen Schutz) nicht mehr als geborene professionelle Kunden einzustufen, unten Rn 233. Zu ihren Funktionen und ihrer Ausgestaltung als Kreditinstitute und zu ESM und EFSF als zwischenstaatlichen Zweckgesellschaften (auch etwa iSd Art. 2 Abs. 1 lit. f) EU-Leerverkaufs-VO) näher Saliger in Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, § 39 Ans. 2 d Nr. 1, 2 Rn 7; Assmann/ Schütze/Schäfer § 21 Rn 17. Dazu etwa Assmann/Schütze/Schäfer § 21 Rn 17. Mit dem Kernkriterium einer Marktkapitalisierung, die in den letzten drei Jahren durchschnittlich jeweils unter 200 Millionen € blieb, näher definiert in Art. 77–79 Durchführungs-VO (EU) Nr. 2017/565. Näher hierzu und vor allem zu der gesetzgeberischen Zielsetzung, den Zugang zu den Kapitalmärkten für KMUs zu verbessern: Erw.grund 132 MiFID II; Schneider/Karren-

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brock, Kapitalmarktunion in der EU bis 2019, WPg 2015, 1019; Bremer, Neuere Entwicklungen in Brüssel – EU-Kommission legt Grünbuch zur Kapitalmarktunion vor, NZG 2015, 475; Heuer/Schütt, Auf dem Weg zu einer europäischen Kapitalmarktunion, BKR 2016, 45 (46). Allgemein zur Rolle der KMU in der Europäischen Kapitalmarktunion: Kumpan, Die Europäische Kapitalmarktunion und ihr Fokus auf kleinere und mittlere Unternehmen, ZGR 2016, 2. Dazu Roth/Blessing WM 2016, 1157 (1160), die auch von einer grundsätzlichen Zulässigkeit elektronischer Bereitstellungswege ausgehen; speziell zu den Aufzeichnungspflichten bei Telefongesprächen und elektronischer Kommunikation: Roth/Blessing CCZ 2017, 8 ff.; zum Begriff dauerhafter Datenträger im WpHG a.F. vgl. Fuchs/ Fuchs § 31 Rn 135, § 34 Rn 5. Spezifikation durch VO nach § 83 Abs. 10 WpHG n.F. in § 9 WpDVerOV n.F. (danach papierlose Formen spezifisch eingegrenzt; bisher nur als Referentenentwurf abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/ Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Verordnungen/2017–05–09-WpDVerOV.html). Zum „dauerhaften Datenträger“ im sonstigen europarechtlichen Kontext: Erteilung

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ben (ohne großen Aufwand). Und dies muss so lange der Fall sein, wie der Kunde die Unterlage potentiell brauchen kann – also jedenfalls für die Zeit der Vertragserfüllung, aber auch die Zeit, für die öffentlich-rechtliche Pflichten andauern, etwa steuerrechtliche Aufbewahrungspflichten, weil eine Konsultation für den Kunden wichtig bleibt.236 Und die Unterlage muss für Nachweis- und Beweiszwecke geeignet sein und bleiben und daher unverändert reproduzierbar sein (auch ggf. mit etwas Aufwand). § 83 Abs. 4 WpHG n.F. Die Definition für PRIP (Abs. 48) – die sog. verpackten Anlagen für Kleinanleger im 109 Bereich des Investmentbanking – und für PRIIP (Abs. 49) – diese und Versicherungsanlageprodukte kombiniert – ist wichtig im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Basisinformationsblättern im Rahmen von § 64 Abs und wird dort aufgegriffen (unten Rn 178–183).

III. § 3 WpHG n.F.: Ausnahmen vom Anwendungsbereich

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§ 3 Ausnahmen; Verordnungsermächtigung (1) Als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten nicht 1. Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 Absatz 8 Satz 1 ausschließlich für ihr Mutterunternehmen oder ihre Tochter- oder Schwesterunternehmen im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 15 und 16 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1) und des § 1 Absatz 7 des Kreditwesengesetzes erbringen, von Informationen über eine E-BankingMailbox als Mitteilung über einen dauerhaften Datenträger iSd Richtlinie 2007/64/EG: Schlussanträge des Generalanwalts Michal Bobek vom 15.9.2016, Rs. C-375/15, abrufbar unter https://publications.europa.eu/en/ publication-detail/-/publication/ 99c6607d-7b25-11e6-b076-01aa75ed71a1/language-en; Internet-Website als dauerhafter Datenträger iSd Art. 2 Nr. 12 RL 2002/92/EG: laut Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 27.1.2010, Incosult Anstalt/ Finanzmarktaufsicht (E-4/09, EFTA Court Report, S. 86, abrufbar auch unter http://www.eftacourt.int/uploads/tx_ nvcases/4_09_Judgment_DE.pdf; hingegen Website, deren Informationen für die Verbraucher nur über einen von Verkäufer zur Verfügung gestellten Link zugänglich ist, kein dauerhafter Datenträger iSd Art. 5 Abs 1 Richtlinie 97/7/EG laut Urteil des Gerichtshofs vom 5.7.2012, Rs. C-49/11, abrufbar unter http://curia.europa.eu/juris/document/ document.jsf;jsessionid=9ea7d0f130d5b621 e9963be141f4bd05a2357cbe6f85.e34 KaxiLc3eQc40LaxqMbN4PaNaTe0?text= &docid=124744&pageIndex=0&doclang=

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DE&mode=lst&dir=&occ=first&part= 1&cid=925066. Hierzu und zum Zweck der Durchführungsunterstützung, die diese erste Vorgabe hat: Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 27.1.2010, Rechtssache E-4/09, abrufbar unter http://www.eftacourt.int/uploads/ tx_nvcases/4_09_Judgment_DE.pdf (zur Auslegung des Begriffs „dauerhafter Datenträger“ iSd Art. 2 Nr. 12 Richtlinie 2002/92/EG zur Versicherungsvermittlung): Die Informationen müssen über einen zum Zwecke der Information angemessenen Zeitraum abgerufen werden können, „d.h. so lange, wie sie für den Verbraucher zur Wahrung seiner Interessen, die von seiner Beziehung zum Versicherungsvermittler herrühren, sachdienlich sind. Diese Frist kann die Zeit abdecken, während der Vertragsverhandlungen stattgefunden haben, auch wenn diese nicht den Abschluss eines Versicherungsvertrags zur Folge hatten, die Laufzeit eines abgeschlossenen Versicherungsvertrags und, soweit erforderlich, den Zeitraum nach Vertragsende.“ 5 bis max. 7 Jahre gem. Art. 16 Abs. 7 UAbs.9 MiFID II.

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2. Unternehmen, deren Wertpapierdienstleistung für andere ausschließlich in der Verwaltung eines Systems von Arbeitnehmerbeteiligungen an den eigenen oder an mit ihnen verbundenen Unternehmen besteht, 3. Unternehmen, die ausschließlich Wertpapierdienstleistungen sowohl nach Nummer 1 als auch nach Nummer 2 erbringen, 4. private und öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen soweit sie die Tätigkeiten ausüben, die in der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1; L 219 vom 25.7.2014, S. 66; L 108 vom 28.4.2015, S. 8), die zuletzt durch die Richtlinie 2014/51/EU (ABl. L 153 vom 22.5.2014, S. 1; L 108 vom 28.4.2015, S. 8) geändert worden ist, genannt sind, 5. die öffentliche Schuldenverwaltung des Bundes, eines seiner Sondervermögen, eines Landes, eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die Deutsche Bundesbank und andere Mitglieder des Europäischen Systems der Zentralbanken sowie die Zentralbanken der anderen Vertragsstaaten und internationale Finanzinstitute, die von zwei oder mehreren Staaten gemeinsam errichtet werden, um zugunsten dieser Staaten Finanzierungsmittel zu beschaffen und Finanzhilfen zu geben, wenn Mitgliedstaaten von schwerwiegenden Finanzierungsproblemen betroffen oder bedroht sind, 6. Angehörige freier Berufe, die Wertpapierdienstleistungen nur gelegentlich im Sinne des Artikels 4 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 und im Rahmen eines Mandatsverhältnisses als Freiberufler erbringen und einer Berufskammer in der Form der Körperschaft des öffentlichen Rechts angehören, deren Berufsrecht die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen nicht ausschließt, 7. Unternehmen, die als Wertpapierdienstleistung für andere ausschließlich die Anlageberatung und die Anlagevermittlung zwischen Kunden und a) Instituten im Sinne des Kreditwesengesetzes, b) Instituten oder Finanzunternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, die die Voraussetzungen nach § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Kreditwesengesetzes erfüllen, c) Unternehmen, die aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 53c des Kreditwesengesetzes gleichgestellt oder freigestellt sind, d) Kapitalverwaltungsgesellschaften, extern verwalteten Investmentgesellschaften, EU-Verwaltungsgesellschaften oder ausländischen AIF-Verwaltungsgesellschaften oder e) Anbietern oder Emittenten von Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes betreiben, sofern sich diese Wertpapierdienstleistungen auf Anteile oder Aktien von inländischen Investmentvermögen, die von einer Kapitalverwaltungsgesellschaft ausgegeben werden, die eine Erlaubnis nach § 7 oder § 97 Absatz 1 des Investmentgesetzes in der bis zum 21. Juli 2013 geltenden Fassung hat, die für den in § 345 Absatz 2 Satz 1, Absatz 3 Satz 2, in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1, oder Absatz 4 Satz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs vorgesehenen Zeitraum noch fortbesteht, oder die eine Erlaubnis nach den §§ 20, 21 oder den §§ 20, 22 des Kapitalanlagegesetzbuchs hat, oder die von einer EU-Verwaltungsgesellschaft ausgegeben werden, die eine Erlaubnis nach Artikel 6 der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für

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gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 32, L 269 vom 13.10.2010, S. 27), die zuletzt durch die Richtlinie 2014/91/EU (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 186) geändert worden ist, oder nach Artikel 6 der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 (ABl. L 174 vom 1.7.2011, S. 1, L 115 vom 27.4.2012, S. 35), die zuletzt durch die Richtlinie 2014/65/EU (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349, L 74 vom 18.3.2015, S. 38) geändert worden ist, hat, oder auf Anteile oder Aktien an EU-Investmentvermögen oder ausländischen AIF, die nach dem Kapitalanlagegesetzbuch vertrieben werden dürfen, mit Ausnahme solcher AIF, die nach § 330a des Kapitalanlagegesetzbuchs vertrieben werden dürfen, oder auf Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes, die erstmals öffentlich angeboten werden, beschränken und die Unternehmen nicht befugt sind, sich bei der Erbringung dieser Finanzdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Anteilen von Kunden zu verschaffen, es sei denn, das Unternehmen beantragt und erhält eine entsprechende Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 des Kreditwesengesetzes; Anteile oder Aktien an Hedgefonds im Sinne des § 283 des Kapitalanlagegesetzbuchs gelten nicht als Anteile an Investmentvermögen im Sinne dieser Vorschrift, 8. Unternehmen, die bezüglich Warenderivaten, Emissionszertifikaten oder Derivaten auf Emissionszertifikate Eigengeschäft oder Market-Making betreiben oder ausschließlich Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 Absatz 8 Nummer 1 und 3 bis 10 gegenüber den Kunden und Zulieferern ihrer Haupttätigkeit erbringen, sofern a) diese Tätigkeiten in jedem dieser Fälle auf sowohl individueller als auch aggregierter Basis auf der Ebene der Unternehmensgruppe eine Nebentätigkeit im Sinne der Delegierten Verordnung (EU) 2017/592 der Kommission vom 1. Dezember 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der Kriterien, nach denen eine Tätigkeit als Nebentätigkeit zur Haupttätigkeit gilt (ABl. L 87 vom 31.3.2017, S. 492), in der jeweils geltenden Fassung, darstellen, b) die Haupttätigkeit des Unternehmens weder in der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1, Nummer 2 Buchstabe b bis d, Nummer 3 bis 10 oder Satz 2, noch in der Tätigkeit als Market Maker in Bezug auf Warenderivate noch in der Erbringung von Bankgeschäften im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 2 des Kreditwesengesetzes besteht, c) das Unternehmen keine hochfrequente algorithmische Handelstechnik anwendet und d) das Unternehmen der Bundesanstalt gemäß § 2 Absatz 1 Satz 3 und 4 oder Absatz 6 Satz 3 und 4 des Kreditwesengesetzes angezeigt hat, dass es von der Ausnahme nach dieser Nummer Gebrauch macht, 9. Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen ausschließlich in Bezug auf Warenderivate, Emissionszertifikate oder Derivate auf Emissionszertifikate mit dem alleinigen Ziel der Absicherung der Geschäftsrisiken ihrer Kunden erbringen, sofern diese Kunden a) ausschließlich lokale Elektrizitätsunternehmen im Sinne des Artikels 2 Nummer 35 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. L 211 vom 14.8. 2009, S. 55) oder Erdgasunternehmen im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom Stefan Grundmann

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13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG (ABl. L 211 vom 14.8.2009, S. 94) sind, b) zusammen 100 Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte der betreffenden Unternehmens halten und dieses gemeinsam kontrollieren und c) nach Nummer 8 ausgenommen wären, wenn sie die betreffenden Wertpapierdienstleistungen selbst erbrächten, Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen ausschließlich in Bezug auf Emissionszertifikate oder Derivate auf Emissionszertifikate mit dem alleinigen Ziel der Absicherung der Geschäftsrisiken ihrer Kunden erbringen, sofern diese Kunden a) ausschließlich Anlagenbetreiber im Sinne des § 3 Nummer 2 des TreibhausgasEmissionshandelsgesetzes sind, b) zusammen 100 Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte des betreffenden Unternehmens halten und dieses gemeinsam kontrollieren und c) nach Nummer 8 ausgenommen wären, wenn sie die betreffenden Wertpapierdienstleistungen selbst erbrächten Unternehmen, die ausschließlich Eigengeschäft mit anderen Finanzinstrumenten als Warenderivaten, Emissionszertifikaten oder Derivaten auf Emissionszertifikate betreiben, die keine anderen Wertpapierdienstleistungen erbringen, einschließlich keiner anderen Anlagetätigkeiten, in anderen Finanzinstrumenten als Warenderivaten, Emissionszertifikaten oder Derivaten auf Emissionszertifikate, es sei denn a) es handelt sich bei diesen Unternehmen um Market Maker, b) die Unternehmen sind entweder Mitglied oder Teilnehmer eines organisierten Marktes oder multilateralen Handelssystems oder haben einen direkten elektronischen Zugang zu einem Handelsplatz, mit Ausnahme von nichtfinanziellen Stellen, die an einem Handelsplatz Geschäfte tätigen, die in objektiv messbarer Weise die direkt mit der Geschäftstätigkeit oder dem Liquiditäts- und Finanzmanagement verbundenen Risiken dieser nichtfinanziellen Stellen oder ihrer Gruppen verringern, c) die Unternehmen wenden eine hochfrequente algorithmische Handelstechnik an oder d) die Unternehmen betreiben Eigengeschäft bei der Ausführung von Kundenaufträgen Unternehmen, die als Wertpapierdienstleistung ausschließlich die Anlageberatung im Rahmen einer anderen beruflichen Tätigkeit erbringen, ohne sich die Anlageberatung gesondert vergüten zu lassen, Börsenträger oder Betreiber organisierter Märkte, die neben dem Betrieb eines multilateralen oder organisierten Handelssystems keine anderen Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 Absatz 8 Satz 1 erbringen, Unternehmen, die das Platzierungsgeschäft ausschließlich für Anbieter oder für Emittenten von Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes erbringen, Betreiber im Sinne des § 3 Nummer 4 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, wenn sie beim Handel mit Emissionszertifikaten a. ausschließlich Eigengeschäft betreiben, b. keine Anlagevermittlung und keine Abschlussvermittlung betreiben, c. keine hochfrequente algorithmische Handelstechnik anwenden und d. keine anderen Wertpapierdienstleistungen erbringen, Übertragungsnetzbetreiber im Sinne des Artikels 2 Nummer 4 der Richtlinie 2009/72/EG oder des Artikels 2 Nummer 4 der Richtlinie 2009/73/EG, wenn sie Stefan Grundmann

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ihre Aufgaben gemäß diesen Richtlinien, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 714/ 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 (ABl. L 211 vom 14.8.2009, S. 15), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 543/2013 (ABl. L 163 vom 15.6.2013, S. 1) geändert worden ist, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1775/2005 (ABl. L 211 vom 14.8.2009, S. 36; L 229 vom 1.9.2009, S. 29; L 309 vom 24.11.2009, S. 87), die zuletzt durch den Beschluss (EU) 2015/715 (ABl. L 114 vom 5.5.2015, S. 9) geändert worden ist, sowie gemäß den nach diesen Verordnungen erlassenen Netzcodes oder Leitlinien wahrnehmen, Personen, die in ihrem Namen als Dienstleister handeln, um die Aufgaben eines Übertragungsnetzbetreibers gemäß diesen Gesetzgebungsakten sowie gemäß den nach diesen Verordnungen erlassenen Netzcodes oder Leitlinien wahrzunehmen, sowie Betreiber oder Verwalter eines Energieausgleichssystems, eines Rohrleitungsnetzes oder eines Systems zum Ausgleich von Energieangebot und -verbrauch bei der Wahrnehmung solcher Aufgaben, sofern sie die Wertpapierdienstleistung in Bezug auf Warenderivate, die mit dieser Tätigkeit in Zusammenhang stehen, erbringen und sofern sie weder einen Sekundärmarkt noch eine Plattform für den Sekundärhandel mit finanziellen Übertragungsrechten betreiben, 17. Zentralverwahrer im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014, soweit sie die in den Abschnitten A und B des Anhangs dieser Verordnung genannten Dienstleistungen erbringen und 18. Kapitalverwaltungsgesellschaften, EU-Verwaltungsgesellschaften und extern verwaltete Investmentgesellschaften, sofern sie nur die kollektive Vermögensverwaltung oder neben der kollektiven Vermögensverwaltung ausschließlich die in § 20 Absatz 2 und 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs aufgeführten Dienstleistungen oder Nebendienstleistungen erbringen. Unternehmen, die die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 8 bis 10 erfüllen, haben dies der Bundesanstalt jährlich anzuzeigen. (2) Ein Unternehmen, das als vertraglich gebundener Vermittler im Sinne des § 2 Absatz 10 Satz 1 des Kreditwesengesetzes als Wertpapierdienstleistung nur die Anlagevermittlung, das Platzieren von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung oder Anlageberatung erbringt, gilt nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Seine Tätigkeit wird dem Institut oder Unternehmen zugerechnet, für dessen Rechnung und unter dessen Haftung es seine Tätigkeit erbringt. (3) Für Unternehmen, die Mitglieder oder Teilnehmer von organisierten Märkten oder multilateralen Handelssystemen sind und die von der Ausnahme nach Absatz 1 Nummer 4, 8 oder 15 Gebrauch machen, gelten die §§ 77, 78 und 80 Absatz 2 und 3 entsprechend. Für Unternehmen, die von einer Ausnahme nach Absatz 1 Nummer 9 oder 10 Gebrauch machen, gelten die §§ 22, 63 bis 83 und 85 bis 92 entsprechend. (4) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über Zeitpunkt, Inhalt und Form der Einreichung der Anzeige nach Absatz 1 Satz 2 sowie die Führung eines öffentlichen Registers über die anzeigenden Unternehmen erlassen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen.

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1. Ausgenommene Stellen, Institutionen und Unternehmen (Abs. 1 und Abs. 3 S. 1). § 3 WpHG regelt die Ausnahmen vom persönlichen Anwendungsbereich des WpHG. Systematisch entspricht die Regel dem bisherigen § 2a WpHG a.F., dessen Ausnahmekatalog ebenfalls bereits allein §§ 63 ff. WpHG n.F. bzw. das Äquivalent in §§ 31 ff. WpHG a.F. betraf (vor allem als Aufsichtsregeln), da die Marktintegritätsregeln (Insider- und Marktmanipulationsverbote bzw. Ad-hoc-Publizität) in §§ 12 ff. WpHGa.F. (heute MAR) ohnehin nicht nur Wertpapierdienstleister erfassen. Bei den Unternehmen, die vom Anwendungsbereich ausgenommen werden, wird also (allein) der Schutz der Marktgegenseite durch Wohlverhaltensregeln entweder für überflüssig erachtet oder es erscheint das Aufsichtsrecht angesichts des verringerten Schutzinteresses als jedenfalls zu beschwerlich. Deswegen betrifft § 3 WpHG direkt allein das Konzept Wertpapierdienstleistungsunternehmen (und damit die Aufsicht über diese, jedoch auch den sog. Europapass) und nur mittelbar das Konzept der Wertpapier- oder Wertpapiernebendienstleistungen. 112 Nach Absatz 1 sind namentlich keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen: – Dienstleister, die ausschließlich für ihren Konzern237 und/oder Arbeitnehmerbeteiligungen an eigenen Konzernmitgliedern238 agieren (Nr. 1–3); – Versicherungen (Nr. 4), soweit sie der maßgeblichen EU-Versicherungsregulierung unterfallen (freilich bei Unternehmen, die auch Mitglieder organisierter Märkte oder von MTFs sind, mit Ausnahme der organisatorischen Anforderungen nach §§ 77, 78 und 80 Abs. 2 und 3 WpHG n.F., die nach Abs. 3 S. 1 anwendbar bleiben; dazu oben 7. Teil Rn 162–169); – die öffentliche Schuldenverwaltung bzw. das Zentralbankwesen in der EU, seinen Mitgliedstaaten und EWR-Staaten und die internationalen Finanzhilfeinstitutionen wie EFSF, EIB, ESM oder auch Weltbank (Nr. 5);239 – freie Berufe, soweit sie (nach ihrem Standesrecht zulässige) Wertpapierdienstleistungen nur „gelegentlich im Rahmen eines Mandatsverhältnisses“ erbringen (Nr. 6 iVm Präzisierungen in Art. 4 Durchführungs-VO (EU) Nr. 2017/565), vergleichbar sonstige Unternehmen, wenn sie ausschließlich Anlageberatung solchermaßen nebenberuflich – und in diesem Falle zudem nicht gesondert vergütet – erbringen (Nr. 12),240

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Die diesbezügliche Definitionsnorm (Art. 4 Abs. 1 Nr. 28, 29 MiFID I) war früher in § 290 HGB umgesetzt, der für anwendbar erklärt wurde (über § 1 Abs. 6 und 7 KWG a.F.); heute unmittelbar geregelt durch Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 und 16 der CRR-Verordnung (EU) Nr. 575/2013, ABl.EU 2013 L 176/1, und § 1 Abs. 7 KWG; zu dieser Ausnahme näher Fuchs/Fuchs § 2a Rn 13–15; KölnKommWpHG/Versteegen/Baum § 2a Rn 6–11; Schneider, Nichtanwendbarkeit des KWG bzw. WpHG trotz Erbringung regulierter Tätigkeiten – Ein Beitrag unter besonderer Berücksichtigung der „Konzernausnahme“, WM 2008, 285; Wenzel, Bankgeschäftsrisiken bei Gesellschaften der Realwirtschaft, NZG 2013, 161 (163 f.); auch bereits Kollmann, Das Konzernprivileg der

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238

239

240

6. KWG-Novelle, WM 1998, 1569; Boos/ Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer § 1 KWG Rn 261–263. Zum (gegenüber der Richtlinienvorgabe in Art. 2 Abs. 1 lit. e) und f) bzw. Art. 4 Abs. 1 Nr. 25 MiFID I, heute Art. 2 Abs. 1 lit. f) und g) MiFID II) engeren Zuschnitt (nicht Beteiligungen fremder Arbeitnehmer): Assmann/ Schneider § 2a WpHG Rn 17–20. Zum Kreis Letzterer Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 347 f.; vgl. auch die ausdrückliche Auflistung von EFSF, EIB und ESM in Art. 6 Abs. 2 MAR. Zu dieser doppelten Ausnahme (Nebengeschäft, standesrechtlich zugelassen oder unentgeltlich) näher Fuchs/Fuchs § 2a Rn 23; KölnKommWpHG/Versteegen/Baum § 2a Rn 19; Assmann/Schneider § 2a Rn 27.

Stefan Grundmann

1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

– rein investmentfondsbezogene Wertpapierdienstleister, die zudem kein Eigentum an Kundengeldern und -papieren erwerben (Nr. 7), mit Wirkung seit dem 01.06.2012 auch Anbieter und Emittenten von Vermögensanlagen des „Grauen Kapitalmarktes“ (neuer lit. e), vgl. näher unten zu Nr. 14). Unter bestimmten Umständen machen außerdem gewisse derivatebezogene Wertpapierdienstleistungen (auf Warenderivate, Emissionszertifikate oder Derivate auf Emissionszertifikate bezogene Dienstleistungen) allein den jeweiligen Dienstleister noch nicht zu einem Wertpapierdienstleister (Nr. 8–10). Dies gilt vor allem, wenn die Wertpapierdienstleistung nicht das Hauptgeschäft bildet (hier sogar Market Making freigestellt) und bei reinen Absicherungstransaktionen im Energie- und Anlagenbereich (freilich bei Unternehmen, die auch Mitglieder organisierter Märkte oder von MTFs sind, mit Ausnahme der organisatorischen Anforderungen nach §§ 77, 78 und 80 Abs. 2 und 3 WpHG n.F., die nach Abs. 3 S. 1 anwendbar bleiben; dazu oben 7. Teil Rn 162–169; zur ggf. zusätzlich eingreifenden Gegenausnahme nach Abs. 3 S. 2 vgl. nächste Rn).241 Nach Absatz 1 sind darüber hinaus ebenfalls keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen: – Unternehmen, die ausschließlich Eigengeschäfte in allen anderen als den eben genannten Finanzinstrumenten betreiben (ohne jegliches Element der Ausführung von Kundenaufträgen) und dies in keinem Fall als Market Maker, als Mitglied eines organisierten Marktes (einschließlich MTFs) oder als Hochfrequenzhandel (Nr. 11); – Börsen und Betreiber organisierter Märkte, die sonst nur MTFs oder OTFs betreiben (Nr. 13); – Unternehmen, die ausschließlich Finanzinstrumente iSd. Vermögensanlagengesetzes (Anlagen des sog. „Grauen Kapitalmarktes“, heute freilich ohne AIF, vgl. unten Nr. 18) für deren Anbieter vermitteln (Nr. 14), da diese zwar seit dem 01.06.2012 grundsätzlich ebenfalls Wohlverhaltenspflichten unterworfen worden sind, dies jedoch außerhalb des WpHG mit einem auf sie zugeschnittenen Regime, das umgekehrt freilich wiederum dem 6. Abschnitt des WpHG nachempfunden ist;242 241

242

Zu diesen auf bestimmte Derivate aus dem Rohstoff- und Energiesektor zugeschnittenen Ausnahmen näher Geier/Schmitt WM 2013, 915 (919 f.). Vgl. Art. 3 Nr. 1 d) des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagevermittler- und Vermögensanlagengesetzes vom 06.12.2011, BGBl. 2011 I, S. 2481 (damals neuer § 2a Abs. 1 Nr. 14 WpHG, heute § 3 Abs. 1 Nr. 14 WpHG n.F.). Vgl. außerdem Art. 5 Nr. 9 desselben Artikelgesetzes mit Einführung von §§ 34 f und 34 g GewO, welche die Zulassungsvoraussetzungen gänzlich neu gestalten und für die Wohlverhaltenspflichten eine Verordnungsermächtigung für den Erlass von Wohlverhaltenspflichten (entsprechend §§ 31 ff. WpHG a.F. / §§ 63 ff. WpHG n.F.) enthalten. Vgl. BT-Drucks. 17/6051 S. 70 (Regierungsbegründung); und aus dem Schrifttum zur Novellierung etwa Artzt/ Kernter BKR 2011, 476 (479–481); Bödeker/Wojtek GWR 2011, 278; Bruchwitz/ Voß BB 2011, 1225 (1230 und 1234); Mattil BKR 2011, 2533 (2537); Wagner NZG

2011, 609 (612); Zingel/Varadinek BKR 2012, 177; zur Neuregelung der Prospekthaftung etwa Leuering NJW 2012, 1905. Sinn dieses differenzierenden Regimes (mit Ausnahme nach § 3 Abs. 1 Nr. 14 WpHG n.F.) ist es, nur für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die diese Qualität unabhängig von ihrem Engagement bei Vermögensanlagen des „Grauen Kapitalmarktes“ haben, §§ 63 ff. WpHG n.F. (ex-§§ 31 ff.) direkt zur Anwendung zu bringen. Für die Vermittler, die ausschließlich im „Grauen Kapitalmarkt“ tätig werden (und somit außerhalb des WpHG reguliert werden), ist das ein fundamentaler Schritt der Neuregulierung. Der „Graue Kapitalmarkt“ ist damit nicht mehr nur in dem einen Kernstück Prospektpflicht reguliert (seit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz von 2005, das eine solche mit § 8f Abs. 1 Verkaufsprospektgesetz einführte), sondern seit 2011/12 auch in dem zweiten Kernstück Wohlverhaltenspflichten, und damit zunehmend nicht mehr „grau“.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

– Betreiber für den Emissionshandel (Nr. 15) (außer bei Hochfrequenzhandel), Übertragungsnetzbetreiber (Nr. 16) (einschließlich ihre Unterdienstleister), Zentralverwahrer (Nr. 17) und Investmentfonds (Nr. 18) (OGAW und AIF),243 soweit sie sich jeweils auf ihre Kernfunktion beschränken. Betreiber für den Emissionshandel unterliegen außerdem der Gegenausnahme nach Abs. 3 S. 2.

113

2. Modifizierte Anwendung auf vertraglich gebundene Vermittler und reine Absicherungsdienstleister im Energiesektor (Abs. 2 und 3 S. 2). Bei den vertraglich gebundenen Vermittlern, die allein für die bloße Anlagevermittlung, die reine Platzierung („best effort“) oder die Anlageberatung eingeschaltet werden, gilt letztlich weniger eine Ausnahme als eine Verantwortlichkeitsverschiebung auf das Institut, dem diese Vermittler vertraglich gebunden sind (Abs. 2) und unter dessen Zulassung sie arbeiten.244 Auch bei den oben genannten reinen Absicherungsdienstleister mit Bezug auf den Energiesektor (Abs. 1 Nr. 9 und 10) bleibt es bei der Anwendung der meisten zentralen Regeln, namentlich §§ 63 f., 80 f. WpHG n.F.

IV. §§ 4, 5 WpHG n.F.: Wahl und Veröffentlichung des Herkunftsmitgliedstaates

114

[unkommentiert, relevant nur im Regime der Beteiligungstransparenz, vgl. oben Rn 91 und oben 6. Teil Rn 846–866]

C. Weitere Materien (§§ 6–62 WpHG n.F., §§ 4–30h WpHG a.F.) 115

I. Allgemeine Aufsicht (Abschnitt 2: §§ 6–24 WpHG n.F.). [Aufgaben und Befugnisse der BaFin als zuständiger Aufsichtsbehörde, einschließlich Anzeigen, Veröffentlichung der Maßnahmen und Verschwiegenheitsregeln, Zusammenarbeit mit anderen Aufsichtsbehörden im In- und Ausland und der ESMA bzw. EU-Kommission {im Energiesektor} und Einsetzung eines Wertpapierrates – bezogen auf alle Gegenstände des WpHG einschließlich derjenigen in EU-Verordnungen, auf die in der Zuständigkeitsnorm des § 1 Abs. 1 Nr. 8 WpHG n.F. verwiesen wird, oben Rn 50; teils auch Befugnisregeln zu speziellen Bereichen gesondert, etwa PRIIP nach § 10 WpHG n.F., MAR nach § 12 WpHG n.F. oder Produktüberwachung nach MiFIR gemäß § 15 WpHG n.F., bzw. Eingriffsbefugnisse mit Stabilitätszielen, etwa in § 14 WpHG n.F., namentlich Verbot bestimmter Geschäfte oder Kursaussetzung; Mitwirkung des Insolvenzverwalters; dieses Aufsichtsrecht hier nicht kommentiert;245 Kommentar zu den materiellrechtlichen Anforderungen an die Wertpa-

243

244 245

Zu den von dieser Ausnahme erfassten Unternehmenstypen und einigen ebenfalls unschädlichen Nebengeschäften nach § 20 Abs. 2 und 3 KAGB vgl. näher Moritz/Klebeck/Jesch/Schücking, 2016, § 20 KAGB Rn 42–85. Hierzu näher Fuchs/Fuchs § 2a Rn 48; KölnKommWpHG/Versteegen/Baum § 2a Rn 37. Kommentierung vor allem in Assmann/ Schneider/Döhmel/Vogel §§ 4 ff.; Köln-

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KommWpHG/Altenhain/Carny/Eufinger/ Giesberts/Heinrich/Hirte/Mock/Möllers/ Wenninger/Zeitz §§ 4–10; Zum Ausgangspunkt noch immer Schröder, Die Wertpapierhandelsaufsicht nach dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz, 1998; Kurzbeschreibungen bei: Claussen DB 1994, 969; Kümpel WM 1994, 229; ders. WM 1992, 381; Peltzer ZIP 1994, 746 (752); Wittich WM 1997, 2026. Dann zur Einrich-

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1. Abschnitt. Wertpapierhandelsgesetz (mit flankierenden Verordnungen)

pierdienstleister – in Bezug auf Märkte, innere Organisation und Einzelkunden – in den Teilen 6–8]. II. Marktmissbrauchsüberwachung (Abschnitt 3: §§ 25–28 WpHG n.F.), Aufsicht 116 über Ratingagenturen und OTC-Derivate (EMIR) (Abschnitte 4 und 5: §§ 29, 30–32 WpHG n.F.). [Erstreckung des MAR-Regimes auf Waren iSv § 2 Abs. 5 WpHG n.F. und ausländische Zahlungsmittel in § 25 WpHG n.F.; Aufgaben und Befugnisse der BaFin als zuständiger Aufsichtsbehörde im Hinblick auf MAR-Meldepflichten {Directors’ Dealing} und MAR-Aufzeichnungspflichten in §§ 26 f. WpHG n.F. sowie Anforderungen an ihre eigenen Beschäftigten in § 28 WpHG n.F.; Zuständigkeitseinräumung und Befugnisse im Hinblick auf Ratingagenturen nach § 29 WpHG n.F.; und Zuständigkeitseinräumung und Befugnisse im Hinblick auf CCPs/Transaktionsregister im Rahmen von EMIR mit Einzelheiten zu Formalien der Meldepflichten und der externen Prüfung bei großen nichtfinanziellen Gegenparteien; das Aufsichtsrecht hier nicht kommentiert; Kommentar zu den materiellrechtlichen Anforderungen an Wertpapierdienstleister in MAR und EMIR – nicht jedoch der EU-Rating-Verordnung –246 in Teil 6 Abschnitte 3 und 4 B sowie Teil 7 Rn 187–199]. III. Beteiligungstransparenz (Abschnitt 6: §§ 33–47 WpHG n.F.) – Verweis. [Kurz- 117 kommentierung dieser Form der Folgepublizität, die für das Kapitalmarktrecht allgemein zentrale, für das Investment Banking hingegen eher nur periphere Bedeutung hat, oben 6. Teil Abschnitt 5]. IV. Informationen zur Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren (Abschnitt 7: 118 §§ 48–52 WpHG n.F.). [Publizitätsanforderungen an Emittenten, für das Kapitalmarktrecht und seine Funktionen tendenziell weniger zentral als etwa die Folgepublizität durch Ad-hoc-Mitteilungen oder durch Beteiligungstransparenz und besonders für das Investment Banking peripher; hier nicht kommentiert; für die beiden genannten Formen der Folgepublizität hingegen oben 6. Teil Rn 486–527 und 846–866]. V. Aufsicht über Leerverkäufe (Abschnitt 8: § 53 WpHG n.F.). [Aufgaben und Be- 119 fugnisse der BaFin als zuständiger Aufsichtsbehörde, einschließlich Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtung – alles bezogen auf die EU-Leerverkaufs-VO; hier nicht kommentiert; Kommentar zu den materiellrechtlichen Anforderungen an Wertpapierdienstleister in der EU-Leerverkaufs-VO und auch Überblick zu den aufsichtsrechtlichen Befugnissen in dieser Verordnung oben 6 Abschnitt 4 A]. VI. Positionslimits (Abschnitt 9: §§ 54–57 WpHG n.F.). [Befugnis der BaFin zur Fest- 120 legung und Anwendung von Positionslimits in jedem an inländischen regulierten Märkten

tung der Aufsicht durch die BaFin: Junker, Gewährleistungsaufsicht über Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Die hoheitliche Regulierung gesellschaftlicher Selbstregulierung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, 2003; Spindler NJW 2004, 3449; Möllers/Wenninger ZHR 170 (2006) 459; Schwintek WM 2005, 861; zum später eingefügten § 4a WpHG a.F. (§ 7 WpHG n.F.): Mock, WM 2010, 2248. Zur

246

Novelle 2017: Jordans BKR 2017, 273 (278); Meixner ZAP 2017, 911 (916). Gesetzgebungsmaterialien vor allem zu den beiden großen Novellen in BT-Drucks. 12/6679 und BT-Drucks. 18/10936. Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABl.EG 2009 L 302/1; Änderungen durch Verordnung (EU) Nr. 513/2011, ABl.EU L

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

gehandelten Warenderivat – gemessen am Ziel der Verhinderung von Marktmissbrauch und der ordnungsgemäßen Preisbildung – sowie Meldepflichten der Betroffenen {mit Meldeverfahren} und Anforderungen an Marktbetreiber zur Durchsetzung derselben; Befugnisabgrenzung im Falle von Handel der Derivate an verschiedenen Handelsplätzen in der EU; vgl. auch allgemeine Einzelfallbefugnis bezogen auf alle Finanzinstrumente in § 9 WpHG n.F.; Aufsichtsregime hier nicht kommentiert].

121

VII. Organisationspflichten von Datenbereitstellungsdiensten (Abschnitt 10: §§ 58–62 WpHG n.F.). [Organisationspflichten von Datenbereitstellungsdiensten {einschließlich deren Überwachung}, die teils zwar denjenigen der Wertpapierdienstleister im Rahmen des WpHG oder der CCPs bzw. Transaktionsregister im Rahmen der EMIR vergleichbar sind, freilich jenseits der Organisation des Investment Banking liegen; hier nicht kommentiert; für die genannten Parallelregime vgl. 7. Teil bes. Rn 187 ff. und 200 f.].

145/30; sowie Verordnung (EU) Nr. 462/2013, ABl.EU 2013 L 146/1 und RL 2014/51/EU, ABl.EU 2014 L 153/1; ergänzend ergingen im Jahre 2012 diverse delegierte Verordnungen, zuletzt Verordnung (EU) Nr. 2015/2, ABl. EU 2015 L 2/57; Literatur hierzu außer den Standardkommentaren (Auswahl): Bauer, Strengere Anforderungen für Ratingagenturen nach der neuen ÄnderungsVO, BB 2013, 363; Becker, Die Regulierung von Ratingagenturen, DB 2010, 941; Deipenbrock, Das europäische Modell einer Regulierung von Ratingagenturen, RIW 2010, 612; Dutta, Die neuen Haftungsregeln für Ratingagenturen in der Europäischen Union, WM 2013, 1729; Haar, Das deutsche Ausführungsgesetz zur EU-RatingVerordnung – Zwischenetappe auf dem Weg zu einer europäischen Finanzmarktarchitektur, ZBB 2010, 185; Lerch, Ratingagenturen im Visier des europäischen Gesetzgebers, BKR 2010, 402; Möllers, Regulierung von Ratingagenturen, JZ 2009, 861; ders., Auf

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dem Weg zu einer neuen europäischen Finanzmarktaufsichtsstruktur, NZG 2010, 285; ders./Wecker, Regulierung von Ratingagenturen in der Europäischen Union, ZRP 2012, 106; Stemper, Marktmissbrauch durch Ratingagenturen?, WM 2011, 1740 (bes. 1745–1747) (zu diesbezüglichen Präventivregeln in der VO); Tönnigsen, Die Regulierung von Ratingagenturen, ZBB 2011, 460; die jüngste Entwicklung zusammenfassend: Veil/Teigelack EU-Kapitalmarktrecht § 27 Rn 9 ff.; Hinweisblatt der BaFin für Emittenten zur Ratingverordnung vom 6.2.2015 (abrufbar unter: https://www.bafin.de/ dok/7870172). Gesetzgebungsmaterialien vor allem BT-Drucks. 17/716 (Entwurf des Ausführungsgesetzes zur EU-Ratingverordnung); auf europäischer Ebene: Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Ratingagenturen vom 12.11.2008, KOM(2008) 704 endg.

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.

D. Wohlverhaltensregeln I – Informationspflichtenregime (Abschnitt 11: §§ 63–66 WpHG n.F., § 31 WpHG a.F.) Übersicht Rn Text der §§ 63–64 WpHG n.F . . . . . . . . . 122 I. Transparenz-, Verhaltens- und Organisationspflichten (Abschnitt 11) als Herz der WpHG-Regulierung – die Transparenzpflichten im Besonderen . . . . . . . . . . 1. Überblick über Transparenz-, Verhaltensund Organisationspflichten – ihre überragende Bedeutung . . . . . . . . 2. Funktion, EU-rechtlicher Hintergrund und Anwendungsbereich der Informations-/Transparenzpflichten im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktion und Normzweck . . . . . b) EU-rechtlicher Hintergrund und Normstruktur . . . . . . . . . . . . c) Sachlicher Anwendungsbereich . . II. Sorgfalts- und Interessenwahrungspflicht (§ 63 Abs. 1 WpHG n.F. – ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterscheidung der beiden Grundpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interessenwahrungspflicht stricto sensu . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insbesondere: Ankaufs- und Verkaufsempfehlungen nur im Kundeninteresse . . . . . . . . . . . . a) Wahrung des Kundeninteresses . . b) Unbeachtlichkeit anderer Interessen 4. Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . III. Verhaltensregeln zu Interessenkonflikten (§ 63 Abs. 2 WpHG n.F. – ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zusammenspiel mit Organisationsregeln zu Interessenkonflikten (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 WpHG n.F.) – bloßes Minimierungsgebot . . . . . . . 2. Konfliktvermeidung als Präventionsmaßnahme – Präventionsmittel und Rechtsfolge bei deren Versagen . . . . a) Prävention des Konflikts und inhaltliche Regelung des Konflikts . . . . b) Effiziente, nicht unbedingte Pflicht zur Konfliktvermeidung . . . . . . c) Konfliktarten und Konfliktvermeidungsmittel . . . . . . . . . . . . .

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Rn 3. Die Konfliktvermeidungsmittel im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . a) Konfliktvermeidung durch Organisation, auch Erkennungsanstrengungen . . . . . . . . . b) Konfliktvermeidung durch Aufklärung . . . . . . . . . . . . . c) Keine sonstigen Konfliktvermeidungsmittel . . . . . . . . . . .

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IV. Spezifische Pflichten zur strikten Kundeninteressenwahrung (§ 63 Abs. 3–5 WpHG n.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichten zur Vergütungspolitik (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten zum kundenorientierten Produktzuschnitt (Produktgovernance, Abs. 4) und dessen professioneller Nutzung beim Vertrieb (Abs. 5) . . . . a) Produktgovernance als integrierter Prozess und Füllung einer Anlegerschutzlücke . . . . . . . . . . . . . b) Von der Konzeptions- zur Vertriebsetappe – die Anforderungen (Abs. 4 und 5) . . . . . . . . . . . . V. Allgemeines Transparenzgebot – insbesondere bei Werbeaussagen und Empfehlungen (§ 63 Abs. 6 und 8 WpHG n.F. – ex-§ 31 Abs. 2) . . . . . 1. Allgemeines Transparenzgebot (mit Ausnahmen, Abs. 8) . . . . . 2. Werbeaussagen und Empfehlungen a) Werbeaussagen . . . . . . . . . b) Empfehlungen . . . . . . . . . .

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VI. Standardisierte Informationspflichten (§§ 63 Abs. 7, 8 und 64 Abs. 1, 2 WpHG n.F., EU-PRIIP-VO, ex-§ 31 Abs. 3, 3a, 4b) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Basisregime Standardinformation (§ 63 Abs. 7, 8 WpHG n.F., ex § 31 Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . a) Modalitäten (Abs. 7 S. 1, 2 und 6) b) Generalklausel (Abs. 7 S. 1) . . . . c) Mindestinhalt (Abs. 7 S. 1, 3–5) . . d) Ausnahmen (Abs. 7 S. 8–11 und Abs. 8) . . . . . . . . . . . . . . . .

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung Rn 2. Aufbauregime Standardinformation bei Anlageberatung (§ 64 Abs. 1, 2 WpHG n.F. und EU-PRIIP-VO, ex-§ 31 Abs. 3a, 4b) . . . . . . . . . . a) Charakterisierung und Überblick zum Aufbauregime . . . . . . . . . b) Zusätzliche Standardinformation zu Beratungsart und -intensität (Abs. 1, ex-§ 31 Abs. 4b) . . . . . . . . . . c) Basisinformation im Fondsbereich – Vorläufer von bzw. Ersatz zu den Basis- und Produktinformationsblättern (Abs. 2 S. 4, ex-§ 31 Abs. 3a) . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusätzliche Standardinformation durch EU-Basisinformationsblatt (Abs. 2 S. 1 iVm EU-PRIIP-VO, ex-§ 31 Abs. 3a) . . . . . . . . . . e) Zusätzliche Standardinformation durch (deutsches) (Produkt-) Informationsblatt (Abs. 2 S. 1–3, ex-§ 31 Abs. 3a) . . . . . . . . . .

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VII. Schranken bei der Bündelung von Dienstleistungen (§ 63 Abs. 9 WpHG n.F.) . . . 184 VIII. Individuelle Informations(-erhebungsund abgabe-)pflichten (§§ 63 Abs. 10, 11 und 64 Abs. 3, 4 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4, 4a, 5 sowie 6–7) . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Basisregime individuelle Information (§ 63 Abs. 10, 11 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 5 und 6–7) . . . . . . . . . . . . . a) Standard . . . . . . . . . . . . . . . b) Reaktionsmöglichkeiten . . . . . . c) Freistellungen (§ 63 Abs. 11 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 6, 7 und 9) – Execution only und ungeschriebene Freistellungen . . . . . . . . . . . . 3. Aufbauregime individuelle Information bei Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung (§ 64 Abs. 3, 4 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4, 4a) . . . . . . . .

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Rn a) Informationserhebung zum Kunden (Abs. 3 S. 1) . . . . . . . . . . . . . b) Informationserhebung zum Anlageinstrument . . . . . . . . . . . . . . c) Informationsbereitstellung . . . . . d) Reaktionsmöglichkeiten, insbes. Empfehlung (Abs. 3 S. 2–4 und Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Besonderheiten bei der Finanzportfolioverwaltung . . . . . . . . . . . f) Freistellungen? . . . . . . . . . . .

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IX. Weitere Transparenz- und Verhaltensanforderungen bei Honoraranlageberatung und Finanzportfolioverwaltung (§§ 64 Abs. 5–8 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4c-4d)) . . . . . . . . . . . 1. Neutralitätspflichten bei reiner Honorarberatung (Abs. 5, 6, ex-§ 31 Abs. 4c-4d)) . . . . . . . . . . . . . . . a) Idee und Anwendungsbereich . . . b) Kautelen: Breite des Beratungsportfolios (Abs. 5) und Aufdeckung wirtschaftlichen Eigeninteresses (Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spezifische Verhaltensanforderungen bei Finanzportfolioverwaltung (Abs. 7, 8) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beschränkungen bei Zuwendungen Dritter (Abs. 7) . . . . . . . . . . . b) Anforderungen an kontinuierliche Geeignetheitsprüfung (Abs. 8) . . .

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X. Nachhandelsinformation (§ 63 Abs. 12 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 8) . . . . . . . 222 XI. Sanktionen und Ansprüche . . . . . . . . 223

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XII. Annex I: Selbstauskunft bei Vertragsvermittlung über Vermögensanlagen (§ 65 WpHG n.F., ex § 31 Abs. 5a) . . . 226 XIII. Annex II: Ausnahmen (§ 66 WpHG n.F.) . . . . . . . . . . . . . 229

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

Abschnitt 11: Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

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§ 63 Allgemeine Verhaltensregeln; Verordnungsermächtigung [§ 31 WpHG a.F.] (1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist verpflichtet, Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse seiner Kunden zu erbringen. (2) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat einem Kunden, bevor es Geschäfte für ihn durchführt, die allgemeine Art und Herkunft von Interessenkonflikten und die zur Begrenzung der Risiken der Beeinträchtigung der Kundeninteressen unternommenen Schritte eindeutig darzulegen, soweit die organisatorischen Vorkehrungen nach § 80 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen zu gewährleisten, dass das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen vermieden wird. Die Darlegung nach Satz 1 muss 1. mittels eines dauerhaften Datenträgers erfolgen und 2. unter Berücksichtigung der Einstufung des Kunden im Sinne des § 67 so detailliert sein, dass der Kunde in die Lage versetzt wird, seine Entscheidung über die Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung, in deren Zusammenhang der Interessenkonflikt auftritt, in Kenntnis der Sachlage zu treffen. (3) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss sicherstellen, dass es die Leistung seiner Mitarbeiter nicht in einer Weise vergütet oder bewertet, die mit seiner Pflicht, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln, kollidiert. Insbesondere darf es bei seinen Mitarbeitern weder durch Vergütungsvereinbarungen noch durch Verkaufsziele oder in sonstiger Weise Anreize dafür setzen, einem Privatkunden ein bestimmtes Finanzinstrument zu empfehlen, obwohl das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem Privatkunden ein anderes Finanzinstrument anbieten könnte, das den Bedürfnissen des Privatkunden besser entspricht. (4) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Finanzinstrumente zum Verkauf an Kunden konzipiert, muss sicherstellen, dass diese Finanzinstrumente so ausgestaltet sind, dass 1. sie den Bedürfnissen eines bestimmten Zielmarktes im Sinne des § 80 Absatz 9 entsprechen und 2. die Strategie für den Vertrieb der Finanzinstrumente mit diesem Zielmarkt vereinbar ist. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss zumutbare Schritte unternehmen, um zu gewährleisten, dass das Finanzinstrument an den bestimmten Zielmarkt vertrieben wird. (5) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss die von ihm angebotenen oder empfohlenen Finanzinstrumente verstehen. Es muss deren Vereinbarkeit mit den Bedürfnissen der Kunden, denen gegenüber es Wertpapierdienstleistungen erbringt, beurteilen, auch unter Berücksichtigung des in § 80 Absatz 9 genannten Zielmarktes, und sicherstellen, dass es Finanzinstrumente nur anbietet oder empfiehlt, wenn dies im Interesse der Kunden liegt. (6) Alle Informationen, die Wertpapierdienstleistungsunternehmen Kunden zugänglich machen, einschließlich Marketingmitteilungen, müssen redlich und eindeutig sein und Stefan Grundmann

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dürfen nicht irreführend sein. Marketingmitteilungen müssen eindeutig als solche erkennbar sein. § 302 des Kapitalanlagegesetzbuchs und § 15 des Wertpapierprospektgesetzes bleiben unberührt. (7) Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind verpflichtet, ihren Kunden rechtzeitig und in verständlicher Form angemessene Informationen über das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und seine Dienstleistungen, über die Finanzinstrumente und die vorgeschlagenen Anlagestrategien, über Ausführungsplätze und alle Kosten und Nebenkosten zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, damit die Kunden nach vernünftigem Ermessen die Art und die Risiken der ihnen angebotenen oder von ihnen nachgefragten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen verstehen und auf dieser Grundlage ihre Anlageentscheidung treffen können. Die Informationen können auch in standardisierter Form zur Verfügung gestellt werden. Die Informationen nach Satz 1 müssen folgende Angaben enthalten: 1. hinsichtlich der Arten von Finanzinstrumenten und der vorgeschlagenen Anlagestrategie unter Berücksichtigung des Zielmarktes im Sinne des Absatzes 3 oder 4: a) geeignete Leitlinien zur Anlage in solche Arten von Finanzinstrumenten oder zu den einzelnen Anlagestrategien, b) geeignete Warnhinweise zu den Risiken, die mit dieser Art von Finanzinstrumenten oder den einzelnen Anlagestrategien verbunden sind, und c) ob die Art des Finanzinstruments für Privatkunden oder professionelle Kunden bestimmt ist; 2. hinsichtlich aller Kosten und Nebenkosten: a) Informationen in Bezug auf Kosten und Nebenkosten sowohl der Wertpapierdienstleistungen als auch der Wertpapiernebendienstleistungen, einschließlich eventueller Beratungskosten, b) Kosten der Finanzinstrumente, die dem Kunden empfohlen oder an ihn vermarktet werden sowie c) Zahlungsmöglichkeiten des Kunden einschließlich etwaiger Zahlungen durch Dritte. Informationen zu Kosten und Nebenkosten, einschließlich solchen Kosten und Nebenkosten im Zusammenhang mit der Wertpapierdienstleistung und dem Finanzinstrument, die nicht durch ein zugrundeliegendes Marktrisiko verursacht werden, muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen in zusammengefasster Weise darstellen, damit der Kunde sowohl die Gesamtkosten als auch die kumulative Wirkung der Kosten auf die Rendite der Anlage verstehen kann. Auf Verlangen des Kunden muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Aufstellung, die nach den einzelnen Posten aufgegliedert ist, zur Verfügung stellen. Solche Informationen sollen dem Kunden unter den in Artikel 50 Absatz 9 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 genannten Voraussetzungen regelmäßig, mindestens jedoch jährlich während der Laufzeit der Anlage zur Verfügung gestellt werden. Die §§ 293 bis 297, 303 bis 307 des Kapitalanlagegesetzbuchs bleiben unberührt. Bei zertifizierten Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen im Sinne des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes gilt die Informationspflicht nach diesem Absatz durch Bereitstellung des individuellen Produktinformationsblattes nach § 7 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes als erfüllt. Dem Kunden sind auf Nachfrage die nach diesem Absatz erforderlichen Informationen über Kosten und Nebenkosten zur Verfügung zu stellen. Der Kunde ist bei Bereitstellung des individuellen Produktinformationsblattes nach § 7 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes ausdrücklich auf dieses Recht hinzuweisen. Wird einem Kunden ein standardisiertes Informationsblatt nach § 64 Absatz 2 Satz 2 zur Verfügung gestellt, sind dem Kunden die Informationen hinsichtlich aller Kosten und

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Nebenkosten nach den Sätzen 4 und 5 unverlangt unter Verwendung einer formalisierten Kostenaufstellung zur Verfügung zu stellen. (8) Die Absätze 6 und 7 gelten nicht für Wertpapierdienstleistungen, die als Teil eines Finanzprodukts angeboten werden, das in Bezug auf die Informationspflichten bereits anderen Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, die Kreditinstitute und Verbraucherkredite betreffen, unterliegt. (9) Bietet ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Wertpapierdienstleistungen verbunden mit anderen Dienstleistungen oder anderen Produkten als Gesamtpaket oder in der Form an, dass die Erbringung der Wertpapierdienstleistungen, der anderen Dienstleistungen oder der Geschäfte über die anderen Produkte Bedingung für die Durchführung der jeweils anderen Bestandteile oder des Abschlusses der anderen Vereinbarungen sind, muss es den Kunden darüber informieren, ob die einzelnen Bestandteile auch getrennt voneinander bezogen werden können und dem Kunden für jeden Bestandteil getrennt Kosten und Gebühren nachweisen. Besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die mit dem Gesamtpaket oder der Gesamtvereinbarung verknüpften Risiken von den mit den einzelnen Bestandteilen verknüpften Risiken abweichen, hat es Privatkunden in angemessener Weise über die einzelnen Bestandteile, die mit ihnen verknüpften Risiken und die Art und Weise, wie ihre Wechselwirkung das Risiko beeinflusst, zu informieren. (10) Vor der Erbringung anderer Wertpapierdienstleistungen als der Anlageberatung oder der Finanzportfolioverwaltung hat ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen von den Kunden Informationen einzuholen über Kenntnisse und Erfahrungen der Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen, soweit diese Informationen erforderlich sind, um die Angemessenheit der Finanzinstrumente oder Wertpapierdienstleistungen für die Kunden beurteilen zu können. Sind verbundene Dienstleistungen oder Produkte im Sinne des Absatzes 9 Gegenstand des Kundenauftrages, muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen beurteilen, ob das gesamte verbundene Geschäft für den Kunden angemessen ist. Gelangt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen aufgrund der nach Satz 1 erhaltenen Informationen zu der Auffassung, dass das vom Kunden gewünschte Finanzinstrument oder die Wertpapierdienstleistung für den Kunden nicht angemessen ist, hat es den Kunden darauf hinzuweisen. Erlangt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht die erforderlichen Informationen, hat es den Kunden darüber zu informieren, dass eine Beurteilung der Angemessenheit im Sinne des Satzes 1 nicht möglich ist. Näheres zur Angemessenheit und zu den Pflichten, die im Zusammenhang mit der Beurteilung der Angemessenheit geltenden Pflichten regeln die Artikel 55 und 56 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. Der Hinweis nach Satz 3 und die Information nach Satz 4 können in standardisierter Form erfolgen. (11) Die Pflichten nach Absatz 10 gelten nicht, soweit das Wertpapierdienstleistungsunternehmen 1. auf Veranlassung des Kunden Finanzkommissionsgeschäft, Eigenhandel, Abschlussvermittlung oder Anlagevermittlung erbringt in Bezug auf a) Aktien, die zum Handel an einem organisierten Markt, an einem diesem gleichwertigen Markt eines Drittlandes oder an einem multilateralen Handelssystem zugelassen sind, mit Ausnahme von Aktien an AIF im Sinne von § 1 Absatz 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs, und von Aktien, in die ein Derivat eingebettet ist, b) Schuldverschreibungen und andere verbriefte Schuldtitel, die zum Handel an einem organisierten Markt, einem diesem gleichwertigen Markt eines Drittlandes oder einem multilateralen Handelssystem zugelassen sind, mit Ausnahme solcher, in die ein Derivat eingebettet ist und solcher, die eine Struktur aufweisen, Stefan Grundmann

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die es dem Kunden erschwert, die mit ihnen einhergehenden Risiken zu verstehen, c) Geldmarktinstrumente, mit Ausnahme solcher, in die ein Derivat eingebettet ist, und solcher, die eine Struktur aufweisen, die es dem Kunden erschwert, die mit ihnen einhergehenden Risiken zu verstehen, d) Anteile oder Aktien an OGAW im Sinne von § 1 Absatz 2 des Kapitalanlagegesetzbuchs, mit Ausnahme der in Artikel 36 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 583/2010 genannten strukturierten OGAW, e) strukturierte Einlagen, mit Ausnahme solcher, die eine Struktur aufweisen, die es dem Kunden erschwert, das Ertragsrisiko oder die Kosten des Verkaufs des Produkts vor Fälligkeit zu verstehen oder f) andere nicht komplexe Finanzinstrumente für Zwecke dieses Absatzes, die die in Artikel 57 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 genannten Kriterien erfüllen, 2. diese Wertpapierdienstleistung nicht gemeinsam mit der Gewährung eines Darlehens als Wertpapiernebendienstleistung im Sinne des § 2 Absatz 7 Nummer 2 erbringt, außer sie besteht in der Ausnutzung einer Kreditobergrenze eines bereits bestehenden Darlehens oder eines bereits bestehenden Darlehens, das in der Weise gewährt wurde, dass der Darlehensgeber in einem Vertragsverhältnis über ein laufendes Konto dem Darlehensnehmer das Recht einräumt, sein Konto in bestimmter Höhe zu überziehen (Überziehungsmöglichkeit) oder darin, dass der Darlehensgeber im Rahmen eines Vertrages über ein laufendes Konto, ohne eingeräumte Überziehungsmöglichkeit die Überziehung des Kontos durch den Darlehensnehmer duldet und hierfür vereinbarungsgemäß ein Entgelt verlangt, und 3. den Kunden ausdrücklich darüber informiert, dass keine Angemessenheitsprüfung im Sinne des Absatzes 10 vorgenommen wird, wobei diese Information in standardisierter Form erfolgen kann. (12) Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen ihren Kunden in geeigneter Weise auf einem dauerhaften Datenträger über die erbrachten Wertpapierdienstleistungen berichten; insbesondere müssen sie nach Ausführung eines Geschäftes mitteilen, wo sie den Auftrag ausgeführt haben. Die Pflicht nach Satz 1 beinhaltet einerseits nach den in den Artikeln 59 bis 63 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 näher bestimmten Fällen regelmäßige Berichte an den Kunden, wobei die Art und Komplexität der jeweiligen Finanzinstrumente sowie die Art der erbrachten Wertpapierdienstleistungen zu berücksichtigen ist, und anderseits, sofern relevant, Informationen zu den angefallenen Kosten. Bei zertifizierten Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen im Sinne des AltersvorsorgeverträgeZertifizierungsgesetzes gilt die Informationspflicht gemäß Satz 1 bei Beachtung der jährlichen Informationspflicht nach § 7a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes als erfüllt. Dem Kunden sind auf Nachfrage die nach diesem Absatz erforderlichen Informationen über Kosten und Nebenkosten zur Verfügung zu stellen. Der Kunde ist bei Bereitstellung der jährlichen Information nach § 7a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes ausdrücklich auf dieses Recht hinzuweisen. (13) Nähere Bestimmungen zu den Absätzen 1 bis 3, 6, 7, 10 und 12 ergeben sich aus der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565, insbesondere zu 1. der Verpflichtung nach Absatz 1 aus den Artikeln 58, 64, 65 und 67 bis 69, 2. Art, Umfang und Form der Offenlegung nach Absatz 2 aus den Artikeln 34 und 41 bis 43, 3. der Vergütung oder Bewertung nach Absatz 3 aus Artikel 27, 4. den Voraussetzungen, unter denen Informationen im Sinne von Absatz 6 Satz 1

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als redlich, eindeutig und nicht irreführend angesehen werden aus Artikel 36 und 44, 5. Art, Inhalt, Gestaltung und Zeitpunkt der nach Absatz 7 notwendigen Informationen für die Kunden aus den Artikeln 38, 39, 41, 45 bis 53, 61 und 65, 6. Art, Umfang und Kriterien der nach Absatz 10 von den Kunden einzuholenden Informationen aus den Artikeln 54 bis 56, 7. Art, Inhalt und Zeitpunkt der Berichtspflichten nach Absatz 12 aus den Artikeln 59 bis 63. (14) Das Bundesministerium der Finanzen kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen zu Inhalt und Aufbau der formalisierten Kostenaufstellung nach Absatz 7 Satz 11 erlassen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen.

§ 64 Besondere Verhaltensregeln bei der Erbringung von Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung; Verordnungsermächtigung (1) Erbringt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Anlageberatung, muss es den Kunden zusätzlich zu den Informationen nach § 63 Absatz 7 rechtzeitig vor der Beratung und in verständlicher Form darüber informieren: 1. ob die Anlageberatung unabhängig erbracht wird (Unabhängige Honorar-Anlageberatung) oder nicht; 2. ob sich die Anlageberatung auf eine umfangreiche oder eine eher beschränkte Analyse verschiedener Arten von Finanzinstrumenten stützt, insbesondere, ob die Palette an Finanzinstrumenten auf Finanzinstrumente beschränkt ist, die von Anbietern oder Emittenten stammen, die in einer engen Verbindung zum Wertpapierdienstleistungsunternehmen stehen oder zu denen in sonstiger Weise rechtliche oder wirtschaftliche Verbindungen bestehen, die so eng sind, dass das Risiko besteht, dass die Unabhängigkeit der Anlageberatung beeinträchtigt wird, und 3. ob das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem Kunden regelmäßig eine Beurteilung der Geeignetheit der empfohlenen Finanzinstrumente zur Verfügung stellt. § 63 Absatz 7 Satz 2 und bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen die Ausnahme nach § 63 Absatz 8 gelten entsprechend. (2) Im Falle einer Anlageberatung ist einem Privatkunden rechtzeitig vor dem Abschluss eines Geschäfts über Finanzinstrumente, für die kein Basisinformationsblatt nach der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 erstellt werden muss, ein kurzes und leicht verständliches Informationsblatt über jedes Finanzinstrument zur Verfügung zu stellen, auf das sich eine Kaufempfehlung bezieht. Die Angaben in den Informationsblättern nach Satz 1 dürfen weder unrichtig noch irreführend sein und müssen mit den Angaben des Prospekts vereinbar sein. Für Aktien, die zum Zeitpunkt der Anlageberatung an einem organisierten Markt gehandelt werden, kann anstelle des Informationsblattes nach Satz 1 ein standardisiertes Informationsblatt verwendet werden. An die Stelle des Informationsblattes treten 1. bei Anteilen oder Aktien an OGAW oder an offenen Publikums-AIF die wesentlichen Anlegerinformationen nach den §§ 164 und 166 des Kapitalanlagegesetzbuchs, Stefan Grundmann

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2. bei Anteilen oder Aktien an geschlossenen Publikums-AIF die wesentlichen Anlegerinformationen nach den §§ 268 und 270 des Kapitalanlagegesetzbuchs, 3. bei Anteilen oder Aktien an Spezial-AIF die wesentlichen Anlegerinformationen nach § 166 oder § 270 des Kapitalanlagegesetzbuchs, sofern die AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft solche gemäß § 307 Absatz 5 des Kapitalanlagegesetzbuchs erstellt hat, 4. bei EU-AIF und ausländischen AIF die wesentlichen Anlegerinformationen nach § 318 Absatz 5 des Kapitalanlagegesetzbuchs, 5. bei EU-OGAW die wesentlichen Anlegerinformationen, die nach § 298 Absatz 1 Satz 2 des Kapitalanlagegesetzbuchs in deutscher Sprache veröffentlicht worden sind, 6. bei inländischen Investmentvermögen im Sinne des Investmentgesetzes in der bis zum 21. Juli 2013 geltenden Fassung, die für den in § 345 Absatz 6 Satz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs genannten Zeitraum noch weiter vertrieben werden dürfen, die wesentlichen Anlegerinformationen, die nach § 42 Absatz 2 des Investmentgesetzes in der bis zum 21. Juli 2013 geltenden Fassung erstellt worden sind, und 7. bei ausländischen Investmentvermögen im Sinne des Investmentgesetzes in der bis zum 21. Juli 2013 geltenden Fassung, die für den in § 345 Absatz 8 Satz 2 oder § 355 Absatz 2 Satz 10 des Kapitalanlagegesetzbuchs genannten Zeitraum noch weiter vertrieben werden dürfen, die wesentlichen Anlegerinformationen, die nach § 137 Absatz 2 des Investmentgesetzes in der bis zum 21. Juli 2013 geltenden Fassung erstellt worden sind, und 8. bei Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes das Vermögensanlagen-Informationsblatt nach § 13 des Vermögensanlagengesetzes, soweit der Anbieter der Vermögensanlagen zur Erstellung eines solchen Vermögensanlagen-Informationsblatts verpflichtet ist, und 9. bei zertifizierten Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen im Sinne des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes das individuelle Produktinformationsblatt nach § 7 Absatz 1 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes sowie zusätzlich die wesentlichen Anlegerinformationen nach Nummer 1, 3 oder Nummer 4, sofern es sich um Anteile an den in Nummer 1, 3 oder Nummer 4 genannten Organismen für gemeinsame Anlagen handelt. (3) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss von einem Kunden alle Informationen 1. über Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen, 2. über die finanziellen Verhältnisse des Kunden, einschließlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und 3. über seine Anlageziele, einschließlich seiner Risikotoleranz, einholen, die erforderlich sind, um dem Kunden ein Finanzinstrument oder eine Wertpapierdienstleistung empfehlen zu können, das oder die für ihn geeignet ist und insbesondere seiner Risikotoleranz und seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, entspricht. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf seinen Kunden nur Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen empfehlen oder Geschäfte im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung tätigen, die nach den eingeholten Informationen für den Kunden geeignet sind. Näheres zur Geeignetheit und den im Zusammenhang mit der Beurteilung der Geeignetheit geltenden Pflichten regeln die Artikel 54 und 55 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. Erbringt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Anlageberatung, bei der verbun-

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dene Produkte oder Dienstleistungen im Sinne des § 63 Absatz 9 empfohlen werden, gilt Satz 2 für das gesamte verbundene Geschäft entsprechend. (4) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Anlageberatung erbringt, muss dem Privatkunden auf einem dauerhaften Datenträger vor Vertragsschluss eine Erklärung über die Geeignetheit der Empfehlung (Geeignetheitserklärung) zur Verfügung stellen. Die Geeignetheitserklärung muss die erbrachte Beratung nennen sowie erläutern, wie sie auf die Präferenzen, Anlageziele und die sonstigen Merkmale des Kunden abgestimmt wurde. Näheres regelt Artikel 54 Absatz 12 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. Wird die Vereinbarung über den Kauf oder Verkauf eines Finanzinstruments mittels eines Fernkommunikationsmittels geschlossen, das die vorherige Übermittlung der Geeignetheitserklärung nicht erlaubt, darf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Geeignetheitserklärung ausnahmsweise unmittelbar nach dem Vertragsschluss zur Verfügung stellen, wenn der Kunde zugestimmt hat, dass ihm die Geeignetheitserklärung unverzüglich nach Vertragsschluss zur Verfügung gestellt wird und das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem Kunden angeboten hat, die Ausführung des Geschäfts zu verschieben, damit der Kunde die Möglichkeit hat, die Geeignetheitserklärung zuvor zu erhalten. (5) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Unabhängige Honorar-Anlageberatung erbringt, 1. muss bei der Beratung eine ausreichende Palette von auf dem Markt angebotenen Finanzinstrumenten berücksichtigen, die a) hinsichtlich ihrer Art und des Emittenten oder Anbieters hinreichend gestreut sind und b) nicht beschränkt sind auf Finanzinstrumente, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst emittiert oder anbietet oder deren Anbieter oder Emittenten in einer engen Verbindung zum Wertpapierdienstleistungsunternehmen stehen oder in sonstiger Weise so enge rechtliche oder wirtschaftliche Verbindung zu diesem unterhalten, dass die Unabhängigkeit der Beratung dadurch gefährdet werden könnte; 2. darf sich die Unabhängige Honorar-Anlageberatung allein durch den Kunden vergüten lassen. Es dürfen nach Satz 1 Nummer 2 im Zusammenhang mit der Unabhängigen HonorarAnlageberatung keinerlei nichtmonetäre Zuwendungen von einem Dritten, der nicht Kunde dieser Dienstleistung ist oder von dem Kunden dazu beauftragt worden ist, angenommen werden. Monetäre Zuwendungen dürfen nur dann angenommen werden, wenn das empfohlene Finanzinstrument oder ein in gleicher Weise geeignetes Finanzinstrument ohne Zuwendung nicht erhältlich ist. In diesem Fall sind die monetären Zuwendungen so schnell wie nach vernünftigen Ermessen möglich, nach Erhalt und in vollem Umfang an den Kunden auszukehren. Vorschriften über die Entrichtung von Steuern und Abgaben bleiben davon unberührt. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss Kunden über die ausgekehrten monetären Zuwendungen unterrichten. Im Übrigen gelten die allgemeinen Anforderungen für die Anlageberatung. (6) Bei der Empfehlung von Geschäftsabschlüssen in Finanzinstrumenten, die auf einer Unabhängigen Honorar-Anlageberatung beruhen, deren Anbieter oder Emittent das Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst ist oder zu deren Anbieter oder Emittenten eine enge Verbindung oder sonstige wirtschaftliche Verflechtung besteht, muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Kunden rechtzeitig vor der Empfehlung und in verständlicher Form informieren über 1. die Tatsache, dass es selbst Anbieter oder Emittent der Finanzinstrumente ist, Stefan Grundmann

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2. das Bestehen einer engen Verbindung oder einer sonstigen wirtschaftlichen Verflechtung zum Anbieter oder Emittenten, sowie 3. das Bestehen eines eigenen Gewinninteresses oder des Interesses eines mit ihm verbundenen oder wirtschaftlich verflochtenen Emittenten oder Anbieters an dem Geschäftsabschluss. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf einen auf seiner Unabhängigen Honorar-Anlageberatung beruhenden Geschäftsabschluss nicht als Geschäft mit dem Kunden zu einem festen oder bestimmbaren Preis für eigene Rechnung (Festpreisgeschäft) ausführen. Ausgenommen sind Festpreisgeschäfte in Finanzinstrumenten, deren Anbieter oder Emittent das Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst ist. (7) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Finanzportfolioverwaltung erbringt, darf im Zusammenhang mit der Finanzportfolioverwaltung keine Zuwendungen von Dritten oder für Dritte handelnder Personen annehmen und behalten. Abweichend von Satz 1 dürfen nichtmonetäre Vorteile nur angenommen werden, wenn es sich um geringfügige nichtmonetäre Vorteile handelt, 1. die geeignet sind, die Qualität der für den Kunden erbrachten Wertpapierdienstleistung und Wertpapiernebendienstleistungen zu verbessern und 2. die hinsichtlich ihres Umfangs, wobei die Gesamthöhe der von einem einzelnen Unternehmen oder einer einzelnen Unternehmensgruppe gewährten Vorteile zu berücksichtigen ist, und ihrer Art vertretbar und verhältnismäßig sind und daher nicht vermuten lassen, dass sie die Pflicht des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu handeln, beeinträchtigen, wenn diese Zuwendungen dem Kunden unmissverständlich offengelegt werden, bevor die betreffende Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung für die Kunden erbracht wird. Die Offenlegung kann in Form einer generischen Beschreibung erfolgen. Monetäre Zuwendungen, die im Zusammenhang mit der Finanzportfolioverwaltung angenommen werden, sind so schnell wie nach vernünftigen Ermessen möglich nach Erhalt und in vollem Umfang an den Kunden auszukehren. Vorschriften über die Entrichtung von Steuern und Abgaben bleiben davon unberührt. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss den Kunden über die ausgekehrten monetären Zuwendungen unterrichten. (8) Erbringt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Finanzportfolioverwaltung oder hat es den Kunden nach Absatz 1 Nummer 3 darüber informiert, dass es die Geeignetheit der empfohlenen Finanzinstrumente regelmäßig beurteilt, so müssen die regelmäßigen Berichte gegenüber Privatkunden nach § 63 Absatz 12 insbesondere eine Erklärung darüber enthalten, wie die Anlage den Präferenzen, den Anlagezielen und den sonstigen Merkmalen des Kunden entspricht. (9) Nähere Bestimmungen zu den Absätzen 1, 3, 5 und 8 ergeben sich aus der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565, insbesondere zu 1. Art, Inhalt, Gestaltung und Zeitpunkt der nach den Absätzen 1 und 5, auch in Verbindung mit § 63 Absatz 7, notwendigen Informationen für die Kunden aus Artikel 52 und 53, 2. der Geeignetheit nach Absatz 3, den im Zusammenhang mit der Beurteilung der Geeignetheit geltenden Pflichten sowie zu Art, Umfang und Kriterien der nach Absatz 3 von den Kunden einzuholenden Informationen aus Artikel 54 und 55, 3. der Erklärung nach Absatz 4 aus Artikel 54 Absatz 12, 4. der Anlageberatung nach Absatz 5 aus Artikel 53, 5. Art, Inhalt und Zeitpunkt der Berichtspflichten nach Absatz 8, auch in Verbindung mit § 63 Absatz 12, aus Artikel 60 und 62.

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(10) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen 1. im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zu Inhalt und Aufbau sowie zu Art und Weise der Zurverfügungstellung der Informationsblätter im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und zu Inhalt und Aufbau sowie Art und Weise der Zurverfügungstellung des standardisierten Informationsblattes im Sinne des Absatzes 2 Satz 2, 2. zu Art, inhaltlicher Gestaltung, Zeitpunkt und Datenträger der nach Absatz 6 notwendigen Informationen für die Kunden, 3. zu Kriterien dazu, wann geringfügige nichtmonetäre Vorteile im Sinne des Absatzes 7 vorliegen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen.

I. Transparenz-, Verhaltens- und Organisationspflichten (Abschnitt 11) als Herz der WpHG-Regulierung – die Transparenzpflichten im Besonderen 1. Überblick über Transparenz-, Verhaltens- und Organisationspflichten – ihre über- 123 ragende Bedeutung. Abschnitt 11 ist mit den Begriffen „Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten“ überschrieben. Sie bilden – jedenfalls nach Auslagerung des Marktmissbrauchsregimes und der Ad-hoc-Publizität u.a. in die MAR – selbstredend das Herz des WpHG und auch breiter der Regulierung des Wertpapierhandels (vgl. bereits oben Rn 5 f., 27). Die drei Begriffe bezeichnen die Pflichten im unmittelbaren Verhältnis zum Kunden (8. Teil Rn 123 ff.) und die auf die innere Organisation bezogenen Pflichten (7. Teil Rn 27 ff.), die vorliegend wegen ihrer nicht unerheblich verschiedenen Funktionalität aufgegliedert werden – so auch das WpHG in zwei große Stücke aufgliedernd (vgl. Verweis unten Rn 255). Dabei regulieren die Verhaltenspflichten den Bereich der Kundenbeziehungen, die Organisationspflichten den organisationsbezogenen, Transparenzpflichten finden sich prominent in beiden Bereichen. Unter den unmittelbar kundenbezogenen Pflichten ist sogar – in der Abfolge der Regeln, jedoch wohl auch in ihrer Bedeutung – ein gewisser Vorrang der Transparenzpflichten zu konstatieren. Vorliegend werden (trotz Kommentierung in der Reihenfolge der Normen) die Transparenz- und die Verhaltenspflichten in der Tat – je nach Schwerpunkt – zunächst einem (vor allem) transparenzorientierten Unterabschnitt zugeordnet (vgl. hier Unterabschnitt D.) und einem Unterabschnitt mit (überwiegend) Verhaltenspflichten (unten Unterabschnitt E., Rn 231 ff.). Diese Qualifikation als – vor allem – transparenz- und informationsrechtlich gilt insbesondere auch für die Kernregeln der §§ 63 f. WpHG – sicherlich noch mehr aus historischer Sicht –,247 obwohl gerade sie mit dem Begriff der „Verhaltenspflichten“ überschrieben sind.

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Vgl. hierzu früh Grundmann, Information, Party Autonomy and Economic Agents in European Contract Law, (2002) 39 Common Market Law Review, 269 (bes. 270–274); Grundmann/Kerber, Information Intermediaries and Party Autonomy – the example of securities and insurance markets, in:, Grundmann/Kerber/Weatherill (Hrsg.), Party Autonomy and the Role of Informa-

tion in the Internal Market, 2001, S. 264; Schön, Zwingendes Recht oder informierte Entscheidung – zu einer (neuen) Grundlage unserer Zivilrechtsordnung, FS Canaris 2007, 1191 (etwa 1196–1201). Und heute Hacker Verhaltensökonomik und Normativität – die Grenzen des Informationsmodells im Privatrecht und seine Alternativen, 2017, S. 729; zum Leitbild des Anlegerschutzes

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2. Funktion, EU-rechtlicher Hintergrund und Anwendungsbereich der Informations-/ Transparenzpflichten im Besonderen

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a) Funktion und Normzweck. Wenn vom WpHG als dem „Grundgesetz“ des Wertpapierhandels zu sprechen ist, so vor allem wegen §§ 63, 64 WpHG, bisher § 31 WpHG. Seine Wohlverhaltensregeln enthalten die Zentralpflichten des Hauptakteurs im Sekundärmarkt. In der Quintessenz ist es seine Aufgabe, die Information in Kapitalmärkten, die für viele Anleger zu komplex ist, für sie aufzubereiten und zu nutzen (Informationsaufbereitungsfunktion).248 Heute erscheint die Norm aufgeteilt in eine generelle (§ 63 WpHG n.F.) und eine für diejenigen beiden (herausgehobenen) Wertpapierdienstleistungen, die in der Beratungsfunktion bzw. Fremdgeschäftsführungsfunktion am weitesten reichen, die Anlageberatung und die Finanzportfoliverwaltung (§ 64 WpHG n.F.) – was manchmal zu Parallelen oder gar Doppelungen führt. 125 Angesichts der Wichtigkeit von §§ 63 f.WpHG und der Wohlverhaltensregeln insgesamt erstaunt es, dass die zentrale Anwendungsfrage im Kundenverhältnis für §§ 63 f. WpHG n.F. und ähnlich für die Organisationsregeln §§ 69–84 WpHG n.F. (§§ 31c–34a WpHG a.F.) letztlich noch immer ungeklärt ist. Das ist die Frage, ob seine Standards als individualschützende – also i.Erg. „vertragsrechtliche“ – Gehalte in die Einzeltransaktionen zwischen Wertpapierdienstleister und Kunden eingehen.249 Auswirkungen hat diese Frage vor allem im Bereich der Sanktionen (daher näher dazu unten Rn 233–225, aber auch Rn 273–276). Dennoch ist schon hier als Grundansatz festzuhalten: Mit dem EuGH ist davon auszugehen, dass die Bestimmung der Ziele durch die EG/EU-Richtlinie Vorrang hat:250 Gerade Normen, die, wie §§ 63 f. WpHG und bisher § 31 WpHG, die Richtlinie(n) inhaltlich identisch umsetzen (dazu sogleich), sind demnach auch im Telos richtlinienkonform auszulegen. In der MiFID I nannten die insoweit maßgeblichen Erwägungsgründe 2, 5, 17, 31 verschiedene Ziele, der 44. sprach ausdrücklich von einer Zweizahl der Ziele. Namentlich sind dies: der „Anlegerschutz“ und die „Integrität und Gesamteffizienz des Finanzsystems“ (vgl. nur 2., 5. und 44. Erw.grund). MiFID II baut sichtlich auf MiFID I auf (1. Erw.grund), spezifiziert jedoch den Anlegerschutz noch exklusiver als das Kernziel der Reform (3. und 4. Erw.grund), auch unter Betonung des besonders störanfälligen Anleger-

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durch Information im WpHG Zimmer JZ 2014, 714 (718); kritisch gegenüber dem Modell des informationsbasierten Anlegerschutzes Koch BKR 2012, 485; zum Informationsmodell als theoretische Regulierungsgrundlage Klöhn ZHR 177 (2013) 349. Zu diesem Normzweck, der sich am besten aus dem ökonomischen Gesamtmodell heraus (auch mit den Bezügen zum Primärmarktrecht) erklärt, vgl. ausführlich oben 5. Teil Rn 14 ff., bes. 28 und oben 8. Teil Rn 35–39. Für eine (auch) vertragsrechtliche Qualifikation früh etwa: Grundmann EG-Schuldvertragsrecht 4.20 Rn 16; und tendenziell Hopt ZHR 159 (1995) 135 (160); Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn 16.506 f.; hingegen für Qualifikation als bloßes Aufsichtsrecht von Anfang an: Ass-

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mann/Schneider/Koller Vor § 31 WpHG Rn 1 ff. Immerhin treffen die Pflichten die Wertpapierdienstleister nur, wenn sie die Dienstleistungspflicht (vertraglich) übernehmen (unten Rn 244), und werden öffentlichrechtliche Regeln, die eine Vertragspartei individuell schützen (Rn 125, 126), andernorts im deutschen Recht als zum Vertragsinhalt gehörig qualifiziert: vgl. etwa für Arbeitsschutznormen (unstreitig): Grundmann EGSchuldvertragsrecht 3.43 Rn 29. Näher, insbes. auch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung, unten Rn 223–225. Das Gericht entschied dies für die Frage, ob eine Norm im angeglichenen nationalen Recht nur im öffentlichen Interesse besteht oder auch Schutzwirkung gegenüber einzelnen Privatrechtssubjekten entfalten muss: Nachw. unten Rn 257 Fn 567.

Stefan Grundmann

Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

vertrauens. Dieses Ziel wird dann für alle Zentralaspekte der Richtlinie „durchdekliniert“ (flächendeckende Regulierung im 37. Erw.grund, ausdrückliche Erstreckung auf den Primärmarkt im 45. Erw.grund, auch verschiedene Organisationsanforderungen in den Erw.gründen 54, 57 und 144, speziell die Wohlverhaltensregeln und die Gebührenregulierung im 70. und 74. Erw.grund). Die Gesamteffizienz wird als Ziel demgegenüber eher nur noch punktuell genannt (etwa Erw.grund 11 oder auf ein sehr spezifisches Phänomen bezogen, Erw.grund 113). Der zusammenfassende Erw.grund 164 MiFID II entspricht dann wieder Erw.grund 44 MiFID I mit der (gleichen) Zweizahl der Ziele. Während mit dem Ziel des Anlegerschutzes der sog. Individualschutz251 gemeint ist, ist mit dem Ziel von Integrität und Gesamteffizienz des Finanzsystem wohl der Funktionsschutz angesprochen, offenbar sowohl hinsichtlich der Wertpapierdienstleister als der Spieler auf den betroffenen Märkten als auch der Kapitalmärkte selbst, auf denen sie agieren.252 Daneben tritt dann noch das Integrationsinteresse, das dahin geht, dass Anbieter verschiedener Mitgliedstaaten europaweit anbieten können, und dass ebendies durch die weiter gehende Durchsetzung des Herkunftslandprinzips bedient wird (vgl. etwa 17. und 23. Erw.grund MiFID I und 2./3., 6/7. und 37./46. Erw.grund MiFID II). Schon für Art. 13, 18, 19 MiFID I (§§ 31–34 WpHG a.F.) wurde nur auf eines dieser 126 Ziele abgestellt, auf den Anlegerschutz. In den Erwägungsgründen, in denen erkennbar Zentralprinzipien bzw. Pflichten aus Art. 13, 18, 19 MiFID angesprochen wurden, geschah das jeweils unter Berufung allein oder doch vorrangig auf das Prinzip des Anlegerschutzes – namentlich im 26. Erw.grund (zum Trenngebot nach Art. 13 Abs. 7 und 8 MiFID I), im 29. Erwägungsgrund (für die Vorbeugung von Interessenkonflikten), dann im 33. und 41. Erw.grund (für die Ausführungsgrundsätze, insbesondere die best execution, als Teil der Wohlverhaltensregeln, Art. 19–22 MiFID I). In MiFID II sind die Erw.gründe, die den Anlegerschutz als Leitschnur benennen ebenfalls bezogen sowohl auf die kundenbezogenen Wohlverhaltensregeln als auch auf die Organisationsregeln (vorige Rn) und steht der Anlegerschutz sogar noch stärker im Vordergrund. Das liegt auch sehr nahe. Da der Kontakt, in dem die Wohlverhaltensregeln (ieS und iwS) zum Tragen kommen, noch stärker individualisiert und als Vertrauensbeziehung ausgestaltet ist als derjenige, in dem die Insiderverbote Wirkung zeitigen, muss das zu diesen Verboten Gesagte a maiore gelten: Das Funktionieren der Märkte und des Systems der Wertpapierdienstleister wird offenbar angestrebt über ein zentrales Mittel: Anlegervertrauen – und zwar individualisiertes, in jedem Einzelfall – muss aufgebaut und aufrecht erhalten werden.253 All dies spricht – entgegen 251

Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 1–3; KölnKomm WpHG/Möllers § 31 Rn 4; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn 16.506 f.; auch Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 511; grundlegend im deutschen Schrifttum: Hopt, Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 51 f., 334–337; ders. 51. DJT 1976, G1 (G47-G51 und G54 f.); Kübler Anlageberatung durch Kreditinstitute, ZHR 145 (1981) 204 (205 f.); speziell zum Anlegerschutz als Leitziel in der MiFID I: Avgouleas Yearbook of European Law 2004, 321 (356); Fleischer BKR 2006, 389 (391); Teuber BKR 2006, 429 (429); und als Leitziel in der MiFID II Moloney, a.a.O. S. 511; Pfisterer, Die neuen

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Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, S. 10. Ebenso Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 1–3; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn 16.509; auch Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 511; grundlegend auch insoweit Hopt und Kübler (wie vorige Fn); breiter zu den Funktionen öffentlicher Aktienmärkte (und und auch den beiden genannten Schutzzielen): Sester ZGR 2009, 310 (317–334); im Kontext der MiFID II etwa Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, S. 13. Vgl. schon oben Teil 6 Rn 337–339, 436 f. und 488–490.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

der hM, jedenfalls in der Praxis in Deutschland – für eine umfassend privatrechtliche Qualifikation der §§ 63 ff. WpHG n.F. Umstritten ist freilich, wie das erste – etwas vage bleibende – Urteil des EuGH in dieser Frage auszulegen ist. Die Bankinter Entscheidung des EuGH254 kann dahin gehend verstanden werden, dass die MIFID-Standards als privatrechtliche – individualschützende – Standards zu verstehen sind, jedoch die privatrechtliche Sanktionsfolge im einzelnen – etwa Nichtigkeit oder Schadensersatzpflicht – vom nationalen Recht zu entscheiden ist; die Entscheidung kann jedoch auch dahin gehend verstanden werden, dass nationales Recht überhaupt darüber entscheidet, ob die MIFID-Standards allein aufsichtsrechtlich oder auch privatrechtlich umgesetzt werden. Die oben genannten Gründe sprechen für die erste Auslegung, sie wird inzwischen auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Spanien und England geteilt.255 Daher kann nach der C.I.L.F.I.T.Rechtsprechung des EuGH (bei Entscheidungserheblichkeit der Frage) jedenfalls wohl nicht mehr ohne (neuerliche, präzisierende) Vorlage an den EuGH davon ausgegangen werden, die MIFID/WpHG-Standards entfalteten keine individualschützende Wirkung.

127

b) EU-rechtlicher Hintergrund und Normstruktur. Art. 18 f. MiFID I wurden in § 31 WpHG a.F. umgesetzt, Art. 24 f. MiFID II jetzt in §§ 63, 64 WpHG n.F. Unter den in allen genannten Rechtsakten – ja sogar schon 1993 in der EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie – statuierten Verhaltensregeln sind drei Komplexe zu unterscheiden: (i) die Sorgfaltsund Interessenwahrungspflicht, (ii) die Beratung und Aufklärung (standardisiert und individuell) sowie – präventiv wirkend – (iii) das Gebot, Interessenkonflikte auszuräumen. Dabei gelten (seit 1997) die Regeln in Übereinstimmung mit den Richtlinienvorgaben für Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen grds. gleichermaßen (vgl. vor allem § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. und § 63 Abs. 1 WpHG n.F. und unten Rn 131); einige Teile der Regelung betreffen jedoch allein Angebote, die überhaupt erst seit der MiFID I als Wertpapierdienstleistungen zu qualifizieren sind, namentlich die Anlageberatung (etwa § 31 Abs. 4 WpHG a.F., heute in einen gesonderten Paragraphen, § 64 WpHG n.F. ausgelagert). Die (hiervon leicht abweichende, jedoch) im Kern ebenfalls dreigliedrige Gesetzesstruktur blieb über die verschiedenen Gesetzgebungs- und Umsetzungsschritte weitgehend die Gleiche, wurde mit der Umsetzung der MiFID II allerdings um einige Regelungen ergänzt. Außerdem wurde die Struktur insofern MiFID I und II stärker angenähert, als auch dort die Regelungen zu Anlageberatung und Finanzportfolioverwal-

254

255

EuGH Urt. v. 30.05.2013 – Rs. C-604/11 (Bankinter) ECLI:EU:C:2013:344 = ABl.EU 2013 C 225/16 (Leitsatz) = EuZW 2013, 557 = ZIP 2013, 1417, Anm. Herresthal a.a.O. 1420; sowie Bernau EWiR Art. 4 RL 2004/39/EG 1/13; Grundmann ERCL 8 (2013) 267; Lieder LMK 2013, 349404; Wilsing/Goslar DStR 2013, 1610; bestätigt durch EuGH Urt. v. 3.12.2015 Rs. C-312/14 (Banif) ECLI:EU:C:2015:794 = ABl. EU 2016 C 38/6. Für Spanien vgl. die verschiedenen Urteile des Supremo Tribunal (st. Rspr.) aus 2014: Roj: STS 354/2014 Id Cendoj: 28079119912014100002 bzw. Roj: STS 2659/2014 Id Cendoj: 28079110012014100312 bzw. Roj:

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STS 2660/2014 Id Cendoj: 2807911001201210031 bzw. Roj: STS 2666/2014 Id Cendoj: 28079110012014100316. Für Großbritannien vgl. Urteile des Supreme Court (Lord Hope) vom 29.2.2012, In the matter of Lehman Brothers International (Europe) (In Administration) and In the matter of the Insolvency Act 1986 [2012] UKSC 6 (zu Trennpflicht entspr. § 84 WpHG); weitere Überblicke bei Möllers ZEuP 2016, 325 (347) (für Österreich und Italien); Didzˇiulis International Journal for Financial Services 2016, 96–104 (für Litauen); für Italien ausf. Imbruglia La regola di adeguatezza e il contratto, 2017.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

tung im Kern jeweils in einen eigenen Artikel ausgelagert sind. Während in allen Umsetzungsfassungen zunächst (i) sowohl die Sorgfalts- und Interessenwahrungspflicht als auch das Gebot, Interessenkonflikte zurückzudrängen, umgesetzt wurden (bisher Abs. 1 Nr. 1 und 2, heute Abs. 1 und 2 von § 63 WpHG), betrifft der Rest der Regelung die Informations- und Beratungspflichten. Dies sind zunächst (seit MiFID I) (ii) die standardisierten Informationspflichten, dann (iii) (seit dem Anfang bereits) die individuellen Informationspflichten, vielfach nach Art der Dienstleistung und des Kunden abschattiert. Dies ist eine gut nachvollziehbare Untergliederung. Der wohl größte Unterschied zwischen den Umsetzungsfassungen nach der MiFID I und der MiFID II (WpHG 2017), liegt darin, dass heute – aufgrund der Auslagerung von Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung – diese Abfolge zweifach durchgespielt wird (in § 63 und in § 64 WpHG n.F.). Für die Kommentierung wird demgegenüber weiterhin auf den genannten Dreiklang gesetzt – solchermaßen die jeweiligen Partien in § 63 und § 64 WpHG einander gegenüberstellend (vgl. unten II.-IV., V.-VI. und VIII.-IX., vgl. in den Überschriften zu diesen Einzelpunkten auch die jeweilige Absatzzählung). Einen Überblick über die Materien und die zahlreichen Binnenumstellungen (vgl. auch noch nächste Randnummern) ergibt sich aus folgender Konkordanz (heute – wegen der Abspaltung Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung – getrennte Materien mit Kursivsetzung für Letztere): Gegenstand (Anordnung orientiert an der neuen Gesetzeslage, namentlich § 63 WpHG, Sonderregeln in § 64 WpHG dem zugeordnet)

§ 31 WpHG a.F.

§§ 63, 64 WpHG n.F.

Sorgfalts-, Interessenwahrungspflicht und Vermeidung Interessenkonflikte

Abs. 1 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 2

§ 63 Abs. 1 § 63 Abs. 2

Strikte Kundeninteressenwahrung in Einzelpunkten – Festlegung Vergütungsleitlinien, – Festlegung Produktzuschnitt (Produktgovernance) – Zielüberprüfung Produktzuschnitt

Neu

Allgemeines Transparenzgebot (insbes. Werbung u.ä.)

Abs. 2

§ 63 Abs. 6 (Ausnahmen Abs. 8)

Standardinformation

Abs. 3

(mit Klärung Beratungsstatus) (mit Basisinformationsblättern)

Abs. 4b Abs. 3a

§ 63 Abs. 7 (Ausnahmen Abs. 8) § 64 Abs. 1 § 64 Abs. 2

Schranken bei der Bündelung von Dienstleistungen

Neu

§ 63 Abs. 9

Abs. 5 und 6–7 Abs. 4, 4a (iVm Abs. 9)

§ 63 Abs. 10, 11 § 64 Abs. 3, 4

Abs. 5a

§ 65

Abs. 4c und 4d Neu

§ 64 Abs. 5 und 6 § 64 Abs. 7, 8

Individuelle Informationserhebungsund -abgabepflichten, Empfehlung 1. Basisregime 2. Regime Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung (speziell Vermögensanlagen) Weitere individuelle Informationsund Verhaltensanforderungen bei Honorarberatung und Finanzportfolioverwaltung

§ 63 Abs. 3 § 63 Abs. 4 § 63 Abs. 5

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

128

Gegenstand (Anordnung orientiert an der neuen Gesetzeslage, namentlich § 63 WpHG, Sonderregeln in § 64 WpHG dem zugeordnet)

§ 31 WpHG a.F.

§§ 63, 64 WpHG n.F.

Information über Ausführung (Nachhandelsinformation)

Abs. 8

§ 63 Abs. 12

Räumlicher Anwendungsbereich

Abs. 10

Entfallen, vgl. jedoch § 1 Abs. 2 (Rn 52–56)

Verweis auf Ermächtigung zu Durchführungsrechtssetzung

Abs. 11

§ 63 Abs. 13 sowie § 64 Abs. 9 und 10

In § 63 Abs. 1 und 2 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1) sind die zentralen Verhaltenspflichten iwS (Duty of Care and of Loyalty) festgeschrieben. Mit § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG wurde Art. 19 Abs. 1 MiFID I umgesetzt, zunächst die Sorgfaltspflicht.256 Der in MiFID I und auch in MiFID II (Art. 24 Abs. 1) stärker betonte Aspekt, dass auf professionelle Standards abzustellen ist, entspricht allgemeiner deutscher Lehre257 und ist jetzt in der Neufassung in § 63 Abs. 1 WpHG n.F. ebenfalls in den Vordergrund gerückt. Weniger deutlich wurde bis zur Neufassung im deutschen Recht der zweite Pflichttyp, den es in treuhänderischen Rechtsverhältnissen von den Sorgfaltspflichten zu unterscheiden gilt: die Interessenwahrungspflicht stricto sensu.258 So ging im WpHG die klare Trennung zwischen Interessenwahrungspflicht und Sorgfaltspflicht verloren; erstere, die gerade im Wertpapierhandel zentrale Bedeutung hat, blieb blass.259 Diese Pflicht, die eine Berücksichtigung allein der Interessen des Kunden gebietet, ist freilich auch im deutschen Recht allgemein anerkannt und wird auch hier von Sorgfaltspflichten und zu Recht auch von der Pflicht, nach Treu und Glauben zu handeln, unterschieden.260 Auch insoweit hat § 63 Abs. 1 WpHG n.F. mit seinem Abstellen auf das beste Interesse des Kunden und dem Insistieren auf Ehrlichkeit und Redlichkeit einen ungleich klareren Normtext gebracht. In § 63 Abs. 2 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) wurde schließlich die Präventionsregel des Art. 24 Abs. 2 256

257 258

Zur ursprünglichen Fassung des WpHG, die das FRUG unverändert ließ, bzw. zur WpDl-RL BT-Drucks. 12/7918 S. 103; Assmann/Schneider/Koller, 4. Aufl. 2006, § 31 WpHG Rn 1 f.; zur Fassung nach dem FRUG KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 17; zur neuen Fassung nach dem 2. FiMaNoG, die jetzt auf „Professionalität“ abstellt: Enriques/Gargantini in: Busch/Ferrarini (Hrsg.) MiFID II and MiFIR, 85 (89 f.). Vgl. nur MünchKommBGB/Grundmann § 276 Rn 58 f. und w.Nachw. unten Fn 264. Zur Verankerung dieser Pflicht in 24 Abs. 1 MiFID II Moloney EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 800; Enriques/ Gargantini in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 85 ff.; und in Art. 19 Abs. 1 MiFID I vgl. Assmann ÖBA 2007, 40 (40, 46); KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 17, 73–76; vgl. auch Grundmann EGSchuldvertragsrecht 4.20 Rn 17 und Leisch

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259

260

Informationspflichten S. 115 (jeweils noch zur [insoweit vergleichbar gefassten] WpDl-RL). Die richtlinienkonforme Auslegung war freilich sicherlich möglich: so zu Recht Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 14; auch Kümpel/Wittig/Seyfried Rn 3.94. Vgl. nur Grundmann Treuhandvertrag S. 148–152, 157–161, 192–236; grundlegend Hueck, Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, 1947, S. 12, 15–19; Lutter AcP 180 (1980) 84 (103–105, 122); und in allen Standardkommentaren, etwa GroßkomAktG/Grundmann 4. Aufl. 2008, § 136 Rn 50–52; GroßkomAktG/Henze/Notz 4. Aufl. 2004, Anh. § 53a Rn 53 f.; Windbichler Gesellschaftsrecht, 24. Aufl. 2017, S. 402–404; Schmidt/Lutter/Fleischer Aktiengesetz, 2015, § 53a Rn 55; MünchKommBGB/Schäfer § 705 Rn 223–225.

Stefan Grundmann

Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

MiFID II (ex-Art. 18 Abs. 1 und 2 MiFID I) (Konfliktvermeidung) inhaltlich identisch umgesetzt. Freilich ist die Regelung knapper, heute vor allem bei der Umschreibung möglicher Konfliktvermeidungsinstrumente (früher eher bei der Umschreibung möglicher Interessenkonflikte), so dass die Richtlinienregelung ggf. erläuternd zu Rate zu ziehen ist (vgl. näher unten Rn 144–157). Deutlich ausführlicher und i. Erg. zutreffend umgesetzt sind die Informationsregeln: 129 Mit § 63 Abs. 6–7, 9–12 und § 64 Abs. 1–4 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 2–5 WpHG) sind weitgehend identisch Art. 24 Abs. 4–6, 11 und 25 Abs. 2–6 MiFID II (Art. 19 Abs. 3–8 MiFID I) umgesetzt, wobei im deutschen Recht schon vor der Umsetzung der MiFID II zusätzlich spezifiziert war, dass der Unterschied zwischen Werbemittel und neutralem Analysemittel klar zu stellen ist (so jetzt ausdrücklich auch § 24 Abs. 3 S. 2 MiFID II), und in § 63 Abs. 6 S. 3 WpHG n.F. (und schon Abs. 2 S, 2 a.F.) das Empfehlungsverbot bei Ungeeignetheit eingearbeitet wurde, das auf Europäischer Ebene erst die Durchführungs-Richtlinie (Art. 35 Abs. 5 = Art. 54 Abs. 8 DV 2017/565) brachte/bringt. Das deutsche Recht war auch schon bisher insofern besonders spezifisch, als es die Geeignetheits- bzw. Angemessenheitskriterien nochmals spezifizierte und spezifiziert. Die Regeln darüber, dass auf Kundenangaben und Professionalität in bestimmtem Umfang vertraut werden darf, finden sich ebenfalls parallel (§ 65 Abs. 2 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 6 und 9 bzw. Art. 35 Abs. 2, 36 2. UA, 37 Abs. 3 FM-DRL = Art. 54 Abs. 2, 55 Abs. 3, 56 Abs. 1 2. UA DV 2017/565). Eine inhaltliche Diskrepanz zwischen Europäischer Vorgabe und deutschem Recht ergibt sich aus all dem nicht. Auch die „Ausnahme“ für eine Ausführung ohne Informationspflicht in besonderen Fällen, das sog. „execution only“ in § 63 Abs. 11 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 7) kann sich auf eine entsprechende Ausnahmevorschrift in Art. 25 Abs. 4 MiFID II stützen (bisher Art. 19 Abs. 6 MiFID I). Übereinstimmend formuliert ist schließlich auch die Nachhandelsinformationsregel in § 63 Abs. 12 WpHG (ex-§ 31 Abs. 8), in Umsetzung von Art. 25 Abs. 6 MiFID II (bisher Art. 19 Abs. 8 MiFID I, wie jetzt in MiFID II auch Bericht über Kosten ausdrücklich gefordert). Schon seit der Umsetzung der MiFID I durch das FRUG war diese Grundnorm freilich 130 nicht mehr leicht zu überblicken, zehn Absätze (materiellrechtlichen Gehalts) traten an die Stelle von vorher drei, mit der MiFID II stieg die Zahl auf siebzehn. Und im deutschen Recht wurde die Norm zudem aufgespalten (§ 63 und § 64 WpHG n.F.), die Zahl der Absätze mit materiellrechtlichem Regelungsgehalt liegt im Umsetzungsgesetz nochmals höher. Es bleibt zwar dabei, dass alle Regelungen drei Pflichtentypen betreffen: die Sorgfaltspflicht, die Interessenwahrungspflicht (mit Konfliktvermeidung) und die Aufklärungspflichten. Während die Ersten beiden jedoch weiterhin in nur einem Absatz (WpHG a.F.: § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2) bzw. zwei Absätzen geregelt sind (§ 63 Abs. 1 WpHG n.F., unten Rn 140–143 bzw. 134–139), und während dieser Normteil zudem noch die Regelung für Interessenkonflikte umfasst (Abs. 1 Nr. 2 a.F., Abs. 2 n.F., unten Rn 144–157), wird für die Aufklärungs- und Beratungspflichten seit dem FRUG und erst recht seit dem 2. FiMaNoG vielfach unterschieden, sachlich und persönlich. Die Abschattierung im Schutz war eines der Hauptanliegen bereits der MiFID-I-Reform – zwischen verschiedenen Anlegergruppen –, es sollte jedoch auch nicht mehr die Anlageberatung als Leitbild dominieren.261 Mit der MiFID-II-Reform kam das Anliegen hinzu, noch stärker auf kognitive Verzerrungen von Anlegern einzugehen, namentlich mit den Regeln über Produkt-Gover261

Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (628) (mit Kritik an der früheren, generalklauselartigen Erfassung, die dem Charakter eines Massengeschäfts nicht gerecht wurde); Flei-

scher BKR 2006, 389 (394); Teuber BKR 2006, 429 (434); Holzborn/Israel NJW 2008, 791 (793).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

nance und Definition geeigneter Zielmärkte.262 Daraus ergibt sich für das heutige Recht im Wesentlichen die folgende Abfolge (nach § 63 WpHG n.F., soweit nicht anders angegeben). Auf die neu eingefügten Absätze 3–5, die noch die Interessenwahrungspflicht weiter unterfüttern (zu kundengerechter Vergütungspolitik und Produkt-Governance, unten Rn 158–164), folgen (wie schon bisher) Regeln, die allgemein die Offenheit jeder (überhaupt gegebenen) Information einfordern (Transparenzgebot, Abs. 6 und 8, unten Rn 165–170) und standardiserte Aufklärungspflichten konkretisieren (Abs. 7, 8, außerdem § 64 Abs. 1, 2 WpHG n.F., insgesamt unten Rn 171–183). Nach einer (wiederum neu eingefügten) Regel zu Schranken bei der Bündelung von Dienstleistungen (Abs. 9, unten Rn 184) finden sich abschließend (wie schon bisher) ausführliche Regeln zur individuellen Informationserhebung und -abgabe (Abs. 10, 11 und § 64 Abs. 3, 4 und auch Abs. 5–8 WpHG n.F., insgesamt unten Rn 185–221) und zur Nachhandelsinformation (Abs. 12, unten Rn 222). Bei den individuellen (und schwächer auch bei den standardisierten) Informationspflichten wird dabei sachlich zwischen drei Fallgruppen unterschieden, an die sich unterschiedlich intensive Aufklärungspflichten knüpfen. Am intensivsten sind die Anforderungen für (1) die Anlageberatung und Portfolioverwaltung (§ 64 Abs. 1–8 WpHG n.F., kumulativ zu denen bei sonstigen Wertpapierdienstleistungen, unten Rn 176–183 und 198–213). Bereits abgesenkt sind die Anforderungen für (2) die sonstigen Wertpapierdienstleistungen, etwa den reinen Wertpapierhandel (§ 63 Abs. 7, 8, 10 und 11 WpHG n.F., unten Rn 171–175 und 189–192), gefolgt von (3) dem reinen execution only Geschäft ohne Aufklärungspflichten, das gegenüber Privatkunden freilich nur bei relativ risikoarmen Instrumenten zulässig ist (Abs. 11, unten Rn 193–197). In den ersten beiden Geschäftsbereichen ist freilich nochmals eine Absenkung des Standards auch auf Grund persönlicher Merkmale möglich (Abs. 7 und 10 und jeweils in den genannten Abschnitten). Daher ist auch in diesen Geschäftsbereichen etwa gegenüber professionellen Kunden ein Anforderungsprofil denkbar, das dem bei der execution only ähnelt.

131

c) Sachlicher Anwendungsbereich. Die Wohlverhaltensregeln der § 63 f. WpHG n.F. gelten nur für Wertpapierdienstleister iSv. § 2 Abs. 10 WpHG (vgl. Kommentierung dort, Rn 87 f., auch zur entsprechenden Anwendung der vertraglichen Gehalte auf andere Dienstleister). Für Anlagen des sog. Grauen Kapitalmarktes wurde für Dienstleister/Vermittler, die nicht zugleich Wertpapierdienstleister sind, jedoch ein weitgehend vergleichbares Parallelregime formuliert (vgl. Rn 72 und 112). Darüber hinaus ist der sachliche Anwendungsbereich auf Wertpapierdienstleistungen und – seit dem Umsetzungsgesetz Bankund Wertpapieraufsicht von 1997 – auf Wertpapiernebendienstleistungen iSv. § 2 Abs. 8, 9 WpHG n.F. beschränkt (vgl. Kommentierung dort). Für das Handeln von Unternehmen aus Drittländern ist dies unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 WpHG n.F. („Angebot im Inland“) generell so vorgesehen (vgl. oben Rn 52–54). Es gilt jedoch auch für § 63 Abs. 2 WpHG n.F. „Geschäfte(n) für Kunden“ meint – was auch sprachlich anklingt – nur Geschäfte in Form von Wertpapierdienstleistungen oder -nebendienstleistungen, nicht jede Form des Geschäftsabschlusses, etwa eines Kreditvertrags, den eine Universalbank eingeht. Dies ergibt sich u.a. daraus, dass § 80 Abs. 1 Nr. 2 WpHG n.F. als die Parallelnorm für die organisatorische Gestaltung ausdrücklich auf diese Art Dienstleistungen beschränkt ist. Entsprechendes gilt, wo sonst in § 63 WpHG n.F. allgemein von Geschäft u.ä. gesprochen wird (etwa Abs. 10, 12), was jedoch dort jeweils in anderen Satzteilen auf eine Wertpapierdienstleistung bezogen wird.

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Grundmann/Hacker in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 165 (bes.

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185 f.); ähnlich Möllers/Poppele ZGR 2013, 437 (456 ff.).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

II. Sorgfalts- und Interessenwahrungspflicht (§ 63 Abs. 1 WpHG n.F. – ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1) 1. Unterscheidung der beiden Grundpflichten. Alle drei Richtliniengenerationen un- 132 terscheiden im Ausgangsartikel – erster Absatz – im Kern zwei Hauptpflichten, eine Sorgfalts- und Professionalitätspflicht und eine Interessenwahrungspflicht stricto sensu. Die Eingangsformel macht klar, dass Wertpapierdienstleister alle im Folgenden erörterten Pflichten gleichermaßen bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen wie bei Wertpapiernebendienstleistungen zu beachten haben (vgl. schon vorige Rn). § 63 Abs. 1 WpHG nimmt die genannte Unterscheidung zweier Hauptpflichten – wörtlich an Art. 24 Abs. 1 MiFID II orientiert, der die maßgebliche Formel seinerseits aus Art. 19 Abs. 1 MiFID I übernahm – auf, indem er drei Elemente benennt: Ehrlichkeit und Redlichkeit („honestly and fairly“), Professionalität („professionally“), in beiden Fällen „im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden“. Einfacher zu fassen ist der Kernpunkt der Unterscheidung, wenn man zuerst die Sorgfaltsformel betrachtet. Im angloamerikanischen (Treuhand-)Recht wird die „duty of care“ (auch „duty of diligence“) von der „duty of loyalty“ (auch „duty of fairness“) unterschieden.263 Bei ersterer geht es um die professionellen Fähigkeiten, die im erforderlichen Umfange vorhanden und eingesetzt werden müssen. Hierfür wurde die sog. Business Judgment Rule entwickelt, nach der in Geschäftsentscheidungen regelmäßig ein Ermessensspielraum besteht (heute auch vergleichbar § 93 Abs. 1 S. 2 AktG); dass eine Entscheidung ermessensfehlerhaft war, kann jedenfalls nicht mit ex-post-Erkenntnissen begründet werden, sondern, wenn die erforderlichen Informationen eingeholt und andere vorgeschriebene Prozeduren eingehalten wurden, allein damit, dass sie ex ante kaufmännisch unvertretbar war. Auch wenn der Sorgfaltsstandard bei Wertpapierdienstleistungen nicht im Sinne der Business Judgment Rule gesenkt werden muss, um Anreize zu aktivem, auch risikofreudigem Handeln zu geben, ist der Pflichtenmaßstab doch nicht allein anhand der Interessen des Kunden zu bestimmen. Bei der duty of loyalty geht es demgegenüber um die gänzliche Ausschaltung konfligierender Eigeninteressen: Diese dürfen nicht nur nicht dominieren, sondern überhaupt nicht berücksichtigt werden (dazu unten Rn 134–139). § 63 Abs. 1 WpHG n.F. unterscheidet sich im Punkte Sorgfaltspflicht nur nach dem ers- 133 ten Anschein hierin von seinem Pendant in § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F., der die Vorgabe aus MiFID I noch nicht (praktisch) wörtlich übernommen hatte. Während die alte Fassung ausdrücklich nur eine generelle Sorgfaltspflicht vorsah und diese in der neuen Fassung eher im Begriff der „Professionalität“ eingebettet als ausdrücklich ausformuliert erscheint, ist das einerseits doch nur dem ersten Anschein nach so. Es wird nämlich die Sorgfaltspflicht durchaus auch in der neuen Fassung angesprochen, nur wird sie hier mit dem Begriff der Professionalität sofort (wie auch im deutschen Recht geläufig) auf den jeweiligen Verkehrskreis bezogen.264 Und andererseits verhält es sich mit der Interessenwahrungspflicht eher 263

Zur Abgrenzung beider Pflichtentypen, insbes. zum (milderen) Standard der Duty of Care (und Business Judgment Rule) und ihrer Unanwendbarkeit in Interessenkonfliktfällen: Shlensky v. Wrigley, 237 N. E.2 d 776, 778–780 (Ill.App.Ct. 1968); Weiss 70 Cornell Law Review 1 (bes. 13–26) (1984); Clark, Corporate Law, 1986, S. 123–141; Gevurtz, Corporation Law, 2. Aufl. 2010, S. 278–297; Henn/Alexander, Laws of Corporations and other Business Enterprises, 3.

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Aufl. 1983 (Supplement 1986), S. 661–663; Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2006, Rn 69, 843 f., 855; zu der Verortung auch in der MiFID (I und II) vgl. Nachw. oben Fn 256 und 258. Vgl. allgemein nur MünchKommBGB/ Grundmann § 276 Rn 58 f.; spezifisch für § 63 Abs. 1 WpHG n.F. die Beispiele bei Enriques/Gargantini in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, 85 (89 f.).

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sogar umgekehrt. Diese Pflicht ist mit den Begriffen „ehrlich“, „redlich“ und „im besten Kundeninteresse“ in der neuen Fassung geradezu abundant niedergelegt (vgl. nächste Rn). Auch wird die Sorgfaltspflicht in der neuen Fassung nicht hinsichtlich der einzusetzenden Mittel konkretisiert, während in der alten Fassung immerhin noch Sachkenntnisse ausdrücklich gefordert wurden. Zugleich sind diese Elemente der Sorgfaltspflicht – systematisch sogar überzeugender – heute unter den organisationsbezogenen Regeln zu finden (vgl. namentlich § 81 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit. b) WpHG n.F. und §§ 25c Abs. 1 S. 2 und 25e S. 1 KWG, oben 7. Teil Rn 31 f., 89 f.).

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2. Interessenwahrungspflicht stricto sensu. Ungleich fordernder ist die Interessenwahrungspflicht stricto sensu, insbesondere im Hinblick auf Eigeninteressen des Wertpapierdienstleisters. Diese dürfen nicht nur nicht dominieren, sondern überhaupt nicht berücksichtigt werden.265 Diese treuhänderische Zentralpflicht gilt freilich nur, soweit und weil ein Anbieter, hier der Wertpapierdienstleister, eine Einflussposition (unentgeltlich und zweckgebunden) übertragen erhalten hat, also für die Wertpapieremission und -anlage etc.; die Pflicht gilt (nur) nicht für das Gegenseitigkeitsverhältnis von Dienstleistung und deren Vergütung.266 Mit beiden Begriffen oder Begriffspaaren (vorige Rn) wurden also die treuhänderische Interessenwahrungspflicht stricto sensu und die – keineswegs treuhandspezifische – Pflicht zum sorgfältigen Handeln geregelt.267 Unerbittlich ist die Interessenwahrungspflicht stricto sensu, die verletzt ist, wenn Einflusspositionen mit Eigennutzinteresse eingesetzt werden. Wichtig ist die – auch weiterhin zutreffende – Präzisierung, dass im Persönlich-Sächlichen und in den Prozeduren für alle Aspekte der Befolgung der Interessenwahrungspflicht die nötige Ausstattung vorhanden sein und eingesetzt werden muss, nicht nur für die Vermeidung von Interessenkonflikten. Das statuiert für Hauptfragen auch § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 3 WpHG n.F. (oben 7. Teil Rn 31 f., 36–43, 44–69), (zu recht) noch allgemeiner früher 3. Spiegelstrich der Parallelregel in Art. 11 Abs. 1 S. 4 WpDl-RL.

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3. Insbesondere: Ankaufs- und Verkaufsempfehlungen nur im Kundeninteresse. Nunmehr allein aus § 63 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1) abzuleiten sind spezielle Verhaltenspflichten, die vor dem FRUG in § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie Abs. 2 Nr. 1 WpHG a.F. für Geschäfte des Instituts und für Mitarbeitergeschäfte näher umrissen waren.268 Dabei handelt(e) es sich im Wesentlichen um Anwendungsfälle der Interessenwahrungspflicht

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Unstreitig im Recht der treuhänderischen Einzelverträge, zu denen die Anlageberatung zählt: vgl. etwa Gevurtz (oben Fn 263) S. 340–407; Shepherd, The Law of Fiduciaries, 1981, S. 132–136; Scoles/Halbach/Roberts, Problems and Materials on Decedents’ Estates and Trusts, 7. Aufl. 2006, S. 747– 774, bes. 747. Für das englische Recht, das insoweit auch den Begriff der „Fairness“ verwendet: Blair/Walker, Financial Services Law, 2014, Rn 16.48. Für eine Pflicht, Eigeninteressen hintan zu stellen, im Rahmen der Interessenwahrungspflicht nach WpHG: Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 13–18; und bereits Schwark, Bankrechtstag 1995, 109 (114 f. und 116 f.). Vgl. näher Grundmann Treuhandvertrag, S. 92–96, 212–220.

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Demgegenüber liest Assmann/Schneider/ Koller, 4. Aufl. 2006, § 31 WpHG Rn 5 f. das Element der Fremdnützigkeit offenbar in den Begriff der „Sorgfalt“ („care“) hinein; ebenso BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 23. Zum Treuhandvertrag als dem Vertragstyp des neutralen Handelns und zur Interessenwahrungspflicht stricto sensu monographisch: Grundmann Treuhandvertrag. So ausdrücklich Regierungsbegründung zum FRUG, BR-Drucks. 833/06 S. 157; dafür, dass diese Rechtsfolgen ohnehin bereits aus der Generalklausel des § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F., heute § 63 Abs. 1 WpHG n.F. (Interessenwahrungspflicht) herzuleiten waren, vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR VI Rn 233.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

stricto sensu. So dürfen Ankaufs- und Verkaufsempfehlungen allein im Kunden-, nicht im Eigeninteresse abgegeben werden. Das wird nach dem 2. FiMaNoG sogar noch insoweit unterstrichen, als nunmehr nicht einmal mehr die interne Vergütungspolitik so gestaltet sein darf, dass sie gegenläufige Anreize auslöst (Abs. 3, unten Rn 158 f.). Hierher zählt insbesondere die Tätigung von Transaktionen im eigenen Provisionsinteresse, genauer: Transaktionen, die nicht ausschließlich durch das Kundeninteresse gerechtfertigt sind (sog. Churning, Provisionsschinderei).269 a) Wahrung des Kundeninteresses. Die eine Seite der Medaille der Interessenwah- 136 rungspflicht statuiert § 63 Abs. 1 WpHg n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) mit der gebotenen Klarheit (wie zuvor § 32 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F.): Wertpapierdienstleistungen – etwa Aufklärung, Beratung und Empfehlung – sind am Interesse des Kunden auszurichten. Dieser Teil der Pflicht – die Ausrichtung allein am Kundeninteresse – ist auch absolut (relativ hingegen die Sorgfaltspflicht, vgl. unten Rn 138 ff.). b) Unbeachtlichkeit anderer Interessen. Die größte Gefahr eines Verstoßes gegen die 137 Pflicht, das Kundeninteresse zu wahren, ist darin zu sehen, dass der Wertpapierdienstleister Empfehlungen, Auskünfte oder Beratung (auch) am Eigeninteresse ausrichtet. Beide Aspekte – Interessenwahrungspflicht und Verbot, das Eigeninteresse als konkurrierende Leitlinie einzubeziehen – kodifizierte mustergültig § 32 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG a.F., dessen Gehalt nach dem Gesagten unverändert als Gehalt von § 63 Abs. 1 WpHG n.F. (zwischenzeitlich ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1) zu sehen ist. Jedoch auch eine Ausrichtung am Interesse Dritter, etwa anderer Anleger oder der Allgemeinheit ist unzulässig,270 etwa die Empfehlung von Effekten insolvenzgefährdeter Unternehmen aus Sorge um Arbeitsplätze. Demgegenüber gebietet die Interessenwahrungspflicht stricto sensu an sich noch nicht, den informierten Kunden vor sich selbst zu schützen und ihn bei der Durchführung spekulativer Geschäfte zu beschränken.271

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Nach a.F. war es in beiden Kategorien von Geschäften verboten, 1. Kunden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens den Ankauf oder Verkauf von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten zu empfehlen, wenn und soweit die Empfehlung nicht mit den Interessen der Kunden übereinstimmt, 2. Kunden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens den Ankauf oder Verkauf von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten zu dem Zweck zu empfehlen, für Eigengeschäfte des Wertpapierdienstleistungsunternehmens oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens Preise in eine bestimmte Richtung zu lenken. Beides verstößt heute ebenfalls offensichtlich gegen § 63 Abs. 1 WpHG n.F. KG Urt. v. 06.12.2005 – 7 U 201/04, ZIP 2006, 1497 (1498) (auch Schutzgesetz); Schwark Bankrechtstag 1995, 109 (116 f.); Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 17, 158; BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 23. Im deutschen Recht fand sich diese spezifi-

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sche Regel schon vorher dort, wo die Interessenwahrungspflicht einmal geregelt ist: vgl. § 86 Abs. 1 2. Halbs. HGB und die Nachw. in Grundmann Treuhandvertrag S. 384 Fn 76 (für die Kommission vgl. S. 411). Speziell für das Churning: Ahrendts ÖBA 1996, 275 (278 f.); Cahn ZHR 162 (1998) 1 (39); Rössner/Arendts WM 1996, 1517 (bes. 1525 f.); Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 26 sowie § 31d WpHG Rn 1 ff. (auch keine solche Anreize für Mitarbeiter schaffen, entsprechend dem heute in § 63 Abs. 3 WpHG n.F. Geregelten); KölnKomm WpHG/Möllers § 31 Rn 141 ff. Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 17 f.; KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 78, § 32 Rn 35. BGH Urt. v. 08.05.2001 – XI ZR 192/00, NJW 2002, 62 (63); BGH Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 21/05 ZIP 2003, 2295 (2296) (Consors); BGH Urt. 11.11.2003 – XI ZR 21/03, NJW-RR 2004, 484 (485) (Vorlagepflicht an den EuGH verneint).

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Absolut ist auch das Gebot, Eigeninteressen hintan zu stellen. Mit diesem zweiten Aspekt der Interessenwahrungspflicht stricto sensu soll das wichtigste Gefährdungspotential für eine anlegerinteressengerechte Aufklärung, Beratung, Empfehlung oder sonstige Wertpapierdienst- oder -nebendienstleistungen ausgeschaltet werden. So ist die eigensüchtig gefärbte Informierung schon nicht umfassend „zweckdienlich“. Verstöße gegen die Interessenwahrungspflicht sind bereits hier zu prüfen. Zu begründen ist diese Pflicht wiederum damit, dass der Begünstigte dem Pflichtigen ohne gesonderte Gegenleistung (Einfluss-)macht einräumt, auf deren Grundlage dieser handelt272 – das Vertrauen auf die Empfehlung, jedoch auch auf die Aufklärung und Beratung. 139 Das Gesetz griff in § 32 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. (nur) ein typisches Verstoßbeispiel heraus: die Empfehlung mit Auswirkung auf den Eigenhandel – so die Empfehlung kurz nach Tätigung gleichläufiger eigener Transaktionen, um den Kurs des eigenen Wertpapierbestandes bzw. Derivats zu verbessern (sog. Scalping),273 oder kurz vor bzw. zeitgleich mit Tätigung gegenläufiger eigener Geschäfte. Heute verstoßen diese Praktiken gegen § 63 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1), bei Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung auch § 64 Abs. 3, 4 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 4).274 Dabei dürfte es genügen, wenn das Eigeninteresse nachgewiesenermaßen die Entscheidung mit beeinflusste, ggf. auch nur beeinflussen konnte. Ein Nachteil für den Kunden muss nicht nachgewiesen sein. Insofern handelt es sich bei der Interessenwahrungspflicht auch um eine Präventionsregel, die den Kunden vor kaum überwindlichen Beweisproblemen bewahren will. Umgekehrt genügt es noch nicht allein, dass Eigeninteressen überhaupt vorlagen; dann freilich besteht in solch einer Situation jedenfalls eine Aufklärungspflicht über den Interessenkonflikt nach § 63 Abs. 2 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 2).

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4. Sorgfaltspflicht. Keine Frage der Interessenwahrungspflicht stricto sensu, sondern des Gegenseitigkeitsverhältnisses von Dienstleistung und Vergütung, dh. der erforderlichen Sorgfalt, ist demgegenüber diejenige nach dem Maß der Bemühungen, die der Wertpapierdienstleister schuldet. Auch insoweit sieht schon die Richtlinie nach ihrem Wortlaut offenbar einen hohen Standard vor (vgl. Erw.gründe 3, 71 und 79 MiFID II und schon 2., 29. und 31. Erw.grund MiFID II), was in § 63 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1) übernommen wurde. Anders als bei der Frage, ob die Einflussposition in irgendeiner Weise zum eigenen Nutzen verwendet werden darf, muss hier jedoch das Interesse des Wertpapierdienstleisters nicht ausgeblendet bleiben: Das Maß seiner Verpflichtung zur Dienstleistung ist unter Heranziehung auch seiner Interessen zu ermitteln. Dies gilt etwa für die Frage, inwieweit er Routinen einsetzen darf oder wie weit seine Pflicht reicht, sich nicht-präsentes Wissen zu verschaffen.275 Für eine solche Sicht spricht bereits der Um-

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Grundmann Treuhandvertrag S. 192–220. Dazu schon oben 6. Teil Rn 346 (Insiderhandel bzw. Marktmanipulation), außerdem (auch unter dem Aspekt Wohlverhaltenspflichten): BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 59a; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn 16.593; KölnKommWpHG/ Möllers § 32 Rn 42. Ein Hauptfall ist jedoch nicht erfasst, da Börsendienste und deren Journalisten (mangels gewerbsmäßiger Vornahme oder Vermittlung von Wertpapierdienstleistungen [Handel]) nicht Wertpapierdienstleister sind: Assmann/Schneider § 2

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WpHG Rn 111–119. Art. 7–11, 14 MAR (Insiderverbote) greifen zwar ein, jedoch erst bei erheblicher Kursrelevanz. BR-Drucks. 833/06 S. 157. Außerdem potenzieller Verstoß gegen Art. 12 f., 15 MAR, vgl. oben 6. Teil Rn 438–468. Vgl. in diesem Sinne und durchaus keine grenzenlose Pflicht statuierend: BGH (oben Rn 5), BGHZ 123, 126 (129 f.) = NJW 1993, 2433 (2433) (solch weitreichende Pflichten freilich nur bei ins Anlageprogramm aufgenommenen Werten); ebenso KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 80. Demge-

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

stand, dass umfangreich auch standardisiert aufgeklärt werden darf (Abs. 3 und 3a). Demgegenüber ist ein zweiter Fall, die Suche nach der kostengünstigsten und schnellsten Ausführung heute spezialgesetzlich ausgestaltet (§ 82, auch § 69 WpHG n.F.; ex-§§ 33a, 31c WpHG).276 Anders als das Interessenwahrungsgebot (oben Rn 137 f.), ist das Sorgfaltsgebot rela- 141 tiv – etwa für die Informationsbeschaffung: Natürlich können noch akribischere Informationserhebung, noch intensivere, längere Beratungsgespräche potentiell das Kundeninteresse noch weitergehend fördern. Hier jedoch ist eine Abwägung der Interessen nötig – hier desjenigen an rationeller, routinemäßiger Informationserhebung und -weitergabe und dort an Optimierung von Aufklärung und Beratung, um das renditeträchtigste und/oder sicherste etc. Instrument zu finden. Hierher zählen die Fragen, wie viel nicht präsente Information zu eruieren ist277 oder wie stark pauschalisierend Gruppen von Anlegern gebildet und jeweils gleich beraten werden dürfen,278 was § 63 Abs. 4–5 WpHG n.F. mit seinen Regeln zu Produktgovernance und Scheidung von Zielmärkten (trotz der auch schutzverstärkenden Wirkung dieses Regimes) heute besonders nahelegt. Wie viel Sorgfalt geschuldet ist, wie nahe die Empfehlung dem optimalen Instrument kommen muss, wird in der Tendenz beantwortet: Sowohl Art. 24 Abs. 1 MiFID II/Art. 19 Abs. 1 MiFID I als auch § 63 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1) fordern jedenfalls einen Grundstandard bei Informationsermittlung und -weitergabe, der grundsätzliche Richtigkeit verbürgt. Anders kann „professionelle“ Sorgfalt nicht verstanden werden. Umgekehrt werden jedoch Superlative vermieden und ist nur vom „bestmöglichen“ Interesse bzw. von Handeln „im Interesse seiner Kunden“ die Rede. Jenseits des Mindeststandards wäre es, da in beiden Rechtsakten Kapitalmarkteffizienz angestrebt ist, dogmatisch gut vertretbar, wenn etwa der EuGH die Chancen einer weiteren Steigerung etwa der Renditeerwartungen zu den Kosten einer weiteren Informationserhebung in Relation setzen und daraus den Sorgfaltsstandard ableiten würde.279 Der Sorgfaltsmaßstab kann – in den (breiten) Grenzen von § 138 BGB und den engen 142 Grenzen von § 63 WpHG n.F. (vgl. Rn 203 f., 232) – jedenfalls durch Individualabsprache

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genüber pauschal für die Unzulässigkeit von Routinen: Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 17. Vgl. oben 7. Teil Rn 91–105 und unten Rn 236–242; zur Rechtslage vor dem FRUG Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR VI Rn 195. Vgl. dazu die Angaben in BGH (oben Rn 5), BGHZ 123, 126 (129–131) = NJW 1993, 2433 (2433 f.); und unten Rn 189–191, 198–204. Dazu: Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 153 (immer noch schärfer: „Rationalisierungsvorteile alleine rechtfertigen keine pauschale Anlageberatung …“); KölnKommWpHG/Möllers § 32 Rn 38 f.; für Gruppenbildung: BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 45; differenzierend Assmann/Schütze/ Schäfer § 13 Rn 3, 11; für das Regime der MiFID II vgl. auch Brenncke Commentary

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on MiFID II Conduct of Business Rules, S. 32 f.; vgl. auch allgemein zum Spannungsfeld zwischen Kunden, Kreditinstituten und Aufsichtsbehörden Tilmes/Jakob/Gutenberger Die Bank 2011, 30 ff.; vgl. näher zur Bildung von Anlegergruppen in der Praxis Kohlert, Anlageberatung und Qualität – ein Widerspruch? S. 62 ff. Zu Ansätzen hierfür, ausgehend von der sog. Learned-Hand-Formel, vgl. Cooter/ Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2014, S. 178–180; Kötz, FS Steindorff 1990, S. 643 (647–649); Kötz/Schäfer JZ 1992, 355 (356); Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip – Möglichkeiten und Grenzen der ökonomischen Analyse des Rechts, 2. Aufl. 1998, S. 456, 471; Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 191–196; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 157–159, 190–193.

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ausgehandelt werden. Wie bei der Aufklärung ist es bei der Empfehlung jedenfalls möglich aufzudecken, dass bestimmte Erkundungen über ein Instrument nicht eingezogen wurden und welche Gefahren sich daraus ergeben.280 143 Konkretisiert wird die Sorgfaltspflicht durch prozedurale Pflichten, vor allem zur Bereitstellung und Nutzung notwendiger Verfahren und Kontrollen. Solche finden sich im EU-Recht und im deutschen Recht organisationsbezogen gesondert ausgeformt (§ 80 WpHG n.F:, Art. 16 MiFID II, Art. 13 MiFID I). Die Frage, inwieweit diese Pflichten auch im Verhältnis zum Kunden Wirkung zeitigen – namentlich im Rahmen der Ausfüllung des Sorgfaltsmaßstabs – insbes im Vertragsverhältnis –, ist bei der Eröterung der Sanktionen wieder aufzugreifen (unten Rn 273–276).

III. Verhaltensregeln zu Interessenkonflikten (§ 63 Abs. 2 WpHG n.F. – ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 2) 144

1. Zusammenspiel mit Organisationsregeln zu Interessenkonflikten (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 WpHG n.F.) – bloßes Minimierungsgebot. Wie in Art. 23 und 16 Abs. 3 MiFID II (Art. 18 und Art. 13 Abs. 3 MiFID I und auch schon WpDl-RL) finden sich in §§ 63, 80 WpHG n.F. (ex-§§-31, 33) zwei Regeln zu Interessenkonflikten, eine transaktionsbezogene (§ 63 Abs. 2 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 2) und eine organisationsbezogene (§ 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG n.F., ex-§ 33 Abs. 1 Nr. 3). Allerdings ist in der MiFID II die organisationsbezogene Regel bereits vorgezogen (Art. 16 Abs. 3), wird zugleich jedoch wieder aufgegriffen und mit der Informationspflicht dem Kunden gegenüber in einer Norm vereint (Art. 23, bes. Abs. 1 und Abs. 2). Dadurch erscheinen die verschiedenen Stufen und Maßnahmen, die aufeinander folgen, besonders eng miteinander verbunden und aufeinander bezogen. Sie werden im 56. Erw.grund auch als Einheit vorgestellt. Sie werden auch in umgekehrter Reihenfolge vorgestellt im Vergleich zum WpHG, die Konfliktminimierung durch Organisationsanstrengungen zuerst, die Aufklärung über (verbleibende) Konflikte im Anschluss daran. Das ist auch inhaltlich die Abfolge der Anforderungen, die an Wertpapierdienstleister gestellt werden, und ihrer Bemühungen. Wenn also das deutsche Recht die umgekehrte Reihenfolge wählt – und in § 63 Abs. 2 WpHG n.F. auf die Organisationsvorkehrungen nur insoweit verweist, als die Konfliktausräumung durch diese nicht ausreicht, weil noch Konfliktreste verbleiben (bloße „Minimierung“) –, so erscheint dennoch auch diese Sicht plausibel: Die Kundenbeziehung wird zuerst geregelt, weil hinreichende Schutzstandards in diesem Verhältnis das Endziel des Regimes bilden. Die Umstellung und Dissoziierung beider Teile kann umgekehrt jedoch nicht bedeuten, dass sie im deutschen Recht nicht in gleicher Weise funktional aufeinander bezogen wären, wie dies Art. 23 Abs. 1 und 2 MiFID II in ihrer Abfolge vorgeben. 145 Als Ziel des zweiteiligen Regimes – vor allem auf der ersten Stufe – hatte der erste Richtlinienvorschlag zur ursprünglichen WpDL-RL nur gefordert, dass die Konflikte „auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben“, der geänderte Vorschlag hingegen uneingeschränkt, dass sie zu vermeiden seien.281 Dieses Spannungsverhältnis blieb auch später erhalten.

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BGH (oben Rn 5), BGHZ 123, 126 (129 f.); aA Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 133 (Voraufl. Rn 6 jedoch teils zurückgenommen); KölnKommWpHG/Möllers § 32 Rn 38; ebenso auch Assmann/Schütze/Schäfer § 13 Rn 11; für das Regime der MiFID II

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Brenncke Commentary on MiFID II Conduct of Busines Rules, S. 33. Vorschläge vom 03.01.1989 bzw. 08.02. 1990, ABl.EG 1989 C 43/7, 10 – KOM(88) 778 endg. – SYN 176 bzw. ABl.EG 1990 C 42/7, 13 – KOM(89) 629 endg. – SYN 176;

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

Dem Wortlaut nach divergieren die organisationsbezogene und die verhaltensbezogene Regelung (im deutschen und im EU-Recht vergleichbar), dem Inhalt nach jedoch nicht. Die organisationsbezogene Norm fordert, dass ein Schaden (bzw. eine Beeinträchtigung) für das Kundeninteresse – also nicht der Interessenkonflikt selbst – vermieden wird (Art. 16 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 2 MiFID II). Demnach – und dies deutet der Wortlaut der verhaltensbezogenen Norm in Art. 23 Abs. 2 MiFID II besser an – ist eine Zumutbarkeits- oder Angemessenheitsprüfung anzustellen. Ist Konfliktausräumung nicht gänzlich möglich, ist Art. 23 Abs. 1 MiFID II heute klar in dem Sinne, dass immerhin Minimierung geschuldet ist. Jeweils ist also nur Konfliktminimierung unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch zugunsten des Wertpapierdienstleisters geschuldet (dazu sogleich). 2. Konfliktvermeidung als Präventionsmaßnahme – Präventionsmittel und Rechtsfolge bei deren Versagen a) Prävention des Konflikts und inhaltliche Regelung des Konflikts. Entscheidend für 146 Auslegung und Verständnis der Regel(n) ist, dass es sich um eine Präventionsregel, eine sog. starre Schranke, handelt. Das wird deutlich sowohl im WpHG als auch in MiFID I und II. Während § 63 Abs. 1 WpHG n.F. (ähnlich wie Art. 19 MiFID I und Art. 24 Abs. 1 MiFID I) die gegenseitigen Rechte und Pflichten selbst zum Gegenstand hat (Interessenwahrungspflicht im bisher erörterten Sinn), bilden §§ 63 Abs. 2 und 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG n.F. (entsprechend Art. 13 Abs. 3 und 18 MiFID I und Art. 16 Abs. 3 und 23 Abs. 1 und 2 MiFID II) eine – davon gesonderte – Präventionsregel.282 Ausgeräumt werden soll schon die Gefahr einer Manipulation, nicht erst die Manipulation (Interessenverletzung) selbst.283 Wichtig ist das Zusammenspiel mit den sog. beweglichen Schranken: Soweit Präven- 147 tion nicht möglich ist (und erst in diesem Falle!), gilt wiederum die Interessenwahrungspflicht stricto sensu und diese ohne Einschränkung, also unter völliger Hintanstellung der Interessen des Wertpapierdienstleisters.284 § 63 Abs. 1 und 2 WpHG n.F. müssen also dahin verstanden werden, dass die bloße Bemühung um Konfliktvermeidung und die Aufklärung über den Mechanismus des Interessenkonflikts und das daraus resultierende Gefährdungspotential nicht etwa stets dazu führen, dass die Interessenwahrungspflicht damit entfiele. Auch sind die Kundeninteressen nicht etwa nur angemessen „mit“ zu berücksichtigen. Vielmehr sind die Interessen des Wertpapierdienstleisters auf dieser Stufe gänzlich hintanzustellen. Gleiches gilt trotz des ebenfalls nicht expliziten Wortlauts für die organi-

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Stellungnahmen des Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABl. EG 1989 C 298/6, 14; für das Regime der MiFID II Busch, MiFID II: Stricter conduct of business rules for investment firms, S. 373. So auch zur MiFID II Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 371 f. Zum Unterschied: Grundmann Treuhandvertrag, bes. S. 251–254 (mwN); grundlegend: Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 97–100, 101 ff., 287 ff. Dazu: Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 34; BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 25, 32; White, Regulation of Securities

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and Futures Dealing, 1992, Rn 15–007; so auch zur MiFID II Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 371 f. Vgl. etwa Canaris Rn 1890; BankR-Hdb/ Faust § 109 Rn 25; aA KölnKommWpHG/ Möllers § 31 Rn 133; genereller so zum Verhältnis bewegliche/starre Schranken: Zöllner (Fn 282) S. 57–60. speziell für §§ 63 Abs. 1 WpHG n.F. etwa Marcacci EBOR 2017, 305 (313–316); auch Busch Capital Markets Law Journal 2017, 340 (350); ausf. Enriques/ Gargantini in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, 85. Zu den Einschränkungen, die demgegenüber bei der Konfliktvermeidungspflicht gelten, sogleich.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

sationsbezogene Parallelnorm in § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG n.F. (und Art. 13 Abs. 3 MiFID I bzw. Art. 16 Abs. 3 und 23 Abs. 1 MiFID II). Denn die Interessenwahrungspflicht stricto sensu greift bei Interessenkonflikten hinsichtlich der treuhänderisch gehaltenen Einfluss- und Informationspositionen stets ein.

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b) Effiziente, nicht unbedingte Pflicht zur Konfliktvermeidung. Konfliktvermeidung ist demgegenüber nicht bedingungslos geschuldet, nicht unter absoluter Hintanstellung der Interessen der Wertpapierdienstleister, sondern nur bestmöglich. Es gilt eine Zumutbarkeitsgrenze285 – das macht der geltende Wortlaut sehr deutlich (§ 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG n.F. mit (nur) „angemessenen Maßnahmen“ und § 63 Abs. 2 WpHG n.F. mit einer Möglichkeit des Fehlschlagens; vergleichbar die Richtlinienvorgabe). Für deren Konkretisierung ist sehr wichtig, wie sehr ein Interessenkonflikt Vertrauen beim Anleger erschüttert oder aber auch ihm sachlich gerechtfertigt erscheint.286 Konfliktminimierung bedeutet, dass das effizienteste, zumutbare Mittel einzusetzen ist: Auch Mittel, die den Interessenkonflikt (die Manipulationsgefahr) zwar nicht vollständig vermeiden, jedoch vermindern können, sind einzusetzen – von mehreren zumutbaren Mitteln das, das die Manipulationsgefahr am weitesten zurückdrängt. Ist vollständige Vermeidung unzumutbar, darf demnach nicht sofort darauf verwiesen werden, dass ohnehin noch die Interessenwahrungspflicht stricto sensu eingreife.287

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c) Konfliktarten und Konfliktvermeidungsmittel. Die Konfliktarten umschreiben beide Regel(paare) verschieden. Nach den organisationsbezogenen Konfliktvermeidungsregeln (im deutschen und Europäischen Recht) sind explizit Konflikte zwischen Interessen des Anbieters und des Kunden, jedoch auch zwischen Interessen verschiedener Kunden zu vermeiden (vgl. Art. 23 Abs. 1 MiFID II und § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG n.F.). Die verhaltensbezogene Konfliktvermeidungsregel im deutschen Recht ist weniger explizit und spricht allein von Interessenkonflikten, wobei die Interessenkonflikte zwischen Institut und Kunden sicher die gefährlicheren sind.288 Spätestens seitdem auf Grund von § 69 WpHG n.F. (ex-§ 31c Abs. 1 WpHG) in Nr. 1 die „Redlichkeit“ auch im Verhältnis zu anderen Kunden und zur Ausführung von deren Aufträgen als Ausprägung des § 63 WpHG n.F. zu verstehen ist, kann die engere Sicht nicht mehr aufrecht erhalten werden. Interessenkonflikten zu anderen Kunden ist heute also nicht mehr nur organisatorisch vorzubeugen. Vielmehr ist über sie ebenfalls aufzuklären und ist ihre Vermeidung auch transaktionsbezogen – im Ver-

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Kümpel WM 1995, 689 (690); BankR-Hdb/ Eisele, 3. Aufl. 2007, § 109 Rn 25 Fn 7; KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 111; aA Spindler/Kasten AG 2006, 785 (791). Beispiele für die teils geradezu prohibitive Wirkung einer vollständigen, präventiven Konfliktausräumung: Assmann/Schneider/Koller, 6. Aufl. 2012, § 31 WpHG Rn 36–38; ebenso jetzt für MiFID II Brenncke Commentary on MiFID II Conduct of Business Rules, S. 6. Zum Vertrauensschutz als Leitziel der drei Richtliniengenerationen vgl. oben Teil 6 Rn 337–339, 436 und 488–490. So in der Tendenz auch Assmann ÖBA 2007, 40 (46); ähnlich KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 111; ebenso jetzt für MiFID II wohl

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Brenncke Commentary on MiFID II Conduct of Business Rules, S. 5 f.. Daher standen sie herkömmlich auch im Vordergrund, vgl. etwa Richtlinie gemäß § 35 Abs. 6 des Gesetzes über Wertpapierhandel (WpHG) zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG über das Kommissionsgeschäft, den Eigenhandel für andere und das Vermittlungsgeschäft von Wertpapierdienstleistungsunternehmen vom 23.08.2001, Bundesanzeiger Nr. 165 vom 04.09.2001, S. 19217 (BaFin-Richtlinie zu §§ 31 f. WpHG) unter B.3., B.3.2, B.3.5:. In der Literatur unterschiedlich gesehen, vgl. Assmann/ Schneider/Koller § 33 WpHG Rn 38 f. einerseits, Kümpel WM 1995, 689 (690) andererseits.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

tragsverhältnis – geschuldet.289 Solch ein Verständnis ist auch bei richtlinienkonformer Auslegung geboten, da Art. 23 Abs. 1 MiFID II den Begriff Interessenkonflikt für alle Arten von Regeln einheitlich regelt und zwar im genannten weiteren Sinne. Bei den Mitteln, die die Anbieter zur Konfliktvermeidung einzusetzen haben, wurde seit 150 Anbeginn in WpHG und WpDl-RL zwischen organisationsbezogenen und den unbenannten sonstigen unterschieden. Die Konkretisierung oblag im zweiten Bereich Judikatur und Lehre. MiFID I und II und ihre Umsetzung sind auch insoweit ungleich konkreter. Einerseits wurden bereits die (schon vorher bekannten) organisationsbezogenen Mittel um die Maßnahmen zum Erkennen der Konflikte ergänzt (Art. 18 Abs. 1 MiFID I und Art. 23 Abs. 1 MiFID II, § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG n.F., ex-§ 33 Abs. 1 Nr. 3, vgl. oben 7. Teil Rn 50 ff., 59 ff., bes. 62 f.) und in der jüngsten Reform nochmals um die Vorgabe, Vergütungssysteme nicht so auszugestalten, dass von ihnen negative Anreize ausgehen, die Interessenkonflikte begründen oder verschärfen (unten Rn 158 f.). Daneben traten jedoch auch auch konkreter umrissene transaktionsbezogene Pflichten, vor allem klarer gefasste Aufklärungspflichten. 3. Die Konfliktvermeidungsmittel im Einzelnen. a) Konfliktvermeidung durch Organisation, auch Erkennungsanstrengungen. Vorran- 151 giges Mittel der Konfliktvermeidung ist die Organisation. Zweck und unbedingte Formulierung in Art. 16 Abs. 3 MiFID II (Art. 13 Abs. 3 MiFID I) verbieten es, ganz auf organisatorische Vorkehrungen zur Konfliktausräumung zu verzichten und allein auf die unbenannten Mittel zu setzen. Dies gilt, weil und soweit Konfliktvermeidung durch Organisation früher ansetzt und effizienter möglich ist:290 Organisationsregeln sind typischerweise allgemeiner im Einsatz und daher weniger vom Verhalten eines Mitarbeiters abhängig. Auch insoweit gilt freilich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz:291 Wird der Effizienzgewinn durch Organisationsbemühungen zu teuer erkauft, ist ein Rückgriff auf Aufklärung und weiterhin auch auf unbenannte Mittel möglich und geschuldet. Nach dem Gesagten muss mit den Organisationsregeln auch angestrebt werden, den Konflikt zwischen verschiedenen Kundeninteressen zu vermeiden, und ist im Rahmen des Zumutbaren die Organisationsform zu wählen, die beide Konfliktformen am weitestgehenden vermeidet (näher oben 7. Teil Rn 59–68). Die Zahl der näher geregelten Mittel nahm mit der Zeit zu, mit dem ersten (und noch 152 immer prominentesten) wird Manipulationen mit Informationsmacht begegnet.292 Der manipulative Gebrauch von Information ist durch sog. Chinese Walls zu unterbinden, Organisationsregeln, mit denen Vertraulichkeitsbereiche geschaffen werden, um insbesondere zu verhindern, dass Informationen aus Kredit- und Emissionsabteilungen in Anlageabteilungen gelangen.293 Diese sind heute Teil eines umfassenderen Compliance Systems,

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BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 26 ff.; KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 109; ebenso für MiFID II Marcacci EBOR 2017, 305 (317). Wie hier inzwischen: Assmann/Schneider/ Koller § 31 WpHG Rn 34; KölnKommWpHG/Möllers § 33 Rn 2, 22; skeptisch: Hopt FS Heinsius 1991, 289 (320). Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 34; Schlicht BKR 2006, 469 (471). Zur Manipulation mit Entscheidungsmacht sogleich; zu beiden Positionen als den wich-

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tigsten in allen treuhänderisch gestalteten Rechtsverhältnissen: Grundmann Treuhandvertrag S. 101–122. Vgl. Art. 21, 22, 33, 34 DV 2017/565; und für die Abtrennung der Funktionen der unabhängigen Honorarberater § 8 des Referentenentwurfs zur neuen WpDVerOV (bisher noch § 12 Abs. 6 Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WpDVerOV) vom 20. Juli 2007, BGBl. 2007 I, S. 1432); unstr.,

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

mittels dessen Interessenkonflikte minimiert, zugleich jedoch die Geschäftsabwicklung optimiert und die Einhaltung anderer (gesetzlicher) Anforderungen, auch etwa nach §§ 63 ff. WpHG n.F., gefördert und kontrolliert wird (dazu § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 1–3 WpHG n.F. und oben 7. Teil Rn 44–49). 153 Entscheidungsmacht kann, da umgekehrt die Konditionen durch Markt und Abrede vorgegeben sind, vor allem durch Wahl des Ausführungszeitpunkts manipulativ genutzt werden. Da dieser inzwischen durch §§ 69, 82 WpHG n.F. (ex-§§ 31c, 33a WpHG) mit den Grundsätzen über die best execution näher geregelt ist, werden diese Fragen dort im Zusammenhang behandelt.294 Ebenfalls gesondert zu behandeln ist das Konfliktvermeidungsinstrument Vorbeugung durch systematische Erkennungsanstrengungen (§ 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG n.F., ex-§ 33 Abs. 1 Nr. 3 WpHG, Art. 24 bzw. Art. 18 Abs. 1 MiFID II bzw. I, oben 7. Teil Rn 59 ff., bes. 62 f.) und durch eine Gestaltung der Vergütung dahingehend, dass nicht Interessenkonflikte begründet oder verschärft werden (unten Rn 158 f.).

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b) Konfliktvermeidung durch Aufklärung. Zu den großen Neuerungen der MiFID I zählte es, die sonstigen Konfliktvermeidungsmittel geklärt zu haben. Sonstige Konfliktvermeidungsmittel setzen am Verhältnis zum Kunden an. Sie reduzieren sich auf die Aufklärung über den Interessenkonflikt: Neben organisatorische Vorkehrungen, dh. soweit diese Interessenkonflikte nicht ausräumen können (genauer: müssen), tritt die Pflicht, über den Interessenkonflikt hinreichend aufzuklären, um dem Kunden Selbstschutz zu ermöglichen.295 Damit bleiben die konfligierenden Interessen zwar unvermindert bestehen, wenn der Wertpapierdienstleister ein Interesse am Vertrieb eines bestimmten Instruments offenbart hat. Ein Selbstschutz seitens des Kunden wird jedoch erleichtert, die Manipulationsgefahr also gemindert. Es handelt sich um das zentrale Konfliktvermeidungsmittel im Kundenverhältnis, das besondere Bedeutung im Hinblick auf die Vergütungs- und Gewinninteressen des Wertpapierdienstleisters hat und neben das hier ggf. noch das Interesse

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näher zum Zuschnitt der einzelnen Vertraulichkeitsbereiche: Hausmaninger ÖBA 1993, 847 (849 und 855 f.); Lucius ÖBA 1994, 148 (150); McVea, Chinese Wall, bes. S. 182–198; Assmann/Schneider/Koller § 33 WpHG Rn 53 ff.; BankR-Hdb/Faust § 109, Rn 135a–155; und oben 6. Teil Rn 404–406 und 7. Teil Rn 50–58. Zur bisher vorherrschenden Leitlinie einer Abwicklung grds. nach zeitlicher Priorität der Order vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR VI Rn 208 f. sowie noch oben 7. Teil Rn 91–105 und unten Rn 238–242. So im Wesentlichen schon für das alte Recht Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR VI Rn 210–213. Zum Aspekt der Selbstschutzaktivierung für die MiFID II Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 373 f.; Grundmann/Hacker in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 165 (bes. 179 f. und

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186–192). Weiter ging dann ein Bezeichnungsschutz in dem Sinne, dass Berater, die allein durch (Berater-)Honorare vergütet werden und keine Provisionen oder sonstigen Gewinnmargen annehmen dürfen, von sonstigen Wertpapierdienstleistern abgegrenzt werden: so jetzt Gesetz zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz) vom 15.07.2013, BGBl. 2013 I, S. 2390; BR-Drs. 17/12295 (Reg.entw.) und 17/13131 (Finanzausschuss); dazu Balzer Bankrechtstag 2013, 157; Kuhlen/Tiefensee VuR 2013, 49; Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101; Reiter/Methner WM 2013, 2053. Vgl. näher unten Rn 246–252; und theoretisch bereits zu den Vor- und Nachteilen dieser Lösung bei Informationsintermediären Grundmann/Kerber, Information Intermediaries and Party Autonomy – the example of securities and insurance markets, in: Grundmann/Kerber/Weatherill (Hrsg.), Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, 2001, 264.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

an einer Auskehrung von Drittprovisionen tritt (vgl. zu all dem noch unten § 70 WpHG n.F., ex-§ 31d, Rn 244–252). Streitig war schon von Anfang an weniger die Existenz der Aufklärungspflicht296 als 155 ihr konkreter Inhalt. Dieser wurde zunehmend klarer umrissen. Geschuldet ist eine Aufklärung, die dem Kunden alle für seine Entscheidung sachdienlichen Implikationen des Konflikts, also im Grundsatz auch die möglichen Manipulationsmechanismen vor Augen führt.297 Dies ergab sich schon bisher daraus, dass nach dem Gesagten stets dasjenige Mittel zu wählen ist, das die Gefahr weitergehend zurückdrängt. Auf dieser Stufe ist auch das sog. Scalping, der Eigenhandel in einem Wertpapier, das später empfohlen wird, zu erfassen.298 Der Eigenhandel muss möglich bleiben, auch in einem Wertpapier, das als sehr empfehlenswert erkannt wird, da es insoweit nicht um die Nutzung von (Einfluss- oder Informations-)Positionen geht, die dem Wertpapierdienstleister (unentgeltlich) übertragen wurden. Um solche (treuhänderischen) Positionen geht es erst bei der Abgabe der Empfehlung oder sonstiger Information. Hier nun bedeutet beste Interessenwahrung – der Konflikt ist unausräumbar – nicht, dem Kunden die Empfehlung vorzuenthalten, sondern die verminderten Kursgewinnchancen erkennbar zu machen. Nach neuem Recht ist eine Aufklärungspflicht wohl selbst in Fällen zu bejahen, in denen dieser Konflikt auch bei allen Konkurrenten besteht (Eigenbestände, andere Kunden) – jedenfalls, wenn zwar keine Ausweichmöglichkeit auf andere Anbieter besteht, jedoch eine auf andere Anlageformen.299 Das neue Recht ist auch insofern spezifischer, als es ausdrücklich darauf abstellt, ob die Aufklärung dem konkreten Kunden – also der jeweiligen Anlegerkategorie – hinreichend deutlich macht, warum die fragliche Empfehlung möglicherweise ineressenkonfliktbelastet ist. Das bedeutet, dass die Warnung deutlich genug abzugeben und in Ausführlichkeit und Intensität auf den jeweiligen Anlegertyp gezielt zuzuschneiden ist.300 Darin liegt zugleich ein direkter Verweis auch auf empirische Studien und verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse, etwa eine verschärfte und stärker insistierende Erklärung auch mit klaren Worten, wenn in einer bestimmten Anlegergruppe ¾ der Betroffenen annimmt, sich selbst nicht vor

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Sie verneinend allerdings Schäfer AG 1993, 389 (394); wohl auch MünchKommHGB/ Ekkenga Rn 222 (1. Aufl.), inzwischen Rn 395 f. (3. Aufl.; Informationspflicht mit gewissen Einschränkungen); umgekehrt schon früh: BankR-Hdb/Eisele § 109 Rn 20, 22 (1. Aufl.) bzw. BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 25, 32. Heute unangreifbar, vgl. so für die MiFID II Fuchs/Fuchs § 31 WpHG Rn 71 f. So schon früh Hopt, FS Heinsius 1991, S. 289 (318) (konkrete Aufklärung anmahnend); für das FRUG Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 42–44; auch KölnKommWpHG/ Möllers § 31 Rn 134; in anderem Zusammenhang: BGH Urt. v. 22.11.1994 – XI ZR 45/91, NJW 1995, 1225 (1226); aA Vortmann ÖBA 1994, 579 (585); und tendenziell auch Assmann/Schütze/Schäfer § 13 Rn 4. Vgl. hierzu Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 35, 43; Kümpel, Bank- und Kapi-

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talmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn 16.593; KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 166. Zum Scalping schwerpunktmäßig oben 6. Teil Rn 346. Gegen Aufklärungspflicht bei signifikantem Eigenhandel (jedenfalls bisher) Hopt Kapitalanlegerschutz, S. 446 f.; vgl. auch Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 43. Gegen eine Aufklärungspflicht darüber, dass nur Produkte aus dem eigenen Konzern angeboten: BGH Urt. v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876 (1878) (freilich nur, wenn dies „für den Kunden erkennbar“). Vgl. Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 44; Fuchs/Fuchs § 31 WpHG Rn 71; KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 156; Grundmann/Hacker in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 165 (bes. 171–181).

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möglichen Verzerrungen der Emfehlung schützen zu müssen (uneingeschränktes Vertrauen auf den Wertpapierdienstleister selbst im Fall erwiesener Interessenkonflikte).301

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c) Keine sonstigen Konfliktvermeidungsmittel. Ein eigenständiger Gleichbehandlungsgrundsatz ist demgegenüber in diesem Bereich abzulehnen.302 Wird Aufklärung über alle wesentlichen Punkte geschuldet, erübrigt sich das Problem weitgehend. Eine entsprechende Formulierung fehlt auch in der Richtlinie. Zwischen verschiedenen Anlegern besteht kein solches Näheverhältnis, dass aus allgemeinen Grundsätzen eine Gleichbehandlungspflicht herzuleiten wäre – etwa die Pflicht, Großkunden nur überobligationsmäßig gut zu behandeln, wenn Kleinkunden gleiche Behandlung erfahren. Freilich wird de facto eine größere Gleichförmigkeit in der Orderausführung durch die Vorgaben der §§ 69, 82 WpHG n.F. (ex-§§ 31c, 33a WpHG) eingefordert (vgl. dort). 157 Ebenfalls kein Anlass besteht, die Ablehnung der Kundenorder zu fordern, wenn über die Manipulationsgefahr so aufgeklärt wird, dass der Kunde sie in ihrem Ausmaß abschätzen kann.303

IV. Spezifische Pflichten zur strikten Kundeninteressenwahrung (§ 63 Abs. 3–5 WpHG n.F.) 158

1. Pflichten zur Vergütungspolitik (Abs. 3). Mit dem 2. FiMaNoG wurden drei Regeln neu eingeführt (Abs. 3–5), die vor allem zwei Charakteristika teilen. Sie sind auf engste mit den Organisationsregeln verbunden, und erstrecken die Verbundssicht zwischen Organisations- und Vertriebsregeln, die 1993/95 vor allem für die Bewältigung von Interessenkonflikten aufgetan wurde, auf einen neuen Bereich (neu vor allem im Falle von Abs. 4 und 5 und dort auch besonders eindrucksvoll). Außerdem handelt es sich jeweils um Regeln, die flankierend eingreifen, um dem Ziel zum Durchbruch zu verhelfen, dass Interessenkonflikte die Wertpapierdienstleistung nicht (negativ) beeinflussen. Solchermaßen handelt es sich also um eine Fortschreibung dieser fundamentalen Politik – ganz besonders im Falle des Abs. 3, jedoch auch (wenn auch nicht ausschließlich) im Falle der Abs. 4 und 5 (vgl. unten Rn 160). 159 Im Falle der Regeln über die Vergütungspolitik (Abs. 3) liegt beides in besonderem Maße auf der Hand. Schon systematisch schließt Abs. 3 an die vertriebsbezogene Regel zur Vermeidung von Interessenkonflikten (Abs. 2) an. Das erscheint überzeugender als in der MiFID II, deren Vorgabe in Art. 24 Abs. 10 praktisch wörtlich übernommen wird, dort

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Für solche Studien vgl. Grundmann/Hacker in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 165 (bes. 171–181); zur größeren Relevanz verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnis unter MiFID II auch etwa BuckHeeb BKR 2017, 89 (96); Möllers/Poppele ZGR 2013, 437. BankR-Hdb/Eisele, 3. Aufl. 2007, § 109 Rn 34; unentschieden: Assmann/Schneider/ Koller, 4. Aufl. 2006, § 31 WpHG Rn 53 f., 140; aA ggf. für (allein) die Ausführungsphase: KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 121 ff. (für Beratungsphase hingegen In-

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dividualitätsanspruch); jedenfalls kein allgemeiner dahingehender Rechtsgrundsatz im Europäischen Unternehmensrecht: EuGH Urt. v. 15.10.2009 – Rs. C-101/08 Audiolux, Slg. 2009, I-9823 = EuZW 2009, 894; dazu etwa Bengoetxea (2010) 47 CMLR 1173; Möslein EWS 2009, 1; Mucciarelli (2010) 7 ECFR 158; auch Basedow bzw. Schön FS Hopt 2010, 27 bzw. 1347. AA, wenn auch nur im Ausnahmefall: Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 37; BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 32.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

freilich von der vertriebsbezogenen Vorgabe zur Vermeidung von Interessenkonflikten in Art. 23 weit abgerückt wird. Beide Regeln hängen so sehr zusammen, dass die eine als die Grundregel zu verstehen ist (§ 63 Abs. 2 WpHG n.F.), die andere als eine spezifische Ausformung der Konfliktvermeidungspflicht (§ 63 Abs. 3 n.F.). Selbst ohne ausdrückliche Ausformulierung in Abs. 3 würden dessen Gehalte schon aufgrund von §§ 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 63 Abs. 2 WpHG n.F. Geltung beanspruchen, also aufgrund der allgemeinen Pflicht, Interessenkonlikte mittels organisatorischer und vertriebsbezogener Anstrengungen zu minimieren.304 Diese Erkenntnis hat auch die Auslegung der (spezielleren) Norm zu leiten. Allgemein gilt, dass ein Vergütungs-, Bewährungs- und Beförderungsregime nicht daran anknüpfen darf, welche Wertpapierdienstleistungen bzw. Finanzinstrumente vermittelt oder empfohlen werden, namentlich nicht zugunsten solcher, bei denen die Gewinne für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen höher sind, auch nur durchschnittlich höher.305 Diese Regel ist – als Präventionsregel – strikt und ohne Ausnahme; es soll bereits die Möglichkeit eines Interessenkonflikts ausgeräumt werden. Dies ist – anders als S. 2 suggerieren mag – keineswegs nur zum Schutz von Privatkunden angeordnet, sondern – wie im Falle des S. 2 – allgemein.306 Recht eigentlich handelt es sich hierbei (noch) um eine Organisationsregel, die unter die Vertriebsbezogenen eingereiht wird – was schon der Blick auf die prominente Parallelmaterie im Bankaufsichtsrecht deutlich macht, wo die Vorgaben für das Vergütungsregime (wenn auch auf Vorstandsebene) selbstverständlich als eine große Neuerung des Organisationsrechts gesehen wird.397 Direkter auf den Vertrieb ausgerichtet ist erst S. 2. Auch dort werden zwar primär Privatkunden in den Blick genommen, aber nur beispielsweise („insbesondere“), weil bei ihnen die Gefahren, dass sie einen Interessenkonflikt nicht erkennen und nicht angemessen darauf reagieren bzw. ihn hinterfragen, als größer angesehen werden. Dies führt freilich keineswegs dazu, dass etwa bei professionellen Kunden, wenn denn eine Empfehlung abgegeben wird oder auch nur der Anstoß für eine Transaktion gegeben wird (nicht vom Kunden ausgehend), dies etwa in eine Richtung zugelassen wäre, die nicht im „besten Kundeninteresse“ steht.308 Es wird in diesem Kontext lediglich davon abgesehen, dass der Wertpapierdienstleister eine Transaktion auf Initiative des Kunden stets (im Kundeninteresse) hinterfragen muss. Abs. 3 gilt – wie diese Beispiele, vor allem jedoch die systematische Stellung von Abs. 3 zeigen – auch insofern allgemein, als alle Wertpapierdienstleistungen erfasst sind, auch die reine Vermittlung und (primär bei Privatkunden) wohl auch Transaktionen eines execution only.309

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Vgl. Erw.grund 41 DV 2017/565. Näher Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Spindler Kap. 33 Rn 149a; Buck-Heeb ZBB 2014, 221 (225); Kurz DB 2014, 1182 (1185). Ebenso Brenncke Commentary on MiFID II Conduct of Business Rules, S. 44 f. („clients“ generell); ausdrückliche Bezugnahme auf Interessen „aller“ Kunden in Art. 27 Abs. 1 DV 2017/565. Vgl. namentlich Binder, Vorstandshandeln zwischen öffentlichem und Verbandsinteresse – Pflichten- und Kompetenzkollisionen

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im Spannungsfeld von Bankaufsichts- und Gesellschaftsrecht, ZGR 2013, 760 (bes. 769–770); Grundmann, Bankenunion und Privatrecht – Spannungspunkte, Einflusslinien, Beispiele, ZHR 179 (2015) 563 (bes.382–385). Vgl. nähere Ausgestaltung in Art. 27 Abs. 1 und 2 DV 2017/565. Erw.grund 41 sowie Art. 27 Abs. 2 DV 2017/565; ebenso Brenncke Commentary on MiFID II Conduct of Business Rules, Art. 24 Rn 2.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

2. Pflichten zum kundenorientierten Produktzuschnitt (Produktgovernance, Abs. 4) und dessen professioneller Nutzung beim Vertrieb (Abs. 5).

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a) Produktgovernance als integrierter Prozess und Füllung einer Anlegerschutzlücke. Governance ist ein Konzept, mit dem für eine (allgemein- und individual-)interessengerechte Steuerung komplexer Sachverhalte ein breit integrativer Ansatz angestrebt wird, der Anreize, Interessen und Entscheidungspotential möglichst aller Betroffener umfassend ins Kalkül einbezieht, dabei zudem juristische und ökonomische Aspekte gleichermaßen berücksichtigend.310 Sein Erfolg in zahlreichen Kontexten311 wird mit dem Konzept der Produktgovernance auf den Bereich von Konzeption und Vertrieb von Finanzprodukten, namentlich solchen von komplexem Zuschnitt übertragen. Schlägt es fehl, steht im Hintergrund mit der Befugnis einer Produktuntersagung im Einzelfall (Art. 39 ff. MiFIR iVm. § 15 WpHG n. F.) ein besonders scharfes Schwert im Ausnahmefall zur Verfügung. Das Konzept der Produktgovernance tritt solchermaßen – gänzlich neu – neben die interessengerechte Aufklärung durch Wertpapierdienstleister (unter Minimierung von deren Interessenkonflikten). Ausgehend von einer Pflicht schon des Herstellers eines Finanzprodukts, bei dessen Konzeption die Zielgruppe („Zielmarkt“) besonders feinkörnig und interessengerecht zu bestimmen und stets im Blick zu behalten,312 wird diese Pflicht zur Orientierung an Gruppen mit gemeinsamen Interessen, Kenntnissen und Verwundbarkeitslagen für den Vertrieb fortgeschrieben. Die Pflicht trifft also Hersteller und Vertrieb, sie haben sich gegenseitig zu unterstüzen und auch zu überwachen (Vieraugenprinzip). Solchermaßen ist Ziel der Produktgovernance eine weitere Minimierung von Möglichkeiten des Durchschlagens von Interessenkonflikten, zugleich eine signifikante Verbesserung der Qualität der Wertpapierdienstleistung (namentlich im Sinne von besserer Passgenauigkeit und dichterer Infor-

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Beschreibung des Konzepts etwa bei Behrens, Corporate governance, FS Drobnig 1998, S. 491; Grundmann/Möslein/Riesenhuber; Contract Governance: Dimensions in Law and Interdisciplinary Research, in: Grundmann/Möslein/Riesenhuber (Hrsg.), Contract Governance: Dimensions in Law and Interdisciplinary Research, 2015, S. 3; Hopt, Comparative Corporate Governance: The State of the Art and International Regulation, 59 AJCL 1; Teichmann, Corporate Governance in Europa, ZGR 2001, 645; und schon im Ausgangspunkt des Forschungsansatzes, bei Williamson, Transaction-Cost Economics: The Governance of Contractual Relations, 22 J. Law & Econ. 233 (1979). Besonders erfolgreich – neben der Public Governance (etwa nur Rosenau/Czempiel (Hrsg.), Governance without Government: Order and Change in World Politics, 1992; Freeman/Minow, Government by contract: Outsourcing and American democracy, 2009; Zumbansen, The Law of Society: Governance Through Contract, (2007) 14 Indiana Journal of Global Legal Studies 191) –

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die Corporate Governance. Aus der Flut an Literatur etwa (neben Hopt und Teichmann vorige Fn) Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, § 13; Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Hrsg.), Comparative Corporate Governance – the State of the Art and Emerging Research, 1998. Daneben – und im Verbund mit dieser – am wichtigsten im vorliegenden Kontext die sog. contract governance. Vgl. dazu Grundmann/Möslein/ Riesenhuber und Williamson, jeweils vorige Fn; sowie Dixit, Economic governance, in: Durlauf/Blume (Hrsg.), The New Palgrave Dictionary of Economics, 2. Aufl. 2008. Zur Verpflichtung bereits des Produktherstellers/konzipierers und zum Inhalt der Pflicht näher Busch WM 2017, 409 (410); Geier/Druckenbrodt RdF 2015, 21 (22 f.); Beule in: Teuber/Schröer (Hrsg.), MiFID II und MiFIR, S. 168 (173 ff.); und oben 7. Teil Rn 87 f.; zur genannten Produktintervention etwa Buck-Heeb BKR 2017, 89; Bußalb WM 2017 553; Cahn/Müchler BKR 2013, 45.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

mationsbasis, vgl. nächste Rn)313 – all dies im Bereich Empfehlung und Beratung, aber auch darüber hinaus und ganz allgemein für alle Formen von Wertpapierdienstleistungen.314 b) Von der Konzeptions- zur Vertriebsetappe – die Anforderungen (Abs. 4 und 5). Auf 161 dem genannten Weg von der Konzeption zum Vertrieb sind drei Arten von Anforderungen charakteristisch und zentral, die ersten beiden zum Hauptteil bereits als organisatorische Anforderungen ausgestaltet: Zentral ist (1.) die (nunmehr aufsichtsrechtlich verankerte, nicht mehr nur betriebswirtschaftlich zwingende und damit gesellschaftsrechtlich geschuldete) Anforderung, den Zielmarkt zu bestimmen. Neu ist dabei insbesondere, dass diese Bestimmung im Kundeninteresse – nicht im Interesse des Wertpapierdienstleisters – zu erfolgen hat (Teil der Interessenwahrungspflicht stricto sensu).315 Sedes materiae ist vor allem § 80 Abs. 9 WpHG n.F. (daher vor allem oben 7. Teil Rn 87 f.). Die Bestimmung des Zielmarkts bezeichnet dabei eine Klärung der Frage, für welche Kunden das Finanzprodukt interessengerecht ist, auch welche Kunden es im Wirkmechanismus so verstehen können müssen, dass sie eine interessengerechte Entscheidung autonom treffen können.316 Dabei ist zentral, dass die Ausdifferenzierung der Zielmärkte – von ihrer Interessenausrichtung und den Verständniskapazitäten der hinreichend homogenen Kundengruppen, die zusammengefasst werden können, her – sehr viel granularer, feinkörniger zu erfolgen hat als etwa in § 67 WpHG n.F. (ex § 31a WpHG) zur Einteilung von Kundengruppen. Zwar bildet diese Einteilung ein Kriterium unter vielen für die Bestimmung des Zielmarktes, hinzutreten jedoch eine Reihe weiterer Kriterien: Anlageziele; Bereitschaft, Risiken zu übernehmen, aber auch zu tragen (Vermögenslage); genereller die finanzielle Ausstattung; Fähigkeit, den Wirkmechanismus zu verstehen; Erfahrung hierbei.317 Diese Ausdifferenzierungspflicht, verbunden mit einer Pflicht, sich der Einteilungskriterien bewusst zu werden und sie festzuhalten, wird durch Abs. 4 für die Vertriebsphase spezifisch fortgeschrieben: Der Vertrieb hat sich der Passgenauigkeit zu vergewissern (Nr. 1), insbesondere weil er „vor Ort“ die Stimmigkeit anhand der Faktenlage besonders gut beurteilen kann (vgl. auch noch unten Rn 163 f.). Zudem muss er seine Vertriebsstrategie gerade auf diese Unterscheidung zuschneiden (Nr. 2), insbesondere im Hinblick auf möglicherweise notwendige, auch personalisierte Aufklärungsschritte.318 Schließlich muss er hinreichende Anstrengungen walten lassen, dass auch auf nachgelagerten Ebenen das gleiche geschieht (S. 2).319 Nicht in Abs. 4 und 5 spezifisch angesprochen ist (2.) die zweite Anforderung, mit der 162 eine bessere Bedienung von Kundeninteressen gefördert werden soll. Die Informationsba313

314 315

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Für diese Dualität der Ziele Brenncke WM 2015, 1173 (1174 f.) („Gefahr [der Nichtbeachtung für alle] … anlegerschützenden Regeln reduzieren“); allgemeiner Anlegerschutzziele etwa bei Buck-Heeb CCZ 2016, 2 (2) betont. Ebenso Busch WM 2017, 409 (409). Ebenso und zu dieser Neuausrichtung näher Kurz DB 2014, 1182 (1186); in diesem Sinne auch Baur jurisPR- BKR 2017/1 Anm. 1, S. 3. Zur Gleichsetzung von Zielmarktbestimmung und (fein ausdifferenzierter) Kundengruppenbildung etwa Brenncke WM 2015, 1173 (1174 f.); Geier/Druckenbrodt RdF 2015, 21 (26); abweichend Baur jurisPRBKR 2017/1 Anm. 1, S. 3. Näher zu den Kriterien, nach denen Zielmärkte festzulegen und gegeneinander abzu-

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grenzen sind ESMA, Final Report – Guidelines on MiFID II product governance requirements, 2. Juni 2017, ESMA35–43– 620, S. 34; Brenncke WM 2015, 1173 (1175); vgl. auch Art. 9 Abs. 9 der Delegierten Richtline (EU) 2017/593 der Kommission vom 7. April 2016, ABl.EU 2016L 87/500. Zu den Formen einer sachgerechten Ausrichtung von Vertriebsformen auf den jeweiligen Zielmarkt näher Brenncke WM 2015, 1173 (1179); vgl. auch zur Aufklärungspflicht bei Abweichungen vom vorgesehenen Zielmarkt: Roth/Blessing CCZ 2016, 258 (262); eine Aufklärungspflicht bejahend Brenncke a.a.O. (1179). Hierzu näher Geier/Druckenbrodt RdF 2015, 21 (23 f.); Baur jurisPR-BKR 2017 Anm. 1 S. 3.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

sis über die vertriebenen Finanzprodukte soll dadurch verbessert werden, dass im Rahmen der Produktgovernance dazu angehalten wird, nur solche Produkte in die Palette aktiv vertriebener Produkt aufzunehmen, bei denen die Informationslage kontinuierlich gut ist (vgl. Art. 10 Abs. 4 und 5 DRL 2017/593).320 163 Schließlich findet sich (3.) eine gänzlich neue Anforderung der Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Vertrieb, die Abs. 5 zum Gegenstand hat. Durch die hier statuierten Anforderungen prozeduraler Art soll ein erheblicher Beitrag zur Produktverbesserung im Kundeninteresse geleistet werden.321 Vorgegeben wird, dass der Vertrieb Wirkmechanismus und Passgenauigkeit für den Kunden auch wirklich versteht. Der (u.a. für die Weltfinanzkrise charakteristischen) Intransparenz (und Unkenntnis) des eigenen Produkts wird das Verständnisparadigma gegenübergestellt. Die (in Europa in der Tat exorbitante) Zahl der Produkte soll sinken, sie sollen einfacher werden – die Verständnisanforderung soll hierzu beitragen.322 Das Verständnisparadigma ist – im Hinblick auf Intransparenz und ihre Bekämpfung – schon fast vergleichbar mit dem Paradigma von Märkten als Qualitätsmotoren und Entdeckungsverfahren. Dabei ist die Anforderung nach Abs. 5 eine dreifache: Wirkmechanismus verstehen, die Passgenauigkeit desselben für die definierte Kundengruppe beurteilen und nur entsprechend einer festgestellten Passgenauigkeit handeln (d.h. Produkte anbieten). 164 Die Wirkung dieser Anforderungen soll – querschnittshaft – weiter dadurch verstärkt werden, dass Mechanismen der Rückkopplung eingeführt werden. Periodisch soll der Vertrieb Rückmeldungen geben (Art. 10 Abs. 9 DRL 2017/593),323 periodisch soll auf dieser Grundlage eine Neujustierung vorgenommen werden (Art. 9 Abs. 14 und 15 DRL 2017/593).324

V. Allgemeines Transparenzgebot – insbesondere bei Werbeaussagen und Empfehlungen (§ 63 Abs. 6 und 8 WpHG n.F. – ex-§ 31 Abs. 2) 165

1. Allgemeines Transparenzgebot (mit Ausnahmen, Abs. 8). § 63 Abs. 6 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 2) statuiert – praktisch wortgleich mit Art. 24 Abs. 3 MiFID (Art. 19 Abs. 2 MiFID I) – zunächst ein allgemeines Transparenzgebot für alle Informationen einschließlich Werbemitteilungen (zur Ausnahme nach Abs. 8 vgl. unten Rn 175). Deutlich gemacht wird, dass damit jede Information gemeint ist, die für den Anleger potentiell bei seiner Anlageentscheidung relevant sein kann. Die Information muss also einen Bezug auf die Wert-

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Zu dieser Anforderung näher Busch in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 123 (136); Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Bergmann Kap. 36 Rn 83. Brenncke Commentary on MiFID II Conduct of Business Rules, Art. 24 Rn 7; Busch in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 123 (132); Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bergmann Kap. 36 Rn 83. Im Grundsatz ebenso, Marcacci EBOR 2017, 305 (313 f., 318, 328); sowie, dies jedoch teils krit. einschätzend Baur jurisPRBKR 6/2017 Anm. 1. Die Zahl der angebotenen Produkte in der EU ist ungleich größer, variantenreicher und dann im einzelnen An-

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gebot ungleich weniger volumenstark als in den USA. So kommen auf ca. 32.000 Fondsangebote in der EU ca. 7.600 in den USA, die ersteren jedoch mit einem Durchschnittsvolumen von nur 186 Millionen $, dem in den USA ein Durchschnittsvolumen von 1.34 Billionen $ gegenüber steht. Vgl. Statistiken abrufbar unter http://www.lavoce.info/ archives/40702/mercato-dei-capitali-uegli-ostacoli-allintegrazione. Ebenso Buck-Heeb ZHR 2015, 782 (811); Geier/Druckenbrodt RdF 2015, 21 (26). Ebenso Buck-Heeb ZHR 2015, 782 (809 f.); Geier/Druckenbrodt RdF 2015, 21 (26).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

papierdienstleistung haben (beispielsweise nicht Informationen zu anderen Geschäften, selbst wenn zwischen Wertpapierdienstleister und Kunden). Irrelevant ist jedoch, in welchem Kontext die Information gegeben wurde (vgl. Erw.grund 86 S. 2 MiFID II). Es muss sich also gerade nicht um Informationen handeln, die (erst) in der Verhandlungsphase oder gar in einem Beratungsgespräch gegeben werden. Die Transparenzanforderungen gehen dahin, dass jede solche Information „redlich, 166 eindeutig und nicht irreführend“ (im englischen Text der Richtlinie: „fair, clear and not misleading“) sein muss. Nähere Ausführungen finden sich in Art. 36, 44 DV 2017/565. Dies mag zwar (nach deutschem Recht) genereller im Bankgeschäft gelten, es mögen die Standards in allen Bankgeschäften und evtl. auch darüber hinaus ähnlich hoch liegen. Diese Anforderungen sind jedoch zum einen nunmehr auch für Aufsichtszwecke festgeschrieben, zum anderen ist EuGH-Rechtsprechung hierzu grds. vorrangig und besteht bei Zweifeln potenziell eine Vorlagepflicht nach den C. I. L. F. I. T.-Grundsätzen des EuGH (vgl. 1. Teil Rn 113, 5. Teil Rn 142). Redlichkeit („fairness“) ist (auf Grund der klaren Festlegung im englischen Sprachgebrauch) als terminus technicus zu verstehen: Alle Vorteile, die der Wertpapierdienstleister aus der Befolgung der Information haben kann und die gewichtiger sind als bei einer alternativen Information sind aufzudecken; insofern bestärken sich § 63 Abs. 2 und 3 WphG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 2 und ex-§ 31 Abs. 2 S. 1) gegenseitig. Das Eindeutigkeitsgebot bezieht sich auf eine möglichst transparente Gliederung und verständliche Sprache. Die Leitlinien dürften hier den strengen Regeln in Fragen der Prospekthaftung, die die deutsche Rechtsprechung entwickelt hat, vergleichbar sein. Jedenfalls wird hier – und im Rahmen des Irreführungskriteriums – auch Vollständigkeit nach den Grundsätzen über die Aufklärungspflichten im Bankrecht, ggf. gar entsprechend den Regeln über den Emissionsprospekt zu fordern sein. Insbesondere dürfen Nachteile, die einen inneren Kontext mit tatsächlich mitgeteilten Informationen haben, nicht verschwiegen werden (vgl. oben Teil 2 Rn 26). Davon unabhängig ist freilich die Frage, wie weit eine Aufklärungspflicht bei unabhängigen Tatsachen geht (dazu unten Rn 185–213). In der Frage nach Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Irreführungseignung ist zu erwarten, dass der EuGH als Referenzmaßstab wiederum den hinreichend aufmerksamen, sog. „informierten“ Verbraucher wählen wird.325 Kann ein aufmerksamer Laie eine Information vernünftigerweise auch anders verstehen, ist im Privatkundengeschäft Irreführungseignung zu bejahen. Diese genügt, Irreführungswille ist nicht nötig, wie der 78. Erw.grund MiFID II andeutet (freilich noch klarer so 47. Erw.grund MiFID I).

325

EuGH Urt. v. 02.02.1994 – Rs. C-315/92 Clinique, Slg. 1994, I-317 (318 und 336); Urt. v. 21.01.1999 – Rs. C-77/97 Unilever, Slg. 1999, I-431 (432); krit. zum Konzept des „informierten“ Verbrauchers etwa: Weatherill, Prospects for the Development of European Private Law Through ‚Europeanisation‘ in the European Court – the Case of the Directive on Unfair Terms in Consumer Contracts, (1995) 3 European Review of Private Law 307 (312–318); vgl. daneben aber auch Grundmann, Zukunft des Vertragsrechts, FS 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, 2010, S. 1015 (1024 ff.); ders., Funktionaler Verbraucherschutz, FS Wulf-Henning Roth 2015, S. 181;

Micklitz/Reich/Rott, Understanding EU Consumer Law, 2009, S. 45 ff.; ganz sicher freilich nicht, da bei existentiellen Geschäften auch Ausnahmen zugelassen: EuGH Urt. v. 13.01.2000 – Rs. C-220–98 Estée Lauder, Slg. 2000, I-117 (146); Urt. v. 24.10.2002 – Rs. C-99/01 Linhart and Biffl, Slg. 2002, I-9375 (9404); vgl. Grundmann JZ 2005, 860 (865 f.) und FS Wulf-Henning Roth 2015, S. 181; zum Verhältnis zwischen Anleger- und Verbraucherschutz vgl. etwa BuckHeeb ZHR 176 (2012) 66; im Rahmen der MiFID II von einem Leitbild des „verständigen Anlegers“ ausgehend Möllers/Poppele ZGR 2013, 437 (bes. 446 ff., 465 f., 476).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

2. Werbeaussagen und Empfehlungen

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a) Werbeaussagen. Die Regulierung auch schon der Werbeaussagen hat zwar im Aufsichtsrecht über Finanzdienstleister durchaus Tradition (vgl. §§ 23 f. KWG). Da §§ 63 f. WpHG n.F. (ex-§ 31) jedoch i. Erg. ganz überwiegend auch wie ein Vertragsstandard ausgestaltet sind, ist die Einbeziehung auch der Vorverhandlungsphase durchaus bemerkenswert. Bereits für Werbeaussagen gelten die allgemeinen Transparenzanforderungen (oben Rn 165 f.), außerdem jedoch spezielle Anforderungen. Speziell angesprochen und dann näher umrissen werden sie in § 63 Abs. 6 S. 2 WpHG (Art. 24 Abs. 3 S. 2 MiFID II) und Art. 36, 44 DV 2017/565). 168 Der Begriff der Werbeaussagen und -mitteilungen ist wiederum weit zu fassen und umfasst auch anpreisende Aussagen, die sich auf einzelne Finanzinstrumente beziehen.326 Von der Beratung, für die die ungleich strengeren Anforderungen des § 64 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 4) gelten, ist diese Anpreisung danach abzugrenzen, ob der reine Werbecharakter deutlich wird. Vom Empfängerhorizont des „informierten“ Verbrauchers (also des adäquat aufmerksamen Privatkunden) oder des sonstigen (etwa professionellen) Empfängers her muss es klar sein, dass es sich vernünftigerweise nicht um eine individuelle Beratung handelt, mit der auf den jeweiligen Kunden eingegangen wird.327 169 Die Anforderungen gehen dahin, dass selbst bei Werbeaussagen jedenfalls nicht nur die Vorteile benannt, sondern auch die Nachteile angesprochen werden müssen.328 Neu im deutschen Recht waren vor allem die Spezifikationen zu den Vergleichen mit bisheriger Performanz (schon Art. 27 Abs. 4–6 FM-DRL a.F. heute Art. 44 Abs. 4–6 DV 2017/ 565).329 Im ursprünglichen Vorschlag zur Durchführungs-Richtlinie zur MiFID I war noch das sog. backtesting (das hypothetische Zurückrechnen einer Performanz nach der jetzt vorgeschlagenen Strategie) gänzlich verboten, weil es allzu leicht zu Irrtümern einlädt. Verabschiedet wurde dann zumindest das Gebot, dass klar werden muss, dass es sich um eine Simulation, nicht eine tatsächlich in der Vergangenheit erzielte Performanz handelt („hinterher sind viele schlauer“). Angesichts der Entstehungsgeschichte muss die Grenzziehung zwischen tatsächlich gehabtem Erfolg und Prognose bzw. Simulation für den vernünftigen Privatkunden sehr deutlich werden (deutliche Warnpflicht hierzu in Art. 44 Abs. 4 lit. d) DV 2017/565).330

170

b) Empfehlungen. § 31 Abs. 2 S. 4 WpHG a.F. kannte – neben der Werbeaussage – noch den Begriff der allgemeine Empfehlungen. Dieser Begriff wird in § 63 Abs. 6 WpHG zwar nicht mehr verwendet, doch entfallen damit nicht alle Regelungsgehalte. Insbesondere sind jedoch auch heute noch allgemeine Empfehlungen möglich, in der Tat auch gesetzgeberisch vorgesehen (§ 2 Abs. 9 Nr. 5 1. Alt. WpHG n.F.; noch klarer die Vorgabe in MiFID II, die umzusetzen war, dort Anh. I B Nr. 5, dort auch unter Verwendung des Begriffs der „allgemeinen Empfehlung“). Vor allem jedoch sind die allgemeinen Empfehlungen von der (individuellen) Anlageberatung (mit Empfehlung) nach § 64 Abs. 1–6 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 4, 4a) abzugrenzen. Denn für die allgemeine Empfehlung gelten (auch

326 327 328

Teuber BKR 2006, 429 (430); vgl. auch Seyfried WM 2006, 1375 (1380 f.). Teuber BKR 2006, 429 (430). Art. 27 FM-DRL (zur MiFID I); konkretisierend auch MaComp (Fn 43) BT3 und Art. 44 DV 2017/565 (zur MiFID II); Fleischer BKR 2006, 389 (395); Kühne BKR 2005, 275 (278); Seyfried WM 2006, 1375 (1378).

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Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1714); vgl. hierzu etwa Seyfried WM 2006, 1375 (1378); Duve/Keller BB 2006, 2425 (2431). Ebenso etwa Busch Capital Markets Law Journal 2017, 340 (357).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

für Wertpapierdienstleister) nicht die für die Anlageberatung niedergelegten harten, individuell kundenbezogenen Anforderungen, sondern nur die allgemeinen Sorgfalts-, Interessenwahrungs- und Transparenzanforderungen nach § 63 Abs. 1, 2 und 6 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 und 2).331 Diese Art der Empfehlung wird heute jedoch immerhin auch als Wertpapiernebendienstleistung eingestuft (§ 2 Abs. 9 Nr. 5 WpHG n.F./Anh. I B Nr. 5 MiFID II).332 Daher kann die BaFin bei Wertpapierdienstleistern die Einhaltung auch dieser Standards überprüfen (vgl. oben Rn 86–88 und 131). Abzugrenzen von der Beratung ist die allgemeine Empfehlung danach, ob sie sich auf eine einzige bzw. wenige konkrete Vorschläge zu Finanzinstrumenten oder Anlagestrategien bezieht (dann § 64 Abs. 1–6 WpHG n.F.) oder aber auf eine Gruppe von Finanzinstrumenten oder Anlagestrategien, so dass es für die Umsetzung in eine Anlageentscheidung noch eines weiteren konkretisierenden Schrittes bedarf.333 Entscheidend ist also der die Anlageentscheidung und das Geschäft nur vorbereitende Charakter, der es gerechtfertigt erscheinen lässt, noch nicht die Passgenauigkeit für den konkreten Kunden zu eruieren. Noch im Bereich der allgemeinen Empfehlung bewegt sich also ein öffentliches Angebot zu einem Geschäft, dessen Abschluss erst noch die Anforderung weiterer konkretisierender Dokumente voraussetzt. Neu im deutschen Recht war die mit dem FRUG eingeführte Anforderung, dass auch der Grad der Unabhängigkeit des Empfehlenden nicht nur bei der indivudellen Anlageberatung aufgedeckt werden muss (§ 64 Abs. 1 WpHG n.F.), sondern bereits bei der allgemeinen Empfehlung. Vorgesehen wurde in § 31 Abs. 2 S. 4 WpHG a.F., dass aufzudecken sei, ob es sich beim Empfehlenden um eine Person handelt, die die Voraussetzungen an einen unabhängigen Finanzanalysten erfüllt (Nr. 1) oder nicht (Nr. 2). Im zweiten Fall waren der Werbecharakter und das Fehlen der Voraussetzungen einer unabhängigen Finanzanalyse eindeutig herauszustreichen.334 Diese Regelung ist zwar mit dem 2. FiMaNoG II gestrichen worden, findet sich jedoch ähnlich in Art. 36 Abs. 2 UAbs. 2 DV 2017/565,335 obwohl die Richtlinienvorgabe in Art. 24 Abs. 3 MiFID II in der Tat die weitergehende Klarstellung zur (fehlenden) Unabhängigkeit nicht verlangt. Freilich bleibt das Redlichkeitserfordernis anwendbar, und ist eine Angabe, die Unabhängigkeit des Analysten reklamiert, wohl nur redlich, wenn vergleichbare Anforderungen erfüllt werden, wie sie §§ 64 Abs. 5 und 80 Abs. 7 WpHG n.F. für die unabhängigen (Honorar-)Anlageberater formuliert (dazu 7. Teil Rn 84–86).

VI. Standardisierte Informationspflichten (§§ 63 Abs. 7, 8 und 64 Abs. 1, 2 WpHG n.F., EU-PRIIP-VO, ex-§ 31 Abs. 3, 3a, 4b) 1. Basisregime Standardinformation (§ 63 Abs. 7, 8 WpHG n.F., ex § 31 Abs. 3) a) Modalitäten (Abs. 7 S. 1, 2 und 6). § 63 Abs. 7 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 3) setzt – 171 denkt man die (auch Europäische) Durchführungsgesetzgebung hinzu (bisher § 5 WpDVerOV) – inhaltlich identisch Art. 24 IV MiFID II (Art. 19 Abs. 3 MiFID I) um, mit der näheren Ausgestaltung in Art. 45–53, 61, 65 DV 2017/565. Es handelt sich – weil der deutsche Gesetzgeber insoweit vom Mitgliedstaatenwahlrecht nach Art. 24 Abs. 5 S. 2 Mi331 332 333

Teuber BKR 2006, 429 (430); Holzborn/Israel NJW 2008, 791 (793). Teuber BKR 2006, 429 (430 f.); Spindler/ Kasten WM 2006, 1749 (1752). Teuber BKR 2006, 429 (430); Spindler/Kasten WM 2006, 1749 (1752); Harrer ÖBA 2007, 98 (105).

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Vgl. im Einzelnen Spindler/Kasten WM 2007, 1245 (1247 f.); Teuber BKR 2006, 429 (430 f.); Görres BKR 2007, 85 (88 f.). Dazu Geier/Hombach/Schütt RdF 2017, 108 (109).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

FID II Gebrauch machte – um eine standardisierte Information, die bei allen Wertpapierdienstleistungen zu geben ist. Dies gilt beispielsweise auch für die Finanztermingeschäfte, deren eigene Regulierung durch ein Informationsregime ansonsten vollständig abgeschafft wurde.336 Soll die mit der Zulassung standardisierter Informierung angestrebte Kostenentlastung wirklich realisiert werden, kann nicht verlangt werden, dass im Rahmen von § 63 Abs. 7 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 3) bereits auf individuelle Besonderheiten des Kunden abgestellt wird.337 Zwar müssen professionellen Kunden gegenüber viele der Informationen nicht oder nicht in der gleichen Detailgenauigkeit gegeben werden (dazu sogleich), dennoch kann ein Wertpapierdienstleister standardisiert, etwa durch Informationsblätter, informieren, jedenfalls wenn er hier nach Professionalitätsgruppen unterscheidet. Die Information ist aktiv und rechtzeitig vor Geschäftsabschluss zur Verfügung zu stellen. Dass dies aktiv zu geschehen hat, scheinen der Wortlaut der Norm und der 84. Erw.grund (früher 45. Erw.grund MiFID I) vorauszusetzen („zur Verfügung stellen“, nicht nur „zugänglich machen“, Abs. 7 und 6); dies schließt eine bloße Veröffentlichung auf einer Internetseite, aber wohl auch die Aushändigung allein einer Gebührentabelle (für die Kosten, S. 3 Nr. 2) aus.338 Die Rechtzeitigkeit ist in Art. 46 Abs. 1 und 2 DV 2017/565 dahin gehend konkretisiert, dass die Information grds. am Beginn einer Geschäftsbeziehung zu geben und dann durch Korrekturen fortzuschreiben ist339 – was freilich nach neuer Rechtslage aufgrund von Erw.grund 84 MiFID II jedenfalls nicht durchgängig so gefordert werden kann. Zudem muss die Information – obwohl Abs. 7 das nicht ausdrücklich spezifiziert –, wenn schon standardisiert, so auch in dauerhafter Form zur Verfügung gestellt werden (Legaldefinition in § 2 Abs. 43 WpHG n.F., oben Rn 108, Umsetzung in Art. 3 DV 2017/565, bisher § 3 WpDVerOV). Denn in der Neufassung ist die Dauerhaftigkeit sogar so weit gefordert, dass die Information periodisch neu zur Verfügung zu stellen ist, mindestens einmal jährlich (Abs. 7 S. 6). Die Information hat also auch den Zweck, das Investment stetig zu überdenken – was die Möglichkeit jederzeitigen Zugriffs (Dauerhaftigkeit) auf die diesbezüglichen Erklärungen voraussetzt. Dass die Darlegung zudem in „verständlicher“ Form erfolgen muss, ergibt sich bereits aus den Transparenzanforderungen nach Abs. 6 (vgl. daher oben Rn 165 f.), explizit zudem die Richtlinienvorgabe in Art. 24 Abs. 5 S. 1 MiFID II, so dass Abs. 7 schon aus diesem Grunde in diesem Sinne (richtlinienkonform) auszulegen ist.

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b) Generalklausel (Abs. 7 S. 1). Aktiv zu vermitteln ist diejenige Information, die für die informierte Anlageentscheidung „angemessen“ ist (iSv „erforderlich“).340 Die Abgrenzung zwischen Erforderlichem und nicht Erforderlichem wird angesichts der sehr weit reichenden Ausformulierung des Mindestinhalts (nächste Rn) selten bedeutsam.341 Da es

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Vgl. nur noch §§ 99, 100 WpHG n.F. (ex-§§ 37e und 37g); BR-Drucks. 833/06 S. 178 (Regierungsbegründung). Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (633); grundsätzlich ebenso KölnKommWpHG/ Möllers § 31 WpHG Rn 76, 229, 244; aA Veil ZBB 2006, 162 (170 f.). Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (634); vgl. auch Seyfried WM 2006, 1375 (1380). Dazu Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (635); Seyfried WM 2006, 1375 (1380); zu Fragen der Rechtzeitigkeit nach MiFID II/2. FiMaNoG etwa Brenncke Commentary on MiFID II Conduct of Business Rules, S. 28, 33.

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Zur informierten Anlegerentscheidung als Dreh- und Angelpunkt (auch) der Informationsregeln nach §§ 63 Abs. 7, 10 und 64 Abs. 1–6 WpHG n.F., § 31 Abs. 3–5 WpHG a.F.: 44. Erw.grund MiFID I; Nr. 7.4.1. Background Notes zur MiFID I (Fn 31); Avgouleas Yearbook of European Law 2004, 321 (356); Mülbert Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 109; Teuber BKR 2006, 429 (429); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (630). Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (633); vgl. KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 261.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

nicht um die Anwendung im Einzelfall des konkreten Kunden geht (letzte Rn), muss sogar davon ausgegangen werden, dass insbesondere in den beiden näher ausgestalteten Kernpunkten (S. 3 Nr. 1 und 2) die gesetzgeberische Ausformulierung des Mindestinhalts den Standardfall auch wirklich erschöpft. Weitere Informationen auf der Grundlage der Generalklausel wird man nur dort verlangen können, wo das Profil des konkreten Wertpapierdienstleisters Besonderheiten aufweist, und jedenfalls nicht, um Einschränkungen, die die einzelnen speziellen Tatbestände aufweisen (nächste Rn), wieder in Frage zu stellen. Wichtiger ist, dass umgekehrt die Erforderlichkeitsklausel überwiegend auch auf die speziellen Tatbestände bezogen wird, also hier beispielsweise für professionelle Kunden Abstriche für zulässig gehalten werden.342 In allen Fragen scheint auch hinsichtlich der Standardinformation der Maßstab, an dem die Richtigkeit und hinreichende Ausführlichkeit zu messen ist, derjenige des hinreichend „informierten und aufmerksamen“ Verkehrskreisteilnehmers, etwa Verbrauchers (vgl. Nachw. oben Rn 166, auch 2. Teil Rn 338), weil auf „Angemessenheit“ für einen Anleger abgestellt wird, der „nach vernünftigem Ermessen“ handelt. c) Mindestinhalt (Abs. 7 S. 1, 3–5). Die standardisierte Information ist umfangreich, die 173 deutsche Kreditwirtschaft verwendet etwa die gut 170-seitige Broschüre „Basisinformationen über Wertpapiere und weitere Kapitalanlagen“ von 2014. Richtlinie und Gesetz listen als Vorgabe inhaltsgleich vier Mindestinhalte der standardisierten Information auf: Über (i) das Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind vor allem aufzudecken die vorhandene Anlagepalette und die Politik, die das Unternehmen bei Interessenkonflikten verfolgt.343 Zu (ii) den vorgeschlagenen Finanzinstrumenten und Anlagestrategien (näher angesprochen in S. 3 Nr. 1) sind besonders umfangreiche Informationen nötig. Das sind die Kernparameter, wie auch schon daraus hervorgeht, dass die Generalklausel die „vernünftige“ Kundenentscheidung gerade auf diese beiden Parameter bezieht. Gerade hier auch ist in der Tat ein besonderer Zuschnitt auf die jeweilige Kundenart nötig (unter spezifischer Benennung derselben, Nr. 1 lit. c)),344 und eine besondere Betonung vor allem auch der Risiken (Nr. 1 lit. b)), namentlich des Totalverlustrisikos, des Volatilitätsrisikos, der Fragen des Leverage und des Risikos eines beschränkten Zweitmarkts, bei strukturierten Produkten auch der Risiken der Einzelkomponenten, soweit relevant.345 Im Falle der Drittverwahrung sind aus Risikogesichtspunkten insbesondere Ort der Verwahrung, das Maß der Verantwortlichkeit des Dritt-

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343

Erw.grund 31 MiFID I; Erw.grund 71 S. 4 MiFID II; Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (633): grds. nicht über alles aufzuklären, beispielsweise aber über besondere Risiken wie die Verwahrung außerhalb der EU, aber auch grds. über Wesen und Risiken verschiedener Typen von Finanzinstrumenten. Vergleichbar für MiFID II Busch Capital Markets Law Journal 2017, 340 (356–358). Zum Maß an standardisierter Information, das auch bei professionellen Kunden geschuldet ist, ausführlicher. Seyfried WM 2006, 1375 (1379); sehr weitgehend KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 284. Näher Art. 47 DV 2017/565 (überwiegend, bes. in Abs. 1, nicht gegenüber professionel-

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len Kunden); Seyfried WM 2006, 1375 (1378); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (633); Harrer ÖBA 2007, 98 (102 f.); und zur MiFID II Brenncke Commentary on MiFID II Conduct of Business Rules, S. 18. Vgl. Erw.grund 31 MiFID I; Erw.grund 71 S. 4 MiFID II; Seyfried WM 2006, 1375 (1378); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (634); ausführlich Harrer ÖBA 2007, 98 (103); Brinkmann, Wohlverhaltensregeln unter Berücksichtigung der Kundenklassifizierung, in Brinkmann u.a. (Hrsg.), Compliance – Konsequenzen aus der MiFID, 2008, Rn 233. Seyfried WM 2006, 1375 (1378); Weichert/ Wenninger WM 2007, 627 (634); Harrer ÖBA 2007, 98 (103).

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verwahrers und die Insolvenzrisiken näher zu umreißen.346 Weitere wichtige Informationsinhalte betreffen ggf. gegebene Garantien Dritter, eine angemessene Bewertung derselben, die Frage, wo ein Verkaufsprospekt veröffentlicht wurde. Tendenziell weniger weitreichend sind die Anforderungen umgekehrt auf der Seite der Anlageinstrumente und -strategien selbst (Nr. 1 lit. a)). Die standardisierte Information muss nach Richtlinienstandard, über den nationale Gesetzgeber ausnahmsweise hinausgehen dürfen, nur die Anlageart insgesamt betreffen, nicht hingegen jedes konkrete Instrument („solche Arten von Finanzinstrumente“).347 Anders ist das erst im Bereich der Anlageberatung mit dem sog. Beipackzettel (vgl. unten Rn 179–183). Zu betonen ist auch hier das Transparenzgebot des Abs. 6, das wiederum alle Informationen erfasst, auch wenn sie nicht vorgeschrieben sind, also auch die Einzelinformation zu einem konkreten Instrument, wenn sie denn gegeben wurde.348 174 Unabhängig von der Aufklärung über Verwahrungsrisiken, vor allem im Drittland (vgl. oben) ist (iii) über die Ausführungsplätze zu berichten.349 Der letzte Mindestinhalt der Standardinformation betrifft (iv) die Kosten, und gerade hier hat die Spezifikationstiefe mit dem 2. FiMaNoG deutlich zugenommen (S. 3 Nr. 2 und S. 4 und 5).350 Bei ihnen war schon bisher namentlich der Gesamtpreis aufzudecken, daneben jedoch gesondert der Umfang der Provisionen speziell des Anbieters.351 Ersteres spezifiziert heute S. 4 ausdrücklich, weil diese für den Kunden noch wichtiger erscheinen als die Einzelposten, jedoch auch diese nach Kosten und Nebenkosten unterteilt, weil die einen stärker durch äußere Vorgaben determiniert sind, die anderen hingegen in besonderem Maße institutsabhängig sind.352 Aus diesem Grunde wird man die Zusammenfassung nach S. 4 auch dahin verstehen müssen, dass die (Gesamt-)Kosten für die Wertpapieredienstleistungen (Nr. 2 lit. a)) und diejenigen für das gehandelte Finanzinstrument (Nr. 2 lit. b)) getrennt bleiben müssen. Zudem besteht inzwischen auch ein Recht, eine Aufschlüsselung zu verlangen (S. 5), namentlich um mögliche Interessenkonflikte leichter erkennen und die sonstige Informationspolitik seitens des Wertpapierdienstleisters entsprechend einschätzen zu können.353

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d) Ausnahmen (Abs. 7 S. 8–11 und Abs. 8). Gegenüber der standardisierten Information (aber auch den Vorgaben zu Werbung und Empfehlungen) haben andere Regeln des EU-Rechts Vorrang, die spezifisch das Verbraucherkreditrecht sowie die Einlagen bei Kreditinstituten betreffen (Abs. 8). Dies zielt (offenbar ausschließlich) auf die Fälle ab, in denen Finanzprodukte wegen des Kreditelements auch dem EU-Verbraucherkreditregime un-

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Art. 32 MiFID I; Seyfried WM 2006, 1375 (1378); Harrer ÖBA 2007, 98 (103). Vgl. CESR-Umsetzungshinweise, CESR/05–025, S. 34, https://www.esma. europa.eu/sites/default/files/library/ 2015/11/05_025.pdf; Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (634); und zur MiFID II Brenncke Commentary on MiFID II Conduct of Business Rules, S. 29 f. (nur „type of instrument“). Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (634); allgemeiner Grundsatz, vgl. oben 2. Teil Rn 26. Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (634); Sethe Anlegerschutz S. 495; Lang/Balzer BP MiFID-Sonderbeilage 2007, 10 (16). Hierzu ausführlicher Brenncke Commentary on MiFID II Conduct of Business Rules,

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Art. 24 Abs. 4 Rn 9; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Spindler Kap. 33 Rn 110a; Buck-Heeb ZBB 2014, 221 (228); Kurz DB 2014, 1182 (1185 f.). So (freilich nicht notwendig bei professionellen Anlegern); Seyfried WM 2006, 1375 (1378); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (634); Mutschler (Fn 204) S. 270 f.; Harrer ÖBA 2007, 98 (103 f.); Lang/Balzer BP MiFID-Sonderbeilage 2007, 10 (16). Hierzu auch KölnKomm/Möllers § 31 WpHG Rn 76. Ähnlich und näher auch Baur jurisPRBKR 6/2017 Anm. 1, S. 4; Jordans BKR 2017, 273 (275).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

terliegen.354 Demgegenüber nur eine Teilausnahme – genauer: eine Äquivalenzregel – formuliert Abs. 7 Sätze 8–11, indem Informationsbroschüren nach § 7 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (BGBl. 2001 I, S. 1310, 1322, zuletzt 2017 I, S. 3214) als hinreichender Ersatz eingestuft werden – mit der Besonderheit, dass Kostenaufstellungen nach Abs. 7 weiterhin geschuldet bleiben, im Regelfall (nur) auf Verlangen (worauf jedoch gesondert hinzuweisen ist), im Falle von Anlageberatung und Portfolioverwaltung unaufgefordert. 2. Aufbauregime Standardinformation bei Anlageberatung (§ 64 Abs. 1, 2 WpHG n.F. und EU-PRIIP-VO, ex-§ 31 Abs. 3a, 4b) a) Charakterisierung und Überblick zum Aufbauregime. Die Anlageberatung bildet – 176 neben der Finanzportfolioverwaltung – diejenige Wertpapierdienstleistung mit den höchsten Anforderungen eines spezifischen Zuschnitts auf den Einzelkunden (mit entsprechend gesteigerten Informationsanforderungen). Im Bereich der individuellen Informationsanforderungen sind beide auch nicht nur weitgehend parallel geregelt, sondern geht die Stoßrichtung der Regulierung jeweils dahin, dass ungleich umfangreichere Informationsanforderungen formuliert werden (vgl. unten Rn 185–213, auch 214–221). Im Bereich der Standardinformationsanforderungen hingegen ist das Aufbauregime gänzlich anderer Art. Es geht im Kern nicht darum, erheblich mehr Information bereitzustellen, sondern umgekehrt darum, (i) Alternativen deutlich aufzuzeigen (zwischen allgemeiner Anlageberatung und unabhängiger Honoraranlageberatung, unten b), Rn 177) und (ii) die zentralen Informationsgehalte zusammenzufassen (mit einem klaren Auftrag zu Kürze und Prägnanz). Beide Teilregime zeigen (im Zustand nach dem 2. FiMaNoG) jedoch eine gewisse Tendenz zur Zersplitterung. Das Regime der Honoraranlageberatung ist jetzt auf § 64 WpHG n.F. verteilt (Abs. 1, 5 und 6; bisher kompakt gereiht in § 31 Abs. 4b bis 4d WpHG a.F.). Und das Regime der kurzen und prägnanten Informationsblätter, deren Bereitstellung neben der langen „Basis“-Standardinformation (oben Rn 171–174) gefordert wird, ist dreigeteilt und ziemlich heterogen in den Anwendungsbereichen (unten c) bis e), Rn 178–183) und damit von Abgrenzungsfragen belastet – wobei jedoch jedenfalls die beiden vorrangigen EU-Regime mittelfristig zusammengelegt werden sollen.355 Angesichts der beiden genannten Hauptstoßrichtungen wird im Aufbauregime Standardinformation zurecht die Bekämpfung von „information overload“ als Kernziel gesehen,356 daneben auch das Aufzeigen einer Alternative zur potentiell immer interessenkonfliktbelasteten allgemeinen (Provisions-)Anlageberatung (Informationsintermediation).357

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Zur restriktiven Auslegung der Vorgängerregelung Art. 19 Abs. 9 in MiFID I: EuGH Urt. v. 30.05.2013 – Rs. C-604/11 (Bankinter) – ECLI:EU:C:2013:344 = ABl.EU 2013 C 225/16 (Leitsatz), wobei nötig, dass „diese Bestimmungen … eine Bewertung des Risikos für den Kunden erlauben, [wobei] Wertpapierdienstleistung … integraler Bestandteil …“; zu den fraglichen Informationspflichten im Verbraucherkreditrecht vgl. 4. Teil Rn 275–280, 283–289, 295–299. Die österreichische Umsetzung in § 48 Abs. 3 WpHG n.F. nennt ausdrücklich nur Verbraucherkreditfälle.

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Art. 32 Abs. 1 und 33 Abs. 1 EU-PRIIP-VO; dazu etwa Colaert in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 589 (607). Vgl. nur Möllers ZEuP 2016, 325 (332–334); auch Koch BKR 2012, 485 (487); auch Buck-Heeb ZHR 177 (2013), 310 (338); Möllers/Kernchen ZGR 2011, 1 (9 ff.). Vgl. bereits Grundmann/Kerber (Fn 48), bes. 603–649; ausf. zu den Vorteilen der reinen Honoraranlageberatung speziell in puncto Interessenkonflikte: Reiter/Methner WM 2013, 2053; und BR-Drs. 814/12, S. 10 f., 14–16.

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b) Zusätzliche Standardinformation zu Beratungsart und -intensität (Abs. 1, ex-§ 31 Abs. 4b). Mit der Eröffnung einer Alternative „Honoraranlageberatung“ sollte nach dem Gesagten der Problematik begegnet werden, dass bei der klassischen (Provisions-)Anlageberatung (aus der Hand von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, die idR und u.a. zugleich auch eigene Produkte oder solche aus dem eigenen Konzern vertreiben) Interessenkonflikte unvermeidbar sind und nur minimiert werden können (vorige Fn). Das Gesamtregime zur unabhängigen Honorarberatung im WpHG ist dreigeteilt und umfasst (neben § 64 Abs. 1 WpHG n.F.) Transparenz- ebenso wie Verhaltensregeln (im Zusammenhang dann unten Rn 214–217). Die Regelung im Abs. 1 bildet hier nur den Ausgangspunkt, eine Transparenzregel, die freilich seit MiFID II und dem 2. FiMaNoG selbst wiederum dreigeteilt ist. Primär (i) soll sie es ermöglichen, eine zertifizierte Form der unabhängigen (Honorar-)Anlageberatung deutlich hervortreten zu lassen. Hierfür ist – wie schon seit dem Honoraranlageberatungsgesetz 2013 (Fn 48) – vor der Beratung darüber aufzuklären, ob Provisions- oder (unabhängige) Honorarberatung angeboten wird, um auch den nicht „vorgewarnten“ Kunden auf die Dualität der Möglichkeiten hinzuweisen. Diese Pflicht besteht wohl in jedem Einzelfall, es sei denn ein Unternehmen bietet ohnehin nur Honorarberatung an und macht dies bereits zu Beginn der Beziehung deutlich § 64 Abs. 1 Nr. 1 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 4b).358 Mit MiFID II und dem 2. FiMaNoG traten neben diese Pflicht, den Status zu klären, zwei weitere, nunmehr speziell für die klassische provisionsgestützte Anlageberatung. (Auch) Bei ihr ist (ii) immerhin klarzustellen, ob das Beratungsportfolio ein breites ist, das auch Produkte umfasst, die von Emittenten stammen, die vom beratenden Wertpapierdienstleister wirtschaftlich unabhängig sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 WpHG n.F.). Dadurch soll auch bei der provisionsgestützten Anlageberatung der Anleger für die Interessenkonflikte sensibilisiert werden, die aus einem Vertrieb von Produkten allein aus dem Umfeld des beratenden Wertpapierdienstleisters resultieren, ggf. gar dazu animiert werden, sich bei jeder Empfehlung selbst zu vergewissern, wie der Emittent zum Berater steht.359 Schließlich hat (iii) jede Art Anlageberater anzugeben, ob eine laufende Geeignetheitsprüfung bei einem empfohlenen Produkt erfolgt und zur Verfügung gestellt wird (§ 64 Abs. 1 Nr. 3 WpHG n.F.) – was dann m.E. auch eine entsprechende (vertragsrechtliche) Pflicht begründet.360 Während die ersten beiden Vorgaben primär Interessenkonflikte im Blick haben, wird durch diese Regel ein Vergleich der Angebote breiter möglich – in der wichtigen Frage, ob die nach dem dispositiven Regime allein auf den Be-

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Hierzu (gerade auch zur Alternative Einzeloder Pauschalaufklärung): Balzer Bankrechtstag 2013, 157 (163 f.); sowie Busch Capital Market Law Journal 2017, 340 (354); wohl enger Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101 (106); anders hins. Aufklärung in jedem Einzelfall wohl Kuhlen/Tiefensee VuR 2013, 49 (50). Näher zu dieser (neuen) Vorgabe (auch zu den Kriterien für eine wirtschaftliche Nähe, die geeignet ist, Interessenkonflikte zu begründen): European Securities and Markets Authority, Final Report – ESMA’s Technical Advice to the Commission on MiFID II and MiFIR, 19. Dezember 2014, ESMA/2014/ 1569, S. 106 Nr. 9; Trafkowski in: Teuber/ Schröer (Hrsg.), MiFID II und MiFIR, S. 79

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(85 f.); dazu auch Veil/Lerch WM 2012, 1605 (1610). Beim unabhängigen Honorarberater ist zwingend vorgegeben, dass er auch Produkte von wirtschaftliche unabhängigen Emittetenten vertreibt (§ 64 Abs. 5 Nr. 1 lit. b) WpHG n.F.) und dass der jeweilige Status selbstinitiativ aufgedeckt wird (§ 64 Abs. 6 WpHG n.F.). Dazu unten Rn 215–217. Näher zu dieser (ebenfalls neuen) Vorgabe (und zu den genannten zivilrechtlichen Folgen): Trafkowski in: Teuber/Schröer (Hrsg.), MiFID II und MiFIR, S. 78 (108 ff., bes, 112). Zu § 64 Abs. 8 WpHG n.F., der den Inhalt einer dann geschuldeten periodischen Geeignetheiterklärung weiter spezifiziert, vgl. unten Rn 220 f.

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ratungszeitpunkt bezogene Dienstleistung (unten Rn 208, 220 f.) periodisch angeboten wird. c) Basisinformation im Fondsbereich – Verläufer von bzw. Ersatz zu den Basis- und 178 Produktinformationsblättern (Abs. 2 S. 4, ex-§ 31 Abs. 3a). Gesetzgebungstechnisch erscheint im WpHG diejenige Form von (Kurz-)Informationsblättern als die Ausnahme (Abs. 2 S. 3), die historisch den Ausgangspunkt bildete und die dem Regime der (Kurz-)Informationsblättern nach WpHG auch in der Normhierarchie übergeordnet ist. Im Fondsbereich wurde die Idee der zusammenfassenden Informationsblätter – dort auf höchstens zwei DIN-A4-Seiten – entwickelt, der sog. „Key Investor Information“ (KII).361 Ebenso wie die Fonds – namentlich OGAW und AIF – und auch die verbleibenden Vermögensanlageformen, die am Unternehmensgewinn anknüpfen, nicht kommentiert werden, weil dieses Geschäft im Wesentlichen außerhalb des Investment Banking steht (vgl. 5. Teil Rn 77 f.), muss auch diese Ausnahme nur benannt und nicht näher beleuchtet werden. Auch vom Anwendungsbereich der EU-PRIIP-VO (unten Rn 179–181) wird der Fondsbereich ausgenommen, wobei nach dem Gesagten mittelfristig eine Zusammenlegung erfolgen soll (oben Rn 176). d) Zusätzliche Standardinformation durch EU-Basisinformationsblatt (Abs. 2 S. 1 179 iVm EU-PRIIP-VO, ex-§ 31 Abs. 3a). Nach dem Vorbild der Kurzinformation im Fondsbereich wurde – nach relativ langwieriger Gesetzgebungsgeschichte – Ende 2014 die sog. EU-PRIIP-VO erlassen,362 die nach ihrem Art. 34 ab dem 31.12.2016 Anwendung finden sollte, was jedoch um ein Jahr verschoben wurde (auf den 01.01.2018), weil die technische Regulierung zur Durchführung der Verordnung auf das Veto des Europäischen Parlaments stieß.363 Die EU-PRIIP-VO ist (wiederum) fokussiert im Anwendungsbereich, sachlich auf

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Vgl. Verordnung der Kommission (EU) Nr. 583/2010 vom 1. Juli 2010 zur Durchführung der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die wesentlichen Informationen für den Anleger und die Bedingungen, die einzuhalten sind, wenn die wesentlichen Informationen für den Anleger oder der Prospekt auf einem anderen dauerhaften Datenträger als Papier oder auf einer Website zur Verfügung gestellt werden, ABl.EU 2010 L 176/1 („EU-KII-VO“); zum Seitenumfang dort Art. 6; zur KII im Fondsbereich etwa Schäfer/Schäfer ZBB 2013, 23 (25, 26, 31); Müchler WM 2012, 974 (975); Podewils ZBB 2011, 169 ff. Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP), ABl.EU 2014 L 352/1; Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Basisinformationsblätter für Anlageprodukte vom 03.07.2012, KOM/2012/

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0352 endg.; Kompromiss der Ratpräsidentschaft 2012/0168 (COD); zur Gesetzgebungsgeschichte Möllers ZEuP 2016, 325 (334); Loritz WM 2014, 1513; Seitz/Juhnke/ Seibold BKR 2013, 1 (2 f.) (zurückgehend bis 2008); Schäfer/Schäfer ZBB 2013, 23 (24); Podewils ZBB 2011, 169 (177 f,). Zur Verordnung allgemein namentlich Derleder/ Knops/Bamberger/Frisch, § 54 Rn 13; Just/ Voß/Ritz/Becker/Voß § 31 Rn 434 ff.; Seitz/ Juhnke/Seibold BKR 2013, 1; näher für eine Gegenüberstellung mit deutschen Produktinformationsblatt gem. 31 Abs. 3a WpHG a.F. Möllers ZEuP 2016, 325 (333 ff.). Vgl. Regulatory Technical Standards on the content and presentation of the KIDs for PRIIPs – European Banking Authority, in www.eba.europa.eu; Joint Committee of the European Supervisory Authorities, Final Draft Regulatory Technical Standards, JC 2016/21 vom 31. März 2016. Unter Zustimmung vor allem der Versicherungsindustrie am 14.09.2016 abgelehnt, weil das Hauptziel der Klarheit der Information nicht erreicht werde. Heute Delegierte Verordnung (EU) 2017/653 der Kommission vom 8. März

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sog. verpackte Anlageprodukte, persönlich auf Kleinanleger. Kleinanlegern sollen für verpackte Anlageprodukte und Versicherungsanlageprodukte (Packaged Retail and Insurancebased Investment Products, kurz „PRIIPs“, soweit die Versicherungsprodukte ausgeblendet sind, kurz „PRIPs“) einheitliche Basisinformationsblätter (Key Information Documents, kurz „KIDs“) – auf höchstens 3 DIN-A4 Seiten – an die Hand gegeben werden. Bei verpackten Anlageprodukten handelt es sich um solche, in denen die Grundtypen verknüpft werden oder ihre Wertentwicklung von einem unabhängigen Referenzwert abhängt, was auch den Fall einschließt, dass Derivate (oben Rn 65–71, 104) in das Produkt eingebettet werden. Diese Produkte können zwar persönlicher zugeschnitten werden (im Kleinanlegerbereich zwar durchaus ebenfalls potentiell wichtig, doch weniger als bei unternehmerischer Investition), das Regulierungsbedürfnis resultiert umgekehrt jedoch daraus, dass auch Risiken und Renditechancen bei dieser Gestaltung stärker intransparent werden.364 Die wichtigsten Fälle sind (i) Derivate, genauer Finanzprodukte, deren Wert sich von Referenzwerten wie Aktien oder Wechselkursen ableitet, (ii) strukturierte Finanzprodukte, d.h. solche, bei denen derivative Elemente, etwa Optionsscheine, in Versicherungen, Wertpapiere oder Bankprodukte inkludiert sind, d.h. aber auch durch Verbindung von Grundformen gekennzeichnete Produkte, etwa Wertpapiere und Spareinlagen mit solchermaßen verbundenen Rechten, (iii) fonds- und indexgebundene Lebensversicherungen und sonstige Versicherungsanlageprodukte, wie zum Beispiel kapitalbildende und fondsgebundene Lebensversicherungen und Hybrid-Produkte.365 Technisch erfolgt der genannte Zuschnitt dadurch, dass die Versicherungs- und Anlageprodukte, die keines der beiden genannten beiden Merkmale aufweisen (Bezug auf Referenzwert bzw. Kombination der Formen), vom (sehr breiten) Anwendungsbereich der VO ausgenommen werden. Anders als im Fondsbereich, in dem bereits die Anlageform typischerweise auf Kleinanleger zugeschnitten ist, ist der Anwendungbereich (wie auch beim Produktinformationsblatt nach deutschem Recht, unten Rn 182 f.) auf Kleinanleger beschränkt. 180 Die Inhalte der PRIIPs – näher spezifiziert in Art. 46–51 DV 2017/565 – sind aufgeteilt in sechs inhaltliche Bereiche (neben der Identifikation des Herstellers, einem Warnhinweis und dem Verweis auf weitere Informationsquellen; vgl. Art. 8 Abs. 3 lit. c) bis h) EU-PRIIP-VO) und haben einer streng einzuhaltenden Gliederung zu folgen.366 Nacheinander zu erläutern sind der Produkttyp selbst (lit. c), Art, Ziele und Zielgruppe, auch Laufzeit); der

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2017 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsprodukte (PRIIP) durch technische Regulierungsstandards in Bezug auf die Darstellung, den Inhalt, die Überprüfung und die Überarbeitung dieser Basisinformationsblätter sowie die Bedingungen für die Erfüllung der Verpflichtung zu ihrer Bereitstellung, ABl.EU 2017 L 100/1. Zum Konzept verpackte Anlageprodukte und der Gefahr von Intransparenz als Regulierungsgrund Möllers ZEuP 2016, 325 (334 f.); Seitz/Juhnke/Seibold BKR 2013, 1 (4); kritisch dazu Loritz WM 2014, 1513 (1517).

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In Erw.grund 6 und 7 werden beispielhaft Investmentfonds, Lebensversicherungspolicen mit einem Anlageelement und strukturierte Produkte für Kleinanleger erwähnt; vgl. auch Aufzählungen bei Jordans BKR 2017, 273 (276 f.); Podewils ZBB 211, 169 (178). Zum Folgenden und Inhalt vor allem Seitz/ Juhnke/Seibold BKR 2013, 1 (6 und 8) (mit Tabelle zu den Unterschieden zum Kurzinformationsblatt nach § 64 Abs. 2 WpHG n.F.); kritisch zu den Anforderungen Loritz WM 2014, 1513 (1517 ff.); zum KID summary risk indicator vgl. etwa Colaert in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 589 (603–606).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

Kreis der Risiken (lit. d), mit einem Gesamtrisikoindikator, Höchstverlustrisiko, differenziert nach denkbaren Szenarien); die Rechte bei Nichterfüllung (lit. e), vor allem welche Sicherungssysteme bestehen); die Kosten (lit. f), die direkten ebenso wie die indirekten, auch Gesamtkostenrechnungen); Haltezeit- und Laufzeiten (lit. g), mit vorzeitigen Rückzahlungsmöglichkeiten und Widerrufsfristen sowie Folgen verführten Abzugs); und die Rechtsbehelfe, vor allem Beschwerdeformen (lit. h)). Verantwortlich für die Erstellung ist – wie in der vorangegangenen WpHG-Regelung zu den Kurzinformationsblättern (unten Rn 182 f.) – der Produkthersteller (Art. 5 EU-PRIIP-VO),367 und deswegen sind auch die Probleme der zivilrechtlichen Haftung vergleichbar denen, die für die Kurzinformationsblätter diskutiert wurden (vgl. unten Rn 183). Art. 11 EU-PRIIP-VO, der allein für die Herstellerhaftung einen Rahmen vorgibt, geht freilich von einer grundsätzlichen Haftung bei irreführenden oder ungenauen oder den Vertragsunterlagen widersprechenden Angaben aus. Ansonsten jedoch verweist die Norm auf nationales Recht, gestaltet die Ansprüche freilich umgekehrt wiederum schon selbst als zwingend aus.368 Unter der Vielfalt der Informationsregeln ergeben sich Abgrenzungsprobleme, die ty- 181 pischerweise zwei Gruppen umfassen. Einerseits sind die sächlichen Anwendungsbereiche der verschiedenen Rechtsakte gegeneinander abzugrenzen und Verschiedenartigkeiten in den jeweiligen Regeln zu rechtfertigen oder in Frage zu stellen. So wird kritisiert, dass in der EU-PRIIP-VO und in der EU-KII-VO gleichermaßen Kosten als eine aufzudeckende Kategorie aufgeführt werden, freilich nur im ersten Fall Transaktionskosten für jedes einzelne Investment.369 Gleichermaßen bilden in beiden Fällen Risiken eine weitere aufzudeckende Kategorie, was einerseits freilich auf die Marktrisiken (etwa Bestehen/Tiefe von Sekundärmärkten, Marktpreis etc.) beschränkt wird, in dem anderen Fall auch Liquiditätsund Kreditrisiken von Einzelinstrumenten umfasst.370 In allen Fällen ist m.E. freilich danach zu fragen, ob im Fondsbereich der Umgang mit bestimmten Kosten und Risiken gerade als Aufgabe des professionellen Managements zu sehen ist, dessen nähere Betrachtung für den Anleger typischerweise unrealistisch und daher uninteressant ist. Diese Frage ist m.E. in beiden genannten Fällen in der Tat zu bejahen, was wiederum auch für die angedachte Zusammenlegung der Regime eine erhebliche Komplexität erwarten lässt. Die zweite Abgrenzungfrage besteht nicht zwischen verschiedenen Formen von Kurzinformationsblättern, sondern im Zusammenspiel mit anderen Arten von Informationspflichten. So ist vor allem zu fragen, ob Risikobewertungen aus den Kurzinformationsblättern, etwa auch Kennzahlen hierfür (sog. KID summary risk indicator), u.a. für die Produktgovernance und die individuelle Informationsabgabe und Beratung (§ 63 Abs. 4 und 5 und § 64 Abs. 3 und 4 WpHG n.F., oben Rn 160–164 und unten Rn 205–208) ebenfalls heranzuziehen oder gar maßgeblich sind.371 Während eine Berücksichtigung (ein „Heranziehen“) sicher zu befürworten ist, ist eine strikte Bindung aus folgenden Gründen abzulehnen. Ebenso wie im Hinblick auf den Prospekt muss der Wertpapierdienstleister nicht nur Transformationsleistungen, sondern auch Überprüfungsleistungen erbringen. Bei den 367

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Ausführlich (auch zu Delegation und periodischer Überprüfung/Überarbeitung) Seitz/ Juhnke/Seibold BKR 2013, 1 (4 f.); vgl. auch Podewils ZBB 2011, 169 (178). Zur Haftung (über die unten für das deutsche Recht Genannten hinaus) namentlich Jordans BKR 2017, 273 (277); Seitz/Juhnke/ Seibold BKR 2013, 1 (6 f.). Dazu Colaert in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 589 (600–602) (mit

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Kritik daran, dass unter der DV 2017/565 die Tendenz bestehe, für die Schließung von Informationslücken, die vom Produkthersteller herrühren, die Vertriebsmittler heranzuziehen). Dazu Colaert in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 589 (603 f.). Dazu Colaert in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 589 (604–606).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Kurzinformationsblättern, die ja selbst bereits kurz und auf eine nichtprofessionelle Anlegergruppe zugeschnitten sind, stehen die Transformationsleistungen sogar im Hintergrund. Inhalte der (vom Emittenten verantworteten) Kurzinformationsblätter sind also zu hinterfragen. Außerdem gehört es auch zum Qualitätswettbewerb zwischen Wertpapierdienstleistungen, der teils auch Klumpen- und damit Stabilitätsrisiken entgegenwirken mag, dass sich die Bandbreite an Wertpapierdienstleistern selbst eine unabhängige Meinung zum jeweiligen Risikogehalt der angebotenen Produkte bildet.372

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e) Zusätzliche Standardinformation durch (deutsches) (Produkt-)Informationsblatt (Abs. 2 S. 1–3, ex-§ 31 Abs. 3a). Ergänzt wurde die standardisierte Mindestinformation (oben Rn 171–175) in Deutschland bereits seit dem AnSFuVG vom 05.04.2011 (Fn 45) durch den sog. Beipackzettel (Abs. 3a), vgl. auch § 42e WpHG a.F., § 5a WpDVerOV), heute § 64 Abs. 2 S. 1 und 2 WpHG n.F.373 Seit Verabschiedung der EU-PRIIP-VO – genauer: mit deren Anwendung ab 01.01.2018 – gilt die WpHG-Regelung freilich nur noch subsidiär (ausdrücklich § 64 Abs. 2 S. 1 WpHG n.F.). Die Regelung bleibt relevant, weil ihr Anwendungsbereich breiter ist, wenn auch nicht uferlos. Sie gilt (ebenfalls) keineswegs für alle Wertpapierdienstleistungen, sondern nur im Falle der Anlageberatung, hier nur für Kauf-, nicht Verkaufsempfehlungen, und auch dies nur für Kleinanleger, d.h. nicht professionelle Kunden (einschließlich geeigneter Gegenparteien). Diese Elemente des sachlichen und persönlichen Anwendungsbereichs teilen sich beide Regelungen weitestgehend (wobei die Auslegungshoheit für gleiche Konzepte einerseits im EU-Recht, andererseits im nationalen Recht liegt). Die WpHG Regelung gilt jedoch für alle Finanzinstrumente, nicht nur verpackte Finanzprodukte.374 Umgekehrt freilich wird auch die WpHG-Regelung – im Ergebnis vergleichbar zum Umgang der EU-PRIIP-VO mit dieser Frage – abgeschwächt für das (relativ sichere) „klassische“ Anlageprodukt – die an geregelten/organisierten Märkten zugelassene Aktie (S. 3 mit der Möglichkeit uneingeschränkter Standardisierung) – und für unanwendbar erklärt, soweit alternative, gleichwertige Informationsmittel im Fondsbereich bereit stehen (Abs. 2 S. 4). 183 Inhalt und Ziel der Regelung hängen eng zusammen. Durch den „Beipackzettel“ sollte ein noch besser informierter Kaufentschluss ermöglicht werden, nach Gesetzgeberauffassung auch ein Vergleich mit Alternativanlagen.375 Alles ist auf das erste Ziel fokussiert. Das wird deutlich im magischen Dreieck zwischen „alles Wesentliche“ und dies im abso-

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374

Ebenso im Kern Colaert in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 589 (604–606). Zu diesem Instrument ausf. Günther GWR 2013, 55; Müchler WM 2012, 974; Podewils ZBB 2011, 169; Preuße/Schmidt BKR 2011, 265. Möllers ZEuP 2016, 325 (333) betont die europaweite Vorreiterrolle des deutschen Gesetzgebers (freilich die vorangegangene EU-KII-VO, oben Fn 361, erst unabhängig davon ansprechend, a.a.O. 334 f.); die EULinie stärker betonend Seitz/Juhnke/Seibold BKR 2013, 1 (2 f.). Zu diesem Unterschied näher Seitz/Juhnke/ Seibold BKR 2013, 1 (3 f.); Möllers ZEuP 2016, 325 (335). Zu den Definitionen der beiden Begriffe/Anlageinstrumenttypen bereits oben Rn 61–73 und 179. Zu allen ge-

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nannten Elementen des Anwendungsbereichs Preuße/Schmidt BKR 2011, 265 (266 f.). BT-Drucks. 17/3628, S. 21 (Regierungsentwurf); zu Recht zweifelnd Assmann/Schneider/Koller Rn 122; zur Ausführung näher BaFin, Rundschreiben 6/2011 (WA) zu den Informationsblättern nach § 31 Abs. 3a, 9 WpHG und § 5a WpDverOV vom 01.06. 2011 (WA 36 – Wp 2002–2010/0002); auch BaFin, Verbesserungsbedarf bei Produktinformationsblättern vom 05.12.2011; sowie die Reaktionen auf in der Praxis aufgekommene Fragen, wie etwa der Darstellung von Risiken und Kosten im Informationsblatt, BaFin, Rundschreiben 4/2013 (WA) – Auslegung gesetzlicher Anforderungen an die Erstellung von Informationsblättern gemäß § 31 Abs. 3a WpHG/§ 5a WpDVerOV

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

luten Einklang mit dem Prospekt, „alles Unwesentliche weglassen“ und möglichst gute „Verständlichkeit“. Für den Durchschnittsanleger (es handelt sich um ein standardisiertes Informationsblatt von 2, bei komplexen Instrumenten 3 DIN-A4-Seiten) soll ein (dauerhaft ausdruckbares) Informationsinstrument bereitgestellt werden, aus dem er die wesentlichen Chancen und Risiken sowie Auszahlungsvoraussetzungen und -zeitpunkte umfassend erkennen kann und zwar so, dass er Zeit hat, diese Information hinreichend zu erfassen.376 Das kann gar nicht für alle Alternativen ebenfalls aufgezeigt werden, das Gesetz schreibt ebendies auch nicht vor (sondern nur „verschiedene“ Alternativen). Entscheidend für die Verbesserung der Informationslage ist insgesamt die Kürze/Prägnanz und dass das Informationsblatt auf das konkrete Finanzinstrument individuell zugeschnitten sein muss. Dafür wird auch eine feste Gliederung in fünf Punkte vorgegeben (§ 5a Abs. 1 Nr. 1–5 WpDVerOV, im Referentenentwurf für die Neufaassung § 4 Abs. 1 Nr. 1–4, 6):377 Erklärung des Typs des Finanzinstruments; seiner groben Funktionsweise (mit veranschaulichenden Beispielen, namentlich zu Rechten und Pflichten, Bandbreiten, Laufzeiten, nicht Bewertungen); Erklärung der Risiken (die wichtigsten Einzelrisiken, zugeordnet zu gut erklärten Risikoklassen, allerdings im angesichts des Umfangs möglichen Rahmen); insbesondere Klärung der Aussichten auf Kapitalrückzahung (dies freilich aufgefächert nach denkbaren Marktumständen); und Kosten (nicht auch Veräußerungskosten). Zwar kann auf den Prospekt verwiesen werden, es muss dennoch das Wesentlich im Informationsblatt zu finden sein (Prospekt nicht als Freibrief). Die zivilrechtliche Haftung ist dadurch erschwert, dass der Ersteller und das beratende Wertpapierdienstleistungsunternehmen auseinanderfallen, Ersterer gesetzgebereisch nicht einer Haftung in Anlehnung an eine Form der Prospekthaftung unterworfen wird, und Zweiterer zwar aus Beratungsvertrag haftet, jedoch (wohl) nur aus unzureichender Überprüfung des Informationsblattes.378

VII. Schranken bei der Bündelung von Dienstleistungen (§ 63 Abs. 9 WpHG n.F.)

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Eine nicht sehr weitreichende Regulierung von Bündelungspraktiken findet sich in § 63 Abs. 9 WpHG n.F. – mit zwei Pfllichten. Größere Transparenz und Schärfung der Informationspflichten, indirekt auch eine Belebung des (auch grenzüberschreitenden) Wettbewerbs sind das Ziel.379 Die erste Pflicht geht dahin, aufzudecken, ob gebündelte Dienstleistungen und Produkte auch einzeln bezogen werden können und zu welchen Kosten im

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vom 26.09.2013 (WA 36 – Wp 2002 – 2012/0003); zur praktischen Gestaltung ausf. Günther GWR 2013, 55; zu angedachten Ausführungsregeln auf EU-Ebene: Verordnungsvorschlag der EU-Kommission vom 3.7.2012, KOM(2012) 352 endg.; dazu Schäfer/Schäfer ZBB 2013, 23; Seitz/Juhnke/ Seibold BKR 2013, 1. Ausf. (über die oben Fn 373 Genannten hinaus): Rosenblum DB 2012, 1105 (1108 f.); Schleer/Maywald BKR 2012, 320; Assmann/ Schneider/Koller Rn 123–129; Kritik daran, dass nicht gesondert und mit besonderer Warnung auszuhändigen: Möllers ZEuP 2016, 325 (334).

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Zum Folgenden und Inhalt vor allem Günther GWR 2013, 55 (56–58); Preuße/ Schmidt BKR 2011, 265 (267 f.). Zur zivilrechtlichen Haftung näher Müchler WM 2012, 974; Preuße/Schmidt BKR 2011, 265 (269–271). Zu diesem Zielepaar und dem Regime vgl Erw.grund 81 MiFID II; Gesetzesmaterialien BT-Drucks 18/10936, S. 234; vgl. auch zum zugrunde liegenden Art. 24 Abs. 11; Brenncke; Commentary on MiFID II conduct of business rules, Arts 21–30 MiFID II, S. 45; im Kontext der Vermeidung von Interessenkonflikten Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 804.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

einzelnen (Klarstellungs-, abhängig hiervon dann auch Aufgliederungspflicht). Dies bezieht sich (dem Wortlaut nach) auf Wertpapierdienstleistungen, die mit anderen Dienstleistungen, aber auch Produkten verbunden werden, wohl jedoch auch auf solche, die mit anderen Wertpapierdienstleistungen verbunden werden.380 Die zweite Pflicht geht dahin, bei jeder Risikoanalyse zu bedenken und klären, auch dem Anleger gegenüber, ob die Bündelung eigene Risiken begründet, die über die Risiken der einzelnen Angebote hinausgehen. Insofern ergänzt die Regel die Vorgaben zur Risikoanalyse namentlich in der Produktgovernance, bei der standardisierten und bei der individualisierten Information (oben Rn 160–164, 173–183 und unten Rn 189–213).

VIII. Individuelle Informations(-erhebungs- und abgabe-)pflichten (§§ 63 Abs. 10, 11 und 64 Abs. 3, 4 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4, 4a, 5 sowie 6–7) 185

1. Überblick. Zwar wird mit der Bereitstellung standardisierter Information (oben Rn 171–183) durchaus ein Teil der „Übersetzungsarbeit“ geleistet, die nach dem Gesagten den Kern der Intermediärstätigkeit bildet (oben Rn 35–39). Zwar wurde zudem mit MiFID II (im 2. FiMaNoG) das wichtige Institut einer Produktgovernance eingeführt, also eines ungleich feinkörnigeren und bewussteren Zuschnitts der Produkte auf minutuös bestimmte sehr homogene und kleinteilige Kundengruppen (oben Rn 160–164). Dennoch bildet die individuelle Informationserhebung, Bearbeitung der erhobenen Informationen und individuelle Informationsabgabe auch heute noch den Kern und das Paradigma der Intermediärstätigkeit im Wertpapierhandel (zu der Ausnahme von §§ 63 Abs. 10 und 64 Abs. 3, 4 WpHG n.F. im Bereich Verbraucherkredite vgl. § 66 WpHG n.F. und unten Rn 230). 186 Um die Entwicklung dieser individuellen Informationserhebungs- und -abgabepflichten über die drei Regulierungsetappen zu umreißen, ist es sinnvoll zwischen der Struktur der Pflichten und dem jeweils in den Vordergrund gerückten Anwendungsgegenstand zu unterscheiden. Erstere blieb über die verschiedenen Regulierungsetappen praktisch gleich. Denn hinsichtlich der Struktur der Anforderungen – bei allen Wertpapierdienstleistuungen, also bei den beratungsfreien Wertpapierdienstleistungen ebenso wie bei Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung – sind idealtypisch jeweils zwei Phasen zu unterscheiden und werden denn auch in den zentralen diesbezüglichen Normen unterschieden: hier die Eruierung der entscheidungsrelevanten Umstände, dort die eigentliche Aufklärung und Beratung (Informationsabgabe).381 In beiden Phasen sind sowohl das Anlageinstrument als auch der konkrete Kunde zu bedenken. Bei all dem ist zugleich zu konstatieren, dass die individuellen Informationspflichten zwar über die verschiedenen Regulierungsetappen ungleich stärker ausdifferenziert wurden, ein Schwerpunkt der Information jedoch besonders gelagert ist. Die Aufklärung zu den individuellen Aussichten und Gefahren eines konkreten Anlageinstruments (Aktie der Gesellschaft X, im Gegensatz zur Aktie der Gesellschaft Y) wird auch heute noch mit den Regeln zur standardisierten Informationsbereitstellung in § 64 Abs. 2 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 3a, vor allem mit den Basisinformationsblättern) un-

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Ebenso in Erw.grund 81 MiFID II. und näher Brenncke Commentary on MiFID II Conduct of Business Rules, Art. 24 Abs. 11 Rn 3; Busch Capital Markets Law Journal 2017, 340 (356).

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Kasten, Explorations- und Informationspflichten, 239 ff. einerseits, 297 ff. andererseits; Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1714); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (629 und 631).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

gleich klarer umrissen als mit denjenigen zur individuellen Informationsbereitstellung (namentlich §§ 63 Abs. 10 und 64 Abs. 3, 4 WpHG n.F., ex §-31 Abs. 5 und 4). Hat sich in den drei Regulierungsetappen die Struktur der Pflichten praktisch nicht ge- 187 ändert (vorige Rn), so ist das ganz anders bei den jeweils in den Vordergrund gerückten Anwendungsgegenständen und ihrer Regelung. In der EG-WertpapierdienstleistungsRichtlinie von 1993 und dem WpHG von 1995 war die Regulierung – ohne formal allein für diese zu gelten – allein auf das Leitbild der Anlageberatung ausgerichtet, d.h. derjenigen Wertpapierdienstleistung (damals noch Wertpapiernebendienstleistung) mit dem intensivsten Informationstransfer (einschließlich Empfehlung). Die Wohlverhaltenspflichten waren ganz nach diesem Leitbild ausgestaltet, der Bundesgerichtshof schloss häufig aus den Umständen auf den stillschweigenden Abschluss eines Beratungsvertrages.382 Dies änderte sich grundlegend mit der Regulierung in Art. 19 Abs. 4, 5 MiFID I, umgesetzt im FRUG und in § 31 Abs. 4, 4a und 5 WpHG a.F. (mit Ausnahmen und Abmilderungen in Abs. 6, 7 und 9). Der Hauptschritt, der mit diesen beiden Rechtsakten vollzogen wurde, war der einer zweifachen Differenzierung, primär einer Differenzierung nach Geschäftstypen und der dezidierten Abstufung in den Anforderungen bei denselben, sekundär auch einer Differenzierung nach Kundentypen. Die konzeptionelle Trennung von Informationserhebungs- und Informationsabgabepflichten blieb demgegenüber – das sei nochmals betont – dieselbe (vorige Rn). Die Regelung folgte im Aufbau einem Voranschreiten vom umfassenderen zum weniger umfassenden Regime. Die Anlageberatung prägte zwar nicht mehr allein das Regime, stand jedoch am Anfang und bildete insofern (weiterhin zumindest) das Leitbild, als bei ihr das ganze Tableau an Informationspflichten und -anforderungen zu finden war (Abs. 4, 4a a.F., vgl. unten Rn 198–208), vergleichbar, freilich schon mit Modifikationen, das zweite besonders dienstleistungsintensive Geschäft, die Finanzportfolioverwaltung (ebenfalls Abs. 4 a.F., vgl. unten Rn 209–212 und 218–221). Ausgehend von diesen Leitbildern konstatierte man dann eine schrittweise Absenkung des Standards je nach Geschäftsart und nach Kundenart: Bei allen anderen Wertpapierdienst- und -nebendienstleistungen bestand nach Abs. 5 a.F. schon nur noch eine der drei Anforderungen, die bei der Beratung (und Portfolioverwaltung) zu beachten sind (unten Rn 189–197, dort dann auch zum Execution-only als weiterer Absenkung des Leistungsumfangs). Mit der MiFID II (und dem 2. FiMaNoG) änderte sich die Anordnung fundamental, der Gehalt hingegen praktisch nicht. Die Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung bilden jetzt auch formal nicht mehr den Ausgangspunkt, das „Leitbild“, sondern werden ans Ende gerückt, formal nunmehr „nur noch“ ein Sonderfall (§ 64 Abs. 3, 4 WpHG n.F.), während die beratungsfreien Wertpapierdienstleistungen jetzt den Grundtatbestand bilden (§ 63 Abs. 10, 11 WpHG n.F.). Auch werden beide weit auseinander gerissen (während sie in der alten Fassung zwar von der „Fremdmaterie“ in § 31 Abs. 5a WpHG a.F. unterbrochen wurden, ansonsten jedoch eine einheitliche Abfolge bildeten). Die einzelnen Regelungen (Absätze) sind demgegenüber – mit eher peripheren Präzisierungen im Detail – gleich geblieben (§ 63 Abs. 10 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 5 und § 63 Abs. 11 WpHG n.F., ex-§ 31

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BGH Urt. v. 04.03.1987 – ZR IVa 122/85, BGHZ 100, 117 (118) (gleichgültig, ob Bank an Kunden herangetreten oder Kunde spontan an Bank herangetreten); BGH (oben Rn 5), BGHZ 123, 126 (128) (ebenso, konkret: Bank ließ sich auf Kundenanfrage ein); Ellenberger, FS Nobbe 2009, 523 (525); zugrunde gelegt etwa in BGH Urt. v. 22.03.

2011 – XI ZR 33/10, NJW 2011, 1949 (1950) = BKR 2011, 293 = WM 2011, 682 = ZIP 2011, 756 (Spread-Ladder Swap – Zinswette); Anmerkungen vgl. unten Fn 557; vgl. demgegenüber (Nebenpflicht aus Wertpapierhandelsvertrag) Krüger NJW 2013, 1845.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Abs. 6–7 und auch 9 zu den beratungsfreien Wertpapierdienstleistungen und § 64 Abs. 3 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4 und § 64 Abs. 4 WpHG, ex-§ 31 Abs. 4a zu Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung). 188 In der Tat lässt sich die Umkehrung in der Abfolge bei gleichzeitig weitgehender Kontinuität im Gehalt auch in den sehr wichtigen Ausnahmen und Abmilderungsformen des Regimes konstatieren. In beiden Regimen gelten – weitgehend vergleichbar – bei bestimmten Kundengruppen die Anforderungen bei beratungsfreien Wertpapierdiensttleistungen und -nebendienstleistungen einerseits bzw. bei Beratung und Finanzportfolioverwaltung andererseits gar nicht oder in geringerem Maße (näher unten Rn 190 ff., 198 ff.). Bei beratungsfreien Wertpapierdienst- und -nebendienstleistungen können sie sogar auch bei Privatkunden in einem bestimmten (sichereren) Marktsegment auf Null abgesenkt werden (vgl. § 63 Abs. 11 WpHG n.F., ex § 31 Abs. 7, unten Rn 193–197, 213). Legt man diese gesetzgeberische Anordnung zugrunde, ist vom Grundtatbestand (unten 2.) zum – anforderungsintensiveren – Sondertatbestand Beratung und Finanzportfolioverwaltung (unten 3.) fortzuschreiten 2. Basisregime individuelle Information (§ 63 Abs. 10, 11 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 5 und 6–7)

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a) Standard. § 63 Abs. 10 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 5) setzt den Standard für die sog. „beratungslosen Finanzdienstleistungen“.383 Das sind alle Wertpapierdienstleistungen iSv. § 2 Abs. 8 WpHG n.F. (vgl. dort) mit Ausnahme der Anlageberatung und der Portfolioverwaltung, namentlich auch der beratungslose Kauf und Verkauf für Rechnung des Kunden. Unter diesen Absatz fällt heute auch das Finanztermingeschäft – nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 iVm Abs. 4 und 8 Nr. 1–4, 7 WpHG n.F. eine Wertpapierdienstleistung –, das bewusst seit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.06.2002 (und insbesondere nach weiteren Streichungen seit dem 01.11.2007) nicht mehr einem (strengen) Sonderregime unterworfen werden sollte.384 190 In dieser Regelung wird die Struktur der individuellen Informationserhebung und -abgabe für alle Wertpapierdienstleistungen festgelegt, obwohl der Standard inhaltlich hinter dem für Anlageberatung und Portfolioverwaltung Etablierten zurückbleibt (vgl. unten Rn 198–214). Im Basisstandard wird nur eine Anforderung aufgestellt, die im Falle von Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung (§ 64 Abs. 3 und 4 WpHG n.F.) um zwei weitere ergänzt wird. Bei den beratungslosen Wertpapierdienstleistungen sind Informationen nur zu der Frage zu eruieren und dann auch geschuldet, ob der Anleger über hinreichende Kenntnisse und Erfahrungen verfügt. Hier handelt es sich um eine Teilmenge von § 64 Abs. 3 WpHG n.F. (ex §-31 Abs. 4).385 Nicht nötig ist die Ermittlung der finanziellen Risikotragfähigkeit, auch nicht der Anlageziele. Deswegen ist in diesem Bereich auch grundsätzlich keine anlageobjektbezogene Erkundigung nötig.386 Freilich bleiben die Anforderungen aus dem Regime der Produktgovernance unberührt (oben Rn 160–164) und hat sich aus diesem Grund die Gesamtbalance durchaus in Richtung stärker individuali-

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Seyfried WM 2006, 1375 (1382 f.); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (630). BR-Drucks. 833/06 S. 123 f. (Regierungsbegründung). Vgl. Nachw. oben Rn 12 und Kurzüberblick unten Rn 280–287. Teuber BKR 2006, 429 (433); Duve/Keller BB 2006, 2477 (2478 f.); speziell für die

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(praktisch wortgleiche) MiFID II-Regelung Busch Capital Markets Law Journal 2017, 340 (347) (mit Auflistung der MiFID IINormen). Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (631); Duve/Keller BB 2006, 2477 (2479); Balzer ZBB 2007, 333 (341).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

sierter Privatkundenschutz – im Hinblick auf eine aktive Auswahl des richtigen Zielmarktes – verschoben. Dieser – im Vergleich zu § 63 Abs. 3, 4 WpHG n.F. (ex § 31 Abs. 4) abgesenkte – Stan- 191 dard wird auch begrifflich anders umrissen, indem von bloßer „Angemessenheit“ (appropriateness-Test) gesprochen wird.387 Entscheidend ist, ob der Anleger die Risiken richtig einschätzen kann (da Anlageziele und finanzielle Tragbarkeit nicht abzufragen sind): Auf dieser Grundlage ist zu beurteilen, ob das Geschäft „angemessen“ ist, was nichts anderes bedeutet, als dass der Anleger seine Risiken angemessen beurteilen kann. Die Zielrichtung der Kenntnisse und Erfahrungen ist daher die, ob der Anleger erkennen kann, ob und dass die Anlage seinen Anlagezielen entspricht und für ihn finanziell tragbar ist.388 Nach Art. 55 und 56 delegierter Verordnung, auf die S. 5 verweist, setzt die Angemessenheit voraus, dass der Anleger verstehen und beurteilen kann, ob die Wertpapierdienstleistung im Sinne von Art. 25 Abs. 3 MiFID II für ihn geeignet ist. Zweifel an der Angemessenheit können gleichermaßen ein Einzelinvestment wie den Gesamtzuschnitt betreffen,389 neben dem Finanzinstrument vor allem auch die Transaktionsart, Auftragsmerkmale oder Frequenz von Transaktionen.390 Dabei meint Gesamtzuschnitt auch, dass zwischen verbundenen Geschäften nur eines als unangemessen zu beurteilen sein muss, um auch die anderen diesem Verdikt auszusetzen (so setzt ausdrücklich Abs. 10 S. 2). Das Regime der Produktgovernance wirkt flankierend, indem es eine feinkörnige Zuordnung von Angeboten und Finanzinstrumenten zu Kunden- uund Risikogruppen aufzeigt – und auch der Vertrieb daran zu orientieren ist.391 b) Reaktionsmöglichkeiten. Stellt der Wertpapierdienstleister die Angemessenheit po- 192 sitiv fest, so kann er alle Wertpapierdienstleistungen unter § 63 Abs. 10 (ex-§ 31 Abs. 5) ausführen – auch ohne weitere Mitteilung. Kann er eine solche Feststellung nicht vertreten, muss er ggf. noch nachfragen. Nach Ausschöpfung aller Informationsmöglichkeiten verbleiben zwei Möglichkeiten: Ist das Urteil negativ, muss der Wertpapierdienstleister diese negative Einschätzung mitteilen (S. 3).392 Doch auch wenn er – mangels hinreichender Information, auch nach Nachfrage – keine Feststellung in die eine oder die andere Richtung treffen kann, hat er eine Warnpflicht dahingehend (und weniger negativ), dass die „Angemessenheit“ nicht beurteilt werden konnte. (heute ausdrücklich S. 4).393 Alle Nachrichten

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Seyfried WM 2006, 1375 (1382 f.); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (630); Balzer ZBB 2007, 333 (340 f.); Spindler/Kasten WM 2006, 1797 (1799 f.); zur Konkretisierung der Europäischen Vorgabe vgl. CESR, MIFID complex and non-complex financial instruments for the purposes of the Directive’s appropriateness requirements, 3 Nov. 2009, CESR/09–559; vgl. auch Präzisierung in Art. 56 DV 2017/565. Duve/Keller BB 2006, 2477 (2479); Harrer ÖBA 2007, 98 (106 f.); Balzer ZBB 2007, 333 (341); Seyfried WM 2006, 1375 (1383). Seyfried WM 2006, 1375 (1383). Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (630) (hierbei konkretes Investment entscheidend). Speziell zum Zusammenspiel zwischen Produktgovernanceregime (oben Rn 160–164) und Regime der individuellen

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Kundenaufkärung, namentlich bei beratungsfreien Wertpapierdienstleistungen: Buck-Heeb CCZ 2916, 2 (9); sowie Colaert in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 589 (604–606); vgl. auch Erw.grund 71 MiFID II. Das war auch schon in der Ursprungsfassung (vor dem FRUG) so (UnangemessenheitsWarnpflicht): BGH Urt. v. 11.11.2003 – XI ZR 21/03, NJW-RR 2004, 484 = WM 2004, 24 (28); Schwark/Zimmer (3. Aufl. 2004) § 31 Rn 56; KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 235; Leisch Informationspflichten, S. 135 f.; Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (631). Seyfried WM 2006, 1375 (1383); Spindler/ Kasten WM 2006, 1797 (1800); Harrer ÖBA 2007, 98 (107).

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dürfen standardisiert sein (S. 6). In beiden Fällen darf der Wertpapierdienstleister – anders als bei der Anlageberatung nach § 64 Abs. 3, 4 WpHG n.F. – die Dienstleistung jedoch erbringen, wenn der Kunde den Auftrag daraufhin aufrechterhält.394

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c) Freistellungen (§ 63 Abs. 11 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 6, 7 und 9) – Execution only und ungeschriebene Freistellungen. Von den drei Freistellungen, die § 31 Abs. 6, 7 und 9 WpHG a.F. vorsahen, wurde nur eine – die prominenteste – aufrechterhalten (ex-§ 31 Abs. 7, heute § 63 Abs. 11 WpHG n.F.). Sie zeitigt vor allem bei Privatkunden Wirkung (und theoretisch auch bei professionellen oder gleichgestellten Kunden, bei denen die Vermutung des Abs. 9 a.F. einmal widerlegt ist). § 63 Abs. 11 WpHG n.F. gestattet die reine Auftragsausführung – ohne jede individualisierte Informierung –, das sog. execution-only Geschäft, auch für Privatkunden, freilich unter engen Voraussetzungen. Die erste Gruppe an Voraussetzungen bezieht sich auf das Geschäft. Voraussetzung ist zunächst (Nr. 1), dass es sich um sog. nichtkomplexe Geschäfte handelt:395 Ausgeschlossen vom execution only sind damit Derivate und Geschäfte, in die Derivate (mittelbar) eingebettet sind (Aktien, Schuldverschreibungen und Geldmarktinstrumente) bzw. die eine komplexere Risikostruktur aufweisen (Aktien auf AIF oder schwierige Risikostruktur bei den genannten Instrumenten und auch strukturierten Einlageinstrumenten). Positiv gefordert ist, dass für das Instrument ein regelmäßiger Handel zu öffentlich zugänglichen Preisen stattfindet (lit. a) bis c)) bzw. eine Rücknahme- oder Rückzahlpflicht besteht. Durch Verbot von Kreditierung (Nr. 2) wird die Haftung auf den Einstandspreis beschränkt. Zudem muss eindeutig klar gemacht werden, dass die nötige Information auf alternativem Wege zu besorgen ist (Nr. 3). Insgesamt ist die Eingrenzung durch das doppelte Ziel gerechtfertigt, dass eine Informierung auf alternativem Wege gut möglich ist und dass selbst der nicht informierte Anleger kein unbeschränktes Risiko auf sich nehmen kann, ohne individualisiert informiert zu werden. 194 Weitere Gruppen von Voraussetzungen treten hinzu: Das Geschäft muss (ausschließlich) auf Veranlassung des Kunden getätigt werden, was freilich eine Werbung nicht ausschließt.396 Nur den konkreten Kontakt muss der Kunde gesucht haben. Streitig ist, ob eine dritte Eingrenzung hinzu kommt, hier nun persönlicher Art: ob nur solche Wertpapierdienstleister in den Genuss des Abs. 11 kommen, die ausschließlich execution only Geschäfte vornehmen, also einen direkten Kundenkontakt konsequent vermeiden (vor allem im Wege des online-Geschäfts).397 Dann wäre die deutsche Umsetzung insoweit fehlerhaft. Für solch eine Eingrenzung spricht in der Tat der Wortlaut von MiFID I und II (Art. 25 Abs. 4 Einleitungssequenz), dagegen freilich Ziel und Zweck des Regimes. Die Gefährlichkeit ist für den Kunden unabhängig von der Art des Anbieter gleichermaßen reduziert, seine bewusste Initiative in jedem Fall nötig; bei gleich stark geminderter Gefährlichkeit des fraglichen Geschäfts ist eine Ungleichbehandlung von Anbietern mit (ansonsten unter-

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Lang Aufklärungspflichten, § 10 Rn 19; Teuber BKR 2006, 429 (433); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (631) („sacred right of everybody to make a fool of oneself“); Wieneke Discount-Broking S. 155 f.; speziell für MiFID II, Brenncke Commentary on MiFID II, Art. 25 Rn 20. Näher hierzu Seyfried WM 2006, 1375 (13839); Spindler/Kasten WM 2006, 1797 (1799 f.); Duve/Keller BB 2006, 2477 (2479); Balzer ZBB 2007, 333 (342); speziell

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für MiFID II Brenncke Commentary on MiFID II, Art. 25 Rn 21. Seyfried WM 2006, 1375 (1383); Balzer ZBB 2007, 333 (342); kritisch zu dieser formellen Unterscheidung Benicke Wertpapiervermögensverwaltung, 514 f. Für solch eine Einschränkung Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (632); dagegen Balzer ZBB 2007, 333 (341); Spindler/Kasten WM 2006, 1797 (1799 f.).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

schiedlichem Geschäftszuschnitt) vor dem Gleichheitssatz wohl kaum zu rechtfertigen (und auch widersprüchlich zum allgemeineren Ziel, Schutzniveauunterschiede je nach Anbieter abzubauen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen). Die anderen beiden Freistellungen, die § 31 Abs. 6 und 9 WpHG a.F. vorsah, betreffen 195 alle Wertpapierdienstleistungen, finden sich freilich nicht in MiFID II, ergeben sich jedoch bzw. würden sich jedoch wohl auch aus allgemeinen (primär privatrechtlichen) Auslegungs- und Zurechnungsprinzipien ergeben.398 Bei professionellen Anlegern und solchen, die auf Grund des bisherigen Status gleich behandelt werden, werden hinreichende Kenntnisse und Erfahrungen grds. vermutet.399 Dies freilich bedeutet zugleich, dass die einzige Pflicht entfällt, die § 63 Abs. 10 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 5) für die beratungsfreien Wertpapierdienstleistungen statuiert.400 Individualisierte Information(serhebung und -abgabe) ist demnach, soweit die Vermutung nicht erschüttert erscheint, gar nicht mehr geschuldet. Dies betont MiFID II freilich nicht ausdrücklich und auch der dahingehende § 31 Abs. 9 WpHG a.F., der dies zumindest für die Anlageberatung explizit statuierte,401 wurde nicht in §§ 63, 64 WpHG n.F. übernommen. Da die Abhängigkeit der Fragepflicht vom jeweiligen Kenntnisstand des Kunden freilich weiterhin das Grundprinzip bildet, ist von der oben genannten Vermutung weiterhin auszugehen – was in der Quintessenz bedeutet, dass bei Eingreifen dieser Vermutung bei professionellen Kunden ein execution-only unabhängig von den Voraussetzungen möglich ist, die § 63 Abs. 11 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 7) statuiert (keine abschließende Regelung für das execution only).402 Dies bildet – neben der ausdrücklichen Regel in § 63 Abs. 11 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 7), die unverändert erhalten blieb (oben Rn 193 f.) – eine zweite wichtige Antwort auf die bis zum FRUG sehr umstrittene Frage nach den Grenzen des Discount-Broking,403 hier nun im Bereich professio398

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Dazu, dass der EuGH die Anwendung allgemeiner privatrechtlicher Rechtsgrundsätze nationaler Provenienz (etwa den Rechtsmissbrauchseinwand) auch im Bereich von Harmonisierungsakten zulässt, wenn dadurch der Harmonisierungserfolg grundsätzlich unberührt bleibt: für das Vertragsrecht EuGH v. 03.09.2009 – Rs. C-489/07 Messner ./. Krüger, Slg. 2009, I-7315; für das Gesellschaftsrecht EuGH v. 16.12.1997 – Rs. C-104/96 Coöperatieve Rabobank „Vecht en Plassengebied“ ./. Minderhoud, Slg. 1997, I-7211. Seyfried WM 2006, 1375 (1383); Balzer ZBB 2007, 333 (341); Harrer ÖBA 2007, 98 (107); und für die Rechtslage nach MiFID II Brenncke Commentary on MiFID II, Art. 25 Rn 7, 12, 18. Seyfried WM 2006, 1375 (1383); Balzer ZBB 2007, 333 (341); Harrer ÖBA 2007, 98 (107). Wohl dennoch auf alle Wertpapierdienstleistungen zu beziehen Seyfried WM 2006, 1375 (1383) (kein appropriateness-Test). Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (632); aA wohl Duve/Keller BB 2006, 2477 (2479); Spindler/Kasten WM 2006, 1797 (1800); Seyfried WM 2006, 1375 (1383).

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Vgl. zu diesem Streit Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR VI Rn 226 f. (selbst für eine Zulässigkeit bei klarer Ausweisung plädierend, jedenfalls im Verhältnis zu professionellen Kunden; mwN auch für Gegenmeinungen); für die Zulässigkeit des Discount Broking ohne individuelle Aufklärungs- und Beratungspflicht unter dem alten Recht auch: BGH Urt. v. 05.10.1999 – XI ZR 296/98, BGHZ 142, 345 (356) = NJW 2000, 359 (361 f.) (bei ausdrücklicher Beschränkung auf gut informierte Kunden und Standardinformation zu Beginn der Geschäftsbeziehung); BGH Urt. v. 11.11.2003 – XI ZR 21/03, NJW-RR 2004, 484 (485) (bei gut informiertem Kunden jedenfalls, wenn nicht exzessiv auf Kredit spekuliert); Schwark, Bankrechtstag 1995, 109 (125–131); und früher auch: B.2.6 BaFinRichtlinie zu §§ 31 f. WpHG (oben Fn 288); Horn ZBB 1997, 139 (151 f.) (nur außergewöhnliche Entwicklungen aufzudecken); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn 16.582; Tendenzen dahin gehend auch in BT-Drucks. 12/7918 S. 104. Ausführlich zum Gesamtkomplex Balzer DB 1997, 2311; Siller Discount-Broking; Wie-

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

nelle Kunden. Zu diesen hat man, weil sich die Gleichsetzung ja gerade auf die Kenntnisund Erfahrungslage bezieht, neben den in § 67 Abs. 2 bzw. 6–7 WpHG n.F. (ex-§ 31a Abs. 2 bzw. Abs. 5–7) genannten Gruppen (geborene und gekorene professionelle Kunden) auch diejenigen zu zählen, die bisher entsprechend handelten und als erfahren und risikotragfähig eingestuft wurden.404 196 Nach § 31 Abs. 6 WpHG a.F. durfte der Wertpapierdienstleister zudem bei allen Kunden grundsätzlich auf der Grundlage der Angaben des Kunden urteilen, heute findet sich diese Regel im WpHG nur noch im Rahmen der Selbstauskunft, die beim Vertrieb von Vermögensanlagen nach § 65 WpHG n.F. zu geben ist, also für den Bereich, in dem der deutsche Gesetzgeber autonom handeln konnte (keine Umsetzung von MiFID II). Freilich enthält für die von der MiFID II erfassten Wertpapierdienstleistungen Art. 55 Abs. 3 DV 2017/565 eine vergleichbare Regel, und wurde nur deswegen der Gehalt des § 31 Abs. 6 WpHG a.F. im beschriebenen Sinne reduziert.405 Fehlerhaftigkeit und Unvollständigkeit der eigenen Wertpapierdienstleistung hat der Wertpapierdienstleister, wenn diese auf der Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit des Kunden beruht, nur bei grob fahrlässiger Nichterkennung zu vertreten. Dies bedeutet freilich nicht, dass er seiner jeweiligen Informationserhebungspflicht nicht mit der im kaufmännischen Verkehr und speziell im Wertpapierhandel erforderlichen Sorgfalt nachzukommen hätte. Für deren Verletzung haftet er also schon bei leichter Fahrlässigkeit. Unvollständigkeit im Sinne der Freistellung kann also nur jene Verkürzungen meinen, die auch der Anleger als solche erkennen müsste, während der Wertpapierdienstleister die eigentlich wichtigen Fragen, über die er Information des Anlegers benötigt, durchaus selbst zu finden hat. 197 Unberührt bleiben in jedem Fall die Standardinformationen nach §§ 63 Abs. 7, 64 Abs. 2 WpHG (ex-§ 31Abs. 3, 3a). Sie sind beim execution-only Geschäft (und erst recht im Falle des § 64 Abs. 3, 4, ex-§ 31 Abs. 5) geschuldet.406 3. Aufbauregime individuelle Information bei Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung (§ 64 Abs. 3, 4 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4, 4a).

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a) Informationserhebung zum Kunden (Abs. 3 S. 1). Die (individuelle) Informationserhebung zum Kunden bildet das Herzstück und auch die größte Neuerung gegenüber dem Regime, das vor Einführung des WpHG galt. Die drei Anforderungen, an denen die anlaneke Discount-Broking; Herkströter, Haftungsprobleme beim Direkt-Banking – Der Verzicht auf Aufklärung, Beratung und Information, 1999; Rost Informationspflichten; Siol Aufklärungspflichten; Schwintowski ZBB 1999, 385; Titz WM 1998, 2179. Zu den Neuerungen des DiscountBroking nach dem FRUG Hofmann, in Riesenhuber (Hrsg.), Perspektiven des Europäischen Schuldvertragsrechts, 2008, S. 71 (85–88). Dies ist der bisher herrschenden, differenzierenden Meinung nicht unähnlich, nach der genügend Information nachgefragt werden musste, um die Risikobereitschaft des Kunden zu eruieren und nach groben Fehleinschätzungen zu überprüfen, der Wertpapierdienstleister sich jedoch ansonsten darauf beschränken konnte, bei Anlagen in Instrumenten einen Warnhinweis zu geben, die

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dem entsprechenden Risikoprofil nicht entsprechen: vgl. nur Cahn ZHR 162 (1998) 1 (38–41); Lang Informationspflichten § 17 Rn 22–33; ähnlich schon Köndgen ZBB 1996, 361 (364 f.). Zu den Besonderheiten bei Kreditfinanzierung Hofmann a.a.O. S. 71 (88–92). Vgl. Seyfried WM 2006, 1375 (1383); Lang/ Balzer BP MiFID-Sonderbeilage 2007, 10 (12); näher zu diesem sog. grandfathering unten Rn 235; ausführlich hierzu auch Kasten BKR 2007, 261 (265 ff.). BR-Drucks. 18/10936, S. 237; zum Folgenden etwa Fuchs/Fuchs § 31 WpHG Rn 220; Möllers/Poppele ZGR 2013, 437 (462). Balzer ZBB 2007, 333 (341); Hofmann (Fn 403), S. 71 (87); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (633); KölnKommWpHG/ Möllers § 31 Rn 375 ff., 398.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

gegerechte Beratung auszurichten ist, entsprechen den schon seit Einführung des WpHG maßgeblichen Kriterien.407 Sie sind jedoch in den Fassungen des WpHG, mit denen MiFID I und II umgesetzt wurden, auch explizit benannt (§ 64 Abs. 3 WpHG n.F., ex § 31 Abs. 4). Die Regel (anglo-amerikanisch: „know your customer“) bedeutete für das deutsche Recht Neuland, mehr als alle anderen in § 31 WpHG a.F., heute § 64 WpHG n.F. (Art. 11 WpDl-RL, dann Art. 18 f. MiFID I, heute Art. 24 f. MiFID II, namentlich Art. 25 Abs. 2). Sie bereitet die Beratung selbst nur vor. Ziel ist es, für den konkreten Anleger und seine Präferenzen ungeeignete Anlagen auszuklammern. Wichtig für die Präzisierung sind vor allem Art. 54, 55 DV 2017/565 (bisher Art. 35 Abs. 3, 4 und 37 Abs. 1 FM-DRL und § 6 WpDVerOV). Mit dem 2. FiMaNoG trat neben diese Regelung diejenige zur Bestimmung und Beachtung des bestmöglichen Zielmarktes (bei Produktkonzeption ebenso wie bei Vertrieb, vgl. oben Rn 160–164). Für die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden, die zu ermitteln und über die nach 199 § 64 WpHG n.F. als Erstes Beratung geschuldet ist,408 spezifizieren Art. 24 Abs. 14 und 25 Abs. 8 – jeweils lit. a) – der MiFID II (wie schon vorher Art. 19 Abs. 10 lit. a) MiFID I), dass „Typ, Gegenstand, Umfang und Häufigkeit“ der bisher getätigten Geschäfte zentrale Bedeutung haben. Wichtig ist, dass das jetzt ins Auge gefasste Geschäft seiner „Art“ nach getätigt wurde, wenn auch in einem anderen konkreten Instrument (etwa Aktie einer anderen Gesellschaft). Umgekehrt ist Derivat nicht gleich Derivat. Vergleichbar muss vor allem das Risiko und auch der Grundmechanismus sein,409 obwohl angesichts der Komplexität vieler Finanzinstrumente die Erfahrungen mit dem Risiko wichtiger sind als die restlose Kenntnis eines komplexen Wirkmechanismus. Die Geschäftshäufigkeit muss genügen, um die typischen Risiken erkennen zu können, jedenfalls genügt eine geringere Häufigkeit als bei professionellen Kunden, bei denen ja entsprechende Erfahrungen ohne weitere Prüfung anzunehmen sind (vgl. § 31 Abs. 9 WpHG a.F. und Erklärungen oben Rn 195). Sollen nicht Neukunden gänzlich ausgeschlossen werden, müssten Kenntnisse allein ebenfalls genügen, wenn gezeigt wird, dass sie auch praktisch umgesetzt werden können – obwohl der Wortlaut Kumulation der Merkmale suggeriert.410 Auch der französische und englische Text der Richtlinie legen diese Sichtweise nahe. Entscheidend ist, ob der Kunde Kenntnisse oder Erfahrungen praktisch umzusetzen weiß in die Entscheidungen,411 die die höchste Wahrscheinlichkeit für sich haben, dass sie die Präferenzen realisieren.

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Brandt Aufklärungspflichten, S. 91–101; Ellenberger in Ellenberger/Schäfer, Fehlgeschlagene Wertpapieranlagen, S. 65–82; Seyfried WM 2006, 1375 (1382); Teuber BKR 2006, 429 (431); grundlegend: BGH (oben Rn 5), BGHZ 123, 126 = NJW 1993, 2433 = WM 1993, 1455 (Auslandsbonds); zum Vergleich mit dem US-amerikanischen Recht: Kübler, Müssen Anlageempfehlungen anlegergerecht sein? Zum Stellenwert der amerikanischen „suitability“-Doktrin im deutschen Recht, FS Coing II, 1982, 193 (202 f.). Dazu etwa Teuber BKR 2006, 429 (432 f.); Balzer ZBB 2007, 333 (338); Seyfried WM 2006, 1375 (1382); für MiFID II Brenncke Commentary on MiFID II Conduct of Business Rules, Art. 25 Rn 12.

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Teuber BKR 2006, 429 (432 f.); Seyfried WM 2006, 1375 (1382); Lang Informationspflichten § 9 Rn 37; auch OLG Saarbrücken Urt. v. 07.12.2006 – 8 U 563/05–161, ZIP 2007, 763. Teuber BKR 2006, 429 (433). BGH (Fn 382), NJW 2011, 1949 (1951) (CMS Spread Ladder Swap – Zinswette) (in diesem Fall VWL-Diplom allein bei bes. kompliziertem Instrument nicht hinreichend); Harrer ÖBA 2007, 98 (106); selbst bei solch negativem Marktwert noch hinreichende Erfahrung des Anlegers angenommen von OLG Nürnberg Urt. v. 19.08.2013 – 4 U 2138/12, BKR 2013, 426.

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Auch aus Indizien, vor allem dem bisherigen Anlageverhalten, kann auf Kenntnisse und Erfahrungen geschlossen werden.412 Der jeweilige Beruf gibt für die Frage nach den Kenntnissen zwar idR nicht den Ausschlag, ist jedoch flankierend zu berücksichtigen.413 Bei all dem ist abzustellen auf den letztbetroffenen Kunden, der wirtschaftlich das Risiko trägt, soweit er entscheidet, was Art. 11 Abs. 3 WpDl-RL für die Fälle der mittelbaren Beratung näher konkretisierte. 200 Das zweite Kriterium, die finanzielle Lage, gibt mit demjenigen der Kenntnisse/Erfahrungen Aufschluss darüber, ob die Anlageziele (nächste Rn) realistisch zu erreichen sind und ob der Anleger die Präferenzen auf informierter Grundlage bildet. Für die finanzielle Risikotragfähigkeit, die zu ermitteln und über die als Zweites Beratung geschuldet ist,414 sind entscheidend Vermögen, Einkünfte und Verbindlichkeiten des Kunden, genauer: Herkunft und Höhe des regelmäßigen Einkommens (wichtig für die Verlässlichkeit), wie liquide oder illiquide das Vermögen ist, Fristigkeit der Verbindlichkeiten. Wichtig ist dies vor allem für die Möglichkeit der Diversifikation (in einem Portefeuille oder auch in der Zeit). Hierüber ist der Anleger aufzuklären, letztlich entscheidet er jedoch selbst.415 Teils sind diese Fragen auch mit den Anlagezielen erfasst (nächste Rn), wichtig sind sie vor allem für Spezialkonstellationen: Wenn die Anlage kreditfinanziert ist, wenn Nachschusspflichten bestehen. Wird die Anlage demgegenüber aus vorhandenem Vermögen getätigt, muss eine Korrektur der Anlageziele auf Grund (angeblich zu geringer) finanzieller Risikotragfähigkeit die Ausnahme bleiben – besonders für Fälle, in denen dieser Vermögensstock für zukünftigen Unterhalt unverzichtbar ist. Solch eine Korrektur würde andernfalls einen paternalistischen Eingriff bedeuten, wo (nur) die informierte Entscheidung gefördert werden soll. 201 Für die Anlageziele, die den eigentlichen Zielpunkt der Informationserhebung und dann der Beratung bilden,416 sind zunächst zentral die Risikopräferenz und das Risikoprofil des Kunden. Entscheidend ist, welches Risiko akzeptiert wird um welcher Erhöhung der Renditeerwartung wegen. Diese beiden Komponenten sind zu erfragen und durch Diskussion zu präzisieren, möglichst auch durch Bildung von wichtigen möglichen Geschehensverläufen beim Kunden. Da mit der Anlage stets Renditen aus einem Kapitalstock angestrebt werden, ist der Kreis der verfolgten Ziele durchaus überschaubar: Es geht stets um

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Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 136, 142; Schödermeier WM 1995, 2053 (2059); die Vorspiegelung von Erfahrung durch den Kunden reicht aus, vgl. oben Rn 196. Art. 55 Abs. 1 lit. c) DV 2017/565; Balzer ZBB 2007, 333 (338); sein Gewicht demgegenüber ganz zurückschraubend (noch): BGH Urt. 28.09.2005 – XI ZR 259/03, NJW 2004, 3628 (3629); ebenfalls sehr zurückhaltend Teuber BKR 2006, 429 (433). Vgl. Art. 24 Abs. 2 MiFID II; und etwa Teuber BKR 2006, 429 (432); Balzer ZBB 2007, 333 (338 f.); Seyfried WM 2006, 1375 (1382). Vgl. ausführlicher: Assmann/Schneider/Koller, 4. Aufl. 2006, § 31 WpHG Rn 90 f.; Balzer ZBB 2007, 333 (338 f.); nahezu eine Betreuungsflicht bei übermäßigem (aber

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aufgedecktem) Risiko annehmend: Schödermeier WM 1995, 2053 (2058); dagegen Horn ZBB 1997, 139 (141); und für eine verfassungsrechtlich induzierte Pflicht, die Nachfrage zuzuspitzen und hinreichend fokussiert zu halten: Raeschke-Kessler WM 1996, 1764 (1766 f.). Der Wertpapierdienstleister hat allerdings bei negativer Antwort auf eine der drei Anforderungen (oder auch bei nicht möglicher positiver Antwort) eine Empfehlung zu unterlassen; dazu sogleich. Dazu etwa Teuber BKR 2006, 429 (431 f.); Balzer ZBB 2007, 333 (339); Spindler/ Kasten WM 2006, 1797 (1799). Fehlt eine präzise Anlageziel-Umschreibung, wird ein Haftungsfall kaum ausgeschlossen werden können: Kühne BKR 2005, 275 (280). Die Einführung der Produktgovernance als Konzept unterstreicht dies weiter.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

die Relation zwischen Sicherheit bzw. Risiko für den Kapitaleinsatz einerseits und Höhe, Sicherheit und Zeitpunkt des Eintritts der Rendite andererseits.417 Risiko für Kapitalstock und/oder Rendite und Höhe der Rendite korrelieren typischerweise. Eine Minimierung des Risikos bei konstanter Rendite ist allseits erwünscht, bei unterproportionaler Abnahme idR bei der Mehrzahl der Anleger. Jederzeitige Liquidierbarkeit war bei den Instrumenten, die die MiFID I erfasste, bisher ohnehin durchweg gegeben; mit Einbeziehung auch von Anlagen der „Grauen Kapitalmärkte“, bei denen dies anders ist, wird auch dieses Differenzierungskriterium erheblich. Aus den genannten Gründen ist der Anlagezweck, der als zweites Unterkriterium genannt wird, etwa das Ziel einer bestimmten Anschaffung, idR letztlich doch wieder in ein anderes Anlageziel zu übersetzen. Wie der Kunde das Geld letztlich verwenden will, ist irrelevant, wirkt sich jedoch häufig auf den anzustrebenden Zeitpunkt aus (etwa zusätzliche Altersversorgung). Eigenständige Bedeutung hat das Kriterium Anlagezweck also nur, wenn nicht der Einsatz bestimmt wird, sondern etwa als Anlagezweck die Erwartung auf „regelmäßige Ausschüttungen“ formuliert wird. Der eigentliche Einsatz der Rendite oder von Rückzahlungen ist irrelevant, er muss in finanztechnische Parameter wie Haltedauer übersetzt werden. In der Praxis werden sog. Wertpapiererhebungsbögen eingesetzt.418 EDV-mäßige Be- 202 arbeitung und Abarbeiten nach Hauptmerkposten (mit Scoring) werden erleichtert. Wichtig ist tiefe Ausdifferenzierung, regelmäßig notwendig ihre Ergänzung durch das Gespräch; bei Unterschrift des Kunden sind Beweisvorteile unverkennbar. b) Informationserhebung zum Anlageinstrument. Informationserhebung ist nötig zum 203 Kunden („anlegergerechte“ Aufklärung), jedoch auch zum Anlageinstrument („anlage-“ oder auch „objektgerechte“ Aufklärung). Letzteres war schon früher die umstrittenste Frage419 und wird dies jedenfalls hinsichtlich des genauen Umfangs bleiben, da der Wort-

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Balzer ZBB 2007, 333 (339); Seyfried WM 2006, 1375 (1382). Unverhältnismäßigkeit zwischen Risiko und Anlageziel etwa angenommen in: BGH Urt. 13.07.2004 – XI ZR 178/03, NJW 2004, 2967 (2968 f.) (Anlage im Neuen Markt kein risikobewusstes, sondern spekulatives Investment); BGH Urt. v. 14.07.2009 – ZR XI 152/08, WM 2009, 1647 (1651) (Anlage ohne Absicherung durch Einlagensicherungsfonds ungeeignet als „sichere Anlage“); BGH (Fn 382), NJW 2011, 1949 (1952 f.) (CMS Spread Ladder Swap – Zinswette) (bei hochspekulativer, idR für den Kunden eher verlustbringender Zinswette auch dieses klarzustellen); OLG Jena Urt. v. 17.05.2005 – 5 U 693/04, ZIP 2005, 1913 (Anlage nur in Aktienfonds, wenn Altersvorsorge das Ziel); OLG Frankfurt Urt. v. 15.12.2004 – 23 U 281/03, VersR 2005, 797 (Anlage in Argentinienanleihen, wenn mittleres Risiko gewünscht); OLG Frankfurt Urt. v. 05.07.2006 – 21 U 15/06, ZIP 2006, 2218 (2220) (Anlage in nicht börsennotierten Aktien, wenn moderates Risiko und Altersvorsorge gewünscht); OLG Naumburg Urt. v. 24.03.2005 – 2 U 111/04,

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ZIP 2005, 1546 (Währungsswap bei Kunde ohne Fremdwährungsverbindlichkeiten besonders intensiv zu begründen); umgekehrt OLG Düsseldorf Urt. v. 31.07.2003 – 6 U 7/03, NJW-RR 2004, 409 (410) (großes Volumen des Kaufs gleicher Aktien nicht qualitativ risikosteigernd). Dazu etwa Schwark Bankrechtstag 1995, 109 (110 und 115); Than Bankrechtstag 1995, 135 (142); BankR-Hdb/Faust § 109, Rn 44. Für eine Pflicht zur (individualisierten) Aufklärung über das konkrete Anlageinstrument: Köndgen ZBB 1996, 361 (363); Siller Discount-Broking S. 30; Schwennicke WM 1998, 1101 (1102); Einsele JZ 2008, 477 (481 f.); und heute Schwark/Zimmer/Rothenhöfer § 31 WpHG Rn 216, 269 ff.; Kümpel/Wittig/Seyfried Rn 3.118 f.; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Spindler Kap. 33 Rn 123; für MiFID II Langenbucher/Bliesener/Spindler/Spindler Kap. 33 Rn 105a; aA Leisch Informationspflichten S. 122 f., 166; KölnKommWpHG/Möllers § 31 Rn 237; Mülbert WM 2007, 1149 (1156 f.).

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laut der Neuregelung keineswegs klarer geworden ist. Für das Anlageinstrument ist eine Informationserhebungs- und -abgabepflicht in § 64 Abs. 3 WpHG n.F. (wie schon vorher § 31 Abs. 4 WpHG a.F.) nicht angesprochen, dies wohl deshalb, weil nichtpräsente Informationen allein aus öffentlichen Quellen zu beschaffen sind und es in § 64 Abs. 3 WpHG n.F. um individuelle, einzelkundenbezogene Erhebungen geht. Der BGH hat eine Informationserhebungspflicht dennoch – zu Recht – auch zum Anlageinstrument angenommen:420 Und mit Einführung von § 31 Abs. 3a WpHG a.F., heute § 64 Abs. 2 WpHG n.F. ist jedenfalls im Grundsatz geklärt, dass auch über das einzelne Anlageinstrument – jedenfalls standardisiert – aufzuklären ist. Hierin liegt in der Tat eine zentrale Erwartung an die Expertise der Wertpapierdienstleister, die diese Erwartung freilich, wie im Folgenden zu zeigen, auch begrenzen und sogar ausräumen können. Für die entscheidende Frage, mit welcher Intensität die Recherche nicht-präsenter Informationen zu betreiben ist, geben § 63 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, klarer Art. 25 Abs. 1 MiFID II) den Maßstab nur abstrakt vor: Die Recherchen müssen professionellen Sorgfaltsstandards genügen, anzustreben ist die Ermittlung jeder zweckdienlichen Information. 204 Damit werden tendenziell hohe professionelle Standards angelegt.421 Umgekehrt kann, obwohl der Wortlaut weder in den Richtlinien noch im WpHG klar ist, diese Pflicht nicht unbeschränkt sein:422 Unzweifelhaft kann nur die Erkundung aus öffentlich zugänglichen Quellen geschuldet sein (namentlich Ad-hoc-Publizität) – auch weil andernfalls Insiderverbote potentiell einer Weitergabe entgegenstehen – und auch nur aus typischerweise ergiebigen Quellen, also beispielsweise nicht aus mittleren und kleineren Tageszeitungen.423 Knüpft man maßgeblich an die Sorgfaltspflicht an, liegt dies auf der Hand. Plausibel ist es allerdings, wenn der BGH bei ausländischen Effekten und Quellen eher weitergehende Aufklärungsbemühungen fordert als bei inländischen424 und dass nicht den Prospektangaben allein vertraut werden darf, weil sie keine hinreichende Neutralitätsgewähr bieten.425 Dabei ist die Vorlage des Prospekts dahingehend zu verstehen, dass sich der Anlageberater seinen Inhalt zueigen macht, jedoch sind reine – kürzere – Werbebroschüren nicht notwen-

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BGH (oben Fn 5), BGHZ 123, 126 = NJW 1993, 2433 = WM 1993, 1455 (Auslandsbonds); u.a. Aufklärungspflicht über fehlende Börsennotierung und ihre Auswirkung: KG Urt. v. 20.12.2004 – 8 U 126/04, KGR Berlin 2005, 424. BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 41. Jedoch keine Aufklärungspflicht über allgemein erkennbare Tatsachen (Trends und Entwicklungen): OLG Frankfurt Urt. v. 02.12.1993 – 16 U 247/92, WM 1994, 234 (235); OLG München Urt. v. 16.09.1993 – 6 U 4724/92, WM 1994, 236 (236 f.); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn 16.539. Zur Realität: Stiftung Warentest, Finanztest, 12/1997, 12, 15; Stiftung Warentest, Finanztest 08/2010, 25 ff. („Blamage“). Zutr. daher: Finanzausschuss, BT-Drucks. 12/7918 S. 104; sowie vorige Fn; aA Assmann/Schneider/Koller, 4. Aufl. 2006, § 31

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WpHG Rn 98. Einschränkungen bei der Pflicht zur Eruierung der Informationen macht an anderer Stelle auch Koller, vgl. aaO Rn 115. Es handelt sich, dies unterscheiden weder Finanzausschuss noch Koller, um Einschränkungen bei der Eruierung der Information. Vgl. Aufzählung bei Assmann/Schneider/ Koller, 4. Aufl. 2006, § 31 WpHG Rn 114. BGH (oben Fn 5), BGHZ 123, 126 (131); Arendts JuS 1994, 915 (917 f.); die Relevanz auch für die damalige WpDl-RL betonend: Assmann/Schneider/Koller, 4. Aufl. 2006, § 31 WpHG Rn 115 (mwN); und genereller Horn ZBB 1997, 139 (149). BGH (oben Fn 5), BGHZ 123, 126 (130 f.); Arendts JuS 1994, 915 (918); die Relevanz auch für die damalige WpDl-RL betonend: Assmann/Schneider/Koller, 4. Aufl. 2006, § 31 WpHG Rn 117 (mwN).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

dig als solche (objektiv gehaltvollen) Informationsmittel zu verstehen.426 Grds. ist für Informationsübernahme von anderen Kreditinstituten und Wertpapierdienstleistern ebenso zu haften wie für eigene Eruierung(sfehler).427 Die anlagegerechte (auch: „objektgerechte“) Aufklärung hat das allgemeine oder abstrakte Emittentenausfallrisiko zu umfassen, also deutlich zu machen, dass und in welchen Fällen Emittenteninsolvenz zu Vollausfall des Investments führt,428 wobei jedoch diese Aufklärung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dann zugleich auch hinreichend deutlich macht, dass kein Einlagesicherungssystem diesen Ausfall kompensiert (daneben also keine gesonderte Aufklärung hierüber nötig).429 Davon zu unterscheiden ist das konkrete Emittentenausfallrisiko, für das die nach dem Auslandsbonds-Urteil genannten Quellen auszuwerten sind, und das etwa bei Zertifikaten von Lehman Brothers noch für den September 2007 verneint wurde.430 Bei riskanteren Anlagen hat die Aufklärung tendenziell noch intensiver auszufallen, so entschieden für die Zinswette (auf der Grundlage von Zinsswaps), was dann einem Produktverbot faktisch gleichkommen kann.431 Zulässig ist es freilich, sich auf bestimmte Instrumente zu spezialisieren und die Beratung bei Anlage in anderen Instrumenten mangels Kompetenz abzulehnen. Diese Einschränkung der Aufklärungs- und Beratungspflicht wurde auch früher schon von Befürwortern des streng zwingenden Charakters der Aufklärungspflichten für zulässig gehalten, selbst wenn dann die Anlage in diesen anderen Instru-

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Legt der Anlageberater den Prospekt vor, so bedient er sich dieses Instruments zur Erfüllung einer eigenen Pflicht. St. Rspr. seit BGH Urt. v. 22.03.1979 – VII ZR 259/77 BGHZ 74, 103 (108–110); differenzierend zu Werbebroschüren hingegen: einerseits BGH Urt. v. 17.11.2011 – III ZR 103/10, BGHZ 191, 310 = NJW 2012, 758 (über 80-seitige Broschüre); und andererseits BGH Urt. v. 21.03.2013 – III ZR 182/12, NJW 2013, 2343 (2344) (ca. 20-seitige, eher pauschalierende Broschüre). Vgl. zu diesem Komplex aus jüngerer Zeit: BGH Urt. v. 19.03.2013 – XI ZR 431/11, BGHZ 196, 370 = WM 2013, 789 = BKR 2013, 248 (Direktbank mit Zwischenschaltung anlageberatenden Wertpapierdienstleistungsunternehmens); Anm. Balzer EWiR § 280 BGB 7/13, 365; Freitag BeckRS 2013, 06896; Bracht ZBB 2013, 252; auch BGH Urt. v. 14.03.2013 – III ZR 296/11, BGHZ 196, 340 = WM 2013, 692 (Repräsentantenhaftung für selbständigen Handelsvertreter). BGH (Fn 5), BGHZ 191, 119 = WM 2011, 2268 = ZIP 2011, 2237 (Lehman Brothers I) und BGH (Fn 5) WM 2011, 2261 = ZIP 2011, 2246 (Lehman Brothers II); zu den Vorinstanzen: jeweils OLG Hamburg BKR 2010, 250 (Anm. Bausch 257). BGH (Fn 5), BGHZ 191, 119 = WM 2011, 2268 (2271) sowie BGH (Fn 5) WM 2011, 2261 (2164 f.) (je m.w.Nachw.); eine zusätzliche Aufklärung hierüber hätte freilich noch

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stärker wachrüttelnde Wirkung und eine solche sollte jedenfalls bei nicht professionellen Kunden verlangt werden: vgl. Klöhn ZIP 2011, 2244 (2244 f.). Zum konkreten Emittentenausfallrisiko (Warnpflicht bei Lehman anzunehmen jedenfalls nicht bis April 2008, eher vorsichtig ab dann, wohl ab ca. Juni 2008): OLG Köln Urt. v. 23.06.2010 – 13 U 222/09, WM 2010, 2035 (2036); OLG Frankfurt Urt. v. 21.09.2010 – 9 U 151/09, WM 2010, 2111 (2113); OLG Düsseldorf Urt. v. 30.07.2010 – I-9 U 236/09, WM 2010, 1943 (1945); OLG Hamburg Urt. v. 23.04.2010 – 13 U 117/09, ZIP 2010, 973; OLG Bamberg Urt. v. 07.06.2010 – 4 U 241/09, ZIP 2010, 1225; Klöhn ZIP 2011, 2244 (2244). BGH (Fn 382), NJW 2011, 1949 (1952 f.); Schmitt BB 2011, 2824 (2825); krit. Köndgen BKR 2011, 283 (283 f.) (weil Anforderung „gleichen Kenntnis- und Wissensstand [herzustellen] wie ihn die beratende Bank selbst besitzt“ praktisch nicht zu leisten, dann punktuelle Produktverbote konsequenter); eine verfassungswidrige Rechtsfortbildung konstatierend Herresthal ZIP 2013, 1049; grds. zum Vergleich Informations- und Verbotsmodell bei Interessenkonflikten: Grigoleit ZHR 177 (2013) 264; für die Aufklärungspflicht bei Währungsswaps: Kropf ZIP 2013, 401; Ruland/Wetzig BKR 2013, 56; ausf. zur Aufklärung zu strukturierten Produkten zuletzt: Gundermann BKR 2013, 406.

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menten erfolgt.432 Auch § 31 Abs. 4a WpHG a.F. ging ersichtlich von solch einer Einschränkung aus, und für § 64 Abs. 3 S. 2 WpHG n.F., der der älteren Regel weitestgehend entspricht, gilt m.E. gleiches – zumal da auch MiFID II im maßgeblichen Art. 25 Abs. 2 gegenüber der Parallelnorm in Art. 19 Abs. 4 MiFID I unverändert blieb. Einen potentiellen Einfluss auf die Werthaltigkeit des Anlageobjekts haben nach BGH-Rechtsprechung auch Verpflichtungen zur Provisionszahlung aus dem Anlagevermögen, wenn diese aggregiert 15 % übersteigen – mit der Folge, dass sie unter dem Gesichtspunkt einer anlagegerechten Aufklärung – auch unabhängig vom jeweiligen Empfänger und von möglichen Interessenkonflikten – in jedem Falle aufzudecken sind.433

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c) Informationsbereitstellung. Die zweite Phase betrifft die Informationsabgabe. Die ursprüngliche Regel im WpHG bezog sich ausdrücklich sowohl auf die persönlichen Verhältnisse als auch auf die Eigenschaften des Anlageinstruments. Das hat, obwohl der Wortlaut heute weniger klar ist, auch weiterhin so zu gelten. Zu informieren ist über alle entscheidungserheblichen Punkte, jedoch anlegergerecht. Mit anderen Worten: Für das Maß der Aufklärung ist wieder vor allem nach der Professionalität des (wirtschaftlich letztbetroffenen) Kunden zu differenzieren. 206 Präsente Informationen und solche, die nach dem Gesagten eruiert werden mussten, sind stets mitzuteilen, wenn sie für die Anlageentscheidung bedeutsam sind. Kurz: Alle zweckdienlichen – eruierungspflichtigen oder präsenten – Informationen sind zu offenbaren.434 Dies betrifft die Anlagealternativen ebenso wie die unterschiedliche Verlässlichkeit der Quellen. Dies gilt jedoch nur bis zur Transaktion (nicht fortdauernd). Die lückenhafte, „halbe“ Wahrheit ist ebenso fehlerhaft wie die Falschdarstellung – auch wenn die Lückenhaftigkeit Folge organisatorischer Maßnahmen (etwa von chinese walls) ist (fraglich nur Sorgfaltsverstoß); die halbwahre Aufklärung hat zu unterbleiben, auch wenn die andere Hälfte auf Grund von Insiderverboten nicht preisgegeben werden darf.435 207 Diese Teilregelung steht jedoch in einem Spannungsverhältnis zu einer zweiten, nach der die Aufklärung „nach … Art und Umfang … unter Berücksichtigung … der Komplexität und Risiken angemessen“ zu erfolgen hat (Art. 55 Abs. 1 DV 2017/565). Denn hiermit ist nicht nur gemeint, dass zwischen mündlicher Aufklärung und schriftlicher (bei

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Assmann/Schneider/Koller, 4. Aufl. 2006, § 31 WpHG Rn 153; heute dann nur noch § 63 Abs. 10 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 5) mit seinen eingeschränkten Anforderungen anwendbar. BGH Urt. v. 12.2.2004 – III ZR 359/02, BGHZ 158, 110 (116–121) = WM 2004, 631; BGH Urt. v. 22.3.2007 – III ZR 218/06, WM 2007, 873 (874); sowie etwa Habersack WM 2010, 1245 (1246 f.). Ausführlicher zu „Erforderlichkeit“ oder „Zweckdienlichkeit“ (entscheidend, ab welchem Informationsniveau möglich, eine Entscheidung auf informierter Basis zu treffen): Lang Informationspflichten § 10; Leisch Informationspflichten S. 136–148; Weichert/ Wenninger WM 2007, 627 (630). Spezifisch zur Aufklärung über rechtliche Fragen, namentlich kapitalmarktrechtlich bedeutsame

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Gesetzesänderungen: BGH Urt. v. 21.03.2005 – II ZR 149/03, NZG 2005, 476 (478); Urt. v. 01.12.2011 – III ZR 56/11, NJW 2012, 380 (Göttinger Gruppe). Vgl. im einzelnen Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 98 und 4. Aufl. 2006, § 31 WpHG Rn 118, 171; BankR-Hdb/Faust § 109, Rn 51; früher auch B.2.2 BaFin-Richtlinie zu §§ 31 f. WpHG (oben Fn 288). Zu den dort gegebenen Begründungen tritt diejenige mit der ratio des Insiderhandelsverbots bzw. des Bankgeheimnisses: Beide sind nicht berührt, wenn der Kunde veranlasst wird, im konkret betroffenen Papier nicht zu handeln (vgl. oben 6. Teil Rn 382), bzw. das Bankgeheimnis selbst nicht mitgeteilt erhält; vgl. ausführlich Cahn ZHR 162 (1998) 1 (41–50, bes. 49).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

schwierigen Zusammenhängen) zu wählen ist, sondern auch, dass die Information für den jeweiligen Kunden angemessen ausführlich sein muss.436 Der Anbieter muss also je nach Verständnisfähigkeit und Professionalität auch Zweckdienliches vereinfachen und zusammenfassen oder aber detaillierter darlegen. Die Hauptaufgabe der Wertpapierdienstleister liegt gerade in der Adaption der präsenten (öffentlichen) Informationen, auch der für große Anlegergruppen zu Ausführlichen im Prospekt, auf die Bedürfnisse des einzelnen Anlegers, also in der Informationstransformation (oben Rn 35–39). d) Reaktionsmöglichkeiten, insbes. Empfehlung (§ 64 Abs. 3 S. 2–4 und Abs. 4). Auf 208 der Grundlage der eruierten Information zu allen drei oben genannten Fragen hat der Wertpapierdienstleister zu informieren (oben Rn 205–207) und ein Urteil abzugeben darüber, ob das vorgeschlagene Anlageinstrument oder die vorgeschlagene Anlagestrategie (oder welches oder welche unter mehreren) unter Zugrundelegung der genannten Anforderungen „geeignet“ erscheint (sog. „suitability“). Diese Erklärung ist seit dem 2. FiMaNoG als gesonderte Geeignetheitserklärung abzugeben – auf dauerhaftem Datenträger und dies unter Spezifizierung, wie das Angemessenheitsurteil gerade im Hinblick auf Präferenzen, Anlageziele und sonstige Charakteristika des Kunden erzielt wurde (§ 64 Abs. 4 S. 1 und 2 WpHG n.F.). Dies freilich bedeutet für das deutsche Recht, das bisher bereits eine Pflicht zur Übergabe des Beratungsprotokolls kannte, in der Sache keine Neuerung.437 Beim Angemessenheitsurteil handelt es sich um das hinsichtlich der Eruierungstiefe weitest reichende Urteil im System der §§ 63 f. WpHG n.F. (ex-§ 31).438 Kann dieses Urteil nicht abgegeben werden – weder positiv noch negativ –, weil die Information nicht hinreichend ist, so darf gar keine Empfehlung abgegeben werden.439 Obwohl sich diese Rechtsfolge schon bisher aus dem Gesamtsystem zwingend ergab (vorige Fn), sprach der deutsche Gesetzgeber sie mit § 31 Abs. 4a WpHG a.F. (eingefügt durch das AnSFuVG Fn 45) erstmals ausdrücklich aus und behielt dies in § 64 Abs. 3 S. 2 WpHG n.F. auch bei (außerdem Art. 54 Abs. 8, auch 10 DV 2017/565) – vor allem auch als Anknüpfungspunkt für einen gesonderten Ordnungswidrigkeitentatbestand (§ 120 Abs. 8 Nr. 40 WpHG n.F., ex-§ 39 Abs. 2 Nr. 16a).440 Freilich kann der Kunde sich weigern, die notwendigen Informationen

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Abstellen auf Durchschnittskunden bei: Assmann/Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 62–67, 95 f. (mwN); früher im Sinne von Differenzierung auch B.2.2 BaFin-Richtlinie zu §§ 31 f. WpHG (oben Fn 288). Zur Alternative schriftliche/mündliche Aufklärung vgl. bisher gegen Schriftform BGH Urt. v. 24.01.2006 – XI ZR 326/04, NJW 2006, 1429; KG Urt. v. 05.02.2002 – 19 U 38/01, NZG 2002, 536 (538). Vgl. BR-Drucks. 18/10936, S. 3 f.; zum obligatorischen Beratungsprotokoll ausf. Maier VuR 2011, 3; auch Franck BKR 2012, 1 (4 f.); zur Erklärung nach neuem Recht inhaltlich etwa Langenbucher/Bliesener/Spindler/Spindler Kap. 33 Rn 107; Buck-Heeb ZBB 2014, 221 (227). Fleischer BKR 2006, 389 (395); Forstinger/ Pradler ÖBA 2004, 329 (335); Maurenbre-

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cher AJP 2005, 19 (29); Seyfried WM 2006, 1375 (1382); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (631) (ein weiter reichendes Urteil als das der „Angemessenheit“ nach § 63 Abs. 10 WpHG [ex-§ 31 Abs. 5], mit entsprechend höherer Erkundigungspflicht); zum Konzept „Empfehlung“ nach der Europäischen Vorgabe konkretisierend: CESR, Questions & Answers: Understanding the definition of advice under MIFID of 19 April 2009, CESR/10–293. Seyfried WM 2006, 1375 (1382); Teuber BKR 2006, 429 (431); Harrer ÖBA 2007, 98 (106); und für MiFID II Brenncke Commentary on MiFID II Conduct of Business Rules, Art. 25 Rn 15. Vgl. BT-Drucks. 17/3628, S. 21; Winkelhaus ZBB 2011, 318 (319); Assmann/Schneider/ Koller § 31 WpHG Rn 173.

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zu geben.441 Zugleich bedeutet weder ein negatives Urteil noch das genannte Verbot, ohne hinreichende Information eine Beratung vorzunehmen, dass eine Wertpapierdienstleistung nach § 63 Abs. 10 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 5 – oben VI.) ebenfalls ausgeschlossen wäre. Der Wertpapierdienstleister darf zwar nicht empfehlen, ausführen darf er jedoch unter den Voraussetzungen des § 63 Abs. 10 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 5) durchaus und zwar auch, wenn der Kunde die nötige Information nicht gibt (vgl. insbesondere Rn 192).

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e) Besonderheiten bei der Finanzportfolioverwaltung. Finanzportfolioverwaltung und Beratung werden in § 64 Abs. 3 und 4 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 4, 4a) hinsichtlich der Informationserhebungs- und -abgabepflichten zwar parallel (und jedenfalls formal gleich) geregelt.442 Wieder gelten hinsichtlich der Informationserhebung die drei Anforderungen, an denen auch die anlagegerechte Beratung auszurichten ist (oben Rn 198–201, 203 f.). Es bestehen jedoch grundsätzliche Unterschiede, die sich aus der Struktur des Geschäfts ergeben:443 Der Finanzportfolioverwalter soll nach eigenem Ermessen entscheiden (vgl. schon oben Rn 81) und das Geschäft dauerhaft begleiten, während die Beratung eine hinreichende informierte Entscheidung vorbereiten soll, die dann allein der Anleger trifft. Daraus ergeben sich gewisse Besonderheiten bei den Informationsanforderungen nach § 64 Abs. 3 WpHG n.F. Außerdem treten bei der Portfolioverwaltung weitere Pflichten hinzu, die ebenfalls an dieser Stelle kurz anzusprechen sind – obwohl sie auch allgemeiner auf die Sorgfaltspflicht nach § 63 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1) zu stützen sind. 210 Die Informationsanforderungen nach § 64 Abs. 3 WpHG n.F. sind auf die Finanzportfolioverwaltung anwendbar, soweit es darum geht, die Anlageziele des Kunden und seine finanzielle Risikotragfähigkeit zu eruieren und ihn darüber aufzuklären (oben Rn 200 und 201). Gewisse Modifikationen sind jedoch beim Kriterium Kenntnisse und Erfahrungen unvermeidlich: Denn die Einzelentscheidungen trifft der Portfolioverwalter. Daher muss zwar sichergestellt sein, dass der Kunde die Portfoliostrategie grds. versteht.444 Noch weniger als bei der Anlageberatung ist es jedoch gerechtfertigt, kumulativ auch auf Erfahrungen zu bestehen. Kenntnis, die auch durch Instruierung bei Eingehung der Geschäftsbeziehung vermittelt werden kann, muss genügen. Zudem muss es genügen, dass der Kunde das Risiko des Gesamtpakets versteht und richtig einschätzen kann; obwohl Richtlinie und WpHG das weder bisher noch heute ausdrücklich beton(t)en, ist das Verständnis für jedes Einzelgeschäft, das ja der Kunde gerade nicht tätigen soll, hingegen nicht zu fordern.445 211 Spezifisch für die Finanzportfolioverwaltung ist die detaillierte Ausformung der Informationsanforderungen nach § 64 Abs. 3 WpHG n.F. (iVm Art. 47 Abs. 2 und 3 lit. c DV 2017/565) bei der Verwendung sog. Benchmarks. Damit soll deutlich werden, wie hoch die Leistung des konkreten Portfolioverwalters im Vergleich zu anderen einzustufen ist. Neu

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Teuber BKR 2006, 429 (433); Balzer DB 1997, 2311 (2314 und 2317 f.); Assmann/ Schneider/Koller § 31 WpHG Rn 147 (alte, damals noch explizite Regel nur deklaratorisch). Ausführlich zu den Informationspflichten bei der Vermögensverwaltung (freilich noch vor dem FRUG, aber nach Inkrafttreten der MiFID I): Benicke Wertpapiervermögensverwaltung, S. 568–591; Sethe Vermögensverwaltung S. 869–919; aus jüngerer Zeit:

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Schäfer in Schäfer/Sethe/Lang, Handbuch der Vermögensverwaltung, 2. Aufl. 2016, S. 282–346; zum Umfang der Aufklärung über Provisionen: KG (Fn 269), ZIP 2006, 1497 (1498–1500) (sogar schriftlich). Zu dieser ausführlicher: Benicke Wertpapiervermögensverwaltung, S. 177–233; Sethe Vermögensverwaltung S. 15–106. Balzer Vermögensverwaltung S. 75; Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (631). Teuber BKR 2006, 429 (435).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

ist bereits, dass die Angabe solcher Benchmarks überhaupt verpflichtend gemacht wird,446 wobei unklar bleibt, ob die einseitige Benennung durch den Wertpapierdienstleister genügt oder die Benchmark vereinbart werden muss.447 Hauptproblem ist die Definition einer adäquaten Benchmark. Sie soll nicht zu allgemein sein, sondern sich orientieren an Anlagezielen des konkreten Anlegers und den im Portfolio konkret vertretenen Instrumenten; zugleich jedoch soll die Benchmark aussagekräftig sein.448 Eine sehr spezifische Genauigkeit lässt den Vergleichskreis allzu sehr schrumpfen, so dass ein hinreichendes Abstrahieren zulässig sein muss.449 Noch immer unklar ist die Sanktionierung von Verstößen in diesem Bereich.450 Neben diese Informationsanforderungen, die § 64 Abs. 3, 4 WpHG n.F. konkreter um- 212 reißt, treten insbesondere folgende Sorgfalts- und (nachträgliche) Benachrichtigungspflichten. Bei der Finanzportfolioverwaltung handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB.451 Daher ist der Vermögensverwalter rechenschaftspflichtig. Diese Pflicht ist näher ausgestaltet in Art. 60 DV 2017/565; idR jedenfalls alle 3 Monate ist zu berichten und, wenn im Portfolio Leverageeffekte (durch Kreditfinanzierung) ausgenutzt werden sollen, jeden Monat. Zudem hat der Vermögensverwalter den Anleger bei erheblichen Verlusten auch ad hoc zu informieren452 und nicht die periodische Rechnungslegung abzuwarten. Zudem gilt ein Diversifikationsgebot,453 außerdem auch ein Spekulationsverbot.454 Besonders herausgehoben ist zuletzt auch die Pflicht, Anlageleitlinien, wenn sie denn vereinbart werden,455 auch tatsächlich einzuhalten.456 f) Freistellungen? Für die Freistellungen aufgrund ungeschriebener Grundsätze gelten 213 auch im Bereich der Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung die Überlegungen, die insoweit für das Basisregime angestellt wurden (oben Rn 193–197). Die dort im Vordergrund stehende Freistellung freilich, die ausdifferenzierte Erlaubnisnorm zu einem execution only (§ 63 Abs. 11 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 7) kann sich – schon rein systematisch, aber auch vom Gehalt her – gerade nicht auf Anlageberatung und Portfolioverwaltung be-

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Schäfer Vermögensverwaltung S. 47 f.; Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1715); Seyfried WM 2006, 1375 (1381). Vgl. Art. 47 Abs. 2 einerseits und Art. 60 Abs. 2 lit. e DV 2017/565 andererseits; Schäfer Vermögensverwaltung S. 47 f.; Kumpan ZBB 2006, 319 (320); Teuber BKR 2006, 429 (435) Vgl. zu beidem Art. 47 Abs. 2 DV 2017/565; Teuber BKR 2006, 429 (435); ders. BP MiFID-Sonderbeilage 2007, 18 (24); Seyfried WM 2006, 1375 (1381). Teuber BKR 2006, 429 (436). Schäfer Vermögensverwaltung S. 48; vgl. Teuber BKR 2006, 429 (436) (Schadensberechnungsschwierigkeiten lassen Schadensersatzanspruch idR ausscheiden, es sei denn zu positive Benchmarkaussage verhinderte eine Kündigung). BGH Urt. v. 28.10.1997 – XI ZR 260/96, WM 1998, 21 (22) = NJW 1998, 449; aus-

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führlich Benicke Wertpapiervermögensverwaltung S. 192–214. Vgl. Kühne BKR 2005, 275 (280); Lang Informationspflichten S. 504–527; Benicke Wertpapiervermögensverwaltung, S. 519–552 (letztere auch zu weiteren Informationspflichten des Vermögensverwalters). Balzer Vermögensverwaltung, S. 107 f.; Sethe Vermögensverwaltung S. 910 f.; Benicke Wertpapiervermögensverwaltung S. 772–776; näher auch unten 7. Teil Rn 85. Näher Teuber in Ellenberger/Schäfer, Fehlgeschlagene Wertpapieranlagen, S. 238 ff. Zu diesen etwa Sethe Vermögensverwaltung S. 898–903; Benicke Wertpapiervermögensverwaltung S. 556–564; Teuber in Ellenberger/Schäfer, Fehlgeschlagene Wertpapieranlagen, S. 232–236. Teuber BKR 2006, 429 (435); Sethe Vermögensverwaltung S. 898 f.

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ziehen. Sie betrifft allein den Bereich der sonstigen Wertpapierdienstleistungen, namentlich die Ausführung von Kundenordern (und zwar sowohl gegenüber dem Privatanleger als auch gegenüber dem professionellen Kunden).

IX. Weitere Transparenz- und Verhaltensanforderungen bei Honoraranlageberatung und Finanzportfolioverwaltung (§§ 64 Abs. 5–8 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4c-4d) 1. Neutralitätspflichten bei reiner Honorarberatung (Abs. 5, 6, ex-§ 31 Abs. 4c-4d)

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a) Idee und Anwendungsbereich. Die Idee, eine – möglichst unabhängige – Beratung rein auf Honorarbasis neben die herkömmliche Abgeltung der Beratung durch Provisionen (Provisionsberatung) zu stellen – als zweiten Weg –, liegt nahe. Sie wurde in der Diskussion zur MIFID II und vom deutschen Gesetzgeber denn auch parallel vorangetrieben, in Deutschland jedoch durch Einfügung der von § 31 Abs. 4b-4d WpHG a.F. (entsprechend heute § 64 Abs. 5 und 6 WpHG n.F.) früher zum Abschluss gebracht.457 Bei der Umsetzung von MiFID II konnte daher der Wortlaut unverändert übernommen werden (abgesehen von redaktionellen Glättungen und der Umnummerierung). Es wurde freilich die HonorarAnlageberatung in der jeweiligen Einleitungsformel jetzt ausdrücklich als „unabhängig“ angesprochen. Wichtig ist dennoch, dass die (herkömmliche) Provisionsberatung nicht nur die weit überwiegende Praxis bildet, sondern sich auch bei der reinen Honorarberatung neben den erheblichen Vorteilen durchaus auch so gewichtige Nachteile ergeben,458 so dass nur an eine duale, parallel laufende Lösung gedacht werden konnte, nicht an eine Ablösung der Provisionsberatung. Im Grundsatz geht daher die Lösung dahin, dass alle (bisher behandelten) Vorgaben an die Anlageberatung auch bei der reinen Honorarberatung gelten (ausdrücklich heute § 64 Abs. 5 S. 7 WpHG n.F.), und nach § 64 Abs. 1, 5 und 6 WpHG n.F. (bisher in einer Reihung § 31 Abs. 4b-4d WpHG a.F.) nur weitere Anforderungen hinzukommen. Solche wurden vor allem deswegen befürwortet, weil ein besonderes Qualitätssiegel mit Namens- oder Zertifizierungsschutz geschaffen werden sollte.459 Aus diesem Grunde genügte auch nicht der Verweis auf das bisherige Regime, nach dem die reine Honorarberatung durchaus schon möglich war. Mit den zusätzlichen Kautelen sollten vielmehr die Vorteile der reinen Honorarberatung gesichert und gestärkt werden – vor allem das Zurückdrängen von Interessenkonflikten, die aus einer an den Verkauf gekoppelten (Provisions-)Vergütung resultieren –, aber auch die Nachteile entschärft werden (vor allem hinsichtlich der Breite des Angebots). Für Unternehmen, die nicht in den An-

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Vgl. Rn 177, 13; Nachw. zum Honoraranlageberatungsgesetz oben Fn 48; zum (dualen) Prozess etwa: Balzer Bankrechtstag 2013, 157 (157–162 et passim); Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101. Zu den Vor- und Nachteilen dieser Lösung bei Informationsintermediären theoretisch bereits: Grundmann/Kerber, Information Intermediaries and Party Autonomy – the example of securities and insurance markets, in: Grundmann/Kerber/Weatherill (Hrsg.), Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, 2001, 264; ausf.

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zu den Vorteilen der reinen Honoraranlageberatung speziell in puncto Interessenkonflikte: Reiter/Methner WM 2013, 2053; und BR-Drs. 814/12, S. 10 f., 14–16. BR-Drs. 814/12, S. 10 f., 14–16; Balzer Bankrechtstag 2013, 157 (158–162); Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101 (102 f.); zur Umsetzung des Hauptanliegens sehr krit. Kuhlen/Tiefensee VuR 2013, 49 (51 f.); positiv Reiter/Methner WM 2013, 2053 (2059); vermittelnd Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101 (114).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

wendungsbereich des WpHG fallen (vgl. oben Rn 72, 86–88, 112, 131), wurde parallel, jedoch in manchem Detail verschieden, ein eigenes Regime des Finanzanlagenberaters eingeführt.460 b) Kautelen: Breite des Beratungsportfolios (Abs. 5) und Aufdeckung wirtschaftlichen 215 Eigeninteresses (Abs. 6). Die reine Honorarberatung genießt Bezeichnungsschutz, um sie (als besonders vertrauenswürdig) sichtbar zu machen und so zu fördern (§ 94 WpHG n.F., ex-§ 36d, Register § 93 WpHG n.F., ex-§ 36c).461 Die Kautelen, die dafür eingehalten werden müssen, unterfallen in zwei Kategorien: 216 diejenigen, die verbürgen, dass in der Tat die Interessenkonflikte (deutlich) weiter zurückgedrängt werden als bei der Provisionsberatung, und diejenigen, die verbürgen sollen, dass dennoch ein angemessen breites, repräsentatives und professionellen Standards genügendes Angebot unterbreitet wird. Der Minimierung von Interessenkonflikten dienen vor allem drei Vorgaben – wovon die erste heute von den anderen gesetzgebungssystematisch abgerückt wurde (§ 64 Abs. 1 WpHG n.F., vgl. daher oben Rn 177). In jedem Falle ist (i) vor der Beratung darüber aufzuklären, ob Provisions- oder Honorarberatung angeboten wird, um auch den nicht „vorgewarnten“ Kunden auf die Dualität der Möglichkeiten hinzuweisen. Dies gilt wohl in jedem Einzelfall (es sei denn ein Unternehmen bietet ohnehin nur Honorarberatung an und macht dies bereits zu Beginn der Beziehung deutlich, vgl. § 64 Abs. 1 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4b). Zudem gilt (ii) ein uneingeschränktes Verbot, Zuwendungen von anderen Personen als dem Kunden entgegenzunehmen (§ 64 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4c Nr. 2), nicht nur eine Aufdeckungspflicht (wie schon für die Provisionsberatung nach §§ 63 Abs. 2, 70 WpHG n.F., ex-§§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 31d).462 Es gilt nur eine Ausnahme, wenn das Instrument ohne solch eine Zuwendung von Dritter Seite nicht zu erhalten ist, in diesem Falle freilich besteht immerhin ebenfalls eine Auskehrungspflicht – der Honoraranlageberater fungiert nur als Durchlaufstation (in der Tat sieht die Vorgabe in Art. 24 Abs. 7–9 MiFID II diese Ausnahme überhaupt nur für andere Wertpapierdienstleistungen als Honoraranlageberatung und Finanzportfolioverwaltung vor, Abs. 9 a.E.). Die Regelung ist insgesamt schwer veständlich gefasst, was vor allem auf dem Umstand beruht, dass das Verhältnis zu den Parallelregelungen – namentlich der Finanzportfolioverwaltung (Abs. 7, unten Rn 218 f.) und dem sonstigen Kreis von Wertpapierdienstleistungen, mit allgemeiner Provisionsanlageberatung (§ 70 WpHG n.F., unten Rn 243–252) – ungeklärt ist.463 Die Problematik wird dort – auch im Vergleich zur unabhängigen Honorarberatung – wieder aufgegriffen. Da (iii) beim Festpreisgeschäft (versteckte) Zuwendungen von Dritten in Form von Rabatten u.ä. immer denkbar sind, wird ein solches grds. ausgeschlossen, um Umgehungen zu verhindern,464 außer hinsichtlich Fi-

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Dazu etwa Balzer Bankrechtstag 2013, 157 (163–182); Kuhlen/Tiefensee VuR 2013, 49 (50 f.); Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101 (105–114). Hierzu: Balzer Bankrechtstag 2013, 157 (173–175); Kuhlen/Tiefensee VuR 2013, 49 (50); Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101 (111); zur zivilrechtlichen Haftung bei Falschbezeichnung Grigoleit ZHR 177 (2013), 264 (298); Müchler/Trafkowski a.a.O. 112. Hierzu: Balzer Bankrechtstag 2013, 157 (168–170); Kuhlen/Tiefensee VuR 2013, 49

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(51); Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101 (109 f.). Hierzu: Balzer Bankrechtstag 2013, 157 (164–166 und 169 f.); Kuhlen/Tiefensee VuR 2013, 49 (51); Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101 (109 f.). Hierzu Balzer Bankrechtstag 2013, 157 (171 f.); Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101 (110); zur weitgehenden Austauschbarkeit von Festpreisgeschäft und Provisionsgeschäft hinsichtlich versteckter Vergütungen und zu den daraus resultierenden Interessenkonflikten, vgl. Grundmann WM 2012, 1745.

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nanzinstrumenten des Dienstleisters selbst (dann keine Zuwendung von Dritten und Gewinninteresse offensichtlich) (§ 64 Abs. 6 S. 2 und 3 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4d S. 2). 217 Die weiteren Kautelen dienen hingegen dem Ziel, ein hinreichend breites Angebot zu verbürgen. Dies gilt einerseits für die Vorgabe, dass die Instrumente nach Art und Emittent „hinreichend gestreut“ sein müssen (§ 64 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 lit. a) WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4c Nr. 1 a).465 Andererseits bedient dieses Interesse indirekt jedoch eine „Öffnungsklausel“. Wenn der Dienstleister dies hinreichend deutlich macht, darf er durchaus Instrumente anbieten und empfehlen, bei denen ein eigenes Gewinninteresse besteht (wegen der Emission durch ihn selbst oder weil ein „enges Verhältnis“ oder eine „wirtschaftliche Verflechtung“ zum Emittenten besteht) (vgl. (§ 64 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 lit. b) WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4c Nr. 1 b und § 64 Abs. 6 S. 1 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4d S. 1).466 Damit wird einerseits ein breiteres Angebot ermöglicht, andererseits wird die reine Honorarberatung auch für Wertpapierdienstleister attraktiver (nicht „prohibitiv“) gemacht. Freilich muss der freie Honorarberater immer auch Alternativen in hinreichender Zahl anbieten, bei denen solch ein (wenn auch aufgedecktes) Gewinninteresse in der Tat gänzlich fehlt (§ 64 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 lit. b) WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4c Nr. 1 b). Flankiert werden diese transaktionsbezogenen Vorgaben durch eine organisationsbezogene, ein Trennungsgebot, wenn ein Wertpapierdienstleiser sowohl Honorar- als auch Provisionsberatung anbieten will (§ 80 Abs. 7 WpHG n.F., ex-§ 33 Abs. 3a WpHG).467 2. Spezifische Verhaltensanforderungen bei Finanzportfolioverwaltung (Abs. 7, 8)

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a) Beschränkungen bei Zuwendungen Dritter (Abs. 7). Die erste Sonderanforderung an die Finanzportfolioverwaltung betrifft (auch hier) den Bereich der Zuwendungen seitens Dritter, mithin die Problematik möglicher Interessenkonflikte.468 Die diesbezügliche Regelung in Abs. 7 ist als solche gut verständlich gefasst (zu ihrem Inhalt nächste Rn), sie entspricht auch fast wörtlich der Vorgabe in Art. 24 Abs. 8 MiFID II. Im deutschen Umsetzungsgesetz bleibt freilich undeutlich, dass (i) in der MiFID II die identische Regelung

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Hierzu (auch zur Problematik generalklauselartiger Offenheit): Balzer Bankrechtstag 2013, 157 (166 f.); Kuhlen/Tiefensee VuR 2013, 49 (50); Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101 (107–109); Reiter/Methner WM 2013, 2053 (2057); für MiFID II Baur jurisPR-BKR 6/2017 Anm. 1. Hierzu (auch zu den im Folgenden genannten Einschränkungen): Balzer Bankrechtstag 2013, 157 (166–168); Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101 (107). Hierzu näher oben 7. Teil Rn 85; und zur in Deutschland vorab eingeführten und inhaltsgleichen Parallelregel etwa Balzer Bankrechtstag 2013, 157 (172 f.); Kuhlen/Tiefensee VuR 2013, 49 (50); Müchler/Trafkowski ZBB 2013, 101 (110 f.). Erw.grund 74 begründet die Regelung mit „Anlegerschutz“ und „besserer Aufklärung“ und stellt Honoraranlageberatung und Finanzportfolioverwaltung hier (und auch in Erw.grund 75) als identisch zu regelnde For-

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men einer Wertpapierdienstleistung dar, die in besonders hohem Maße ausschließlich am Kundeninteresse auszurichten sind und bei denen jeweils auch alle Kautelen ergriffen werden, die eine indirekte Einflussnahme fremder Interessen schon präventiv ausschließen sollen. Konkreter als nur mit „Anlegerschutz“ ist die Regelung also mit einem besonders hohen Standard an Vermeidung bereits der Interessenkonfliktsgefahr zu erklären (the „punctilio of an honor the most sensitive, not honesty alone“, wie es Justice Cardozo in Meinhard v. Salmon, 164 N.E. 545, 546 [N.Y. 1928] so wortgewaltig umschrieb). Dazu auch Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 808 f.; Fuchs/Fuchs § 31d WpHG Rn 1a; allgemein zur Zuwendungsregelung in MiFID II Langenbucher/Bliesener/Spindler/Spindler Kap. 33 Rn 167a; Roth/Blessing CCZ 2017, 163.

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auf für die unabhängige Honoraranlageberatung vorgesehen wird, und (ii) dass die Regelung auch im engen Konnex mit der allgemeinen Regelung zu Zuwendungen Dritter steht, die Strukturen und auch Definitionen auch gemeinsame sind – und erst die Inhalte der Regulierung differieren. In der MiFID II stehen die Regeln zu den drei Bereichen (unabhängige Honoraranlageberatung, vgl. schon Rn 216, Finanzportfolioverwaltung und sonstige Wertpapierdienstleistungen, einschließlich allgemeiner Provisionsanlageberatung, unten Rn 244–252) nicht nur in einer Reihe stehen (Art. 24 Abs. 7 (lit. b), Abs. 8 und Abs. 9) – während sie im deutschen Recht auseinandergerissen und auch nicht gut koordiniert erscheinen. Es wird in dieser Reihung in der MiFID II auch klar, dass die ersten beiden Bereichen strenger und gleich reguliert sind – in beiden Fällen sind nur „kleinere nichtmonetäre“ Zuwendungen zulässig (unter den allgemeinen Kautelen unmissverständlicher Aufdeckung und dass sie im Kundeninteresse erbracht werden), während bei den sonstigen Wertpapierdienstleistungen die beiden genannten allgemeinen Kautelen auch weitergehend und allgemein Zuwendungen rechtfertigen können.469 Die Regelung des Abs. 7 betrifft eine bestimmte Art Zuwendungen seitens Dritter. Für 219 die Begrifflichkeit ist auf die allgemeinere (und sehr komplexe Regelung) in § 70 WpHG n.F. zu rekurrieren (dort Abs 2 S. 1).470 Danach unterfallen Zuwendungen in monetäre (namentlich Provisionen und Gebühren und sonstige in Geld erbrachte Leistungen) und nichtmonetäre Zuwendungen, die zwar idR ebenfalls Geldwert haben, aber nicht in Geld erbracht werden. Für diese unterscheidet Abs. 7 – in Übereinstimmung mit Art. 24 Abs. 7 und 8 MiFID II – zwischen „geringfügigen“ und nicht geringfügigen Zuwendungen.471 Allein bei den nichtmonetären geringfügigen Zuwendungen wird die Gefahr eines Interessenkonflikts als so gering veranschlagt (und dies per Verhältnismäßigkeitsurteil auch geprüft), dass bei unmissverständlicher Aufdeckung und bei Nachweis, dass sie die Qualität der Finanzportfolioverwaltung zugunsten des Kunden verbessern, die Zuwendung gestattet ist.472 Sie müssen dann auch nicht ausgekehrt werden, ja sie sind in der Regel im Kundeninteresse unauskehrbar eingesetzt worden. Da die Finanzportfolioverwaltung (auch) eine Wertpapierdienstleistung darstellt, vor allem jedoch, weil an sie höhere Anforderungen bei der Verfolgung von Kundeninteressen als an sonstige Wertpapierdienstleistungen gestellt werden, wird man insoweit die – ohnehin vor allem klarstellenden – Beweislast- und prozeduralen Regeln des § 70 Abs. 1 WpHG n.F. – bes. S. 2 – auch hier zur Anwendung zu bringen haben. Angesichts des Umfangs und Detailgrades des Regimes in § 70 Abs. 1–3 WpHG n.F. und weil für die Analyse bei der Honoraranlageberatung gesondert bezahlt wird, wird man die Zurverfügungstellung von Anlayseergebnissen durch Dritte nicht als „geringfügig“ einstufen können.473 Ihre Übernahme würde auch die „Unabhängigkeit“ im

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Schöner Überblick zu diesem dreiteiligen MiFID II-Regime Brenncke Commentary on MiFID II Art. 25 Rn 33, 35, 37 f.. Zum Begriff der Zuwendungen näher Roth/ Blessing CCZ 2017, 163 (164 f.) Zur Maßgeblichkeit auch in § 64 Abs. 5 S. 2–4 und Abs. 7 WpHG n.F. (Honoraranlageberatung und Finanzportfolioverwaltung) etwa Balzer ZBB 2016, 226 (233); Kurz DB 2014, 1182 (1183 f.) Zum nichtmonetären Charakter und zur Geringfügigkeit etwa Art. 12 Abs. 3 DRL 2017/593; näher dazu etwa Roth/Blessing CCZ 2017, 163 (165).

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Zur Qualitätsverbesserung und diesem Verhältnismäßigkeitsurteil näher Art. 11 Abs. 2 DRL 2017/593; näher Roth/Blessing CCZ 2017, 163 (165, 167 f.); Balzer ZBB 2016, 226 (233 f.). Ebenso Roth/Blessing CCZ 2017, 163 (165 f.); Geier/Hombach/Schütt RdF 2017, 108 (110); ESMA, Questions & Answers on MiFID II and MiFIR investor protection and intermediaries topics, ESMA 35-43-349 vom 03.10.2017, Teil 7 Frage 3 und 6. Dafür spricht auch die Regelung Art. 13 der Delegierten Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7. April 2016, ABI.EU 2017 L

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Kern kompromittieren. Eine Annahme jeglicher monetärer Zuwendung ist dem Finanzportfolioverwalter im Umkehrschluss untersagt (und die MiFID II-Vorgabe sieht eine Ausnahme auch dann, wenn das empfohlene Finanzinstrument ohne die Zuwendung „nicht erhältlich“ ist, nur außerhalb der Finanzortfolioverwaltung vor). Der dahinter stehende Gedanke geht dahin, dass es zwar solche Zuwendungen Dritter gibt (etwa Depotgebühren oder Gebühren für Inanspruchnahme von Handelsplätzen, vgl. unten Rn 246), deren Zahlung auch allgemein erwartet wird. Doch sollen Honoraranlageberater und Finanzportfolioverwalter, um jede Gefahr eines Interessenkonflikts zu vermeiden, sich auch insoweit eines anderen Wertpapierdienstleisters bedienen, der dann die Gebühren vereinnahmt (strikte Begrenzung auf Gebührenzahlung durch den Kunden).

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b) Anforderungen an kontinuierliche Geeignetheitsprüfung (Abs. 8). Wertpapierdienstleister, die Anlageberatung erbringen (unabhängige Honoraranlageberatung oder aber die übliche Provisionsanlageberatung) schulden dem Kunden kraft objektivem Recht nur eine einmalige Beratung und daher keine kontinuierliche periodische (Neu-)Überprüfung auch der Geeignetheit ihrer Empfehlung.474 Freilich schulden sie – seit Umsetzung der diesbezglichen Vorgaben aus MiFID II – eine Erkärung darüber, ob sie es bei diesem Rechtszustand belassen wollen oder ob sie sich kraft Abrede zu solch einer kontinuierlichen periodischen (Neu-)Überprüfung auch der Geeignetheit ihrer Empfehlung verpflichten wollen (§ 64 Abs. 1 Nr. 3 WpHG n.F.; dazu oben Rn 177). Wertpapierdienstleister, die Finanzportfolioverwaltung erbringen, schulden solch eine kontinuierliche periodische (Neu-)Überprüfung auch der Geeignetheit ihrer Empfehlung hingegen bereits nach objektivem Recht, weil die Dienstleistung auf dauerhafte Begleitung und ein Vertrauen des Kunden auf Initiativwerden seitens des Wertpapierdienstleisters ausgerichtet ist.475 Von dieser Zweiteilung (schon zivilrechtlich) geht § 64 Abs. 8 WpHG n.F. erkennbar aus. 221 Der Gehalt des § 64 Abs. 8 WpHG n.F. liegt also nicht in der Pflichtenbegründung – für eine dann kontinuierliche periodische (Neu-)Überprüfung auch der Geeignetheit der Empfehlung bzw. der ergriffenen Verwaltungsmaßnahme –, sondern in der Präzisierung des Pflichtenumfangs (für die Ausnahme nach § 66 WpHG n.F. im Verbraucherkreditbereich vgl. unten Rn 230).476 Doch auch hinsichtlich des Pflichtenumfangs präzsiert die Regel nur relativ Selbstverständliches: Die (nach einer der beiden oben genannten Quellen geschuldete) Neubeurteilung der Geeignetheit muss ebenso individualisiert und kundenbezogen sein wie die ursprüngliche. Es muss also nochmals festgestellt werden, dass Empfehlung oder Maßnahme den Anlagezielen und sonstigen Geeignetheitsvoraussetzungen beim Kunden entspricht. Freilich wird man keine allgemeine Verpflichtung des Instituts annehmen können, jetzt nochmals Kenntnisstand und Verlusttragungsfähigkeit, also die spezifisch kundenbezogenen Kriterien, in gleicher Intensität zu prüfen wie bei der Erstberatung –

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87/500; dazu ebenfalls Roth/Blessing CCZ 2017, 163 (165). Vgl. dazu auch noch unten Rn 245–247. Ebenso und näher BGH Urt. v. 28.04.2015 – XI ZR 378/13, WM 2015, 1273 (Dauerberatungsvertrag muss ausdrücklich vereinbart werden); Balzer ZBB 2016, 226 (232 f.); Jordans BKR 2015, 309 (311); Roth/Blessing CCZ 2016, 258 (264); BankR-Hdb/Siol, § 43 Rn 9; Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Spindler, Kap. 33 Rn 54.

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Ebenso und näher Balzer Vermögensverwaltung, S. 123 f.; ders. ZBB 2016, 226 (232 f.); Benicke Wertpapiervermögensverwaltung, S. 65 f.; ders. Bankrechtstag 2006, S. 3 (12 ff.); Gaßner/Escher WM 1997, 93 (100); Knop AG 2009, 357 (359 ff.); Schäfer Bankrechtstag 2006, S. 31 (50 ff.); Sethe Vermögensverwaltung, S. 913 f. In diesem Sinne auch, auch zum Folgenden Roth/Blessing CCZ 2016, 258 (264 f.); siehe auch BT-Drucks 18/10963 (Regierungsentwurf und Begründung), S. 236.

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wohl aber wenn es dafür nach den Indizien, die das Institut hat, einen Anlass gibt.477 Der Kern der Neuevaluierung liegt also bei der Untersuchung, ob sich die Erwartungen an das Produkt bestätigt haben, ob hier erhebliche Abweichungen aufgetreten sind.478 Mit anderen Worten: Während das Institut – grundsätzlich – bei den kundenbezogenen Kriterien von einem Fortbestehen ausgehen kann und allenfalls gelegentlich neu nachzufragen hat, ist beim Produkt die Geeignetheit umfassend neu zu prüfen und dies auch im Hinblick auf die – fortgeschriebene – Einordnung der Charakteristika dieses Kunden.

X. Nachhandelsinformation (§ 63 Abs. 12 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 8)

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Soweit die Wertpapierdienstleistung eine Geschäftsausführung umfasst, namentlich bei (beratungslosem oder beratenem) Kauf und Verkauf für Rechnung des Kunden und Portfolioverwaltung, ist der Kunde hierüber nach Ausführung „in geeigneter Form“ zu unterrichten. Diese generalklauselartig offene Pflicht wird näher spezifiziert durch Art. 59–60 DV 2017/565, bisher §§ 8 f. WpDVerOV.479 Insbesondere gegenüber Privatkunden werden hier detailreiche Angaben eingefordert. Im Falle von Informationszusammenstellungen nach § 7a Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetz gilt eine vergleichbare Freistellung wie schon bei der Standardinformation (vgl. Sätze 3–5 und oben Rn 175; vgl. für alles außerdem die Ausnahme in § 66 WpHG n.F. im Verbraucherkreditbereich, unten Rn 230).

XI. Sanktionen und Ansprüche Lange wurden die Wohlverhaltensregeln ieS (§§ 31 f. WpHG a.F., §§ 63–66 WpHG 223 n.F.) von der hM als Schutzgesetze iSv § 823 Abs. 2 BGB qualifiziert.480 Und auch der BGH hatte die Frage lange Zeit jedenfalls nicht verneint.481 Für eine Qualifikation als Schutzgesetz sprechen auch die Vorgaben des Art. 19 MiFID I und Art. 24 f. MiFID II. Denn der Schutz des individuellen Anlegers bildet eines der beiden zentralen Richtlinienziele (vgl. nur 2., 5. und 44. Erw.grund MiFID I und 70., 86. und 97. Erw.grund MiFID II),

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Nur im Ausnahmefall ein nochmaliges Überprüfen angezeigt: Art. 54 Abs. 12 UA 3 DV 2017/565; dazu auch Roth/Blessing CCZ 2016, 258 (264 f.); Trafkowski in: Teuber/ Schröer (Hrsg.), MiFID II und MiFIR, S. 78 (102 f.). Für die produktbezogene Überprüfungsintensität näher Roth/Blessing CCZ 2016, 258 (264 f.); Trafkowski in: Teuber/Schröer (Hrsg.), MiFID II und MiFIR, S. 78 (110). Vgl. Rn 12 Fn 41; näher zur individuellen Nachhandelsinformation/rechenschaft Brennicke, Commentary on MiFID II Conduct of Business Rules, Art. 26 VII; Fuchs/Fuchs § 31 WpHG Rn 347. OLG Frankfurt (Fn 418), ZIP 2006, 2218, (2019) = BKR 2007, 289; Cahn ZHR 162 (1998) 1 (33); Hopt ZHR 159 (1995) 135 (160) (anders freilich für die spezielle Aus-

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formung in § 32 WpHG a.F.); Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1715); Schwark, Bankrechtstag 1995, 109 (118–125); ders., Kapitalmarktrecht-Kommentar, 3. Aufl. 2004, Vor § 31 WpHG Rn 9; Assmann/ Schneider/Koller, 4. Aufl. 2006, Vor § 31 Rn 17; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn 16.522; Lang Aufklärungspflichten, § 6 Rn 20; Leisch Informationspflichten, S. 44–68 („Doppelnatur“); Sethe Vermögensverwaltung, S. 758–768, 761 f.; aA Schäfer WM 2007, 1872 (1879). BGH Urt. v. 05.10.1999 – XI ZR 296/98, BGHZ 142, 345 (356) = NJW 2000, 359; BGH Urt. 11.11.2003 – XI ZR 21/03, NJW-RR 2004, 484 (484); BGH Urt. v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876 (1878) (mwN).

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gerade auch im Zusammenhang mit den genannten Normen, für die der Anlegerschutz sogar gegenüber dem Funktionsschutz im Vordergrund steht.482 Dann lehnte jedoch der BGH den Schutzgesetzcharakter ab, freilich deswegen, weil er keine Fahrlässigkeitshaftung eines Vertreters oder angestellten Beraters anerkennen wollte, der nicht selbst mit den Kunden in Vertragsbeziehung getreten war (und auch kein besonderes Vertrauen iSv § 311 Abs. 3 BGB auf sich gezogen hatte).483 Mit diesem Urteil wird daher m.E. nicht zwingend der Haftungsanspruch des Kunden an sich verneint, sondern dieser (außerhalb von § 826 BGB)484 ganz auf die Sonderrechtsbeziehung verlagert: 224 Zutreffend wurde im Ausgangspunkt von vielen Autoren befürwortet, dass die Wohlverhaltensregeln ieS in den Kreis der Vertragspflichten eingehen,485 meist wird (zumindest) von vorvertraglichen Pflichten iSv. § 311 Abs. 2 BGB gesprochen486 oder von stillschweigend geschlossenem Beratungsvertrag.487 Unstreitig ist jedenfalls unerheblich (und dies ist

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Art. 11 Abs. 1 S. 4 7. Spiegelstrich der Ausgangsregel (WpDl-RL), der die Erfüllung dieser Pflichten im „bestmöglichen Interesse ihrer Kunden“ vorschrieb, qualifizierte die Pflichten bei der Abwicklung von Wertpapierdienstleistungen sogar im regelnden Text als solche mit Schutzfunktion für den einzelnen Anleger: Grundmann EG-Schuldvertragsrecht 4.20 Rn 27. Dahinter sollten MiFID I und II ersichtlich nicht zurückbleiben. Zentral auf die Anlegerschutzausrichtung hebt auch etwa ab: Hellgardt AG 2012, 154 (164 f.) (wenn auch allgemeiner); Kumpan/ Hellgardt DB 2006, 1714 (1715) (bei „vielen“ Informationspflichten angenommen, aber auch bei Marketing-Regeln); sowie Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (635) (jedenfalls für §§ 64 Abs. 3 und 63 Abs. 10 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4 und 5); und Veil WM 2007, 1821 (1826) (jedenfalls für § 63 Abs. 7 und 64 Abs. 3 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 3 und 4 WpHG). BGH Urt. v. 19.02.2008 – XI ZR 170/07, NJW 2008, 1734; anders Vorinstanz OLG Frankfurt/M. (Fn 418), ZIP 2006, 2218 = BKR 2007, 289; ; seitdem durchgehend die Qualifikation der Normen in §§ 63 ff. WpHG n.F. (bzw. §§ 31 ff. WpHG a.F.) als ausschließlich aufsichtsrechtlicher Natur, etwa BGH Urt. v. 17.9.2013 – XI ZR 332/12, BKR 2013, 32 (Tz. 16 ff.); sowie – in diesem Urteil freilich eine Trendwende angedeutet – BGH Urt. v. 3.6.2014 – XI ZR 147/12, BGHZ 201, 310 = WM 2014, 1382 = BKR 2014, 370 (Tz. 32 ff., auch aufsichtsrechtliche Regeln legen, wenn ihnen flächendeckendes Prinzip zugrunde liegt, die zivilrechtlichen Pflichtenstandards fest); zu einer möglichen Vorlagepflicht an den EuGH vgl. unten Rn 274 und oben 5. Teil Rn 142.

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Zur Haftung aus § 826 BGB, wenn Empfehlung „ins Blaue hinein“, vgl. etwa BGH Urt. v. 8.3.2016 – VI ZR 452/14, BeckRS 2016, 07178; KG Urt. v. 20.12.2004 – 8 U 126/04, KG Berlin 2005, 424; Fuchs/Fuchs Vor §§ 31 WpHG Rn 100; Mülbert/Sajnovits ZfPW 2016, 1 (36 f.); Einsele JZ 2014, 703 (712 f.). Wird der Prospekt als Aufklärungsmittel bei der Beratung verwendet (mittelbarer Bezug zu öffentlichen Kapitalmarktinformationen), so ist seit 01.11.2012 eine Klage nach dem KapMuG auch für Beratungsfehler möglich, vgl. Änderung BGBl. 2012 I, S. 2182; dazu näher Fuchs/Fuchs Vor §§ 37b, 37c Rn 84; Blankenheim WM 2017, 795; Smid/Mohr DZWIR 2013, 343 (346 f.); Möllers/Seidenschwamm NZG 2012, 1401 (1403 ff.); Wolf/ Lange NJW 2012, 3751 (3752). Horn ZBB 1997, 139 (150); Köndgen ZBB 1996, 361 (361); ebenso inzwischen für den Fall, dass fragliche Festlegung ein flächendeckend zu findendes Prinzip verkörpert: BGH Urt. v. 3.6.2014 – XI ZR 147/12, BGHZ 201, 310 = WM 2014, 1382 = BKR 2014, 370 (Tz. 32 ff.). BGH Urt. v. 05.10.1999 – XI ZR 296/98, BGHZ 142, 345 (356) = NJW 2000, 359 (361 f.); BGH Urt. 11.11.2003 – XI ZR 21/03, NJW-RR 2004, 484 (484); Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1715); Vortmann/van Look, Prospekthaftung und Anlageberatung, 2000, § 1 Rn 27 f.; Einsele JZ 2008, 477 (482 f.); heute etwa Langenbucher/Bliesener/Spindler/Spindler, Kap. 33 Rn 62; Krüger NJW 2013, 1845 (1847); Schnauder JZ 2013, 120 (120); grds. zu öffenlichrechtlichen Normen und Vertragsrecht: Dieckmann AcP 213 (2013) 1. BGH Urt. v. 02.02.1982 – IV a ZR 118/81, NJW 1983, 1730 = WM 1983, 263 (264);

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

nach Art. 19 Abs. 4 MiFID I, Art. 25 Abs. 2 MiFID II inzwischen verpflichtend), dass ein Vertrag noch nicht geschlossen ist.488 In der Tat waren die genannten Pflichten (Sorgfalt, Interessenwahrung, Aufklärung und Beratung, Konfliktvermeidung) im deutschen, aber auch ausländischem Recht typischerweise als vertraglich oder als quasivertraglich (einem Sonderrechtsverhältnis entspringend) verstanden worden. Dies spricht dafür, auch die näheren Ausgestaltungen, die jeweils als Ausfluss der generelleren Pflichten gesehen werden, als Vertragsinhalt zu qualifizieren und hiervon nur in den Fällen abzuweichen, in denen die Gehalte ersichtlich nicht konkret auch auf die Anlegerbeziehung bezogen sind. Speziell im Verhältnis zum angestellten Anlageberater oder sonstigen Vertreter führt das dazu, dass er nur nach § 826 BGB bzw. bei Vorliegen der Voraussetzung in § 311 Abs. 3 BGB persönlich haftet (vgl. Ende vorige Rn). In puncto Kausalität wird zugunsten des Anlegers in den Fällen, in denen nur eine sinnvolle Reaktion auf die zutreffende Aufklärung denkbar war, vermutet, dass er aufklärungsgerecht gehandelt hätte und dies nach neuerer Rechtsprechung auch, wenn durchaus mehrere Entscheidungsalternativen bei korrekter Aufklärung denkbar gewesen wären.489 Widersprüche zwischen Prospekt und Beratung muss der Anleger nicht erkennen (jedenfalls keine grob fahrlässige Unkenntnis/Mitverschulden), ebensowe-

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BGH Urt. v. 04.03.1987 – IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117 (118 f.) = NJW 1987, 1815; BGH Urt. v. 05.10.1999 – XI ZR 296/98, BGHZ 142, 345 (356); BGH Urt. v. 08.05.2001 – XI ZR 192/00, BGHZ 147, 343 (348); BGH Urt. v. 28.06.2005 – XI ZR 363/04, BGH WM 2005, 1567 (1570); aus jüngster Zeit BGH Urt. v. 1.7.2014 – XI ZR 247/12, WM 2014, 1621; BGH Urt. v. 28.4.2015 – XI ZR 378/13, WM 2015, 1273. Macht ein Anlageinteressent deutlich, dass er auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, liegt hierin der Antrag auf Abschluss eines Beratungsvertrages; die Annahme des Anlagevermittlers wird in dessen Tätigwerden gesehen. Vereinzelt geblieben ist die zur MIFID I vertretene Auffassung, dass ohne Schriftlichkeit ein solcher ausscheide: Kühne BKR 2005, 275 (279). Art. 19 Abs. 4 MiFID I und Art. 25 Abs. 2, aber auch 24 Abs. 3–5 MiFID II (für Anlageberatung, Finanzportofolioverwaltung, aber auch alle sonstigen Wertpapierdienstleistungen) beziehen inzwischen auch „potenzielle Kunden“ in den Schutzbereich ein; vgl. dazu etwa Kühne BKR 2005, 275 (277); ebenso Langenbucher/Bliesener/Spindler/Spindler, Kap. 33 Rn 62. Für Deutschland ist das selbstverständlich, da und soweit der Abschluss des Beratungsvertrags mit Eintritt in die Verhandlungsphase angenommen wurde: vgl. Nachw. vorige Fn. Zur älteren Rechtsprechung, nach der plausible Gegenszenarien diese Vermutung er-

schütterten: BGH Urt. 13.07.2004 – XI ZR 178/03, NJW 2004, 2967 (2969); teils freilich bereits Vermutung auch angenommen, wenn mehrere Alternativen: BGH Urt. v. 07.05.2002 – XI ZR 197/01, NJW 2002, 2703 (2704); OLG Frankfurt Urt. v. 05.07. 2006 – 21 U 15/06, ZIP 2006, 2218 (2220); KG (Fn 269), ZIP 2006, 1497 (1500). Ausdrücklich für eine Vermutung, die nur durch vollen Gegenbeweis erschüttert werden kann: BGH Urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 262/10, WM 2012, 1337 = NZG 2012, 950; Anm. Bausch/Kohlmann BKR 2012, 410 (mit Überblick über obergerichtliche Rechtsprechung, in der folgende Gegenindizien entwickelt wurden: Aufklärungsfehler nur zu Punkten, die nicht das als vorrangig bezeichnete Anlageziel betrafen; Prozesshistorie mit nachgeschobener Einführung des Vorwurfes einer fehlerhaften Aufklärung; spätere vergleichbare Anlageentscheidungen auch bei hinreichender Aufklärung); Möllers NZG 2012, 1019, Erschütterung durch Vollbeweis nach BGH vor allem auch durch früheres Anlegerverhalten bei vergleichbaren Konstellationen einer Anlageentscheidung oder auch Festhalten an der Entscheidung. Vgl. inzwischen Bestätigung durch BGH Urt. v. 15.7.2014 – XI ZR 418/13, WM 2014, 1382; Urt. v. 10.2.2015 – VI ZR 8/14, NJW 2015, 2246; Urt. v. 10.1.2017 – XI ZR 365/14, BKR 2017, 164. Zur Substantiierungslast: BGH Urt. v. 06.12.2012 – III ZR 66/12, WM 2013, 68 (nicht nötig: „die genauen Formulierungen [während des Anlagegesprächs] dazustellen“).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

nig muss er Fehlern in einem Folgeprospekt nachgehen.490 Verlangt der Anleger neben Erstattung des Kaufpreises entgangene Anlagezinsen, die er bei einem Alternativinvestment erzielt hätte, so ist er hierfür voll beweispflichtig und kann auch nicht eine Mindestverzinsung mit gesetzlichem Zinssatz fordern.491 225 Der Tatbestand des § 826 BGB hat bei Verstoß gegen Wohlverhaltenspflichten vor allem für Dritte, die dem Anleger nicht vertraglich verbunden sind, Bedeutung.492 Das gilt namentlich für ausländische Broker im Zusammenhang mit der (pflichtwidrigen) Vermittlung von Terminkontrakten im Inland: Bei ausländischem Broker geht der BGH von Beihilfe zur sittenwidrigen Schädigung (und zumindest bedingtem Vorsatz) aus, wenn dieser mit einem inländischen Vermittler – auch über einen weiteren Vermittler – zusammenarbeitet, indem er diesem ohne Überprüfung seines Geschäftsmodells unkontrolliert Zugang zu einem ausländischen Terminmarkt verschafft.493 Eine strafrechtliche Sanktion fehlt im WpHG, auch die ordnungswidrigkeitsrechtliche setzt nur bei klar umrissenen Verstößen ein: Nichtaufdeckung eines Interessenkonflikts, Verstoß gegen Transparenzpflichten beim „Beipackzettel“, Abgabe einer Empfehlung trotz Ausbleiben der geforderten Information oder bei Ungeeignetheit und bei beratungsfreien Wertpapierdienstleistungen fehlende Warnung bei Unangemessenheit oder Ausbleiben der geforderten Information (vgl. näher § 120 Abs. 8 Nr. 27–48, 52 f., ex-§ 39 Abs. 2 Nr. 15–17).

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Für das Erste: BGH Urt. v. 22.07.2010 – III ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1623 = NZG 2010, 1026. Für das Zweite: BGH (Fn 5), BGHZ 191, 119 = WM 2011, 2268 = ZIP 2011, 2237 = NJW 2011, 3573 (Lehman Brothers I); BGH (Rn 5), WM 2011, 2261 = ZIP 2011, 2246 (Lehman Brothers II). BGH Urt. v. 24.04.2012 – XI ZR 360/11, NJW 2012, 2266 = NZG 2012, 832; sowie Baur jurisPR-BKR 6/2017 Anm. 1. Zum Mechanismus der (vollen) Erstattung des aufgewandten Geldbetrages (unter Abzug eines möglichen Veräußerungserlöses) wieder: BGH Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 334/11, WM 2013, 24. Aus der jüngeren Rechtsprechung vgl. BGH Urt. v. 9.3.2010 – XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 (Tz. 26 f.); BGH, Urteil v. 17.3.2015 – VI ZR 11/14, WM 2015, 819; Überblick bei Langenbucher/Bliesener/Spindler/Spindler, Kap. 33 Rn 68; Herberger/Martinek/Rüßmann/Reichhold jurisPK-BGB, § 826 BGB Rn 32 ff.; Erman/Wilhelmi, 15. Aufl. 2017, § 826 BGB Rn 41; Staudinger/Oechsler 12 Aufl. 2014, § 826 Rn 383–383d. Zu den besonders wichtigen Auslandsfällen nächste Fn.

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BGH Urt. v. 09.03.2010 – XI ZR 93/09, NZG 2010, 550; BGH Urt. v. 08.06.2010 – XI ZR 349/08, BKR 2010, 473 (auch zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen von Schiedsklauseln in diesen Fällen); BGH Urt. v. 25.01.2011 – XI ZR 195/08, NZG 2011, 1348; Das gilt auch, wenn der Terminkontrakt in Deutschland inhaltlich zulässig ist, wegen überhöhter Gebühren jedoch chancenlos und der ausländische Broker dies weiß oder wenn er den Anreiz (und die Neigung) zur Übervorteilung beim inländischen Vermittler auf Grund früherer Missbrauchsfälle kennt: BGH Urt. v. 13.07.2010 – XI ZR 28/09, NZG 2011, 69. International zuständig sind deutsche Gerichte (auch bei Überweisung des Anlagebetrages an den ausländischen Broker): BGH Urt. v. 09.03. 2010 – XI ZR 93/09, NZG 2010, 550; BGH Urt. v. 13.07.2010 – XI ZR 28/09, NZG 2011, 69; freilich nicht übertragbar auf den Prokuristen, der eine unerlaubte Anlagevermittlung durch seinen Geschäftsführer unterstützt: BGH Urt. v. 15.05.2012 – VI ZR 166/11, NJW 2012, 3177.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

XII. Annex I: Selbstauskunft bei Vertragsvermittlung über Vermögensanlagen 226 (§ 65 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 5a) § 65 Selbstauskunft bei der Vermittlung des Vertragsschlusses über eine Vermögensanlage im Sinne des § 2a des Vermögensanlagengesetzes (1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat vor der Vermittlung des Vertragsschlusses über eine Vermögensanlage im Sinne des § 2a des Vermögensanlagengesetzes von dem Kunden insoweit eine Selbstauskunft über dessen Vermögen oder dessen Einkommen einzuholen, wie dies erforderlich ist, um prüfen zu können, ob der Gesamtbetrag der Vermögensanlagen desselben Emittenten, die von dem Kunden erworben werden, folgende Beträge nicht übersteigt: 1. 10 000 Euro, sofern der jeweilige Anleger nach seiner Selbstauskunft über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben und Finanzinstrumenten von mindestens 100 000 Euro verfügt, oder 2. den zweifachen Betrag des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens des jeweiligen Anlegers, höchstens jedoch 10 000 Euro. Satz 1 gilt nicht, wenn der Gesamtbetrag der Vermögensanlagen desselben Emittenten, die von dem Kunden erworben werden, der keine Kapitalgesellschaft ist, 1 000 Euro nicht überschreitet. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf einen Vertragsschluss über eine Vermögensanlage im Sinne des § 2a des Vermögensanlagengesetzes nur vermitteln, wenn es geprüft hat, dass der Gesamtbetrag der Vermögensanlagen desselben Emittenten, die von dem Kunden erworben werden, der keine Kapitalgesellschaft ist, 1.000 Euro oder die in Satz 1 Nummer 1 und 2 genannten Beträge nicht übersteigt. (2) Soweit die in Absatz 1 genannten Informationen auf Angaben des Kunden beruhen, hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben seines Kunden nicht zu vertreten, es sei denn, die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Kundenangaben ist ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt. Die Vermittlung von Vermögensanlagen nach dem VermAnlG, die § 65 WpHG n.F. re- 227 gelt, begründet als solche noch nicht den Status eines Wertpapierdienstleisters (vgl. oben Rn 72, 73, 76 ff., 87 f.). Daher unterliegen insoweit andere als Wertpapierdienstleiter hierfür allein den Anforderungen des VermAnlG. Für Wertpapierdienstleister formuliert § 65 WpHG n.F. für diese Art Wertpapiernebendienstleistungen jedoch mit Abs. 1 analoge Anforderungen, strikte (und abschließende) Festlegungen, die umgekehrt von einer Angemessenheitsprüfung iSv § 63 Abs. 10 WpHG n.F. entbinden. In drei Fällen dürfen Wertpapierdienstleister Vermögensanlagen iSd VermAnlG vermitteln – zu dem Kreis dieser Vermögensanlagen vgl. ebenfalls oben Rn 73 –, darüber hinaus muss die Vermittlung umgekehrt hingegen strikt unterbleiben (Abs. 1 S. 3). Bei allen drei Ausnahmen bezieht sich die jeweilige Schwelle auf die Anlagen, die bei ein- und demselben Emittenten getätigt werden. Es soll also nur verhindert werden, dass ein Anleger wegen fehlender Solidität eines Emittenten selbst in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten gerät.494 Entscheidend ist, dass der Anleger nach seiner Selbstauskunft – genauer: nach seiner Selbstauskunft, auf die ohne grobe Fahrlässigkeit vertraut werden konnte (Abs. 2, nächste Rn) – bei diesem Emittenten 494

Vergleichbar und näher Fuchs/Fuchs § 31 WpHG Rn 259b.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

folgende Investitionsschwellen nicht überschreiten würde. Er hat entweder (i) insgesamt bis zu höchstens 10.000,– € investiert, verfügt aber über mehr als 100.000,– € Vermögen in Bankguthaben und Finanzinstrumenten (S. 1 Nr. 1), oder (ii) höchstens das Doppelte eines Monatsnettoeinkommens und höchstens 10.000,– € (S. 1 Nr. 2), oder (iii) das Investment beträgt ohnehin nicht mehr als 1.000,– € (S. 2). 228 Die Haftungsbeschränkung nach Abs. 2 entspricht derjenigen, die früher in § 31 Abs. 6 WpHG a.F. allgemein zu finden war und die heute Art. 55 Abs. 3 DV 2017/565 für Wertpapierdienstleistungen statuiert. Es gilt das hierfür Erörterte entsprechend (oben Rn 195 f.).

XIII. Annex II: Ausnahmen (§ 66 WpHG n.F.)

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§ 66 Ausnahme für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge § 63 Absatz 10 und 12 sowie § 64 Absatz 3, 4 und 8 gelten nicht für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, die an die Vorbedingung geknüpft sind, dass dem Verbraucher eine Wertpapierdienstleistung in Bezug auf gedeckte Schuldverschreibungen, die zur Besicherung der Finanzierung des Kredits begeben worden sind und denen dieselben Konditionen wie dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde liegen, erbracht wird, und wenn damit das Darlehen ausgezahlt, refinanziert oder abgelöst werden kann.

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Die Regeln zur individuellen Informationserhebung und -abgabe – zur Eruierung von Kenntnissen und Erfahrung des Kunden sowie zu allen Kriterien der Geeignetheitsprüfung bei Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung (einschließlich der fortgesetzten Geeignetheitsprüfung) – und die Regeln zur Nachhandelsberichterstattung (§ 63 Abs. 10 und 12 bzw. § 64 Abs. 3, 4 und 8 WpHG n.F.) gelten sämtlich nicht für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge. Dies setzt freilich einen bestimmten Typ von Immobiliar-Verbraucherdarlehen voraus, namentlich dass zur Refinanzierung gedeckte Schuldverschreibungen begeben werden (so in der Regel), zusätzlich jedoch diesbezüglich Wertpapierdienstleistungen an den Darlehensnehmer erbracht werden und dies in der Vereinbarung zwingend als Teil der Transaktion festgeschrieben wird. Voraussetzung ist darüberhinaus, dass die Konditionen der gedeckten Schuldverschreibungen diejenigen sind, die dem Darlehensvertrag zugrunde legen. Diese Gestaltungsformen sind teils im EU-Ausland üblich, und sollen durch § 66 WpHG n.F. auch grenzüberschreitend ermöglicht werden.495

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Vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 18/19036, S. 238.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

E. Wohlverhaltensregeln II – Sonstiges Regime (Abschnitt 11: §§ 67–71 WpHG n.F., §§ 31a-31e WpHG a.F.) Übersicht Rn I. § 67, 68 WpHG n.F. (ex-§ 31a, 31b): Kunden, Kundengruppen, geeignete Gegenparteien . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kundengruppen und Absenkung des Schutzstandards . . . . . . . . . . . 3. Wechsel des Status und Information über Rechtsfolgen . . . . . . . . . .

. . 231 . . 232 . . 233 . . 235

II. § 69 WpHG n.F. (ex-§ 31c): Ordnungsmäßige Bearbeitung von Kundenaufträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unverzüglichkeit, Redlichkeit und Abfolge der Auftragsausführung (Abs. 1 Nr. 1 f. und Abs. 2) . . . . . . 3. Zusammenlegung von Auftragsausführung (§ 31 Abs. 1 Nr. 4 und 6 WpHG a.F.) . . . . . . . . . . . . . . 4. Informationsmissbrauch bei Auftragsausführung (§ 31 Abs. 1 Nr. 5 WpHG a.F.) . . . . . . . . . . . . . .

. 236 . 238

. 239

. 241

. 242

III. § 70 WpHG n.F. (ex-§ 31d): Vergütung und Zuwendungen (Inducements) . . . . . 243 1. Gesamtstruktur Vergütungs- und Transparenzregime – Bedeutung . . . . 244

Rn 2. Zuwendungen im Dreipersonenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterscheidungen und Zulässigkeitsvoraussetzungen (Abs. 1 und 7) . . . . . . b) Insbesondere qualitätssteigernde Zuwendungen und Analysekonto (Abs. 1–3) . . . . . . . . . . . . . . c) Insbesondere Rückvergütungen (Kick-backs) und Innenprovisionen . . . . . . . . d) Transparenz und Aufdeckungsvorgaben (Abs. 4 und 6) . . . . . . . e) Verstoßfolgen (Abs. 5 u.a.) . . . . . 3. Annex: Transparenz im Zweipersonenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . .

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248 250 251 252

IV. § 71 WpHG n.F. (ex-§ 31e): Weiterreichung von Aufträgen und Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 V. Anhang: Wohlverhaltensregeln III (organisationsbezogen), Recht der Marktbetreiber sowie weitere Aufsichtsregeln (Abschnitt 11: §§ 72–96 WpHG n.F., ex-§§ 31f-37) – Verweis . . . 255

I. § 67, 68 WpHG n.F. (ex-§ 31a, 31b): Kunden, Kundengruppen, geeignete Gegenparteien

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§ 67 Kunden; Verordnungsermächtigung (1) Kunden im Sinne dieses Gesetzes sind alle natürlichen oder juristischen Personen, für die Wertpapierdienstleistungsunternehmen Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen erbringen oder anbahnen. (2) Professionelle Kunden im Sinne dieses Gesetzes sind Kunden, die über ausreichende Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand verfügen, um ihre Anlageentscheidungen zu treffen und die damit verbundenen Risiken angemessen beurteilen zu können. Professionelle Kunden im Sinne des Satzes 1 sind 1. Unternehmen, die als a) Wertpapierdienstleistungsunternehmen, b) sonstige zugelassene oder beaufsichtigte Finanzinstitute, c) Versicherungsunternehmen, d) Organismen für gemeinsame Anlagen und ihre Verwaltungsgesellschaften, e) Pensionsfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften, f) Börsenhändler und Warenderivatehändler, Stefan Grundmann

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

g) sonstige institutionelle Anleger, deren Haupttätigkeit nicht von den Buchstaben a bis f erfasst wird, im Inland oder Ausland zulassungs- oder aufsichtspflichtig sind, um auf den Finanzmärkten tätig werden zu können; 2. nicht im Sinne der Nummer 1 zulassungs- oder aufsichtspflichtige Unternehmen, die mindestens zwei der drei nachfolgenden Merkmale überschreiten: a) 20 000 000 Euro Bilanzsumme, b) 40 000 000 Euro Umsatzerlöse, c) 2 000 000 Euro Eigenmittel; 3. nationale und regionale Regierungen sowie Stellen der öffentlichen Schuldenverwaltung auf nationaler oder regionaler Ebene; 4. Zentralbanken, internationale und überstaatliche Einrichtungen wie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank, die Europäische Investmentbank und andere vergleichbare internationale Organisationen; 5. andere nicht im Sinne der Nummer 1 zulassungs- oder aufsichtspflichtige institutionelle Anleger, deren Haupttätigkeit in der Investition in Finanzinstrumente besteht, und Einrichtungen, die die Verbriefung von Vermögenswerten und andere Finanzierungsgeschäfte betreiben. Sie werden in Bezug auf alle Finanzinstrumente, Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen als professionelle Kunden angesehen. (3) Privatkunden im Sinne dieses Gesetzes sind Kunden, die keine professionellen Kunden sind. (4) Geeignete Gegenparteien sind Unternehmen im Sinne des Absatzes 2 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a bis e sowie Einrichtungen nach Absatz 2 Nummer 3 und 4. Den geeigneten Gegenparteien stehen gleich 1. Unternehmen im Sinne des Absatzes 2 Nummer 2 mit Sitz im In- oder Ausland, 2. Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die nach dem Recht des Herkunftsmitgliedstaates als geeignete Gegenparteien im Sinne des Artikels 30 Absatz 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/65/EU anzusehen sind, wenn diese zugestimmt haben, für alle oder einzelne Geschäfte als geeignete Gegenpartei behandelt zu werden. (5) Ein professioneller Kunde kann mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Einstufung als Privatkunde vereinbaren. Die Vereinbarung über die Änderung der Einstufung bedarf der Schriftform. Soll die Änderung nicht alle Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen und Finanzinstrumente betreffen, ist dies ausdrücklich festzulegen. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss professionelle Kunden im Sinne des Absatzes 2 Satz 2 Nummer 2 und des Absatzes 6 am Anfang einer Geschäftsbeziehung darauf hinweisen, dass sie als professionelle Kunden eingestuft sind und die Möglichkeit einer Änderung der Einstufung nach Satz 1 besteht. Hat ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Kunden vor dem 1. November 2007 auf der Grundlage eines Bewertungsverfahrens, das auf den Sachverstand, die Erfahrungen und Kenntnisse der Kunden abstellt, im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 eingestuft, hat die Einstufung nach dem 1. November 2007 Bestand. Diese Kunden sind über die Voraussetzungen der Einstufung nach den Absätzen 2 und 5 und die Möglichkeit der Änderung der Einstufung nach Absatz 5 Satz 4 zu informieren. (6) Ein Privatkunde kann auf Antrag oder durch Festlegung des Wertpapierdienstleis-

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

tungsunternehmens als professioneller Kunde eingestuft werden. Der Änderung der Einstufung hat eine Bewertung durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen vorauszugehen, ob der Kunde aufgrund seiner Erfahrungen, Kenntnisse und seines Sachverstandes in der Lage ist, generell oder für eine bestimmte Art von Geschäften eine Anlageentscheidung zu treffen und die damit verbundenen Risiken angemessen zu beurteilen. Eine Änderung der Einstufung kommt nur in Betracht, wenn der Privatkunde mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt: 1. der Kunde hat an dem Markt, an dem die Finanzinstrumente gehandelt werden, für die er als professioneller Kunde eingestuft werden soll, während des letzten Jahres durchschnittlich zehn Geschäfte von erheblichem Umfang im Quartal getätigt; 2. der Kunde verfügt über Bankguthaben und Finanzinstrumente im Wert von mehr als 500 000 Euro; 3. der Kunde hat mindestens für ein Jahr einen Beruf am Kapitalmarkt ausgeübt, der Kenntnisse über die in Betracht kommenden Geschäfte, Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen voraussetzt. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss den Privatkunden schriftlich darauf hinweisen, dass mit der Änderung der Einstufung die Schutzvorschriften dieses Gesetzes für Privatkunden nicht mehr gelten. Der Kunde muss schriftlich bestätigen, dass er diesen Hinweis zur Kenntnis genommen hat. Informiert ein professioneller Kunde im Sinne des Satzes 1 oder des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 2 das Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht über alle Änderungen, die seine Einstufung als professioneller Kunde beeinflussen können, begründet eine darauf beruhende fehlerhafte Einstufung keinen Pflichtverstoß des Wertpapierdienstleistungsunternehmens. (7) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen zu den Vorgaben an eine Einstufung gemäß Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 und zu den Kriterien, dem Verfahren und den organisatorischen Vorkehrungen bei einer Änderung oder Beibehaltung der Einstufung nach den Absätzen 5 und 6. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen.

§ 68 Geschäfte mit geeigneten Gegenparteien; Verordnungsermächtigung (1) Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die das Finanzkommissionsgeschäft, die Anlage- und Abschlussvermittlung und den Eigenhandel sowie damit in direktem Zusammenhang stehende Wertpapiernebendienstleistungen gegenüber geeigneten Gegenparteien erbringen, sind nicht an die Vorgaben des § 63 Absatz 1, 3 bis 7, 9, 10, § 64 Absatz 3, 5 und 7, § 69 Absatz 1, der §§ 70, 82, 83 Absatz 2 und § 87 Absatz 1 und 2 gebunden. Satz 1 ist nicht anwendbar, sofern die geeignete Gegenpartei mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen für alle oder für einzelne Geschäfte vereinbart hat, als professioneller Kunde oder als Privatkunde behandelt zu werden. Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen in ihrer Beziehung mit geeigneten Gegenparteien auf eine Art und Weise kommunizieren, die redlich, eindeutig und nicht irreführend ist und müssen dabei der Form der geeigneten Gegenpartei und deren Geschäftstätigkeit Rechnung tragen. (2) Nähere Bestimmungen zu Absatz 1, insbesondere zur Form und dem Inhalt einer Vereinbarung nach Absatz 1 Satz 2 und zur Art und Weise der Zustimmung nach § 67 Absatz 4 Satz 2 ergeben sich aus Artikel 71 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. Stefan Grundmann

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1. Überblick. Nach § 67 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 31a Abs. 1) ist die jeweilige Vertragspartei des Wertpapierdienstleistungsunternehmens unabhängig von ihrer Rechtsform bei Wertpapierdienst- und -nebendienstleistungen als „Kunde“ iSd WpHG einzustufen. Das zeigt freilich nur, dass von einer Anwendbarkeit des WpHG keine Abstriche gemacht werden sollen. Der Rest der Regelung zeigt umgekehrt: Kunde ist gerade nicht gleich Kunde. Die stärkere Differenzierung im Schutzstandard war ein Hauptanliegen der Reform durch die MiFID I496 und wurde in die MiFID II übernommen. Dies war nötig, um Schutzstandards richtig zu justieren, sie teils auch hoch ansetzen zu können, ohne umgekehrt unnötige Belastungen des Wertpapierhandels zu schaffen.497 Früher schon fanden sich Ansätze in § 37 WpHG a.F: (vor dem FRUG, Vorgängerregel für die Normierung der geeigneten Gegenparteien) und in der Rechtsprechung und Dogmatik zur differenzierten Anwendung je nach Professionalisierungsgrad. Die heutige Regelung, die durch die MiFID I erstmals eingeführt wurde und die MiFID II mit geringefügigen Änderungen fortführte, differenziert nicht nur nach drei Gruppen (nicht immer ganz transparent), sie ist auch gekennzeichnet durch eine hohe Durchlässigkeit zwischen allen drei Kategorien (Wechselmöglichkeiten, Information über den jeweiligen Status und über Rechtsfolgen der jeweiligen Einordnung). Umgekehrt wird man das Gesamtsystem dahin zu verstehen haben, dass außerhalb der hier kodifizierten Möglichkeiten der Schutzstandard nicht auch noch individualvertraglich – unabhängig von den in §§ 67 f. WpHG n.F. (ex-§§ 31 a, 31 b) aufgestellten Voraussetzungen – abgesenkt oder ganz abbedungen werden kann.498 Insofern handelt es sich bei den §§ 67 f. WpHG n.F. (ex-§§ 31 a, 31 b) um eine abschließende Regelung.

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2. Kundengruppen und Absenkung des Schutzstandards. Kunden sind in § 67 Abs. 2–4 WpHG n.F. (ex-§ 31a Abs. 2–4) in drei Gruppen eingeteilt: professionelle Kunden (Abs. 2 bzw. Anh. II MiFID I und II),499 Privatkunden (Abs. 3) und geeignete Gegenparteien (Abs. 4 bzw. Art. 24 MiFID I und Art. 30 MiFID II). Professionelle Kunden sind die wichtigsten Formen der Finanzdienstleister (Wertpapierdienstleister, sonstige Finanzinstitute, Versicherungsunternehmen, Investment- und Pensionsfonds, Börsen- und Derivathändler), institutionelle Anleger, die entweder zulassungs- oder aufsichtspflichtig sind oder deren Haupttätigkeit in der Investition in Finanzinstrumenten besteht, Regierungen und Zentralbanken. Professionelle Kunden sind daneben die sonstigen Unternehmen bei Erfüllung von zwei der drei Größenkriterien (Abs. 2 Nr. 2: 20 bzw. 40 Mio € Bilanzsumme bzw. Umsatzerlöse, 2 Mio. € Eigenmittel). Bei den Regionalregierungen wurde freilich auf Grund der

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Fleischer BKR 2006, 389 (394); Seyfried WM 2006, 1375 (1375–1378); Weichert/ Wenninger WM 2007, 627 (629); Teuber BKR 2006, 429 (434 f.); Balzer ZBB 2007, 333 (337); Spindler/Kasten WM 2006, 1797 (1798 f.). 31. und 41. Erw.grund MiFID I; Seyfried WM 2006, 1375 (1375); Kühne BKR 2005, 275 (277); Balzer ZBB 2007, 333 (337). Nr. 7.3.4 Background Notes zur FM-DRL (Fn 31); Weichert/Wenninger WM 2007, 627 (629); Duve/Keller BB 2006, 2425 (2430); und heute offenbar ebenso Busch Capital Markets Law Journal 2017, 340 (347, 349). Inhaltlich bereits früher weitgehend identisch mit dem sog. qualifizierten Anleger iSd.

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Art. 2 Abs. 1 lit. e), Abs. 2 der ProspektRichtlinie: Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl.EG 2003 L 345/64. Durch Art. 1 Nr. 2 lit. a der Änderungsrichtlinie 2010/73/EU vom 24.11.2010 (ABl.EU 2010 L 327/1) wurde der Begriff des qualifizierten Anlegers schließlich per Verweisung vollständig an den des professionellen Kunden iSd MiFID I, jetzt MiFID II angeglichen. Vgl. näher bereits 6. Teil Rn 93, 106.

Stefan Grundmann

Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

Erfahrungen, die in der Finanzkrise gemacht wurden, Reformbedarf gesehen und die kommunale Ebene erscheint daher nicht mehr unter den Formen von Regierung, die als geborene professionelle Anleger gesehen werden.500 Hinzu tritt die Möglichkeit, professioneller Kunde zu werden (gekorener professioneller Kunde, vgl. unten Rn 235). Wer nach alldem nicht professioneller Kunde ist, ist Privatkunde. Die meisten Formen von professionellen Kunden können (alternativ) auch geeignete Gegenparteien sein (vgl. Abs. 4, Art. 24 MiFID I bzw. Art. 30 MiFID II).501 Wichtig ist die jeweilige Einstufung für die Absenkung der Schutzstandards: Während 234 für Privatkunden Art. 19, 21 und 22 MiFID I, heute Art. 24 f., 27 und 28 MiFID II und ihre Umsetzung in §§ 31, 31c, 31d und 33a WpHG a.F., heute §§ 63 f., 69, 70 und 82 WpHG n.F. vollumfänglich Anwendung finden, entfallen die Schutzstandards der §§ 63 f., 69, 70 und 82 WpHG n.F. bei geeigneten Gegenparteien, also die wichtigsten Wohlverhaltensregeln (außerhalb der Organisationspflichten). Dies gilt freilich mit zwei Ausnahmen im Besonderen: den allgemeinen Interessenkonfliktvermeidungspflichten (§ 63 Abs. 2 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 2); sowie den individuellen Informationspflichten bei Anlageberatung und Portfolioverwaltung über die Geeignetheit des angebotenen Dienstes bzw. Instruments (§ 64 Abs. 4 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 4a). § 68 WpHG n.F. (ex-§ 31b) macht diese Ausnahmen explizit, ebenso Art. 30 MiFID II (Art. 24 MiFID I war weniger klar, sah aber ebenfalls die Schutzstandardabsenkung nur für Geschäfte außerhalb der Beratung und Portfolioverwaltung vor).502 Ist ein Kunde (auch) als professioneller Kunde einzustufen, hat dies demgegenüber zur Folge, dass auch die individuellen Informationspflichten bei Anlageberatung und Portfolioverwaltung de facto ausgesetzt sind (vgl. im einzelnen Kommentierung zu § 63 f. WpHG n.F., explizit ex-§ 31 Abs. 9 WpHG und Rn 195). Die Interessenkonfliktvermeidungspflichten, aber wohl auch die allgemeinen Interessenwahrungsund Sorgfaltspflichten (§ 63 Abs. 1 und 2 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 1) gelten demnach unabhängig von der Einstufung des Kunden – diese betreffen nicht Informationsdefizite beim Kunden, die bei professionellen Kunden als unerheblich eingestuft werden, sondern die Leistungserbringung durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Auch die Standardinformationen nach § 63 Abs. 7 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 3) sind auch bei professionellen Kunden und bei geeigneten Gegenparteien geschuldet, wenn auch unter Berücksichtigung ihrer Professionalität (Art. 31 Abs. 1 FM-DRL, jetzt in Art. 48 Abs. 1 DV 2017/565). 3. Wechsel des Status und Information über Rechtsfolgen. Die Durchlässigkeit zwi- 235 schen den drei Kategorien gewährleistet die Wechselmöglichkeit, die in § 67 Abs. 5–6 WpHG n.F. näher ausgestaltet ist (vergleichbar § 31a Abs. 5–7 WpHG a.F., wobei freilich das vom Wertpapierdienstleister initiierte Wechselverfahren in Abs. 5 aufgegeben wurde).503 Demnach treten zu den geborenen professionellen Kunden („per se professionals“) die gekorenen. Umgekehrt können auch geborene professionelle Kunden für den hö-

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Busch Capital Markets Law Journal 2017, 340 (347). Vgl. zu den verschiedenen Vorschlägen, die in der Reformdebatte gemacht wurden, einerseits (enge Auslegung und Eingrenzungstendenzen): Schwark/Zimmer/ Koch § 31a WpHG Rn 12 f.; auch Bracht WM 2008, 1386; und andererseits Assmann/ Schneider/Koller § 31a WpHG Rn 7. Zu den geeigneten Gegenparteien vgl. auch Nr. 7.3.3 Background Notes zur MiFID I

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(Fn 31). Zur weit gehenden Überlappung der Identifikationsmerkmale vgl. auch Balzer ZBB 2003, 177 (189); Fleischer BKR 2006, 389 (394). Ebenso Seyfried WM 2006, 1375 (1377) (keine Kategorie für Beratung und Vermögensverwaltung); vgl. auch 41. Erw.grund MifID I. Fleischer BKR 2006, 389 (394); näher zu diesem sog. opting-in und opting-out-Ver-

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

heren Schutzstandard optieren (durch schriftliche Abrede mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen). Der Status als gekorener professioneller Kunde504 setzt – neben der entsprechenden Willenserklärung seitens des betroffenen Kunden – voraus, dass dieser bestimmte Eignungskriterien erfüllt (Anh. II MiFID I bzw. II unter II.1). Der Kunde muss zwei von drei Mindestkriterien erfüllen, die im Sinne der Rechtssicherheit scharf umrissen sind; zudem muss sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen jedoch über den hinreichenden Sachverstand des Kunden versichern (ohne dass hierfür das Verfahren vorgegeben würde).505 Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat also den Kunden durch Überprüfung dieser Kriterien auch vor sich selbst zu schützen. Dies wird durch strengen Verweis auf die Prozeduren im neuen Recht sogar noch unterstrichen (vgl. Abs. 6 S. 6 und Streichung der Formel „bei denen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen davon ausgehen kann“ in Abs. 2 a.F.). Wichtig ist, dass ein vergleichbarer Status, der in einem vergleichbar geordneten Verfahren schon bisher erworben wurde, bestehen bleibt (§ 67 Abs. 5 WpHG n.F., ex-§ 31a Abs. 6 WpHG, sog. grandfathering).506 Den jeweiligen Wechsel kann das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zwar informell initiieren (nicht mehr schon gleich vollziehen, wie nach § 31a Abs. 5 WpHG a.F.). Materiell ist jedoch – nach altem wie neuem Rechtszustand – eine Vereinbarung (oder Zustimmung des Kunden) nötig. Flankiert wird dieses flexible System der Wechselmöglichkeiten – und vor allem das zuletzt beschriebene System des opt-in für gekorene professionelle Kunden – durch Informationspflichten, die Transparenz über den Status und seine Folgen gewährleisten sollen: Information schuldet das Wertpapierdienstleistungsunternehmen über die Einordnung (auch die gesetzlich vorgesehene, etwa als professioneller Kunde), die Möglichkeit der Änderung derselben und über die Rechtsfolgen der Einordnung.507 Freilich ist der Kunde selbst dafür verantwortlich, dass er spätere Änderungen in Kriterien, die seinen Status beeinflussen können (vor allem Wegfall der oben angesprochenen Mindestkriterien), auch tatsächlich mitteilt.508 Erst dann muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen reagieren (Abs. 6 S. 6, nach alter Zählung Abs. 7 S. 6).

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fahren: Kasten BKR 2007, 261 (264 f.;) Spindler/Kasten WM 2006, 1797 (1800 f.); Seyfried WM 2006, 1375 (1377 f.); Duve/ Keller BB 2006, 2425 (2428); und nach MiFID II (iErg. gleichbleibende Prozedur) Busch Capital Markets Law Journal 2017, 340 (347–350). Ausführlich Lang/Balzer BP MiFID-Sonderbeilage 2007, 10 (11 f.); Teuber BKR 2006, 429 (434); Balzer ZBB 2003, 177 (187 f.); Spindler/Kasten WM 2006, 1797 (1798); und nach MiFID II (inhaltlich gleich) Busch Capital Markets Law Journal 2017, 340 (348–350).

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Seyfried WM 2006, 1375 (1376 f.); Lang/ Balzer BP MiFID-Sonderbeilage 2007, 10 (11). Anh. II MiFID I und II (unter II.2.); BRDrucks. 833/06 S. 150 f.; Seyfried WM 2006, 1375 (1377); Lang/Balzer BP MiFID-Sonderbeilage 2007, 10 (12); Kasten BKR 2007, 261 (265 f.). Vgl. näher auch Nr. 7.3.4 Background Notes zur FM-DRL (Fn 31); Kasten BKR 2007, 261 (265); Seyfried WM 2006, 1375 (1375); sowie heute Busch Capital Markets Law Journal 2017, 340 (346 f.). Vgl. dazu Seyfried WM 2006, 1375 (1377).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

II. § 69 WpHG n.F. (ex-§ 31c): Ordnungsmäßige Bearbeitung von Kundenaufträgen

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§ 69 Bearbeitung von Kundenaufträgen; Verordnungsermächtigung (1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss geeignete Vorkehrungen treffen, um 1. Kundenaufträge unverzüglich und redlich im Verhältnis zu anderen Kundenaufträgen und den Handelsinteressen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens auszuführen oder an Dritte weiterzuleiten und 2. vergleichbare Kundenaufträge der Reihenfolge ihres Eingangs nach auszuführen oder an Dritte zum Zwecke der Ausführung weiterzuleiten. (2) Können limitierte Kundenaufträge in Bezug auf Aktien, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind oder die an einem Handelsplatz gehandelt werden, aufgrund der Marktbedingungen nicht unverzüglich ausgeführt werden, muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen diese Aufträge unverzüglich so bekannt machen, dass sie anderen Marktteilnehmern leicht zugänglich sind, soweit der Kunde keine andere Weisung erteilt. Die Verpflichtung nach Satz 1 gilt als erfüllt, wenn die Aufträge an einen Handelsplatz weitergeleitet worden sind oder werden, der den Vorgaben des Artikels 70 Absatz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 entspricht. Die Bundesanstalt kann die Pflicht nach Satz 1 in Bezug auf solche Aufträge, die den marktüblichen Geschäftsumfang erheblich überschreiten, aufheben. (3) Nähere Bestimmungen zu den Verpflichtungen nach den Absätzen 1 und 2 ergeben sich aus den Artikeln 67 bis 70 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. (4) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen zu den Voraussetzungen erlassen, unter denen die Bundesanstalt nach Absatz 2 Satz 3 die Pflicht nach Absatz 2 Satz 1 aufheben kann. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen. §§ 69–71 WpHG n.F: (ex-§§ 31c–31e) enthalten Spezifikationen zu den allgemeinen 237 Wohlverhaltensregeln in §§ 63 f. WpHG n.F. (ex-§ 31), zunächst und vor allem für spezifische Konstellationen eines (potenziellen) Interessenkonflikts (§§ 69 und 70 WpHG n.F., ex-§ 31c und 31d). Dabei wurden in § 31c WpHG wiederum Teile der noch älteren speziellen Wohlverhaltensregel aus der Ursprungsfassung (§ 32 WpHG a.F.) übernommen. Hier geht es primär um das Interessenkonfliktpotential, das darin liegt, dass verschiedene Formen der Ausführung gewählt werden können. Die Regel zu den Zuwendungen (Inducements, § 70 WpHG n.F., ex-§ 31d) ist demgegenüber jedenfalls in der Tiefe der Spezifikationen eine Kreation erst aus der Zeit von MiFID I/FRUG – obwohl die Rechtsprechung zu wichtigen Eckpunkten auf der Grundlage der allgemeinen Wohlverhaltensregeln bereits vorher vergleichbar judiziert hatte, wie es dann gesetzlich vorgeschrieben wurde. Auch hat die Rechtsprechung diese Spruchpraxis weiter ausgebaut, und MiFID II hat mit der Einführung eines zweiten Regimes – der unabhängigen Honorarberater (vgl. bereits oben Rn 177, 214–218) – nochmals für eine Neuausrichtung gesorgt. Hier geht es primär um das Interessenkonfliktpotential von Vergütungsregimen und speziell von Zuwendungen, die neben die (offen ausgewiesenen, üblichen) Provisionen treten. 1. Bedeutung. § 69 WpHG n.F. (ex-§ 31c) formt die Wohlverhaltensregeln in § 63 238 Abs. 1 und 2 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2) spezifischer aus, die Sorgfalts-, die Stefan Grundmann

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Interessenwahrungs- und auch die Konfliktminimierungspflicht. Deswegen sind in ihn auch einige Gehalte von § 32 WpHG (Ursprungsfassung) eingegangen, der ebenfalls die Wohlverhaltensregeln des § 31 WpHG a.F. spezifischer ausgeformt hatte. Zwei Teile der damaligen Vorschrift wurden nicht gesondert übernommen, sind inzwischen freilich in anderer Form im sonstigen Regelungs- und Auslegungs-Corpus verankert. Das Verbot, interessenwidrige Empfehlungen abzugeben (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WpHG der Ursprungsfassung), mit dem insbesondere das sog. churning getroffen wird, ist Teil der Regelung in § 63 Abs. 1 WpHG (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1) (vgl. oben Rn 135, Fn 277). Und das Verbot, mit Empfehlungen Kurse zu lenken (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WpHG der Ursprungsfassung) ist inzwischen spezialgesetzlich im Marktmanipulationsverbot der Art. 12 f., 15 MAR (früher § 20a WpHG) verankert, mit dem u.a. auch das sog. scalping erfasst ist (vgl. oben Rn 139 Fn 280 und 6. Teil Rn 346). Churning, Scalping und auch das in § 69 WpHG n.F. (ex-§ 31c) weiterhin speziell geregelte Frontrunning bilden alle drei zugleich auch einen Verstoß gegen die allgemeine Interessenwahrungspflicht, die der Wertpapierdienstleister schuldet.509 In allen Fällen geht es primär um die Ausführung der Kundenorder, und eher nur sekundär um das Beratungsgespräch und die Information hierbei. Daher ist neben § 69 WpHG n.F. nicht nur § 63 Abs. 1, 2 WpHG n.F: (ex-§ 31 Abs. 1), sondern vor allem auch die – organisationsbezogene – Regel des § 82 WpHG n.F. zur sog. „best execution“ (früher § 33a WpHG a.F.) zu sehen (ausf. 7. Teil Rn 91–105).

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2. Unverzüglichkeit, Redlichkeit und Abfolge der Auftragsausführung (Abs. 1 Nr. 1 f. und Abs. 2). Wichtige Manipulationsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Ausführung der Kundenorder werden unterbunden, indem der Wertpapierdienstleister zur sofortigen Ausführung der Kundenorder oder äquivalentem Tun verpflichtet wird (Abs. 1 Nr. 1). Äquivalent ist das Tun, wenn das Zögern nicht schuldhaft ist (vgl. § 121 Abs. 2 BGB), insbesondere jegliche Gefährdung von Kundeninteressen ausgeschlossen ist. Eine äquivalente Gestaltung – jedenfalls bei Konflikten zwischen Kundeninteressen – liegt darin, Aufträge streng nach Priorität (Abs. 1 Nr. 2) auszuführen.510 Davon darf (bzw. muss) allein abgewichen werden, wenn die frühere Order dadurch im Ergebnis nicht beeinträchtigt wird511 oder gar mit den anderen profitiert512 – ein Ergebnis, dem auch die Streichung des letzten Teilsatzes aus § 31c Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. nicht entgegensteht („vorbehaltlich vorherrschender Marktbedingungen und eines anderweitigen Interesses des Kunden.“). Diese Ausnahmen finden sich heute in Art. 67 Abs. 1 lit. b) 2. HS DV 2017/565 vergleichbar. Eine Abwicklung unter Abweichung vom Prioritätsgrundsatz, die dem Kundeninteresse

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Vgl. genauer oben Rn 135 bzw. 139; ebenso im Grundsatz: BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 57 ff.; Kümpel/Veil Wertpapierhandelsgesetz S. 196; KölnKomm WpHG/Möllers § 31 Rn 1362; Kümpel/Wittig/Seyfried Rn 3.187. Täter beim Scalping sind freilich durchaus auch substantiell andere als Wertpapierdienstleister. Vgl. Kümpel/Veil Wertpapierhandelsgesetz, S. 184; Assmann/Schneider/Koller § 31c WpHG Rn 3 f.; Schwark/Zimmer/Koch § 31c WpHG Rn 9 ff.; KölnKomm WpHG/Möllers § 31 Rn 139–142; früher auch B.3.2 BaFinRichtlinie zu §§ 31 f. WpHG (oben Fn 288);

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sowie nach MiFID II Brenncke Commentary on MiFID II, Art. 27 Rn 3 und 12. Den Prioritätsgrundsatz durch einen Gleichbehandlungsgrundsatz abschwächend Assmann/Schneider/Koller § 31c WpHG Rn 4; KölnKomm WpHG/Möllers § 31 Rn 143–149. Insbes. durch Nutzung besserer Konditionen bei Bündelung der Aufträge zu einem Großauftrag: Assmann/Schneider/Koller § 31c Rn 7 f.; KölnKomm WpHG/Möllers § 31 Rn 146–148 ff.; bisher B.3.5 BaFin-Richtlinie zu §§ 31 f. WpHG (oben Fn 288).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

entspricht, wäre mit allgemeinen Grundsätzen wohl ohnehin als zulässig einzustufen. In diesem Falle ist die Ausführung auch als redlich nach Nr. 1 (im englischen Richtlinienwortlaut: ‚fair‘), also frei von Interessenkonflikten, einzustufen. Der Prioritätsgrundsatz löst auch die Konflikte mit Eigeninteressen. So verbietet er ein Frontrunning, dh. die Ausführung von Eigengeschäften vor einer eingegangenen gewichtigen Kursorder mit dem Ziel, an der zu erwartenden Kurssteigerung zu partizipieren (vgl. spezieller bisher § 31c Abs. 1 Nr. 5 WpHG, unten Rn 242). Die Kundenorder, die früher eingegangen ist, muss jedoch auch unabhängig von Missbrauchsabsicht vor Eigengeschäften ausgeführt werden (bloße Manipulationsgefahr!). Kundenorder und Eigengeschäfte sind also entweder von getrennten Abteilungen abzuwickeln oder die Entschlussfassung über Eigengeschäfte ist nachvollziehbar zu formalisieren. Können Kundenaufträge auf Grund ihrer Limitierung nicht an organisierten Märkten 240 oder an einem Handelsplatz ausgeführt werden, muss ihre Ausführung noch dadurch betrieben werden, dass sie anderen Betreibern von Handelsplätzen, insbesondere Betreibern alternativer Handelsplattformen (multilateraler Handelssysteme und systematischen Internalisierern) bekannt gemacht werden (Abs. 2). 3. Zusammenlegung von Auftragsausführung (§ 31c Abs. 1 Nr. 4 und 6 WpHG a.F.). 241 Zwar wurden § 31c Abs. 1 Nr. 3–6 WpHG a.F. gestrichen (Nr. 3 ohnehin nur mit der Selbstverständlichkeit, dass Gelder und Instrumente korrekt zu verbuchen sind), der Gehalt bleibt freilich m.E. unter Rekurs auf allgemeine Grundsätze bestehen (ebenfalls „selbstverständlich“). Zugleich finden sich entsprechende Regelungen jetzt in Art. 67–70 DV 2017/565. Bei Zusammenlegung von Kundenordern bei der Ausführung entstehen Gefährdungen, vor allem kann es geschehen, dass ein Auftrag nicht im gewünschten Umfang ausgeführt werden kann.513 Daher sind die Zusammenlegung und die dadurch hervorgerufenen Gefährdungen dem Kunden aufzudecken. Bei Gefährdung durch Interessenkonflikte ergäbe sich dies bereits aus § 63 Abs. 2 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 2). Zusätzlich greift die Interessenwahrungspflicht (schon § 63 Abs. 1 WpHG n.F., ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1); sie gebietet, Kundeninteressen Eigeninteressen vorzuziehen und bei divergierenden Kundeninteressen keines hintan zu stellen.514 Beides führt dazu, dass eine Zusammenlegung (auch die aufgedeckte) ausscheidet, wenn dadurch ein Kundeninteresse – in der Zusammensicht der Vor- und Nachteile – schlechter bedient wird als ohne Zusammenlegung.515 4. Informationsmissbrauch bei Auftragsausführung (§ 31 Abs. 1 Nr. 5 WpHG a.F.). 242 Mit der Regel zum Informationsmissbrauch sollte der damalige § 32 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 WpHG in der Ursprungsfassung etwas allgemeiner gefasst werden, im Wesentlichen sollten jedoch dessen Gehalte übernommen werden.516 Sie ergeben sich heute jedoch auch aus allgemeinen Grundsätzen. Insbesondere ist eine missbräuchliche Informationsverwendung nicht nur bei Eigengeschäften (so die Ursprungsfassung) möglich, sondern beispielsweise auch beim Handeln zugunsten von Kunden. Dennoch liegt der Schwerpunkt auch weiterhin bei den Eigengeschäften. Auch und gerade bei ihnen ermöglicht das Wissen um die Auftragslage strategisches Verhalten. Erfasst ist freilich erst der anstößige Fall: Die

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Harrer ÖBA 2007, 98 (109). Harrer ÖBA 2007, 98 (109); Assmann/ Schneider/Koller § 31c WpHG Rn 2; KölnKomm WpHG/Möllers § 31 Rn 146 ff, § 31c Rn 27 ff.

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KölnKomm WpHG/Möllers § 31 Rn 148; Assmann/Schneider/Koller § 31c WpHG Rn 7 f. BR-Drucks. 833/06 S. 157 (Regierungsbegründung).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

(bewusste) Ausnutzung dieses Wissens („Missbrauch“) muss nachgewiesen sein.517 Verletzt wird hier zugleich der Prioritätsgrundsatz, indem nach Ordererteilung, jedoch vor und mit ihrer Ausführung, ihr Kurssteigerungspotential nutzend, eine eigene Order (Eigenhandel) ausgeführt wird (Vor- oder Mitlaufen). Bekannter und für den Wertpapierdienstleister sicherer ist die erstgenannte Form, das Frontrunning.518 Auch das Vorweg- oder Mitlaufen ohne Ausnutzung des Wissens um die Orderlage ist freilich bereits vom Prioritätsgrundsatz erfasst, der die Grundregel bildet (ohne Ausnahme, außer im Kundeninteresse) – so dass der Gehalt des § 31 Abs. 1 Nr. 5 WpHG a.F. erhalten bleibt. Das Ver- bzw. Gebot entfällt nur, wenn es am Kundennachteil fehlt.519

III. § 70 WpHG n.F. (ex-§ 31d): Vergütung und Zuwendungen (Inducements)

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§ 70 Zuwendungen und Gebühren; Verordnungsermächtigung (1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen keine Zuwendungen von Dritten annehmen oder an Dritte gewähren, die nicht Kunden dieser Dienstleistung sind oder nicht im Auftrag des Kunden tätig werden, es sei denn, 1. die Zuwendung ist darauf ausgelegt, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern und steht der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im bestmöglichen Interesse des Kunden im Sinne des § 63 Absatz 1 nicht entgegen und 2. Existenz, Art und Umfang der Zuwendung oder, soweit sich der Umfang noch nicht bestimmen lässt, die Art und Weise seiner Berechnung, wird dem Kunden vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise unmissverständlich offen gelegt. Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen nachweisen können, dass jegliche von ihnen erhaltenen oder gewährten Zuwendungen dazu bestimmt sind, die Qualität der jeweiligen Dienstleistung für den Kunden zu verbessern. Konnte ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Umfang der Zuwendungen noch nicht bestimmen und hat es dem Kunden statt dessen die Art und Weise der Berechnung offengelegt, so muss es den Kunden nachträglich auch über den genauen Betrag der Zuwendungen, die es erhalten oder gewährt hat, unterrichten. Solange das Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zusam-

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Brandt Aufklärungspflichten S. 224; Assmann/Schneider/Koller § 31c WpHG Rn 9. Dazu Schwark Bankrechtstag 1995, 109 (117); Assmann/Schneider/Koller § 31c WpHG Rn 9; BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 61 ff.; KölnKomm WpHG/Möllers § 32 Rn 33 f. (letztere drei auch zum sog. Gegenlaufen als einer weiteren von § 32 Abs. 1 Nr. 3 WpHG Ursprungsfassung erfassten Form der Informationsausnutzung); vgl. auch für MiFID II Papaconstantinou ERCL 2016, 356 (356–360); Busch Capital Markets Law Journal 2017, 340 (367 f.);

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Silverentand/Sprecher/Simons in Busch/ Ferrarini (Hrsg.), MiFID II and MiFIR, S. 205; früher auch B.4.2 BaFin-Richtlinie zu §§ 31 f. WpHG (oben Fn 288). Im Rahmen von § 63 Abs. 1 und 2 WpHG n.F. (ex-§ 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2) reicht freilich – auf Grund des Gewichts des Eingriffs in Informationspositionen, die der Wertpapierdienstleister nur „treuhänderisch“ hält – bloße Nachteilsgefahr: Ahrendts ÖBA 1996, 775 (778); Assmann/Schneider/Koller § 31c WpHG Rn 9; BankR-Hdb/Faust § 109 Rn 61; KölnKomm WpHG/Möllers § 32 Rn 38.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

menhang mit den für die betreffenden Kunden erbrachten Wertpapierdienstleistungen fortlaufend Zuwendungen erhält, muss es seinen Kunden mindestens einmal jährlich individuell über die tatsächliche Höhe der angenommenen oder gewährten Zuwendungen unterrichten. (2) Zuwendungen im Sinne dieser Vorschrift sind Provisionen, Gebühren oder sonstige Geldleistungen sowie alle nichtmonetären Vorteile. Die Bereitstellung von Analysen durch Dritte an das Wertpapierdienstleistungsunternehmen stellt keine Zuwendung dar, wenn sie die Gegenleistung ist für 1. eine direkte Zahlung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens aus seinen eigenen Mitteln oder 2. Zahlungen von einem durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen kontrollierten separaten Analysekonto, wenn a) auf diesem vom Kunden entrichtete spezielle Analysegebühren verbucht werden, b) das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein Analysebudget als Bestandteil der Einrichtung eines Analysekontos festlegt und dieses einer regelmäßigen Bewertung unterzieht, c) das Wertpapierdienstleistungsunternehmen für das Analysekonto haftbar ist und d) das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Analysen regelmäßig anhand belastbarer Qualitätskriterien und dahingehend bewertet, ob sie zu besseren Anlageentscheidungen beitragen können. Hat ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein Analysekonto eingerichtet, muss es den jeweiligen Kunden vor der Erbringung einer Wertpapierdienstleistung Informationen über die für Analysen veranschlagten Mittel und die Höhe der geschätzten Gebühren sowie jährlich Informationen über die Gesamtkosten, die auf jeden Kunden für die Analysen Dritter entfallen, übermitteln. Für die Bewertung nach Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen über alle erforderlichen Bestandteile schriftliche Grundsätze aufstellen und diese ihren Kunden übermitteln. (3) Führt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein Analysekonto, ist es verpflichtet, auf Verlangen des Kunden oder der Bundesanstalt eine Zusammenstellung vorzulegen, die Folgendes beinhaltet: 1. die von einem Analysekonto im Sinne des Absatzes 2 Satz 2 Nummer 2 vergüteten Anbieter, 2. den an die Anbieter von Analysen in einem bestimmten Zeitraum gezahlten Gesamtbetrag, 3. die von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen erhaltenen Vorteile und Dienstleistungen und 4. eine Gegenüberstellung des von dem Analysekonto gezahlten Gesamtbetrages mit dem von dem Unternehmen für diesen Zeitraum veranschlagten Analysebudget, wobei jede Rückerstattung oder jeder Überbetrag, falls Mittel auf dem Konto verbleiben, auszuweisen ist. (4) Die Offenlegung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 4 kann im Falle geringfügiger nichtmonetärer Vorteile in Form einer gegnerischen Beschreibung erfolgen. Andere nichtmonetäre Vorteile, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zusammenhang mit der für einen Kunden erbrachten Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung annimmt oder gewährt, sind der Höhe nach anzugeben und separat offenzulegen. Nähere Einzelheiten zu den Anforderungen nach diesem Absatz sowie nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 und 4 ergeben sich aus Artikel 50 der Delegierten Stefan Grundmann

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Verordnung (EU) 2017/565; darüber hinaus haben Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Vorgaben des § 63 Absatz 7 Satz 3 Nummer 2 Rechnung zu tragen. (5) Ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen dazu verpflichtet, Zuwendungen, die es im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen erhält, an den Kunden auszukehren, muss es ihn über die diesbezüglichen Verfahren informieren. (6) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss für jede Wertpapierdienstleistung, durch die Aufträge von Kunden ausgeführt werden, separate Gebühren ausweisen, die nur den Kosten für die Ausführung des Geschäfts entsprechen. Die Gewährung jedes anderen Vorteils oder die Erbringung jeder anderen Dienstleistung durch dasselbe Wertpapierdienstleistungsunternehmen für ein anderes Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das seinen Sitz in der der Europäischen Union hat, wird mit einer separaten erkennbaren Gebühr ausgewiesen. Die Gewährung eines anderen Vorteils oder die Erbringung einer anderen Dienstleistung nach Satz 2 und die dafür verlangten Gebühren dürfen nicht beeinflusst sein oder abhängig gemacht werden von der Höhe der Zahlungen für Wertpapierdienstleistungen, durch die Aufträge von Kunden ausgeführt werden. (7) Gebühren und Entgelte, die die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen erst ermöglichen oder dafür notwendig sind, und die ihrer Art nach nicht geeignet sind, die Erfüllung der Pflicht nach § 63 Absatz 1 zu gefährden, sind von dem Verbot nach Absatz 1 ausgenommen. (8) Nähere Bestimmungen betreffend der Annahme von Zuwendungen nach Absatz 1 ergeben sich aus Artikel 40 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. (9) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen zu 1. Kriterien für die Art und Bestimmung einer Verbesserung der Qualität im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2. Art und Inhalt des Nachweises nach Absatz 1 Satz 2, 3. Art, Inhalt und Verfahren zur Erhebung einer Analysegebühr sowie der Festlegung, Verwaltung und Verwendung des Analysebudgets nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe a und b, 4. Art, Inhalt und Verfahren betreffend die Verwaltung und Verwendung des von Wertpapierdienstleistungsunternehmen geführten Analysekontos nach Absatz 2 Nummer 2, 5. Art und Inhalt der schriftlichen Grundsätze nach Absatz 2 Satz 4. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen.

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1. Gesamtstruktur Vergütungs- und Transparenzregime – Bedeutung. Wenige Fragenbereiche im Wertpapierhandelsrecht sind ähnlich prominent, praktisch wichtig und umstritten wie Zuwendungen an Wertpapierdienstleister/Anlageberater seitens Dritter – der Gegenstand von § 70 WpHG n.F. (ex-§ 31d). Prominent ist er schon deshalb, weil die beiden hier wohl wichtigsten Mitgliedstaaten deutlich unterschiedliche Vorschläge für einen Ausbau des Regimes vorlegten und entsprechend strengeres Recht schufen („goldplating“), aber auch das MiFID II-Regime beeinflussten. Das Vereinigte Königreich förderte die zweite Spur, den unabhängigen Honorarberater, dessen Dienste allein vom Kunden bezahlt werden und der grds. keinerlei Zuwendungen von Dritten nehmen darf (vgl. dazu oben Rn 216, 218) – eine Lösung, die teils in der Struktur angegriffen wird, weil Kunden sich diese Lösung nicht flächendeckend leisten könnten, die aber als zweite Spur in der MiFID II durchaus gefördert wurde (vgl. dort Art. 24 Abs. 7 und Umsetzung namentlich in § 64

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Abs. 5 und 6 WpHG n.F.). In Deutschland ging man umgekehrt den Weg, die Zuwendungen seitens Dritter auch bei der klassischen Anlageberatung, der sog. Provisionsberatung, inhaltlich immer strenger zu prüfen und zu beschränken und dadurch zur wohl wichtigsten Klagegrundlage geschädigter Anleger im Beratungsverhältnis auszubauen. Auch diese Spur findet sich in MiFID II durchaus gefördert (vgl. dort Art. 24 Abs. 9 und Umsetzung namentlich in § 70 WpHG n.F.). Dabei bleibt das EU-Regime bemerkenswert schlank. MiFID I enthielt in Art. 18 ohnehin nur eine Generalklausel zur Zurückdrängung von Interessenkonflikten. Immerhin erging auf dieser Grundlage die spezielle Regel des Art. 26 MiFID I-DRL, die wiederum § 31d WpHG a.F. umsetzen sollte (heute § 70 WpHG n.F.), die Grundlage des – ungleich stärker systematisierenden – deutschen Regimes.520 In MiFID II wurde nicht nur für die Zuwendungsfragen der Dreiklang unabhängige Honorarberatung, Finanzportfolioverwaltung, sonstige Wertpapierdienstleistungen (einschließlich der herkommlichen Provisionsanlageberatung) geklärt (dort Art. 24 Abs. 7, 8 und 9, vgl. oben Rn 216, 218). In MiFID II wurde zudem für die dritte Form klar die Grundstruktur in Zulässigkeitsfragen herausgearbeitet mit den Eckpfeilern: stringente Aufklärung, Zulassung bei Qualitätssteigerung zugunsten des Kunden und Zulassung bei Gebühren, ohne welche die Wertpapierdienstleistung sonst nicht erhältlich wäre (näher dann unten Rn 246 f.). Diese Eckpfeiler gelten durchaus auch im – ungleich komplizierteren – § 70 WpHG (ex-§ 31d), werden dort jedoch erheblich detailreicher ausgestaltet, während umgekehrt auch der maßgebliche Art. 53 DV 2017/565 zwar Art. 24 Abs. 7 MiFID II (zur unabhängigen Honoraranlageberatung) näher ausgestaltet, nicht jedoch Abs. 8 und 9 (zur Finanzportfolioverwaltung und zum allgemeinen Rückvergütungsregime). Letztlich ist für Deutschland freilich noch charakterstischer, dass diese Struktur hier – anders als in den sonstigen Mitgliedstaaten – zu einer wahren Flut an höchtrichterlicher Rechtsprechung führte, mit über 30 Kick-back-Urteilen des BGH.521 Heute werden die drei erfolgsversprechenden Klagegründe für Anleger im Beratungsverhältnis darin gesehen, entweder (i) – im Zweipersonenverhältnis – nachzuweisen, dass über einen schon bei Vertragsschluss negativen Marktwert des angebotenen Produkts nicht aufgeklärt wurde (unten Rn 252), oder (ii) darzulegen, dass der Wertpapierdienstleister beim Kommissionsgeschäft nicht aufgedeckt hat, dass er Kommissionszahlungen von beiden Seiten nahm,522 und (iii) in der Kickback-Rechtsprechung.523 Letztere steht dabei rein zahlenmäßig und von den Erfolgschancen her eindeutig im Vordergrund (auch wegen des [streitfördernden] Reichtums an Binnendifferenzierungen, der erst jüngst eingeschränkt wurde, vgl. unten Rn 245, 248 f.). Es wird heute geradezu von einem Kick-back-Joker in Kapitalanlageprozessen gesprochen,

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Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1718 f.); Duve/Keller BB 2006, 2477 (2483); Mülbert WM 2007, 1149 (1161). Ausführlich zu Inducements: Assmann ÖBA 2007, 40 (49–55); ders. ZBB 2008, 21; Brocker BKR 2007, 365; Rozok BKR 2007, 217; ders. CCZ 2008, 92; Mülbert ZHR 172 (2008), 170; Schumacher WM 2011, 678; Pellens/ Grunewald WM 2012, 778; und bereits zu MiFID II Balzer/Lang BKR 2014, 377; Jordans BKR 2015, 206; Weck BKR 2014, 374; Zoller GWR 2016, 495 (497–499); zur Konkretisierung der Europäischen Vorgabe noch immer hilfreich CESR, Inducements: Report

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on good and poor practices of 19 April 2010, CESR/10–295. Balzer/Lang BKR 2014, 377 (377); breite Überlicke bei Jordans BKR 2011, 456 und BKR 2015, 309; Auflistung einer Großzahl von ihnen unten in Fn 540 f. BGH Urt. 24.09.2013 – XI ZR 204/12, WM 2013, 2065 (Einkaufskommissionär erhielt zugleich Vertriebsprovision, d.h. Verkaufskommissionszahlung – Aufklärung geschuldet). Zu diesen drei Klagelinien als den heute allein erfolgsversprechenden: Jordans BKR 2015, 309 (313 f.).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

wenn im Sachverhalt ein Beratungselement erkennbar ist.524 Aus diesem Grund bildet § 70 WpHG n.F. (ex-§ 31d) die Kernregel zur Frage nach der Zulässigkeit von Vergütungsregelungen bei Wertpapierdienstleistungen.525 Sie betrifft freilich allein das Dreipersonenverhältnis (unten 2.), doch wäre das Bild unvollständig ohne einen Blick auch auf das Zweipersonenverhältnis (unten 3). 2. Zuwendungen im Dreipersonenverhältnis

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a) Unterscheidungen und Zulässigkeitsvoraussetzungen (Abs. 1 und 7). Die maßgeblichen Unterscheidungen ergeben sich aus § 70 WpHG n.F. sowie § 64 Abs. 5 und 7 WpHG n.F., die höchstrichterliche Rechtsprechung hat eine hinzugefügt, die sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut und sicherlich noch weniger aus der Richtlinienvorgabe ergibt und die seit 2014 auch deutlich an Bedeutung verloren hat. Zuwendungen (englisch: inducements) können monetär (in Geld oder einem Äquivalent) oder nichtmonetär (idR durchaus geldwert, aber nicht in Geld ausgedrückt) sein (Abs. 2 S. 1). Sie können außerdem geringfügig sein (§ 64 Abs. 7 WpHG n.F.) oder nicht (zu beiden Unterscheidungen bereits näher oben Rn 219).Schließlich können Zuwendungen zwingend in dem Sinne sein, dass ohne ihre Zahlung die Leistung nach gängigen und auch dem Kunden bekannten allgemeinen Marktusancen nicht erhältlich ist, oder aber nicht zwingend in diesem Sinne (vgl. Abs. 7 und nächste Rn). § 70 WpHG n.F. (ex-§ 31d) betrifft nur die Zuwendungen seitens Dritter (oder an Dritte), für die der BGH – über den Gesetzeswortlaut hinaus – auch noch unterschieden hat zwischen sog. Rückvergütungen im eigentlichen Sinne („Kick-backs“) und Vertriebsprovisionen (sog. Innenprovisionen).526 Mit den Rückvergütungen erhält der Wertpapierdienstleister, etwa der Portfolioverwalter, einen Teil der Gebühren, die ein Dritter einnimmt, für den Kunden unerkennbar („hinter seinem Rücken“) wieder rückvergütet (oder retrozediert). Für diesen Wertpapierdienstleister werden solche Transaktionen mit Rückvergütung besonders attraktiv, so dass er einen Anreiz hat, diese bei der Beratung zu bevorzugen, und darüber hinaus gar einen Anreiz zu vielfachen Positionswechseln („churning“, mit entsprechenden Gebührenfolgen). Innenprovisionen sind demgegenüber offen ausgewiesen, fließen jedoch als Zuwendungen Dritter ebenfalls an den Wertpapierdienstleister. Alle diese Unterscheidungen wirken (oder wirkten sich zeitweise) aus in den Fragen, (i) ob diese Zuwendung aufzudecken ist, (ii) ob der Wertpapierdienstleister sie vereinnahmen darf und (iii) bei welcher Art Wertpapierdienstleistung diese Rechtsfolgen gezeitigt werden (durchaus differenziert nach Wertpapierdienstleistungen). 246 In Fragen der Zulässigkeit ist in der Grundstruktur zwischen zwei Arten von Drittzuwendungen zu unterscheiden, obwohl diese Unterscheidung selten als Ausgangspunkt be524 525

Etwa Zoller GWR 2016, 495 (497); und Titel Zoller BB 2013, 520. Zwar sind damit nicht alle Vermittlungen von Vermögensanlagen erfasst. Zum einen hat sich jedoch der Bereich der in der Tat unter das WpHG-Regime fallenden Anlageformen erweitert (vgl. oben Rn 72 f., 112). Zum anderen besteht auch jenseits des WpHG (also bei Anlageberatung durch andere als Wertpapierdienstleister) ein Parallelregime. Vgl. § 34f Abs. 1 S. 1, § 34g GewO iVm § 17 der Verordnung über die Finanzanlagevermittlung; diese Norm bildet auch einen Teil der „Gesamtanalogie“, die der BGH vor-

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nimmt, um ein auch zivilrechtlich wirkendes Transparenzgebot für alle Drittzuwendungen herzuleiten: BGH Urt. v. 03.06.2014 – XI ZR 147/12, BGHZ 201, 310 (Tz. 32 ff.) = WM 2014, 1382 = BKR 2014, 370. Dazu näher unten Rn 248 f. Zu dieser Unterscheidung zusammenfassend Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1718); Duve/Keller BB 2006, 2477 (2483); Oppenheim BKR 2014, 454 (454 f.); KölnKommWpHG/Möllers/Wenninger § 31d Rn 21; näher noch unten Rn 248 f. (mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

tont wird. Zunächst sind diejenigen Drittzuwendungen von den anderen zu trennen, die zwingend im genannten Sinne sind. Diese sind von Aufklärungs- und Herausgabepfichten dispensiert durch Abs. 7 (ex-§ 31d Abs. 5), der Gebühren und Entgelte gänzlich freistellt, welche die Erbringung der Wertpapierdienstleistung erst ermöglichen oder notwendig für die Erbringung sind.527 Hierher zählen vor allem Depotgebühren, Benutzungskosten für Handelsplätze bzw. behördliche Gebühren. Diese zählen zu den üblichen Provisionen, die der Kunde erwartet und ohne die nach Marktusancen keine Wertpapiertransaktion erfolgt. Erst jenseits dieser „Ausnahme“ – bei den nicht zwingenden Zuwendungen – kommt das für das Recht der inducements charakterstische Transparenz- und Aufklärungsregime (hilfsweise auch Herausgaberegime) zur Anwendung, mit welchem dem oben genannten Interessenkonflikt begegnet werden soll.528 Die Zulässigkeitsvoraussetzungen umreißt für diesen Bereich Abs. 1 (sowie Art. 24 MiFID II in Abs. 9, aber auch Abs. 7 und 8). Die beiden Eckpfeiler sind Aufklärung über die Drittzuwendung in „unmissverständlicher“ Form und Nutzen der Drittzuwendung für den Kunden. Die Aufklärung ist „unmissverständlich“ m.E. nur – in Übereinstimmung mit allgemeinen Grundsätzen (vgl. oben Rn 154 f. und unten Rn 252) und der konfliktminimierende Zielrichtung des Regimes –, wenn sie den Mechanismus, also insbesondere den Grund für das Gefährdungspotenzial und dessen Ausmaß, deutlich macht. Und der Nutzen für den Kunden wird dahingehend konkretisiert, dass die Drittzuwendung die Qualität der Wertpapierdienstleistung verbessern muss. Die Vermutung dahingehend, dass dies iZw der Fall sei, wurde mit dem AnsFuG (Fn 45) gestrichen, so dass heute Vollbeweis notwendig ist (ausdrücklich Abs. 1 S. 2),529 um den Rechtsfolgen (unten Rn 251) zu entgehen, die vor allem für Kick-backs entwickelt wurden, heute aber allgemein für Drittzuwendungen gelten, die nicht die genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllen. Beide Voraussetzungen sind im Folgenden noch näher zu beleuchten. Die Zulässigkeitsfolge tritt bei Vorliegen dieser Voraussetzungen allgemein – d.h. ohne weitere Voraussetzungen – jedoch nur ein, wenn es sich um eine andere Wertpapierdienstleistung als die unabhängige Honoraranlageberatung oder die Finanzportfolioverwaltung handelt. Bei Letzteren kommt demgegenüber eine dritte Voraussetzung hinzu, denn MiFID II gestattet Drittzuwendungen hier, auch wenn sie aufgedeckt und qualitätsfördernd sind, nur, wenn die Zuwendungen so geringfügig sind, dass keinerlei Interessenkonflikt zu erwarten ist (Art. 24 Abs. 7 und 8), dass sie geradezu „vernachlässigbar“ ist. § 64 Abs. 7 und Abs. 5 Nr. 2 WpHG n.F. sehen gleiches für die Finanzportfolioverwaltung vor, für die unahängige Honoraranlageberatung hingegen sogar noch nicht einmal diese Minimalausnahme. 527

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Dazu Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Spindler Kap. 33 Rn 161; Fuchs/Fuchs § 31d WphG Rn 12 ff.; Brocker BKR 2007, 365 (367 f.). Dazu, dass diese Gebühren freilich keineswegs für alle Arten von Wertpapierdienstleistungen als „zwingend“ anzusehen sind, namentlich nicht bei der unabhängigen Honoraranlageberatung und Finanzportfolioverwaltung, und zu den Gründen hierfür vgl. oben Rn 216, 219. Hierzu (vor allem auch im Hinblick auf eine Aufdeckungs- und Auskehrungspflicht bei den Rückvergütungen): Habersack WM 2010, 1245 (1248); Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1718); Nobbe WuB I G 1. – 5.10 (geradezu schmiergeldähnliche Funktion

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von verdeckten Rückvergütungen); Assmann ÖBA 2007, 40 (49); Mülbert WM 2007, 1149 (1157 und 1161); Fleischer BKR 2006, 389 (395); Rozok BKR 2007, 217 (217 f.). Vgl. freilich weiterhin 39. Erw.grund MiFID I, der für die Formung der „vollen Überzeugung“ noch herangezogen werden kann; vgl. zu den Gründen für die genannte Normentwicklung KölnKomm WpHG/Möllers/Wenninger § 31d Rn 11. Die Vermutung bezog sich auf die Annahme von Zuwendungen im Zusammenhang mit Anlageberatung oder Abgabe allgemeiner Empfehlungen. Dazu Duve/Keller BB 2006, 2477 (2483); Assmann ÖBA 2007, 40 (51); ders. ZBB 2008, 21 (27 f.).

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b) Insbesondere qualitätssteigernde Zuwendungen und Analysekonto (Abs. 1–3). Die deutsche Praxis und Rechtsprechung konzentrierte sich zwar im Bereich der – durchaus harten und klaren – Rückvergütungen und Innenprovisionen. Doch auch für die sonstigen Zuwendungen wurde parallel das Vorliegen der genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen problematisiert. Dies gilt namentlich für die sog. soft commissions, da nicht klar ist, ob der Vorteil für den Kunden diesem konkret zuzuordnen sein muss, ob also beim Zurverfügungstellen von Analyse-Ergebnissen oder bei Mitteilung von Empfehlungen der Kundenbezug nicht zu wenig konkret bleibt.530 Während die EU-Vorgabe diese Frage nicht näher ausgestaltet (auch nicht die DVO), liegt ein Schwerpunkt der Reform durch das 2. FiMaNoG gerade hier. Nicht nur ist bei laufenden Zuflüssen – wie häufig in diesem Bereich – die lückenlose, auch periodische Berichterstattung spezifisch vorgesehen (Abs. 1 S. 3 und 4). Sondern mit den Vorgaben für die Einrichtung eines separaten Analysekontos ist ein spezielles Instrument für Transparenz und institutionalisierte Konfliktminimierung geschaffen worden (Abs. 2 und 3):531 Rechtstechnisch wird für die Zuwendungen seitens Dritter in Form von soft commissions, namentlich durch Bereitstellung von Analyseergebnissen und Empfehlungen seitens Dritter, ein zweiter Ausnahmebereich geschaffen (neben demjenigen nach Abs. 7, letzte Rn). Der Wertpapierdienstleister kann entweder die Anlayseergebnisse aus eigenen Mitteln vergüten (Abs. 2 S. 2 Nr. 1) – dann handelt es sich ohnehin nicht um eine Zuwendung, und solch ein Vorgehen ist auch etwa unabhängigen Honoraranlageberatern ohne weiteres gestattet. Als Alternative steht es dem Wertpapierdienstleister offen, ein Analysekonto nach den inhaltlich zwingenden Maßgaben des Abs. 2 S. 2 Nr. 2 einzurichten (und zudem den zusätzlichen Informationspflichten nach Abs. 2 2. UAbs. und Abs. 3 nachzukommen). Diese Maßgaben zielen auf zweierlei: eine klare Trennung der Mittel, die für die Bereitstellung von Analyse aus den Kundeneinnahme reserviert werden sollen, von sonstigen Konten des Wertpapierdienstleisters (Abs. 2 S. 2 lit. a) bis c)); sowie einen Nachweis, dass die Wertpapierdienstleistungen durch die Bereitstellung der Analyseergebnisse in der Tat objektiv nachvollziehbar (anhand „belastbarer Qualitätskriterien“) verbessert wurden (Abs. 2 S. 2 lit. d)).532 Grundidee bei den Informationspflichten ist es, dass zwar die für die Analyse bereitstehenden Mittel (Leistungen und Gegenleistungen) in der Summe und jedem einzelnen Leistungsstrom geklärt werden und solchermaßen nachvollziehbar von den sonstigen Mittelflüsseln getrennt werden (Abs. 3, sowie Information voerab und jährliche Zusammenfassung nach Abs. 2 UAbs. 2), dass jedoch umgekehrt keine (unmögliche) Einzelzuordnung zum jeweiligen Kunden gefordert wird.

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c) Insbesondere Rückvergütungen (Kick-backs) und Innenprovisionen. Im hier behandelten Problemkreis spielen die Rückvergütungen (kick-backs) eine zentrale Rolle, gleichsam als Negativfolie bei der Herausarbeitung der Zulässigkeitsvoraussetzungen. Sie bildeten seit Beginn der – auf kommissions-, auftrags- und treuhandrechtliche Überlegungen gestützten – Rechtsprechung mit Wurzeln bis in die 1980er Jahre den Hauptfall derjenigen Zuwendungen, die für unzulässig erklärt wurden und für die daher sowohl eine Pflicht, diese ungefragt zu offenbaren, als auch, diese auszukehren entwickelt wurde (mit Verästelungen bis in die Verjährungsfragen). Rückvergütungen werden heute folgendermaßen definiert (und insbesondere von Innenprovisionen, nächste Rn, abgegrenzt): „Aufklärungs530

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Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1719); Duve/Keller BB 2006, 2477 (2483); aA Rozok BKR 2007, 217 (219). Zu diesem Instrument näher Roth/Blessing CCZ 2017, 163 (165 ff.); Geier/Hombach/ Schütt RdF 2017, 108 (111 ff.); kritisch zu

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den möglichen wirtschaftlichen Folgen dieser Neuregelung Bortenlänger RdF 2017, 177. Zu diesen Anforderungen an die Ausgestaltung und periodische Bewertung näher Roth/ Blessing CCZ 2017, 163 (165 f.); Geier/ Hombach/Schütt RdF 2017, 108 (111).

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pflichtige Rückvergütungen sind danach – regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie z.B. Ausgabeaufschlägen [dem Agio] und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, sodass beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen kann, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt, sodass der Anleger das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen kann.“533 Kick-backs waren schon nach allgemein handelsrechtlichen Grundsätzen des Kommissionsrechts herauszugeben.534 Über die Kick-backs und insbesondere auch über diese Herausgabepflicht war stets (zeitweise etwa auf der Grundlage von § 32 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. und der Wohlverhaltensregeln) aufzuklären – ungefragt, und auch die Höhe der Rückvergütung musste offengelegt werden.535 Die Nichtaufklärung wurde als Betrug (§ 263 StGB) bestraft.536 Zudem war der ganze Schaden zu ersetzen (dazu noch unten Rn 251). Die Aufklärungspflicht und Kernstücke der Rechtsprechung sind heute im Gesetzestext explizit festgehalten (Abs. 5, mit Hinweispflicht zum konkreten Erstattungsverfahren). Das Regime zu den Rückvergütungen wurde durch eine reiche Rechtsprechungslinie vor allem seit der Jahrtausendwende entwickelt, zunächst katalogisiert,537 ab

533

534

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536 537

BGH Hinweisbeschl. v. 09.03.2011 – XI ZR 191/10, Beschl. v. 19.07.2011 – XI ZR 191/10, Beschl. v. 24.08.2011 – XI ZR 191/10 – Kick-back IX und Kick-back XI und XII, ZIP 2011, 855 bzw. WM 2011, 1506 und 1804 iVm BGH Urt. v. 27.10.2009 – XI ZR 338/08 – Kick-back V, ZIP 2009, 2380 (zur Einbeziehung auch des Agio in die Definition). Ein wichtiger letzter Schritt war die Einbeziehung auch von in Prospekten ausgewiesenen Provisionen (nicht mehr notwendig als Innenprovision) durch BGH Urt. v. 24.08.2011 – XI ZR 191/10, WM 2011, 1804 (Kick-Back XII); dazu auch Oppenheim BKR 2014, 454 (454 f.). Baumbach/Hopt § 384 HGB Rn 9; Kumpan/ Hellgardt DB 2006, 1714 (1718); Sethe Vermögensverwaltung S. 897. Eine abweichende Abrede wurde freilich für zulässig gehalten: Mülbert WM 2007, 1149 (1162); Kumpan/ Hellgardt DB 2006, 1714 (1718); KölnKomm WpHG/Möllers, 1. Aufl. 2007, § 31 Rn 146. BGH (Fn 482) – Kick-back II BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876 (1878 f.); Mülbert WM 2007, 1149 (1161 f.); Brocker BKR 2007, 365 (365 f.); Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1718). BGH Urt. v. 06.02.1990 – XI ZR 184/88, NJW-RR 1990, 604 (605). Bisher (nach der gängigen Zählweise, vgl. Jordans BKR 2011, 456): BGH Urt. v. 19.12.2000 – XI ZR 349/99, BGHZ 146,

235 = NJW 2001, 962 (Kick-Back I); BGH (Fn 482), BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876 = WM 2007, 487 = BKR 2007, 160 (Kick-Back II); BGH Beschl. v. 20.01.2009 – XI ZR 510/07, NJW 2009, 1416 (Kick-Back III); BGH Urt. v. 12.05.2009 – XI ZR 586/07, NJW 2009, 2298 (Kick-Back IV); BGH Urt. v. 27.10.2009 – XI ZR 338/08, ZIP 2009, 2380 (Kick-Back V); BGH Urt. v. 15.04.2010 – III ZR 196/09, WM 2010, 885 (Kick-Back VI); BGH Beschl. v. 29.06.2010 – XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 (Kick-Back VII); BGH Urt. v. 03.03.2011 – III ZR 170/10, BKR 2011, 248 (Kick-Back VIII); BGH Hinweisbeschl. v. 09.03.2011 – XI ZR 191/10, ZIP 2011, 855 (Kick-Back IX); BGH Urt. v. 05.05.2011 – III ZR 84/10, GWR 2011, 288 (Kick-Back X); BGH Beschl. v. 19.07.2011 [Revisionszurückweisung] – XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 (Kick-Back XI); BGH Beschl. v. 24.08.2011 [Gehörsrüge] – XI ZR 191/10, WM 2011, 1804 (Kick-Back XII); Überblicksaufsätze zu dieser Reihe Habersack WM 2010, 1245; Jordans BKR 2011, 456; Komo NZG 2011, 1178; auch Fullenkamp NJW 2011, 421; Koch BKR 2010, 177. Zum (in diesen Aufsätzen mehrfach angesprochenen) Thema fortlaufende Verschärfung auch bereits Fleischer BKR 2006, 389 (395 f.); Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1718 f.); Spindler/Kasten WM 2006, 1797 (1803) wohl auch Mülbert WM 2007, 1149 (1162).

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2011/12 ohne Fortschreibung der Nummerierung weiter verfeinert.538 Für Kick-backs – nach zutreffender, jüngerer BGH-Rechtsprechung auch Innenprovisionen (nächste Rn) – wird die Aufdeckung auch des genauen Umfangs der Zuwendung gefordert,539 was angesichts des gesetzlichen Leitbildes in § 70 WpHG n.F. (ex-§ 31d) für Zuwendungen seitens Dritter auch nicht wirklich bezweifelt werden kann, freilich im Gegensatz zur (hier kritisch gesehenen) h.M. für das Zweipersonenverhältnis steht (unten Rn 252).540 Gleichgültig ist,

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Vgl. namentlich (ohne weitere Zählung): BGH Urt. v. 20.09.2011 – II ZR 277/09, WM 2011, 2085 (Aufklärung über Vertriebsprovision an Anlagevermittler); Urt. v. 09.01.2012 – III ZR 48/11, BKR 2012, 165 (keine Aufklärungspflicht des freien Anlageberaters); Beschl. v. 03.04.2012 – XI ZR 383/11, BeckRS 2012, 14660 (Nichtzulassung Revision in Verjährungsfragen); Urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 262/10, BKR 2012, 368 (Umkehr Beweislast in Kausalitätsfragen); Urt. v. 19.07.2012 – III ZR 308/11, WM 2012, 1574 = NJW 2012, 2952 (selbständiges Mitglied von Finanzgruppe als freier Anlageberater); Urt. v. 20.11.2012 – XI ZR 415/11, BKR 2013, 68 (Beweislast); Urt. v. 20.11. 2012 – XI ZR 444/11, ZBB 2013, 140 (Beweislast), Anm. Deblitz EWiR § 280 BGB 2/13, 167; Urt. v. 06.12.2012 – III ZR 307/11, WM 2013, 119 = NJW-RR 2013, 293 (selbständiges Mitglied von Finanzgruppe als freier Anlageberater), Anm. Dieckmann EWiR § 280 BGB 6/13, 339; Urt. v. 15.01.2013 – XI ZR 8/12, BKR 2013, 203 (Kausalität); Urt. v. 19.02.2013 – XI ZR 404/11, NZG 2013, 502 (Kausalität); Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 445/10 sowie XI ZR 318/10 sowie XI ZR 240/10 sowie XI ZR 345/10 sowie 498/11 und 425/10 sowie XI ZR 183/11, Juris und BKR 2013, 212 sowie 253 sowie 283 sowie 2013, 205 und EWiR 2013, 407 (mit Anm. Fuxman) (alle Kausalität); Urt. v. 05.11.2013 – XI ZR 19/12, BeckRS 2013, 1986 (Definition Rückvergütungen); Urt. v. 12.12.2013 – III ZR 404/12, WM 2014, 118 (Prospektangaben ausreichend zur Aufklärung über Innenprovisionen); Urt. v. 14.01.2014 – XI ZR 355/12, WM 2014, 307 (Wirksamkeit formularmäßiger Behaltensklausel für Vertriebsvergütungen); Urt. v. 04.02.2014 – XI ZR 398/11, BKR 2014, 200 (Kausalitätsvermutung und Ausforschungsbeweis); Urt. v. 08.04.2014 – XI ZR 341/12, BKR 2014, 290 (Kein Schadensersatz wegen unterlassener Aufklärung über Höhe der Rückvergütung, wenn Kenntnis des Anlageinteressenten von Erhalt einer

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Provision); Urt. v. 15.04.2014 – XI ZR 513/11, BeckRS 2014, 10782 (Provision aus den im Prospekt ausgewiesenen Kosten der Eigenkapitalbeschaffung als aufklärungspflichtige Rückvergütung); Urt. v. 03.06.2014 – XI ZR 147/12, WM 2014, 1382 (Grundsatzurteil zur Gleichstellung Innenprovisionen); Urt. v. 01.07.2014 – XI ZR 247/12, WM 2014, 1621 (Aufklärungspflicht über Provision für Vermittlung einer Lebensversicherung); Urt. v. 15.07.2014 – XI ZR 418/13, BeckRS 2014, 16215 (Definition Kick-backs, Begriff bis 1984 zurückgeführt); Urt. v. 15.3.2016 – XI ZR 122/14, BeckRS 2016, 07313 (Verjährungsbeginn ab Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis des Kapitalanlegers von der Gewährung einer Rückvergütung). Explizit so BGH (Fn 482) – Kick-back II, BGHZ 170, 226 (234 f.) = NJW 2007, 1876 (1878 f.); zuvor bzw. danach auch (eher implizit) BGH Urt. v. 19.12.2000 – XI ZR 349/99 – Kick-back I, BGHZ 146, 235 (239) = NJW 2001, 962 (963); und auch BGH Beschl. v. 20.01.2009 – XI ZR 510/07 – Kick-back III, NJW 2009, 1416 (1417); BGH Urt. v. 8.4.2014 – XI ZR 341/12, BKR 2014, 290 (291 Anm. Lang/PfistererJunkert); Oppenheim BKR 2014, 454 (455); Assmann ZBB 2008, 21 (24); Koch BKR 2010, 177 (180 f.); Dörfler/Pallaski EWiR 2010, 11 (12); Langen BB 2010, 17 (18); Zoller GWR 2009, 466; und natürlich § 31d WpHG a.F. (heute § 70 WpHG n.F.) selbst, wenn man diese Norm nicht – wie etwa Habersack WM 2010, 1245 (1248 f.) – abtrennt. Teils wird auch eine Angleichung in die umgekehrte Richtung propagiert – auch im Dreipersonenverhältnis sei eine Aufdeckung nur in den Fällen gefordert, in denen schon das „ob“ einer Zuwendung unklar sei und nicht über die Höhe –: ausf. Habersack WM 2010, 1245 (1251–1253). Abgesehen davon, dass dies nicht mit der BGH-Rechtsprechung übereinstimmt und auch dem Leitbild in § 70 WpHG n.F. – und der EU-Vorgabe – wider-

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

von welchem Dritten die genannten Provisionen zurückgewährt werden, etwa von einem Vermögensverwalter oder einem Emittenten.541 Erfasst werden Wertpapierdienstleister für alle Arten des Vertriebs, insbesondere auch von (damals) nicht erfassten Anlageformen, etwa von Anteilen an geschlossenen (Medien-)Fonds, weil die zugrunde liegende Aufklärungspflicht über nicht erkennbare Interessenkonflikte allgemein zivilrechtlicher Art ist (und nicht nur im regulierten Bereich des WpHG gilt).542 Umfangreich ist auch die Rechtsprechung dazu, wie die Sonderverjährungsregel des § 37a WpHG a.F. auf Kick-backs anzuwenden war (vgl. dazu unten Rn 251 und 277–279). Angesichts der genannten Gefahr vielfachen Positionswechsels dürfte der Nutzen für den Kunden – und damit eine Ausnahme vom Verbot nach den allgemeinen Kriterien des Abs. 1 S. 1 – bei Kick-backs im definierten Sinne kaum einmal (positiv, Abs. 1 S. 2) nachzuweisen sein.543 Gerade die Herausgabepflicht und die konkrete Aufklärungspflicht (auch über die 249 Höhe der Provisionen) unterschied das Regime der kick-backs bis 2014 nach höchstrichterlicher Rechtsprechung von dem der Innenprovisionen; denn bei Letzteren ging man davon aus, sie könnten nicht als aus der Geschäftsbesorgung Erlangtes (§ 667 BGB) verstanden werden, sondern nur als Entgelt für die Geschäftsbesorgung selbst.544 Diese Unterscheidung konnte schon früher nicht überzeugen,545 heute kann jedoch dahinstehen, ob

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spricht, bliebe damit wieder das Maß bzw. die Art des Interessenkonflikts intransparent und müsste daher über solch eine Absenkung des Schutzstandards letztlich wieder der EuGH entscheiden. BGH Urt. v. 19.12.2000 – XI ZR 349/99 – Kick-back I BGHZ 146, 235 (241) = NJW 2001, 962 (Vermögensverwalter); BGH (Fn 482) – Kick-back II BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876 (Emittent). BGH Beschl. v. 20.01.2009 – XI ZR 510/07 – Kick-back III, NJW 2009, 1416; dazu etwa (meist referierend, teils zust.) Lang/Bausch WM 2010, 2101; ders. ZIP 2009, 456; Herresthal ZBB 2009, 348; Nobbe WuB I G 1 Anlageberatung 5.10; Grys/Geist BKR 2009, 127; Langen NZG 2010, 1177; Lenenbach WuB I G 7 Börsen- und Kapitalmarktrecht 1.09; Podewils DStR 2009, 650; Zetzsche JR 2010, 119; später wieder BGH Urt. v. 19.7.2012 – III ZR 308/11, NJW 2012, 2952 = NZG 2012, 1072. Umgekehrt wurde vor Verabschiedung der § 34f Abs. 1 S. 1, § 34g GewO iVm § 17 FinVermVO angenommen, freie Anlagevermittler sollten nicht erfasst sein, weil der Anleger bei diesen vom Vorliegen verschiedener Vergütungsvereinbarungen ausgehen müsse: BGH Urt. v. 15.04.2010 – III ZR 196/09 – Kick-back VI, WM 2010, 885, mit Anm. Brocker/Klebeck, ZIP 2010, 1369; Edelmann WuB I G 1 Anlageberatung 19.10; Nietsch EWiR 2010, 445; BGH Urt. v. 03.03.2011 – III ZR 170/10 – Kick-back VIII, BKR 2011, 248, mit Anm. Tiedemann EWiR 2011, 303; BGH Urt. v.

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05.05.2011 – III ZR 84/10 – Kick-back X GWR 2011, 288, mit Anm. Diederichsen GWR 2011, 288; dazu näher Buck-Heeb BKR 2010, 309; Nassall NJW 2011, 2323; freilich Eigenschaft als „freier Anlageberater“ verneint bei 100 % Tochtergesellschaft von Wertpapierdienstleistungsunternehmen: OLG München Urt. v. 27.11. 2012 – 5 U 1345/12, WM 2013, 122. Vgl. Nachw. oben Fn 529; außerdem Rozok BKR 2007, 217. Schon vorher wurde teils, jedoch nicht von der hM, von Unzulässigkeit ausgegangen: Assmann/Schneider/Koller, 4. Aufl. 2006, § 31 WpHG Rn 83; Sethe Vermögensverwaltung, S. 897 f.; aA Schwark, 3. Aufl. 2004, § 31 Rn 27; Benicke Wertpapiervermögensverwaltung, S. 931 f. BGH Urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 (Tz. 17); Urt. v. 26.06. 2012 – XI ZR 355/11, BKR 2013, 17 (Tz. 51); Urt. v. 26.06.2012 – XI ZR 316/11, BKR 2012, 421 (Tz. 46); Urt. v. 24.09.2013 – XI ZR 204/12, BKR 2014, 23 (Tz. 23); und auch noch Leitsatzurteil (in dieser Rn) in Tz. 3, 18, 27 und 30. Im Grundsatz wohl ebenso Schwark/Zimmer/Koch § 31d WpHG Rn 111–113; vgl. auch KölnKomm WpHG/Möllers/Wenninger § 31d Rn 21. Für Gleichstellung von Rückvergütungen und Innenprovisionen (Aufklärungspflicht über die exakte Höhe auch hier) vgl. etwa bereits Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 2. Aufl. 2009, BankR VI Rn 287–290; sowie Buck-Heeb BKR 2010, 309 (311 f.); Koch

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

es sich im maßgeblichen Urteil nicht auch bereits eher um ein obiter dictum handelte und daher jedenfalls detaillierte Aufklärung auch unter der alten Rechtsprechung bereits geschuldet war.546 Denn inzwischen hat der BGH in einem Leitsatzurteil vom 03.06.2014 jedenfalls für Fälle ab dem 01.08.2014 die Innenprovisionen (jedenfalls für die Aufklärungspflichten) den Rückvergütungen gleichgestellt. Dies ergebe sich aus einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der Transparenz von Drittzuwendungen durch die verschiedenen Anlagebereiche hindurch vorsehe und der wegen dieser seiner Verbreitung, auch wenn die Grundlage allein aufsichtsrechtlicher Natur sei, auch als Standard in den Kanon der Vertragspflichten eingehe.547 In der Tat ist die Interessenkonfliktsituation die gleiche wie bei Rückvergütungen548 und sieht auch die Europäische Vorgabe eine Differenzierung ohnehin nicht vor.

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BKR 2010, 177 (180); Grundmann WM 2012, 1745 (1748 f.); Langenbucher/Bliesener/Spindler Bankrechtskommentar Kap. 33 Rn 175 f. Hingegen für eine Aufklärungspflicht erst, wenn der Umfang der Provisionen eine Schwelle von 15 % des Anlagebetrages überschritt (und so eine Gefahr für die Werthaltigkeit bildete, also nicht mehr auf Überlegungen der Interessenkonfliktprävention gestützt): Fullenkamp NJW 2011, 421 (421 f.); Nobbe WuB I G 1. – 5.10; Zoller GWR 2010, 53 (55); sowie BGH Urt. v. 12.02.2004 – III ZR 359/02, BGHZ 158, 110 (121); Urt. v. 25.9.2007 – XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 (Tz. 14); Urt. v. 03.03.2011 – III ZR 170/10, WM 2011, 640 (Tz. 16). Innenprovisionen nicht derselben Herausgabeverpflichtung unterworfen wie Rückvergütungen durch BGH Urt. v. 27.10.2009 – XI ZR 338/08 – Kick-back V, ZIP 2009, 2380 (2382 f.); dazu etwa Habersack WM 2010, 1245; Herresthal ZBB 2010, 305 (krit.); Koch BKR 2010, 177; Dörfler/Pallaski EWiR 2010, 11; Langen BB 2010, 17; Varadinek/Röh ZIP 2009, 2383; Zoller GWR 2009, 466; zuletzt auch Oppenheim BKR 2014, 454 (455). Da man die Ausführungen zur Zulässigkeit, insbesondere zu den Aufklärungspflichtem als obiter dictum verstehen konnte und vorher auch noch weit überwiegend von einer Gleichstellung von Innenprovisionen an den Wertpapierdienstleister und von Kick-backs an den Wertpapierdienstleister ausgegangen worden war, wurde das Urteil auch dahin gehend verstanden werden, dass eine Aufklärung durchaus auch bei Innenprovisionen geschuldet war. In diesem Sinne (teils auch nur referierend): Koch BKR 2010, 177 (180 f.); Dörfler/Pallaski EWiR 2010, 11 (12); Langen BB 2010,

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17 (18); Zoller GWR 2009, 466; wohl auch Habersack WM 2010, 1245 (1248); aA Varadinek/Röh ZIP 2009, 2383 (2385); zur zuvor synonymen Verwendung beider Begriffe/ Arten etwa OLG Düsseldorf Urt. v. 29.06.2009 – 9 U 187/08, WM 2009, 1410 (1412); Assmann ZBB 2008, 21 (22); Hadding ZIP 2008, 529 (530). BGH Urt. v. 3.6.2014 – XI ZR 147/12, BGHZ 201, 310 = WM 2014, 1382 = BKR 2014, 370 (zum allgemeinen Transparenzgebot Tz. 32 ff., dort auch dazu, dass so flächendeckend, dass auch zivilrechtlich maßgeblich); zum Urteil etwa Balzer/Lang BKR 2014, 377; Jordans BKR 2015, 309 (311–313); Oppenheim BKR 2014, 545; Weck BKR 2014, 374. Zur Erklärung der (überraschenden) Konstruktion, mit der eine Anwendung auf die Vergangenheit abgelehnt, eine für die Zukunft jedoch für absolut zwingend erklärt wurde: Balzer/Lang BKR 2014, 377 (378) (Auflösung eines Konflikts zwischen zwei aufeinander folgenden Vorsitzenden des XI. Senats Nobbe BKR 2011, 302; Wiechers WM 2012, 477 [481]). Zum Aspekt der zivilrechtlichen Verbindlichkeit dieser (weiterhin rein aufsichtsrechtlich qualifizierten) Vorgaben: Balzer/Lang BKR 2014, 377 (379 f., 381); Jordans BKR 2015, 309 (311); Weck BKR 2014, 374 (376 f.). Alle genannten Stimmen gehen davon aus, dass dieselbe Argumentation auch für alle anderen Fälle gelten müsste, in denen solch eine zivilrechtliche Wirkung der §§ 63 ff., 80 ff. WpHG n.F. streitig ist (vgl. oben Rn 223–225 und unten Rn 305–307). Ebenso etwa Balzer/Lang BKR 2014, 377 (381) („weitgehend identischen Interessenkonflikten“); Oppenheim BKR 2014, 454 (455); Winter WM 2014, 1606 (1609).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

d) Transparenz und Aufdeckungsvorgaben (Abs. 4 und 6). Die Transparenzvorgaben 250 sind zwar umfangreich, und es wird auch inhaltlich jeweils separate und detaillierte Aufführung vorgesehen. Formal jedoch wird auch auf Entlastungsmöglichkeiten gesehen, etwa dahingehend dass bei geringfügigen Zuwendungen auch die Beschreibung des Zuwendungsgebers übernommen werden darf (Abs. 4 S. 1), aber auch allgemein dahingehend dass die Form nicht vorgeschrieben wird, sondern allenfalls Dauerhaftigkeit des Trägers.549 e) Verstoßfolgen (Abs. 5 u.a.). Die Verstoßfolgen sind drei.550 Detaillierte Aufdeckung 251 (insbesondere auch jeder einzelnen Zuwendung) ist – wie oben erörtert – im Falle der Verletzung der Vorgaben des § 70 WpHG n.F. ebenso wie im Rahmen der Befolgung der hier niedergelegten Zulässigkeitsvoraussetzungen geschuldet. Bei Nichtvorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen ist zudem Auskehrung der erhaltenen Zuwendung nach § 667 BGB geschuldet (vgl. ebenfalls Nachw. oben, insbes. zur Kick-back-Rechtsprechung). Darüberhinaus ist bei (schuldhafter) Nichtaufklärung der vollständige Schaden zu ersetzen,551 also, wenn der Verstoß kausal war für den Kaufentschluss, auch der Kaufpreis gegen Rückgabe der Anlage zu erstatten. Dahingehende Kausalität wird unterstellt, wenn nicht früheres (oder auch späteres) Verhalten Gegenteiliges indiziert: etwa früheres Verhalten bei Aufdeckung vergleichbarer Aufdeckungsfehler oder auch die bereits bei Kaufentschluss vorhandene allgemeine (nicht spezifische und ordnungsgemäß ausdifferenzierte) Kenntnis von einer Zahlung von Rückvergütungen.552 Die Frist für die Verjährung der Ansprüche läuft an mit allgemeiner Kenntnis von einer Zahlung von Rückvergütungen, nicht erst mit Kenntnis der exakten Höhe.553 Ab Einsetzen solch eines generellen Fehlerbewusstseins muss der Anleger selbst nachforschen und zügig handeln. 3. Annex: Transparenz im Zweipersonenverhältnis. Das Zweipersonenverhältnis 252 spricht § 70 WpHG n.F. zwar nicht an, wohl aber die Grundregel in § 63 Abs. 2 WpHG, die von § 70 WpHG nur für das Dreipersonenverhältnis spezieller ausgestaltet wird. Aus dieser Ausgestaltung und in Abgrenzung zu dieser Rechtsprechung wurde jedoch seit eini-

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(Hinreichend eindeutige) Aufklärung dürfte – wenn nicht spezifisch anders vorgeschrieben – jeweils auch allein im (rechtzeitig ausgehändigten) Prospekt möglich sein: OLG Celle Urt. v. 01.07.2009 – 3 U 257/08, WM 2009, 1794 (1796); Habersack WM 2010, 1245 (1250 f.) (wenn „gesondert und als solche erkennbar“ aufgeführt); Koch BKR 2010, 177 (182 und 184); Langen BB 2010, 17 (18); vom BGH bisher nur angedeutet, vgl. BGH Hinweisbeschl. v. 09.03.2011 – XI ZR 191/10 – Kick-back IX, ZIP 2011, 855 (857) (dort Prospekt als nicht hinreichend genau gerügt und gerade nicht als ungeeignetes Aufklärungsinstrument charakterisiert); aA etwa Dörfler/Pallaski EWiR 2010, 11 (12); Zoller GWR 2009, 466. Vgl. nur Jordans BKR 2015, 309 (314–316). BGH Urt. v. 19.12.2000 – XI ZR 349/99 – Kick-back I BGHZ 146, 235 (241) = NJW 2001, 962; zur Ersatzfähigkeit auch bei mit-

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verkauften Papieren, für die jedoch selbst keine Rückvergütung gewährt wurde: BGH (Fn 482) – Kick-back II BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876 (1879). Vgl. hierzu vor allem BGH Urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 262/10, BKR 2012, 368; Beschl. v. 15.01.2013 – XI ZR 8/12, BKR 2013, 203; Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 318/10, BKR 2013, 212; Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 345/10, BKR 2013, 283; Urt. v. 04.02.2014 – XI ZR 398/11, BKR 2014, 200; dazu etwa Jordans BKR 2015, 309 (314–316); Oppenheim BKR 2014, 454 (455). BGH Beschl. v. 03.04.2012 – XI ZR 383/11, BeckRS 2012, 14660; Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 498/11, BKR 2013, 205 = WM 2013, 609; Urt. v. 08.04.2014 – XI ZR 341/12, BKR 2014, 290; dazu etwa Jordans BKR 2015, 309 (314–316); Oppenheim BKR 2014, 454 (456).

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ger Zeit abgeleitet bzw. gefolgert, dass im Zweipersonenverhältnis – bei Zahlungsströmen direkt zwischen Kunden und Wertpapierdienstleister – eine allgemeine Aufklärungspflicht über die Höhe des Gewinninteresses des Wertpapierdienstleisters nicht bestehe.554 Das hat der BGH in seiner jüngeren Rechtsprechung bestätigt und konkretisiert: zunächst für den Vertrieb eigener Produkte etwa in seinen Zinswetteurteilen,555 sodann für den Vertrieb fremder Produkte in und seit den ersten Urteilen zur Aufklärungspflicht in Sachen Lehman Brothers Zertifikate.556 Grundidee beider Urteilslinien ist es, dass zwar Vergütungsinteressen durchaus Interessenkonflikte zwischen Wertpapierdienstleistern und Kunden begründen können, diese Interessenkonflikte jedoch offensichtlich und daher nicht aufklärungspflichtig seien. Beim Vertrieb fremder Produkte in Form des Festpreis- oder Eigengeschäfts wird eine Aufklärungspflicht zur genauen Marge, die der Wertpapierdienstleister verdient, verneint;557 nicht einmal über die Wahl der Ausführungsform Eigengeschäft – statt der Regelform Kommissionsgeschäft – sei aufzuklären (vgl. Nr. 1 Abs. 3 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte).558 Die Abhängigkeit der Gewinnmarge vom jeweiligen Umsatz wurde (auch) in den jüngeren Urteilen zu Lehman Brothers Zertifikaten ausdrücklich für nicht aufklärungspflichtig erklärt (verfassungsrechtliche Prüfung vom BVerfG abgelehnt).559 Beim Vertrieb eigener Produkte wird eine Grenze erst bei Vorliegen „besonderer Umstände“ gesehen, die über das normale – und erwartete – Gewinninteresse am Vertrieb

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Assmann ZIP 2009, 2125 (2130); Habersack WM 2010, 1245 (1249); Lang/Balzer ZIP 2009, 456 (457); Langen BB 2010, 17 (18); Nobbe WuB I G. 1 – 5.10 und 11.10; Siol WuB I G. 1. – 9.09; Spindler WM 2009, 1821 (1824–1827); aA (entsprechend der unten genannten Kritik) Buck-Heeb BKR 2010, 1; Geßner BKR 2010, 89 (95); Koch BKR 2010, 177 (184); Maier VuR 2009, 369 (371); sowie – bereits unter Hinweis auf die Fortentwicklung durch MiFID II – Grundmann WM 2012, 1745. BGH Urt. v. 22.03.2011 – XI ZR 33/10, NJW 2011, 1949 (1953) (bes. 4. LS) = BKR 2011, 293 = WM 2011, 682 = ZIP 2011, 756 (CMS Spread Ladder Swap – Zinswette); Anm. etwa Haas LMK 2011, 318031; Hanowski NZG 2011, 573; Köndgen BKR 2011, 283; Lange BB 2011, 1678; Lehmann JZ 2011, 749; Lieder GWR 2011, 317246; Pitsch DStR 2011, 927; Schmitt BB 2011, 2824; Spindler NJW 2011, 1920; zuvor bereits BGH Urt. v. 15.04.2010 – III ZR 196/09, BGHZ 185, 185 (189). gefolgt von BGH Urt. v. 20.01.2015 – XI ZR 316/13, WM 2015, 575 (Zinswette II); BGH Urt. v. 28.4.2015 – XI ZR 378/13, WM 2015, 1273 (Tz. 37); wohl auch kein Umdenken durch das Grundsatzurteil zur Gleichstellung von Rückvergütungen und Innenprovisionen (oben Fn 547), vgl. Balzer/Lang BKR 2014, 377 (380); jüngerer Überblick zur (ebenfalls substantiellen, wenn auch nicht unüber-

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schauberen) Rechtsprechung bei Jordans BKR 2015, 309 (312 f.). BGH (Fn 5), BGHZ 191, 119 (4. und 5. LS) = WM 2011, 2268 (2271 f.) sowie BGH (Fn 5) WM 2011, 2261 (2265) (m. Nachw. zu den zahlreichen Instanzgerichten); bereits BGH (vorige Fn), NJW 2011, 1949 = WM 2011, 682 (687); aA zuvor vor allem OLG Frankfurt Urt. v. 29.06.2011 – 17 U 12/11, ZIP 2011, 1462 (1463); heute bestätigt etwa durch BGH Urt. v. 17.9.2013 – XI ZR 332/12, WM 2013, 1983. Vgl. vorige Fn. In den ersten BGH-Urteilen zu Zertifikaten Lehman Brothers 3,75 % Gewinnmarge bei Absatz (2,75 % Abschlag seitens Lehman und 1,0 % Aufschlag gegenüber dem Kunden) und 0,85 % Verlusttragungspflicht des Wertpapierdienstleisters bei fehlgeschlagenem Absatz (Rückgaberecht der Papiere gegen Abschlag), also eine Differenz von 4,6 % je nach Erfolg oder Misserfolg beim Absatz: Schäfer WM 2012, 197 (200). Fragwürdig, vgl. Schäfer WM 2012, 197 (199 und 201) (sehr deutliche Bezeichnung in der Vertragspraxis anmahnend); umgekeht („gutes Gespür“): Klöhn ZIP 2011, 2244 (2245). BGH Urt. v. 26.06.2012 – XI ZR 259/11, BB 2012, 1677; XI ZR 316/11, WM 2012, 1520; XI ZR 355/10, XI ZR 356/10 (Lehman III-VI); Anm. Bausch/Kohlmann BB 2012, 2655; Edelmann WuB I G 1. – 13.12; Kalomiris EWiR 2012, 587; Koch GWR

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

eigener Produkte signifikant hinausgehen. Im Zinswetteurteil wurde das in dem Umstand gesehen, dass der Kontrakt auf Grund seiner Ausgestaltung bereits im Moment des Absatzes einen negativen Marktwert hatte und umgekehrt für den Wertpapierdienstleister bereits einen positiven – der Interessenkonflikt also exorbitant war – und auch dass der Kontrakt zudem so intransparent gestaltet war, dass selbst ein Anleger mit VWL-Diplomabschluss ihn nicht durchschauen konnte.560 Diese Ausnahmen gelten, obwohl sie – und insbesondere die zuletzt genannte – vor allem das Anlageobjekt betreffen und im entschiedenen Fall tatsächlich ein Beratungsvertrag angenommen wurde, unabhängig davon, ob ein Beratungsvertrag abgeschlossen wurde oder nur ein einfacher Kaufvertrag, weil sie zugleich auch einen außergewöhnlichen – nicht ohnehin erwarteten – Interessenkonflikt begründen.561 Ein Ansatz für Kritik an dieser Rechtsprechung besteht dahingehend, dass jeweils nicht das konkrete Ausmaß des Gewinninteresses aufgedeckt werden muss, solange dieses nicht exorbitant ist – es muss dem Anleger nur offensichtlich sein, dass überhaupt ein Gewinninteresse besteht. Am ehesten ist das damit zu rechtfertigen, dass der Wettbewerbsdruck auch in sonstigen Märkten nur über die Notwendigkeit aufgebaut wird, den Endpreis (einschließlich Marge) kompetitiv zu halten.562 Allerdings ist im Wertpapierhandelsrecht – anders als etwa im Kaufrecht – der Wertpapierdienstleister ausdrücklich zur Aufdeckung aller Interessenkonflikte verpflichtet, dies kraft Europäischer Vorgabe (Art. 18 MiFID I und Art. 24 MiFID II), so dass letztlich der EuGH zu entscheiden (gehabt) hätte, ob die Vorgabe nicht doch fordert(e), dass nicht nur über das „ob“ eines Interessenkonflikts aufzuklären ist (hier „offensichtlich“ und damit Aufklärung überflüssig), sondern auch über sein genaues Ausmaß.563

560

2012, 399; Tiedemann BKR 2012, 426; Wiechers WM 2013, 341 (345); Grundsatzkritik bei Grundmann WM 2012, 1745. Im Kern weiter bestätigt in: BGH Urt. v. 16.10.2012 – XI ZR 367/11, NZG 2013, 184; XI ZR 368/11, GWR 2012, 564 (Lehman Brothers VII und VIII); Anm. Voß BB 2012, 3039; Zoller GWR 2012, 564; sowie BGH Urt. v. 17.09.2013 – XI ZR 332/12, WM 2013, 1983 (Lehman Brothers IX); Zoller BB 2013, 520 titelt daher – ohne dass sich eine wirkliche Änderung ergeben hätte –: „Ende des Kick-Back-Jokers“; und zwei Urteile zu (insoweit auch fehlenden) Widerrufsrechten im Fernabsatz: BGH Urt. v. 27.11.2012 – XI ZR 439/11, BGHZ 195, 375 = WM 2013, 218; Urt. v. 27.11.2012 – XI ZR 384/11 ZBB 2013, 140; Nichtannahmebeschluss des BVerfG zu dieser Rechtsprechungslinie in BVerfG Urt. v. 31.07.2013 – 1 BvR 130/12 WM 2013, 1640. BGH (Fn 565), NJW 2011, 1949 (1952 f.) (3. und 4. LS); Mitverschulden wurde ebenfalls verneint (a.a.O.); krit, Köndgen BKR 2011, 283 (284); Spindler NJW 2011, 1920 (1923 f.); und wohl auch Schmitt BB 2011, 2824 (2826); zu den obergerichtlichen Entscheidungen zu durch diese Rspr. aufgewor-

561

562 563

fenen Folgefragen vgl. Zoller, BKR 2012, 405; namentlich OLG Stuttgart Urt. v. 14.12.2011 – 9 U 11/11, WM 2012, 890; OLG Stuttgart Urt. v. 27.06.2012 – 9 U 140/11, BKR 2012, 379 (Aufklärungspflicht deutlich reduziert bei „einfachem ZinsswapGeschäft, das der Absicherung eines variabel verzinslichen Darlehens dient“); OLG München Urt. v. 09.08.2012 – 17 U 1392/12, BKR 2012, 468; OLG Köln Urt. v. 18.01.2012 – 13 U 232/10, BKR 2012, 203 (Umschuldung); vgl. sodann auch BGH Urt. v. 20.1.2015 – XI ZR 316/13, WM 2015, 575 (Zinswette II); BGH Urt. v. 17.9.2013 – XI ZR 332/12, WM 2013, 1983. In diesem Sinne (wohl) auch BGH (Fn 565), NJW 2011, 1949 = WM 2011, 682 (685); Schäfer WM 2012, 197 (200). Klöhn ZIP 2011, 2244 (2245 f.). Ebenso Herresthal ZBB 2009, 348 (353); Klöhn ZIP 2011, 2244 (2245 f.) (Aufdeckung besonderer Gewinnmargen wohl doch geschuldet); ausf. zur Herleitung einer Vorlagepflicht (sie im Erg. bejahend) Herresthal WM 2012, 2261; die Frage wurde nicht geklärt durch die erste zur Richtlinie ergangene Vorabentscheidung: EuGH Urt. v. 30.05.2013 – Rs. C-604/11 (Bankinter) –

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

253

IV. § 71 WpHG n.F. (ex § 31e): Weiterreichung von Aufträgen und Verantwortlichkeit § 71 Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen über ein anderes Wertpapierdienstleistungsunternehmen Erhält ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen über ein anderes Wertpapierdienstleistungsunternehmen einen Auftrag, Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen für einen Kunden zu erbringen, ist das entgegennehmende Unternehmen mit folgenden Maßgaben verantwortlich für die Durchführung der Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung im Einklang mit den Bestimmungen dieses Abschnitts: 1. das entgegennehmende Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist nicht verpflichtet, Kundenangaben und Kundenanweisungen, die ihm von dem anderen Wertpapierdienstleistungsunternehmen übermittelt werden, auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen, 2. das entgegennehmende Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf sich darauf verlassen, dass Empfehlungen in Bezug auf die Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung dem Kunden von dem anderen Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften gegeben wurden.

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Ebenfalls bedeutsam für die Durchführung der Wohlverhaltensregeln – hier nun die Aufteilung von Verantwortlichkeiten bei Einschaltung weiterer Wertpapierdienstleister – ist § 71 WpHG n.F. (ex-§ 31e). Diese Regelung hat freilich eher klarstellenden Charakter: Wertpapierdienstleister dürfen sich, wenn sie von anderen in die Ausführung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen eingeschaltet werden, für die bisherige Auftragsausführung auf deren Vorarbeit verlassen: Sie unterliegen zwar ansonsten §§ 63 ff. WpHG n.F. (ex-§§ 31 ff.) – selbstverständlich – in gleichem Maße wie das Auftrag gebende Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Sie dürfen sich jedoch auf die Regelmäßigkeit von Kundenangaben und Kundenweisungen, die das Auftrag gebende Wertpapierdienstleistungsunternehmen entgegen genommen hatte und jetzt übermittelt, verlassen. Mit anderen Worten: Übermittelt das Auftrag gebende Wertpapierdienstleistungsunternehmen solche Angaben und Weisungen, haben sie schon entsprechend den Standards der §§ 63 ff. WpHG n.F. nachgeprüft zu sein. Vergleichbares gilt für bereits abgegebene Empfehlungen. Hier darf das entgegennehmende Wertpapierdienstleistungsunternehmen davon ausgehen, dass diese regelgerecht abgegeben wurden, also beispielsweise die Kenntnisse und Erfahrungen für die getätigte Transaktionsart überprüft wurden. Dies entspricht der Idee des grandfathering in anderem Zusammenhang (Rn 235): Geleistete Arbeit in diesem professionellen Segment soll nicht wiederholt (und doppelt in Rechnung gestellt) werden.

ECLI:EU:C:2013:344 = ABl.EU 2013 C 225/16 (Leitsatz) = EuZW 2013, 557 = ZIP 2013, 1417, Anm. Herresthal a.a.O. 1420; sowie Bernau EWiR Art. 4 RL 2004/39/EG 1/13; Grundmann ERCL 9

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(2013) 267; Lieder LMK 2013, 349404; Wilsing/Goslar DStR 2013, 1610; bestätigt durch EuGH Urt. v. 3.12.2015 Rs. C-312/14 (Banif) ECLI:EU:C:2015:794 = ABl. EU 2016 C 38/6.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

255 V. Anhang: Wohlverhaltensregeln III (organisationsbezogen), Recht der Marktbetreiber sowie weitere Aufsichtsregeln (Abschnitt 11: §§ 72–96 WpHG n.F., §§ 31f-37 WpHG a.F.) – Verweis [Organisatorische Anforderungen an Wertpapierdienstleister sowie Recht der Marktbetreiber: vgl. 7. Teil] F. Haftungsrecht (mit Abschnitt 12: §§ 97–98 WpHG n.F., §§ 37b, 37c WpHG a.F.) Übersicht Rn Text der §§ 97–98 WpHG n.F . . . . . . . . . 256 I. Überblick und Parallelität der beiden Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 II. Anwendungsbereich, Tatbestand und Haftungsverhältnis (Abs. 1) . . . . . . . . 1. Nicht- oder Schlechterfüllung bestehender Ad-hoc-Publizitätspflicht . . . . . . 2. Anlegerhandeln . . . . . . . . . . . . . 3. Anlegervertrauen in Normbefolgung . . III. Haftungsmodalitäten (Abs. 2–6) . . . . . 1. Haftungsmaßstab (Abs. 2) . . . . . . 2. Kausalität, fehlende Kausalität und Schaden (Abs. 3 u.a.) . . . . . . . . . 3. Verjährung (Abs. 4 – aufgehoben) . . 4. Konkurrenzen und Ansprüche nach bürgerlichem Recht (Abs. 5) . . . . . a) Grundsatzausschluss konkurrierender Ansprüche . . . . . . . . . . .

260 261 262 263

. 264 . 264 . 265 . 267 . 268 . 268

Rn b) Ausnahmen nach bürgerlichem Recht 269 c) Insbesondere § 826 BGB . . . . . . 271 5. Emittenten- und Organhaftung (Abs. 6) 272 IV. Annex: Haftung für den Verstoß gegen Wohlverhaltensregeln . . . . . . . . . . . 1. Verstoß gegen kundenbezogene und gegen organisationsbezogene Wohlverhaltenspflichten . . . . . . . . . . . 2. Verstoß gegen ausgewählte Organisationsanforderungen im Besonderen . a) Verstoß gegen die allgemeinen Organisationsanforderungen (§§ 80, 81 WpHG n.F., ex-§ 33) . . b) Verstoß gegen Dokumentationspflichten (§ 83 WpHG n.F., ex-§ 34) c) Verstoß gegen Trenngebote (§ 84 WpHG n.F., ex-§ 34a) . . . . 3. Allgemeines Verjährungs- und (früheres) Sonderverjährungsregime (§ 37a WpHG a.F.) . . . . . . . . . . .

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§ 97 Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen

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(1) Unterlässt es ein Emittent, der für seine Finanzinstrumente die Zulassung zum Handel an einem inländischen Handelsplatz genehmigt oder an einem inländischen regulierten Markt oder multilateralen Handelssystem beantragt hat, unverzüglich eine Insiderinformation, die ihn unmittelbar betrifft, nach Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 zu veröffentlichen, ist er einem Dritten zum Ersatz des durch die Unterlassung entstandenen Schadens verpflichtet, wenn der Dritte 1. die Finanzinstrumente nach der Unterlassung erwirbt und er bei Bekanntwerden der Insiderinformation noch Inhaber der Finanzinstrumente ist oder 2. die Finanzinstrumente vor dem Entstehen der Insiderinformation erwirbt und nach der Unterlassung veräußert. (2) Nach Absatz 1 kann nicht in Anspruch genommen werden, wer nachweist, dass die Unterlassung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht. (3) Der Anspruch nach Absatz 1 besteht nicht, wenn der Dritte die Insiderinformation im Falle des Absatzes 1 Nr. 1 bei dem Erwerb oder im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 bei der Veräußerung kannte. Stefan Grundmann

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

(4) [a.F. Sonderverjährung – aufgehoben] (4) Weitergehende Ansprüche, die nach Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf Grund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen erhoben werden können, bleiben unberührt. (5) Eine Vereinbarung, durch die Ansprüche des Emittenten gegen Vorstandsmitglieder wegen der Inanspruchnahme des Emittenten nach Absatz 1 im Voraus ermäßigt oder erlassen werden, ist unwirksam.

§ 98 Schadenersatz wegen Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen (1) Veröffentlicht ein Emittent, der für seine Finanzinstrumente die Zulassung zum Handel an einem inländischen Handelsplatz genehmigt oder an einem inländischen regulierten Markt oder multilateralen Handelssystem beantragt hat, in einer Mitteilung nach Art. 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 eine unwahre Insiderinformation, die ihn unmittelbar betrifft, ist er einem Dritten zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dadurch entsteht, dass der Dritte auf die Richtigkeit der Insiderinformation vertraut, wenn der Dritte 1. die Finanzinstrumente nach der Veröffentlichung erwirbt und er bei dem Bekanntwerden der Unrichtigkeit der Insiderinformation noch Inhaber der Finanzinstrumente ist oder 2. die Finanzinstrumente vor der Veröffentlichung erwirbt und vor dem Bekanntwerden der Unrichtigkeit der Insiderinformation veräußert. (2) Nach Absatz 1 kann nicht in Anspruch genommen werden, wer nachweist, dass er die Unrichtigkeit der Insiderinformation nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. (3) Der Anspruch nach Absatz 1 besteht nicht, wenn der Dritte die Unrichtigkeit der Insiderinformation im Falle des Absatzes 1 Nr. 1 bei dem Erwerb oder im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 bei der Veräußerung kannte. (4) [a.F. Sonderverjährung – aufgehoben] (4) Weitergehende Ansprüche, die nach Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf Grund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen erhoben werden können, bleiben unberührt. (5) Eine Vereinbarung, durch die Ansprüche des Emittenten gegen Vorstandsmitglieder wegen der Inanspruchnahme des Emittenten nach Absatz 1 im Voraus ermäßigt oder erlassen werden, ist unwirksam.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

I. Überblick und Parallelität der beiden Normen §§ 97, 98 WpHG n.F. (ex-§§ 37b und 37c) regeln die Haftung für unterlassene bzw. 257 unrichtige Ad-hoc-Veröffentlichung nach Art. 17 MAR (vorher § 15 WpHG). Die Regelung zählt zu den komplexesten und umstrittensten im Bereich (sekundärmarktrechtliche) Kapitalmarktinformationshaftung. Während früher § 15 Abs. 6 WpHG a.F. die Haftung weit gehend ausschloss (oder auszuschließen schien),564 statuieren §§ 37b, 37c WpHG a.F. seit ihrer Einführung durch das 4. FMFG, heute §§ 97, 98 WpHG n.F. – in Übereinstimmung mit europarechtlichen Vorgaben –565 eine solche explizit.566 Sie bilden damit im Sekundärmarktrecht den wichtigsten (und nahezu einzigen) spezialgesetzlich ausgebildeten Informationshaftungstatbestand, dessen Gerüst im Folgenden erörtert wird.567

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Vgl. dazu Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR VI Rn 161 ff., mwN. zur damals herrschenden (eine Haftung ablehnenden) Meinung. Für die Frage, ob der Individualschutz von Privatrechtssubjekten gefordert ist, ist maßgeblich die Vorgabe, auch etwa Zielrichtung, der Richtlinie (nicht etwa einer verkürzten deutschen Umsetzung): EuGH Urt. v. 19.12.1968 – Rs. 13/68 (Salgoil), Slg. 1968, 679 (693); Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, S. 358. Bei Primärrecht wurde der Charakter als Schutznorm auch für Privatrechtssubjekte bisher stets bejaht: EuGH Urt. v. 16.12.1992 – Rs. C-17/91 (Lornoy en Zonen/Belgien), Slg. 1992, I-6523 (6555); Urt. v. 21.11.1991 – Rs. C-354/90 (Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires), Slg. 1991, I-5505 (5528); Steindorff aaO S. 305–307. Als eines der beiden konkreter benannten Mittel sah der 24. Erw.grund der MAD I vor, dass das Anlegervertrauen zu fördern sei. Eine Regel, die dem geschädigten Anleger einen Ersatzanspruch gegen den Schädiger versagt, wenn der Pflichtverstoß, seine Kausalität und die Verantwortlichkeit erwiesen sind, ist offensichtlich geeignet, Anlegervertrauen zu erschüttern. Daher für einen Anspruch des Geschädigten schon unter § 15 Abs. 6 WpHG a.F. (außerhalb von Sanierungsfällen, vgl. BT-Drucks. 12/7918 S. 102): Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR VI Rn 161–163 (auch zur Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung im Falle von § 15 Abs. 6 WpHG a.F.). Zur Problematik einer Kapitalmarktinformationshaftung im Sekundärmarkt, wo, an-

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ders als im Primärmarkt, dem Informationspflichtigen bei Falschinformation keine Werte als Gegenleistung („ungerechtfertigt“) zufließen, eine Haftung für Falschinformation bei ihm also nicht Mehreinnahmen abschöpft, sondern nur Lasten erzeugt: (inoffizieller) Entwurf eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes, abgedruckt in NZG 2004, 1042 (Stellungnahme Handelsrechtsausschuss DAV aaO 1099); Diskussionsüberblick etwa bei Fleischer ZGR 2004, 437 (439–446); Hopt/Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, Recht und Reform in der Europäischen Union, der Schweiz und den USA, 2005; Sauer, Haftung für Falschinformation des Sekundärmarktes, 2004, passim; Assmann/ Schneider/Sethe §§ 37b, 37c WpHG Rn 26 f. Zur Gesetzgebungsgeschichte speziell von §§ 37 b, 37 c WpHG Assmann/Schneider/ Sethe §§ 37b, 37c WpHG Rn 1 f.; Schwark/ Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 1–4b. Siehe ferner Barth, Schadensberechnung bei Haftung wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformation, 2006; Benzinger, Zivilrechtliche Haftungsansprüche im Zusammenhang mit Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, 2008; Schmitt, Die Haftung wegen fehlerhafter oder pflichtwidrig unterlassener Kapitalmarktinformation, 2010. Näher etwa – neben den Standardkommentaren – aus der Zeit nach der Einführung der Haftungsnorm: Möllers/Leisch BKR 2002, 1071; dies. NZG 2003, 112; Fleischer NJW 2002, 2977 (2979); Groß WM 2002, 477; Krause ZGR 2002, 799; Nietsch BB 2005, 785; Rieckers BB 2002, 1213; Wagner ZGR 2008, 495; Leisch Haftung; auch Adams, BKR 2009, 277; später v. Bernuth/Wagner/ Kremer WM 2012, 831; Hellgardt DB 2012,

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Nach §§ 97, 98 WpHG n.F. (ex-§§ 37b und 37c) besteht eine Haftung nur, wenn es sich um eine nach Art. 17 MAR (früher § 15 WpHG) publizitätspflichtige (Insider-) Information handelte, also eine, die den Emittenten „unmittelbar betraf“ (vgl. zu diesem Kriterium des Emittentenbezugs oben 6. Teil Rn 496–502). § 98 Abs. 1 (ex-§ 37c Abs. 1) statuiert dies ausdrücklich, weil ja auch Insiderinformation, die sich auf allgemeine, nicht emittentenbezogene Umstände bezieht, (versehentlich) veröffentlicht worden sein kann – obwohl Art. 17 MAR dann gar keine Veröffentlichungspflicht vorsieht. Im Rahmen von § 97 WpHG n.F. (ex-§ 37b) ist diese Einschränkung in die Neufassung ebenfalls aufgenommen worden, obwohl sie nicht wirklich nötig ist (und in ex-§ 37b auf fehlte), weil es ohne Emittentenbezug an der Veröffentlichungspflicht fehlt, deren Nichterfüllung allein § 97 WpHG n.F. sanktioniert. 259 §§ 97, 98 WpHG n.F. (und in gleicher Weise schon ex-§§ 37b und § 37c) regeln die Haftung streng parallel, in dem einen Fall für Nichterfüllung, in dem anderen für Schlechterfüllung. In Abs. 1 weicht heute nicht einmal mehr die Formel zum Emittentenbezug voneinander ab (dazu vorige Rn), sondern allein, dass in § 98 WpHG n.F. auch noch gefordert wird, dass der Geschädigte „auf die Richtigkeit der Insiderinformation vertraut“. Letzteres wird für § 97 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 37b Abs. 1) pauschal angenommen, wenn nicht Abs. 3 eingreift (dieser Absatz wiederum parallel für beide Vorschriften, vgl. sogleich). Denn während bei der unrichtigen Veröffentlichung noch denkbar ist, dass der Dritte die Information gar nicht zur Kenntnis genommen hatte (auch nicht vermittelt über eine allgemeine Anlagestimmung), ist bei der fehlenden Veröffentlichung nie auszuschließen, dass der Dritte sie erfahren hätte. Die Beschreibung der eigentlichen Tatbestände in Abs. 1 Nr. 1 und 2 erfolgt streng parallel, ebenso die Umschreibung des Haftungsmaßstabes (Abs. 2) und die Ausnahme bei Kenntnis des Geschädigten (Abs. 3) – freilich jeweils in dem einen Fall für die Unterlassung der geschuldeten Veröffentlichung, in dem anderen für die Unrichtigkeit der tatsächlich erfolgten Veröffentlichung. Gleiches galt für die (2015 aufgehobene) Verjährungsregel in Abs. 4, wobei bei der kenntnisunabhängigen Höchstfrist auf den Zeitpunkt der Entstehung der Veröffentlichungspflicht (§ 97 WpHG n.F.) bzw. der tatsächlichen Veröffentlichung abgestellt wurde (§ 98 WpHG n.F.). Und gleiches gilt schließlich auch für die Konkurrenzregel in Abs. 4 (nach alter Zählung Abs. 5) (nur vertragliche Ansprüche und Ansprüche aus vorsätzlichem Delikt) und für die Regelung des Verhältnisses zwischen Emittent und Organmitglied in Abs. 5 (ex-Abs. 6).

II. Anwendungsbereich, Tatbestand und Haftungsverhältnis (Abs. 1) 260

Mit der Einführung einer spezialgesetzlichen Haftung für Fehler bei der Ad-hoc-Publizität in §§ 37b, 37c WpHG a.F.568 – heute §§ 97, 98 WpHG n.F. – entschied sich der Ge-

568

673; ders. AG 2012, 154; Klöhn AG 2012, 345; Schmolke ZBB 2012, 165; Spindler NZG 2012, 575; zur (Un-)Anwendbarkeit auf Investoren in Derivate vgl. Bernuth/Kremer BB 2013, 2186. Zu ihrer Qualifikation (oder der parallel gelagerten Prospekthaftung) als deliktsrechtlich oder aber aus Sonderrechtsverhältnis, vor allem Vertrauenshaftung, vgl. als Protagonisten einerseits v. Bar, Vertrauenshaftung ohne Vertrauen – zur Prospekthaftung bei

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der Publikums-KG in der Rechtsprechung des BGH, ZGR 1983, 476 (496–512) (heute kaum mehr vertreten); andererseits Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag – zur Haftung aus geschäftsbezogenem Handeln, 1981, S. 6 ff.; und Canaris Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn 2276–2278. Überblicke bei Assmann/Schneider/Sethe §§ 37b, 37c WpHG Rn 17–23; Pleyer/Hegel ZIP 1986, 681; Schwark/Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 6–9. Eine eigenstän-

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

setzgeber für diesen Fall dezidiert für einen Vorrang des Anlegerschutzes gegenüber dem Gläubigerschutz durch Kapitalschutz.569 Die Haftung ruht auf drei Tatbestandsmerkmalen: 1. Nicht- oder Schlechterfüllung bestehender Ad-hoc-Publizitätspflicht. §§ 97, 98 261 WpHG n.F. umschreiben (praktisch wortgleich zu ex-§§ 37b, 37c) zunächst – umständlich – die zwei denkbaren Verstöße gegen die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität aus Art. 17 MAR: Nichterfüllung einer Ad-hoc-Publizitäts-Pflicht oder aber Fehler bei einer (geschuldeten) Ad-hoc-Publizität. Entscheidend ist also allein die Nicht- oder Schlechterfüllung einer tatsächlich bestehenden (!) Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 MAR. Für die erste Verstoßform (§ 97 WpHG n.F., ex-§ 37b Abs. 1) ist vollumfänglich zu prüfen, ob im konkreten Fall nach Art. 17 MAR eine Melde- und Veröffentlichungspflicht bestand.570 Die Voraussetzungen sind wie in Art. 17 MAR: Vorliegen einer Insiderinformation (dazu Rn 6. Teil Rn 341–358, 494 f.); Emittentenbezug der Insiderinformation (dazu 6. Teil Rn 496–502); Bezug auf ein Finanzinstrument, das zum Handel an einem Handelsplatz zugelassen ist, für das die Zulassung beantragt oder eine Genehmigung zum Handel gegeben wurde (dazu 6. Teil Rn 491 f.). Darauf kann verwiesen werden, freilich unter Betonung des Umstands, dass sich zwischen MIFID I und MiFID II der Bezugspunkt erheblich geändert hat. Dies zog auch inhaltliche Änderungen nach sich (in der angegebenen Kommentierung bereits aufgezeigt): Der Kreis der Handelsplätze, deren Inanspruchnahme (Zulassung, Zulassungsantrag oder Genehmigung von Handel) Ad-hoc-Publizitätspflichten auslöst, hat sich auf alle Handelsplätze ausgedehnt, weit über die ursprünglich allein erfassten geregelten (einschließlich börslicher) Märkte hinaus (6. Teil Rn 491 f.). Zugleich ist nunmehr der Bezugspunkt unmittelbar anwendbares EU-Recht, womit die höchste Auslegungsprärogative des EuGH noch klarer hervortritt. Für die zweite Verstoßform statuiert § 98 Abs. 1 WpHG n.F. (wie schon ex-§ 37c Abs. 1) streng parallel die gleichen drei Voraussetzungen.

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dige kapitalmarktrechtliche Qualifikation entwickelte vor allem Assmann, Prospekthaftung – als Haftung für die Verletzung kapitalmarktbezogener Informationsverkehrspflichten nach deutschem und US-amerikanischem Recht, 1985, passim. So zunehmend einheitlich die Lit., vgl. oben 6. Teil Rn 190 (zur insoweit gleichgelagerten Frage bei der Prospekthaftung), genereller etwa Bayer WM 2013, 961; C. Weber ZHR 176 (2012) 184; ausf. zu diesem Streit (ganz überwiegend auch für Vorrang des Anlegerschutzes bzw. differenzierend) GroßKommAktG/Henze § 57 AktG Rn 20; Fleischer 64. DJT 2002, S. F 73 und 99 f.; Fleischer/ Schneider/Thaten NZG 2012, 801; Krämer/ Baudisch WM 1997, 1161 (1164 f.); Renzenbrink/Holzner BKR 2002, 434 (436–439); Schwark, FS Raisch 1995, S. 269 (281– 284); Schwark/Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 10–15. Da es sich um den Widerstreit zweier auf EG-Richtlinienrecht beruhender Institute handelt, ist die Frage seit 2013 im Sinne der hM entschieden durch

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EuGH Urt. v. 19.12.2013 – Rs. C-174/12 – Hirmann/Immofinanz, ABl.EU 2014 C 52 S. 9 = ECLI:EU:C:2013:856 = EuZW 2014, 223 = NZG 2014, 215 (noch für die ursprüngliche Fassung der EG-Kapital-Richtlinie, ausdrücklich aber auch bereits für die konsolidierte Fassung der EG-Kapital-Richtlinie 2009/101/EG und ausdrücklich auch gegen eine Begrenzung des Ersatzanspruches auf die Höhe des aktuellen Börsenkurses); zu dieser Entscheidung ausf. Kalss EuZW 2014, 227; Seulen EWiR 2014, 105; Verse EuZW 2014, 375. Ganz der hM auch bereits zuneigend: BGH Urt. v. 09.05.2005 – II ZR 287/02, BB 2005, 1644 (1646). Vgl. BT-Drucks. 14/8017 S. 93; Maier-Reimer/Webering WM 2002, 1857 (1857); Groß WM 2002, 477 (485); Möller WM 2001, 2405 (2408); zögerlich Schwark/Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 18, 22 („weitgehend“), dort auch zu den Fällen teilweiser Unterlassung, Publikation im falschen Medium, Befreiung u.ä.: aaO Rn 30–34.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Damit werden aus dem Kreis der tatsächlich vorgenommenen Veröffentlichungen diejenigen herausgegriffen, bei denen in der Tat eine Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 MAR bestand. Alle anderen – rein tatsächlich erfolgten, nach Art. 17 MAR jedoch nicht geschuldeten – Veröffentlichungen (Quasi-Ad-hoc-Publizität) lösen demgegenüber (jedenfalls) nicht die Haftung nach § 98 WpHG n.F. (ex-§ 37c) aus.571 Freilich kann – wie das IKBUrteil zurecht feststellt – mit freiwilliger Veröffentlichung fehlerhafter Sekundärmarktinformation zugleich auch eine ad-hoc-publizitätspflichtige Aufklärung über den tatsächlichen Tatbestand (Engagement in US-Subprimepapieren) unterlassen worden sein.572 Mit all dem wird zugleich über den sachlichen Anwendungsbereich entschieden: hinsichtlich der einbezogenen Finanzinstrumente (an Handelsplätzen zugelassene bzw. erlaubt gehandelte) und hinsichtlich der Informationen (nur Insiderinformationen, nicht jede vertrauliche oder sonst veröffentlichte Information). Und im Sinne des IKB-Urteils kann, wenn auf eine andere Form der Veröffentlichung zurückgegriffen wurde – etwa eine bloße Pressemitteilung –, ein Anspruch doch auf § 97 WpHG n.F (ex-§ 37b) und auch § 98 WpHG n.F. (ex-§ 37c) gestützt werden.

262

2. Anlegerhandeln. Das Haftungsverhältnis besteht zwischen Emittenten (nicht Organmitgliedern, vgl. noch unten Rn 272) und Anlegern, die in Fällen von Nicht- oder Schlechterfüllung bestehender Ad-hoc-Publizitätspflicht gehandelt haben, nachdem sich der Verstoß ereignet hat und bevor er kuriert wurde. Ähnlich wie beim Insiderhandelsverbot ist die reine Untätigkeit nicht erfasst:573 Der Anleger, der es auf Grund fehlerhafter oder unterlassener Ad-hoc-Publizität unterlässt, ein Instrument abzustoßen, wird nicht geschützt. Die Möglichkeit erscheint als allzu hypothetisch. §§ 97, 98 (ex-§§ 37b, 37c), jeweils Abs. 1 Nr. 1 und 2, stellen auf den Zeitraum ab zwischen dem Verstoßzeitpunkt – im Falle des § 97 WpHG n.F. die Nichtveröffentlichung zum geschuldeten Zeitpunkt, im Falle des § 98 WpHG n.F. der Zeitpunkt der tatsächlichen (fehlerhaften) Veröffentlichung – und dem Zeitpunkt, zu dem der jeweilige Fehler kuriert wurde (Nachholung der Veröffentlichung bzw. Richtigstellung der fehlerhaften Meldung). In diesem Zeitraum (relevanter Zeitraum) muss der Anleger gehandelt haben, genauer: muss sich sein Bestand an den fraglichen Finanzinstrumenten geändert haben: Entweder hat er innerhalb des relevanten Zeitraums veräußert, was er vor Beginn des Zeitraums erworben hatte (Abbau des Bestands im relevanten Zeitraum); oder er hat innerhalb des relevanten Zeitraums erworben, ohne vor dessen Ablauf wieder zu veräußern (Aufbau des Bestands im relevanten Zeitraum). Der Endzeitpunkt ist also so gewählt, dass bei Aufdeckung der Pflichtverletzung der Schaden nicht revisibel vorliegt (eingekauftes Instrument noch im Bestand oder vor Pflichtverstoß erworbenes Instrument bereits verkauft). Mit anderen Worten: Kein Anspruch besteht demgegenüber, wenn die gegenläufigen Geschäfte (Erwerb/Veräußerung) entweder beide vor dem relevanten Zeitraum liegen oder innerhalb des relevanten Zeitraums oder nach

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572

Baums ZHR 166 (2002), 375 (397 f.) (allerdings kritisch); Fenchel DStR 2002, 1355 (1360); Schwark/Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 20, 22; außerdem von den Nachw. vorige Fn. Maier-Reimer/Webering. Dies gilt gleichermaßen für Pressemitteilungen, vgl. unten Rn 268. BGH Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10, WM 2012, 303 = NJW 2012, 1800 (IKB); dazu ausf. Hannich WM 2013, 449. Näher zum Kontext oben 6. Teil Rn 494.

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So auch (teils implizit): BT-Drucks. 14/8017 S. 93 f.; Baums ZHR 166 (2002), 375 (379); Maier-Reimer/Webering WM 2002, 1857 (1859); Fleischer 64. DJT 2002, S. F 107; Reichert/Weller ZRP 2002, 49 (55); Schwark/Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 75 f.; zum – etwas anders gearteten – Fall beim Insiderhandel oben 6. Teil Rn 382.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

dem relevanten Zeitraum. Im ersten Fall wurden sie ohnehin vor dem Verstoß getätigt und im dritten ist dieser nicht mehr aktuell. Doch auch im zweiten Fall wird davon ausgegangen, dass der Verstoß nicht kausal wurde, weil er sowohl den Erwerb als auch die Veräußerung (gleich stark, aber in gegensätzlicher Richtung) beeinflusste.574 Dies wird auch dann zu gelten haben, wenn der Anleger Kenntnis vom Normverstoß vor dessen Behebung erhielt. Denn dann handelt er beim Gegengeschäft als Insider, es wird regelmäßig am Schaden, jedenfalls jedoch an der Schutzwürdigkeit fehlen. Nicht relevant sein kann freilich im Zeitalter der Sammelverwahrung und rein elektronischer Registrierung, ob der Wechsel im Bestand dieselben Instrumente betrifft oder nur solche gleicher Art. 3. Anlegervertrauen in Normbefolgung. Der Anleger muss (im relevanten Zeitraum) 263 im Vertrauen gehandelt haben, dass sich der Emittent normkonform im Hinblick auf Art. 17 MAR verhielt. Für die fehlerhafte Ad-hoc-Publizität statuiert § 98 Abs. 1 WpHG n.F: (ex-§ 37c Abs. 1) dies explizit. Auch für § 97 Abs. 1 WpHG n.F. (ex-§ 37b Abs. 1) ist von einem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal Vertrauen in die „Normbefolgung“ auszugehen. Dieses musste nicht explizit gemacht werden, da die fehlende Veröffentlichung (Schweigen) allgemein den Eindruck hervorruft, erheblich kursrelevante nichtöffentliche Informationen seien im Bereich des Emittenten nicht eingetreten, und davon auszugehen ist, dass eine Veröffentlichung die Anlagestimmung beeinflusst hätte (Informationseffizienz der Kapitalmärkte). Weil die Formulierung insoweit anders ist als in § 23 Abs. 2 Nr. 1 WpPG (ursprünglich § 45 Abs. 2 Nr. 1 BörsG a.F.), ist die Frage nach der Kausalität, genauer: danach, ob sich die fehlerhafte oder unterbliebene Veröffentlichung überhaupt in einem Anlagervertrauen niederschlug, gesetzgeberisch nicht geklärt. Mangels planwidriger Lücke wird man die Beweislastumkehr aus dieser Norm nicht auf §§ 97 und 98 WpHG n.F. übertragen können, jedoch ist die Ad-hoc-Publizität auch nicht hinreichend ausschließliche Informationsgrundlage für Anleger, um von einer Vermutung „aufklärungsgerechten Verhaltens“, also einer regelmäßigen Neudisposition auf Grund der Ad-hoc-Veröffentlichung (trotz „status quo bias“) auszugehen.575 Der Verstoß bildet aus dem gleichen Grunde nicht einmal die Basis für einen Anscheinsbeweis, wie der Anleger bei korrekter Veröffentlichung disponiert hätte.576 574

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Vgl. BT-Drucks. 14/8017, S. 93 f.; Maier-Reimer/Webering WM 2002, 1857 (1858 f.); kritisch Fleischer 64. DJT 2002, S. F 107. BGH (Fn 572), WM 2012, 303 (310 f.). Früher wurde demgegenüber angenommen, alle Kauslitätsfragen erschöpften sich in der ohnehin stets nötigen Ermittlung des Differenzschadens: Dogan, Ad-hoc-Publizitätshaftung, 2005, S. 98; Maier-Reimer/Webering WM 2002, 1857 (1860 f.); Rimbeck, Rechtsfolgen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen im deutschen und US-amerikanischen Recht, 2005, S. 153; Spindler, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2005, S. 216 (238 f.); Schwark/ Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 90. Das ist durch die Anerkennung auch eines Anspruches auf Rückabwicklung (nächste Rn) überholt, jedenfalls dafür ist Kauslität zunächst festzustelllen.

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BGH (Fn 572), WM 2012, 303 (311); so schon vorher Möllers/Leisch in Möllers/Rotter (Hrsg.), Ad-hoc-Publizität, Handbuch der Rechte und Pflichten von börsennotierten Unternehmen und Kapitalanlagern, 2003, § 14 Rn 111–115; jüngst OLG Stuttgart Urt. v. 26.03.2015 – 2 U 102/14 – BeckRS 2015, 05690; aA vorher Fleischer/ Kalss AG 2002, 329 (333); Assmann/Schneider/Sethe §§ 37b, 37c WpHG Rn 97 f. (mwN); aA vor allem der „fraud-on-themarket“-Ansatz, nach dem der Anleger auf Grund Nichteingang der richtigen Information in den Marktpreis einen für den Wert der Anlage inadäquaten Preis erhält, es also auf seine anzunehmende Reaktion nicht ankommt: vgl. Nachw. Hopt WM 2013, 101 (107 f.); Grundsatzkritik am IKB-Urteil von einer Analyse sinnvoller Anreizstrukturen her: Klöhn AG 2012, 345 (352 ff.); Schmolke ZBB 2012, 165 (174 ff.); vorher bereits

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III. Haftungsmodalitäten (Abs. 2–6) 264

1. Haftungsmaßstab (Abs. 2). Wie in anderen Fällen der spezialgesetzlichen Informationshaftung ist die Haftung auf die Fälle vorsätzlichen und grob fahrlässigen Normverstoßes beschränkt (vgl. § 23 Abs. 1 WpPG). Dabei kann die fehlende grobe Fahrlässigkeit im Tatsächlichen zu suchen sein, es genügt jedoch auch weit gehend entschuldbarer Subsumtionsirrtum.577 Abzustellen ist bei der Ausfüllung des Haftungsmaßstabes auf professionelle Sorgfaltsanforderungen (betroffener Verkehrskreis),578 zu berücksichtigen ist freilich auch der regelmäßig gedrängte Zeithorizont, der Fehlverhalten eher entschuldigt,579 umgekehrt freilich auch der Umstand, dass und soweit die jeweilige Tatsache relativ eng umrissen ist. Ein Subsumtionsirrtum, bei dem das Merkmal des erheblichen Kursbeeinflussungspotentials im Vordergrund steht,580 wird regelmäßig als grob fahrlässig einzustufen sein, wenn die fragliche Information in den relevanten Listen als veröffentlichungspflichtig aufgeführt ist. Angesichts des Verbotes einer Veröffentlichung von Informationen, die nicht Insiderinformationen darstellen (oben 6. Teil Rn 521–522), kann im vorliegenden Zusammenhang allerdings nicht argumentiert werden, im Zweifelsfall solle stets veröffentlicht werden und sei die Nichtveröffentlichung schon deswegen grob fahrlässig. Unter Berücksichtigung all dieser Besonderheiten kann vorsichtig auch auf die Rechtsprechung zur Prospekthaftung – zum gleichen Haftungsmaßstab – rekurriert werden. Die Beweislast für fehlende grobe Fahrlässigkeit (oder Vorsatz) wird durch den klaren Wortlaut dem Emittenten auferlegt.581

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2. Kausalität, fehlende Kausalität und Schaden (Abs. 3 u.a.). Ergänzend zu den Regeln über die Kausalität des Anlegervertrauens für das Handeln im relevanten Zeitraum statuiert Abs. 3 in beiden Normen einen Ausnahmetatbestand für einen Fall, in dem es offensichtlich an einer Kausalität fehlt: bei (positiver) Kenntnis des Anlegers von dem Verstoß (Nichterfüllung oder Schlechterfüllung der Veröffentlichungspflicht) zu dem Zeitpunkt, zu dem er den schädigenden Handel tätigte (nicht Kennenmüssen, auch kein Mitverschulden in diesem Fall). 266 Als Schaden ist unstreitig nur das negative Interesse geschuldet, nach inzwischen hM neben dem Differenzschaden (wie im Rahmen von § 826 BGB) auch die Erstattung des

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(Kausalitätsanforderungen beim Differenzschaden und bei der Naturalrestitution differenzierend): Wagner ZGR 2008, 495 (511, 519 f., 532). Vgl. hierzu Maier-Reimer/Webering WM 2002, 1857 (1859); Sauer Haftung (oben Fn 566), S. 89; Assmann/Schneider/Sethe §§ 37b, 37c WpHG Rn 107; Schwark/Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 56 (dann entspr. Übernahmeverschulden). Zu fragen ist also, ob der Verstoß Angehörigen dieses Verkehrskreises (Professionellen) sofort ins Auge gestochen wäre: MünchKommBGB/Grundmann § 276 Rn 57–59, 94, 105 (mwN); auch im Bereich der Haftung (nur) für grobe Fahrlässigkeit in den verschiedensten Berufsgruppen anerkannt: BGH Urt. v. 02.12.1997 – VI ZR 386/96,

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NJW 1998, 814 (815) (Arzt); BGH Urt. v. 28.02.1963 – III ZR 207/61, VersR 1963, 652 (654); BSG Urt. v. 25.08.1981 – 7 RAr 44/80, BB 1982, 559 (Horizont eines Berufskraftfahrers); OLG Frankfurt Urt. v. 29.10. 1982 – 16 U 53/81, VersR 1983, 358 (Rechtsanwalt). Fleischer 64. DJT 2002, S. F 104; Hopt/Voigt in Hopt/Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformatoinshaftung, S. 125; und in der Tendenz Schwark/Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 52. Dazu Hopt ZHR 195 (1995), 135 (155); Maier-Reimer/Webering WM 2002, 1857 (1859); Schwark/Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 56. BR-Drucks. 936/01, S. 261; Assmann/ Schneider/Sethe §§ 37b, 37c WpHG Rn 108.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

Kaufpreises gegen Rückgabe der Anlage.582 Bei der Ermittlung des Differenzschadens kann demgegenüber nicht schlicht der gegenwärtige Preis der Anlage vom Kaufpreis abgezogen werden, sondern muss – regelmäßig unter Angebot von Sachverständigenbeweis – der Schaden speziell aus der Fehlmeldung ermittelt und dabei insbesondere der Effekt von Kursbewegungen der Kapitalmärkte insgesamt herausgerechnet werden.583 3. Verjährung (Abs. 4 – aufgehoben). In Anlehnung an die einschränkenden Tatbe- 267 standsmerkmale bei der Prospekthaftung, mit denen der Vergänglichkeit der Anlagestimmung Rechnung getragen wurde, war auch die Verjährung für Ersatzansprüche aus Verstößen gegen Art. 17 MAR (damals § 15 WpHG a.F.) abgekürzt: Die Verjährungsregelung war auch hier zweigeteilt wie im allgemeinen Verjährungsregime (§§ 195, 199 BGB), jedoch mit kürzeren Fristen.584 Die (kenntnisunabhängige) Höchstfrist von drei Jahren lief an zum oben beschriebenen Zeitpunkt, der den Anfang des relevanten Zeitraums bezeichnet – Nichtveröffentlichung bei Entstehen der Veröffentlichungspflicht oder Veröffentlichungszeitpunkt bei fehlerhafter Veröffentlichung (vgl. oben Rn 262). Die kenntnisabhängige Verjährungsfrist betrug nur ein Jahr, freilich wollte der Gesetzgeber insoweit (anders als im allgemeinen Verjährungsregime) grob fahrlässige Unkenntnis des Anlegers noch nicht genügen lassen (vorige Fn). Dieses Regime wurde freilich 2015 aufgehoben, es gilt seitdem das allgemeine Verjährungsregime (mit den gleichen Fristanlaufregeln, freilich den längeren Fristen)585 – nachdem die wichtigsten sonstigen Sonderverjährungsregime des Kapitalmarktrechts bereits zuvor gestrichen worden waren (dasjenige zur Haftung für Beratungsfehler 2009, unten Rn 277–279, und dasjenige zur Prospekthaftung 2012, 6. Teil Rn 225).

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BGH (Fn 572), WM 2012, 303 (309 f.); und jüngst Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Spindler Kap. 33 Rn 212; so schon vorher Leisch ZIP 2004, 1573 (1578 f.); auch Möllers AcP 208 (2008), 1 (27 f.); aA vorher jedoch Baums ZHR 167 (2003), 139 (185–190); Fleischer BB 2002, 1869 (1871 f.); Fleischer/Kalss AG 2002, 329 (331 ff.); Schwark/Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 86–89; dagegen weiterhin Fuchs/Fuchs §§ 37b, 37c Rn 18–42; Mülbert/Sajnovits ZfPW 2016, 1 (43 f.). OLG München Urt. v. 18.07.2002 – 19 U 5630/01, NZG 2002, 1110 (EM.TV); Assmann/Schneider/Sethe §§ 37b, 37c WpHG Rn 93–96; Fleischer BB 2002, 1869 (1873); Schwark/Zimmer/Grotherr §§ 37b, 37c WpHG Rn 91–93; vgl. auch BGH Urt. v. 09.05.2005 – II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270 (1274 f.) (EM.TV). Zu diesem Ziel vgl. BT-Drucks. 14/8017 S. 94 (zugleich auch Vereinheitlichung der wichtigsten kapitalmarktrechtlichen Haftungstatbestände, insbesondere auch Prospekthaftung, vgl. aaO S. 81, 104, 109); kri-

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tisch Rössner/Bolkart ZIP 2002, 1471 (1477); kritische Stellungnahme auch des Bundesrates vom 20.12.2001 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/8017, S. 155; positiv Fenchel DStR 2002, 1355 (1360). Zur Besonderheit gegenüber dem allgemeinen Regime, dass die (kenntnisabhängige) kürzere Verjährungsfrist nur bei positiver Kenntnis zu Laufen begann, nicht schon bei Kennenmüssen, vgl. Schwark/Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 96. Kleinanlegerschutzgsetz vom 03.07.2015 (vgl. oben Rn 13 Fn 51), der Abs. 4 mit Wirkung vom 10.07.2015 aufhob. Ziel war auch dort die Anpassung an das allgemeine Regime, vgl. BT-Drucks. 18/4708, S. 67. Zum neuen Regime vgl. die entsprechend geltenden Überlegungen zum Fristanlauf (Schaden) unten Rn 279 und Druckenbrodt, Die Streichung der Sonderverjährungsvorschriften im WpHG – wirklich ein Schutz für Kleinanleger? NJW 2015, 3749; von Katte/Berisha BKR 2016, 409 (410); sowie für die Fragen des intertemporalen Rechts Piekenbrock NJW 2016, 1350.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

4. Konkurrenzen und Ansprüche nach bürgerlichem Recht (Abs. 5)

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a) Grundsatzausschluss konkurrierender Ansprüche. Die Konkurrenzen regelt jeweils Abs. 5 identisch für Fälle der Nichtveröffentlichung und der fehlerhaften Veröffentlichung. Alle konkurrierenden Ansprüche sind ausgeschlossen (Abs. 5 e contrario),586 es sei denn, sie beruhen auf Vertrag oder vorsätzlicher unerlaubter Handlung. Damit ist explizit ausgeschlossen, dass Art. 17 MAR (§ 15 WpHG a.F.) als Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB verstanden wird.587 Ebenfalls ausgeschlossen ist es, ohne Vorliegen eines konkreten rechtsgeschäftlichen Kontakts (neben dem gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsverhältnis) ein vertragliches Verhältnis anzunehmen; denn andernfalls würde die Haftungsprivilegierung in Abs. 2 konterkariert. Angesichts des Bestehens eines durchaus wirkungsvollen zivilrechtlichen Anspruchs – gleich wirkungsvoll wie bei der Prospekthaftung – bestehen auch keine europarechtlichen Ansatzpunkte mehr für eine Korrektur.588 Freilich gilt die Sperrwirkung nicht für andere Veröffentlichungen, die nicht als Ad-hoc-Publizität einzuordnen sind, also auch nicht §§ 97, 98 WpHG n.F. unterfallen, namentlich Pressemitteilungen, die nicht Art. 17 MAR zugeordnet werden und hiervon abzugrenzen sind.589

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b) Ausnahmen nach bürgerlichem Recht. Die Annahme eines vertraglichen Verhältnisses und Anspruchs ist daher auf extreme Ausnahmefälle beschränkt. Nicht heranzuziehen sind die Grundsätze über die Prospekthaftung Bürgerlichen Rechts. Insoweit fehlt es – unabhängig davon, ob die punktuelle Ad-hoc-Mitteilung einem Prospekt wertungsmäßig vergleichbar ist590 und ob die allgemeine bürgerlichrechtliche Prospekthaftung nicht durch Kodifikation nach §§ 20 f. VermAnlG überkommen ist – an der (von der Rechtsprechung immer geforderten) Regelungslücke.591

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Kleinmann Ad-hoc-Publizität S. 50; Schwark/Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 102–104. BT-Drucks. 12/7918, S. 102; BGH Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 402/02, WM 2004, 1721 (1722) (Infomatec I); BGH Urt. v. 19.07. 2004 – II ZR 217/03, NJW 2004, 2668 (2269 f.); (Infomatec II); BGH Urt. v. 19.07. 2004 – II ZR 218/03, NJW 2004, 2664 (2265) (Infomatec III); Assmann/Schneider/ Sethe §§ 37b, 37c WpHG Rn 129; auch BVerfG Urt. v. 24.9.2002 – 2 BvR 742/02, NJW 2003, 501 (502 f.). Dazu früher Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR VI Rn 163. Hierzu und insbesondere zur (fehlenden bzw. bestehenden) Anwendbarkeit von §§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG oder 826 BGB: BGH Urt. v. 04.06.2007 – II ZR 147/05, WM 2007, 1557 (1559 f.); BGH (Fn 572), WM 2012, 303 (305); OLG Düsseldorf Urt. v. 19.06.2009 – I-22 U 2/09, 22 U 2/09, WM 2009, 1655 (1655 f); OLG Düsseldorf Urt.v. 27.01.2010 – I-15 U 230/09; OLG Düsseldorf Urt. v. 04.03.2010 – I-6 U 94/09 und 6 U 94/09, AG 2011, 31.

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Dagegen (Ad-hoc-Mitteilung keineswegs in gleichem Maße „einzige“ Informationsquelle für den Anleger): BGH Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 218/03, NJW 2004, 2664 (2664) (Infomatec III); Groß Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2016, § 21 WpPG Rn 25; BankRHdb/Siol § 45 Rn 47 ff.; dafür (meist ohne nähere Diskussion der Unterschiede) Barnert WM 2002, 1473 (1483); Rotter in Möllers/ Rotter (Hrsg.), Ad-hoc-Publizität, Handbuch der Rechte und Pflichten von börsennotierten Unternehmen und Kapitalanlegern, 2003, § 18 Rn 54–57; Schäfer/Hamann §§ 44, 45 BörsG Rn 1. Zur Ablehnung auch sonstiger Arten eines „vertraglichen“ Verhältnisses vgl. nur Assmann/Schneider/Sethe §§ 37b, 37c WpHG Rn 124 (mwN). BGH Urt. v. 06.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 (341) = NJW 1981, 1449. Gegen eine Anwendung dieser Grundsätze daher auch BGH Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 402/02, NJW 2004, 2971 (Infomatec I); BGH Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 218/03, NJW 2004, 2664 (2664) (Infomatec III); BGH Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 217/03, NJW 2004, 2668 (Abdruck dieser Partie in WM 2004, 1726 [1727]) (Infomatec II).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

Deliktisch kann auf § 823 Abs. 2 iVm. §§ 264a StGB und 400 AktG (Abs. 1) gar nicht 270 zurückgegriffen werden, da es bei der Ad-hoc-Publizität an einer – dort vorausgesetzten – Zusammenstellung von einer gewissen Vollständigkeit fehlt.592 Auf § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 StGB kann ab dem Zeitpunkt rekurriert werden, ab dem die (bedingt vorsätzliche) Unterlassung bzw. Falschmitteilung eine Vermögensgefährdung hervorgerufen hat – nicht notwendig schon im Zeitpunkt des Verstoßes, solange der Wiederverkauf noch ohne Beeinflussung durch den Verstoß möglich ist, oder in Fällen, in denen der Pflichtige realistischerweise hofft, dass sich ein zu früh gemeldeter Erfolg noch realisieren wird.593 c) Insbesondere § 826 BGB. Angesichts dieser Beschränkungen bildet die zentrale An- 271 spruchsgrundlage § 826 BGB,594 für die auch die wichtigsten Haftungsvoraussetzungen höchstrichterlich geklärt erscheinen: Der BGH gesteht dem Anleger im Rahmen dieser Anspruchsgrundlage das Recht zu, gegen Rückgabe der Anlage den ursprünglichen Kaufpreis rückabzuwickeln.595 Der Vorsatz muss sich auf die tatsächliche Grundlage des Sittenwidrigkeitsurteils beziehen (nicht das Sittenwidrigkeitsurteil selbst), also nur auf Unrichtigkeit bzw. Veröffentlichungspflicht, daneben auf das Schädigungspotential; für alles genügt jedoch (wie allgemein bei § 826 BGB) billigende Inkaufnahme, die aus den Umständen geschlossen werden kann.596 Für die Kausalität wird auf eine „einzelfallbezogene konkrete Anlagestimmung“ abgestellt. Anders als bei der Prospekthaftung wird eine solche zwar

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Für § 264a StGB etwa Joecke, Anleger- und Verbraucherschutz durch das 2. WiKG, wistra 1986, 142 (144); Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl. 2014, § 264a Rn 10; BGH Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134 (140 f.) = NJW 2004, 2664 (2666) (Infomatec III); für § 400 AktG BGH Urt. v. 19.07. 2004 – II ZR 217/03, NJW 2004, 2668 (Informatec II); GroßkommAktG/Otto, 4. Aufl. 1997, § 400 Rn 32 f. („Gesamtüberblick“ nötig, mwN); Gegenbeispiel OLG Stuttgart Urt. v. 08.02.2006 – 20 U 24/04, ZIP 2006, 511 (512) (Ad-hoc-Mitteilung in Form einer Aufstellung von Halbjahreszahlen); dazu auch Mülbert/Sajnovits ZfPW 2016, 1 (47). Assmann/Schneider/Sethe §§ 37b, 37c WpHG Rn 132; Spindler Unternehmensorganisationspflichten S. 224; für eine Anwendung von §§ 3, 5 UWG OLG Hamburg Urt. v. 19.07.2006 – 5 U 10/06, NJW-RR 2006, 1637; ausf. zu beidem Schwark/Zimmer/ Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 112 f. (selbst vor allem auf fehlende Stoffgleichheit abstellend). Dazu schon Gehrt Ad-hoc-Publizität S. 195; ausführlich Leisch Haftung; Assmann/ Schneider/Sethe §§ 37b, 37c WpHG Rn 140–145; Möllers/Leisch WM 2001, 1648; Schwark/Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 114 ff.; Möllers/Leisch in Möllers/Rotter (Hrsg.), Ad-hoc-Publizität, Handbuch der Rechte und Pflichten von börsennotierten Unternehmen und Kapitalanle-

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gern, 2003, § 15; Hopt/Voigt in Hopt/Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 279 f.; jüngst Fuchs/ Fuchs Vor §§ 37b, 37c WpHG Rn 30–56; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Spindler Kap. 33 Rn 68–72. Insbesondere wird es – angesichts der Vorsätzlichkeit – nicht für unbillig angesehen, dem Pflichtigen auch die Gefahr negativer Kursentwicklungen aufzubürden: BGH Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 217/03, NJW 2004, 2668, (2669) (Infomatec II); BGH Urt. v. 09.05.2005 – II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270, 1271 f. (EM.TV); Möllers/Leisch in Möllers/ Rotter (Hrsg.), Ad-hoc-Publizität, Handbuch der Rechte und Pflichten von börsennotierten Unternehmen und Kapitalanlegern, 2003, § 15 Rn 28–52; jüngst Fuchs/Fuchs Vor §§ 37b, 37c WpHG Rn 49–50. BGH Urt. v. 14.04.1986 – II ZR 123/85, WM 1986, 904 (906); BGH Urt. v. 27.01.1994 – I ZR 326/91, NJW 1994, 2289 (2291); BGH Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 402/02, WM 2004, 1721 (1725) (Infomatec I); BGH Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 217/03, NJW 2004, 2668 (2670) (Infomatec II); näher Spindler Unternehmensorganisationspflichten S. 227–229; Möllers/Leisch in Möllers/Rotter (Hrsg.), Ad-hoc-Publizität, Handbuch der Rechte und Pflichten von börsennotierten Unternehmen und Kapitalanlegern, 2003, § 15 Rn 78–81.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

nicht pauschal angenommen, weil die Ad-hoc-Publizität nicht ähnlich ausschließlich die maßgebliche Informationsbasis bildet. Es bleibt also grds. bei der Beweislast des Anlegers,597 jedoch kann eine „einzelfallbezogene konkrete Anlagestimmung“ durchaus im Einzelfall angenommen werden, wenn der abgelaufene Zeitraum nicht allzu lang ist (sechs bis neun Monate regelmäßig zu lang),598 also die Tatsache in einem solchen Verhältnis zum abgelaufenen Zeitraum steht, dass ihr Kursbeeinflussungspotenzial zu diesem Zeitpunkt noch plausibel erscheint.

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5. Emittenten- und Organhaftung (Abs. 6). Primärverantwortlicher ist – nach dem in beiden Vorschriften identischen Abs. 6 – der Emittent, nicht jedes Organmitglied. Dafür sprach vor allem die höhere Bonität.599 Freilich wollte der Gesetzgeber nur eine Emittentenhaftung begründen, nicht eine Organhaftung präkludieren, weshalb eine Mithaftung des Organmitglieds als Mittäter oder Gehilfe nach § 830 Abs. 2 BGB – freilich nur bei Vorsatz! – zu bejahen sein dürfte.600 Zudem darf die aus dem Innenverhältnis begründete Verantwortlichkeit der Organmitglieder dem Emittenten gegenüber nicht im Voraus ermäßigt oder erlassen werden (vgl. dazu insbes. §§ 93 Abs. 4, 5, 116, 136 Abs. 1 S. 1, 309 Abs. 3 S. 1 AktG).

IV. Annex: Haftung für den Verstoß gegen Wohlverhaltensregeln 273

1. Verstoß gegen kundenbezogene und gegen organisationsbezogene Wohlverhaltenspflichten. Die Wohlverhaltensregeln unterfallen nach dem Gesagten in zwei Teile. Das sind solche, die an das Verhältnis zum Kunden anknüpfen (und hier in Teil 8 zum individuellen Bank-Kunden-Verhältnis kommentiert werden, §§ 63–71 WpHG n.F.). Daneben treten solche, die die innere Organisation des Wertpapierdienstleisters betreffen (und gesondert in Teil 7 zur Organisation der Wertpapierdienstleister kommentiert werden, §§ 80 ff. 597

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Nicht einmal bei „extrem unseriöser“ Darstellung umgekehrt nach OLG Düsseldorf Urt. v. 19.06.2009 – I-22 U 2/09, WM 2009, 1655 (allerdings für bloße Pressemitteilungen); für die Beweislast grds. BGH Urt. v. 04.06.2007 – II ZR 147/05, WM 2007, 1557. BGH Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134 (147 f.) = NJW 2004, 2664 (2667 f.) (Infomatec III); BGH Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 217/03, NJW 2004, 2668 (2671) (Infomatec II); näher dazu etwa OLG Stuttgart Urt. v. 08.02.2006 – 20 U 24/04, ZIP 2006, 511 (512–514); Leisch ZIP 2004, 1573 (1577); Möllers/Leisch in Möllers/Rotter (Hrsg.), Ad-hoc-Publizität, Handbuch der Rechte und Pflichten von börsennotierten Unternehmen und Kapitalanlegern, 2003, § 15 Rn 55–65. Zur (örtlichen) Zuständigkeit (am Ort der Börse, an der Papier zugelassen) vgl. OLG Frankfurt Urt. v. 05.06.2010 – 21 AR 50/10, ZIP 2010, 2217 = NZG 2011, 32.

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Fleischer 64. DJT 2002, S. F 99; Schwark/ Zimmer/Grotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 4 (auch zu weiteren Gründen). Ebenso Schwark EWiR 2001, 1049 (1050); Rieckers BB 2002, 1213 (1221); Spindler Unternehmensorganisationspflichten S. 232–234; dagegen Maier-Reimer/Webering WM 2002, 1857 (1864); Möllers/Leisch in Möllers/Rotter (Hrsg.), Ad-hoc-Publizität, Handbuch der Rechte und Pflichten von börsennotierten Unternehmen und Kapitalanlegern, 2003, § 14 Rn 140; Schwark/ZimmerGrotheer §§ 37b, 37c WpHG Rn 130. Zum genannten Gesetzgeberwillen vgl. BTDrucks. 14/8017 S. 93 f. Obsolet dürften demgegenüber Stellungnahmen in der Literatur sein, Verstöße gegen Art. 17 MAR (damals § 15 WpHG) müssten als Schutzgesetz qualifiziert und zumindest eine persönliche Haftung der verantwortlichen Organmitglieder auslösen, vgl. Nachw. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR VI Rn 161–163.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

WpHG n.F., zusammen mit dem Organisationsrecht für Märkte, §§ 72–79 WpHG n.F.). Dem allgemeinen Bank-Kunden-Verhältnis ist auch das Haftungsregime bei Verstößen gegen §§ 63 ff. WpHG n.F. zuzurechnen. Es bildet heute nicht mehr Gegenstand einer gesonderten Regel zur Haftung, sondern folgt allgemeinen Grundsätzen (vgl. zum Haftungsregime in diesen Fällen daher bereits oben Rn 223–225). Auch die diesbezügliche Sonderverjährungsregel in § 37a WpHG a.F. ist seit einiger Zeit aufgehoben und durch das allgemeine Verjährungsregime ersetzt (vgl. Kurzüberblick dazu unten Rn 277–279). Parallel stellen sich Haftungsfragen freilich auch für den Verstoß organisationsbezogener Vorgaben. Auf die wichtigsten drei, bei denen auch eine Haftung gegenüber dem Kunden bei Verstößen in besonderem Maße im Raume steht, ist im Folgenden überblicksweise einzugehen. Es handelt sich um die Grundnorm zu Organisationsanforderungen (§§ 80, 81 WpHG n.F.) sowie die Dokumentations- und die Trennungspflichten (§§ 83, 84 WpHG n.F.), bei denen beiden eine Ausrichtung am Kundeninteresse besonders deutlich ist. 2. Verstoß gegen ausgewählte Organisationsanforderungen im Besonderen a) Verstoß gegen die allgemeinen Organisationsanforderungen (§§ 80, 81 WpHG n.F., 274 ex-§ 33). Anknüpfend an die immer detailliertere Ausgestaltung der allgemeinen Organisationsanforderungen (§§ 80, 81 WpHG, ex-§ 33) – und der entsprechend detaillierten Kommentierung im 7. Teil Rn 27–90 – stellt sich die Frage, ob Verstöße auch Relevanz für das Bank-Kunden-Verhältnis haben, namentlich Haftungsfolgen zeitigen. Fraglich ist hierfür im Ausgangspunkt, ob §§ 80, 81 WpHG n.F. (ex-§ 33) als aufsichtrechtliches Regime zu qualifizieren sind, das allein im öffentlichen Interesse erging,601 oder aber als Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB und evtl. gar als vertraglich geschuldeter Standard.602 Der BGH lehnte den Schutzgesetzcharakter ab, zunächst für die alte Fassung.603 Hauptargument war, dass die Schutzrichtung nicht klar genug umrissen sei.604 Wichtig ist, dass die Frage letztgültig der EuGH entscheidet, eine Vorlagepflicht besteht nach seiner C.I.L.F.I.T.Rechtsprechung für den BGH, falls das von ihm vertretene Ergebnis nicht über jeden Zweifel erhaben ist (näher 1. Teil Rn 113, 5. Teil Rn 142). Letzteres ist eindeutig nicht der Fall, da es anderslautende höchstrichterliche Rechtsprechung in zumindest einem (wichtigen) anderen Mitgliedstaat gibt,605 also sogar die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht nach

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Kümpel/Veil Wertpapierhandelsgesetz S. 177; Assmann/Schneider/Koller Vor § 31 WpHG Rn 1 f. sowie 4. Aufl. 2006, § 33 Rn 1 (BTDrucks. 12/7918 S. 105, auf die sich Koller beruft, betrifft allerdings nur § 34 WpHG); heute Fuchs/Fuchs Vor § 33 WpHG Rn 6. So (richtlinienbezogen) Ferrarini CMLR 31 (1994) 1283 (1304–1306). Grundmann EGSchuldvertragsrecht 4.20 Rn 13–15; vgl. allgemeiner Fuchs/Fuchs Vor §§ 31 ff. WpHG Rn 81–83a; und schon oben Rn 125. BGH Urt. v. 08.05.2001 – XI ZR 192/00, BGHZ 147, 343, 350 = NJW 2002, 62; BGH (Fn 299), BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876 (1878); zustimmend Schwark/Zimmer/ Fett § 33 Rn 4; Sethe Vermögensverwaltung S. 762 ff. Etwa (kein hinreichend klarer Kundenbezug): Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714

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(1716). Dem steht entgegen, dass bei der Auslegung der §§ 80 f. WpHG n.F. (ex-§ 33) unstreitig das Kundeninteresse Vorrang genießt: Hopt, Interessenwahrung und Interessenkonflikte im Aktien-, Bank- und Berufsrecht – Zur Dogmatik des modernen Geschäftsbesorgungsrechts, ZGR 2004, 1 (39); Lang Informationspflichten, § 8 Rn 1; durchaus auch Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1716); und heute Fuchs/Fuchs Vor §§ 31 ff. WpHG Rn 105. So spricht man sich etwa in Italien überwiegend für eine Vertragspflicht aus, wichtige Organisationspflichten zu erfüllen: vgl. Corte di Cassazione vom 17.02.2009, Urt. 3773/2009, Banca, Borsa, titoli di Credito 2012, 1, II, 38, Abschnitte 3.1 und 3.2; Ferrarini in Visentini, Trattato della responsabilità contrattuale, 2009, II, S. 755; ausf. zur

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

einer deutlich restriktiveren Literaturmeinung vorliegen, die (nach deutschem Vorbild) eine Vorlagepflicht auf die Fälle schon bestehender divergierender höchstrichterlicher Rechtsprechung beschränken will, in diesen Fällen jedoch einschränkungslos bejaht. Schon bisher ergaben sich Zweifel im nationalen Recht, die sich noch verstärkt haben; zugleich zeitigen diese Wirkung auch auf EU-Ebene: Im Vordergrund stehen zwar die Compliance-Regeln, aus den sonstigen Organisationsregeln zu „Verfahren und Mitteln“ ergeben sich jedoch Rückschlüsse. Organisationsverschulden nach unbenannten Regeln galt stets als anspruchsbegründend,606 was sich durch Verabschiedung des (anlegerschützenden) WpHG nicht geändert haben sollte. Daher spricht schon im nationalen Recht Vieles dafür, Gleiches erst recht für die Organisationsregeln anzunehmen, die der Gesetzgeber als regelungsbedürftig und besonders wichtig ansah (Compliance). Dass diese – systemwidrig – im Privatrecht sanktionslos bleiben sollten, müsste durch besonders starke Indizien (in der Gesetzgebungsgeschichte) dargetan werden. Im Gesetzgebungsverfahren findet sich eine Stellungnahme dahingehend jedoch nur für § 83 WpHG n.F. (ex-§ 34, nächste Rn). Umgekehrt ist heute (jedenfalls) für die Vermeidung von Interessenkonflikten als letzte Stufe eine Aufklärung im Kundenverhältnis vorgesehen und zwar zu jedem verbleibenden Konflikt, dh. jedem Defizit bei der Konfliktvermeidung kraft Organisation – Vergleichbares sollte angesichts der Dichte der Informationsregeln im Kundenverhältnis auch für andere Organisationsdefizite gelten. Damit werden (unaufgedeckte) Organisationsdefizite durchaus ins Kundenverhältnis gezogen. Das Ergebnis wird gestützt durch den EU-rechtlichen Befund: Nach der EuGH-Rechtsprechung dürfen Organisationspflichten, die im EU-Recht fußen, nicht milder sanktioniert werden als die ungeschriebenen, die sich autonom aus deutschem Recht ergeben (Verbot einer Diskriminierung EU-rechtlich fundierter Verhaltens-, etwa Organisationsanforderungen gegenüber autonom nach nationalem Recht gesetzten Parallelanforderungen).607

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b) Verstoß gegen Dokumentationspflichten (§ 83 WpHG n.F., ex-§ 34). Unter den Wohlverhaltensregeln iwS war die Dokumentationspflicht als einzige schon seit Verabschiedung des WpHG und unabhängig von einer konkreten Anforderung durch das BAWe nach § 35 WpHG a.F. bußgeldbewehrt nach § 39 WpHG a.F. (heute § 120 WpHG n.F., vgl. dort). Dies belegt die „strategische“ Bedeutung der Pflicht, ohne deren Einhaltung eine Sanktionierung – auch zivilrechtliche Sanktionierung – von Verstößen gegen Wohlverhaltens- und Organisationsanforderungen generell erheblich erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. Im deutschen Recht wurde bisher der individualschützende Charakter der Norm dennoch praktisch einhellig verneint.608 Dies hat vor Einfügung (zu früheren, in-

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Herleitung einer Vorlagepflicht (sie im Erg. bejahend) Herresthal WM 2012, 2261; vgl. auch Hellgardt AG 2012, 154 (164 f.). Vgl. nur BGH Urt. v. 08.07.1980 – VI ZR 158/78, NJW 1980, 2810 (2811); MünchKommBGB/Wagner § 823 Rn 380 f.; zum vorsätzlichen Organisationsverschulden bei der Anlageberatung OLG Stuttgart Urt. v. 16.3.2011 – 9 U 129/10, BKR 2011, 250; LG München I Urt. v. 15.12.2011 – 28 O 26515/10, BKR 2012, 28; dazu auch Harnos BKR 2012, 185. EuGH Urt. v. 21.09.1989 – Rs. 68/88 (Kommission ./. Griechenland), Slg. 1989, 2965

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(2985); Urt. v. 10.7.1990 – Rs. C-326/88 (Hansen), Slg. 1990, I-2911 (2935); für weitere Beispiele aus dem Kapitalmarktrecht Grundmann, Die Auslegung angeglichenen Kapitalmarktrechts, insbesondere der Sanktionsregeln, in: Schulze (Hrsg.), Auslegung europäischen Privatrechts und angeglichenen Rechts, 1999, 63 (79–81); für weitere Einzelheiten etwa Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl. 2006, Rn 220–225; ders. EU-Vertragsrecht, 2013, S. 11 f., 109 f. und oben 1. Teil Rn 113. Vgl. als Grundlage für den entsprechenden Gesetzgeberwillen BT-Drucks. 12/7918

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

haltlich aber gleichen Gesetzesfassungen) auch der BGH (wieder) bestätigt und (anders als etwa im Arztrecht) eine Umkehr der Beweislast bei Verletzung der Dokumentationspflichten verneint, weil nur die Ausführung zu dokumentieren sei und die Richtlinien der BaFin keine Rechtssatzqualität haben.609 Für diese Meinung konnte damals immerhin auf den Umstand verwiesen werden, dass die Dokumentationspflicht die Einzige war, die im WpHG (§ 34 in der Ursprungsfassung) und in der WpDl-RL (Art. 10 S. 2 4. Spiegelstrich) gleichermaßen allein darauf zugeschnitten war, „den Behörden … die Kontrolle … zu ermöglichen.“ Dennoch ergab sich schon damals aus EU-Recht und der Zielefestlegung Gegenteiliges.610 Spätestens seit der MiFID I und dem FRUG (ergänzt durch die WpDVerOV) war der zuvor herrschenden Meinung die Grundlage entzogen: Die WpDVerOV hat(te) Rechtsnormcharakter – so wie heute die DV 2017/565 –, zudem ist heute die Einhaltung sämtlicher Verpflichtungen nach dem WpHG/MiFID II – explizit „einschließlich denen gegenüber den Kunden“ – zu dokumentieren (vgl. Art. 16 Abs. 6 MiFID II, der im 57. Erw.grund vor allem mit „Anlegerschutz“ gerechtfertigt wird). Wenn der EuGH fordert, dass Sanktionen für autonom vom nationalen Gesetzgeber statuierte Pflichten und für vergleichbare Pflichten, die in EU-Recht fußen, gleich streng zu fassen sind (Nachw. oben Rn 274 Fn 617), so ergibt sich aus der Rechtslage im deutschen Arztrecht eines zwingend. Wenn dort die Dokumentationspflicht mit der Professionalität des Dienstleisters und Nachweisschwierigkeiten begründet wird,611 so ist ein Unterscheidungsgrund zum Wertpapierhandelsrecht nicht plausibel darzutun – jedenfalls nicht mehr in der vertragsrechtlichen Beziehung und nicht mehr seit der Reform durch die FM-Runter MiFID I und II und Umsetzung im FRUG und 2. FiMaNoG. Die Gleichheit im Regelungszweck führt dann dazu, dass wie im deutschen Arztrecht auch im Rahmen von § 83 WpHG n.F. (ex-§ 34) eine Beweislastumkehr befürwortet werden muss.612 Aus Sicht allein des deutschen Rechts spricht für diese Lösung zudem, dass seit Einführung des § 83 Abs. 3–5 WpHG n.F. (ex-§ 34 Abs. 2a und 2b) die Dokumentationspflicht nunmehr auch das Herzstück des Verpflichtungsgeschäftes betrifft und dies allgemein „für Zwecke der Beweissicherung“.

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S. 105. So (freilich stets nur im Hinblick auf Schadensersatzansprüche) auch: Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn 16.610; Assmann/Schneider/Koller § 34 WpHG Rn 4; weiterhin Franck BKR 2012, 1 (5 f.); Fuchs/Fuchs § 34 Rn 2; Zweifel wirft freilich in jüngerer Zeit allgemein das BGHUrteil zum Transparenzgebot bei Kick-backs von 2014 auf, vgl. Balzer/Lang BKR 2014, 377 (379 f., 381); Jordans BKR 2015, 309 (311); Weck BKR 2014, 374 (376 f.); und Fn im Folgenden. BGH Urt. v. 24.01.2006 – XI ZR 320/04, NJW 2006, 1429 (1430 f.). Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001, BankR VI Rn 277. BGH Urt. v. 27.06.1978 – VI ZR 183/76, BGHZ 72, 132 (138 f.); BGH Urt. v. 28.6.1988 – VI ZR 217/87, NJW 1988, 2949; Urt. v. 24.1.1989 – VI ZR 170/88,

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NJW 1989, 2329; Katzenmeier in Laufs/ Katenmeier/Lipp (Hrsg.), Arztrecht, 7. Aufl. 2015, XI. Rn 108–111; Katzenmeier in: Baumgärtel/Laumen/Prütting (Hrsg.), Handbuch der Beweislast, 3. Aufl. 2010, § 823 BGB Anh. II Rn 48 ff. Schon im Anschluss an das FRUG vorsichtig in diese Richtung auch Kumpan/Hellgardt DB 2006, 1714 (1719 f.) („nicht ausgeschlossen“); Einsele JZ 2008, 477 (485 f.); vergleichbar Spindler/Kasten WM 2006, 1245 (1249); ähnlich noch für das alte Recht für eine auch individuelle Schutzrichtung: KölnKomm WpHG/Möllers § 34 Rn 2; aA Balzer ZBB 2007, 333 (344 f.); entschieden gegen Beweislastumkehr Schäfer WM 2007, 1872 (1879); heute wohl dezidiert für Erheblichkeit auch im Zivilrecht Balzer/Lang BKR 2014, 377 (379 f., 381); Jordans BKR 2015, 309 (311); Weck BKR 2014, 374 (376 f.).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

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c) Verstoß gegen Trenngebote (§ 84 WpHG n.F., ex-§ 34a). Neben der Dokumentationspflicht waren die Trenngebote nach § 34 a WpHG a.F. (heute § 84 WpHG n.F.) die ersten, die (unabhängig von konkreter Anforderung durch das BAWe nach § 35 WpHG) bußgeldbewehrt waren. Heute sind sie durch § 120 Abs. 8 Nr. 127–133 WpHG n.F. (ex-§ 39 Abs. 3 Nr. 4–9) sanktioniert. Die Trenngebote im DepotG (Effekten) und im allgemeinen Treuhandrecht (Gelder) wurden bisher selbstverständlich als individualschützend verstanden.613 Der Kunde hat zivilrechtliche Erfüllungs- oder Schadensersatzansprüche. Die Verabschiedung des (anlegerschützenden) WpHG sollte dies nicht ändern,614 auch der 29. Erwägungsgrund WpDl-RL, der 26. Erw.grund MiFID I und der 51. Erw.grund MiFID II fordern hier individuellen Anlegerschutz („Eigentumsrechte“).

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3. Allgemeines Verjährungs- und (früheres) Sonderverjährungsregime (§ 37a WpHG a.F.). Die Verjährung von Ansprüchen aus Verstößen gegen Wohlverhaltenspflichten nach dem 11. Abschnitt (damals 6. Abschnitt) war bis zum Gesetz zum Schuldverschreibungsund Anlegerschutzrecht von 2009 (Rn 13) in § 37a WpHG a.F. gesondert geregelt, nach Aufhebung des Sonderregimes unterliegt sie dem allgemeinen Regime. Interessant an dem Umstand, dass der Gesetzgeber solch ein Sonderregime im WpHG unter Hinweis auf die Besonderheiten der vom WpHG geregelten Markttransaktionen einführte ist u.a. (unabhängig von seiner späteren Aufhebung), dass der Bundesgerichtshof die WpHG-Standards dennoch nicht für maßgeblich in Privatrechtsbeziehungen hielt und hält. Er zog dabei einen abweichenden Gesetzgeberwillen nicht einmal in Erwägung – welche Bedeutung sollten Sonderverjährungsregeln im WpHG haben für einen Gegenstand, den dieses nach – allerdings heute aufgeweichter – Meinung des BGH nicht regelt (vgl. oben Rn 223–225 und 273–276)? 278 Das Sonderregime galt/gilt mithin für Ansprüche, die in der Zeit vom 01.04.1998 bis zum 04.08.2009 entstanden sind (§ 43 WpHG a.F., § 131 WpHG n.F.). Nach ihm verjährten Schadensersatzansprüche gegen Wertpapierdienstleister aus Verstößen gegen Pflichten aus (damals) Abschnitt 6 (entsprechend heute Abschnitt 11)615 drei Jahre nach Entstehen des Anspruchs und damit früher als nach allgemeinem Recht (§§ 195, 199 Abs. 1 und 3 S. 1 BGB, drei Jahre nach Kenntnis/grob fahrlässiger Unkenntnis, spätestens 10 Jahre nach Entstehen). Diese Privilegierung wurde gerechtfertigt mit den besonderen Haftungsgefahren im (geregelten) Kapitalmarkt616 und fand tatsächlich seine Parallele in zahlreichen an-

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Wohl ebenso Heinsius/Horn/Than Depotgesetz, 11. Aufl. 2015, § 34 Rn 1; für England dezidiert etwa Ferrarini CMLR 31 (1994) 1283 (1305). Anders (ohne Vorlage an den EuGH und Diskussion des EU-rechtlichen Hintergrunds): BGH Urt. v. 22.06.2010 – VI ZR 212/09, BGHZ 186, 58 = WM 2010, 1393 (m. w. Nachw.); Anm. etwa Buck-Heeb WuB I G 6 § 34a WpHG 1.10; Koller EwiR 2010, 585; wie hier OLG Frankfurt Urt. v. 08.06.2006 – 16 U 106/05, ZIP 2006, 2385 (2387) (Schutzgesetz iSv § 823 Abs. 2 BGB, nicht nötig auch § 826 BGB); Schäfer/Müller, Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen, Rn 36; Sethe Vermögensverwaltung

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S. 766; für eine auch persönliche Haftung bei Verstößen: Schäfer/Müller, aaO; Hellgardt WM 2006, 1514 (1514). Dies war gemeint mit „Pflicht(en) zur Information und wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung“: BT-Drucks. 13/8933 S. 96; Schäfer, FS Schimansky 1999, S. 699 (705). BT-Drucks. 13/8933 S. 59, 96 f.; Balzer Vermögensverwaltung, S. 172 f.; Schäfer, FS Schimansky 1999, S. 699 (701); Assmann/ Schneider/Koller, 5. Aufl. 2009, § 37a WpHG Rn 1; KölnKomm WpHG/Leisch § 37a Rn 4.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

deren Haftungsregeln desselben.617 Aufgehoben wurde die Regelung vor allem deshalb, weil es sich bei den von § 37a WpHG a.F. erfassten Ansprüchen um solche aus klassischen vertraglichen Beziehungen handelt, nicht – wie bei den anderen kapitalmarktrechtlichen Haftungsansprüchen mit Sonderverjährungsregeln – aus standardisierten (fehlerhaften oder fehlenden) Aussagen gegenüber dem Markt allgemein. Freilich löste diese Streichung in den Folgejahren dann doch entsprechende Streichungen auch der sonstigen Sonderverjährungsregime des Kapitalmarktrechts aus. Die Privilegierung, die allein Schadensersatzansprüche gegen Wertpapierdienstleister aus Verletzung von Pflichten des 6. (heute 11.) Abschnitts (nicht bei sonstigen Dienstleistungen) erfasste (und zugleich unmittelbar konkurrierende Ansprüche aus § 311 Abs. 2 und § 823 Abs. 2 BGB, nicht § 826 BGB), ist heute nur noch für Altfälle von Bedeutung.618 Für Ansprüche, die nicht in der Zeit vom 01.04.1998 bis zum 04.08.2009 entstanden 279 sind (§ 43 WpHG a.F., § 131 WpHG n.F.), verjähren die Ansprüche nach dem allgemeinen Regime der §§ 194 ff. BGB. Freilich bleibt der bisher primär zu § 37a WpHG a.F. geführte Streit um das „Entstehen“ des Anspruches weiterhin bedeutsam (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB), obwohl nunmehr für die Verjährung nach drei Jahren auch Kennenmüssen vom Entstehen hinzu kommen muss: Entstanden ist der Anspruch (erst), sobald neben dem Verstoß auch ein Schaden eingetreten ist. Die hM versteht dies dahin gehend, dass ein solcher

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Vgl. Schwark/Zimmer/Fett § 37a WpHG Rn 1. früher die §§ 46 BörsG a.F. und 13 VerkProspG a.F. sowie §§ 37b, 37c Abs. 4 WpHG a.F. Alle inzwischen freilich ebenfalls aufgehoben, vgl. §§ 21–24 WpPG, Aufhebung der prospektrechtlichen Sonderverjährungsregel bei Einführung 2012, vgl. oben 6. Teil Rn 225, und §§ 37b Abs. 4, 37c Abs. 4 WpHG a.F., zur Aufhebung im Jahre 2015, d.h. schon vor der Generalüberarbeitung des WpHG durch das 2. FiMaNoG, oben Rn 267. Erfasst waren alle Schadensersatzansprüche (auf Geld oder Naturalrestitution): Kritter BKR 2004, 261 (262); Assmann/Schneider/ Koller, 5. Aufl. 2009, § 37a WpHG Rn 3. Erfasst waren nicht sonstige Anbieter vergleichbarer Leistungen: BGH Urt. v. 19.01.2006 – III ZR 105/05, NJW-RR 2006, 630; Schäfer, FS Schimansky 1999, S. 699 (704); Assmann/Schneider/Koller, 5. Aufl. 2009, § 37a WpHG Rn 2; Schwark/Zimmer/ Fett § 37a WpHG Rn 1; KölnKomm WpHG/ Leisch § 37a Rn 4. Zur Erstreckung auch auf konkurrierende Ansprüche (außer bei Vorsatz, vgl. § 199 Abs. 3 BGB): BGH (Fn 299), BGHZ 170, 226 (227) = NJW 2007, 1876 (1877) (hierzu Vorlagepflicht an EuGH verneinend); BGH Urt. v. 08.03.2004 – XI ZR 170/04, ZIP 2005, 802 (804); KG Urt. v. 11.03.2004 – 19 U 71/03, NJW 2004, 2755 (2756 f.); OLG München Urt. v. 06.10.2004 – 7 U 3009/04, ZIP 2005, 656;

Kritter BKR 2004, 261 (263); Assmann/ Schneider/Koller, 5. Aufl. 2009, § 37a Rn 6; KölnKomm WpHG/Leisch § 37a Rn 47; auch OLG Frankfurt Urt. v. 2.8.2006 – 23 U 287/05, AG 2006, 858 (mehrere verschiedene Wertpapierdienstleistungstypen unterliegen auch einheitlicher Verjährung). Zur Eingrenzung allein auf Verstöße gegen Wohlverhaltensregeln nach dem 6. (heute 11.) Abschnitt (nicht andere Dienstleistungen von Wertpapierdienstleistern) vgl. Nachw. Fn 618. Besonders wichtig wurde die Ausnahme für Vorsatztaten (Unterwerfung unter das allgemeine Regime) für Kick-backs, weil der BGH für sie davon ausging, dass die Beweislast für fehlende Vorsatztat beim Wertpapierdienstleister lag und dass von einem Verbotsirrtum schon für Handlungen seit 1990 nicht mehr ausgegangen werden könne: vgl. näher BGH (Fn 537 – Kick-back IV), NJW 2009, 2298; BGH (Fn 537 – Kickback VII), WM 2010, 1694; BVerfG, Beschl. v. 08.12.2011 – 1 BvR 2514/11, NJW 2012, 443 (verfassungsrechtlich zulässig); und dazu Fullenkamp NJW 2011, 421 (425 f.); Jordans BKR 2011, 456 (458 f.); ausf. Harnos BKR 2009, 316; Langen NZG 2011, 94; vergleichbar für die Zinswettefälle Schmitt BB 2011, 2824 (2826 und 2828); ausf. zur Offenkundigkeit allgemein (und den Punkten, auf die sie sich bezieht): Hanke BKR 2012, 493.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

bereits beim Verstoß (mit erster Vermögensverfügung) vorliege.619 Dem wird zwar entgegnet, angesichts der Informationseffizienz von Kapitalmärkten entspreche der Kurs/Preis ja durchaus den tatsächlichen Gegebenheiten.620 Darauf kann es jedoch nach Sinn und Zweck der Aufklärungspflicht nicht ankommen, wenn auf Grund der Fehlinformation eine für den Kunden nicht passende Anlage gewählt wurde; und bezieht sich die Fehlinformation auf die Werthaltigkeit der Anlage, hätte der Kunde bei Richtigkeit der Angabe eine werthaltigere Anlage zum gleichen Preis erhalten, also besonders günstig (Minderwertigkeit nach dem subjektiven Fehlerbegriff). Auch würde Rechtsunsicherheit während der drei Jahre nach der Transaktion dem Regelungsziel widersprechen. Umgekehrt erscheinen Fehler, die in diesem Zeitraum nicht entdeckt wurden, angesichts der Dynamik von Kursentwicklungen regelmäßig in der Tat als konsumiert.

G. Finanztermingeschäfte, Schiedsvereinbarungen, Drittstaatsmärkte, Überwachung von Unternehmensabschlüssen und Veröffentlichung von Finanzberichten (Abschnitte 13–16: §§ 99–118 WpHG n.F., §§ 37e bis 37z WpHG a.F.) Übersicht Rn I. § 99, 100 WpHG n.F. (ex-§ 37e, 37g): Finanztermingeschäfte (Überblick) . . . . 1. Überblick zum „Finanztermingeschäft“ (einschließlich Regulierungsfragen) . . . 2. §§ 99, 100 WpHG n.F. (ex-§§ 37e, 37g): Nichtigkeit und Nichtigkeitsfolgen bei derivativen Geschäften . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluss des Differenzeinwands beim gewerblichen derivativen Geschäft (§ 99 WpHG n.F.) . . . . . b) Verbotene derivative Geschäfte, Umgehungsschutz (§ 100 WpHG n.F.) . . . . . . . . . .

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BGH Urt. v. 08.03.2005 – XI ZR 170/04, ZIP 2005, 802 (803); BGH Urt. v. 20.6.2015 – XI ZR 278/14, WM 2015, 1181; OLG Frankfurt Urt. v. 27.04.2005 – 23 U 71/04, NJW-RR 2005, 1215 (1216); OLG Frankfurt Urt. v. 02.08.2006 – 23 U 287/05, AG 2006, 858 (mit Details zur Schadenseinheit bei sukzessiven Transaktionen); Balzer Vermögensverwaltung, S. 172; Assmann/Schneider/Koller, 5. Aufl. 2009, § 37a WpHG Rn 7 (durchgeführt für die einzelnen

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Rn 3. Exkurs: Überblick zu weiteren Fragen von Vertragsschluss und -abwicklung . . . . . . . . . . . . . 286 II. § 101 WpHG n.F. (ex-§ 37h): Schiedsvereinbarungen (Überblick) . . . . . . . . 288 III. Drittstaatsmärkte (Abschnitt 15: §§ 102–105 WpHG n.F.) . . . . . . . . . . 290 IV. Überwachung von Unternehmensabschlüssen und Veröffentlichung von Finanzberichten (Abschnitt 16: §§ 106–113 und 114–118 WpHG n.F.) – Verweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

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Wertpapierdienstleistungen dann in Rn 8–17); KölnKomm WpHG/Leisch § 37a Rn 61 f. Schäfer, FS Schimansky 1999, S. 699 (709); Schwark/Zimmer/Fett § 37a WpHG Rn 8. Auch diese Meinung nimmt Schaden bereits vorher an, wenn Anlage nicht anlegergerecht: so BGH Urt. v. 26.09.1997 – V ZR 29/96, ZIP 1998, 154 (158); KG Urt. v. 11.03.2004 – 19 U 71/03, NJW 2004, 2755 (2755 f.).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

I. § 99, 100 WpHG n.F. (ex-§ 37e, 37g): Finanztermingeschäfte (Überblick)

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§ 99 Ausschluss des Einwands nach § 762 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Gegen Ansprüche aus Finanztermingeschäften, bei denen mindestens ein Vertragsteil ein Unternehmen ist, das gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Finanztermingeschäfte abschließt oder deren Abschluss vermittelt oder die Anschaffung, Veräußerung oder Vermittlung von Finanztermingeschäften betreibt, kann der Einwand des § 762 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht erhoben werden. Finanztermingeschäfte im Sinne des Satzes 1 und der §§ 100 und 101 sind die derivativen Geschäfte Sinne des § 2 Absatz 3 und Optionsscheine.

§ 100 Verbotene Finanztermingeschäfte (1) Unbeschadet der Befugnisse der Bundesanstalt nach § 15 kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung Finanztermingeschäfte verbieten oder beschränken, soweit dies zum Schutz der Anleger erforderlich ist. (2) Ein Finanztermingeschäft, das einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 widerspricht (verbotenes Finanztermingeschäft), ist nichtig. Satz 1 gilt entsprechend für 1. die Bestellung einer Sicherheit für ein verbotenes Finanztermingeschäft, 2. eine Vereinbarung, durch die der eine Teil zum Zwecke der Erfüllung einer Schuld aus einem verbotenen Finanztermingeschäft dem anderen Teil gegenüber eine Verbindlichkeit eingeht, insbesondere für ein Schuldanerkenntnis, 3. die Erteilung und Übernahme von Aufträgen zum Zwecke des Abschlusses von verbotenen Finanztermingeschäften, 4. Vereinigungen zum Zwecke des Abschlusses von verbotenen Finanztermingeschäften. 1. Überblick zum „Finanztermingeschäft“ (einschließlich Regulierungsfragen).621 Fi- 281 nanztermingeschäfte bilden eine von drei Hauptgruppen von derivativen Geschäften, die sog. Festgeschäfte (daneben der Austausch von Kapitalströmen durch Swaps und die ein-

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Zum Finanztermingeschäft, insbesondere im WpHG und im Rahmen der kapitalmarktrechtlichen Regulierung, neben den Standardkommentaren zum WpHG vor allem: Bergfort, Das European Master Agreement – die europäische Lösung für Cross-Product Netting, ZBB 2009, 451; Binder, Finanztermingeschäfte in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler (Hrsg.), Bankrechtskommentar, 2. Aufl. 2016, 37. Kapitel; ders,. Daytrading als Finanztermingeschäft i.S.d. § 2 Abs. 2a WpHG? ZHR 169 (2005), 329; Böhm, Rechtliche Aspekte grenzüberschreitender

Nettingvereinbarungen, 2001; Bosch, Finanztermingeschäfte in der Insolvenz (Teile 1 und 2), WM 1995, 365 und 413; Casper, Der Optionsvertrag, 2005; ders., Das neue Recht der Termingeschäfte, WM 2003, 161; Clouth, Rechtsfragen der außerbörslichen Finanz-Derivate, 2001; Ehricke Finanztermingeschäfte im Insolvenzverfahren, ZIP 2003, 273; Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang (Hrsg.), Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäfte, 4. Aufl. 2011; Franken, Das Recht des Terminhandels, 1997; F. Fuchs, Close-out Netting, Collateral und sys-

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

seitige Einräumung eines Rechts im Optionsgeschäft, näher oben Rn 66 ff., bes. 66–68). In der Sache beziehen sich freilich §§ 99, 100 WpHG ohnehin auf alle derivativen Geschäfte iSv § 2 Abs. 3 WpHG n.F. (vgl. § 99 S. 2 WpHG n.F.), also auf alle drei genannten Derivategruppen – unter Einbeziehung auch der Optionsscheine. In §§ 99 f. WpHG n.F. (ex §§ 37e, 37g) ist nur ein (kleiner und heute eher unbedeutender)622 Ausschnitt der Rechts-

temisches Risiko, 2013; Glade, Anlegerschutz bei Börsentermingeschäften im europäischen Vergleich, 2002; Gundermann, Zu den Anforderungen der Bankberatung bei strukturierten Finanzprodukten, BKR 2013, 406; Härle, Die Terminbörsen EUREX und WTB, 2003; v. Hall, Insolvenzverrechnung in bilateralen Clearingsystemen, 2011; Horn, Börsentermingeschäfte nach neuem Recht, ZIP 1990, 2; Hudson, The Law on Financial Derivatives, 6. Aufl. 2017; Hull, Optionen, Futures und andere Derivate, 9. Aufl. 2015; Jaskulla, Die Einführung derivativer Finanzinstrumente an den deutschen Wertpapierbörsen als Regelungsproblem, 1995; ders., Zur Rechtsnatur des Börsentermingeschäfts gemäß § 50 Abs. 1 BörsG, ZBB 1997, 171; Jobst, Börslicher und außerbörslicher Derivatehandel mittels zentraler Gegenparteien, ZBB 2010, 384; Jordans, Schiedsgerichte bei Termingeschäften und Anlegerschutz, 2007; ders., Zur Europarechtswidrigkeit von § 37h WpHG, EuZW 2007, 655; Keßler, Das Strukturrisiko von Finanzderivaten, 2012; Kliebisch/Linsenbarth, Insolvenzsicherung bei Rahmenverträgen über Finanztermingeschäfte im Lichte der BGH-Entscheidung zur Unwirksamkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln, DZWir 2013, 449; Kropf, Beratung durch Banken beim Abschluss von SwapGeschäften, ZIP 2013, 401; Kurzberg, (Un)Wirksamkeit von Netting-Vereinbarungen? BGH Urt. v. 9.6.2016 – IX ZR 314/14, BKR 2016, 324; Kusserow/Scholl, Kreditderivate im Kraftfeld der BRRD – die neuen Musterbedingungen für Kreditderivate (Teile 1 und 2), WM 2015, 360 und 413; Lehmann, Reform der Derivatemärkte – transatlantischer Kampf um Wettbewerbsfähigkeit, RdF 2011, 300; ders., Zinsswaps der öffentlichen Hand – Vertragswirksamkeit und Beratungspflichten, BKR 2008, 488; ders., Die Wirksamkeit von Close-out-netting-Klauseln in Finanzderivaten nach § 104 InsO n.F., WM 2017, 597; Melzer, Zum Begriff des Finanztermingeschäfts, BKR 2003, 366; Menninger, Börsen- und zi-

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vilrechtlicher Charakter von Financial Futures, WM 1994, 970; Müller-Deku, Daytrading zwischen Termin- und Differenzeinwand, WM 2000, 1029; Piekenbrock, Die Insolvenz des Finanzdienstleisters bei Finanzgeschäften nach § 104 InsO, BB 2016, 1795; Piekenbrock/Ludwig, Die Insolvenz des Optionsberechtigten, WM 2014, 2197; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002; ders., ISDA Master Agreement – Kommentar, 2013; Reiner/Schacht, Credit Default Swaps und verbriefte Kreditforderungen in der Finanzmarktkrise, WM 2010, 337 und 385; Rieger, Optionen, Derivate und strukturierte Produkte, 2. Aufl. 2016; Samtleben, Schiedsgerichtsbarkeit und Finanztermingeschäfte, IPRax 2011, 469; Scharpf/Luz, Risikomanagement, Bilanzierung und Aufsicht von Finanzderivaten, 2. Aufl. 2000; Schmitt, Aktuelle Rechtsprechung zur Anlageberatung bei OTC-Derivaten, BB 2011, 2824; Schwark, Ist die Aktienanleihe ein Börsentermingeschäft? WM 2001, 1973; Schwintowski, Das Optionsscheingeschäft – Naturalobligation oder vollkommene Verbindlichkeit? ZIP 1988, 1021; M. Weber, Der Optionsvertrag, JuS 1990, 249; Weilgel/Wolsiffer, Teilunwirksamkeit des Rahmenvertrags für Finanztermingeschäfte?, WPg Heft 23/2016, 1287; v. Wilmowsky, Termingeschäft und Insolvenz – die gesetzliche Regelung, WM 2002, 2264; Zerey (Hrsg.), Finanzderivate – Rechtshandbuch, 4. Aufl. 2016. Vgl. außerdem bereits die Literaturverzeichnisse zur EU-Leerverkaufs-VO und zur EMIR (oben 6. Teil 4. Abschnitt unter A. und B. = Rn 551 und 654). Geregelt wird die (heute relativ unproblematische, historisch aber absolut zentrale) Frage nach einem Vollverbot von Termingeschäften. Zur langen und gewundenen Geschichte des (in §§ 99, 100 WpHG n.F. eng geregelten) Verbots von Termingeschäften – bis zur Börsenrechtsnovelle 1989 Unwirksamkeit aller Termingeschäfte, die nicht an den wenigen inländischen Terminbörsen abgeschlossen waren, ab 1989 Freistellung aller Börsentermingeschäfte (auch an ausländi-

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

fragen zu den Finanztermingeschäften – iSv derivativen Geschäften nach § 2 Abs. 3 WpHG n.F. – geregelt. Dies sind die Fragen nach allgemein eingreifenden klassisch zivilrechtlichen Wirksamkeitshindernissen in Form des sog. Differenzeinwands – genauer: die wichtigste Ausnahme hiervon (§ 99 WpHG n.F., dazu näher unten Rn 284) – und die Rechtsfolgen bei Eingreifen dieses Wirksamkeitshindernisses bzw. eines im Einzelfall ausgesprochenen Verbots einschließlich eines Umgehungsschutzes (§ 100 WpHG n.F., dazu unten Rn 285). Ungleich wichtigere Fragen sind außerhalb dieser Normen geregelt (und daher auch 282 andernorts kommentiert). Dies gilt bereits für die Definition und Abgrenzung dieser Geschäfte (vgl. namentlich § 2 Abs. 3 und 38 WpHG und Art. 3 Nr. 1 MAR, beide iVm Art. 4 Nr. 15 und Anh. I C Nr. (3) bis (10) MiFID II, oben Rn 65–71 und 6. Teil Rn 280–285 und 574–579 und 685–687).623 Diese anderen Regelungskomplexe unterfallen im Kern (i) in die (vorliegend ebenfalls umfangreich kommentierten) kapitalmarktrechtlichen Regulierungen (nächste Rn), (ii) sonstige Regulierungskomplexe (ebenfalls nächste Rn), und (iii) die sonstigen vertragsrechtlichen Regelungen (unten Rn 286 f.) sowie – m.E. Teil derselben – die Wohlverhaltensregeln in §§ 63 ff. WpHG n.F., insbes. diejenigen zur Anlageberatung beim Vertrieb von Finanzterminkontrakten, in ihrer spezifischen Anwendung auf diese Form von Anlageinstrumenten (vgl. allgemein schon oben Rn 123–229 und vor allem Rn 181, 189). Im Bereich der Kapitalmarktregulierung wurden Finanztermingeschäfte/derivative Ge- 283 schäfte vor allem in der Folge der Finanzkrise in zwei – zentralen – Formen Einschränkungen unterworfen, in zwei EU-Verordnungen von 2012 (mit späteren Ergänzungen). Gegenstand der EMIR sind diejenigen Derivatetransaktionen, die nicht über geregelte Märkte oder multilaterale oder organisierte Handelssysteme (sog. Handelsplätze, 5. Teil Rn 66–76) abgewickelt werden, die sog. OTC-Derivate und namentlich OTC-Finanztermingeschäfte (vgl. 6. Teil Rn 654–764), die gegenüber den an Handelsplätzen abgewickelten Transaktionen volumenmäßig ein Vielfaches ausmachen.624 Sie wurden wegen ihrer Intransparenz

schen Börsen) bei entsprechender Aufklärung (Informationsmodell) – vgl. etwa Assmann, Börsentermingeschäftsfähigkeit, FS Heinsius 1999, 1 (insb. zu den Börsengesetznovellen von 1987 und 1989, S. 3 ff.); H.-J. Müller, Börsentermingeschäfte und Differenzeinwand, JZ 1979, 171 (zur fehlenden Durchsetzbarkeit von Termingeschäften, die von Inländern an ausländischen Börsen geschlossen wurden, nach dem damaligen Recht); H.-W. Roth, Termingeschäfte an ausländischen Bösen und § 63 Börsengesetz, IPRax 1987, 147; Samtleben, Das internationale Privatrecht der Börsentermingeschäfte und der EWG-Vertrag, RabelsZ 45 (1981), 218; ders., Termingeschäfte an Auslandsbörsen – Zur Neuregelung des Börsengesetzes, NJW 1990, 2670; Schlosser, Sonderanknüpfungen von zwingendem Verbraucherschutzrecht und europäischem Prozeßrecht – eine Studie unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Rechtsprechung zu Differenzeinwand und Börsentermingeschäftsfähigkeit, FS Steindorff, Berlin/New York 1990,

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1379; Schwark, Börsentermingeschäfte von Inländern an ausländischen Plätzen, DB 1975, 2261; ders. Spekulation – Markt – Recht: Zur Neuregelung der Börsentermingeschäfte, FS Steindorff 1990, 473; Steindorff, Termingeschäfte an ausländischen Börsen, IPRax 1982, 49; vgl. auch Überblick bei Fuchs/Jung Vor §§ 37e, 37g Rn 1; Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann Vor § 37e Rn 1–27; KölnKomm WpHG/Roth § 37 e Rn 4. Zur Fortsetzung der langen gewundenen Geschichte dann unten (Rn 284) Hinweise zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz und FRUG. Ausführlich zu den verschiedenen Formen: Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 37. Kapitel Rn 22–35; Fuchs/Jung Vor §§ 37e, 37g Rn 17–75; Melzer BKR 2003, 366; und die im Text zitierten Stellen im vorliegenden Kommentar. Vgl. Statistiken bei Varis Increasing Transparency and Mitigating Systemic Risk, abrufbar unter http://www.theseus.fi/handle/10024/110870, S. 24 (in allen hier

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(als Face-to-Face-Geschäfte) und ihrer Bedeutung (gerade auch beim Entstehen der Finanzkrise) einem umfangreichen Transparenzregime und zudem einem verbindlichen Clearing über zentrale Gegenparteien unterworfen (Art. 9, 4 ff. EMIR). Für bestimmte Gruppen dieser Derivate gilt flankierend die noch weiterreichende Pflicht, die Transaktion nur an Handelsplätzen, also gar nicht als OTC-Transaktion, abzuwickeln (Art. 28 f. MiFIR) (vgl. insgesamt 6. Teil 4. Abschnitt unter B., insbes. Rn 702 ff., 720 ff., 703). Gegenstand der EU-Leerverkaufs-VO sind umgekehrt die Leerverkäufe in Instrumenten, die zu Handelsplätzen zugelassen sind (dann allerdings alle Leerverkäufe, gleichgültig, auf welchem Marktsegment getätigt), welche diese Verordnung ebenfalls Transparenzregeln, zudem Ausgestaltungsanforderungen und punktuellen Verboten unterwirft (vgl. insgesamt 6. Teil 4. Abschnitt unter A., insbes. Rn 594 ff., 605 ff., 637 ff.). Es handelt sich um Verkäufe von Finanzinstrumenten, deren wirtschaftlicher Berechtigter der Verkäufer (noch) nicht ist, namentlich in Form von Finanztermingeschäften. Beide (bzw. alle drei) Verordnungen zielen auf Transparenz, teils Beschränkung der Formen, vor allem jedoch Regularisierung der Abwicklung ab und haben mit alldem primär die Stabilität des Finanzsystems (Absicherung gegen Ausfallrisiken und Marktmanipulation/Kursverfall) im Blick (näher 6. Teil Rn 552–562 und 655–665). Sonstige kapitalmarktrechtliche Regulierung findet sich in §§ 63 ff. WpHG mit den Wohlverhaltensregeln (vorige Rn), deren Wirkung auch im Vertragsrecht von Bedeutung ist (unten Rn 286 f.). Neben die kapitalmarktrechtliche Regulierung (und die unten behandelten vertragsrechtlichen Problemkomplexe) treten weitere spezielle Ausgestaltungen von handels- und wirtschaftsrechtlichen Normkomplexen, bezogen auf Finanztermin- und derivative Geschäfte, alle bezogen auf die Bewertung dieser Geschäfte, namentlich bei deren bilanzieller Behandlung,625 im Bankaufsichtsrecht und auch im Steuerrecht.626

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relevanten Kategorien OTC-Transaktionsvolumina mindestens 3–4 so groß, teils exponentiell größer). Autorin selbst dennoch sehr kritisch zum Transparenzregime S. 3–5 und 17–20. Zur bilanzrechtlichen Behandlung vgl. Bär/ Vietze/Weigel Handelsrechtliche Behandlung von Kreditderivaten im Nichthandelsbestand, WPg 2015, 57; Grottel in Grottel/ Schmidt/Schubert/Winkeljohann (Hrsg.), Beck’scher Bilanz-Kommentar, 10. Aufl. 2016, § 285 Rn 550–585; Kuhn in Brönner/ Bareis/Hahn/Maurer/Poll/Schramm (Hrsg.), Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 11. Aufl. 2016, Rn 1989–2149; Winnefeld Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, Kapitel J Rn 331–340; Überblick auch bei Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder Kap. 37 Rn 5. Zur (einkommens-)steuerrechtlichen Behandlung etwa Dahm/Hamacher Termingeschäfte im Steuerrecht, 2. Aufl. 2014; WeberGrellet in Schmidt (Hrsg.), Einkommensteuergesetz Kommentar, 36. Aufl. 2017, § 5 Rn 270; Reiß in Kirchhof (Hrsg.), Einkommensteuergesetz Kommentar, 16. Aufl. 2017, § 15 Rn 418–424; Intemann bzw.

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Buge in Herrmann/Heuer/Raupach (Hrsg.), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand 05.2013 bzw. 02.2014, § 15 EStG Rn 1541–1573 bzw. § 20 EStG Rn 472; Bäuml/Meyer in Kanzler/Kraft/ Bäuml (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, 2016, § 15 Rn 642; Häuselmann/Wagner, Grenzen der Einbeziehung von Aktienderivaten in das Halbeinkünfteverfahren, BB 2002, 2170; Roberts, Beratungsbedarf bei Finanzderivaten im Lichte neuer Rechtsentwicklungen, DStR 2011, 1231. Zum Bankaufsichtsrecht (namentlich dem Ansatz beim Eigenkapital bzw. dem Risikoansatz) Art. 166 Abs. 5 CRR und Engelhard u.a. Bearbeiter in Luz/Neus/Schaber/Schneider/ Wagner/Weber (Hrsg.), KWG und CRR – Kommentar zu KWG, CRR, FKAG, SolvV, WuSolvV, GroMiKV, LiqV und weiteren aufsichtsrechtlichen Vorschriften, 3. Aufl. 2015, § 14 KWG Rn 43, § 19 KWG Rn 2, 36, 41, 44–47, Art. 166 CRR Rn 15 f. und Art. 271–275 CRR Rn 3. Zu beiden Gebieten Kurzübersicht auch in Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Binder Kap. 37 Rn 4 und 7.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

2. §§ 99, 100 WpHG n.F. (ex-§ 37e, 37g): Nichtigkeit und Nichtigkeitsfolgen bei Finanztermingeschäften a) Ausschluss des Differenzeinwands beim gewerblichen derivativen Geschäft 284 (§ 99 WpHG n.F.). Bis zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz 2002 (oben Rn 12) war das Wirksamkeitshindernis, das § 762 BGB für Finanztermingeschäfte ausspricht (also für Festgeschäfte mit hinausgezögertem Erfüllungszeitpunkt), nur für Finanztermingeschäfte an Terminbörsen ausgeschlossen – nachdem bis zur Börsenrechtsnovelle von 1989 (oben Fn. 622) gar nur Finanztermingeschäfte an inländischen Börsen freigestellt waren. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz ersetzte diese Regelung durch eine Freistellung unabhängig davon, ob das Geschäft an einer Terminbörse abgeschlossen wurde, die der heutigen Regelung enstprach, freilich verbunden mit einer speziellen Aufklärungspflichtenregelung (eine solche gab es auch bereits im Regime des BörsG seit 1989). Diese spezielle Aufklärungspflichtenregelung wurde mit dem FRUG von 2007 (wiederum oben Rn 12) ebenfalls gestrichen, die Aufklärungspflichten richten sich seitdem nach dem allgemeinen Regime der §§ 63 ff. WpHG n.F. (oben Rn 171, 189, 281 und unten Rn 287).627 Nach § 99 WpHG n.F. gilt der Differenzeinwand nicht mehr für derivative Geschäfte, soweit diese abgeschlossen oder vermittelt werden durch ein Unternehmen, das beim Abschluss oder der Vermittlung dieser Geschäfte gewerblich oder in einem für vollkaufmännisches Handeln notwendigen Umfang tätig wird, genauer: gerade diese Dienstleistungen gewerblich oder in solch einem Umfang erbringt (also nicht nur gelegentlich und als unbedeutendes Nebengeschäft).628 Finanztermingeschäfte und allgemeiner Derivate werden also in einem Umfeld großer Anlageproduktvielfalt nicht mehr anders behandelt als andere Anlageprodukte auch – wenn auch solche komplexer Art. Inzwischen ist auch geklärt, dass diese Freistellung auch in denjenigen Fällen Wirkung entfaltet, in denen der Kunde gegen speziell ihn betreffende Beschränkungen verstößt. Damit gemeint sind namentlich öffentlichrechtliche (Gebiets-)Körperschaften oder Anstalten, die als Kunde mit dem Abschluss solch einer Transaktion für sie maßgeblichen Rechtsvorschriften verletzen (keine Verbotsgesetze nach § 134 BGB), oder das Handeln für eine Gesellschaft ausländischen Rechts, das nach deren Statut als ultra vires einzuordnen ist.629 b) Verbotene derivative Geschäfte, Umgehungsschutz (§ 100 WpHG n.F.). 285 § 100 Abs. 1 WpHG n.F. gestattet aus Gründen des Anlegerschutzes ein Verbot von derivativen Geschäften durch Rechtsverordnung des Bundesfinanzministeriums, also bei bestimmten Kategorien von derivativen Geschäften, bei denen eine Einhaltung der Standards des Anlegerschutzes, etwa nach §§ 63 ff. WpHG n.F., nicht gewährleistet erscheint. Bisher freilich wurde kein Bedarf hierfür gesehen, so dass auch die Konturen noch unklar blie-

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Zur älteren Geschichte vgl. bereits oben Fn. 622. Zur Umgestaltung des Regimes durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz (Nachw. oben Fn. 35) vgl. näher Assmann/ Schneider/Mülbert/Assmann Vor § 37 e WpHG Rn 13–26; Schäfer/Lang BKR 2002, 197 (202 ff.). Und zur Einführung des heute geltenden Regimes durch das FRUG (Nachw. oben Fn. 36) vgl. näher Assmann/Scheider/ Mülbert/Assmann Vor § 37e WpHG Rn 27–32. Näher zu dieser Definition (und dem Umfang, den gerade Abschluss und Vermittlung

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von derivativen Geschäften einnehmen müssen): Fuchs/Jung § 37e WpHG Rn 9–15; KölnKommWpHG/Roth § 37e Rn 21–24. Für die öffentlichrechtlichen Beschränkungen BGH Urt. v. 4.7.2015 – XI ZR 378/13, WM 2015, 1273; BankR-Hdb/Jahn/Reiner § 114 Rn 159 ff.; Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Binder Kap. 37 Rn 40 (dort auch für die ultra vires Lehre); dazu, dass diese Lehre seit Erlass der 1. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie jedenfalls in der EU ausgeräumt ist, Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 213–226.

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ben.630 Nicht gemeint sind jedenfalls die Verbote von Leerverkäufen im Einzelfall nach der EU-Leerverkaufs-VO, die aus Gründen des Emittentenschutzes und der Finanzstabilität ausgesprochen werden, auch sind dort die zivilrechtlichen Verstoßfolgen nach den Zielen dieser Verordnung zu beurteilen (oben 6. Teil Rn 650). Dennoch wird man die Umgehungsregel, die § 100 Abs. 2 WpHG n.F. formuliert, auch auf sonstige Fälle der Nichtigkeit beziehen können, namentlich wenn § 99 WpHG n.F. nicht erfüllt ist und der Differenzeinwand nach § 762 BGB eingreift, oder auch, soweit das Verbot nach der EU-Leerverkaufs-VO Nichtigkeitsfolgen zeitigt. Denn die Erstreckung der Nichtigkeitsfolgen auch auf Umgehungsgeschäfte – namentlich Sicherheiteneinräumung, abstrakte Schuldanerkenntnisse und -versprechen, oder Abreden, die solche Geschäfte befördern sollen (Vermittlung oder Gründung einer Vereinigung mit entsprechendem Ziel) – entspricht der allgemeinen zivilrechtlichen Dogmatik zur Nichtigkeit auch von Umgehungsgeschäften.631 286 3. Exkurs: Überblick zu weiteren Fragen von Vertragsschluss und -abwicklung. Der Vertragsschluss selbst erfolgt unterschiedlich bei Abschlüssen an organisierten Handelsplätzen, namentlich Terminbörsen (wie Eurex), und bei Abschlüssen von OTC-Transaktionen (Face-to-Face). An Terminbörsen gestaltet sich der Abschluss zweistufig (Vertragskette zum Kunden), weil der Kunde nicht direkt mit der Börse abschließen kann, sondern nur zugelassene Börsenmitglieder, die dann ihrerseits mit dem Kunden kontrahieren. Dabei erfolgt der Vertragsschluss zwischen Börse und Börsenmitglied nach h.M. durch (automatisierte) Annahme des besten Auktionsangebots (mit Sicherheitenleistung) durch das Börsensystem („Matching“), zwischen dem Börsenmitglied und dem jeweiligen Kunden dann durch Abschluss eines Kommissionsvertrages unter Zugrundelegung der Sonderbedingungen für Termingeschäfte.632 Bei Vertragsschlüssen über OTC-Derivate – Einzelabschlüsse im Rahmen eines vorher abgeschlossenen Rahmenvertrages (mit Zusicherungen und Sicherheitenabreden) – ist nochmals zu unterscheiden.633 Bei Bestehen einer Clearingpflicht tritt eine zentrale Gegenpartei zwischen die Transaktionspartner selbst, dann wiederum in einer Vertragskette über Clearingmitglieder (vgl. näher oben 6. Teil Rn 693, 711). Fehlt umgekehrt eine Clearingpflicht, erfolgt der Vertragsschluss demgegenüber unmittelbar zwischen den Transaktionspartnern. Die Vertragsinhalte werden jeweils, wenn die intendierte Absicherung des Risikos nicht ausnahmsweise einen zu individuellen Zuschnitt vorgibt, so weit wie möglich standardisiert, unter Zugrundlegung branchenweiter Regelwerke, darunter am prominentesten die ISDA-Regelwerke (International Swap Dealers’ Association, gänzlich prominent im grenzüberschreitenden Geschäft), alternativ (und in Deutschland bzw. Europa ebenfalls gut verbreitet) auch der (Deutsche) Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte (DRV) oder das von der European Banking Federation herausgege-

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Dazu dass von dieser Ermächtigung bisher kein Gebrauch gemacht wurde, vgl. Fuchs/ Jung § 37g WpHG Rn 25 („toter Buchstabe“); Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann § 37g Rn 1; Schäfer/Lang BKR 2002, 197 (211); Cahn/Müchler BKR 2013, 45 (46 Fn. 18); Herresthal ZIP 2013, 1049 (1056). MünchKommBGB/Armbrüster § 134 Rn 11–19; Erman/Wilhelmi BGB § 780 Rn 14. Vgl. etwa ausdrücklich § 762 Abs. 2 BGB. Näher zum (mehrstufigen) Vertragsabschluss an Terminbörsen (etwa Eurex) Langenbu-

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cher/Bliesener/Spindler/Binder Kap. 37 Rn 41–45. Kommissionsgeschäft auch bei elektronischem Abschluss mit Kunden seitens Direktbanken BGH Urt. v. 25.6.2002 – XI ZR 239/01, BKR 2002, 736 (737). Zu den Sonderbedingungen BuB/ Balzer/Siller Rn 7/349 ff. Näher zu den Vertragsabschlussformen bei OTC Derivaten Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Binder Kap. 37 Rn 48, 50; BankRHdb/Jahn/Reiner § 114 Rn 53–69; Zerey/ Behrends Finanzderivate § 6.

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

bene European Master Agreement (EMA) (mit Anpassungen, teils durch Annexe, an die EMIR-Vorgaben).634 Im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss selbst, freilich auch schon den Inhalt 287 der Verträge und deren Abwicklung betreffend, sind zentral vor allem Fragen der Aufklärungspflichten und der Insolvenzfestigkeit der Abreden. Für die Aufklärungspflichten zu derivativen Geschäften gelten zwar grundsätzlich keine anderen Standards als bei sonstigen Wertpapierdienstleistungen, namentlich auch die beratungslosen Wertpapierdienstleistungen oder die Anlageberatung allgemein (entsprechend §§ 63 ff. WpHG n.F., oben Rn 123–229 und vor allem Rn 181, 189). Mit dem Zinswetteurteil von 2011 betrifft auch das wichtigste Grundsatzurteil finanzmarktrechtlicher Aufklärungspflichten aus jüngerer Zeit (jenseits der Rechtsprechung zur Aufdeckung von Drittprovisionen) den Bereich der derivativen Geschäfte (nicht etwa Ausnahme nach § 63 Abs. 11 WpHG n.F., oben Rn 193–195, 213).635 Das insoweit zu beachtende spezifische Risikoprofil, insbesondere der Mechanismus, die Funktionsweise der Hebelwirkung, das Vollverlustrisiko durch Marktentwicklungen, aber auch die Ausfallrisiken und Besicherung sind – entsprechend dem Kundenhorizont – verständlich zu machen – oder aber das Geschäft ist zu unterlassen (näher oben Rn 208, 213). Die insolvenzrechtliche Diskussion betrifft vor allem die Fragen nach der Insolvenzfestigkeit der Abreden, namentlich der in den Rahmenabkommen durchweg vorgesehenen (vom Krisen- oder Überschuldungsfall abhängig gemachten) Kündigungs- und Fälligstellungsrechte und Verrechnungsabreden, jedoch auch der für die (Netting)Ausfallrisiken vorsorglich bestellen Sicherheiten. Heute ist die Insolvenzfestigkeit bei all diesen Arrangements, wenn sie in ein Nettingsystem eingebunden sind, grds. gewährleistet, zentral aufgrund der sog. EG-Finalitäts-Richtlinie und § 104 Abs. 2 InsO (mit der weiter bestehenden Möglichkeit einer Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO in Einzelfällen).636

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Zu den drei Regelwerken bzw. einzelnen von ihnen: Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder Kap. 37 Rn 8–10; BankR-Hdb/Jahn/Reiner § 114 Rn 51, 52; und für die einzelnen Werke (ISDA): Harding Mastering the ISDA Master Agreement, 2002, S. 29–119; Reiner ISDA Master Agreement – Kommentar; Zerey/von Sachsen-Altenburg Finanzderivate § 7; BankR-Hdb/Jahn/Reiner § 114 Rn 88. 89 bzw. (DRV) https://bankenverband.de/media/contracts/RV-FTG-44015_1201_Muster.pdf; BankR-Hdb/Jahn/Reiner § 114 Rn 53–82 Zerey/Behrends Finanzderivate § 6 Rn 6 ff.; bzw. (EMA) www.ebffbe.eu/index.php?page=ema; BankR-Hdb/ Jahn/Reiner § 114 Rn 83; Zerey/Behrends Finanzderivate § 6 Rn 76 ff.; Gillor Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006. Zu den Aufklärungspflichten speziell bei der Vermittlung, aber auch beim Abschluss derivativer Geschäfte und zum Folgenden vgl. BankR-Hdb/Jahn/Reiner § 114 Rn 38–50; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder Kap. 37 Rn 55–55d.

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Vgl. Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungsystemen, ABl.EG 1998 L 166/45; Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.6.2002 über Finanzsicherheiten, ABl.EG 2002 L 168/43; und Reform durch Art. 2 Richtlinie 2009/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.5.2009 zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungsystemen und der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten im Hinblick auf verbundene Systeme und Kreditforderungen, ABl.EG 2009 L 146/37. Näher zur Insolvenzfestigkeit der genannten Abreden im Bereich derivativer Geschäfte Böhm Nettingvereinbarungen (oben Fn. 621), S. 45 ff., 122 ff.; F. Fuchs Close-out Netting (oben Fn. 621), S. 90 ff.; Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Binder Kap. 37 Rn 56–60; MünchKommInsO/Jahn/Fried § 104 Rn 59–180t; Ober-

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II. § 101 WpHG n.F. (ex-§ 37h): Schiedsvereinbarungen (Überblick)

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§ 101 Schiedsvereinbarungen Schiedsvereinbarungen über künftige Rechtsstreitigkeiten aus Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen oder Finanztermingeschäften sind nur verbindlich, wenn beide Vertragsteile Kaufleute oder juristische Personen des öffentlichen Rechts sind.

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§ 101 WpHG n.F. beschränkt die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen über künftige Rechtsstreitigkeiten gegenüber dem allgemeinen Standard nach §§ 1029 ff ZPO.637 Dies gilt für den gesamten Bereich der Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen – also in allen Fällen, in denen §§ 63 ff. WpHG zur Anwendung kommen –, aber auch für alle Streitigkeiten aus Finanztermingeschäften allgemein (nach § 99 S. 2 WpHG n.F. sind das – breit – alle derivativen Geschäfte iSv § 2 Abs. 3 WpHG n.F. oder alle Optionsscheine, vgl. oben Rn 281). Die Beschränkung besteht darin, dass zusätzliche Voraussetzungen der subjektiven Schiedsfähigkeit aufgestellt werden. „Zukünftig“ (iSv § 101 WpHG n.F.) sind die Rechtsstreitigkeiten, solange zwischen den Parteien noch keine konkrete Meinungsverschiedenheit über eine rechtliche Sachfrage besteht und ein Rechtsstreit daher nicht unmittelbar bevorsteht, so dass die Schiedsvereinbarung aus Sicht der Parteien lediglich vorsorglich getroffen wird.638 Gerechtfertigt wird diese Beschränkung vor allem mit der Überlegung, dass der Durchschnittskunde eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens häufig nicht die Folgen einer Schiedsvereinbarung übersieht (Verzicht auf gesetzlichen Richter und Instanzenzug). Die bis 2002 geltende Vorgängerregelung war deutlich enger gefasst, sowohl in objektiver Hinsicht (nur Schiedsgerichte mit an der Börse tätigen oder in bestimmter Form beschäftigten Schiedsrichtern) als auch in subjektiver Hinsicht (nicht nach § 53 Abs. 1 BörsG a.F. termingeschäftsfähige Anleger).639

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müller Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl. 2016, S. 1764 ff.; v. Hall Insolvenzverrechnung in bilateralen Clearingsystemen (oben Fn. 621), S. 181 ff.; Zerey/Fried Finanzderivate, § 17 Rn 16–32; Piekenbrock Die Insolvenz des Finanzdienstleisters bei Finanzgeschäften nach § 104 InsO, BB 2016, 1795; vgl. auch v. Wilmowsky WM 2002, 2264; zum anders gelagerten Fall bei Energielieferungsverträgen BGH Urt. v. 15.11.2013 – IX ZR 169/11 BGHZ 195, 348 (350 ff.); Kliebisch/Linsenbarth DZWir 2013, 449. Dazu dass nach dem durchweg zugrunde gelegten ISDA Agreement die Feststellung, ob ein Kreditereignis eingetreten ist, jeweils nicht den Parteien, sondern einem unabhängigen Panel überantwortet wird: Nachw. oben Fn. 157. Zum Recht der Schiedsvereinbarungen im WpHG, neben den Standardkommentaren zum WpHG vor allem: Jordans Schiedsgerichte bei Termingeschäften und Anleger-

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schutz, 2007; ders. Zur Europarechtswidrigkeit von § 37h WpHG, EuZW 2007, 655; Lehmann Wertpapierhandel als schiedsfreie Zone? – Zur Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen nach § 37h WpHG, SchiedsVZ 2003, 219; Samtleben Schiedsgerichtsbarkeit und Finanztermingeschäfte, IPRax 2011, 469. Fuchs/Jung § 37h Rn 15; Assmann/Schneider/Sethe § 37h Rn 37 (dort auch zur Begründung im Folgenden, a.a.O. Rn 4). Nach der Einführung des Informationsmodells für Finanztermingeschäfte durch die Börsenrechtsnovelle von 1989 (vgl. oben Rn 281, auch 284) und dem damit bewirkten Wegfall der Unwirksamkeit von Schiedsvereinbarungen zu ausländischen Schiedsgerichten, waren betroffenen Anleger daher der Gefahr einer Rechtsverfolgung vor entfernt gelegenen Schiedsgerichten ausgesetzt. Vgl. Samtleben IPRax 2011, 469 (474).

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

III. Drittstaatsmärkte (Abschnitt 15: §§ 102–105 WpHG n.F.)

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[Organisationspflichten von Marktbetreibern und regulierten Märkten aus Drittstaaten, hier nicht kommentiert; für das voll durchgeformte Parallelregime für innereuropäische Marktbetreiber vgl. hingegen ausführlich 7. Teil, bes. Rn 94 ff., 141 ff. und 162 ff. – einschließlich Fragen des räumlichen Anwendungsbereichs].

IV. Überwachung von Unternehmensabschlüssen und Veröffentlichung von Finanzberichten (Abschnitt 16: §§ 106–113 und 114–118 WpHG n.F.) – Verweis

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[1. Überwachung von Unternehmensabschlüssen: Anforderungen an Emittenten, nicht Wertpapierdienstleister – „Investment Banking“ – und daher hier nicht kommentiert. 2. Veröffentlichung von Finanzberichten: Kurzkommentierung dieser Form der Folgepublizität, die sich ebenfalls an Emittenten richtet, die für das Kapitalmarktrecht allgemein allerdings zentrale Bedeutung hat – für das Investment Banking wiederum eher nur periphere –, oben 6. Teil Abschnitt 5].

H. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht (Abschnitt 17: §§ 119–126 WpHG n.F., 38–40b WpHG a.F.) und Übergangsrecht (Abschnitt 18: §§ 127–137 WpHG n.F., §§ 41–51 WpHG a.F.) Übersicht Rn

Rn b) Anwendung des Strafrechts Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . 302 c) Sanktionierung in internationalen Sachverhalten (vgl. § 38 Abs. 5 WpHG a.F.) . . . . . . . . . . . . . 303

I. Zweck des Sanktionsregimes und Entwicklung der EG/EU-Richtlinien . . . . . 292 II. § 119 WpHG n.F. (ex-§ 38): Strafbarkeit von Marktmissbrauch . . . . . . . . . . . 1. Verstöße gegen Marktmanipulationsverbote (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . 2. Missbräuche bei Versteigerung von Treibhausemissionszertifikaten (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verstöße gegen Insiderverbote (Abs. 3) . a) Insiderhandel (Nr. 1; vorsätzliche und leichtfertige Begehung) . . . . . b) Empfehlung und Weitergabe (Nr. 2) 4. Gemeinsame Probleme (Abs. 4–6 u.a.) . a) Versuch, Schärfungen, Milderungen (Abs. 4–6 u. a.) . . . . . . . . . . . .

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III. Strafbarkeit nach anderen Normen (insbesondere Insiderhandel) . . . . . . . . 304

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IV. Annex: Zivilrechtliche Sanktionierungen von Insider- und Marktmanipulationen . . 305

298 300 301 301

V. §§ 120–126 WpHG n.F. (ex-§§ 39–40b): Ordnungswidrigkeitenrecht (Überblick) . . . . . . . 308 VI. §§ 127–137 WpHG n.F. (ex-§§ 41–48): Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 310

Schrifttum: vgl. vor Rn 1 unter 2.

I. Zweck des Sanktionsregimes und Entwicklung der EG/EU-Richtlinien Im WpHG sind allein die Insider- und Marktmanipulationsverbote, also Verstöße ge- 292 gen Art. 14 und 15 MAR (früher §§ 14 und 20 a WpHG) – erheblich! – strafbewehrt (Abs. 1 und 3; sowie heute auch das vergleichbare Verbot, missbräuchlich in VersteigerunStefan Grundmann

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gen von Treibhausgasemissionszertifikaten einzugreifen, Abs. 2). Dies ist bemerkenswert, war doch ein staatliches Insiderverbot bis 1989 kategorisch abgelehnt und ein Marktmanipulationsverbot gar erst 2002/2003 eingeführt worden und gilt umgekehrt Marktinformierung – etwa durch die nicht strafbewehrte Ad-hoc-Publizität – seit langem als das zentrale Mittel schnellstmöglicher Herstellung effizienter Mittelallokation. Diese Gewichtung steht für die Überlegung, dass Kurse, empirisch belegt, auch relevante Informationen in Märkten nur unvollständig wiederspiegeln, und dass umgekehrt Kursentwicklungen – gerade in Börsenkrisen – Vertrauen und Vertrauensprobleme reflektieren.640 293 Die Sanktionen bilden den (einzigen) Bereich, in dem die Vorgaben noch unter der Marktmissbrauchs-Richtlinie (MAD I), d.h. in der zweiten Rechtssetzungsgeneration auf EU-Ebene, rudimentär blieben – gleichsam als Annex in der MAD I zu den dort geregelten Verboten selbst, den Insider- und der Marktmanipulationsverboten – ganz der lange im EG/EU-Recht vorherrschenden Tendenz entsprechend, Sanktionen weitgehend auszublenden.641 Die Vorgabe ging nur dahin, dass die Mitgliedstaaten eine straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktionierung überhaupt vorsehen sollten (Art. 14 MAD I). Immerhin wurden sie auch angehalten, die Maßnahmen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ auszugestalten.642 Ebendies hatte freilich der EuGH ohnehin schon für alle Sanktionen von EU-Recht aus dem Grundsatz der Gemeinschafts- bzw. Unionstreue hergeleitet (Art. 5 EGV a.F., Art. 10 EG a.F., heute Art. 4 f. EUV) – einschließlich des Gebots, Pflichten, die in EU-Recht fußen, mindestens so streng zu sanktionieren wie vergleichbare Pflichten, die das nationale Recht autonom statuiert.643 Hinreichenden Befolgungsanreiz verbürgen nur Strafsanktionen, weil zivilrechtliche Schadensersatzansprüche im Insider- und Marktmanipulationsrecht meist jedenfalls an Nachweisproblemen scheitern (abgesehen von der Frage, ob zivilrechtliche Ansprüche überhaupt bestehen, unten Rn 305–307)644 und weil bloße Gewinnabführung kein wahres Sanktionsrisiko begründet (bloßes Nullrisiko).645 Die deutsche Umsetzung ist und war also nur richtlinienkonform, wenn die Strafdrohung tatsächlich durchgesetzt wird und wurde.646 In der Präzisierung der Sanktionen

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Zu Publizität und Vertrauen als zentralen Voraussetzungen für Kapitalmarkteffizienz näher oben Rn 35–39 und 6. Teil Rn 337–339, 487–489; jüngere Zusammenstellung etwa bei Sester ZGR 2009, 310 (317–334). Zur wechselhaften Geschichte der Insiderverbote in Deutschland oben 6. Teil Rn 255–257, 330–332. Vgl. Grundmann EG-Schuldvertragsrecht, 1. Teil Rn 176–178; anders Steindorff, EGVertrag und Privatrecht, 1996, S. 312 („oft“ im Sekundärrecht zumindest „implizit“ Sanktionen geregelt; freilich keine weiteren als bei Grundmann genannt). Dies (für die Ursprungsfassung) begrüßend etwa Hopt ZGR 1991, 17 (55 f.). Für beide Vorgaben: EuGH Urt. v. 21.09.1989 – Rs. 68/88 Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 2965 (2985); Urt. v. 10.07.1990 – Rs. C-326/88 Hansen, Slg. 1990, I-2911 (2935); für weitere Einzelheiten etwa Riesenhuber, Europäisches Ver-

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tragsrecht, 2. Aufl. 2006, Rn 220–225; ders. EU-Vertragsrecht, 2013, S. 11 f., 109 f.; und oben 1. Teil Rn 112–113. Vgl. Grunewald ZBB 1990, 128 (132 f.); Schödermeier/Wallach EuZW 1990, 122 (125); Haouache Börsenaufsicht S. 72 f. Speziell für die Marktmanipulation: Ziouvas, Das neue Kapitalmarktstrafrecht – Europäisierung, S. 91 ff., 100; aA Park NStZ 2007, 369 (374–377). Hopt ZGR 1991, 51 (57); Kirchner, FS Kitagawa 1992 S. 665 (680); sowie, allgemeiner aus der EuGH-Rspr.: EuGH Urt. v. 21.09.1989 – Rs. 68/88 Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 2965 (2985); Urt. v. 10.07.1990 – Rs. C-326/88 Hansen, Slg. 1990, I-2911 (2935); Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, S. 316 f., 325, 364. Zur Durchsetzungspraxis: Ziouvas, Das neue Kapitalmarktstrafrecht – Europäisierung, S. 98 f.; Richter, Kapitalmarktstrafrecht – Strafrechtliche Risiken für Bankmit-

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Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

lag daher ein Hauptziel der dritten Rechtsaktsgeneration auf EU-Ebene. Doch noch immer bleibt die Regelungsdichte geringer als bei den Verboten und Geboten selbst (den Insiderund Marktmanipulationsverboten), die zudem in die MAR, eine unmittelbar im nationalen Rechtsverkehr anwendbare EU-VO, überführt wurden (6. Teil, 3. Abschnitt). Demgegenüber erfolgte die Präzisierung der straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Bewehrung weiterhin in einer – nunmehr allein dieser Frage gewidmeten – EU-Richtlinie, der sog. Market Abuse Directive II (MAD II), namentlich auch wegen Art. 83 Abs. 2 AEUV647 und weil so das Problem der für strafrechtliche Sanktionen hinreichenden Bestimmtheit dem nationalen Gesetzgeber überantwortet werden konnte.648 MAD II umfasst die Insiderverbote und die Verbote von Marktmanipulation (Täterschaft und Anstiftung, Art. 3 bis 5, außerdem Versuch sowie Beihilfe, Art. 6), soweit sie vorsätzlich begangen werden (auch positives Wissen um Insidereigenschaft). Für das deutsche Recht freilich bedeutete die Verabschiedung der MAD II gegenüber § 38 WpHG a.F. (heute § 119 WpHG n.F.) keine Verschärfung. Problematisch bleibt allein die Strafbarkeit juristischer Personen (Art. 8) als der einzige für Deutschland erheblichere Einschnitt.649 Umgesetzt wurde MAD II – vor der allgemeinen Umsetzung von MiFID II im WpHG – durch das 1. Finanzmarktnovellierungsgesetz650 – und dabei wurde namentlich die Reihenfolge der Straftatbestände gegenüber MAD II umgedreht, also die historisch so zentralen Insiderverbote an die zweite Stelle gerückt, noch hinter die Regeln zum Treibhausemissionshandel.

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arbeiter, in Brinkmann u.a. (Hrsg.), Compliance – Konsequenzen aus der MiFID, 2008, Rn 767–813. Richtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. April 2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanpulation (Marktmissbrauchsrichtlinie), ABl.EU 2014 L 173/179. Vorschlag vom 20.10.2011 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Sanktionen für Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, KOM(2011) 654 endg.; Änderungsvorschlag vom 25.07.2012, EU-Kommission, KOM(2012) 421 endg. (Erfassung auch der EURIBOR/LIBOR-Manipulationen); zu allem etwa Kiesewetter/Parmentier, BB 2013, 2371; Schmolke AG 2016, 434; Kudlich AG 2016, 459; Teigelack/Dolff BB 2016, 387; Poelzig NZG 2016, 492; Szesny DB 2016, 1420; Parmentier, WM 2013, 970; Seibt, ZHR 177 (2013) 388; Veil/Koch, WM 2011, 2297; Walla BB 2012, 1358 (auch zur Subsidiaritätsrüge des Bundesrats). Zur parallel verabschiedeten EU-Marktmissbrauchs-VO (MAR) oben 6. Teil 3. Abschnitt. Folgenabschätzung zu beiden (geplanten) Rechtsakten in: SEK(2011) 1218 endg. Vgl. BT-Drucks. 18/11290, S. 2; aus der früheren Diskussion etwa Uhl, Anlegerschutz

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durch Transparenz – Auswirkungen der Marktmissbrauchsrichtlinie auf das deutsche Insiderrecht und die daraus resultierenden Folgeprobleme für M&A-Transaktionen, 2008, S. 251 et passim; krit. dann etwa Schröder HRRS 2013, 253 (258–260). Allgemein zum Problem der Strafbarkeit juristischer Personen im deutschen Recht etwa: Schroth, Unternehmen als Normadressaten und Sanktionssubjekte, 1983 (ohnehin erfasst, Strafbarkeit nur nicht vollzogen); Otto, Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden, 1993; Heine, Die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen, 1995; Tiedemann NJW 1986, 1842; aus jüngerer Zeit Trüg wistra 2010, 241; Vogel StV 2012, 427 (mwN); Veil/Koch WM 2011, 2297 (2306). Art. 1 Nr. 35 des Ersten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FiMaNoG), BGBl. 2016 I, S. 1514 (mit Neufassung des § 38 WpHG a.F., heute [nach dem 2. FiMaNoG] praktisch inhaltsgleich § 119 WpHG n.F.); hierzu Bottmann in Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, Kap. 2.1 Rn 6–7; Kudlich AG 2016, 459; Teigelack/Dolff BB 2016, 387; Poelzig NZG 2016, 492; Szesny DB 2016, 1420.

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II. § 119 WpHG n.F. (ex-§ 38): Strafbarkeit von Marktmissbrauch § 119 Strafvorschriften (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine in § 120 Absatz 2 Nummer 3 oder Absatz 15 Nummer 2 bezeichnete vorsätzliche Handlung begeht und dadurch einwirkt auf 1. den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts, einer Ware im Sinne des § 2 Absatz 5 oder eines ausländischen Zahlungsmittels im Sinne des § 51 des Börsengesetzes, 2. den Preis eines Finanzinstruments oder eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts an einem organisierten Markt, einem multilateralen oder organisierten Handelssystems in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, 3. der Preis einer Ware im Sinne des § 2 Absatz 5 oder eines ausländischen Zahlungsmittels im Sinne des § 51 des Börsengesetzes an einem mit einer inländischen Börse vergleichbaren Markt in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder 4. die Berechnung eines Referenzwertes im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. (2) Ebenso wird bestraft, wer gegen die Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 der Kommission vom 12. November 2010 über den zeitlichen und administrativen Ablauf sowie sonstige Aspekte der Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft (ABl. L 302 vom 18.11.2010, S. 1), die zuletzt durch Verordnung (EU) Nr. 176/2014 (ABl. L 56 vom 26.2.2014, S. 11) geändert worden ist, verstößt, indem er 1. entgegen Artikel 38 Absatz 1 Unterabsatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2 oder Artikel 40, ein Gebot einstellt, ändert oder zurückzieht oder 2. als Person nach Artikel 38 Absatz 1 Unterabsatz 2, auch in Verbindung mit Absatz 2, a) entgegen Artikel 39 Buchstabe a eine Insiderinformation weitergibt oder b) entgegen Artikel 39 Buchstabe b die Einstellung, Änderung oder Zurückziehung eines Gebotes empfiehlt oder eine andere Person hierzu verleitet. (3) Ebenso wird bestraft, wer gegen die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommissison (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1; ABl. L 287 vom 21.10.2016, S. 320; L 306 vom 15.11.2016, S. 43; L 348 vom 21.12.2016, S. 83), die zuletzt durch Verordnung (EU) 2016/1033 (ABl. L 175 vom 30.6.2016, S. 1) geändert worden ist, verstößt, indem er 1. entgegen Artikel 14 Buchstabe a ein Insidergeschäft tätigt, 2. entgegen Artikel 14 Buchstabe b einem Dritten empfiehlt, ein Insidergeschäft zu tätigen, oder einen Dritten dazu verleitet oder 3. entgegen Artikel 14 Buchstabe c eine Insiderinformation offenlegt. (4) Der Versuch strafbar.

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(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 1. gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt oder 2. in Ausübung seiner Tätigkeit für eine inländische Finanzaufsichtsbehörde, ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, eine Börse oder einen Betreiber eines Handelsplatzes handelt. (6) In minder schweren Fällen des Absatzes 5 Nummer 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (7) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1 leichtfertig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. 1. Verstöße gegen Marktmanipulationsverbote (Abs. 1). Über Abs. 1 werden die in 295 § 120 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 15 Nr. 2 WpHG n.F. bezeichneten Formen der Marktmanipulation strafrechtlich erfasst (früher § 39 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 oder Abs. 2 Nr. 11 WpHG a.F.). Da die drei Nummern alle drei Formen der Marktmanipulation nach Art. 12 f., 15 MAR benennen,651 alle drei Formen also jedenfalls bereits bußgeldbewehrt sind, statuiert § 119 Abs. 1 WpHG n.F. nur die weiteren beiden Voraussetzungen, die zur Strafbarkeit führen. Dies ist (1) die Verschärfung, dass die Taten vorsätzlich begangen worden sein müssen – während § 120 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 15 Nr. WpHG n.F. durchgängig Leichtfertigkeit genügen lassen und vergleichbar auch die MAR selbst wohl nicht (mehr) Vorsatz fordert zur Erfüllung des Tatbestands (vgl. oben 6. Teil Rn 459). Und dies ist (2) die Verschärfung, dass dass der Täter „dadurch auf den [näher definierten] … Preis … einwirkt.“, also dass der Erfolg auch eintritt. Auch dies ist eine Verschärfung gegenüber der – gerade im Hinblick auf die Marktmanipulationsverbote kritisierten – Offenheit der Tatbestände in der MAR (vgl. oben 6. Teil Rn 451, 456, 458). Eintreten muss der Erfolg, dass der Preis des maßgeblichen Anlageinstruments ent- 296 gegen sonst stattfindenden Marktentwicklungen tatsächlich verändert oder stabilisiert wurde. Bloße Eignung genügt nicht. Da diese Einwirkung zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen muss, kann hiervon nur ausgegangen werden, wenn die sonst stattfindenden Marktentwicklungen nach Überzeugung des Gerichts erheblich andere gewesen wären – andernfalls ist die Kausalität der Tathandlung nicht überzeugend genug nachgewiesen.652 Dieser Erfolg muss auch vom Vorsatz umfasst sein. Der Kreis der maßgeblichen Anlageinstrumente (Nr. 1–4) hat sich zunehmend erweitert. Im Kern sind dies Finanzinstrumente und damit verbundene Waren-Spot-Kontrakte (oben Rn 65–71, 75), die an einem Handelsplatz gleich welcher Art im Inland (Nr. 1 – erste beiden Alternativen) oder im EU/EWR-Ausland (Nr. 2) gehandelt werden, oder aber Waren und Devisen, die an einem börslichen Markt im Inland (Nr. 1 – dritte und vierte Alternative) oder im EU/EWRAusland (Nr. 3) gehandelt werden. Hinzu kommen heute – nicht mehr Anlageinstrument, sondern Preisbildungsinstrument – die Referenzwerte und deren Manipulation im In- oder im EU/EWR-Ausland (Nr. 4).

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Vgl. Kommentierung dort; näher noch Assmann/Schneider/Vogel § 38 WpHG Rn 57–60; KölnKomm WpHG/Altenhain § 38 Rn 106 ff.; spezifisch zum strafbaren Scalping OLG München Beschl. v. 03.03.2011 – 2 Ws 87/11, NZG 2011, 1228.

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Ebenso (teils aus dem Bestimmtheitsgrundsatz heraus argumentierend) Assmann/ Schneider/Vogel § 38 WpHG Rn 49–56; KölnKomm WpHG/Altenhain Rn 113–118; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2015, Rn 563–589.

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2. Missbräuche bei Versteigerung von Treibhausemissionszertifikaten (Abs. 2). Auf die Spezifika des Versteigerungsmechanismus – als des Hauptvertriebsmechanismus bei der Erstplatzierung von Treibhausemissionszertifikaten – ist Abs. 2 zugeschnitten und greift die beiden Eingriffe in diesen Mechanismus heraus, die diesen besonders nachhaltig stören.653 Die Wichtigkeit des Verbots unterstreicht Abs. 6, der bei diesem Verstoß – und heute nur noch bei diesem Verstoß ausdrücklich (vgl. Rn 299) – auch eine Begehung durch Leichtffertigkeit vorsieht. 3. Verstöße gegen Insiderverbote (Abs. 3)

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a) Insiderhandel (Nr. 1; vorsätzliche und leichtfertige Begehung). Die – auch rechtsvergleichend – strenge Strafdrohung für den Insiderhandel selbst,654 die vor allem wegen der erheblichen Nachweisprobleme655 angezeigt war, ist heute gleich für den Primär- und den Sekundärinsider.656 Tathandlung ist zunächst der vorsätzliche Verstoß gegen Art. 14 lit. a) MAR (früher § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F.), also Handel mit Insiderinstrumenten (Art. 8 Abs. 1 MAR, Erwerb oder Veräußerung, nicht die Unterlassung von Handel) unter Verwendung einer Insiderinformation.657 Vorsatz muss sich dabei – wie allgemein im Strafrecht – auf die die Strafbarkeit begründenden Tatsachen beziehen, vor allem den Insidercharakter der Information. 299 Besonders unterstrichen wird die Bedeutung des Verbots dadurch, dass Vorsatz nicht ausdrücklich gefordert wird. Damit können je nach Auslegung des Kenntnis- und des Ausnutzungserfordernisses in Art. 8 Abs. 1 MAR (vgl. oben 6. Teil Rn 383 f.) auch Fälle bloßer Leichtfertigkeit erfasst sein (ungleich klarer früher § 38 Abs. 4 WpHG a.F., der eine § 119 Abs. 6 WpHG n.F. vergleichbare Regel auch für den Insiderhandel vorsah). Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass nach dem Spector Photo Group Judikat des EuGH Kenntnis zu vermuten ist (6. Teil Rn 383). Die Wirkung ist eine vergleichbare wie bei einer Pönalisierung bereits der Leichtfertigkeit, mit der eine Strafbarkeitslücke geschlossen werden sollte, die sich häufig aus Beweisproblemen hinsichtlich des Vorsatzes ergeben hatte.658 Beim – strafrechtlichen – Begriff der Leichtfertigkeit wird – ähnlich wie bei der groben Fahrlässig-

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Vgl. hierzu näher Schröder Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl 2015, Rn 369a ff.; Fuchs/Waßmer § 38 WpHG Rn 133–160. Assmann AG 1994, 237 (250); ders. ZGR 1994, 494 (524); auch Happ JZ 1994, 240 (241); Hopt ZGR 1991, 17 (58); Leppert/ Stürwald ZBB 2002, 91 (103); rechtsvergleichend Wymeersch, The Insider Trading Prohibition in the EC Member States – a Comparative Overview, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), European Insider Dealing – Law and Practice, 1991, S. 65 (bes. 118 ff.). Vgl. Kirchner, FS Kitagawa 1992 S. 665 (678); Kohlmann, FS Vieregge 1995, S. 443 (444, 450 f.); sowie etwa BAWe, Jahresbericht 1997, S. 24 (Vorschlag, die Verfahrenseinleitung beim BAWe geheimzuhalten, um Beweisbeseitigung vorzubauen); Spindler NJW 2004, 3449 (3452). Zur Entwicklung (zunächst Unterschiede zwischen Primär- und Sekundärinsidern

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schon bei den Primärverboten, namentlich bei der Unterwerfung unter ein Weitergabeverbot; dann Differenzierung bei der Strafbarkeit des Weitergabeverbots zwischen beiden Gruppen) vgl. nur Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Grundmann, HGB – Handelsgesetzbuch Bd. 2, 1. Aufl. 2001 bzw. 2. Aufl. 2007 bzw. 3. Aufl. 2015, BankR VI Rn 293 bzw. 387 bzw. 384–392. Von einer Mindermeinung wird freilich bestritten, dass insbesondere die Kausalitätsvermutung, die der EuGH in Sachen Spector Photo Group angenommen hat, auch für die strafrechtliche Beurteilung gilt: vgl. zum Meiungsstand etwa Nietsch ZHR 174 (2010) 556 (574–580). Ziouvas, Das neue Kapitalmarktstrafrecht – Europäisierung, S. 238 f.; KölnKomm WpHG/Altenhain § 38 Rn 44 f.

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keit – darauf abgestellt, dass die die Strafbarkeit begründenden Tatsachen dem Täter unmittelbar hätten ins Auge stechen müssen. Hierbei und erst recht bei der Frage, ob die in Spector Photo Group formulierte Vermutung für Kenntnis entkräftet werden kann, ist freilich, anders als im Zivilrecht, nicht auf den jeweiligen Verkehrskreis, sondern den jeweiligen Täter abzustellen.659 b) Empfehlung und Weitergabe (Nr. 2). Bei der Strafbewehrung des Empfehlungs- und 300 Weitergabeverbots (Art. 8 Abs. 2 und Art. 10 sowie Art. 14 lit. b) und c) MAR, früher § 14 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WpHG a.F.) hat heute die herkömmlich so wichtige Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsider ebenfalls ihre Bedeutung verloren. Heute gelten nicht nur beide Verbote für beide Insidergruppen gleichermaßen, sondern sind sie auch strafbewehrt für Primär- und Sekundärinsider gleichermaßen (anders § 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. vor dem 1. FiMaNoG). Die Differenzierung wurde früher damit rechtfertigt, dass das Gefährdungspotential bei Primärinsidern deutlich größer sei – sie können durch Weitergabe oder Empfehlung die signifikante Aufdeckungswahrscheinlichkeit senken, während bei Sekundärinsidern diese Aufdeckungswahrscheinlichkeit ohnehin kaum höher ist als bei „Tertiärinsidern“, also durch Weitergabe deutlich weniger „gewonnen“ würde. Dies kann heute nur noch bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Abgesehen vom geringeren „Gewinn“, den Sekundärinsider aus einer Weitergabe ziehen können, ist freilich die primäre Zwecksetzung des Weitergabeverbots – den Kreis der potentiellen Täter nicht anwachsen zu lassen – in der Tat die gleiche. Ob auch schon bei der Vorfeldtat Weitergabe von Insiderinformationen die Vermutungsregel, die der EuGH im Spector Photo Group Judikat formuliert, gelten soll, ist m.E. zweifelhaft. Es würde damit die Strafbarkeit bloßer Gefährdungen allzu weit ausgedehnt. 4. Gemeinsame Probleme (Abs. 4–6 u.a.) a) Versuch, Schärfungen, Milderungen (Abs. 4–6). Die Strafbarkeit des Versuchs 301 (Abs. 4), die nach allgemeinem Strafrecht nicht gegeben wäre (§§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB),660 wurde mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz eingeführt – sowohl für den Insiderhandel (alle Insider) als auch für (versuchte) Verstöße gegen das Empfehlungs- und Weitergabeverbot (damals nur Primärinsider). Heute bezieht sich die Versuchsstrafbarkeit auf alle Tatbestände, nachdem erst in Umsetzung von MAD II durch das 1. FiMaNoG alle Insidertatbestände für Primär- und Sekundärinsider gleichermaßen in diesem Sinne gleich behandelt wurden. Die nach dieser Umsetzung immer noch differenzierende Regelung – differenzierend zwischen dem eigentlichen Marktmanipulationstatbestand (damals § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG a.F.) und Vorfeldtaten bzw. nicht notwendig vorsätzlichen oder leichtfertigen Begehungsformen (§§ 39 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3c WpHG n.F.) – wurde dann mit dem 2. FiMaNoG durch eine allgemeine ersetzt. Diese bezieht sich freilich jetzt auch auf andere zusätzliche Taten – namentlich Marktmanipulationen zu Waren und Devisen –, die erst das deutsche Recht autonom den in Art. 15 MAR geregelten Formen der Markmanipulation gleichstellt (vgl. § 25 WpHG n.F.). Eine vergleichbare Gleichstellung

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Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 15 Rn 20; Ziouvas, Das neue Kapitalmarktstrafrecht – Europäisierung, S. 238 f.; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2015, Rn 242 ff. Für die frühere Rechtslage etwa Ziouvas, Das neue Kapitalmarktstrafrecht – Europäi-

sierung, S. 85 f. Die Versuchsstrafbarkeit hatte schon im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren der Bundesrat gefordert: Vgl. BT-Drucks. 12/6679 S. 95 und 102; Assmann AG 1994, 196 (205).

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aller Varianten findet sich jetzt bei der Schärfung (Abs. 5), die allein für Marktmanipultationstatbestände vorgesehen wird. Sie gilt für gewerbliche und Bandenkriminalität (Nr. 1 – besondere Breitenwirkung) sowie – unter dem Eindruck der Benchmarkskandale (Libor, Euribor) und der Regulierung durch die EU-Benchmark-VO (vgl. oben 6. Teil Rn 766–776) – für solche Akteure, die beruflich in diesem Geschäft bzw. an dieser Aufgabe arbeiten (Nr. 2 – besondere Vertrauensstellung). Eine Milderung (Abs. 6) ist allein bei Änderung eines Gebots iSv Abs. 2 Nr. 1 im Rahmen einer Treibhausemissionszertifikatsversteigerung vorgesehen, wenn die Tat (nur) leichtfertig begangen wurde.

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b) Anwendung des Strafrechts Allgemeiner Teil. Die spezifisch insider- und marktmanipulationsrechtlichen Probleme des Allgemeinen Teils sind weitgehend geklärt: Die Verantwortlichkeit der Organmitglieder bei Handeln für eine Juristische Person (Art. 2 Abs. 2 MAD I) ergibt sich im deutschen Recht aus den Regeln über die Beihilfe und gar Mittäterschaft.661 Während Irrtum über Tatsachen den Vorsatz ausschließt, lässt der Irrtum über den Verbotsinhalt diesen unberührt.662 Gegen Sekundärinsider darf – nachdem sie heute selbst dem Weitergabe- und Empfehlungsverbot unterliegen – bei Verstößen gegen diese Verbote eine Strafe auch wegen Beihilfe verhängt werden, wenn sie nicht bereits Täter sind.663 Das Strafmaß bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen, wichtig sind hier vor allem: die Art des Zugangs zur Information (Primär- und Sekundärinsider, insbesondere Zufallsinsider), der Unwert der Täuschung664 und die Schadenshöhe, unabhängig von der Tätergesinnung.665 Auch die Sanktionsfolge Verfall (§ 73 StGB) ist höchstrichterlich geklärt. Maßgeblich ist (bei Verkauf unter Ausnutzung von Insiderwissen über negative Entwicklungen) der „Sondervorteil … der Verschonung von dem Wertverlust, den uninformierte Marktteilnehmer in Folge verspäteter Veröffentlichung der aktienkursrelevanten (negativen) Tatsachen erleiden.“666

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c) Sanktionierung in internationalen Sachverhalten (vgl. § 38 Abs. 5 WpHG a.F.). Die Sanktionierung ausländischer Verbote im internationalen Sachverhalt, die noch § 38 Abs. 5 WpHG a.F. (vor dem 1. FiMaNoG) gesondert regelte, hat sich heute überholt. Denn den Aufgreiftatbestand bildet nicht mehr ein Verstoß gegen eine Norm des deutschen Rechts,

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Im Einzelnen: Assmann ZGR 1994, 494 (522 f.); Assmann/Schneider/Assmann § 14 WpHG Rn 183–197; KölnKomm WpHG/ Altenhain § 38 Rn 151–155; Fuchs/Waßmer Vor §§ 38–40b Rn 67–73, § 38 Rn 182–189; sowie Grundmann Revue de la Banque 1995, 275 (279). § 17 StGB; speziell für den Verstoß gegen Insider- und Marktmanipulationsverbote: Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2015, Rn 236 f.; Assmann/ Schneider/Vogel § 38 WpHG Rn 83 f.; KölnKomm WpHG/Altenhain § 38 Rn 149. Hilgendorf in Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, Handkommentar, 4. Aufl. 2017, § 38 WpHG Rn 72; KölnKomm WpHG/Altenhain § 38 Rn 153; Assmann/Schneider/ Vogel § 38 WpHG Rn 75. Zu beidem: Otto in Blaurock (Hrsg.), Unternehmen in Europa, 65 (82); Assmann/

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Schneider/Vogel § 38 WpHG Rn 88; ähnlich Niemeyer in: Müller-Gugenberger/Bieneck (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, Handbuch des Wirtschaftsstraf- und -ordnungswidrigkeitenrechts, 6. Aufl. 2015, § 21 Rn 25; Fuchs/Waßmer § 38 WpHG Rn 218. Haouache Börsenaufsicht, S. 75. BGH Beschl. v. 27.01.2010 – StR 224/09 NJW 2010, 882 (883 ff.) = NZG 2010, 349; dazu etwa Klöhn DB 2010, 769 (772–774) (Verlust beim unmittelbaren Marktgegenüber, der mit entsprechender Information niedrigeren Preis gezahlt hätte). All dies unter Anwendung des sog. Bruttoprinzips und ohne Anrechnung der Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Straftat getätigt. Zur zentralen Rolle des Verfalls auch Ransik/ Hüls ZGR 2009, 157.

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sondern ein Verstoß gegen Art. 7–11, 14 bzw. 12 f., 15 MAR.667 Folglich ist eine EU-weite, auch den EWR umfassende Anwendung des Verbots (aus der EU-VO!) insofern verbürgt, als es allein auf die Zulassung bzw. Einführung in einen Handelsplatz in diesem Raum ankommt (näher zum räumlichen Anwendungsbereich der MAR oben 6. Teil Rn 296–302). Entsprechend sind Abs. 1 Nr. 2 und 3 (EU/EWR-Fälle) auch nur als Anpassung von Nr. 1 (Inlandsfälle) zu verstehen, nicht als Erstreckungsregeln für inländische Verbote. Der Streit darum, ob solch eine Erstreckung zulässig ist oder gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstößt (m.E. im Sinne von Zulässigkeit zu entscheiden, weil die Blankettnorm der deutschen Rechtsordnung angehörte),668 ist obsolet. Denn EU-Verordnungen sind aufgrund ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit unstreitig Teil (auch) der deutschen Rechtsordnung. Daher ist auch der Streit obsolet, ob die Blankettnorm auch auf solche ausländische Normen verwies, die weitere Insider- oder Marktmanipulationssachverhalte erfassten als das deutsche Recht (vgl. Nachw. Fn 673).

III. Strafbarkeit nach anderen Normen (insbesondere Insiderhandel) Wichtig sind ansonsten § 263 StGB669 sowie §§ 399 f., 404 Abs. 1 AktG, 17 UWG, in- 304 vestment- sowie gewerberechtliche Strafnormen und, für Amtsträger bzw. Börsenhändler, §§ 203 Abs. 2 bzw. 266 StGB.670 Soweit Offenbarungspflichten vorausgesetzt werden, ist im insiderrechtlichen Grundsatz „disclose or abstain“671 eine solche zu sehen. Diese Normen stehen auch im Mittelpunkt, wenn es um die Strafbarkeit von sonstigen Verstößen gegen Verhaltensregeln im WpHG (und in der MAR) nach allgemeinem Strafrecht geht.672

IV. Annex: Zivilrechtliche Sanktionierung von Insider- und Marktmanipulationsverboten Zivilrechtliche Sanktionen auf der Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB und der Grund- 305 sätze zur c. i. c., also für einen Verschuldensmaßstab unterhalb des Vorsatzes, schlossen seit ihrer Verabschiedung §§ 37b, 37c WpHG a.F. (heute §§ 97, 98 WpHG n.F.) praktisch

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Zum internationalen Sachverhalt vor Inkrafttreten und Anwendbarkeit der MAR vgl. nur EBJS/Grundmann BankR VI Rn 397. Cramer, FS Triffterer 1996, S. 323 (340); Assmann/Schneider/Vogel § 38 WpHG Rn 61; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2015, Rn 366. Nötig war unter diesem Aspekt nur, dass das gleiche Verhalten im Inland strafbar gewesen wäre („entsprechend“): vgl. Cramer a.a.O. 340; KölnKomm WpHG/Altenhain § 38 Rn 135 ff.; Schröder Handbuch a.a.O. Rn 369. Dazu Assmann/Schneider § 14 WpHG Rn 201; KölnKomm WpHG/Altenhain § 38 Rn 164: beim Insiderhandel problematisch angesichts fehlenden Schadens beim Transaktionspartner.

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Vgl. Otto in Blaurock (Hrsg.), Unternehmen in Europa, 65 (68); Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 266 Rn 52. So schon die erste Leitentscheidung zum USamerikanischen (weniger weitreichenden) Insiderrecht: SEC v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2 d 833, 848 (2d Cir. 1968). Zur möglichen Strafbarkeit von Verstößen bei Ad-hoc-Publizität und Wohlverhaltensregeln nach Tatbeständen des allgemeinen Strafrechts (vor allem §§ 263, 264a, 266 StGB, 400 AktG) vgl. Überblicke bei Otto WM 1988, 729; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2015, Rn 1h–105, 621–674, 675–714; und auch Kommentierung zu §§ 97, 98 WpHG n.F. (ex-§§ 37b, 37c), oben Rn 270 (nur Ad-hocPublizität).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

aus.673 Dies betraf zwar unmittelbar nur Verstöße bei der Ad-hoc-Publizität, wurde in Deutschland jedoch auch breit auf Verstöße gegen Marktmissbrauchstatbestände, vor allem Insiderdelikte (Art. 7–11, 14 MAR, damals § 14 WpHG), übertragen.674 Bei Insiderdelikten lehnt daher die hM zivilrechtliche Ansprüche grds. ab675 – es sei denn nach § 826 BGB. Bei Verstößen gegen Marktmanipulationsverbote geht die hM inzwischen ebenfalls in diese Richtung.676 Praktisch wichtiger ist dies für Gewinnabführungsansprüche als für die (noch mit Nachweisproblemen behafteten) Schadensersatzansprüche.677 Die hM begünstigt die Staatskasse, weil die Gewinne nach strafrechtlichen Bestimmungen dem Staat verfallen, zu Lasten des Emittenten (als des typischerweise Geschädigten, häufig zugleich etwa Auftragsgeber in einem Verhältnis mit Geschäftsbesorgungscharakter bzw. -elementen), an den die Gewinne ebenfalls abgeführt werden könnten.678 673

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Vgl. oben Kommentierung zu §§ 97, 98 WpHG n.F. (ex-§§ 37b, 37c) und speziell Rn 268–270. Für die (verschiedenen) Wohlverhaltensregeln, die hier ebenfalls näher kommentiert wurden, für die es jedoch weder Sonderregeln zur strafrechtlichen noch zur zivilrechtlichen Sanktionierung gibt, vgl. oben Rn 223–225 und 274–276. Assmann AG 1994, 196 (203) betont, dass die Antwort grds. die gleiche sein muss wie für Art. 17 MAR (damals § 15 WpHG, Adhoc-Publizität) – was dann inzwischen für eine grds. Zulässigkeit zivilrechtlicher Ansprüche bei Verstößen gegen Insiderverbote spräche (§§ 97, 98 WpHG n.F., ex-§§ 37b, 37c). Gegen zivilrechtliche Ansprüche daher sowohl für § 15 WpHG a.F. (Ad-hoc-Publizität) (als seine zivilrechtliche Sanktionierung noch überwiegend abgelehnt wurde) als auch für § 14 WpHG: Happ JZ 1994, 240 (243); Hopt ZHR 159 (1995) 135 (162); Becker Das neue Wertpapierhandelsgesetz, 1995, S. 76 f.; Trölitzsch ZGR 1994, 547 (548 f.) (Diskussionsbericht); allgemeiner schon damals Assmann AG 1994, 237 (250); ders. ZGR 1994, 494 (525); Grunewald ZBB 1990, 128 (132 f.); Hopt ZGR 1991, 17 (70); ausf. Kirchner, FS Kitagawa 1992, S. 665 (678–682), der die zentrale Rolle zivilrechtlicher Sanktionen betont. So auch weiterhin Assmann/Schneider, § 14 WpHG Rn 208–211; Steinhauer Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, Eine rechtsvergleichende Analyse zivilrechtlicher Haftungsansprüche von Anlegern in den USA und Deutschland, 1999, S. 82–88; Schäfer/ Hamann/Schäfer § 14 Rn 97; Kümpel/Wittig/ Rothenhöfer Rn 3.460; für eine differenzierende Anwendung schadensersatzrechtlicher Regeln: Grechenig ZBB 2010, 232 (Schadensersatzanspruch bei Nutzung positiver Informationen bejahend, bei Nutzung negativer

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aus teleologischen Gründen hingegen nicht); grds. zu öffenlichrechtlichen Normen und Vertragsrecht: Dieckmann AcP 213 (2013) 1; für die Haftungsgrundlagen aus Gesetz ausf.: Stackmann NJW 2013, 1985. BGH Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149; BGH Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10, WM 2012, 303 (305 f.) (IKB); BVerfG Beschl. v. 24.9.2002, NJW 2003, 501 = NZG 2003, 77; OLG Düsseldorf Urt. v. 27.1.2010 – I-15 U 230/09, BeckRS 2010, 17310; OLG Stuttgart Urt. v. 2.5.2015 – 2 U 102/14, WM 2015, 875; Forst BKR 2009, 454 (456); Schwark/Zimmer § 20a Rn 7; Assmann/Scheider/Vogel § 20a WpHG Rn 26–31; Bausch/Wittmann WM 2014, 494 (499 f.); Buck-Heeb WM 2015, 157 (165); aA KölnKomm WpHG/Altenhain § 20a Rn 487; Hellgardt AG 2012, 154 (165); Möllers/Leisch ZIP 2002, 1995 (1996 f.); Poelzig ZGR 2015, 801 (811 ff.); Schockenhoff/Culmann AG 2016, 517 (519 f.); Seibt/Wollenschläger AG 2014, 593 (607); und weiterhin Grüger WM 2010, 247 (252 f.) (bei Verstoß gegen Lock-up-Vereinbarungen freilich zusätzlich Ansprüche aus Vertrag mit Schutzwirkung gegenüber Dritten, a.a.O. 253). Aufgrund der Anonymität der Börsentransaktionen ist regelmäßig die Kausalität der Verletzung des Insiderhandelsverbots nicht zu beweisen. Anders ist dies nur bei sog. Face-to-face-Geschäften, für die nach deutschem Recht das Insiderhandelsverbot ebenfalls gilt: Zu all dem schon Assmann AG 1994, 237 (250); ders. ZGR 1994, 494 (525); freilich ändert sich dies zunehmend auf Grund der Dokumentationspflichten: Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn 16.67–16.69. Dazu schon: Assmann AG 1994, 237 (250); Hopt ZGR 1991, 17 (59 f.); Kirchner FS Kitagawa 1992, S. 665 (677–680).

Stefan Grundmann

Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

Über den individualschützenden Charakter der Verbote entscheidet die MAR, ggf. mit 306 MAD II, nicht das WpHG.679 Zudem ist die hM für Art. 14, 15 MAR (früher §§ 14, 20a WpHG) schon auf dem Boden des deutschen Rechts heute fraglich, wird der Verstoß gegen Art. 17 MAR (früher § 15 WpHG) doch durchaus auch zivilrechtlich sanktioniert. Immerhin wird der Verstoß gegen Art. 14, 15 MAR (früher §§ 14, 20a WpHG) ungleich schärfer verurteilt und besteht doch bei diesen Verboten auf Grund des Vorsatz-, mindestens Leichtfertigkeits- bzw. Verwendungserfordernisses auch nicht das Risiko, sich „unversehens“ unübersehbaren Haftungsansprüchen ausgesetzt zu sehen, zumal wenn es nur um Gewinnabführung (statt Verfall) geht, also um alternative Abführungsformen. Bei der praktisch wichtigeren Gewinnabführung an den Emittenten ist die dogmatische 307 Begründung anspruchsvoller. Ausgangspunkt ist, dass ökonomisch gesehen primär der Intermediär, letztlich jedoch der Emittent geschädigt ist (höhere Kapitalaufbringungskosten).680 Gleiches gilt cum grano salis bei allen informationsbasierten Marktmanipulationsformen. Informationen aus dem Bereich des Emittenten gehen zudem (allein) auf sein Investment zurück, so dass ein treuhänderisches Halten der Information durch den Insider (mit allen Gewinnmöglichkeiten) unschwer zu begründen ist.681 Selbst bei Marktdaten (ohne direkten Emittentenbezug) geht immerhin spezifisch die Werthaltigkeit für den Effektenkurs wiederum auf das Investment des Emittenten, nicht des Insiders zurück.682 Gleiches gilt auch insoweit cum grano salis bei allen informationsbasierten Marktmanipulationsformen. Da es um Gewinnabschöpfung geht, sind Beweisschwierigkeiten beim Nachweis des Schadens hier irrelevant.

V. §§ 120–126 WpHG n.F. (ex-§§ 39–40b): Ordnungswidrigkeitenrecht (Überblick) [umfangreiche, häufig geänderte und komplexe Regeln zu den Bußgeldtatbeständen und den diesbezüglichen Zuständigkeiten bzw. Bekanntmachungen. Nicht abgedruckt]683 Von den hier kommentierten Pflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, 308 Emittenten und Marktteilnehmern sanktionieren §§ 120–126 WpHG n.F. (ex-§§ 39–40b)

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Vgl. mit Nachw. oben 5. Teil Rn 142 f. und 8. Teil Rn 257. Das dort für Art. 17 MAR Gesagte gilt, da die MAR insoweit nicht differenziert, umfassend für Art. 14, 15 MAR. Vgl. Rudolph, FS Moxter 1994, S. 1333 (1345–1349); Schmidt, Insider Regulation and Economic Theory, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), European Insider Dealing – Law and Practice, 1991, 21 (22–28); oben 6. Teil Rn 338. Vgl. vor allem Grundmann Treuhandvertrag S. 365 f.; sowie Hopt ZGR 1991, 17 (67 f.) (genereller zu den gesellschaftsrechtlichen Instrumenten, die insoweit im deutschen Recht herangezogen werden können). Dies gilt übrigens auch für Sekundärinsider; zum Durchschlagen treuhänderischer Pflichtenbindungen auf Dritte, die um diese Bindung wissen (in der Regel erhalten Sekundärinsider die

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Information vom Primärinsider und wissen dann um ihren Insidercharakter), vgl. ebenfalls Grundmann Treuhandvertrag, S. 303–306, 320 f., 329 und 365 f. Grundmann Treuhandvertrag S. 163; anders der Ansatz der Treupflichttheorie in den USA: Kraakman The Legal Theory of Insider Trading Regulation in the United States, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), European Insider Dealing – Law and Practice, 1991, 39 (42 ff.). Hierzu neben den Standardkommentaren vor allem: Moosmayer, Straf- und bußgeldrechtliche Regelungen im Entwurf eines Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, wistra 2002, 161; Schröder, Straf- und Bußgeldtatbestände im BörsG und WpHG, in: Achenbach/Ransiek (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. 2015, S. 1286 ff.;

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

vor allem Verstöße gegen die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität und gegen die Wohlverhaltensregeln (Art. 17 MAR, §§ 63 ff. WpHG n.F., ex-§§ 31 ff), seit einigen Jahren auch im Bereich Rating (Gesetz v. 10.12.2014, BGBl. 2014 I, S. 2085). Verstöße gegen Insider- und Marktmanipulationsverbote (Art. 7–11, 14 bzw. 12 f. und 15 MAR) sind zwar ebenfalls umfangreich erfasst, jedoch sehr weit gehend auch schon strafbewehrt (vgl. hierzu Kommentierung zu § 119 WpHG n.F., ex-§ 38, und zu den zivilrechtlichen Sanktionen oben 292–307). In der jüngeren Zeit kamen vor allem die Bußgeldtatbestände zu neuen EU-Rechtsakten hinzu. Neu erfasst wurden namentlich durch Art. 1 und 2 des 2. FiMaNoG Verstöße gegen Regeln zur Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften (§ 39 Abs. 2f, nach Art. 3 dann § 120 Abs. 10 WpHG n.F.) und gegen die EU-Benchmark-VO (§ 39 Abs. 2g, nach Art. 3 dann § 120 Abs. 11 WpHG n.F.; die VO selbst kommentiert im 6. Teil Abschnitt 4). Zivilrechtliche Ansprüche bei Verstößen gegen die Pflicht zur Ad-hocPublizität und die Wohlverhaltensregeln sind teils speziell geregelt (§§ 97, 98 WpHG n.F., ex-§§ 37b, 37c WpHG, Rn 257–272, mit Annex zu den organisationsbezogenen Wohlverhaltensregeln, Rn 274–276). Ansonsten wurden sie wegen des engen Sachzusammenhangs je schon bei der Wohlverhaltensregel kommentiert. 309 Unterschieden wird in § 120 WpHG n.F. (wie vorher in § 39 WpHG a.F.) zwischen Taten, bei denen aufsichtliche Anordnungen nicht beachtet werden, die so klar sind, dass keinerlei Verschuldensprüfung angeordnet wird, de facto aber immer Organisationsverschulden vorliegt (Abs. 1, anders Abs. 12, 13) sowie Taten, bei denen Vorsatz oder Leichtfertigkeit genügt (Abs. 2–11, 14–16, ex-§ 39 Abs. 2–2g, 3b, 3d und 3e) oder Vorsatz oder Fahrlässigkeit (§ 120 Abs. 12 und 13 WpHG n.F., ex-§ Abs. 3, 3a). Einen Sonderfall bildete früher § 39 Abs. 3c WpHG a.F., die Parallelregel heute gestaltet die Handlung als Leichtfertigkeitsdelikt aus (§ 120 Abs. 2 Nr. 3 WpHG n.F.). Demgegenüber bildet die zweite Kategorie (Vorsatz und Leichtfertigkeit) die (schon rein volumenmäßig) mit Abstand gewichtigste. Bei näherer Betrachtung umfasst sie heute alle gegenüber Kunden oder in der internen Organisations zu erfüllende Pflichten – so auch Fälle, die als Vorsatztat strafbar sind, in der Begehungsform der Leichtfertigkeit hingegen Ordnungswidrigkeiten darstellen (etwa Abs. 14, häufig um Beweisbarkeitslücken zu schließen). Dieser umfangreiche Katalog ist heute nach Rechtsakten geordnet, was bei großen Rechtsakten freilich Kataloge von an die oder über 100 Einzeltatbeständen zur Folge hat – so namentlich für das WpHG selbst (Abs. 8) oder die MAR (vor allem Abs. 15, daneben aber Strafbarkeit von Insiderhandel und Marktmanipuliation und Abs. 14). Nacheinander werden Bußgeldandrohungen für folgende Einzelmaterien/Einzelrechtsakte formuliert: – ein Konglomerat an Regeln aus dem WpHG/MiFID II-Bereich, die vor allem das Aufsichtsverhältnis betreffen, jedoch beispielsweise auch die Erstreckuung von Marktmanipulationsverboten auf Waren und Devisen in Nr. 3, vor allem aber die Beteiligungstransparenz in Nr. 4 ff. (Auffangkategorie WpHG, Abs. 1; Beteiligungstransparenz kommeniert im 6. Teil Abschnitt 5); – Aufzeichnungen, die die DV 2017/565 vorschreibt (Abs. 3); – Materien der EU-Rating-VO (Abs. 4); – Materien der EU-Treibhausemissionszertifikatsauktions-VO (Abs. 5);

Koch, Ermittlung und Verfolgung von strafbarem Insiderhandel, 2005; Poelzig, Die Neuregelung der Offenlegungsvorschriften durch die Marktmissbrauchsverordnung, NZG 2016, 761 (772 f.); Teigelack/Dolff,

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Kapitalmarktrechtliche Sanktionen nach dem Regierungsentwurf eines Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes, BB 2016, 387; Weber, Die Entwicklung des Kapitalmarktrechts in 2016/2017, NJW 2017, 991 (994).

Stefan Grundmann

Abschnitt 11. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten

– Melde- und Ausgestaltungspflichten nach der EU-Leerverkaufs-VO (Abs. 6, kommentiert im 6. Teil Abschnitt 4); – Melde- und Clearingspflichten nach der EMIR (Abs. 7; kommentiert im 6. Teil Abschnitt 4 und 7. Teil Rn 187–199, bes. 190 f.); – Materien des WpHG/MiFID II (Abs. 8), am wichtigsten (neben dem Aufsichtsverhältnis) (i) die Wohlverhaltensregeln im direkten Kundenverhältnis (§§ 63, 64, vor allem auch § 70 WpHG n.F. zu den Inducements, Nr. 27–48, 52 f., kommentiert im 8. Teil, 1. Abschnitt), (ii) die Regeln für Marktbetreiber (§§ 72 ff. WpHG n.F., Nr. 54 ff., teils auch in den speziellen Verordnungen, etwa Abs. 15 Nr. 1, 3–5, die Regeln selbst kommentiert im 7. Teil, Abschnitt 3) und (iii) die Regeln für die innere Organisation von Wertpapierdienstleistern (§§ 80 ff. WpHG n.F., Nr. 97 ff., die Regeln selbst kommentiert im 7. Teil, Abschnitt 2), insbesondere auch die für das Kundenverhältnis so wichtigen Dokumentations- und Trennpflichten (§§ 83, 84 WpHG n.F., Nr. 123–133). – Materien der MiFIR (Abs. 9), am wichtigsten diejenigen zur inneren Organisation der Wertpapierdienstleister (vor allem Nr. 1 ff.) und zu den Marktbetreibern (vor allem Nr. 5 ff.); umfangreich kommentiert in verschiedenen Abschnitten des 7. Teils; – Transparenzregeln im Bereich Wertpapierfinanzierung (Abs. 10); – Materien der EU-Benchmark-VO (Abs. 11; kommentiert im 6. Teil Abschnitt 4 und 7. Teil Rn 139 f.); – der Bereich der Einzelanordnungen u.ä., bei denen fahrlässiger Verstoß genügt (Abs. 12, 13, u.a. auch mit Verstößen gegen die Veröffentlichungspflicht bei Finanzberichten, Abs. 12 Nr. 5; kommentiert im 6. Teil Abschnitt 5); – Materien der MAR (Abs. 14 und vor allem Abs. 15, neben Insiderhandel und Marktmanipulation, bei denen Schwerpunkt bei der Strafbarkeit liegt, vor allem Ad-hoc-Publizität und Veröffentlichung Insiderlisten; kommentiert oben 6. Teil Abschnitt 3); – Basisinformationsblätter nach der PRIIP-VO (Abs. 16; kommentiert oben Rn 179– 181).

VI. §§ 127–137 WpHG n.F. (ex-§§ 41–48): Übergangsrecht

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Übergangsvorschriften des WpHG, nach Gesetzesnovellen unterteilt, in der jeweiligen Kommentierung, wo notwendig, angezeigt. Nicht abgedruckt]684

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Hierzu neben den Standardkommentaren zu den Überleitungsfragen, die sich aus der Ersetzung der Sonderverjährungsregime der §§ 37a-37c WpHG a.F. (schon vor Umbenennung des zweiten Teils in §§ 97, 98 WpHG n.F.) ergeben: von Katte/Berisha BKR 2016, 409 (411 ff.); Asmus/Moini WM 2016, 1627; Tilp/Weiss WM 2016, 915; Druckenbrodt NJW 2015, 3749; Piekenbrock NJW 2016, 1350; und für frühere Novellen: Kocher/Widder, Keine Ausweitung der Bestandsmitteilungspflicht bei Einführung des TUG nach § 41 Abs. 4a WpHG, ZIP 2010, 1326; Verse, Generelle Bestands-

mitteilungspflicht und Rechtsverlust kraft richtlinienkonformer Auslegung, BKR 2010, 328; Witt, Die Änderung der Mitteilungsund Veröffentlichungspflichten nach §§ 21 ff. WpHG, AG 2001, 233; Sudmeyer, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach §§ 21, 22 WpHG, BB 2002, 685. Zu § 136 WpHG n.F., der hinsichtlich der Frage möglicher Ahndungslücken nach dem 1. FiMaNoG Rechtssicherheit schaffen soll: BGH Beschl. v. 10.1.2017 – 5 StR 532/16, NZWiSt 2017, 146, mit Anm. Bergmann/ Vogt NZWiSt 2017, 149 (152 m.w.N.).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

2. Abschnitt: Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen) (Überblick) Übersicht Rn

Rn Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz – DepotG) . . . 311 I. Depotgesetz – Entwicklung und allgemeine Vorschriften (§ 1) . . . . 1. Depotgeschäft . . . . . . . . . . . 2. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . 3. § 1 Abs. 1 DepotG: Verwahrgegenstände . . . . . . . . . . . . 4. § 1 Abs. 2, 3 DepotG: Verwahrer und Depotvertrag . . . . . . . . . a) Depotvertrag als Grundlage der Verwahrung . . . . . . . . b) Verwahrer (Abs. 2) und Verwahrformen (mit Verweis) c) Insbes. Sammelverwahrer/ Wertpapiersammelbanken (Abs. 3 und CSDR) . . . . . .

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II. Verwahrung: Formen, Rechte und Ansprüche, Wirksamkeitsregeln (§§ 2–17a) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick: Rechtsverhältnisse und Regelungskomplexe . . . . . . . . . . . 2. §§ 2–4 DepotG: Sonderverwahrung („Streifbandverwahrung“): Rechte und Ansprüche . . . . . . . . . a) (Streifband-)Hausverwaltung – Rechte und Rechtsbeziehungen (§ 2 DepotG). . . . . . . . . . . . . b) (Streifband-)Drittverwahrung: Rechte, Pfandrechte, Rechtsbeziehungen (§§ 3, 4 DepotG) . . . 3. §§ 5–9a DepotG: Sammelverwahrung: Rechte und Ansprüche . . . . . . . . . a) Überblick – mit Erstreckungsregeln (§ 5 Abs. 3, § 9 DepotG) . . . . . . b) Sammelurkunde und -depot (§ 9a DepotG) . . . . . . . . . . . . c) Zulässigkeit und Voraussetzungen einer Sammelverwahrung bzw. Äquivalent (§ 5 Abs. 1–2 DepotG) d) Rechtsverhältnisse I: Eigentumsund Besitzverhältnisse (§ 6 DepotG) . . . . . . . . . . . . e) Rechtsverhältnisse II: Herausgabeansprüche (§§ 7, 8 DepotG) . . . . f) Insbes. Sammelverwahrung im Wege des grenzüberschreitenden Effektengiros (§ 5 Abs. 4 DepotG) . 4. §§ 10–17 DepotG: Ermächtigungsformen (Verpfändung und Verfügung), Depotbuchführung, (Un-)Anwendbarkeit depotrechtlicher Normen . . . . . . . . . . .

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a) Ermächtigung zur Tauschverwahrung (§ 10, 11 DepotG) . . . . b) Ermächtigung zur Verpfändung (§ 12, 12a DepotG) . . . . . . . . . c) Aneignungsermächtigung (§ 13 DepotG) sowie unregelmäßige Verwahrung (§ 15 DepotG) . . d) Depotführung – Verwahrungsbuch (§ 14 DepotG) . . . . . . . . . . . e) Anwendbarkeitsfragen bei Formvorschriften und Pfandverwahrung (§ 16, 17 DepotG) – mit Verweis . 5. § 17a DepotG: Annex: Anwendbares Recht, insbes. für Verfügungen . . . . . a) Gesamtbild grenzüberscheitendes Depotgeschäft . . . . . . . . . . . . b) Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . c) Probleminternalisierung Grenzüber schreitung im Sondersachrecht . . . d) Kollisionsrechtliche Absicherung von Transaktionssicherheit (§ 17a DepotG) . . . . . . . . . . . III. Verfügung über verwahrte Instrumente (Einkaufskommission und Eigenhandel für den Kunden, §§ 18–31 DepotG) . . . 1. §§ 18–23 DepotG: Verfügung bei Sonderverwahrung – Stückeverzeichnis . . a) Grundmodell der Erfüllung bei Einkaufskommission auf Einzelstücke (§§ 18, 23 DepotG) . . . . . b) Aufschieben der Versendung bei Nichterfüllung bzw. Erfüllung nur auf Verlangen (§§ 19–21 DepotG) . c) Erfüllung im grenzüberschreitenden Geschäft (§ 22 DepotG) . . . . . . 2. § 24 DepotG: Verfügung bei Sammelverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesamtbild . . . . . . . . . . . . . b) Verfügung durch Eintragung von Miteigentumsanteil (Abs. 1 und 2 S. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. §§ 25–31 DepotG: Flankierende Regeln (Leistungsstörungen, Zurückbehaltungs- und Pfandrechte) . . . . . a) Leistungsstörungen (§§ 25–27 DepotG) . . . . . . . . . b) Verwahrerstatus und Beschränkung von Pfand- und Zurückbehaltungsrechten (§§ 29 f. DepotG) . . . . . 4. Annex: EU-Vorgaben zu Buchung, Abwicklungszeitpunkt und -gewährleistung (Art. 3-8 CSDR) (Überblick) . a) Art. 3-4 CSDR: Einbuchung im Effektengiro . . . . . . . . . . . . .

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang) Rn b) Art. 5-8 CSDR: Regeln zur Abwicklungsperiode und -disziplin . . 379 IV. Insolvenzrecht, Straf- und Schlussbestimmungen (§§ 32–43) . . . . . . . . . 381 1. Depotrechtlicher Insolvenzvorrang (§§ 32, 33 DepotG) . . . . . . . . . . . 382

Rn a) Gläubigervorrang in der Erwerbsphase (§ 32 DepotG) . . . . . . . . 382 b) Ausgleichsverfahren bei Verpfändung (§ 33 DepotG) . . . . . . 384 2. Depotrechtliche Straftatbestände (§§ 34-37 DepotG) . . . . . . . . . . . 385

Schrifttum 1. Depotgesetz a) Monographien, Sammelbände, Kommentare: Beckmann, Reformbedarf und Reformperspektiven im Recht der girosammelverwahrten Wertpapiere, 2013; Binder, Depotrecht, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler (Hrsg.) Bankrechtskommentar, 2. Aufl. 2016, 38. Kapitel; L. Böttcher, Depotgesetz, 1. Aufl. 2012; M. Böttcher, „Clearstream“ – Die Fortschreibung der Essential Facilities-Doktrin im Europäischen Wettbewerbsrecht, 2011; Born, Europäisches Kollisionsrecht des Effektengiros, 2014; Brink, Rechtsbeziehungen und Rechtsübertragung im nationalen und internationalen Effektengiroverkehr, 1976; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen – Kommentar, 4. Aufl. 2015; Conac/Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, 2013; Decker, Depotgeschäft – 8. Kapitel, BuB (Stand 10/2008) (zuvor Decker/Kümpel); Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung, 2002; Düring, Eigentumsübergang an depotverwahrten Wertpapieren, 2008; Ege, Das Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere, 2006; Einsele, Depotgeschäft in: K. Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum HGB, Bd. 5, 3. Aufl. 2014; dies., Wertpapierrecht als Schuldrecht, 1995; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2014; Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz, 1975 (Reprint 2012); Klanten, Das Depotgeschäft, in Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechtshandbuch, 5. Aufl. 2017, § 72; Lehmann, Finanzinstrumente – vom Wertpapier- und Sachenrecht zum Recht der unkörperlichen Vermögensgegenstände, 2009; Opitz, Depotgesetz, Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 4.2.1937, 2. Aufl. 1955; Saager, Effektengiroverkehr und internationales Privatrecht, 2007; Scherer (Hrsg.), Depotgesetz – Kommentar, 2012; Schwarz, Globaler Effektenhandel – eine rechtstatsächliche und rechtsvergleichende Studie zu Risiken, Dogmatik und Einzelfragen des Trading, Clearing und Settlement bei nationalen und internationalen Wertpapiertransaktionen, 2016; Turing, Clearing and Settlement in Europe – UNIDROIT Draft Official Commentary on the Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Securities, CONF 11/2 – Doc. 5 (2012); Wust, Die grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren, 2011. b) Aufsätze und Beiträge: Baums Zur Deregulierung des Depotstimmrechts, ZHR 171 (2007), 599; Berger, Verpfändung und Verwertung von Aktien, WM 2009, 577; Böning, Der Besitz des Hinterlegers an Dauerglobalaktien, ZinsO 2008, 873; Brand, Besitz an dauerglobalverbrieften Aktien – zugleich ein Beitrag zur Lehre vom Besitz, ZBB 2015, 40; Coing, Die Aufbewahrung von Wertpapieren im Ausland als Treuhandgeschäft, WM 1977, 466; Eichholz, Das Genfer Wertpapierübereinkommen und das deutsche sachenrechtliche Denken im Effektengiroverkehr, WM 2013, 250; Einsele, Wertpapiere im elektronischen Bankverkehr, WM 2001, 7; dies., Die internationalprivatrechtlichen Regelungen der Finalitätsrichtlinie und ihre Umsetzung in der EU, WM 2001, 2415; dies., Das Haager Übereinkommen über das auf bestimmte Rechte im Zusammenhang mit zwischenverwahrten Wertpapieren anzuwendende Recht, WM 2003, 2349; dies., Das UNIDROIT-Projekt zu intermediärverwahrten Wertpapieren als Konzept für eine Modernisierung des deutschen Depotrechts, WM 2005, 1109; dies., Intermediär-verwahrte Wertpapiere – Rechtsharmonisierung versus Systemneutralität, ZHR 173 (2013), 50; Erkelenz, Zwangsvollstreckung in sammelverwahrte Wertrechte, RPfleger 1991, 236; Gehricke/Saager, Die Weiterleitungspflicht der Depotbank gemäß Nr. 16 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte und Praxisprobleme, WM 2008, 623; Geier, Die Regelungen des Depotvertrags im Moratorium, ZBB 2010, 289; Grundmann, Das neue Depotstimmrecht nach der Fassung im Regierungsentwurf zum ARUG, BKR 2009, 31; Grundmann/Winkler, Das Aktionärsstimmrecht in Europa und der Kommissionsvorschlag zur Stimmrechtsausübung in börsennotierten Gesellschaften, ZIP 2006, 1421; Habersack/Mayer, Globalverbriefte Aktien als Gegenstand sachenrechtlicher Verfügungen, WM 2000, 1678; Hammen, Zur geplanten Neuregelung des Depotstimmrechts, ZIP 1995, 1301; Heißel/Kienle, Rechtliche und praktische Aspekte für die Einbeziehung vinkulierter Namensaktien in die Sammelverwahrung, WM 1993, 1909; Hellner, Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren im

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung Ausland, FS Heinsius 1991, S. 211; Hirte/Knof, Das Pfandrecht an globalverbrieften Aktien in der Insolvenz (Teile 1 und 2), WM 2008, 7 und 49; Hövekamp/Hugger, Die Reichweite der Haftung der Depotbanken vor dem Hintergrund des Madoff-Skandals, FS Hopt 2010, S. 2015; Horn, Die Erfüllung von Wertpapiergeschäften unter Einbeziehung eines Zentralen Kontrahenten an der Börse, WM 2002 Beil. 2; Iversen, Die außerbörsliche Übertragung von Aktien unter Beachtung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes, AG 2008; 736; Keijser/Parmentier, Die Verabschiedung der Genfer Wertpapierkonvention, BKR 2010, 151; Keller Die EG-Richtlinie 98/26 vom 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen und ihre Umsetzung in Deutschland, WM 2000, 1289; Kessler, Vom Jungschein zur Globalurkunde, ZfKW 1964, 830; Klanten, Neue Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, ZBB 1995, 92; Kobbach/Freis, Aktuelle Rechts- und Compliance-Aspekte bei der Wertpapierverwahrung mit Auslandsbezug, RdF 2016, 38; Koller, Der gutgläubige Erwerb von Sammeldepotanteilen an Wertpapieren im Effektengiroverkehr, DB 1972, 1861 und 1905; Kreße, Möglichkeiten der Girosammelverwahrung von Wertrechten durch Kreditinstitute, WM 2015, 463; Kronke, Das Genfer UNIDROIT-Übereinkommen über materiellrechtliche Normen über intermediär-verwahrte Wertpapiere und die Reform des deutschen Depotrechts, WM 2010, 1625; ders., Der funktionale Ansatz in der Rechts-„Vereinheitlichung“: Kritik und Bewährung am Beispiel des Rechts intermediärverwahrter Effekten, FS Magnus 2014, S. 231; Kümpel, Ablösung der „Wertrechte“ durch (Dauer-)Globalurkunden, WM 1982, 730; ders., Die neuen Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, WM 1995, 137; ders., Die Internationalisierung der deutschen Girosammelverwahrung (unter Beachtung der Rechtsgrundsätze des deutschen Effektengiroverkehrs), WM 1976, 942; ders., Grenzüberschreitender Giroverkehr durch Internationalisierung der deutschen Girosammelverwahrung – Zum Inkrafttreten der Depotgesetznovelle vom 17. Juli 1985, WM 1985, 1381; Kümpel/Peters Aktuelle Rechtsfragen der Wertpapierleihe, AG 1994, 525; Kumpan, (13) Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz – DepotG), in Baumbach/Hopt Handelsgesetzbuch, 37. Aufl. 2016; Kusserow, Auswirkungen aktueller Regulierungsvorhaben auf Schuldverschreibungsemissionen von Kreditinstituten, WM 2013, 1581; S. Lorenz, Zur Abgrenzung von Wertpapierrechtsstatut und Wertpapiersachstatut im internationalen Wertpapierrecht, NJW 1995, 176; Mentz/Fröhling, Die Formen der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Aktien, NZG 2002, 201; Merkt/Rossbach, Das „Übereinkommen über das auf bestimmte Rechte in Bezug auf bei einem Zwischenverwahrer sammelverwahrte Effekten anzuwendende Recht“ der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, ZvglRW 102 (2003) 33; Miletzki, 100 Jahre Depotrecht, WM 1996, 1849; ders., Die neuen Depotprüfungsbestimmungen und die Bekanntmachung zum Depotgeschäft, WM 1999, 1451; Mülbert, Die Aktie zwischen mitglieds- und wertpapierrechtlichen Vorstellungen, FS Nobbe 2009, S. 691; ders., Vom Ende allen sachenrechtlichen Denkens im Depotrecht durch UNIDROIT und die EU, ZBB 2010, 445; Noack, ARUG – das nächste Stück Aktienrechtsreform in Permanenz, NZG 2008, 441; Nodoushani, Rechtsfragen bei der Aktienverpfändung, WM 2007, 289; Paech, Grenzüberschreitende Wertpapierverfügungen – Rechtssicherheit und Effizienz durch Kompatibilität des Depotrechts, WM 2005, 1101; Pleyer/Schleiffer, Neue Entwicklungen im Depotrecht, DB 1972, 77; Pöch, UNIDROIT-Entwurf einer Wertpapier-Konvention, FS Gruson 2009, S. 303; Räbel, Rechtsfragen zur Wertpapierrechnung im Auslandsgeschäft, ZfgKW 1960, 186; ders., Aktuelle Fragen des Depotrechts im Auslandsgeschäft, ZfgKW 1968, 816 und 872; Reuschle, Das neue IPR für intermediär-verwahrte Wertpapiere, BKR 2003, 562; Sauter, Offene Fragen zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), ZIP 2008, 1706; Schefold, Grenzüberschreitende Wertpapierübertragungen und Internationales Privatrecht, IPRax 2000, 468; J. Schmidt, Banken(voll)macht im Wandel der Zeit – das ARUG als (vorläufiger?) Schlussstein einer wechselvollen Geschichte, WM 2009, 2350; Seibert, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), ZIP 2008, 906; Stauder/Comes, Pfand- und Zurückbehaltungsrechte im Effektengeschäft, WM 1969, 613; Than, Kapitalmarkt und Globalurkunde, FS Heinsius 1991, S. 809; ders., Neue Rechtsentwicklungen für den grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr, FS Kümpel 2003, S. 543; ders., Der funktionale Ansatz in der UNIDROIT Geneva Securities Convention vom 9. Oktober 2009, FS Hopt 2010, S. 231; Thévenoz, Intermediated Securities, Legal Risk, and the International Harmonization of Commercial Law, 13 Stanford Review of Law, Business, and Finance 384 (2008); Voß, Securities Law Directive und das deutsche Depotrecht, EWS 2010, 209; Wagner, Die geänderten Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, WM 2007, 1725; Ziganke, Die Sonderbedingungen für Auslandsgeschäfte in Wertpapieren, WM 1960, 226; Zöllner, Die Zurückdrängung des Verkörperungselements bei den Wertpapieren, FS Raiser 1974, S. 249.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang) 2. EU-Zentralverwahrer-Verordnung – „CSDR“ (IV.) a) Monographien, Sammelbände, Kommentare: Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei, 2005; Kunz, Ausgewählte Rechtsprobleme des Zentralen Kontrahenten, 2009; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 3. Aufl. 2014; Zetzsche/Preiner (teils u.a.), § 7 Europäisches Kapitalmarktrecht, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.) Enzyklopädie Europarecht, Bd. 6: Europäisches Privat- und Unternehmensrecht (Bd.-Hrsg. Gebauer/Teichmann), 2016, S. 631–928. b) Aufsätze und Beiträge: Baker When Regulators Collide: Financial Markets Stability, Systemic Risk, Clearinghouses and CDS, Virginia Law & Business Review 10 (2016), 343; Belghazi, Towards a convergence of CSD account segregation practices, 8 Journal of Securities Operations & Custody 18 (2015); ders., Preparing to comply with the CSD Regulation, 6 Journal of Securities Operations & Custody 102 (2013); Benjamin, The Law and Regulation of Custody Securities: Cutting the Gordian Knot, Capital Markets Law Journal 9 (2014): 327; Dubrau, CSD regulation: A major change for the post-trade arena, 6 Journal of Securities Operations & Custody 212 (2013); Freeman, Europe gets ready for T+2, 6 Journal of Securities Operations & Custody 366 (2013); Habersack/Ehrl, Börsengeschäfte unter Einbeziehung eines zentralen Kontrahenten, ZfPW 2015, 312; Iglesias-Rodríguez The Regulation of Cross-Border Clearing and Settlement in the European Union from a Legitimacy Perspective, European Business Organization Law Review 13 (2012), 441; Micheler, Building a Capital Markets Union: Improving the Market Infrastructure, 17 EBOR 481 (2016); Milne, Central securities depositories and securities clearing and settlement – Business practice and public policy concerns, in: Diehl/Alexandrova-Kabadjova/Heuver/Martínez-Jaramillo (Hrsg.), Analyzing the Economics of Financial Market Infrastructures, 2016, S. 334; Vanderheyden/Reucroft, Central Securities Depositories Regulation: The next systemic crisis waiting to happen?, 7 Journal of Securities Operations & Custody 242 (2015); und (wenn auch weniger schwerpunktmäßig) auch die jüngsten Monographien und Aufsätze unter 1.

311

Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz – DepotG) vom 04.02.1937 Neugefasst durch Bek. v. 11.1.1995 I 34; zuletzt geändert durch Art. 12 G v. 30.6.2016 I 1514; 2017 I 559

I. Depotgesetz – Entwicklung und allgemeine Vorschriften (§ 1)

312

§ 1 Allgemeine Vorschriften (1) Wertpapiere im Sinne dieses Gesetzes sind Aktien, Kuxe, Zwischenscheine, Zins-, Gewinnanteil- und Erneuerungsscheine, auf den Inhaber lautende oder durch Indossament übertragbare Schuldverschreibungen, ferner andere Wertpapiere, wenn diese vertretbar sind, mit Ausnahme von Banknoten und Papiergeld. Wertpapiere im Sinne dieses Gesetzes sind auch Namensschuldverschreibungen, soweit sie auf den Namen einer Wertpapiersammelbank ausgestellt wurden. (2) Verwahrer im Sinne dieses Gesetzes ist, wem im Betrieb seines Gewerbes Wertpapiere unverschlossen zur Verwahrung anvertraut werden. (3) Wertpapiersammelbanken sind Kreditinstitute, die nach Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 1) als Stefan Grundmann

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Zentralverwahrer zugelassen sind und die die in Abschnitt A Nummer 2 des Anhangs zu dieser Verordnung genannte Kerndienstleistung im Inland erbringen.

313

1. Depotgeschäft. Das Depotgeschäft, das § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG als Bankgeschäft qualifiziert und damit der Bankaufsicht durch die BaFin und insbesondere der bankaufsichtlichen Zulassungspflicht unterwirft (exklusives Bankgeschäft),685 insbesondere auch der jährlichen Depotprüfung,686 definiert diese Norm zugleich als die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren iSv § 1 Abs. 1 DepotG („Verwahrgegenstände“, vgl. unten 3., Rn 318). Dass beide Geschäftsgegenstände (Verwahrung und Verwaltung) kumulativ genannt werden, bedeutet zugleich, dass jeder für sich genommen diese Rechtsfolgen zeitigt und bereits als Depotgeschäft zu verstehen ist.687 Dabei steht – bei aller Wichtigkeit auch der laufenden Verwaltungsregeln – die Verwahrung im Vordergrund: Sie ist regelmäßig die Grundlage für die Verwaltung (der Rechte aus den „Wertpapieren“, den Verwahrgegenständen), und das Depotgesetz als das depotrechtliche Hauptgesetz überschreibt auch den ersten (und umfangreichsten) Abschnitt mit dem Begriff der „Verwahrung“. 314 Sowohl Verwahrung als auch Verwaltung sind von anderen „verwandten“ Phänomenen abzugrenzen, namentlich der bürgerlichrechtlichen Verwahrung nach § 688 BGB und der sog. Vermögensverwaltung, namentlich in Form der Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung – die andere Vertragstypen mit anderen Pflichteninhalten formen (vgl. unten Rn 320). Denkt man diese Abgrenzungen hinzu, so stellt § 1 DepotG die Grundlagen des Depotgeschäfts, den sachlichen Anwendungsbereich, umfassend vor. Denn bilden die „Wertpapiere“ den Gegenstand von Verwahrung und Verwaltung (§ 1 Abs. 1 DepotG, unten Rn 318), so wird die Verwahr- und Verwaltungsbeziehung komplettiert durch Bestimmung (i) der Pflichtigen, der Verwahrer (§ 1 Abs. 2 und 3 DepotG, unten Rn 321–322), und (ii) der rechtlichen Grundlage dieser Beziehung, des Depotvertrags als solchem, den § 1 DepotG voraussetzt (unten Rn 319–320). Dass es dann verschiedene Formen von Verwahrung gibt und die Unterscheidung zwischen diesen für die Pflichtenausgestaltung, vor allem jedoch den dinglichen Transfer, erheblich divergierende Rechtsfolgen zeitigt, ist schließlich bereits Gegenstand des 1. und auch des 2. Abschnittes (unten II. und III.).

315

2. Rechtquellen. Das Depotrecht wird schon seit Ende des letzten Jahrtausends als reformbedürftig angesehen. Vor allem seine Ausgestaltung nach dem Leitbild des Sachen685

Umgekehrt ist das Depotgeschäft nur Wertpapiernebendienstleistung (nach § 2 Abs. 9 Nr. 1 WpHG, oben Rn 86) und begründet es daher als solches noch nicht den Status eines Wertpapierdienstleisters (eröffnet also allein auch nicht die Aufsicht nach dem WpHG, oben Rn 87 f.); zum aufsichtsrechtlichen Regime etwa Schwintowski/Köhler Bankrecht, 4. Aufl. 2014, § 4 Rn 131 f.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Winter, 5.Aufl. 2016, § 29 KWG Rn 36–51 (zur Pflicht der Prüfung des Depotgeschäfts); siehe auch Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom 21.12.1998 (BAnz. Nr. 246) über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierlieferungsverpflichtungen.

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686

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Zur jährlichen gesonderten Prüfung von Kreditinstituten, die das Depotgeschäft betreiben, durch einen Wirtschaftsprüfer verpflichtet § 29 Abs. 2 S. 3 KWG, während umgekehrt die eigentliche aufsichtliche „Depotprüfung“ § 30 KWG a.F. zur Entlastung der Institute entfallen ist. Vgl. näher zur gesonderten Prüfung und Depotprüfung Baumbach/Hopt/Kumpan Vor § 1 Rn 2; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 81; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 202 ff.; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 231 ff. BaFin Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Depotgeschäfts vom 17.04.2014, Nr. 1 lit. b; Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, 5. Aufl. 2016, § 1 KWG Rn 77; Schwintowski/Köhler Bankrecht, 4.Aufl. 2014, § 1 Rn 138.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

rechts („Verwahrung“, „Verfügung“, Abschnitt 1 und 2) wird kritisiert und als für die Realität, insbesondere auch im internationalen oder globalen Geschäft, nicht angemessen angesehen, eine Realität, die vor allem durch Inhaberausweis und Transfer durch reine (elektronische) Buchung gekennzeichnet ist.688 Reformaufträge – für eine Modernisierung in diesem Sinne – bestehen ebenfalls bereits seit einem Jahrzehnt,689 desgleichen ein (erfolgsversprechendes) internationales Modell,690 das auch in der EU bereits teilumgesetzt ist (dazu sogleich). Dass das Depotrecht dennoch auch heute noch ohne grundstürzende Reform geblieben ist, liegt in dem Umstand begründet, dass die behutsame Fortschreibung im Depotgesetz doch so weitreichend Anpassungen brachte, dass in der Praxis der rein buchungsgestützte Inhaberausweis und -transfer gut möglich erscheinen691 und auch die Internationale bzw. EU-Reformagenda (namentlich durch die CSDR, nächste Rn) keine tiefgreifende Umstellung notwendig machten. Letztlich muss sogar im Blick behalten werden, dass auch das sachenrechtliche Modell als Wertungsleitbild unverzichtbar ist (namentlich beim Gutglaubenserwerb und bei der Absicherung im Insolvenzfall), umgekehrt also jede alternative, stärker „schuldrechtliche“ Sicht die in dieser Hinsicht zentralen Petita doch wiederum stärker unter Rückgriff auf sachenrechtliche Kernideen nachzubilden hat.692 Denn das Depotrecht kennzeichnet ein interessanter „Spagat“ – es nimmt sinnvollerweise Anleihen im Sachenrecht (beim Publizitätsprinzip, Gutglaubenserwerb und Schutz im Insolvenzfall) ebenso wie im Schuldrecht (beim Inhaberausweis und -transfer allein durch Buchungsakte). Das „Grundgesetz“ des Depotgeschäfts bildet noch immer das Depotgesetz (DepotG), 316 heute in der Fassung von 1937 bzw. 11.1.1995.693 Nach den genannten Grundlagen des Depotgeschäfts (§ 1, Verwahrgegenstände, insbes. Wertpapiere, Verwahrer und – implizit – Depotvertrag) regelt es nacheinander – in Abschnitt 1 (§§ 2–17a) die Verwahrung, deren Formen, die jeweils daraus fließenden Rechte und Ansprüche, die Wirksamkeitsvoraussetzungen, auch im grenzüberschreitenden Kontext (mit anwendbarem Recht) (dazu unten II.); 688

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Einsele Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 198 ff.; Lehmann Finanzinstrumente, S. 16–54, 147–150, 228–234; Überblick etwa Baumbach/Hopt/Kumpan Vor § 1 Rn 1; zu den Reformvorschlägen überblicksweise Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 1 Fn. 7; Einsele Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9 Rn 3. Eckpunktepapier zur Reform des Depotrechts, 5/2008; dazu Baumbach/Hopt/Kumpan Vor § 1 Rn 1; Böttcher Depotgesetz, Einl. Rn 4. UNIDROIT Convention on Substantive Rules for Intermediated Securities vom 9.10.2009 (Genfer UNIDROIT-Übereinkommen); Abdruck und Kommentar Scherer/Löber DepotG Anh. 14; sowie BankRHdb/Jahn/Reiner § 114 Rn 116; Kronke WM 2010, 1627; Keijser/Parmentier BKR 2010, 151; Paech WM 2005, 1101; bisher aber auch nur von Bangladesch ratifiziert, Eichholz WM 2013, 251 (251). Demgegenüber wohl endgültig erfolglos als Initiative (auch nur zwei Ratifikationen): Haager

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Übereinkommen über die auf bestimmte Rechte an Intermediär-verwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung vom 5.7.2006 (Haager Übereinkommen); vgl. zu diesen Initiativen auch Baumbach/Hopt/ Kumpan Vor § 1 Rn 5; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 2. Positiv zur Praktikabilität des Depotrechts auch Scherer/Scherer DepotG Vor § 1 Rn 2, 5, 10; Mentz/Fröhling NZG 2002, 201 (210); Miletzki 100 Jahre Depotrecht, WM 1996, 1849 (1851). Gutglaubenserwerb und Insolvenzfestigkeit als die Stärken einer sachenrechtlichen Erfassung auch betont von Scherer/Scherer DepotG Vor § 1 Rn 5. Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz – DepotG) vom 4.2.1937, RGBl. I, S. 171; Neufassung vom 11.1.1995, BGBl. 1995 I, S. 34, zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 30.6.2016, BGBl. 2016 I, S. 1514, BGBl. 2017 I, S. 559.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

– in Abschnitt 2 (§§ 18–31) die Verfügung über die Inhaberschaft bei verschiedenen Arten der Verwahrung (einschließlich Begründung von Pfandrechten u.ä.) mit Fragen der Verpflichtung zur Verfügung (dazu unten III.); – und in Abschnitt 3 (§§ 32–34) die Fragen der Wirkungen in der Insolvenz (plus Straf- und Schlussbestimmungen) (dazu unten IV.). 317 Das Depotgesetz wird heute dreifach ergänzt. Die vertraglichen Beziehungen – sowohl die Verwahrung, jedoch auch der Erwerb – werden klauselrechtlich ausgestaltet durch die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, namentlich deren Nr. 10–20.694 Das Depotgesetz regelt zwar die Verwahrung der und die Verfügung über die Instrumente umfassend. Seine Regelungsgehalte beinhalten im Kern jedoch nicht deren Verwaltung, obwohl diese nach der Definition in § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG einen (möglichen) Teil des Depotgeschäfts bilden. Die Inhalte der Verwaltungspflicht, die der Verwahrer durch Depotvertrag im Zweifel ebenfalls übernimmt, werden (neben Regeln in den Sonderbedingungen) durch eine Reihe von Einzelnormen spezifiziert (Auflistung unten Rn 320). Schließlich wird das DepotG überformt durch EU-Rechtsakte, namentlich die EU-Verordnung über Zentralverwahrer (Central Securities Depositories Regulation, CSDR).695 Sie führte europaeinheitlich den Grundsatz ein, dass jedes nationale Recht so gestaltet sein muss, dass eine (elektronische) Buchung Inhaberschaft belegen und transferieren kann – entweder durch Einführung eines Systems unverbriefter Rechte oder durch Immobilisierung der Briefgrundlage (Globalurkunde) beim Zentralverwahrer (Immobilisierung) und Ausgestaltung der Miteigentumsrechte an dieser – wiederum – in unverbriefter Form. Die solchermaßen als Kerntatbestand gesicherte Buchung wird dann (vor allem in Art. 3–5 CSDR) näher ausgestaltet – im Sinne großer Verlässlichkeit –, außerdem die Abwicklungsdisziplin in der Ausführungsphase durch Klärung der Pflichten und der Folgen von Pflichtenverstößen unterstützt (namentlich durch Art. 6–8 CSDR) (dazu allem unten III. unter 4.). Mit diesen Gehalten flankiert die CSDR vor allem den verfügungsrechtlichen Teil des Depotgesetzes, dieses Gesetz ist (vor allem mit seinen verfügungsrechtlichen Gehalten) mit den EU-rechtlichen Spezifikationen in der CSDR (trotz seines an der Verbriefung anknüpfenden sachenrechtlichen Regimes) durchaus kompatibel.696 Vorangegangen war bereits (zur „Absicherung“ der Positionen in der Insolvenz), die sog. EG-Finalitäts-Richtlinie, die eine Insolvenzfestigkeit von in Nettingsystemen begründeten Positionen (mit Vorrang vor gegenstehendem nationalen Insolvenzrecht) begründet (vgl. Umsetzung in §§ 32 ff. DepotG, unten Rn 360 f.,

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Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, derzeit Fassung ab 1.11.2007; Abdruck etwa Langenbucher/Bliesener/Spindler Anhang zum 36. Kapitel. Hierzu etwa Bunte AGB-Banken, Sonderbedingungen Wertpapiergeschäfte (mit Abdruck); sowie Kurzüberblick Baumbach/Hopt/Hopt V. Bankgeschäfte, Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 2. Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU)

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Nr. 236/2012, ABl.EU 2014 L 257/1; dazu namentlich Belghazi 6 Journal of Securities Operations & Custody 102 (2013); Benjamin Capital Markets Law Journal 9 (2014): 327; Dubrau 6 Journal of Securities Operations & Custody 212 (2013); Einsele ZHR 2013, 50 (79 ff.); Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 1 und 2; krit. Vanderheyden/Reucroft 7 Journal of Securities Operations & Custody 242 (2015). 696BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 113; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 2. 697 Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrech-

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

382–384).697 Insgesamt beziehen sich also die Internationalen Initiativen und EU-Rechtsakte auf die – im Depotgesetz eher nur randständig angesprochene – Nachhandelsphase. 3. § 1 Abs. 1 DepotG: Verwahrgegenstände. Der Wertpapierbegriff ist zwar – im De- 318 potG – unabhängig von demjenigen im Europäischen Kapitalmarktrecht (dort Wertpapierund Finanzinstrumentsbegriff) auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1 Nr. 44, 17, 49, 15 MiFID II, § 2 Abs. 1–4 WpHG (vgl. oben Rn 61–64 und 5. Teil Rn 81–88). Insbesondere wird nur Vertretbarkeit gemäß § 91 BGB gefordert, also gleiche Ausstattung, die eine Austauschbarkeit verbürgt, umgekehrt jedoch nicht notwendig alle Elemente, die für Fungibilität diskutiert werden (zu diesem Konzept oben 5. Teil Rn 82–85).698 Bei den Namensaktien setzt dies Blankoindossament zugunsten der Depotbank voraus.699 Und insbesondere sind Derivate als solche – anders als im Konzept des Finanzinstruments nach Europäischem Kapitalmarktrecht – nicht einbezogen. Da freilich das Depotgesetz Gutglaubensschutz verbürgt (unten Rn 372) und regelmäßig mit Übergang zum System der Globalurkunden und eines Rechteerwerbs allein durch Buchung auch Fälschungsschutz verbürgt ist, liegt Fungibilität – über die bloße Vertretbarkeit hinaus – jeweils ebenfalls vor. In jedem Falle sind die Kernabgrenzungen die gleichen: Den Kern bilden auch hier Aktien und Schuldverschreibungen/Anleihen und alle vergleichbaren Papiere.700 Einbezogen sind damit auch Geldmarktpapiere und Fondanteile (OGAW und AIF).701 Ausgeschlossen sind umgekehrt die Zahlungs-, Kredit- und handelsrechtlichen Traditionspapiere, also Wechsel und Schecks, Hypotheken- und Grundschuldpapiere, Versicherungsscheine, Order- und Ladescheine (das Gesetz benennt ausdrücklich Banknoten und Papiergeld).702 Diese sind nicht für den Effektenverkehr ausgelegt, namentlich auf masseweisen Transfer – können freilich durch Bündelung und Zertifizierung/Securitization als Wertpapiere ausgestattet werden, etwa durch Bündelung in Form von Asset Backed Securities.703 Obwohl das Depotgesetz von körperlichen Gegenständen – also verbrieften Rechten – ausgeht, können auch unter dem Depotgesetz unkörperliche, reine Wertrechte ebenfalls einbezogen, d.h. den Wertpapieren gleichgestellt werden. Freilich bedarf es hierfür einer gesonderten legislativen Anordnung, die bei den Wertrechten (Anleihen) der öffentlichen Hand auch erfolgt

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nungssystemen, ABl.EG 1998 L 166/45; dazu: Born Europäisches Kollisionsrecht des Effektengiros, S. 78–138; Dittrich Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung, S. 51 ff; MünchKommBGB/Wendehorst EGBGB Art. 43 Rn 223–228; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 110; Einsele WM 2001, 2415; Keller WM 2000, 1269; Schefold IPRax 2000, 468. Zu den Unterschieden zwischen beiden Konzepten bzw. diese betonend etwa Wust Die grenzüberscheitende Verbuchung von Wertpapieren, S. 40 f.; Böttcher DepotG § 1 Rn 2; Baumbach/Hopt/Kumpan § 1 Rn 1; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 9. Hierzu etwa Böttcher DepotG § 1 Rn 1; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 54; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 9; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 5.

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Hierzu näher BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 53; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 9; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 4. Zu Geldmarktpapieren, insbesondere Commercial Papers: Scherer/Scherer DepotG § 1 Rn 14b. Zu Fondanteilen: Böttcher DepotG § 1 Rn 2; Baumbach/Hopt/Kumpan § 1 Rn 1; Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Binder 38. Kapitel Rn 9; Scherer/Scherer DepotG § 1 Rn 21. Hierzu näher Böttcher DepotG § 1 Rn 2; Schwintowski/Schwintowski § 16 Rn 8; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 5. Allgemein zur Herstellung von Handelbarkeit durch Securitization: Achleitner Handbuch Investmentbanking, S. 419. Zur Rechtsprechungslinie etwa zu den Lehman Zertifikaten als Beispiel vgl. oben Rn 204, 252.

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ist, namentlich bei den Bundesanleihen.704 Die Begriffsbildung im Depotgesetz stellt nur auf Vertretbarkeit, also inhaltliche Ausgestaltung ab, nicht darauf, welchem Recht das Instrument unterliegt. Daher sind auch vergleichbare ausländische Papiere/Instrumente gleichgestellt, insbesondere auch rein elektronisch festgehaltene Rechte mit vergleichbaren Inhalten, wenn das ausländische Recht solche vorsieht.705 4. § 1 Abs. 2, 3 DepotG: Verwahrer und Depotvertrag

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a) Depotvertrag als Grundlage der Verwahrung. Grundlage der Verwahrung ist der Depotvertrag, der (jedenfalls stillschweigend) durch Aushändigung oder Übertragung von Verwahrgegenständen an Kreditinstitute begründet wird (eher unüblich),706 vor allem jedoch durch Ausführung der Kundenorder von Wertpapierorder im Wege der Einkaufskommission, wenn nicht zugleich ein anderer Verwahrer benannt wird.707 Es handelt sich hierbei um einen Geschäftsbesorgungsvertrag,708 dessen treuhänderische Ausgestaltung auch besonders hervorgehoben wird („anvertraut“).709 Vom Verwahrvertrag nach § 688 BGB unterscheidet er sich erheblich, so erheblich, dass nicht einmal klar ist, ob dessen Regelung iZw ergänzend zur Anwendung kommen kann. Zunächst muss sich der Depotvertrag als Verwahrvertrag auf offen (nicht verschlossen) ausgehändigte Stücke beziehen. Deswegen begründen Safemiete oder auch verschlossene Übergabe von (eigentlich depotfähigen) Stücken keinen Depotvertrag.710 Dies würde den Verfügungsformen, die das Depotrecht vorsieht, zuwiderlaufen, auch wäre die jedenfalls regelmäßig mitgedachte Verwaltungstätigkeit der Depotbank (nächste Rn) nicht erfüllbar. Außerdem kann der Depotvertrag als Verwahrvertrag nur Verwahrgegenstände des Depotrechts (vgl. vorige Rn) zum Gegenstand haben, was teils enger ist als in § 688 BGB (dort alle körperlichen Gegen-

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Vgl. Überblick bei Baumbach/Hopt/Kumpan § 1 Rn 1; MünchKommBGB/Habersack Vor § 793 Rn 32. Gleichstellungsfiktion für die vom Bund und seinen Sondervermögen emittierten unverbrieften Wertrechte in § 6 Abs. 2 S. 1 Bundesschuldenwesengesetz (BSchuWG) vom 12.7.2006, BGBl I 2006, S. 1700. Als Verordnungen sind zuvor vor allem ergangen VO über Verwahrung und Anschaffung von Reichsschuldbuchforderungen vom 5.1.1940, RGBl 1940, S. 30; sowie 1. und 2. VO über die Behandlung von Reichsanleihen im Bank- und Börsenverkehr vom 31.12.1940 bzw. vom 18.4.1942, RGBl 1941, S. 21 bzw. RGBl 1942, S. 183; dazu und zu der historischen Entwicklung näher MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 6–10; Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Binder 38. Kapitel Rn 12. Baumbach/Hopt/Kumpan § 1 Rn 1; BankRHdb/Klanten § 72 Rn 68; dies gilt namentlich für unverbriefte Wertrechte nach ausländischem Recht. Zum (vor allem aus dieser Form der Begründung eines Verwahrverhältnisses resultierenden alten) Streit über das Zustandekommen

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als Konsensual- oder aber als Realvertrag noch heute BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 5; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 3. So auch Schwintowski/Schwintowski § 16 Rn 1; Scherer/Scherer DepotG Vor § 1 Rn 16. Vgl. BGH Urt. v. 11.12.1990 – XI ZR 54/90, NJW 1991, 978; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 4; Baumbach/Hopt/Kumpan § 1 Rn 4; Einsele Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9 Rn 7; Einordnung als typengemischter Vertrag bei Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 3; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 3. Die Geltung der Interessenwahrungspflicht stricto sensu (Ausrichtung der Dienstleistungen allein am Kundeninteresse) wird im Schrifttum dennoch – anders als bei der Vermögens- und Portfolioverwaltung – erstaunlich selten explizit gemacht. Vgl. Böttcher DepotG § 1 Rn 4; Baumbach/ Hopt/Kumpan § 1 Rn 5; Schwintowski/ Schwintowski § 16 Rn 10; Scherer/Scherer DepotG Vor § 1 Rn 17.

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stände), teils auch breiter (dort keine Rechte, wie beispielsweise Schuldrechte der öffentlichen Hand).711 Schließlich – und praktisch, aber auch konzeptionell am Bedeutendsten – ist im Rahmen des § 688 BGB die Drittverwahrung iZw unzulässig, während sie im Depotrecht heute umgekehrt nicht nur praktisch den Regelfall bildet, sondern auch legislatorisch die mangels Abrede geforderte Lösung712 (in Form der Fremdsammelverwahrung, näher unten Rn 322). Der Depotvertrag verpflichtet im Zweifel auch zur „Verwaltung“ der Stücke/Rechte, 320 die Gegenstand des Depotgeschäfts sind.713 Damit ist nicht die Finanzportfolioverwaltung iSv §§ 2 Abs. 8 Nr. 7 und 63/64 WpHG gemeint oder die – weitestgehend parallel zu dieser geregelte – Anlageberatung (§ 2 Abs. 8 Nr. 10 WpHG).714 Dort geht es jeweils um die Kauf- oder Verkaufsentscheidung, also die Investition oder Desinvestition (dazu oben Rn 81 f, 176 ff., 198 ff.), während die depotrechtliche „Verwaltung“ am Halten (der Verwahrung) der Stücke/Rechte ansetzt. Gemeint ist also die Ausübung von Rechten aus den verwahrten Stücken/Rechten.715 Diese unterfallen in zwei Gruppen. Dies sind einerseits diejenigen Verwaltungsmaßnahmen, mit denen die aus diesen Stücken/Rechten resultierenden (vor allem vermögensmäßigen) Vorteile (routinemäßig) realisiert werden, namentlich die Geltendmachung von Dividenden, die Erneuerung von Coupons, die Ausübung von Bezugsrechten und die Einziehung des Gegenwerts bei Fälligkeit etc.716 Zur Durchführung dieser Verwaltungsmaßnahmen verpflichten sich die (Depot-)Banken in Nr. 13–20 der Sonderbedingungen für Wertpapierschäfte, im Zweifel jedoch ohnehin implizit durch Übernahme der Verwahrung. Andererseits sind dies Verwaltungsmaßnahmen, die über solchermaßen routinemäßige, gleichsam „mechanische“ Akte hinausgehen und mit denen ebenfalls Rechte, vor allem auch Verwaltungsrechte aus den verwahrten Stücken/Rechten ausgeübt werden. Diese Verwaltungsmaßnahmen werden in anderen Gesetzen angeordnet und spezifiziert. Die wichtigsten sind: die Ausübung des Depotstimmrechts nach § 135 AktG;717 die Weiterleitung von Geschäftsmitteilungen nach § 128 AktG;718 die Weitergabe weiterer Informationen nach §§ 675, 666 BGB i.V.m. Nr. 16 der Sonderbedingungen

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Für beides vgl. BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 2; BuB/Decker Rn 8/6. Für die Einbeziehung reiner Wertrechte, die nach § 688 BGB nicht Verwahrgegenstände sein könnten, vgl. auch noch MünchKommHGB/ Einsele Depotgeschäft Rn 6–10; BankRHdb/Klanten § 72 Rn 66. Zur Drittverwahrung als dem legislatorischen Regelfall im Depotrecht vgl. etwa BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 3; Baumbach/ Hopt/Kumpan § 3 Rn 1; Einsele Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9 Rn 8, 11; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 7. BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 166; Einsele Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9 Rn 7, 39 ff; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 162. So auch BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 167; Scherer/Scherer DepotG Vor § 1 Rn 17. Nicht Rechte auf Stücke (d.h. ihr Erwerb), sondern aus den Stücken als Gegenstand der

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depotrechtlichen Verwaltung: Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 72; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 168; Scherer/Scherer DepotG Vor § 1 Rn 17. Näher zu diesen Verwaltungsmaßnahmen BaFin Merkblatt Depotgeschäft, Stand 02.2014, Ziff. 1 b bb (1); BankR-Hdb/ Klanten § 72 Rn 174 f.; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 73; Scherer/Scherer DepotG Vor § 1 Rn 24; Schwintowski/Schwintowski § 16 Rn 67. Hierzu etwa MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 176–182; BuB/Decker Rn 8/280–297; auch Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 77; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 193. Vgl. hierzu Hüffer/Koch AktG § 128 Rn 2–4; MünchKommAktG/Kubis § 128 Rn 3–17; sowie Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 76; BuB/Decker Rn 8/285b.

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für Wertpapiergeschäfte;719 die Prüfung der Wertpapiere nach Nr. 17 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte.720

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b) Verwahrer (Abs. 2) und Verwahrformen (mit Verweis). In Abs. 2 wird die Verwahrung iSd DepotG definiert, sie zeichnet sich nach dem Gesagten dadurch aus, dass die Stücke/Rechte „unverschlossen“ „anvertraut“ werden müssen. Auch auf den Geschäftsbesorgungscharakter (mit Treuhandcharakter) wurde hingewiesen (jeweils oben Rn 319, mit Begründung). Diese Definition bildet zwar die Grundlage für alle weiteren, diese weiteren freilich sind diejenigen, die in der Praxis im Vordergrund stehen – die Sammelverwahrung (nächste Rn) und allgemeiner die ganze Bandbreite verschiedener Verwahr- und Depotgeschäftsformen (dazu dann näher unten Rn 324 ff.). Theoretisch erlaubt die Definition zwar auch, dass als Verwahrer kein Kreditinstitut, sondern eine Person ohne bankaufsichtsrechtliche Zulassung fungiert; soweit die Tätigkeit freilich gewerblich erfolgt, greift § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG ein, so dass es sich bei der nichtbankmäßigen depotrechtlichen Verwahrung allenfalls um Nebentätigkeiten handeln kann. 322 c) Insbes. Sammelverwahrer/Wertpapiersammelbanken (Abs. 3 und CSDR). Die verschiedenen Formen der Verwahrung – namentlich die Hausverwahrung und Drittverwahrung als Grundformen – sind Gegenstand des 1. Abschnitts (§§ 2 ff. DepotG, vgl. unten). Vorab benennt und regelt § 1 Abs. 3 DepotG jedoch bereits die heute zentrale Verwahrerform, die Wertpapiersammelbank. Herkömmlich noch an jedem Börsenplatz (außer Bremen) angesiedelt, idR als sog Kassenvereine, wurden sie 1990 alle auf die Frankfurter Kassenverein AG verschmolzen, 1997 in die Deutsche Börse Clearing AG und heute die Clearstream Banking AG umfirmiert – als die inzwischen einzige Wertpapiersammelbank in Deutschland.721 Auf sie wurde auch die ehemalige Deutscher Auslandskassenverein AG verschmolzen, so dass sie die Wertpapiersammelverwahrung für den Inlands- ebenso wie für den grenzüberschreitenden Verkehr zentralisiert übernimmt.722 Abgeschlossen wurde dieser „globale“ Zuschnitt durch die jüngste legislative Änderung, nach der für den Zuschnitt und die Aufgaben der Clearstream Banking AG auf die EU-Zentralverwahrer-VO (CSDR, oben Rn 317) verwiesen wird, namentlich das Zulassungsverfahren in Art. 16 ff. CSDR. Zuständig ist daher für die Zulassung speziell zur Sammelverwahrungs-

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Hierzu etwa Gehricke/Saager WM 2008, 623; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 187–190; BuB/Decker R 8/254–259; Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 78. Vgl. BuB/Decker Rn 8/260–273; BankRHdb/Klanten § 72 Rn 191 f.; Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 79; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 174 f. Zu dieser Geschichte (einschließlich der verschiedenen Verschmelzungsschritte) vgl. etwa Ege, Das Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere, S. 13; Baumbach/ Hopt/Kumpan § 1 Rn 6; Dittrich Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung, S. 15; Schlegelberger/Hefermehl HGB, 5. Aufl. 1977, Anh. § 406 Rn 226; Jeck Die Bank 1990, 437; Westermann RabelsZ 49 (1985), 214 (222). Die Clearstream Banking AG ist

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eine 100 % Tochtergesellschaft der Clearstream International SA, die selbst wiederum zur Konzerngruppe der Deutsche Börse AG gehört; vgl. dazu Scherer/Scherer DepotG § 1 Rn 62 f.; Scherer/Löber DepotG § 3 Rn 3; Baumbach/Hopt/Kumpan § 1 Rn 6; BuB/Decker Rn 8/48a; Kümpel/Wittig/Will Rn 18.95. Zur Verschmelzung der Deutscher Auslandskassenverein AG und zu den damit übernommenen Aufgaben etwa Dittrich Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung, S. 24; Baumbach/Hopt/Kumpan § 1 Rn 6; BuB/Decker Rn 8/48a. Zum Treuhandgiroverkehr und zum (ungleich wichtigeren) Effektengiroverkehr als den zwei Hauptformen der Übertragung im Verhältnis zum Ausland vgl. unten Rn 346 f.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

tätigkeit und den (limitierten) nichtbankmäßigen Nebentätigkeiten die BaFin, nicht mehr die Landesbehörden (wie in § 1 Abs. 3 DepotG a.F.).723 Ein Auseinanderfallen der Begriffe des Zentralverwahrers zwischen deutschem und EU-Recht wird dadurch vermieden. Wertpapierliefer- und -abrechungssysteme dürfen nur von zugelassenen Zentralverwahrern und von als Zentralverwahrer fungierenden Zentralbanken betrieben werden (Art. 18 Abs. 2 CSDR), also in Deutschland allein von der Clearstream Banking AG.724 Ein Effektenkonto beim Zentralverwahrer (Clearstream Banking AG) können grundsätzlich nur Kreditinstitute mit Sitz in Deutschland und aus dem Ausland halten,725 so dass sich bei den verschiedenen Formen der Verwahrung und der Verfügung stets mehrstufige Verhältnisse ergeben (vgl. im Folgenden).

II. Verwahrung: Formen, Rechte und Ansprüche, Wirksamkeitsregeln (§§ 2–17a)

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1. Abschnitt Verwahrung § 2 Sonderverwahrung Der Verwahrer ist verpflichtet, die Wertpapiere unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers gesondert von seinen eigenen Beständen und von denen Dritter aufzubewahren, wenn es sich um Wertpapiere handelt, die nicht zur Sammelverwahrung durch eine Wertpapiersammelbank zugelassen sind, oder wenn der Hinterleger die gesonderte Aufbewahrung verlangt. Etwaige Rechte und Pflichten des Verwahrers, für den Hinterleger Verfügungen oder Verwaltungshandlungen vorzunehmen, werden dadurch nicht berührt. § 3 Drittverwahrung (1) Der Verwahrer ist berechtigt, die Wertpapiere unter seinem Namen einem anderen Verwahrer zur Verwahrung anzuvertrauen. Zweigstellen eines Verwahrers gelten sowohl untereinander als auch in ihrem Verhältnis zur Hauptstelle als verschiedene Verwahrer im Sinne dieser Vorschrift. (2) Der Verwahrer, der Wertpapiere von einem anderen Verwahrer verwahren läßt (Zwischenverwahrer), haftet für ein Verschulden des Drittverwahrers wie für eigenes Verschulden. Für die Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt bei der Auswahl des Drittverwahrers bleibt er auch dann verantwortlich, wenn ihm die Haftung für ein Verschulden des Drittverwahrers durch Vertrag erlassen worden ist, es sei denn, daß die Papiere auf ausdrückliche Weisung des Hinterlegers bei einem bestimmten Drittverwahrer verwahrt werden.

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Zur bisherigen Zuständigkeit der jeweiligen Landesbehörde vgl. Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 7. Zur Rolle der Europäischen Zentralbank als der zentralen Aufsichtsbehörde der Eurozone (SSM) auch in diesem Punkte (namentlich Erteilung von Anweisungen) vgl. Grabowski Die EZB als Aufsichtsbehörde, 2016, S. 137 f.

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Zu dieser Bündelung dieser zentralen institutionellen Funktionen bei der Clearstream Banking AG vgl. näher Kreße WM 2015, 463 (463); Böttcher Clearstream, S. 18. Vgl. etwa Baumbach/Hopt/Kumpan § 1 Rn 6.

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§ 4 Beschränkte Geltendmachung von Pfand- und Zurückbehaltungsrechten (1) Vertraut der Verwahrer die Wertpapiere einem Dritten an, so gilt als dem Dritten bekannt, daß die Wertpapiere dem Verwahrer nicht gehören. Der Dritte kann an den Wertpapieren ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht nur wegen solcher Forderungen geltend machen, die mit Bezug auf diese Wertpapiere entstanden sind oder für die diese Wertpapiere nach dem einzelnen über sie zwischen dem Verwahrer und dem Dritten vorgenommenen Geschäft haften sollen. (2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwahrer dem Dritten für das einzelne Geschäft ausdrücklich und schriftlich mitteilt, daß er Eigentümer der Wertpapiere sei. (3) Vertraut ein Verwahrer, der nicht Bankgeschäfte betreibt, Wertpapiere einem Dritten an, so gilt Absatz 1 nicht. Ist er nicht Eigentümer der Wertpapiere, so hat er dies dem Dritten mitzuteilen; in diesem Falle gilt Absatz 1 Satz 2. § 5 Sammelverwahrung (1) Der Verwahrer darf vertretbare Wertpapiere, die zur Sammelverwahrung durch eine Wertpapiersammelbank zugelassen sind, dieser zur Sammelverwahrung anvertrauen, es sei denn, der Hinterleger hat nach § 2 Satz 1 die gesonderte Aufbewahrung der Wertpapiere verlangt. Anstelle der Sammelverwahrung durch eine Wertpapiersammelbank darf der Verwahrer die Wertpapiere ungetrennt von seinen Beständen derselben Art oder von solchen Dritter selbst aufbewahren oder einem Dritten zur Sammelverwahrung anvertrauen, wenn der Hinterleger ihn dazu ausdrücklich und schriftlich ermächtigt hat. Die Ermächtigung darf weder in Geschäftsbedingungen des Verwahrers enthalten sein noch auf andere Urkunden verweisen; sie muß für jedes Verwahrungsgeschäft besonders erteilt werden. (2) Der Verwahrer kann, anstatt das eingelieferte Stück in Sammelverwahrung zu nehmen, dem Hinterleger einen entsprechenden Sammelbestandanteil übertragen. (3) Auf die Sammelverwahrung bei einem Dritten ist § 3 anzuwenden. (4) Wertpapiersammelbanken dürfen einem ausländischen Verwahrer im Rahmen einer gegenseitigen Kontoverbindung, die zur Aufnahme eines grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs vereinbart wird, Wertpapiere zur Sammelverwahrung anvertrauen, sofern 1. der ausländische Verwahrer in seinem Sitzstaat die Aufgaben einer Wertpapiersammelbank wahrnimmt und einer öffentlichen Aufsicht oder einer anderen für den Anlegerschutz gleichwertigen Aufsicht unterliegt, 2. dem Hinterleger hinsichtlich des Sammelbestands dieses Verwahrers eine Rechtsstellung eingeräumt wird, die derjenigen nach diesem Gesetz gleichwertig ist, 3. dem Anspruch der Wertpapiersammelbank gegen den ausländischen Verwahrer auf Auslieferung der Wertpapiere keine Verbote des Sitzstaats dieses Verwahrers entgegenstehen und 4. die Wertpapiere vertretbar und zur Sammelverwahrung durch die Wertpapiersammelbank und den ausländischen Verwahrer im Rahmen ihrer gegenseitigen Kontoverbindung zugelassen sind. Die Haftung der Wertpapiersammelbanken nach § 3 Abs. 2 Satz 1 für ein Verschulden des ausländischen Verwahrers kann durch Vereinbarung nicht beschränkt werden. § 6 Miteigentum am Sammelbestand, Verwaltungsbefugnis des Verwahrers bei der Sammelverwahrung (1) Werden Wertpapiere in Sammelverwahrung genommen, so entsteht mit dem Zeitpunkt des Eingangs beim Sammelverwahrer für die bisherigen Eigentümer Miteigentum

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Wertpapieren derselben Art. Für die Bestimmung des Bruchteils ist der Wertpapiernennbetrag maßgebend, bei Wertpapieren ohne Nennbetrag die Stückzahl. (2) Der Sammelverwahrer kann aus dem Sammelbestand einem jeden der Hinterleger die diesem gebührende Menge ausliefern oder die ihm selbst gebührende Menge entnehmen, ohne daß er hierzu der Zustimmung der übrigen Beteiligten bedarf. In anderer Weise darf der Sammelverwahrer den Sammelbestand nicht verringern. Diese Vorschriften sind im Falle der Drittverwahrung auf Zwischenverwahrer sinngemäß anzuwenden. § 7 Auslieferungsansprüche des Hinterlegers bei der Sammelverwahrung (1) Der Hinterleger kann im Falle der Sammelverwahrung verlangen, daß ihm aus dem Sammelbestand Wertpapiere in Höhe des Nennbetrags, bei Wertpapieren ohne Nennbetrag in Höhe der Stückzahl der für ihn in Verwahrung genommenen Wertpapiere ausgeliefert werden; die von ihm eingelieferten Stücke kann er nicht zurückfordern. (2) Der Sammelverwahrer kann die Auslieferung insoweit verweigern, als sich infolge eines Verlustes am Sammelbestand die dem Hinterleger nach § 6 gebührende Menge verringert hat. Er haftet dem Hinterleger für den Ausfall, es sei denn, daß der Verlust am Sammelbestand auf Umständen beruht, die er nicht zu vertreten hat. § 8 Ansprüche der Miteigentümer und sonstiger dinglich Berechtigter bei der Sammelverwahrung Die für Ansprüche des Hinterlegers geltenden Vorschriften der § 6 Abs. 2 Satz 1, § 7 sind sinngemäß auf Ansprüche eines jeden Miteigentümers oder sonst dinglich Berechtigten anzuwenden. § 9 Beschränkte Geltendmachung von Pfand- und Zurückbehaltungsrechten bei der Sammelverwahrung § 4 gilt sinngemäß auch für die Geltendmachung von Pfandrechten und Zurückbehaltungsrechten an Sammelbestandanteilen. § 9a Sammelurkunde (1) Der Verwahrer hat ein Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft, die jedes für sich in vertretbaren Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein könnten (Sammelurkunde), einer Wertpapiersammelbank zur Verwahrung zu übergeben, es sei denn, der Hinterleger hat nach § 2 Satz 1 die gesonderte Aufbewahrung der Sammelurkunde verlangt. Der Aussteller kann jederzeit und ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten 1. eine von der Wertpapiersammelbank in Verwahrung genommene Sammelurkunde ganz oder teilweise durch einzelne in Sammelverwahrung zu nehmende Wertpapiere oder 2. einzelne Wertpapiere eines Sammelbestands einer Wertpapiersammelbank durch eine Sammelurkunde ersetzen. (2) Verwahrt eine Wertpapiersammelbank eine Sammelurkunde allein oder zusammen mit einzelnen Wertpapieren, die über Rechte der in der Sammelurkunde verbrieften Art ausgestellt sind, gelten die §§ 6 bis 9 sowie die sonstigen Vorschriften dieses Gesetzes über Sammelverwahrung und Sammelbestandanteile sinngemäß, soweit nicht in Absatz 3 etwas anderes bestimmt ist. (3) Wird auf Grund der §§ 7 und 8 die Auslieferung von einzelnen Wertpapieren verlangt, so hat der Aussteller die Sammelurkunde insoweit durch einzelne Wertpapiere zu ersetzen, als dies für die Auslieferung erforderlich ist; während des zur Herstellung der einStefan Grundmann

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zelnen Wertpapiere erforderlichen Zeitraums darf die Wertpapiersammelbank die Auslieferung verweigern. Ist der Aussteller nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis nicht verpflichtet, an die Inhaber der in der Sammelurkunde verbrieften Rechte einzelne Wertpapiere auszugeben, kann auch von der Wertpapiersammelbank die Auslieferung von einzelnen Wertpapieren nicht verlangt werden. § 10 Tauschverwahrung (1) Eine Erklärung, durch die der Hinterleger den Verwahrer ermächtigt, an Stelle ihm zur Verwahrung anvertrauter Wertpapiere Wertpapiere derselben Art zurückzugewähren, muß für das einzelne Verwahrungsgeschäft ausdrücklich und schriftlich abgegeben werden. Sie darf weder in Geschäftsbedingungen des Verwahrers enthalten sein noch auf andere Urkunden verweisen. (2) Derselben Form bedarf eine Erklärung, durch die der Hinterleger den Verwahrer ermächtigt, hinterlegte Wertpapiere durch Wertpapiere derselben Art zu ersetzen. (3) (gegenstandslos) § 11 Umfang der Ermächtigung zur Tauschverwahrung Eine Erklärung, durch die der Hinterleger den Verwahrer ermächtigt, an Stelle ihm zur Verwahrung anvertrauter Wertpapiere Wertpapiere derselben Art zurückzugewähren, umfaßt, wenn dies nicht in der Erklärung ausdrücklich ausgeschlossen ist, die Ermächtigung, die Wertpapiere schon vor der Rückgewähr durch Wertpapiere derselben Art zu ersetzen. Sie umfaßt nicht die Ermächtigung zu Maßnahmen anderer Art und bedeutet nicht, daß schon durch ihre Entgegennahme das Eigentum an den Wertpapieren auf den Verwahrer übergehen soll. § 12 Ermächtigungen zur Verpfändung (1) Der Verwahrer darf die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile nur auf Grund einer Ermächtigung und nur im Zusammenhang mit einer Krediteinräumung für den Hinterleger und nur an einen Verwahrer verpfänden. Die Ermächtigung muß für das einzelne Verwahrungsgeschäft ausdrücklich und schriftlich erteilt werden; sie darf weder in Geschäftsbedingungen des Verwahrers enthalten sein noch auf andere Urkunden verweisen. (2) Der Verwahrer darf auf die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile Rückkredit nur bis zur Gesamtsumme der Kredite nehmen, die er für die Hinterleger eingeräumt hat. Die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile dürfen nur mit Pfandrechten zur Sicherung dieses Rückkredits belastet werden. Der Wert der verpfändeten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile soll die Höhe des für den Hinterleger eingeräumten Kredits mindestens erreichen, soll diese jedoch nicht unangemessen übersteigen. (3) Ermächtigt der Hinterleger den Verwahrer nur, die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile bis zur Höhe des Kredits zu verpfänden, den der Verwahrer für diesen Hinterleger eingeräumt hat (beschränkte Verpfändung), so bedarf die Ermächtigung nicht der Form des Absatzes 1 Satz 2. Absatz 2 Satz 3 bleibt unberührt. (4) Ermächtigt der Hinterleger den Verwahrer, die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile für alle Verbindlichkeiten des Verwahrers und ohne Rücksicht auf die Höhe des für den Hinterleger eingeräumten Kredits zu verpfänden (unbeschränkte Verpfändung), so muß in der Ermächtigung zum Ausdruck kommen, daß der Verwahrer das Pfandrecht unbeschränkt, also für alle seine Verbindlichkeiten und ohne Rücksicht auf die Höhe des für den Hinterleger eingeräumten Kredits bestellen kann. Dies gilt sinngemäß, wenn der Hinterleger den Verwahrer von der Innehaltung einzelner Beschränkungen des Absatzes 2 befreit.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

(5) Der Verwahrer, der zur Verpfändung von Wertpapieren oder Sammelbestandanteilen ermächtigt ist, darf die Ermächtigung so, wie sie ihm gegeben ist, weitergeben. § 12a Verpfändung als Sicherheit für Verbindlichkeiten aus Börsengeschäften (1) Abweichend von § 12 darf der Verwahrer die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile auf Grund einer ausdrücklichen und schriftlichen Ermächtigung als Sicherheit für seine Verbindlichkeiten aus Geschäften an einer Börse, die einer gesetzlichen Aufsicht untersteht, an diese Börse, deren Träger oder eine von ihr mit der Abwicklung der Geschäfte unter ihrer Aufsicht beauftragte rechtsfähige Stelle, deren Geschäftsbetrieb auf diese Tätigkeit beschränkt ist, verpfänden, sofern aus einem inhaltsgleichen Geschäft des Hinterlegers mit dem Verwahrer Verbindlichkeiten des Hinterlegers bestehen. Der Wert der verpfändeten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile soll die Höhe der Verbindlichkeiten des Hinterlegers gegenüber dem Verwahrer aus diesem Geschäft nicht unangemessen übersteigen. Die Ermächtigung des Hinterlegers nach Satz 1 kann im voraus für eine unbestimmte Zahl derartige Verpfändungen erteilt werden. (2) Der Verwahrer muß gegenüber dem Pfandgläubiger sicherstellen, daß die verpfändeten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile für seine in Absatz 1 genannten Verbindlichkeiten nur insoweit in Anspruch genommen werden dürfen, als Verbindlichkeiten des Hinterlegers gegenüber dem Verwahrer nach Absatz 1 bestehen. Der Verwahrer haftet für ein Verschulden des Pfandgläubigers wie für eigenes Verschulden; diese Haftung kann durch Vereinbarung nicht beschränkt werden. § 13 Ermächtigung zur Verfügung über das Eigentum (1) Eine Erklärung, durch die der Verwahrer ermächtigt wird, sich die anvertrauten Wertpapiere anzueignen oder das Eigentum an ihnen auf einen Dritten zu übertragen, und alsdann nur verpflichtet sein soll, Wertpapiere derselben Art zurückzugewähren, muß für das einzelne Verwahrungsgeschäft ausdrücklich und schriftlich abgegeben werden. In der Erklärung muß zum Ausdruck kommen, daß mit der Ausübung der Ermächtigung das Eigentum auf den Verwahrer oder einen Dritten übergehen soll und mithin für den Hinterleger nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung nach Art und Zahl bestimmter Wertpapiere entsteht. Die Erklärung darf weder auf andere Urkunden verweisen noch mit anderen Erklärungen des Hinterlegers verbunden sein. (2) Eignet sich der Verwahrer die Wertpapiere an oder überträgt er das Eigentum an ihnen auf einen Dritten, so sind von diesem Zeitpunkt an die Vorschriften dieses Abschnitts auf ein solches Verwahrungsgeschäft nicht mehr anzuwenden. § 14 Verwahrungsbuch (1) Der Verwahrer ist verpflichtet, ein Handelsbuch zu führen, in das jeder Hinterleger und Art, Nennbetrag oder Stückzahl, Nummern oder sonstige Bezeichnungsmerkmale der für ihn verwahrten Wertpapiere einzutragen sind. Wenn sich die Nummern oder sonstigen Bezeichnungsmerkmale aus Verzeichnissen ergeben, die neben dem Verwahrungsbuch geführt werden, genügt insoweit die Bezugnahme auf diese Verzeichnisse. (2) Die Eintragung eines Wertpapiers kann unterbleiben, wenn seine Verwahrung beendet ist, bevor die Eintragung bei ordnungsmäßigem Geschäftsgang erfolgen konnte. (3) Die Vorschriften über die Führung eines Verwahrungsbuchs gelten sinngemäß auch für die Sammelverwahrung. (4) Vertraut der Verwahrer die Wertpapiere einem Dritten an, so hat er den Ort der Niederlassung des Dritten im Verwahrungsbuch anzugeben. Ergibt sich der Name des Dritten nicht aus der sonstigen Buchführung, aus Verzeichnissen, die neben dem VerStefan Grundmann

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

wahrungsbuch geführt werden, oder aus dem Schriftwechsel, so ist auch der Name des Dritten im Verwahrungsbuch anzugeben. Ist der Verwahrer zur Sammelverwahrung nach § 5 Abs. 1 Satz 2, zur Tauschverwahrung, zur Verpfändung oder zur Verfügung über das Eigentum ermächtigt, so hat er auch dies in dem Verwahrungsbuch ersichtlich zu machen. (5) Teilt ein Verwahrer dem Drittverwahrer mit, daß er nicht Eigentümer der von ihm dem Drittverwahrer anvertrauten Wertpapiere ist (§ 4 Abs. 3), so hat der Drittverwahrer dies bei der Eintragung im Verwahrungsbuch kenntlich zu machen. § 15 Unregelmäßige Verwahrung, Wertpapierdarlehen (1) Wird die Verwahrung von Wertpapieren in der Art vereinbart, daß das Eigentum sofort auf den Verwahrer oder einen Dritten übergeht und der Verwahrer nur verpflichtet ist, Wertpapiere derselben Art zurückzugewähren, so sind die Vorschriften dieses Abschnitts auf ein solches Verwahrungsgeschäft nicht anzuwenden. (2) Eine Vereinbarung der in Absatz 1 bezeichneten Art ist nur gültig, wenn die Erklärung des Hinterlegers für das einzelne Geschäft ausdrücklich und schriftlich abgegeben wird. In der Erklärung muß zum Ausdruck kommen, daß das Eigentum sofort auf den Verwahrer oder einen Dritten übergehen soll und daß mithin für den Hinterleger nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung nach Art und Zahl bestimmter Wertpapiere entsteht. Die Erklärung darf weder auf andere Urkunden verweisen noch mit anderen Erklärungen des Hinterlegers verbunden sein. (3) Diese Vorschriften gelten sinngemäß, wenn Wertpapiere jemandem im Betrieb seines Gewerbes als Darlehen gewährt werden. § 16 Befreiung von Formvorschriften Die Formvorschriften des § 4 Abs. 2, des § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 und der §§ 10, 12, 13 und 15 Abs. 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn der Verwahrer einer gesetzlichen Aufsicht untersteht und der Hinterleger ein Kaufmann ist, der 1. in das Handelsregister oder Genossenschaftsregister eingetragen ist oder 2. im Falle einer juristischen Person des öffentlichen Rechts nach der für sie maßgebenden gesetzlichen Regelung, nicht eingetragen zu werden braucht oder 3. nicht eingetragen wird, weil er seinen Sitz oder seine Hauptniederlassung im Ausland hat. § 17 Pfandverwahrung Werden jemandem im Betrieb seines Gewerbes Wertpapiere unverschlossen als Pfand anvertraut, so hat der Pfandgläubiger die Pflichten und Befugnisse eines Verwahrers. § 17a Verfügungen über Wertpapiere Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden, unterliegen dem Recht des Staates, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird, in dem unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers die rechtsbegründende Eintragung vorgenommen wird, oder in dem sich die kontoführende Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers befindet, die dem Verfügungsempfänger die rechtsbegründende Gutschrift erteilt.

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1. Überblick: Rechtsverhältnisse und Regelungskomplexe. Das Depotgesetz regelt nacheinander drei Schritte der regulären depotrechtlichen Abwicklung. Dies ist 1) die Verwahrung selbst, die zwei Formen annehmen kann, diejenige der Sonderverwahrung unter Zuordnung jedes Rechts, etwa Wertpapiers, an den jeweiligen Kunden (herkömmlich unter Kennzeichnung durch »Streifband«) und diejenige der Sammelverwahrung unter unge-

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

trennter Verwahrung eines Sammelbestandes, etwa verbrieft in einer Globalurkunde unter buchungsmäßiger Klärung der Berechtigungsverhältnisse auf verschiedenen Stufen (§§ 2–4 bzw. 5–9a DepotG, unten 2. bzw. 3.). Darauf aufbauend sind dies 2) die verschiedenen Formen einer Ermächtigung zur Begründung dinglicher Rechte am verwahrten Bestand, zuvörderst der verschiedenen Formen einer Pfandrechtsbegründung (unten §§ 10–17 DepotG, unten 4.). Dieser Regelungskomplex bezieht sich formal zwar auf beide Verwahrformen, der eigentliche Bedarf besteht jedoch bei der Sammelverwahrung, so dass diese nicht nur den (gesetzlichen und praktischen) Regelfall bildet, sondern auch im Folgenden im Mittelpunkt stehen wird. Sonderfragen geben sich aus der Grenzüberschreitung in all diesen Verhältnissen (unten 5.). Schließlich folgen – bereits in einem eigenen, zweiten Abschnitt – 3) die Regeln zur dinglichen Übertragung aus dem verwahrten Bestand – Weiterveräußerung (§ 18ff. DepotG, unten III.). Demgegenüber setzt das Depotgesetz die Einrichtung des Depots eher voraus als dass 325 es sie regeln würde. Wie im Recht des Kontokorrents sind vor allem zwei Gruppen von Gestaltungen von Bedeutung. Das sind einerseits die Einzel- und die Gemeinschaftsdepots. Dabei unterfallen Letztere (ebenfalls wie im Kontokorrentrecht) in Und- und in Oder-Depots, je nachdem, ob die Verfügung über Depotbestände die kumulative Zustimmung der Berechtigten voraussetzt (Und-Depot) oder jeder Berechtigte wirksam allein verfügen kann (Oder-Depot, § 428 BGB).726 Die Leitlinie des § 428 BGB wird (ebenfalls wie im Kontokorrentrecht) insofern als modifiziert gesehen, als nicht die Verwahrstelle das Recht haben soll zu entscheiden, an wen sie erfüllt, sondern dieses Entscheidungsrecht auf Seiten der Depotberechtigten liegt (beim Oder-Konto je einzeln).727 Von der Frage des Verfügungsrechts (im Verhältnis zur Verwahrstelle) ist diejenige nach den Eigentumsverhältnissen zwischen den Berechtigten zu unterscheiden. Anders als bei der Berechtigung im Verhältnis zur Verwahrstelle weicht hier die Rechtslage von derjenigen im Kontokorrentrecht ab und wird eine Vermutung für Miteigentum (§ 430 BGB) allenfalls bei Fehlen jedes anderen Wertungselements angenommen. Namentlich in dem Hauptfall, dem Erwerb im Wege der Einkaufskommission, wird Eigentumserwerb durch denjenigen angenommen, der die Mittel aufgebracht hat.728 Die zweite Hauptgruppe bilden die Treuhand- und Anderdepots, die grds. den Regeln für Treuhand- und Anderkonten folgen, bei denen ein dem Treuhänder formal zugeordnetes Depot und seine Bestände nicht nur an den Treugeber herauszugeben, sondern in Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Treuhänder bzw. in seiner Insolvenz auszusondern sind (§§ 771 ZPO, 47 InsO).729

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Näher zu dieser Befugnis etwa MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 140; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 4; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 6. Im Vergleich dazu zum OderKonto oben 2. Teil Rn 197–200. Vgl. LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 4.11.2003 – 2–21 O 155/03 NJW-RR 2004, 775; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 4; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 6; Canaris Bankvertragsrecht Rn 2095; zum Oder-Konto in dieser Frage oben 2. Teil Rn 197–200.

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BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 7; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 140; Canaris Bankvertragsrecht Rn 2095. Zur abweichenden Vermutung im Recht des Kontokorrents, das idR für die laufende Lebensführung der Berechtigten eingesetzt wird und wo daher Miteigentum (iZw unabhängig von der Herkunft der Mittel) angenommen wird, vgl. oben 2. Teil Rn 197. Näher hierzu MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 143; Scherer/Scherer DepotG § 1 Rn 49; Canaris Bankvertragsrecht Rn 2099 und 278 f. Anderdepots regeln sich

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2. §§ 2–4 DepotG: Sonderverwahrung (»Streifbandverwahrung«): Rechte und Ansprüche

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a) (Streifband-)Hausverwahrung – Rechte und Rechtsbeziehungen (§ 2 DepotG). Der Verwahrer, dem der Hinterleger Wertpapiere oder sonstige depotfähige Gegenstände »anvertraut«, hat diese nach Satz 1 unter »äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers« (gesondert) aufzubewahren – etwa durch Kennzeichnung mit Streifband. Diese Rechtslage gilt freilich (seit dem 2. Finanzmarktförderungsgesetz 1994, unten Rn 352) nur [noch] in den zwei anschließend genannten Fällen und bildet daher seitdem nicht mehr den Regelfall (nächste Rn). Ist in der Tat gesonderte Verwahrung durch den (Erst-)Verwahrer geschuldet, die sog. Haus- oder auch Streifbandverwahrung, so sind die Rechtsverhältnisse einfach. Der Hinterleger bleibt Eigentümer, als mittelbarer Besitzer,730 kann jederzeit Herausgabe verlangen (§ 695 S. 1 bzw. §§ 985 f. BGB)731 und hat bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Verwahrer bzw. in dessen Insolvenz Aussonderungsrechte nach §§ 771 ZPO und 47 InsO.732 Welch zentrale Stellung diese Rechte im Depotrecht haben und als wie lückenlos ihr Schutz gesehen wird, belegt ihre Strafbewehrung nach § 37 DepotG in dem einen Fall, in dem der Hinterleger wegen Verstoßes des Verwahrers gegen Depotrecht seines Aussonderungsrechts verlustig geht, zugleich jedoch faktisch keinen Schadensersatzanspruch gegen den Verwahrer durchsetzen kann – im Insolvenzfall (vgl. unten Rn 382–384). Ist dem Verwahrer die Rückgabe unmöglich, so beurteilt sich seine Haftung nach § 280 BGB, insbes. nach dessen Abs. 1 S. 2 (Verschuldenserfordernis und -vermutung),733 wobei das DepotG in Hauptfällen eine Garantiehaftung vorsieht (vgl. unten Rn 546). All dies hindert freilich nicht, dass der Verwahrer angewiesen werden kann oder das Recht haben kann, dingliche Verfügungen vorzunehmen, wie Satz 2 klarstellend hervorhebt (dies bildet in der Tat den zweiten und dritten Regelungsgegenstand in der Aufzählung oben Rn 323). 327 Die klassische Hausverwahrung ist freilich gesetzlich nur in zwei Fällen angeordnet und auch andernfalls unzulässig.734 Solch eine (punktuelle) Zulassung der Hausverwah-

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nach den Sonderbedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Rechtsanwälten und Gesellschaften von Rechtsanwälten von 2001; von Notaren von 2010; von Angehörigen der öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und wirtschafts- und steuerberatenden Berufe von 2000; von Patentanwälten und Gesellschaften von Patentanwälten von 2013; jeweils abgedruckt in BankR-Hdb Anhang zu § 38. Zur Qualifikation von Sonderoder Separatdepots entweder als Eigendepots des formal Berechtigten oder aber als Treuhandkontos vgl. BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 8; KG Berlin, Beschl. v. 22.06.1964 – 1 WKF 522/64 – WM 1964, 1038; und zu den Parallelregeln im Kontokorrentrecht in beiden Bereichen oben 2. Teil Rn 203–204. Vgl. zum Eigentumsstatus und den Besitzverhältnissen (sowie auch zu den Eigentumserwerbsformen) OLG Hamm Urt. v. 21.2.1990 – 8 U 107(89), WM 1991, 130; Böttcher DepotG § 2 Rn 3; Baumbach/Hopt/ Kumpan § 2 Rn 1; BankR-Hdb/Klanten

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§ 72 Rn 122; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 40; Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 5; Scherer/ Scherer/Löber DepotG § 2 Rn 2; Heinsius/ Horn/Than DepotG § 2 Rn 8–10. Zum insoweit abschließenden Charakter der Norm etwa Scherer/Scherer/Löber DepotG § 2 Rn 2; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 122. Für den allgemeinen Fall der Hausverwahrung BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 122; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 5; Baumbach/Hopt/Kumpan § 2 Rn 1. Für Treuhand- und Anderkonten, wo diese Rechte dann auch durch das Treuhandverhältnis durchgreifen, vgl. Nachw. oben 2. Teil Rn 242–244. Für diese grundsätzliche Anordnung von Verschuldenshaftung Baumbach/Hopt/Kumpan § 2 Rn 1; Scherer/Scherer/Löber DepotG § 2 Rn 3; Böttcher DepotG § 2 Rn 3. Zum insoweit abschließenden Charakter der Norm etwa Böttcher DepotG § 2 Rn 1 f.; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

rung gilt einerseits für denjenigen Fällen, in denen der jeweilige Depotgegenstand nicht zur Sammelverwahrung zugelassen ist, also in Deutschland nicht durch die Clearstream Banking AG als Gegenstand ihrer Sammelverwahrung eingestuft wurde.735 Solch ein Ausschluss findet sich namentlich in den Fällen, in denen ausländische Wertpapiere, die auf den Namen einer Person oder deren Order lauten, nicht sämtlich im ausländischen Register eingetragen oder nicht blankoindossiert sind; ebenso in Fällen, in denen verwahrtechnische Belange entgegenstehen sowie bei bestimmten Namenspapieren und beschädigten Stücken.736 Eine Hausverwahrung ist andererseits zulässig und geschuldet, wenn der Hinterleger dies verlangt, also aufgrund ausdrücklicher privatautonomer Entscheidung.737 Die klassische Hausverwahrung bildet also, da die weit überwiegende Mehrzahl der Verwahrgegenstände zur Sammelverwahrung durch die Clearstream Banking AG zugelassen ist, die Ausnahme (und die Sammelverwahrung den Regelfall), weil sie gesondert verlangt/vereinbart werden muss, ohne solche Abbedingung also Sammelverwahrung geschuldet ist. Da diese wiederum nur durch hierzu zugelassene Sammelverwahrer – in Deutschland allein die Clearstream Banking AG – erbracht werden darf und kann (oben Rn 322), bildet zugleich die Drittverwahrung den Regelfall und umgekehrt die Hausverwahrung stets zugleich Sonderverwahrung. Umgekehrt ist die Sammelverwahrung, da die Clearstream Banking AG Depots nur für (zum Depotgeschäft zugelassene) Kreditinstitute des In- und Auslands eröffnet (oben Rn 322), mehrstufig angelegt (unten 3.). b) (Streifband-)Drittverwahrung – Rechte, Pfandrechte, Rechtsbeziehungen (§§ 3, 328 4 DepotG). Erfolgt die Sonderverwahrung bei einem Dritten, so spricht man teils ebenfalls von Hausverwahrung, teils von Drittverwahrung eines Hausbestands (im Gegensatz zum Sammelbestand).738 Da die gesonderte Verwahrung das entscheidende Charakteristikum bildet, erschiene auch Drittsonderverwahrung denkbar. Jenseits solcher Diskussion um die Begrifflichkeit, sind drei Punkte zentral. In allem zeigt sich die grundsätzliche Gleichheit/ Gleichstellung in der Rechtslage zur Hausverwahrung beim Erstverwahrer selbst.739 Die

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Rn 40; die Befugnis des Verwahrers zur Sonderverwahrung dagegen auch in anderen Fällen nicht ausschließend Baumbach/Hopt/ Kumpan § 2 Rn 1; Scherer/Löber DepotG § 2 Rn 1; Erbs/Kohlhaas/Wehowsky DepotG § 2 Rn 1. Vgl. BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 72; Scherer/Scherer/Löber DepotG § 2 Rn 1. Eine Beschreibung der Zulassungsvoraussetzungen findet sich in Nr. IX Abs. 1 AGB der Clearstream Banking AG; vgl. auch Scherer/ Scherer/Löber DepotG § 2 Rn 2; BankRHdb/Klanten § 72 Rn 72; Opitz DepotG, S. 144. Hierzu und zu den Anforderungen an die Ausdrücklichkeit Scherer/Scherer/Löber § 2 Rn 2 (formlos); BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 123; Baumbach/Hopt/Kumpan § 2 Rn 1. Wohl noch nicht die Einkaufskommission ohne Nennung eines anderen Verwahrers.

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Vgl einerseits BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 9; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 60; andererseits Langebucher/Bliesener/ Spindler/Binder 38 Kapitel Rn 8; Heinsius/ Horn/Than DepotG § 5 Rn 18. Zur Begrifflichkeit auch Scherer/Löber DepotG § 3 Rn 4 (»Hausdrittverwahrung«). Scherer/Löber DepotG § 3 Rn 5; vgl auch zu den praktischen Bedürfnissen zur Einführung dieser Regelung Opitz Depotgesetz, S 17ff. Theoretisch auch an eine andere Person als ein Kreditinstitut, vgl. MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 20; vgl. aber Einschränkung durch Nr. 3 der Bekanntmachung über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapiergeschäften (Depot-Bek.), vom 21.12.1998, BAnz. Nr. 246, S. 17906; dazu BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 166ff. Wichtig jedoch vor allem, dass auch Kreditinstitute im Ausland erfasst sind, dazu sogleich.

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Verwahrung durch einen Dritten ist voraussetzungslos zulässig (§ 3 Abs. 1 S. 1 DepotG).740 Dabei wird – trotz rechtlicher Unselbständigkeit – jede Zweigestelle als ein Verwahrer eingestuft, also als »Dritter« im Sinne dieser Regel (§ 3 Abs. 1 S. 2 DepotG). Die voraussetzungslose Zulassung der Drittverwahrung weicht vom Modell des § 688 BGB ab (oben Rn 319). Ihr liegt die Überlegung zugrunde, dass die Verwahrung im Effektenrecht ein Massengeschäft darstellt (ohne individuelles Vertrauensverhältnis) und dass der Erstverwahrer ohnehin für Verschulden des Drittverwahrers wie für eigenes haftet (§ 3 Abs. 2 S. 1 DepotG). Zwar kann diese Haftung vertraglich abbedungen werden,741 dies jedoch nicht für das eigene Auswahlverschulden des Erstverwahrers (§ 3 Abs. 2 S. 2 DepotG). Wenn also der Erstverwahrer Auswahl eines Drittverwahrers mit gleicher banküblich-professioneller Verlässlichkeit schuldet (wie er sie selbst schulden würde), begründet die Übertragung der Verwahrverantwortung keine weiterreichende Gefährdung für den Kunden. Dies erklärt auch die Gegenausnahme dahingehend, dass auch Haftung für Auswahlverschulden abbedungen werden kann, wenn der Kunde selbst den Drittverwahrer ausgewählt hat und zur Übertragung auf diesen angewiesen hat (§ 3 Abs. 2 DepotG a.E.). 329 Der dritte Punkt ist der wichtigste, § 4 DepotG regelt einen Ausschnitt der Frage, wie (vor allem dinglich) sichergestellt wird, dass eine Drittverwahrung keine zusätzliche Gefährdung der Rechte des Hinterlegers zur Folge hat.742 Dafür wird zunächst (unwiderleglich) vermutet, dass dem Drittverwahrer bekannt ist, dass der Erstverwahrer nicht Rechtsinhaber der Hinterlegungsgegenstände ist (Abs. 1 S. 1),743 diese also nur verwahrt bzw. allenfalls treuhänderisch für den Berechtigten hält. Diese Vermutung wirkt vor allem im Verhältnis zu außenstehenden Dritten und dient dem umfassenden Schutz des Berechtigten bei deren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Erstverwahrer und in seiner Insolvenz (vgl. oben Rn 325, 326). Sie ist nur auszuräumen, wenn der Erstverwahrer die eigene Berechtigung ausdrücklich und schriftlich reklamiert (Abs. 2; Ausnahme nach § 16 DepotG, vgl. unten Rn 338). Dabei wird davon ausgegangen, dass bewusste Falschdeklarationen im bankprofessionellen Umfeld und durch die Strafandrohung (§ 35 DepotG, ggf. darüber hinaus auch Untreue iSv § 266 StGB)744 weitgehend ausgeschlossen sind und fahrlässige Falschdeklarationen durch das Ausdrücklichkeits- und Schriftformerfordernis ebenfalls unwahrscheinlich sind.745 Erfolgt die Verwahrung nicht als Bankgeschäft (nur

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Vgl. Baumbach/Hopt/Kumpan § 3 Rn 1; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 20; Böttcher DepotG § 3 Rn 1; BankRHdb/Klanten § 72 Rn 10; Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 7. Grundsätzlich auch in AGBs möglich, jedoch in den Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte nicht vorgesehen, vgl. Ziffer 19.1; vgl. zu beidem Baumbach/Hopt/Kumpan § 3 Rn 3; Böttcher DepotG § 3 Rn 5; Hövekamp/Hugger Die Reichweite der Haftung der Depotbanken vor dem Hintergrund des Madoff-Skandals, FS Hopt 2010, S. 2015 (2022). Hierzu als generelle Zielsetzung von § 4 DepotG, jedoch auch generell als Grundannahme für das Regime der (zustimmungsfrei zulässigen) Drittverwahrung vgl. Reg.Beg. zum Depotgesetz, abgedr. bei Opitz DepotG, 1. Aufl. 1937, § 4 S. 23; MünchKommHGB/

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Einsele Depotgeschäft Rn 21; Baumbach/ Hopt/Kumpan § 4 Rn 1; Scherer/Scherer/Löber § 4 Rn 1 f. Hierzu, insbesondere zur Unwiderleglichkeit der »Vermutung«: BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 15; Heinsius/Horn/Than DepotG § 4 Rn 7; Miletzki WM 1996, 1849 (1850). Zur Strafbarkeit nach § 35 DepotG Park/ Südbeck/Eidam Kapitalmarktstraftrecht § 35 DepotG; MünchKommStGB/Bröker § 35 DepotG. Zur möglichen Strafbarkeit solcher Falschdeklarationen auch als Untreue vgl. Park/Südbeck/Eidam Kapitalmarktstraftrecht § 35 DepotG Rn 14; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 24. Zu den Anforderungen an Ausdrücklichkeit und Schriftlichkeit vgl. MünchKommHGB/ Einsele Depotgeschäft Rn 22.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

denkbar, wenn nicht gewerblich, oben Rn 321), so ist die Vermutungslage umgekehrt. Es wird Eigenberechtigung des Verwahrers angenommen, die Fremdberechtigung hat dieser deutlich zu machen (Abs. 3) – denn nunmehr handelt es sich gerade nicht mehr um ein Massengeschäft, das typischerweise für den Kunden erfolgt. Im Verhältnis zum Drittverwahrer selbst statuiert den wichtigsten Schutz Abs. 1 S. 2, 330 die Beschränkung seines Pfand- und Zurückbehaltungsrechts auf sog. konnexe Forderungen. Es handelt sich um diejenigen Forderungen, die sich aus der Drittverwahrung selbst ergeben,746 namentlich Gebühren für die Verwahrung (Depotgebühren), aber auch für Verwaltungsakte, etwa die Bezugsrechtsausübung, aber auch den Erwerbspreis, wenn er dem Drittverwahrer zusteht.747 Wieder kann der Erstverwahrer individuell Erweiterungen zustimmen (Abs. 1 S. 2 a.E., mit vergleichbaren Kautelen und Strafandrohungen wie bei der Deklaration von Eigenberechtigung, vorige Rn). Gesonderte Fragen wirft der Fall aus, dass ein Drittverwahrer im Ausland gewählt wird 331 (außerhalb des geregelten grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs, dazu unten Rn 346 f.). Hierfür ist streitig, ob eine Zustimmung seitens des Hinterlegers notwendig ist.748 Der Wortlaut des § 3 Abs. 1 DepotG differenziert nicht nach Ort der Verwahrung. Zugleich jedoch spricht der Generalzuschnitt der Regelung dafür, dass eine Verwahrung im Ausland entweder die Zustimmung des Hinterlegers voraussetzt oder aber die Absicherung dahingehend, dass solch eine Verwahrung keine größeren Risiken für den Hinterleger mit sich bringt als eine Drittverwahrung im Inland. Diese Gewähr zu geben, ist das Ziel der üblichen sog. Drei-Punkte-Erklärung, die deutschen Depotbanken von ausländischen Drittverwahrern einfordern müssen (Nr. 3 Abs. 4 Depot-Bekanntmachung).749 Danach tritt zwar die inländische Verwahrbank als Hinterlegerin und Rechtsinhaberin auf, muss jedoch das Treuhandverhältnis zu ihrem Kunden/Hinterleger gegenüber der ausländischen Verwahrstelle offenlegen und dabei/damit einen dreifachen Schutzstandard sicherstellen. Sichergestellt sein muss, (i) dass die ausländische Verwahrstelle vom Treuhandverhältnis Kenntnis genommen hat (von der nur treuhänderischen Berechtigung der hinterlegenden Bank im Verhältnis zu ihrem Kunden), (ii) dass der Standard des § 4 Abs. 1 DepotG erhalten bleibt, also die ausländische Verwahrstelle Pfand- und Zurückbehaltungsrechte nur für konnexe Forderungen ausüben wird (vorige Rn) und (iii) dass die ausländische Verwahrstelle die Hinterlegungsstände (ohne ausdrückliche Zustimmung) weder in ein anderes

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Zum Kreis dieser Forderungen (wie im Folgenden aufgezählt) vgl. BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 18; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 23. Probleme der Zuordnung der Forderungen zu einzelnen Hinterlegungsgegenständen ergeben sich daraus, dass auch bei Sonderverwahrung auf der ersten Stufe auf der zweiten Stufe Sammelverwahrung (ggf. auch unter Vermischung sogar mit Eigenbeständen) die Regel ist. Vgl. hierzu BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 18; Heinsius/Horn/Than DepotG § 4 Rn 14. Vgl. einerseits gegen Zustimmungserfordernis: MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 32 f.; Baumbach/Hopt/Kumpan § 3 Rn 2; BuB/Decker Rn 8/42; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel

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Rn 52; Scherer/Löber DepotG § 3 Rn 10; und andererseits Heinsius/Horn/Than DepotG § 3 Rn 6; nach BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 34 ist jedenfalls eine wirksame Zustimmung in Nr. 12 Abs. 2 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte enthalten. Bekanntmachung über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapiergeschäften (Depot-Bek.) vom 21.12.1998, BAnz. Nr. 246, S. 17906; Abdruck auch bei Consbach/Fischer KWG H 45.3; vgl. zur Drei-Punkte-Erklärung BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 36, 144; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 33; Scherer/Löber DepotG § 3 Rn 9; Hellner, in FS Heinsius 1991, S. 211 (229ff.).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Land transferiert noch Dritten zur Verwahrung anvertraut und zudem über jegliche Pfändungsmaßnahme sofort informiert. So ermöglicht sie Drittwiderspruchsklage oder Maßnahmen zur Aussonderung. Die inländische Verwahrbank kann so – und hat auch die Pflicht zu – prüfen, ob der zwangsvollstreckungs- und insolvenzrechtliche Schutz des Kunden im ins Auge gefassten Verwahrland dem inländischen entspricht.750 3. §§ 5–9a DepotG: Sammelverwahrung: Rechte und Ansprüche

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a) Überblick – mit Erstreckungsregeln (§ 5 Abs. 3, § 9 DepotG). Den Kern des Rechts der depotrechtlichen Sammelverwahrung bilden die Regeln zu den Rechtsverhältnissen (§§ 6–8 DepotG), namentlich (i) zu den Eigentums- und Besitzverhältnissen bei sammelverwahrten Wertpapieren (§ 6 DepotG, unten Rn 341–343) und (ii) zu den daraus folgenden schuldrechtlichen und dinglichen Herausgabeansprüchen (»Auslieferungsansprüchen«) (§§ 7 und 8 DepotG, unten Rn 344 f.). Komplex ist diese Regelung, weil es sich um ungetrennt vom Eigenbestand und von anderen Kundenbeständen verwahrte (»sammelverwahrte«) Wertpapiere der gleichen Art handelt, also einen Gesamt- oder Sammelbestand aller Wertpapiere gleicher Art, die der Sammelverwahrer in Verwahrung hat, und zudem weil die Fremdverwahrung, auch mehrstufig, hier ebenfalls voraussetzungslos gestattet ist (§ 5 Abs. 3 iVm § 3 DepotG). 333 Der Rest der Regelung betrifft vier Gegenstände. Der Regelung der Rechtsverhältnisse voran geht eine Klärung der Voraussetzungen für die Statthaftigkeit einer Sammelverwahrung (§ 5 Abs. 1 und 2 DepotG unten Rn 336–339). Die in §§ 6–8 DepotG darauf aufbauende Festlegung der Rechte aus der Sammelverwahrung bildet zwar den Kern der Regelung, wird jedoch durch zwei Erstreckungsregeln in wichtigen Punkten flankiert und bedingt: Darin wird das gesamte Recht der Sonderverwahrung für entsprechend anwendbar erklärt – außer die Regel zur getrennten Verwahrung. Das gilt gleichermaßen für die voraussetzungsfreie Gestattung der Fremdverwahrung beim Bankdepot (§ 5 Abs. 3 iVm § 3 DepotG)751 wie – wiederum beim Bankdepot – für die Fremdvermutung und die Beschränkung von Pfand- und Zurückbehaltungsrechten auf konnexe Forderungen (§ 9 iVm § 4 DepotG).752 Außerdem wird – als (heute praktisch ungleich wichtigere, jedoch gänzlich gleichwertige) Alternative zur Sammelverwahrung von Einzelstücken für jedes einzelne Recht – die Sammelurkunde als Grundlage der Sammelverwahrung (eine einzige Urkunde für alle Rechte »gleicher Art«) vorgestellt, zugelassen und geregelt (§ 9a DepotG, unten Rn 334–335). Diese bildet heute die sachliche Grundlage dieser Regelverwahrform. Schließlich werden mit dem sog. Effektengiroverkehr die Besonderheiten eines grenzüberschreitenden Depotgeschäfts in den Blick genommen (§ 5 Abs. 4 DepotG, unten Rn 346 f.).

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b) Sammelurkunde und -depot (§ 9a DepotG). Die (heute weit überwiegend) als sachliche Grundlage der Sammelverwahrung verwandte Form der Rechteverbriefung bei Sammelverwahrung, die Sammelurkunde (§ 9a DepotG) und auch das Sammeldepot, wurde durch Kautelarjurisprudenz und Praxis geschaffen und dann – am Ende der Normsequenz zur Sammelverwahrung – kodifiziert. Bei der Sammelverwahrung handelt es sich um eine Verwahrung der Hinterlegungsstücke in einer Form, in der diese nicht getrennt von gleich-

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Ebenso Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Binder 38. Kapitel Rn 55a. Zu dieser oben Rn 328. Näher zur »entsprechenden« Anwendung BuB/Decker Rn 8/49; Heinsius/Horn/Than DepotG § 5 Rn 64.

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Zu diesen Gehalten von § 4 DepotG oben Rn 329–331. Zur »entsprechenden« Anwendung etwa MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 21; Böttcher DepotG § 9 Rn 1; Heinsius/Horn/Than DepotG § 4 Rn 2.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

artigen Hinterlegungsstücken anderer Kunden oder des Verwahrers selbst verwahrt werden (müssen), sondern mit diesen vermischt,753 und bei der daher Miteigentum am Gesamtbestand entsprechend der Quote des Hinterlegers an dieser entsteht (§ 6 DepotG, näher unten Rn 341–343). Während die Sammelverwahrung für Einzelurkunden ebenfalls möglich ist, ist sie heute mittels Sammelurkunde ungleich üblicher. Die Sammelurkunde ist eine Globalurkunde, in der alle Rechte einer Gattung, die herkömmlich in einzelnen Wertpapieren verbrieft wurden, in einer einzigen Urkunde verbrieft werden, etwa eine Globalaktie (für eine Aktiengattung) oder eine Globalschuldverschreibung. Formal handelt es sich also um ein Wertpapier iSv § 1 Abs. 1 DepotG, so dass die gesetzliche »Anerkennung« mit der Depotrechtsnovelle 1972 rein klarstellender Natur ist.754 Mit Globalurkunde wird es ermöglicht, die einzelnen Rechte – als vermittelte Rechte (»Intermediated Securities«)– allein elektronisch zu buchen (zur Festlegung der Inhaberschaft ebenso wie zur Verfügung). Art. 3, 4 der CSDR schreiben ebendies heute verpflichtend vor für Wertpapiere, die zu geregelten Märkten zugelassen werden,755 so dass in diesem Segment, dem klassischen Kern des Massengeschäfts, die elektronische Buchung für alle Wertpapiere den exklusiven Standard bildet. Mit dieser Zielsetzung geht die (abdingbare) Regel einher, dass die Globalurkunde in Sammelverwahrung gegeben wird (werden darf, Abs. 1 S. 1).756 Der Umstand, dass beide Formen – das gesonderte Wertpapier ebenso wie der entsprechende Anteil an einer Sammelurkunde – für den Kunden gänzlich äquivalent sind und nur die bankmäßige Abwicklung tangiert ist, erklärt die Regel, dass der Verwahrer jederzeit die jeweils andere Form wählen darf, allerdings dabei die Verwahrform (Sammelverwahrung) beibehalten muss (Abs. 1 S. 2).757 Sammelurkunde und (sammelverwahrte) Einzelurkunden vermitteln dem Hinterleger exakt die gleichen Rechte (ausdrücklich Abs. 2 in Bezug auf §§ 6–9 DepotG), also sind namentlich Miteigentum und die Besitzverhältnisse die gleichen (unten § 6 DepotG, Rn 341–343), freilich ist eine Auslieferung von Teilen der Sammelurkunde unmöglich und müssen daher bei Auslieferungsbegehren im entsprechenden Umfang Einzelurkunden geschaffen werden.758 Freilich kann die Auslieferung auch ausgeschlossen werden (zu beidem Abs. 3), namentlich, soweit nur elektronische Buchung der Anteile an der sammelverwahrten Globalurkunde vorgesehen ist (kraft Ausgabebedingung, teils auch kraft zwingendem Recht, Art. 3, 4 CSDR).759

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Zu diesen Charakteristika vgl. etwa Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 5; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 71. Zur Qualifikation auch der Globalurkunde als Wertpapier iSv § 1 Abs. 1 DepotG BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 55; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 10; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 52. Vgl. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verwaltung und Anschaffung von Wertpapieren vom 25.5.1972, BGBl. 1972 I, S. 801. Näher zu dieser Anordnung Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 10; Scherer/Martin DepotG § 9a Rn 16. Hierzu und zur Abbedingung der Sammelverwahrung in diesem Falle Böttcher DepotG § 9a Rn 2; Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 10.

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Ebenso BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 63ff.; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 53; Scherer/Martin DepotG § 9a Rn 9. Um Auslieferungsrechte bedienen zu können, ohne Einzelurkunden erst herstellen (und die Globalurkunde durch mehrere Globalurkunden ersetzen) zu müssen, ist es Praxis und wird es empfohlen, einen Grundbestand von Einzelurkunden vorzuhalten, vgl. etwa BuB/Decker Rn 8/92; BankR-Hdb/ Klanten § 72 Rn 64. Zu den Fällen solch eines Ausschlusses des Auslieferungsrechts, vgl. etwa MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 4; Seibert DB 1999, 267; Than FS Schimansky 1999, 829; Blitz WM 1997, 2211. Ausschluss in der Satzung beispielsweise bei der Daueraktie nach § 10 Abs. 5 AktG (durch Satzungsbestimmung). Zu den verschiedenen

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

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Das Sammeldepot bildet die Depotform für ungetrennte Verwahrung von gleichartigen Hinterlegungsstücken. Zwar kann ein solches jeder Verwahrer anlegen. Da eine Sammelverwahrung bei einem anderen Verwahrer als Wertpapiersammelbanken jedoch der ausdrücklichen (bei Privatkunden auch schriftlichen) Zustimmung bedarf und weniger sicher ist (unten Rn 337 f.), bildet diese Gestaltung freilich die Ausnahme und das Sammeldepot bei einer Wertpapiersammelbank – in Deutschland die Girosammelverwahrung bei der Clearstream Banking AG – den Regelfall. Da diese Verwahrkonten nur für Banken (die sog. Lokal-Bankiers) eröffnet (oben Rn 322), also allein als Drittverwahrer iSv § 3 DepotG agiert (sog. Zentral-Bankier), ist in diesem (Regel-)Fall das Verwahrverhältnis (zumindest) zweistufig – entsprechend dann auch die Besitzverhältnisse (unten § 6 DepotG und Rn 341–343).

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c) Zulässigkeit und Voraussetzungen einer Sammelverwahrung bzw. Äquivalent (§ 5 Abs. 1–2 DepotG). Die Regelung in § 5 Abs. 1 und 2 DepotG zur Zulässigkeit der Sammelverwahrung (d.h. der ungetrennten Verwahrung mit Hinterlegungsgegenständen anderer Kunden und/oder des Verwahrers selbst, oben Rn 334) hat vier Gehalte. Geregelt werden (i) die zustimmungsfrei zulässige Fremdsammelverwahrung (§ 5 Abs. 1 S. 1 DepotG), (ii) die zustimmungspflichtige Eigensammelverwahrung (§ 5 Abs. 1 S. 2 und 3 DepotG), (iii) die Sammelverwahrungsfähigkeit der Hinterlegungsgegenstände (§ 5 Abs. 1 S. 1 DepotG) und (iv) die Zulässigkeit einer äquivalenten Gestaltung, bei der die Rechte an bereits sammelverwahrten gleichartigen Hinterlegungsgegenständen (in gleichem Umfang) abgetreten werden anstatt die neu eingelieferten Hinterlegungsgegenstände in Sammelverwahrung zu geben (§ 5 Abs. 2 DepotG). Der erste und dritte Gehalt sind mit Abstand die Wichtigsten. 337 Die Regelung zur Zulässigkeit der Sammelverwahrung – zuvörderst der Fremdsammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank – knüpft an § 3 DepotG an, der bereits eine Fremdsonderverwahrung (getrennte Verwahrung der einzelnen Hinterlegungsgegenstände) zustimmungsfrei zulässt, soweit die Sonderverwahrung als solche bereits zulässig ist. In der Tat wird § 3 DepotG in § 5 Abs. 3 DepotG in allen Punkten für entsprechend anwendbar erklärt (vgl. bereits oben Rn 333). Die Regelung in § 5 Abs. 1 DepotG erfasst freilich nur den Fall, dass die Fremdsammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank erfolgt, in Deutschland der Clearstream Banking AG – da nur in diesem Fall durch die hohe Spezialisierung und Professionalität der Wertpapiersammelbank hohe Abwicklungseffizienz und Sicherheit auch faktisch für den Hinterleger gesichert sind. Die Regelung in § 5 DepotG geht freilich noch weiter als die Parallelregel in § 3 DepotG. Bei der Sammelverwahrung ist die Fremdsammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank der gesetzliche Regelfall, nicht nur zulässig (so seit dem Zweiten Finanzmarkförderungsgesetz von 1994). Sie ist zustimmungsfrei zulässig (§ 5 Abs. 1 S. 1 DepotG), wenn nicht der Hinterleger abweichende Weisung gibt (S. 1 a.E.),760 während umgekehrt die Eigen- oder Haussammelverwahrung der ausdrücklichen und schriftlichen Zustimmung bedarf (nächste Rn). Einzige Voraussetzung ist die Sammelverwahrfähigkeit (unten Rn 339). Bei Einliefe-

Formen der Sammelurkunden (technisch, d.h. später zusammengefasste Einzelurkunden, interimistisch, d.h. für eine Neuemission ausgestellt, und Dauerglobalurkunden – unter Ausschluss des Anspruchs auf Auslieferung) vgl. etwa Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 11.

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Zu den Voraussetzungen solch eines abweichenden Verlangens, für dessen Annahme – da es für den Kunden idR kostenträchtig und auch sonst nicht vorteilhaft ist – Ausdrücklichkeit oder zumindest sehr konkrete Anhaltspunkte notwendig sind: Scherer/Rögner DepotG § 5 Rn 1.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

rung von (sammelverwahrfähigen) Hinterlegungsgegenständen schuldet der Verwahrer, der diese entgegennimmt, dem Hinterleger folglich, wenn keine andere Abrede getroffen wurde (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 und § 5 Abs. 1 S. 1 DepotG, jeweils a.E.), Hinterlegung in Sammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank. Dieser Regelungszuschnitt reflektiert den Umstand, dass die Fremdsammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank (Clearstream Banking AG) nur Vorteile mit sich bringt.761 Sie verbürgt einerseits angesichts der rechtlichen Ausgestaltung eine genauso große und umfassende Absicherung vor Fremdzugriffen wie jede Sonderverwahrung (vgl. im Folgenden). Umgekehrt verbürgt sie jedoch angesichts der Vereinfachung der Buchungsvorgänge (keine physische Verschiebung der Hinterlegungsstücke), aber auch der Spezialisierung und Professionalität der Wertpapiersammelbanken, etwa der Clearstream Banking AG, eine kostengünstigere und vor allem schnellere Abwicklung (wichtig für beschleunigte Weiterveräußerungs- und Kursrealisierungsmöglichkeiten) und auch ein faktisch geringeres Verlustrisiko. Eine Eigen- oder Haussammelverwahrung setzt demgegenüber schriftliche und aus- 338 drückliche dahingehende Zustimmung des Hinterlegers voraus (§ 5 Abs. 1 S. 2 DepotG). Vom Schriftformerfordernis wird im Recht des Bankdepots, da die gesetzliche Aufsicht eingreift (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG), gegenüber (im Handels- oder Genossenschaftsregister) eingetragenen Kaufleuten zwar abgesehen, ebenso gegenüber ihren Äquivalenten unter den Juristischen Personen des öffentlichen Rechts bzw. des Auslands (§ 16 DepotG).762 An die Ausdrücklichkeit sind jedoch – angesichts der höheren Kosten und auch faktisch größeren Gefahren – hohe Anforderungen zu stellen.763 Die Zustimmung ist für jede neue Übernahme in den Bestand notwendig,764 entscheidend ist, ob sich das jeweilige Risiko ändert. Sie darf nicht in AGB ausgesprochen werden und muss von anderen Erklärungen gesondert erteilt werden (§ 5 Abs. 1 S. 3 DepotG). Eine Sammelverwahrung – Fremd- ebenso wie Eigensammelverwahrung,765 Letztere 339 bei Zustimmung, Erstere hingegen bei einer Wertpapiersammelbank zustimmungsfrei – ist nur statthaft für sammelverwahrungsfähige Hinterlegungsgegenstände. Diese müssen vertretbar iSv § 91 BGB sein (§ 5 Abs. 1 S. 1 BGB) und damit überhaupt für eine Sammelverwahrung geeignet. Nur wenn die Rechte so gleichartig sind, dass sie einander ersetzen können (Vertretbarkeit), ist eine ungetrennte Verwahrung bei Erhaltung des Rechts des jeweiligen Hinterlegers überhaupt denkbar. Freilich wird »nur« auf Vertretbarkeit, nicht

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Zu den Vorteilen, namentlich den im Folgenden Genannten, ausführlicher Böttcher DepotG § 5 Rn 3 f.; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 29 ff; BuB/Decker Rn 8/48; Blitz WM 1997, 2211. Näher zu diesem (weniger präventiv geschützten) Kundenkreis, namentlich den öffentlich-rechtlichen Institutionen, etwa Regierungsentwurf des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes, BT-Drucks. 12/6679, S. 88 f.; Böttcher DepotG § 16 Rn 1; Kümpel /Peters AG 1994, 525 (526). Zu den Anforderungen etwa Baumbach/ Hopt/Kumpan § 5 Rn 2; Scherer/Rogner DepotG § 5 Rn 34. Ebenso Nr 1 Abs. 2 Depot-Bek. (oben Fn 749); Baumbach/Hopt/Kumpan § 5 Rn 2; Münch-

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KommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 60; Heinsius/Horn/Than DepotG § 5 Rn 34; Scherer/Rogner DepotG § 5 Rn 34. Dass die Voraussetzungen der Sammelverwahrfähigkeit auch für die Eigensammelverwahrung gelten, ergibt sich daraus, dass Letztere nur »anstelle« der Sammelverwahrung durch eine Wertpapiersammelbank zugelassen wird (vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 DepotG). Ebenso Nr. 1 Abs. 1 Depot-Bek. (oben Fn 749); Baumbach/Hopt/Kumpan § 5 Rn 1; zur Voraussetzung der Sammelverwahrfähigkeit schon nach § 5 DepotG a.F., der allein die Haus- und Drittsammelverwahrung kannte: Heinsius/Horn/Than DepotG § 5 Rn 22.

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etwa auf Fungibilität und Zirkulierungsfähigkeit abgestellt,766 d.h. auf Gleichartigkeit im Recht, nicht in den Verfügungsmöglichkeiten. Daher sind auch vinkulierte Aktien der gleichen Gattung vertretbar, zumal eine Verfügung über sie grds. möglich ist, nur im Einzelfall wegen Ablehnung bestimmter Erwerbergruppen verweigert werden kann.767 Gleiches gilt für Namensaktien (selbst nicht voll eingezahlte)768 und bloße Wertrechte (der öffentlichen Hand, nach ausländischem Recht etc., vgl. oben Rn 318).769 Neben die Eignung muss – im Falle der Fremdsammelverwahrung – die konkrete Zulassung des fraglichen Hinterlegungsgegenstandes durch diese Wertpapiersammelbank treten (§ 5 Abs. 1 S. 1 DepotG, »zugelassen sind«), namentlich in ihren AGB, mit der diese sich zur Entgegennahme dieses konkreten Hinterlegungsgegenstandes zur Sammelverwahrung bereit erklärt.770 340 Da bei der Sammelverwahrung nicht dieselben, sondern nur gleichartige Hinterlegungsgegenstände ausgeliefert werden müssen und am Gesamtbestand Miteigentum besteht, liegt es nahe, dass die Pflicht, eingelieferte Hinterlegungsgenstände in Sammelverwahrung durch eine Wertpapiersammelbank zu geben (oben Rn 337), auch dadurch erfüllt werden kann, dass ein schon bestehender Miteigentumsanteil an gleichartigen Hinterlegungsgegenständen (in gleichem Umfang) verschafft wird (§ 5 Abs. 2 DepotG).

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d) Rechtsverhältnisse I: Eigentums- und Besitzverhältnisse (§ 6 DepotG). Nach § 6 DepotG »entsteht … Miteigentum« mit Einlieferung zur Sammelverwahrung, und daher wird teils von einem gesetzlichen Erwerbstatbestand gesprochen.771 Diese Qualifikation verunklärt die Rechtsverhältnisse jedoch mehr als dass sie sie klärt, besser wäre von einem gesetzlichen Rechtsumgestaltungstatbestand zu sprechen. § 6 DepotG ordnet allein eine Umwandlung eines dinglichen Rechts in ein anderes dingliches Recht an, dies ohne Änderung der Inhaberschaft und auch nur formal unter Änderung des Gehalts des dinglichen Rechts (quotales Miteigentum tritt an die Stelle von Alleineigentum), nicht auch materiell (die Quote am Gesamtbestand bleibt unverändert, der Schutz vor Drittzugriff bleibt der gleiche und auch jederzeitige Auslieferungsansprüche bestehen gleichermaßen, vgl. im Folgenden und bereits oben Rn 325 f.). Dieser Umstand erklärt die Rechtsfolgen im Detail. Er erklärt auch, dass der Sammelverwahrer ohne Zustimmung der anderen befugt ist, die Miteigentumsanteile auszuliefern, auch seinen eigenen, ansonsten jedoch das Eigentum der anderen

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Zum Unterschied insbesondere Assmann/ Schneider/Assmann § 2 WpHG Rn 8; Fuchs/ Fuchs § 2 WpHG Rn 15; Schwark/Zimmer/ Kumpan § 2 WpHG Rn 9; und oben 5. Teil Rn 6; dagegen Einbeziehung der Fungibilität (Austauschbarkeit) als Merkmal vertretbarer Wertpapiere: MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 43; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 73; Gleichsetzung von Fungibilität und Vertretbarkeit bei BGH, Urt. v. 28.6.2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311 (315); Lehmann Finanzinstrumente, S. 315. Dazu näher MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 45 f.; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 76 f.; Kümpel WM Sonderbeil. 8/1983, S. 4; Heißel/Kiehnle WM 1993, 1909; Than FS Nobbe 2009, S. 791. Vgl. Nr 1 Abs. 1 S. 4 und 5 Depot-Bek. (oben Fn 749); BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 75; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft

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Rn 47; Mentz/Fröhling NZG 2002, 201 (204). Dazu näher Kreße WM 2015, 463; BankRHdb/Klanten § 72 Rn 66; Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 12; Scherer/Scherer DepotG § 1 Rn 28. Hierzu BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 72; Böttcher DepotG § 5 Rn 1; Opitz DepotG, S. 144. Vgl. die diesbezüglichen AGB der Clearstream Banking AG, namentlich Ziff. IX, abrufbar unter http://www.clearstream.com/clearstream-en/keydocuments-1-/csd-1-/general-terms-and-conditions/allgemeine-geschaeftsbedingungen--cbf/12238. So etwa BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 80; Scherer/Rögner DepotG § 6 Rn 2; Baumbach/Hopt/Kumpan § 6 Rn 1; Böttcher DepotG § 6 Rn 1; Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 18.

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nicht mindern darf (§ 6 Abs. 2 S. 1 und 2 DepotG).772 Schließlich erklärt dieses Verständnis auch, dass alle Rechtsfolgen unabhängig davon gelten, auf welcher Ebene der Hinterlegungsgegenstand gerade sammelverwahrt wird (beim Erst- oder Zwischenverwahrer oder aber bei der Wertpapiersammelbank, Abs. 2 S. 3). Daraus ergeben sich folgende Eigentumsverhältnisse nach Einlieferung zur Sammel- 342 verwahrung. Miteigentümer wird nicht der Hinterleger, sondern wird/bleibt der ursprüngliche Eigentümer773 – es ist in diesem Zusammenhang auch nicht etwa Raum für einen gutgläubigen Erwerb (Einlieferung kein rechtsgeschäftlicher Rechtsübertragungstatbestand).774 Die Einlieferung führt zur ungetrennten Verwahrung. Zwar findet die Umgestaltung (Übergang in einen Miteigentumsanteil) nach hM bereits mit Einlieferung, also unmittelbar vor Vermischung statt775 – auch um dem Verwahrer sofort alle Auslieferungsund Verpfändungsrechte zu geben. Da jedoch Vermischung folgt, ist es auch zwingend, dass die Umgestaltung nicht von der Wirksamkeit des Grundverhältnisses abhängt, etwa von einer Befugnis zur Einlieferung zur Sammelverwahrung (etwa unter Verstoß gegen eine gegenteilige Weisung nach § 5 Abs. 1 S. 1 a.E. DepotG).776 Angesichts des jederzeitigen Auslieferungsanspruchs ist der dinglich Berechtigte auch nicht übermäßig beschwert. Schließlich ist aus dem genannten Verständnis heraus auch zwingend, dass sich das Recht nicht quantitativ ändern kann, also die Quote danach berechnet wird, wie viele Stücke eingeliefert wurden – bei Nennbeträgen nach diesen, bei Fehlen derselben nach Stücken (Abs. 1 S. 2).777 Das Miteigentum folgt im Grundsatz den Regeln der §§ 741ff. BGB, freilich bei jederzeitiger Verfügbarkeit des Anteils. All dies bildet die Grundlage für diejenigen Verfügungen, die das Verwahrverhältnis bestehen lassen, namentlich die Begründung von Pfandrechten (unten Rn 349–352), ebenso wie für die Verfügungen, mit denen der Berechtigte seine Inhaberschaft gänzlich veräußert (unten Rn 364–372). In der Frage der Besitzverhältnisse stehen sich eine an der sachenrechtlich Konzep- 343 tion des Depotrechts orientierte herrschende Meinung und eine vordringende Meinung gegenüber, die treuhand- und schuldrechtliche Konstruktionen favorisiert. Die erste Meinung sieht bei der Sammelverwahrung die Wertpapiersammelbank als unmittelbaren (Fremd-)Besitzer, den Zwischenverwahrer als mittelbaren (Fremd-)Besitzer mittels Besitzkonstituts (§ 868 BGB) und den Hinterleger/Eigentümer als mittelbaren (Eigen-)Besitzer zweiter Stufe (vgl. § 871 BGB).778 Diese Sicht entspricht sicherlich der ursprünglichen Konzeption des Depotgesetzes, namentlich der Unterscheidung zwischen schuldrechtli-

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Zu beiden (an sich selbstverständlichen Anordnungen) auch Scherer/Rögner DepotG § 6 Rn 8; Böttcher DepotG § 6 Rn 5; Baumbach/Hopt/Kumpan § 6 Rn 3; Heinsius/ Horn/Than DepotG § 6 Rn 58. Unstreitig, vgl. etwa BGH Urt. v. 31.1.1967 – II ZR 290/55, WM 1957, 674 (676). Baumbach/Hopt/Kumpan § 6 Rn 2; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 72; Heinsius/Horn/Than DepotG § 6 Rn 9, 15. Ebenso Heinsius/Horn/Than DepotG § 6 Rn 15. Zum gutgläubigen Erwerb bei der Veräußerung von Hinterlegungsgegenständen oder Miteigentumsanteilen des Hinterlegers hingegen unten Rn 366 und 372. So etwa Baumbach/Hopt/Kumpan § 6 Rn 1; BuB/Decker Rn 8/54; BankR-Hdb/Klanten

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§ 72 Rn 80; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 73; Heinsius/Horn/Than DepotG § 6 Rn 4. Ebenso Baumbach/Hopt/Kumpan § 6 Rn 1; Böttcher DepotG § 6 Rn 1. Vgl. hierzu etwa MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 72; Heinsius/Horn/Than DepotG § 6 Rn 11ff.; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 83 f.; Kümpel/Wittig/Will Rn 18.106. Schwarz Globaler Effektenhandel, S. 200; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 22; BuB/Decker Rn 8/14 f.; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 101; Heinsius/ Horn/Than DepotG § 6 Rn 33; EBJS/Scherer BankR VI Rn 475; Kümpel/Wittig/Will Rn 18.101; Scherer/Rögner DepotG § 6 Rn 2;

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chem und dinglichem Herausgabeanspruch (§§ 7, 8 DepotG, nächste Rn), die ausdrücklich auch für den Zwischenverwahrer für anwendbar erklärt wird (wenn auch nur in § 6 Abs. 2 S. 3 DepotG). Die Gegenmeinung sieht diese Konzeption durch die Rechtsentwicklung überholt und nimmt im Kern an, der Zwischenverwahrer gebe die Hinterlegungsgegenstände selbst als Treuhänder in Sammelverwahrung, so dass insbes. auch kein dinglicher Anspruch des Eigentümers/Hinterlegers gegen den Drittverwahrer bestehe.779 Bruchfrei ist keine der beiden Meinungen dogmatisch durchzuhalten. In der Tat erscheint m.E. ein Direktanspruch des Hinterlegers/Eigentümers gegen die Wertpapiersammelbank nicht fundiert – m.E. freilich aus der Wertung heraus, dass damit der Wertpapiersammelbank allzu belastende Nachforschungspflichten auferlegt würden (vgl. nächste Rn). Umgekehrt jedoch kann die Mindermeinung kein praktisches Bedürfnis nachweisen (weder für die Effizienz der Abwicklung noch für die Absicherung des Hinterlegers/Eigentümers), das durch eine Konstruktion, die sich am ursprünglichen Gesetzeskonzept orientiert, nicht befriedigt werden könnte.780 Beide Meinungen jedenfalls gehen von einem umfassenden Schutz des Eigentümers/Hinterlegers aus gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Dritter und in der Insolvenz des jeweiligen Verwahrers im Hinblick auf Forderungen, die nicht aus dem Verwahrverhältnis begründet sind (nicht-konnexe Forderungen) (vgl. Nachw. diese Rn und auch oben Rn 325 f.).

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e) Rechtsverhältnisse II: Herausgabeansprüche (§§ 7, 8 DepotG). § 7 Abs. 1 und § 8 iVm § 7 Abs. 1 Depot geben dem Hinterleger und – wenn von ihm verschieden – dem dinglich zur Herausgabe Berechtigten einen depotrechtlichen Herausgabeanspruch. Bei dem Ersten handelt es sich um einen schuldrechtlichen Rückgabeanspruch – vergleichbar dem Anspruch des Verleihers oder Vermieters nach §§ 604 und 546 BGB –, bei dem Zweiten um einen dinglichen.781 Dinglich berechtigt ist grds. der Eigentümer, wenn nicht sachenrechtlich der Besitz einem anderen zusteht, etwa einem Pfandgläubiger.782 Für die Erfüllung des Herausgabeanspruchs kann in AGB eine Entgeltlichkeit nicht wirksam vereinbart werden (gesetzlicher Anspruch).783 Die Befugnis, befreiend zu leisten, hat der Verwahrer bereits nach § 6 Abs. 2 S. 1 DepotG (insofern ist der Verweis in § 8 DepotG zumindest

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Scherer/Behrends DepotG § 24 Rn 85ff.; Schwintowski Bankrecht § 16 Rn 30; Böning ZInsO 2008, 873 (876ff.); Hirte/Knof WM 2008, 7 (10f.); Born Europäisches Kollisionsrecht, S. 39 f.; von (mehrstufigem) mittelbaren Besitz ausgehend (wohl) auch BGH Urt. v. 30.11.2004 – XI ZR 200/03, BGHZ 161, 189 (191). So namentlich MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 93; Einsele Wertpapierrecht, S. 72ff., 84ff.; ablehnend im Fall der Dauer-Globalurkunde Canaris Bankvertragsrecht, Rn 2021a, 2124 f.; Düring Eigentumsübergang an depotverwahrten Wertpapieren, S. 102–119; Habersack/Mayer WM 2000, 1678 (1680f.); tendenziell ebenso Mentz/Fröhling NZG 2002, 206 (209f.). Zur praktischen Effizienz der herkömmlichen Konstruktion auch etwa Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 22; Mülbert ZBB 2010, 445 (448).

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Vgl. Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 20 f.; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 86, 88; Baumbach/Hopt/Kumpan § 7 Rn 1, § 8 Rn 1; BuB/Decker Rn 8/15; anders (§ 8 als schuldrechtlicher Herausgabeanspruch) MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 85 f. Vgl. für den Eigentümer Baumbach/Hopt/ Kumpan § 8 Rn 1; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 88; Scherer/Rögner § 8 Rn 2; BuB/ Decker Rn 8/52a; und für den Vorrang des Pfandgläubigers tendenziell: Baumbach/ Hopt/Kumpan § 8 Rn 1; Heinsius/Horn/ Than DepotG § 8 Rn 5ff.. Vgl. BGH Urt. v. 30.11.2004 – XI ZR 200/03, BGHZ 161, 189; BGH Urt. v. 30.11.2004 – XI ZR 49/04, WM 2005, 274; Baumbach/Hopt/Kumpan § 7 Rn 1; Böttcher DepotG § 7 Rn 3.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

zweideutig formuliert, er soll nicht aus § 6 Abs. 2 S. 1 DepotG entgegen dem dortigen Wortlaut eine Anspruchsgrundlage machen). An den Hinterleger kann der Verwahrer mangels Verdachtsmomenten ohne weitere Prüfung befreiend herausgeben,784 an den dinglich Berechtigten nur, wenn er die materielle Berechtigung geprüft hat (andernfalls Schadensersatzanspruch, nächste Rn). Hingegen muss der Verwahrer nicht prüfen, wer im Innenverhältnis vorrangig berechtigt ist. Bei all dem handelt es sich nur um einen Herausgabeanspruch, Rückgabe (auch an den Falschen) ändert daher die Eigentumslage nicht. Alleineigentümer – statt Miteigentümer – wird durch das bloße Faktum der Herausgabe (unabhängig von dessen Rechtsmäßigkeit) der Miteigentümer (und regelmäßig ursprüngliche Alleineigentümer), nicht etwa der Empfänger.785 Im mehrstufigen Verwahrverhältnis hat – obwohl der Hinterleger materiellrechtlich Miteigentümer ist – der Zwischenverwahrer den Herausgabeanspruch und ist der Anspruch des Eigentümer/Hinterlegers durch Abtretung des Herausgabeanspruchs zu realisieren (und hierauf zu klagen, bzw. nach § 883 ZPO zu vollstrecken). Wertpapiersammelbanken würden durch einen Direktanspruch – auch etwa des Eigentümers nach § 8 DepotG – zu sehr belastet, so dass »entsprechende Anwendung« in § 8 DepotG zugleich »Anwendung allein in der Verwahrkette« bedeutet.786 Der Herausgabeanspruch entfällt (ggf. teilweise), soweit wegen Untergang der Hinter- 345 legungsgegenstände und der daraus resultierenden Rechte Herausgabe unmöglich ist (§ 7 Abs. 2 DepotG, ggf. iVm § 8 DepotG). Freilich tritt an seine Stelle ein Schadensersatzanspruch, wenn nicht der Verwahrer mangelndes Verschulden am Untergang nachweist – und dies gleichermaßen im Rahmen von § 7 DepotG wie von § 8 DepotG.787 Auch die Folgeregeln – etwa für verschuldensunabhängige Haftung im Verzug – kann man dem allgemeinen Schulrecht entnehmen. f) Insbes. Sammelverwahrung im Wege des grenzüberschreitenden Effektengiros 346 (§ 5 Abs. 4 DepotG). Mit dem grenzüberschreitenden Effektengiro werden die Vorteile der Girosammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank im Inland (oben Rn 337) in einer grenzüberschreitenden Konstellation, d.h. weltweit nutzbar gemacht. Voraussetzung hierfür ist, dass der faktische und rechtliche Schutz des Hinterlegers in allen relevanten Punkten »gleichwertig« erhalten bleibt.788 Unter dieser Voraussetzung können etwa nied784

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Vgl. Baumbach/Hopt/Kumpan § 8 Rn 1; Heinsius/Horn/Than DepotG § 6 Rn 60; Quassowski-Schröder Bankdepotgesetz § 8 Anm. D 1). Ebenso Baumbach/Hopt/Kumpan § 6 Rn 3; Böttcher DepotG § 6 Rn 5; BuB/Decker Rn 8/65; EBJS/Scherer BankR VI Rn 474; Heinsius/Horn/Than DepotG § 6 Rn 64 m.w.N. Für (gestufte) Realisierung in der Verwahrkette wohl die oben Fn 779 Genannten; aA (weil – an sich in der Tat allgemein anerkannt – Nebeneinander von unmittelbarem dinglichen Herausgabeansprüche des Eigentümers und schuldrechtlichem Herausgabeanspruch des Hinterlegers): Böttcher DepotG § 8 Rn 2; Scherer/Rögner DepotG § 8 Rn 1; Heinsius/Horn/Than DepotG § 8 Rn 4. Der Gehalt der Parallelnorm im allgemeinen Schuldrecht in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB gilt auch im allgemeinen Regime des Bürgerli-

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chen Rechts nicht nur im Schuldrecht, sondern auch in strukturell vergleichbaren Rechtslagen anderer Bücher des BGB, namentlich im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 985 f. BGB). Vgl. nur MünchKommBGB/Ernst § 280 Rn 34; Staudinger/ Schwarze, 2014, § 280 BGB Rn F 5; Staudinger/Gursky, 2013, § 989 BGB Rn 38 f. Allgemein zum grenzüberschreitenden Effektengiro etwa Born Europäisches Kollisionsrecht, S. 11–55; Hellner FS Heinsius 1991, S. 211 (217–219); Keßler Die Bank 1985, 443; Scherer/Rogner § 5 Rn 92ff.; Pleyer Eigentumsrechtliche Probleme des grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs, S. 6–14, Saager Effektengiroverkehr, S. 80–105; Schwarz Globaler Effektenhandel, S. 264–274; Wust Grenzüberschreitende Verbuchung, S. 28–36; Lehmann Finanzinstrumente, S. 55–60.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

rigere Verwahr- und Verwaltungskosten im Ausland genutzt werden, obwohl unverkennbar bleibt, dass lange Verwahrketten bei der Ausübung namentlich des Depot- oder elektronischen Stimmrechts (Zeit-)Probleme aufwerfen, die Ausübung eines Stimmrechts auf der Hauptversammlung mit Hinterlegung meist faktisch ausschließen, und ggf. auch Verzögerungen bei der Verfügung nach sich ziehen.789 Da die Stimmrechtsprobleme zunehmend durch Umgestaltung der Stimmrechtsanforderungen lösbar erscheinen (vorige Fn) und die Verzögerungen bei der Verfügung nur für diejenigen (idR professionellen) Hinterleger ins Gewicht fallen, die kontinuierlich und schnell ihr Portfolio umschichten wollen, erscheint der Vorzug, der dem grenzüberschreitenden Effektengiro gegeben wird, angesichts der sonstigen Vorzüge dennoch gut vertretbar. Denn die Opt-out-Option, die § 5 Abs. 1 DepotG eröffnet, kann genutzt werden, um für die Verzögerungen bei kontinuierlichem Verfügungswunsch Abhilfe zu finden. Um eine Standardisierung – und die verlässliche Prüfung der Voraussetzungen (nächste Rn) – zu gewährleisten, hat die Sammelverwahrung bei einem ausländischen Verwahrer im Rahmen einer laufenden Kontobeziehung zu erfolgen, die spezifisch für den grenzüberschreitenden Effektengiro einzurichten ist. Mit dieser erfolgt die Abwicklung exakt wie im Inland. Das ausländische Institut muss in seinem Sitzland allerdings nicht spezifisch als Wertpapiersammelbank zugelassen sein – wie nach deutschem Depotrecht (oben Rn 322) –, sondern nur überhaupt einer Aufsicht für sein Verwahrgeschäft unterliegen (nächste Rn).790 Damit wird potentiell unterschiedlichen Traditionen in der Bankaufsicht über das Depotgeschäft Rechnung getragen. 347 Das Ziel, Gleichwertigkeit im Schutz umfassend zu verbürgen, wird auf vier Einzelvoraussetzungen heruntergebrochen, die zwei ersten sind die Zentralen. Das ausländische Institut muss überhaupt das Geschäft der Wertpapiersammelverwahrung betreiben, was eine hinreichende Regelmäßigkeit voraussetzt, vor allem jedoch hierbei einer öffentlichen Aufsicht unterliegen, alternativ auch einer gleichwertigen Aufsicht, namentlich durch eine ebenfalls mit Durchsetzungsbefugnissen beliehenen Selbstregulierungsstelle (Nr. 1). Diese Aufsicht ist (der deutschen) gleichwertig, wenn zumindest Eigenmittelausstattung und technische Ausstattung/Professionalität sowie Integrität Gegenstand der Überprüfung sind.791 Neben diese institutionelle (Haupt-)Voraussetzung tritt als zweite Hauptvoraussetzung diejenige zum inhaltlichen Schutzstandard. Der Schutz vor rechtswidrigen Verfügungen durch den Verwahrer und vor allem vor Vollstreckungs- und Insolvenzzugriff wegen Forderungen gegen den Verwahrer, also wegen nicht durch die Verwahrung begründeten (»konnexen«) Forderungen, muss demjenigen nach deutschem Recht »gleichwertig«, also umfassend sein (§§ 47 InsO, 771 ZPO).792 Ergänzt werden beide (positiven) Hauptvoraussetzungen durch die Vorgabe, dass der jederzeitige Transfer zurück ins Inland (Auslieferungsanspruch der inländischen Wertpapiersammelbank) nicht durch öffentlichrechtliche Verbote, namentlich Devisen- oder Embargovorschriften, beschränkt sein darf

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Vgl. hierzu nur GroßkommAktG/Grundmann § 134 Rn 82–85. Freilich muss ein ausländischer Verwahrer jedenfalls die Aufgaben einer Wertpapiersammelbank wahrnehmen: BuB/Decker Rn 8/59b; EBJS/Scherer BankR VI Rn 460. Vgl. näher (auch dazu, dass Gleichwertigkeit in jedem Falle, auch für eine ausländische öffentliche Aufsicht zu fordern ist) BT-Drucks. 10/1904, S. 7, 10; Saager Effektengiroverkehr, S. 101 f.; Einsele WM 2005, 1109 (1111).

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Vgl. BT-Drucks. 10/1904, S. 10 f.; Bintz Grenzüberschreitende Verwendung von Wertpapieren als Sicherheiten, S. 91; BuB/ Decker Rn 8/59a/; Ege Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere, S. 20; Wust Verbuchung, S. 214; Kümpel WM 1985, 1381 (1383). Vgl. auch Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 61. Spezifisch zum Schutz auch gegenüber rechtswidrigen Verfügungen in der Insolvenz: Scherer/Scherer DepotG § 32 Rn 1.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

(Nr. 3, eher ein Ausnahmefall),793 und dass der ausländische Verwahrer den jeweiligen Hinterlegungsgegenstand überhaupt zur Sammelverwahrung entgegennimmt (Nr. 4). Dabei dupliziert Nr. 4 nur die bereits in § 5 Abs. 1 DepotG generell für die Sammelverwahrung formulierten Voraussetzungen (Eignung zur Sammelverwahrung und konkrete Zulassung bei diesem Sammelverwahrer, oben Rn 339) für diesen konkreten ausländischen Verwahrer. Um den Schutz zu komplettieren, ist die Haftung der inländischen Wertpapiersammelbank für Fehlverhalten des ausländischen Verwahrers, die bereits § 3 Abs. 2 S. 1 DepotG vorsieht (oben Rn 328), umfassend zwingend ausgestaltet (keine Beschränkung auf Auswahlverschulden durch Abrede, vgl. § 5 Abs. 4 S. 2 und § 3 Abs. 2 S. 2 DepotG). Um den Schutz dauerhaft zu verbürgen, ist es dem ausländischen Verwahrer auch beim grenzüberschreitenden Effektengiro untersagt (bzw. durch Abrede zu untersagen), die Hinterlegungsgegenstände in ein anderes Land zu transferieren.794 4. §§ 10–17 DepotG: Ermächtigungsformen (Verpfändung und Verfügung), Depotbuchführung, (Un-)Anwendbarkeit depotrechtlicher Normen a) Ermächtigung zur Tauschverwahrung (§ 10, 11 DepotG). Im Falle der Sonderver- 348 wahrung gestattet § 10 DepotG – wie bei der Sammelverwahrung, bei der ohnehin nur die Auslieferung gleichartiger Hinterlegungsgegenstände geschuldet ist (§ 5 Abs. 1, 2 iVm §§ 7, 8 DepotG) –, dass der Verwahrer die Hinterlegungsgegenstände gegen gleichartige austauschen kann, also nur gleichartige Hinterlegungsgegenstände zurückzugewähren hat. Da es sich in diesen Fällen beim Verwahrer jedoch um keine Wertpapiersammelbank handelt, liegt es nahe, dass die gleichen Voraussetzungen wie bei der Gestattung einer Sammelverwahrung durch andere Verwahrer als Wertpapiersammelbanken gelten. Daher ist wie in § 5 Abs. 1 S. 2 und 3 DepotG (oben Rn 338) eine ausdrückliche und schriftliche Abrede erforderlich, die unabhängig von weiteren Abreden und nicht in AGB getroffen wird – und wieder gilt die Ausnahme vom Schriftformerfordernis gegenüber Kaufleuten und vergleichbar professionellen Partnern nach § 16 DepotG (ebenfalls oben Rn 338). Die Parallelität zur Sammelverwahrung legt es auch nahe, dass die Ermächtigung jederzeit widerruflich ist (entsprechend § 183 BGB)795 und dass auch die sonstigen für § 5 Abs. 1 S. 2 und 3 DepotG angenommenen Schranken gelten. Diese Abrede kann bei Einlieferung (»Anvertrauen«), aber auch noch für bereits hinterlegte Stücke getroffen werden (vgl. Abs. 1 einerseits und Abs. 2 andererseits). Es wird nur der Austausch gestattet, dies zu einem beliebigen Zeitpunkt (vgl. § 11 DepotG), dies ausdrücklich auch vor Rückgewähr, nach hM jedoch nicht zeitlich versetzt. In Letzterem läge ein größeres Risiko für den Hinterleger (vergleichbar etwa dem einer Aneignungsermächtigung), das die strengen Voraussetzungen erklärt, zugleich jedoch der wirtschaftliche Hauptnutzen der Gestaltung.796 Verwahrer würden so (regelmäßig gegen Vergütung) ermächtigt, etwa jederzeit realisierbare Vorkehrungen für die Erfüllung von Leerverkäufen zu treffen, die jedoch nur realisiert werden müssen, wenn einmal Lieferung verlangt wird (und nicht nur Barausgleich erfolgt), und in diesem Falle

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Zu diesen Verboten und den möglichen Formen näher: BT-Drucks. 10/1904, S. 11; BuB/ Decker Rn 8/59a. So explizit denn auch die Drei-Punkte-Erklärung. Vgl. Baumbach/Hopt/Kumpan § 10 Rn 1; Scherer/Rögner DepotG § 10 Rn 2; Quassowski-Schröder Bankdepotgesetz § 10 Anm. VI.

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Gegen Gestattung eines zeitlich versetzten Austauschs: Heinsius/Horn/Than DepotG § 11 Rn 7; Quassowski-Schröder Bankdepotgesetz § 11 Anm. II 2; Canaris Bankvertragsrecht, Rn 2136; wohl auch (Hinterleger zu keinem Zeitpunkt ohne Eigentum) Scherer/Walz/Frey DepotG § 11 Rn 2; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 156; BuB/Decker Rn 8/201.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

bis zum Auslieferungsbegehren seitens des Hinterlegers selbst wieder Ersatz zu beschaffen. Eigentümer der Ersatzstücke wird jedenfalls – auch dies vergleichbar der Sammelverwahrung – der ursprüngliche Eigentümer, nicht der Hinterleger.797 Andere Verfügungen, namentlich die Verpfändung werden hingegen nicht durch § 10, 11 DepotG ermöglicht,798 sondern folgen gesonderten Regeln in §§ 12, 12a DepotG. Konstruktiv und auch wirtschaftlich näher als die Ermächtigung zur Verpfändung (in §§ 12,12a DepotG) steht der Ermächtigung zur Tauschverwahrung freilich die Aneignungsermächtigung sowie die unregelmäßige Verwahrung (§§ 13 und 15 DepotG, unten Rn 353 ).

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b) Ermächtigung zur Verpfändung (§ 12, 12a DepotG). Nach §§ 12 und 12a DepotG kann der Verwahrer, der selbst gegen den Hinterleger eine (Kredit- und Kaufpreis-)Forderung aus Wertpapiergeschäften hat, umgekehrt jedoch dem Sammelverwahrer (§ 12 DepotG) bzw. dem Börsenträger (§ 12a DepotG) gegenüber (Kredit- und Kaufpreis-)Verbindlichkeiten aus ebendiesem Grund einging, für die Besicherung Letzterer Hinterlegungsgegenstände des Hinterlegers verpfänden. Grundmodell ist hierbei ein Dreipersonenverhältnis mit einer Kette von Verbindlichkeiten, in dem die Mittelperson für die Besicherung ihrer eigenen Verbindlichkeiten (»Rückkredit«) Hinterlegungsgegenstände einsetzt, die ihr zwar nicht gehören, die sie jedoch für den Hinterleger finanziert hat (mit entsprechender Forderung gegen diesen). Freilich wäre es im Massenverkehr unpraktikabel, strenge Kongruenz (in der Höhe Verbindlichkeiten / Wert der zur Besicherung herangezogenen Hinterlegungsgegenstände, aber auch in den Geschäften, aus denen die Verbindlichkeiten herrühren und der Herkunft der eingesetzten Hinterlegungsgegenstände) zu fordern. Dennoch ist es – gerade auch bei der Entscheidung zu Zweifelsfragen – hilfreich, das Grundmodell und Hauptziel jeweils im Blick zu haben. Das Gesetz versucht einen Kompromiss zu finden zwischen grundsätzlicher Zuordnung im Sinne des Grundmodells und den Flexibilitätsinteressen,799 wobei § 12 DepotG die Kette zwischen Hinterleger, Zwischenverwahrer und Drittverwahrer (in aller Regel Wertpapiersammelbank, Kreditforderung) regelt und drei Varianten ausbildet (nächste beiden Rn), § 12a DepotG hingegen eine mögliche Kette zwischen Hinterleger, Zwischenverwahrer/Einkaufskommissionär und Börse (Kaufpreis). 350 In der Kette zwischen Hinterleger, Zwischenverwahrer und Drittverwahrer (§ 12 DepotG) bildet die gesetzliche Grundvariante diejenige, die § 12 Abs. 1 DepotG in ihren Voraussetzungen und § 12 Abs. 2 DepotG in ihren Rechtsfolgen regelt und die im Absicherungsumfang, aber auch im Schutzumfang gegenüber dem Hinterleger zwischen den beiden Alternativen steht (diese dann in Abs. 3 und 4 und nächste Rn).800 Voraussetzung ist – materiell –, dass sich die Verpfändung in der Tat (allein) auf die genannte Art Verbindlichkeitenkette beziehen darf (Hinterleger/Verwahrer/Drittverwahrer bei Kreditierung des Hinterlegungsgegenstandes und Aufnahme eines Rückkredits hierfür), vgl. Abs. 1 S. 1 (Krediteinräumung an Hinterleger und Verpfändung allein an [Dritt-]Verwahrer ausdrücklich vorausgesetzt). Voraussetzung ist darüber hinaus – formal – eine Ermächtigung

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Vgl. Baumbach/Hopt/Kumpan § 11 Rn 1; BuB/Decker Rn 8/201; Heinsius/Horn/Than DepotG § 11 Rn 12. Vgl. Baumbach/Hopt/Kumpan § 11 Rn 1; Heinsius/Horn/Than DepotG § 11 Rn 18; Quassowski-Schröder Bankdepotgesetz § 11 Anm. III.

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Vgl. ausführlicher zum Grundmodell und zu diesem (Kompromiss-)Interesse Heinsius/ Horn/Than DepotG § 12 Rn 1. Ausführlich zu diesem Modell und zum Folgenden: Baumbach/Hopt/Kumpan § 12 Rn 3; Böttcher DepotG § 12 Rn 3 f.; Heinsius/ Horn/Than DepotG § 12 Rn 24–32; vgl. auch Nr. 6 Depot-Bek (oben Fn 749).

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

(Abs. 1 S. 1) in Form einer ausdrücklichen und schriftlichen Abrede, die unabhängig von weiteren Abreden und nicht in AGB getroffen wird (Abs. 1 S. 2). Wie auch in anderen Fällen vergleichbarer Anforderung gilt die Ausnahme vom Schriftformerfordernis gegenüber Kaufleuten und vergleichbar professionellen Partnern nach § 16 DepotG (zu beidem näher oben Rn 338). Rechtsfolge ist die Verpfändung in einer Höhe, die einen Kompromiss zwischen Hinterlegerinteressen (keine unangemessene Heranziehung der gestellten Sicherheiten) und Absicherungsinteressen des Dritt- und indirekt auch des Zwischenverwahrers darstellt. Alle Verpfändungen an den Drittverwahrer dürfen nur die Höhe der Rückkredite erreichen, die er für solche Geschäfte dem Zwischenverwahrer gegeben hat, und sie müssen auf diese Rückkredite beschränkt werden, also nicht auch sonstige Verbindlichkeiten des Zwischenverwahrers abdecken (Abs. 2 S. 1 und 2). Damit ist zwar die Reservierung für Verbindlichkeiten aus Rückkrediten verbürgt, auch in der Höhe, es findet jedoch keine Aufteilung auf die einzelnen Hinterleger statt. Annäherungsweise wird freilich ebendies dadurch erreicht, dass der Wert des verpfändeten Hinterlegungsgegenstands den Betrag der Verbindlichkeit dieses Hinterlegers nicht »unangemessen übersteigen« darf/soll. Aus Absicherungs- und Gleichbehandlungsgründen zwischen den Hinterlegern muss er ihn freilich auch erreichen. Dieses gewisse Maß an »Inkongruenz« erklärt die strengen Anforderungen an die Abrede. Da das gesetzliche Modell Rechte und Pflichten begründet, die von denen bei unbelasteten Hinterlegungsgegenständen erheblich abweichen, werden die solchermaßen verpfändeten Hinterlegungsgegenstände in einem eigenen Pfanddepot geführt (nach dem Eigen- und Fremddepot A und B, unten Rn 354), dem Depot C. Zwei Alternativen regeln § 12 Abs. 3 und 4 DepotG. Wird die Absicherung stärker al- 351 lein auf die durch diesen Hinterleger eingegangenen Verbindlichkeiten beschränkt (Abs. 3, beschränkte Verpfändung), so darf nur derjenige Betrag des Rückkredits besichert werden, der der Kreditforderung des Zwischenverwahrers gegen diesen Hinterleger entspricht (und zwar nur im jeweiligen Bestand, also mit einer Anpassungspflicht seitens des Zwischenverwahrers, wenn die Kreditforderung [teil-]beglichen wird).801 Da umgekehrt die Besicherung eines Kredits üblich ist und auch die Verwendung einer Kreditsicherheit für einen Rückkredit naheliegt und in besonderem Maße kongruent und legitim erscheint, bedarf die Abrede zwischen Zwischenverwahrer und Hinterleger in diesem Fall auch keiner Form (nach Abs. 1 S. 2, so Abs. 3). Angesichts der vom gesetzlichen Modell abweichenden Rechte und Pflichten, die bei dieser Verpfändung entstehen, werden die hiervon erfassten Hinterlegungsgegenstände in einem zweiten, gesonderten Pfanddepot, dem Depot D, geführt. Umgekehrt geht die Absicherung über das gesetzliche Modell (vorige Rn) hinaus, wenn der Hinterlegungsgegenstand nicht nur für Verbindlichkeiten des Zwischenverwahrers aus den Rückkrediten (für eine Kreditierung des Erwerbs durch Hinterleger) und ohne Rücksicht auf die Höhe der Verbindlichkeit dieses Hinterlegers verpfändet wird, also der Wert der verpfändeten Hinterlegungsgegenstände diese Verbindlichkeit durchaus »unangemessen übersteigen« darf (Abs. 4, unbeschränkte Verpfändung). Auch wenn nur das eine oder das andere der Fall ist oder bei sonstigen Weiterungen des gesetzlichen Modells ist von unbeschränkter Verpfändung auszugehen (Abs. 4 S. 2). In keinem Fall dürfen freilich die Schranken des Abs. 1 überschritten werden (Abs. 4 S. 2 befreit nur von denen des Abs. 2). Eine Verpfändungsabrede ganz ohne Kreditverbindlichkeiten des Hinterlegers

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Die Wichtigkeit dieser Frage ist erheblich reduziert, wenn man annimmt, dass die Höhe der Krediteinräumung und nicht der tatsächlichen Kreditgewährung die Grenze für die

Verpfändung darstellt: so (früher) etwa Quassowski-Schröder Bankdepotgesetz § 12 Anm. III 2 d).

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

oder an einen anderen als einen (Dritt-)Verwahrer wäre also durch § 12 DepotG nicht mehr gedeckt. Im Falle solch unbeschränkter Verpfändung nach Abs. 4 ist – über die ohnehin hier wieder geltenden Formvorschriften des Abs. 1 S. 2 hinaus und auch unabhängig von einer möglichen Inhaltskontrolle nach § 138 BGB (nicht § 307 BGB) – das überschießende Risiko als solches exakt zu benennen und dem Hinterleger hinreichend klarzumachen, keineswegs nur formelhaft und andeutungsweise.802 Da somit die Hinterlegungsgegenstände in diesem Fall praktisch wie Eigenbestand des Zwischenverwahrers als Sicherheit haften, werden diese nicht in einem weiteren Pfanddepot, sondern im Depot A (Eigendepot) geführt (unten Rn 354). 352 Die Kette Hinterleger, Zwischenverwahrer (als Einkaufskommissionär) und Börse (als Verkäufer) regelt § 12a DepotG, und zwar mit einem Modell, das dem der beschränkten Verpfändung am nächsten steht, deswegen auch keine hohen Anforderungen an die Abrede setzt. Eingeführt durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz, soll diese Variante es (über § 12 DepotG hinaus) insbesondere für kleinere Zwischenverwahrer (ohne tiefen Fundus an Eigenpositionen, die zur Absicherung eingesetzt werden könnten) ermöglichen, relativ problemlos jedenfalls einen Sockel an verpfändbaren Hinterlegungsgegenständen zu erhalten.803 Zwar ist Schriftform und Ausdrücklichkeit (mit den genannten Ausnahmen, oben Rn 350) nötig, nicht aber eine Abrede in AGB oder im Zusammenhang mit anderen Abreden ausgeschlossen (Abs. 1 S. 1) und auch nicht eine Abrede für eine Vielzahl von Fällen (Abs. 1 S. 3). Institutionell wird höchstmöglicher Schutz dadurch verbürgt, dass als (Pfand-)Gläubiger nur Börsen (mit ihren Trägern und Abwicklungseinrichtungen) als Begünstigte nach § 12a DepotG in Betracht kommen (Abs. 1 S. 1) und so unprofessionelles und missbräuchliches Handeln weitgehend ausgeschlossen erscheint. Zudem ist der Zwischenverwahrer angehalten, auf Einhaltung der Schranken zu achten und haftet zwingend für Fehlverhalten des Pfandgläubigers (Abs. 2). Und inhaltlich ist die Verpfändung dahingehend beschränkt,804 dass nur die Verbindlichkeit des Zwischenverwahrers aus dem »inhaltsgleichen Geschäft« abgesichert werden darf (Abs. 1 S. 2), also nur in Höhe eines Deckungsgeschäfts in diesem Hinterlegungsgegenstand zum Zeitpunkt von dessen Erwerb (strikte Kongruenz). Nur in dieser Höhe haftet der Hinterlegungsgegenstand, darüber hinaus wäre ein Überschuss auszukehren. Und auch der Wert des Hinterlegungsgegenstands »soll« die Summe, für die er haftet, nicht »unangemessen übersteigen« – also nur so weit, wie typischerweise nötig, um bei Fluktuation der Kurse keine erhebliche Gefahr von späterer Untersicherung zu laufen.

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c) Aneignungsermächtigung (§ 13 DepotG) sowie unregelmäßige Verwahrung (§ 15 DepotG). Unter denselben Voraussetzungen wie die Ermächtigung zur Tauschverwahrung (ausdrückliche, schriftliche, abgesonderte individualvertraglich getroffene Abrede)805 kann auch eine Aneignungsermächtigung erteilt (§ 13 DepotG) oder unregelmäßige Verwahrung vereinbart werden (§ 15 DepotG). Die strengen Voraussetzungen sind hier noch stärker angezeigt, weil die jeweilige Gefährdung der Rechte an den Hinterlegungsgegen-

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Zum Maß der Konkretheit (teils mit Beispielen) etwa Baumbach/Hopt/Kumpan § 12 Rn 5; Böttcher DepotG § 12 Rn 6; Heinsius/Horn/Than DepotG § 12 Rn 38. Eingeführt durch Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) vom 26. Juli 1994, BGBl. 1994, S. 1749. Zur ge-

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nannten Zielsetzung etwa BT-Drucks. 12/6679 S. 87; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 29; BuB/Decker Rn 8/25; Böttcher DepotG § 12a Rn 1. Zur Verpfändungsgrenze Scherer/Walz/Frey DepotG § 12a Rn 17; BuB/Decker Rn 8/26. Vgl. oben Rn 348, wiederum in beiden Fällen mit Ausnahme vom Schriftlichkeitserfordernis nach § 16 DepotG.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

ständen früher einsetzt. Mit der Aneignungsermächtigung wird dem Verwahrer gestattet, sich die Wertpapiere (jederzeit) anzueignen – mit der Folge, dass nur noch ein schuldrechtlicher Anspruch auf Auslieferung gleichartiger Stücke besteht und dass eine gut verständliche Klarstellung dieser Rechtsfolge zu den sonstigen Kautelen der Abrede hinzukommen muss (§ 13 Abs. 1 DepotG). Anders als bei der unregelmäßigen Verwahrung muss es nicht zur Aneignung kommen. Ab Aneignung findet Depotrecht jedoch keine Anwendung mehr (Abs. 2), weil der Kernbestand des Regimes mit den Eigentums-, Besitz-, aber auch Übertragungsregeln ebenso wenig passt wie eine Verwaltungspflicht der (nicht mehr im Eigentum des Hinterlegers stehenden) Hinterlegungsgegenstände. Zentrales Einsatzfeld für die Aneignungsermächtigung ist herkömmlich die Wertpapierleihe.806 Nochmals weiter geht die Abrede einer unregelmäßigen Verwahrung (entsprechend § 700 BGB), bei der – ohne Aneignungsermächtigung und Ausübung derselben – bereits ab Einlieferung das Eigentum auf den »Verwahrer« übergeht und an die Stelle der Eigentumsposition ein bloßer schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung gleichartiger Stück tritt (§ 15 DepotG). Es gelten dieselben strengen (Abrede-)Voraussetzungen (§ 15 Abs. 2 DepotG). Im Verwahrungsbuch ist dieser Bestand als solcher (ebenfalls) auszuweisen.807 Das Depotrecht findet (insgesamt) – ebenso wie nach Ausübung der Aneignungsermächtigung – keine Anwendung (§ 15 Abs. 1 DepotG). Gleiches gilt für die Einlieferung von Hinterlegungsstücken als Darlehen – ebenfalls mit von Anfang an nur schuldrechtlichem Rückerstattungsanspruch (vgl. § 15 Abs. 3 DepotG). d) Depotbuchführung – Verwahrungsbuch (§ 14 DepotG). Die Pflicht, ein Depotbuch – 354 ein Verwahrungsbuch – zu führen, gibt dem Hinterleger Rechts- und Beweissicherheit, dient als Grundlage für die öffentliche Depotaufsicht, und die Bücher unterliegen den Anforderungen an Handelsbücher nach §§ 238ff. HGB.808 Zu führen hat es jeder Verwahrer (der Erstverwahrer ebenso wie der Sammelverwahrer, § 14 Abs. 1 bzw. 3 DepotG) personalisiert, d.h. für »jeden« seiner Hinterleger (Abs. 1), unter Spezifikation auch des Sammelverwahrers in den Büchern des Erstverwahrers (Abs. 4). Daher ergibt sich die Vollständigkeit (auch im Beweis) erst aus der Zusammensicht der Kette von Verwahrungsbüchern (keine Aufzeichnungen beim Sammelverwahrer zur Identität der Ersthinterleger/Eigentümer).809 Zu dieser Vollständigkeit in persönlicher Hinsicht (durch Zusammensicht der Kette) kommt diejenige in sachlicher Hinsicht, indem so exakte Bezeichnung gefordert

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Vgl. Baumbach/Hopt/Kumpan § 13 Rn 1. Zum Streit um die Anwendbarkeit von § 13 DepotG bei der Erteilung von Aufträgen zum Verleih von Wertpapieren: Schwintowski Bankrecht § 20 Rn 45ff.; Kümpel Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn 13.37ff.; Lenenbach Kapitalmarktrecht, Rn 7.24.; zur Wertpapierleihe etwa die Darstellungen bei Kümpel/Wittig/Oulds Rn 14.102ff.; Schwintowski Bankrecht, § 20; zur früheren praktischen Bedeutung im Auslandsverwahrungsgeschäft vgl. Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 67; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 161. Nr. 10 Abs. 6 der Depot-Bek. (oben Fn 749); Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38.

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Kapitel Rn 65; Scherer/Walz/Frey DepotG § 14 Rn 20; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 158. Zu den anderen Gefährdungslagen, die schon nach Gesetz anzugeben sind, nächste Rn. Zu dieser Ausrichtung näher Scherer/Walz/ Frey DepotG § 14 Rn 1; Baumbach/Hopt/ Kumpan § 14 Rn 1; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 62; Reg.Beg. zum Depotgesetz, abgedr.bei Opitz DepotG, 1. Aufl 1937, S. 155ff. Hierzu (besonders auch zur Aufgliederung der Inhalte in der Kette) MünchKommHGB/ Einsele Depotgeschäft Rn 63; BankR-Hdb/ Klanten § 72 Rn 46; Böttcher DepotG § 14 Rn 1.

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wird, dass jedes Hinterlegungsstück zweifelsfrei zuzuordnen ist, namentlich nach »Art, Nennbetrag oder Stückzahl, Nummern oder sonstige[n] Bezeichnungsmerkmale[n]« (ggf. auch in ausgelagerten Verzeichnissen).810 Aus Praktikabilitätsgründen führen Verwahrer neben diesem »persönlichen Verwahrungsbuch« (in § 14 DepotG nicht geforderte) Depotbücher aufgegliedert nach den einzelnen Wertpapierarten (»sachliches Verwahrungsbuch).811 Im gesetzlichen (persönlichen) Verwahrungsbuch wird als Drittes auch Vollständigkeit in der Angabe der zentralen Gefährdungslagen gefordert, namentlich durch Angabe des Orts der Sammelverwahrung und durch Angabe von Ermächtigungen zu »[Eigen-]Sammelverwahrung nach § 5 Abs. 1 Satz 2, zur Tauschverwahrung, zur Verpfändung oder zur Verfügung über das Eigentum« (Abs. 4). In der Praxis führt das dazu, dass das Depotbuch beim Sammelverwahrer gegliedert geführt wird in ein Depot A (Eigendepot) – mit allen Beständen, für die der Zwischenverwahrer eine Eigenerklärung nach § 4 Abs. 2 DepotG abgegeben hat bzw. für die er Aneignungsrechte spezifiziert hat (§ 13 sowie unbeschränktes Verpfändungsrecht nach § 12 Abs. 4 DepotG) –, und ein Depot B (Fremddepot), in das iZw gebucht wird (weil Fremdvermutung nach § 4 Abs. 1 DepotG und soweit keiner der genannten Fälle, sog. Regelverbuchung).812 Hinzutreten die bereits genannten Depots C und D für die Verpfändungslagen (oben Rn 350 f.). An Beständen des Depots B dürfen nur die Pfandrechte für konnexe Forderungen nach § 4 Abs. 1 S. 2 DepotG begründet werden.

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e) Anwendbarkeitsfragen bei Formvorschriften und Pfandverwahrung (§ 16, 17 DepotG) – mit Verweis. Im Recht des Bankdepots stellt § 16 DepotG den Verwahrer gegenüber eingetragenen Kaufleuten und Äquivalenten von den wichtigsten depotrechtlichen Formvorschriften frei. Dies wurde bereits bei den fraglichen Vorschriften vermerkt. 356 Umgekehrt erstreckt § 17 DepotG die Anwendbarkeit des Depotrechts auf die Pfandverwahrung, bei der vergleichbare Abwicklungs- und Schutzprobleme auftreten,813 bei der es sich jedoch nicht zweifelsfrei um ein »Anvertrauen« zur Verwahrung handelt, namentlich nicht um einen Geschäftsbesorgungsvertrag des Verwahrers im Fremdinteresse. Vielmehr handelt der Verwahrer hier im Eigeninteresse und ist dazu auch berechtigt. § 17 DepotG stellt also die Gleichstellung außer Zweifel.814 Der Verwahrer ist trotz dieser Gleichstellung berechtigt, im Eigeninteresse zu handeln, freilich in Grenzen:815 vor Pfandreife nur insoweit, als er seine Besicherung aufrechterhält, nach Eintritt der Pfandreife im Rahmen der Abwicklungsregeln auch mit dem Ziel einer Verwertung. Das Depotrecht gilt daher zwar grundsätzlich auch in diesem Verhältnis, freilich angepasst an den Sicherungs-

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Zu diesen Anforderungen auch Baumbach/ Hopt/Kumpan § 14 Rn 1; Scherer/Walz/Frey DepotG § 14 Rn 23–25. Hierzu (und zur fehlenden gesetzlichen Verpflichtung) Baumbach/Hopt/Kumpan § 14 Rn 1; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 45; Heinsius/Horn/Than DepotG § 14 Rn 11, 4. Zu dieser Aufteilung und den Inhalten näher auch MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 34–37; Nr. 10 Abs. 4 der DepotBek. (oben Fn 749). Zur Vergleichbarkeit der Abwicklungs- und Konfliktfragen etwa Böttcher DepotG § 17 Rn 2; Heinsius/Horn/Than DepotG § 17 Rn 1, 5.

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Zu diesem Unterschied in der Ausrichtung der Verwahrung sowie den daraus resultierenden Zweifeln, ob auch ohne § 17 DepotG bereits von einem depotrechtlichen »Anvertrauen« iSv § 1 Abs. 2 DepotG auszugehen wäre, etwa Scherer/Benzler DepotG § 17 Rn 1; kein Zweifel am Vorliegen eines »Anvertrauens« bei der Pfandverwahrung hat Heinsius/Horn/Than DepotG § 17 Rn 5. Näher zur Überformung des Depotrechts durch berechtigte Eigeninteressen des Pfandverwahrers und den Grenzen Heinsius/Horn/ Than DepotG § 17 Rn 17ff.

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zweck – so beispielsweise, wenn Erträge und Früchte des Hinterlegungsgegenstandes ebenfalls dem Pfandrecht unterworfen werden (§ 1296 BGB).816 5. § 17a DepotG: Annex: Anwendbares Recht, insbes. für Verfügungen a) Gesamtbild grenzüberschreitendes Depotgeschäft. § 17a DepotG regelt einen Aus- 357 schnitt aus dem Fragenkomplex anwendbares Recht, der seinerseits wiederum als ein Ausschnitt des Sonderrechts für grenzüberschreitende depotrechtliche Sachverhalte zu sehen ist. Ein vollständiges Bild – jedenfalls die großen Konturen – ergibt sich erst, wenn man die kollisionsrechtliche Seite (anwendbares Recht) und das Sondersachrecht für grenzüberschreitende Sachverhalte im Verbund sieht. Es ist also das Kollisionsrecht in den Blick zu nehmen (nächste Rn). Vor allem jedoch sind die tatsächliche Struktur der typischen Verwahrverhältnisse und das für sie entwickelte Sondersachrecht in den Blick zu nehmen (unten Rn 359), um zu sehen, dass das Kollisionsrecht in den meisten Fragen unerheblich ist, weil die Hauptfragen des grenzüberschreitenden Depotrechts durch Sondersachrecht gelöst und die Lösung vor allem in das (professionelle) Interbankenverhältnis verlagert – gleichsam »internalisiert« – wurde. § 17a DepotG selbst regelt dann den wohl wichtigsten Fall, in dem die Frage nach dem anwendbaren Recht (Kollisionsrecht) in der Tat noch eine Rolle spielt, und das Ziel der Norm ist es, in diesem wichtigen Punkt Rechtssicherheit zu schaffen – dies durchaus auch mit einem sachrechtlichen (zugleich auch sachenrechtlichen) Element (unten Rn 360). b) Kollisionsrecht. Da ein Kollisionsrecht der Vertragsketten nicht entwickelt wurde, 358 ist heute noch immer – auf der Grundlage einiger Europäischer Vorgaben, namentlich der Rom-I-VO und (für § 17a DepotG) Art. 9 Abs. 2 der EG-Finalitäts-Richtlinie (unten Rn 360) – das anwendbare Recht für die verschiedenen Rechtsverhältnisse gesondert zu ermitteln. Dabei ist regelmäßig eine dreistufige Verwahrkette zugrunde zu legen, bei Übertragung zweifach – je eine dreifache auf der Verkäufer- und auf der Käuferseite – mit der Sammelbank als gemeinsamem Knoten. Dieses Bild (von zwei dreistufigen Ketten) erschöpft dann – für eine Analyse der Fragen – hinreichend den Kreis der Möglichkeiten. Jedes Verwahrverhältnis – als jeweils schuldrechtliches Verhältnis – ist gesondert anzuknüpfen, wobei – auf der Grundlage von Art. 3 Rom-I-VO – idR eine Rechtswahl getroffen wird. Diese erfolgt regelmäßig zugunsten des Rechts des Verwahrers, zwischen Erst- oder Zwischenverwahrer und Sammelbank das der Sammelbank (so Nr. 6 AGB-Banken im Verhältnis zum Hinterleger bzw. Nr. VII Abs. 1 AGB der Clearstream Banking AG). Mangels Rechtswahl würde man über Art. 4 Abs. 2 Rom-I-VO zum selben Ergebnis gelangen, weil der Verwahrer die charakteristische Leistung erbringt.817 Davon zu unterscheiden sind die – herkömmlich ungleich intensiver diskutierten – zwei sog. Wertpapierstatuten, das Wertpapierrechtsstatut und das Wertpapiersachstatut. Mit dem Ersten ist das Recht be-

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Näher hierzu MünchKommBGB/Damrau § 1296 Rn 7; Staudinger/Wiegand § 1296 BGB Rn 2; Soergel/Habersack § 1269 BGB Rn 2. Anders freilich im durchaus häufigen Fall, dass die Früchte etc. in eigenen Wertpapieren verbrieft (Zins-, Renten und Gewinnanteile): RG Urt. v. 1.7.1912 – R 01/10, RGZ 77, 333 (335); BeckOK BGB/Schärtl BGB § 1296 Rn 1, beck-online. Zu Frage nach dem auf das Verwahrverhältnis anwendbaren Recht etwa Born Europäi-

sches Kollisionsrecht, S. 254; Einsele Bankund Kapitalmarktrecht, § 9 Rn 80; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 51; als »Finanzdienstleistung« unter Art. 4 Abs. 1 b) Rom I-VO subsumierend, aber mit dem gleichen Ergebnis: Schwarz Globaler Effektenhandel, S. 753. Speziell zum Verhältnis Erstverwahrer – Sammelverwahrer etwa Einsele Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 397.

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zeichnet, nach dem sich der Inhalt des verbrieften Rechts bestimmt, bei gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechten, namentlich Aktien, das Gesellschaftsstatut (nach deutschem IPR [Hauptverwaltungs-]Sitzstatut, in Binnenmarktsachverhalten europarechtlich konditioniertes Gründungsrechtsstatut), bei Schuldrechten in aller Regel das gewählte Recht (wiederum zulässig nach Art. 3 Rom-I-VO).818 Da jedoch der Inhalt des jeweiligen Rechts für die Verwahrfähigkeit unerheblich ist und es insoweit nur auf die Vertretbarkeit des Hinterlegungsgegenstandes ankommt (nach den oben Rn 318, 339 genannten Kriterien), ist die Frage nach dem anwendbaren Recht (das über den Inhalt des Rechts entscheidet) depotrechtlich freilich ohnehin unerheblich und daher hier nicht zu vertiefen. Wichtig ist das Wertpapierrechtsstatut im Depotrecht letztlich nur für die Frage, ob ein Recht überhaupt übertragbar ist – was bei vertretbaren Rechten jedoch auch im ausländischen Recht in aller Regel der Fall ist. Depotrechtlich wichtiger ist das Wertpapiersachstatut, das Recht nach dem sich richtet, ob ein – im deutschen Recht sachenrechtlich konzipierter, in fremden Rechten jedoch häufig schuldrechtlich ausgestalteter – Übertragungsakt wirksam erfolgte oder ob beschränkte dingliche Rechte wirksam begründet wurden.819 Im deutschen Internationalen Sachenrecht wird von der hM auf die lex cartae sitae abgestellt, also auf das Recht an dem Ort, an dem die zugrunde liegende (Global-)Urkunde verwahrt wird, und zwar zu dem Zeitpunkt, da der Rechtserwerb vollendet ist (vgl. Art. 43 Abs. 1 EGBGB).820 Dieses Statut ist zwar wichtig, einerseits für die Verfügung bei Veräußerung, andererseits aber auch für die Begründung beschränkter dinglicher Rechte während der Verwahrung, namentlich Verpfändung (etwa gemäß §§ 12, 12a DepotG). Im ersten Fall wird das deutsche Recht jedoch im praktisch mit Abstand wichtigsten Fall, der Sammelverwahrung,

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Zu Begriff und Konzept Wertpapierrechtsstatut näher S. Lorenz NJW 1995, 176; Saager Effektengiroverkehr, S. 107ff.; Scherer/ Dittrich DepotG § 17 Rn 25; Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 52. Zur internationalgesellschaftsrechtlichen Anknüpfung im Besonderen (in Deutschland grds. nach der Sitztheorie, also am Sitz der Hauptverwaltung): MünchKommBGB/ Kindler, IntGesR Rn 455–505; Staudinger/ Großfeld, IntGesR Rn 20 f., 26–30, 38–77, 153–158. Hier ist freilich für Binnenmarktsachverhalte auch im deutschen IPR die vom EuGH entwickelte Gründungstheorie auf der Grundlage der Niederlassungsfreiheit maßgeblich: vgl. nur Grundmann Europäisches Gesellschaftsrecht § 22. Für die Anknüpfung von (verwahrungsfähigen) Schuldrechten, namentlich Schuldverschreibungen (Recht des Schuldners, bei Notierung der Schuldverschreibungen auch Recht des Notierungsmarktes, vorrangig jedoch die [regelmäßig getroffene] Rechtswahl), vgl. etwa Born Europäisches Kollisionsrecht, S. 59; Einsele Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 398; Claussen Bank- und Börsenrecht, § 7 Rn 50. Zu Begriff und Konzept Wertpapiersachstatut näher BGH, Urt. v. 26.9.1989 – XI ZR

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178/88, BGHZ 108, 353 (356); S. Lorenz NJW 1995, 176; MünchKommBGB/Wendehorst Art. 43 EGBGB Rn 197; Scherer/Dittrich DepotG § 17a Rn 1: Saager Effektengiroverkehr, S. 109 f.; Dittrich Effektengiroverkehr, S. 34; Einsele Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 399. Vgl. BGH, Urt. v. 26.9.1989 – XI ZR 178/88, BGHZ 108, 353 (356); MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 186ff.; Scherer/Dittrich DepotG § 17a Rn 1; Reuschle RabelsZ 2004, 687 (705f., 710ff.); Wust Verbuchung, S. 259ff.; Schefold IPRax 2000, 468 (469ff.); allgemeiner MünchKommHGB/Wendehorst Art. 43 EGBGB Rn 194 f. In der internationalen Diskussion wird zunehmend für eine Anknüpfung an den »Place of the Relevant InterMediary« plädiert (sog. PRIMA-Ansatz), vgl. Saager Effektengiroverkehr, S. 129ff.; Born Europäisches Kollisionsrecht, S. 79 f.; Ege Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere, S. 63ff., 105ff.; MünchKommBGB/Wendehorst Art. 43 EGBGB Rn 220; Schefold, FS Jayme 2004, Bd. I, S. 805 (809ff.); Haubold RIW 2005, 656.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

m.E. weitgehend von § 17a DepotG verdrängt (unten Rn 360). Und im zweiten Fall,821 in dem § 17a DepotG in der Tat nicht eingreift, ist zu unterscheiden und nur die unwichtigere Teilfrage tatsächlich nach der lex cartae sitae zu entscheiden: diejenige danach, mittels welche Rechts- und Realakte ein Pfandrecht am jeweiligen Hinterlegungsgegenstand begründet wird. Demgegenüber ist die Frage, welche Voraussetzungen an eine Ermächtigung des Erstverwahrers zur Verpfändung geknüpft werden und inwieweit dieser in seiner Verfügungsmacht beschränkt ist, also im deutschen Recht praktisch alles, was in §§ 12, 12a DepotG für regelungswürdig erachtet wird, m.E. anders anzuknüpfen. All diese Fragen sind m. E. als Teile des Pflichtenkanons im Verwahrverhältnis zu qualifizieren und daher nach dem Recht zu beurteilen, welches das (regelmäßig rein nationale) Verwahrverhältnis des Hinterlegers mit dem Erstverwahrer regelt (Verwahrstatut, in der Sache ein Schuldstatut). c) Probleminternalisierung Grenzüberschreitung im Sondersachrecht. Betrachtet man 359 die Hauptfragen, die das Depotrecht regelt, fällt auf, in welch großem Umfang Sondersachrecht diese löst – und das gezeichnete Bild des Kollisionsrechts marginal erscheint. Dies gilt zunächst für die erste Hauptfrage – danach, welcher Pflichtenkanon für die Verwahrung selbst gilt. Das Verhältnis zwischen Hinterleger und Erstverwahrer ist idR ohnehin ein nationales, so dass es auf das Kollisionsrecht nicht ankommt. Jedenfalls jedoch löst bei Erstverwahrer mit Sitz in Deutschland – und auch wenn der Hinterleger nicht in Deutschland ansäßig wäre, käme insoweit deutsches Recht zur Anwendung (vgl. vorige Rn) – deutsches Sondersachrecht vorrangig die gestellte Frage. Die Antwort sowohl bei der grenzüberschreitenden Treuhanddrittverwahrung (oben Rn 331) als auch beim grenzüberschreitenden Effektengiro (oben Rn 346 f.) geht dahin, dass der Erstverwahrer Durchsetzung des deutschen Schutzstandards auch in der Auslandsverwahrung zu verbürgen hat, also Rechtsunterschiede mittels Abreden im Interbankenverhältnis eingeebnet werden müssen. Welchen Inhalt das ausländische Recht, das auf die Verwahrung im Ausland in der Tat anwendbar ist, hätte, wenn diese Abreden nicht getroffen würden, ist unerheblich. Denn nur wenn Schutzstandards wie im deutschen Recht mittels Abrede etabliert werden können, ist die Auslandsverwahrung zulässig. Die zweite Hauptfrage, die Frage danach, welche beschränkten dinglichen Rechte während der Verwahrung begründet werden dürfen, ist nach dem Gesagten eine, die sich im Kern weder nach dem Wertpapierrechts- noch nach dem Wertpapiersachstatut richtet, sondern eine, die vom Verwahrstatut geregelt wird (vorige Rn). Hierbei freilich handelt es sich in aller Regel um ein rein nationales Rechtsverhältnis (mit Regelung nach §§ 12, 12a DepotG für die Verpfändung). Die dritte Hauptfrage, diejenige nach dem Recht der Verfügung bei Veräußerung, ist die einzige, in der Kollisionsrecht m.E. eine erhebliche Rolle spielt, m.E. freilich vereinheitlichtes Kollisionsrecht in einem deutlich weiteren Umfang als häufig angenommen (nächste Rn). d) Kollisionsrechtliche Absicherung von Transaktionssicherheit (§ 17a DepotG). § 17a 360 DepotG selbst setzt Art. 9 Abs. 2 der sog. EG-Finalitäts-Richtlinie822 um – neben der CSDR der wichtigsten europarechtlichen Vorgabe für das Depotrecht. Die Norm ist wichtiger als gerne angenommen wird und auch keineswegs zirkulär.823 Dabei wird regelmäßig

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Vgl. Böttcher DepotG § 17a Rn 2 (allerdings ohne zielführenden Nachw.). Nachw. oben Fn 697; umgesetzt durch Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesensrechtlicher Vorschriften vom 8.12.1999, BGBl. 1999 I, S. 2384; näher hierzu Born Europäisches Kollisionsrecht,

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S. 78ff. 227ff.; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 190ff.; Scherer/Dittrich DepotG § 17a Rn 15ff.; Reuschle BKR 2003, 562 (564); Einsele WM 2001, 2415; Keller WM 2000, 1268. Für beides etwa MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 200.

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schon nicht in Erwägung gezogen, dass diese Norm – selbstverständlich – richtlinienkonform auszulegen und an der Zielsetzung der Europäischen Vorgabe auszurichten ist. Insbesondere wird – trotz dieses Europäischen Normhintergrundes und des für das Europäische Sekundärrecht geltenden Grundsatzes einer europaeinheitlichen Auslegung – häufig davon ausgegangen, die Norm wäre allein auf die in Deutschland zugrunde gelegte sachenrechtliche Konzeption des Übertragungsvorgangs zugeschnitten.824 M.E. ist das europarechtsdogmatisch nicht zu halten und vom Wortlaut der Norm her auch nicht zwingend (so dass die Voraussetzungen für eine richtlinienkonforme Auslegung unproblematisch gegeben sind, vgl. oben 1. Teil Rn 112). Nach der Richtlinie wird allein darauf abgestellt – und so ist daher auch § 17a DepotG zu lesen –, dass ein hinterlegungsfähiges Instrument (gleichgültig ob Urkunde oder reines Wertrecht) übertragen werden soll, und für diesen Fall angeordnet, dass das Recht, nach dem einer Registrierung konstitutive – also rechtsübertragende – Wirkung beigemessen wird, europaweit anerkannt werden soll. Die beiden Voraussetzungen für die Anwendung der Norm und für den Eintritt der angeordneten Rechtsfolge (wirksame Übertragung) sind also, dass ein hinterlegungsfähiges Recht übertragen wurde und dass das Registerrecht die Registrierung als konstitutiv qualifiziert. Gerade in diesem Punkt ist § 17a DepotG – und die Vorgabe in der EG-Finalitäts-Richtlinie – auch nicht zirkulär, sondern entspricht dem bei sog. Eingriffsnormen durchaus üblichen Mechanismus (vgl. Art. 9 Rom-I-VO). Bei diesen Normen wird bei der internationalprivatrechtlichen Prüfung zuerst gefragt, ob denn die jeweilige ausländische Norm Anwendung erheischt. Ist dies der Fall, so ist es dann Frage des inländischen Kollisions-, ggf. auch Sachrechts, zu entscheiden, ob es diesem Anwendungswunsch stattgibt. Zu fragen ist also im Falle von § 17a DepotG zuerst, ob ein ausländisches Recht der Registrierung im konkreten Fall die Wirkung beilegen will, dass das Recht wirksam übergegangen ist. Die zweite Frage entscheidet dann ausnahmsweise nicht das inländische Kollisions-, ggf. Sachrecht autonom, sondern § 17a DepotG in Umsetzung der europarechtlichen Vorgabe: In diesem Fall muss diesem Begehren des Registerrechts europaweit stattgegeben werden. 361 Angewandt auf die nationalen Depotrechte folgt aus dem Gesagten, dass Übertragungsakte, die mittels Registrierung vorgenommen werden, anhand des dargelegten Regimes zu beurteilen sind. Im praktisch weit überwiegenden Regelfall nach deutschem Recht – § 24 Abs. 2 S. 1 DepotG – ist der Registereintrag in der Tat konstitutiv in dem Sinne, dass jedenfalls er (wenn nicht schon vorher ein anderer Übertragungsakt) zur Wirksamkeit der Übertragung – zur »Finalität« – führt. Genau dieses – die Wirksamkeit in jedem Falle zu verbürgen – war Ziel der Richtlinie.825 Ausländische Rechte, die Hinterlegungsgegenstände und den Übertragungsakt schuldrechtlich ausgestalten, legen dem Registereintrag in der Regel erst recht konstitutive Wirkung bei.

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Vgl. nur Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Binder 38. Kapitel Rn 53a. Zur Zielsetzung der EG-Finalitäts-Richtlinie – namentlich in der Vorgabe für § 17a

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DepotG – auch Born Europäisches Kollisionsrecht, S. 78; Scherer/Dittrich DepotG § 17a Rn 16.

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III. Verfügung über verwahrte Instrumente (Einkaufskommission und Eigenhandel für den Kunden, §§ 18–31 DepotG)

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2. Abschnitt Einkaufskommission § 18 Stückeverzeichnis (1) Führt ein Kommissionär (§§ 383, 406 des Handelsgesetzbuchs) einen Auftrag zum Einkauf von Wertpapieren aus, so hat er dem Kommittenten unverzüglich, spätestens binnen einer Woche ein Verzeichnis der gekauften Stücke zu übersenden. In dem Stückeverzeichnis sind die Wertpapiere nach Gattung, Nennbetrag, Nummern oder sonstigen Bezeichnungsmerkmalen zu bezeichnen. (2) Die Frist zur Übersendung des Stückeverzeichnisses beginnt, falls der Kommissionär bei der Anzeige über die Ausführung des Auftrags einen Dritten als Verkäufer namhaft gemacht hat, mit dem Erwerb der Stücke, andernfalls beginnt sie mit dem Ablauf des Zeitraums, innerhalb dessen der Kommissionär nach der Erstattung der Ausführungsanzeige die Stücke bei ordnungsmäßigem Geschäftsgang ohne schuldhafte Verzögerung beziehen oder das Stückeverzeichnis von einer zur Verwahrung der Stücke bestimmten dritten Stelle erhalten konnte. (3) Mit der Absendung des Stückeverzeichnisses geht das Eigentum an den darin bezeichneten Wertpapieren, soweit der Kommissionär über sie zu verfügen berechtigt ist, auf den Kommittenten über, wenn es nicht nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts schon früher auf ihn übergegangen ist. § 19 Aussetzung der Übersendung des Stückeverzeichnisses (1) Der Kommissionär darf die Übersendung des Stückeverzeichnisses aussetzen, wenn er wegen der Forderungen, die ihm aus der Ausführung des Auftrags zustehen, nicht befriedigt ist und auch nicht Stundung bewilligt hat. Als Stundung gilt nicht die Einstellung des Kaufpreises ins Kontokorrent. (2) Der Kommissionär kann von der Befugnis des Absatzes 1 nur Gebrauch machen, wenn er dem Kommittenten erklärt, daß er die Übersendung des Stückeverzeichnisses und damit die Übertragung des Eigentums an den Papieren bis zur Befriedigung wegen seiner Forderungen aus der Ausführung des Auftrags aussetzen werde. Die Erklärung muß, für das einzelne Geschäft gesondert, ausdrücklich und schriftlich abgegeben und binnen einer Woche nach Erstattung der Ausführungsanzeige abgesandt werden, sie darf nicht auf andere Urkunden verweisen. (3) Macht der Kommissionär von der Befugnis des Absatzes 1 Gebrauch, so beginnt die Frist zur Übersendung des Stückeverzeichnisses frühestens mit dem Zeitpunkt, in dem der Kommissionär wegen seiner Forderungen aus der Ausführung des Auftrags befriedigt wird. (4) Stehen die Parteien miteinander im Kontokorrentverkehr (§ 355 des Handelsgesetzbuchs), so gilt der Kommissionär wegen der ihm aus der Ausführung des Auftrags zustehenden Forderungen als befriedigt, sobald die Summe der Habenposten die der Sollposten zum erstenmal erreicht oder übersteigt. Hierbei sind alle Posten zu berücksichtigen, die mit Wertstellung auf denselben Tag zu buchen waren. Führt der Kommissionär für den Kommittenten mehrere Konten, so ist das Konto, auf dem das Kommissionsgeschäft zu buchen war, allein maßgebend. Stefan Grundmann

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(5) Ist der Kommissionär teilweise befriedigt, so darf er die Übersendung des Stückeverzeichnisses nicht aussetzen, wenn die Aussetzung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben verstoßen würde. § 20 Übersendung des Stückeverzeichnisses auf Verlangen (1) Wenn der Kommissionär einem Kommittenten, mit dem er im Kontokorrentverkehr (§ 355 des Handelsgesetzbuchs) steht, für die Dauer der Geschäftsverbindung oder für begrenzte Zeit zusagt, daß er in bestimmtem Umfang oder ohne besondere Begrenzung für ihn Aufträge zur Anschaffung von Wertpapieren auch ohne alsbaldige Berichtigung des Kaufpreises ausführen werde, so kann er sich dabei vorbehalten, Stückeverzeichnisse erst auf Verlangen des Kommittenten zu übersenden. (2) Der Kommissionär kann von dem Vorbehalt des Absatzes 1 nur Gebrauch machen, wenn er dem Kommittenten bei der Erstattung der Ausführungsanzeige schriftlich mitteilt, daß er die Übersendung des Stückeverzeichnisses und damit die Übertragung des Eigentums an den Papieren erst auf Verlangen des Kommittenten ausführen werde. (3) Erklärt der Kommittent, daß er die Übersendung des Stückeverzeichnisses verlange, so beginnt die Frist zur Übersendung des Stückeverzeichnisses frühestens mit dem Zeitpunkt, in dem die Erklärung dem Kommissionär zugeht. Die Aufforderung muß schriftlich erfolgen und die Wertpapiere, die in das Stückeverzeichnis aufgenommen werden sollen, genau bezeichnen. § 21 Befugnis zur Aussetzung und Befugnis zur Übersendung auf Verlangen Will der Kommissionär die Übersendung des Stückeverzeichnisses sowohl deshalb aussetzen, weil er wegen seiner Forderungen nicht befriedigt ist (§ 19), als auch deshalb, weil er sich die Aussetzung mit Rücksicht auf die Besonderheit des Kontokorrentverkehrs mit dem Kommittenten vorbehalten hat (§ 20), so hat er dem Kommittenten bei Erstattung der Ausführungsanzeige schriftlich mitzuteilen, daß er die Übersendung des Stückeverzeichnisses und damit die Übertragung des Eigentums an den Papieren erst auf Verlangen des Kommittenten, frühestens jedoch nach Befriedigung wegen seiner Forderungen aus der Ausführung des Auftrags ausführen werde. § 22 Stückeverzeichnis beim Auslandsgeschäft (1) Wenn die Wertpapiere vereinbarungsgemäß im Ausland angeschafft und aufbewahrt werden, braucht der Kommissionär das Stückeverzeichnis erst auf Verlangen des Kommittenten zu übersenden. Der Kommittent kann die Übersendung jederzeit verlangen, es sei denn, daß ausländisches Recht der Übertragung des Eigentums an den Wertpapieren durch Absendung des Stückeverzeichnisses entgegensteht oder daß der Kommissionär nach § 19 Abs. 1 berechtigt ist, die Übersendung auszusetzen. (2) Erklärt der Kommittent, daß er die Übersendung des Stückeverzeichnisses verlange, so beginnt die Frist zur Übersendung des Stückeverzeichnisses frühestens mit dem Zeitpunkt, in dem die Erklärung dem Kommissionär zugeht. Die Aufforderung muß schriftlich erfolgen und die Wertpapiere, die in das Stückeverzeichnis aufgenommen werden sollen, genau bezeichnen. § 23 Befreiung von der Übersendung des Stückeverzeichnisses Die Übersendung des Stückeverzeichnisses kann unterbleiben, soweit innerhalb der dafür bestimmten Frist (§§ 18 bis 22) die Wertpapiere dem Kommittenten ausgeliefert sind oder ein Auftrag des Kommittenten zur Wiederveräußerung ausgeführt ist.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

§ 24 Erfüllung durch Übertragung von Miteigentum am Sammelbestand (1) Der Kommissionär kann sich von seiner Verpflichtung, dem Kommittenten Eigentum an bestimmten Stücken zu verschaffen, dadurch befreien, daß er ihm Miteigentum an den zum Sammelbestand einer Wertpapiersammelbank gehörenden Wertpapieren verschafft; durch Verschaffung von Miteigentum an den zum Sammelbestand eines anderen Verwahrers gehörenden Wertpapieren kann er sich nur befreien, wenn der Kommittent im einzelnen Falle ausdrücklich und schriftlich zustimmt. (2) Mit der Eintragung des Übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch des Kommissionärs geht, soweit der Kommissionär verfügungsberechtigt ist, das Miteigentum auf den Kommittenten über, wenn es nicht nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts schon früher auf ihn übergegangen ist. Der Kommissionär hat dem Kommittenten die Verschaffung des Miteigentums unverzüglich mitzuteilen. (3) Kreditinstitute und Kapitalverwaltungsgesellschaften brauchen die Verschaffung des Miteigentums an einem Wertpapiersammelbestand und die Ausführung der Geschäftsbesorgung abweichend von Absatz 2 Satz 2 sowie von den §§ 675 und 666 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und von § 384 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs den Kunden erst innerhalb von dreizehn Monaten mitzuteilen, sofern das Miteigentum jeweils auf Grund einer vertraglich vereinbarten gleichbleibenden monatlichen, zweimonatlichen oder vierteljährlichen Zahlung erworben wird und diese Zahlungen jährlich das Dreifache des höchsten Betrags nicht übersteigen, bis zu dem nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz in der jeweils geltenden Fassung vermögenswirksame Leistungen gefördert werden können. § 25 Rechte des Kommittenten bei Nichtübersendung des Stückeverzeichnisses (1) Unterläßt der Kommissionär, ohne hierzu nach den §§ 19 bis 24 befugt zu sein, die Übersendung des Stückeverzeichnisses und holt er das Versäumte auf eine nach Ablauf der Frist zur Übersendung des Stückeverzeichnisses an ihn ergangene Aufforderung des Kommittenten nicht binnen drei Tagen nach, so ist der Kommittent berechtigt, das Geschäft als nicht für seine Rechnung abgeschlossen zurückzuweisen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu beanspruchen. Dies gilt nicht, wenn die Unterlassung auf einem Umstand beruht, den der Kommissionär nicht zu vertreten hat. (2) Die Aufforderung des Kommittenten verliert ihre Wirkung, wenn er dem Kommissionär nicht binnen drei Tagen nach dem Ablauf der Nachholungsfrist erklärt, daß er von dem in Absatz 1 bezeichneten Recht Gebrauch machen wolle. § 26 Stückeverzeichnis beim Auftrag zum Umtausch und zur Geltendmachung eines Bezugsrechts Der Kommissionär, der einen Auftrag zum Umtausch von Wertpapieren oder von Sammelbestandanteilen gegen Wertpapiere oder einen Auftrag zur Geltendmachung eines Bezugsrechts auf Wertpapiere ausführt, hat binnen zwei Wochen nach dem Empfang der neuen Stücke dem Kommittenten ein Verzeichnis der Stücke zu übersenden, soweit er ihm die Stücke nicht innerhalb dieser Frist aushändigt. In dem Stückeverzeichnis sind die Wertpapiere nach Gattung, Nennbetrag, Nummern oder sonstigen Bezeichnungsmerkmalen zu bezeichnen. Im übrigen finden die §§ 18 bis 24 Anwendung; § 25 ist insoweit anzuwenden, als der Kommittent nur Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann. § 27 Verlust des Provisionsanspruchs Der Kommissionär, der den in § 26 ihm auferlegten Pflichten nicht genügt, verliert das Recht, für die Ausführung des Auftrags Provision zu fordern (§ 396 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs). Stefan Grundmann

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§ 28 Unabdingbarkeit der Verpflichtungen des Kommissionärs Die sich aus den §§ 18 bis 27 ergebenden Verpflichtungen des Kommissionärs können durch Rechtsgeschäft weder ausgeschlossen noch beschränkt werden, es sei denn, daß der Kommittent gewerbsmäßig Bankgeschäfte betreibt. § 29 Verwahrung durch den Kommissionär Der Kommissionär hat bezüglich der in seinem Besitz befindlichen, in das Eigentum oder das Miteigentum des Kommittenten übergegangenen Wertpapiere die Pflichten und Befugnisse eines Verwahrers. § 30 Beschränkte Geltendmachung von Pfand- und Zurückbehaltungsrechten bei dem Kommissionsgeschäft (1) Gibt der Kommissionär einen ihm erteilten Auftrag zur Anschaffung von Wertpapieren an einen Dritten weiter, so gilt als dem Dritten bekannt, daß die Anschaffung für fremde Rechnung geschieht. (2) § 4 gilt sinngemäß. § 31 Eigenhändler, Selbsteintritt Die §§ 18 bis 30 gelten sinngemäß, wenn jemand im Betrieb seines Gewerbes Wertpapiere als Eigenhändler verkauft oder umtauscht oder einen Auftrag zum Einkauf oder zum Umtausch von Wertpapieren im Wege des Selbsteintritts ausführt. 363 In §§ 18–31 DepotG sind nicht (mehr) Verwahrung und Verwaltung der Hinterlegungsgegenstände (das Depotgeschäft ieS) geregelt, sondern der Erwerb im Effektengeschäft für den Kunden. Es wird mit den Sonderregeln der §§ 18–31 DepotG jedoch an die Verwahrformen angeknüpft und es werden (zusätzliche) depotrechtlich inspirierte Pflichten im Verpflichtungsgeschäft und Verfügungstatbestände formuliert und ausgestaltet – über diejenigen im (Wertpapier-)Kommissionsrecht (§§ 383ff. HGB) und in §§ 929ff. BGB hinaus (deren Anwendbarkeit unberührt bleibt, vgl. nächste Rn). Dabei gelten die Regeln für die beiden Hauptformen des Effektengeschäfts gleichermaßen, für die Einkaufskommission (§§ 18–30 DepotG) ebenso wie für den Erwerb kraft Eigenhandel (vollumfänglicher Verweis in § 31 DepotG).826 Die Regeln – für Eigenkommission und Eigenhandel – unterfallen in drei Sequenzen: (zusätzliche) Inhalte des Verpflichtungsgeschäfts und Verfügungstatbestände sowohl für gesondert gekennzeichnete (und verwahrte) Wertpapiere, einschließlich der grenzüberschreitenden Sachverhalte (unten 1., Rn 364–370), als auch für Sammelbestände, für die all diese Regeln entsprechend heranzuziehen sind und die trotz ihrer größeren praktischen Bedeutung entsprechend kürzer kommentiert werden können (unten 2., Rn 371–372), darüber hinaus flankierende Regeln (unten 3., Rn 373–375). Alle Regeln sind zwingend – außer gegenüber Kunden/Hinterlegern, die selbst gewerbsmäßig Bankgeschäfte betreiben (§ 28 DepotG) –,827 soweit es nicht um die 826

Näher zu diesen beiden als den beiden Erfüllungsformen im Effektengeschäft oben Rn 79–80. Zur Erstreckungsnorm des § 31 DepotG selbst auch etwa Baumbach/ Hopt/Kumpan § 31 Rn 2; Böttcher DepotG § 31 Rn 1; Heinsius/Horn/Than DepotG § 31 Rn 1ff. Das Stückeverzeichnis muss, um die Zuordnung verlässlich zu machen und die relevanten Umstände für den Kunden

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aufzudecken, die zu übertragenden Stücke nennen, nicht die durch Deckungsgeschäft Erworbenen: ebenso Baumbach/Hopt/Kumpan § 31 Rn 1; Heinsius/Horn/Than DepotG § 31 Rn 13. Vgl. näher zum grundsätzlich zwingenden Charakter (und Schranken): Regierungsentwurf 2. Finanzmarktförderungs-Gesetz, BTDrucks. 12/6679, S. 89 (außerhalb Interban-

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eingeräumten Pfandrechte geht (§ 30 DepotG, vor allem aber das Modell eines breiten Dispositionsrahmens in §§ 12, 12a DepotG, oben Rn 349–352). 1. §§ 18–23 DepotG: Verfügung bei Sonderverwahrung – Stückeverzeichnis a) Grundmodell der Erfüllung bei Einkaufskommission auf Einzelstücke (§§ 18, 23 De- 364 potG). § 18 DepotG regelt die zusätzlichen Gehalte im Verpflichtungsgeschäft in Abs. 1–2, den zusätzlichen Verfügungstatbestand in Abs. 3. Dabei macht § 23 DepotG klar (wie auch § 18 Abs. 3 DepotG a.E.), dass die Regelung nur zu der Grundregelung im HGB (§§ 383ff. HGB) bzw. BGB (§§ 929ff. BGB) hinzutritt.828 § 23 DepotG lässt daher, wenn Erfüllung bereits auf anderem Wege bewirkt worden ist, die Pflicht nach § 18 Abs. 1 und 2 DepotG zur Übersendung eines Stückeverzeichnisses entfallen. Als alternative Erfüllungsformen werden (nicht abschließend) genannt die Auslieferung, also Übereignung nach §§ 929ff. BGB,829 und die Wiederveräußerung an einen Dritten auf Anweisung des Kommittenten (Geheißerwerb beim Dritten, ebenfalls etwa nach § 929ff. BGB und zugleich jedenfalls Leistung an Erfüllung statt, § 364 Abs. 1 BGB).830 Formal ordnet § 23 DepotG diese Rechtsfolge nur an, wenn die Erfüllungsakte innerhalb der Frist nach § 18 Abs. 2 DepotG (idR einer Woche) vorgenommen wurden. Dies soll freilich nur bedeuten, dass bei verspäteter Erfüllung bereits eingetretene Verzugsschäden weiterhin beansprucht werden können, nicht, dass Erfüllung nicht dennoch eingetreten und die Pflicht zur Verfügung nach § 18 DepotG weiterhin bestehe.831 aa) Neben die kommissionsrechtliche Verschaffungspflicht (mit Übereignung) tritt im 365 Verpflichtungsgeschäft nach § 18 Abs. 1 und 2 DepotG eine Pflicht zur Dokumentation, mit deren Ausführung freilich nach Abs. 3 auch die Verschaffungspflicht in ihrem letzten Teil – der Eigentumsübertragung – erfüllt wird (die also insoweit entfällt, wenn bereits früher nach §§ 929ff. BGB erfüllt wurde, § 362 BGB). Die Dokumentation besteht in der Übersendung des Stückeverzeichnisses (Abs. 1 S. 1), die in jedem Falle (als Dokumentation) geschuldet ist, jedoch auch eine zügige Erfüllung durch Festlegung einer gesetzlichen Frist und durch Bereitstellung eines möglichst einfachen Verfahrens verbürgen soll

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kenverkehr »kein praktisches Bedürfnis (…), die Vertragsfreiheit für das Einkaufskommissionsgeschäft zu erweitern«); Baumbach/ Hopt/Kumpan § 28 Rn 1; Scherer/Scherer DepotG § 28 Rn 1. Verwirkung und späterer Verzicht freilich, auch stillschweigend, möglich: RG Urt. v. 16.10.1909 – I 467/08, RGZ 72, 55 (59); Scherer/Scherer DepotG § 28 Rn 7; Heinsius/Horn/Than DepotG § 28 Rn 14. Zum Zusammenspiel zwischen Depotrecht und allgemeinem Handels- und Bürgerlichen Recht (nicht verdrängt, die frühere wirksame Verfügung jeweils maßgeblich) im hier behandelten Bereich näher etwa RG Urt. v. 14.12.1932 – I 166/32, RGZ 139, 114 (116f.); Urt. v. 17.1.1933 – II 234/32, RGZ 139, 224 (227); ausf. Düring, Eigentumsübergang, passim; Baumbach/Hopt/Kumpan § 18 Rn 1; Scherer/Scherer DepotG § 18 Rn 9; Heinsius/Horn/Than DepotG § 18 Rn 42ff.

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Näher zu dieser Form der Übertragung nach BGB: RG Urt. v. 14.12.1932 – I 166/32, RGZ 139, 114 (116 f.); RG Urt. v. 4.4.1933 – VII 21/23, RGZ 140, 223 (229); ausf. Düring, Eigentumsübergang, bes. S. 120–130 et passim; Scherer/Scherer § 18 Rn 9; Heinsius/ Horn/Than DepotG § 18 Rn 43 ff. Näher zu dieser Form der Übertragung (ebenfalls) nach BGB Palandt/Bassenge § 929 Rn 19; ausf. Düring, Eigentumsübergang, bes. S. 120–130 et passim; bezogen auf die Verkaufskommission:BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 102. Einstufung als »Geschäft für den, den es angeht«: Heinsius/Horn/ Than DepotG § 6 Rn 84; Kümpel WM 1976, 954. Ebenso Scherer/Behrends DepotG § 23 Rn 8; Heinsius/Horn/Than DepotG § 23 Rn 3; Opitz DepotG § 23 Bem. 3. Zum Fortbestehen der Dokumentationspflicht (in jedem Falle) vgl. noch nächste Rn.

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(nächste Rn).832 Die Dokumentation hat die Stücke individuell und unverwechselbar zu bezeichnen, dies anhand der Kriterien nach Abs. 1 S. 2. Als Frist legen Abs. 1 und 2 fest: (i) ein Handeln ohne schuldhaftes Zögern (»unverzüglich«, § 121 Abs. 1 BGB), was je nach Umständen auch unterwöchiges Handeln bedeuten kann; jedenfalls jedoch (ii) eine Absendung des Verzeichnisses innerhalb einer Woche ab entweder (iia) der Anzeige über die Auftragsausführung, wenn in dieser bereits der Dritte benannt ist, von dem die Stücke bezogen werden, oder (iib) ab dem Zeitpunkt nach einer Anzeige über die Auftragsausführung ohne solch eine Benennung, zu dem bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang die Stücke bezogen sein können. Hinsichtlich der Person des Dritten, von dem bezogen wird, bestehen keine Einschränkungen.833

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bb) Der Schwerpunkt der (rechtsgeschäftlichen) Wirkung liegt beim Verfügungsgeschäft, für das Abs. 3 eine zusätzliche Erwerbsform eröffnet – die den Anforderungen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre unterliegt.834 Besonders deutlich wird die (bloße) Beschleunigungsfunktion an dem Umstand, dass bereits bloße Absendung des Stückeverzeichnisses genügt, vor allem aber daran, dass Erwerb nur vom materiellrechtlich Berechtigten möglich ist, also vom wirksam Ermächtigten oder vom nicht in seiner Verfügung dinglich beschränkten Eigentümer (»soweit … berechtigt«, kein gutgläubiger Erwerb).835 Nach dem Gesagten entfaltet diejenige Verfügung Wirkung, deren Voraussetzungen am frühesten erfüllt sind.

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b) Aufschieben der Versendung bei Nichterfüllung bzw. Erfüllung nur auf Verlangen (§§ 19–21 DepotG). §§ 19 und 20 DepotG legen zwei Tatbestände fest, bei deren Vorlie-

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Zu dieser Doppelfunktion (Dokumentation und Beförderung der Erfüllung) etwa RG Urt. v. 25.2.1922 – I 312/21, RGZ 104, 119 (120); Heinsius/Horn/Than DepotG § 18 Rn 42; Reg.Beg. zum DepotG, abgedr. bei Opitz DepotG § 18. Dazu dass die Dokumentationspflicht in jedem Falle besteht (bestehen bleibt) etwa RG Urt. v. 4.3.1913 – II 613/12, RGZ 81, 437 (439); Baumbach/ Hopt/Kumpan § 18 Rn 2; Scherer/Scherer DepotG § 18 Rn 9; aA Opitz .DepotG § 23 Bem. 2 und 3; Quassowski-Schröder Bankdepotgesetz § 23 Anm. B. I. 1; widersprüchlich: Heinsius/Horn/Than DepotG § 23 Rn 3 (gegen fortbestehende Dokumentationspflicht), § 18 Rn 42 (für Fortbestehen); für das Fortbestehen der Dokumentationspflicht jedenfalls nach anderweitiger Übereignung vor Fristablauf: Böttcher DepotG § 18 Rn 5. Etwa auch Auslandsverwahrer (dazu dann aber § 22 DepotG, unten Rn 369f.), und auch bereits aus der (Erst-)Emission, vgl. RG Urt. v. 25.2.1922 – I 312/21, RGZ 104, 119 (120); Baumbach/Hopt/Kumpan § 18 Rn 1; Heinsius/Horn/Than DepotG § 18 Rn 32. Ausf. Düring, Eigentumsübergang, bes. S. 120–130 et passim; vgl. etwa für die An-

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fechtbarkeit Scherer/Scherer DepotG § 18 Rn 7; Heinsius/Horn/Than DepotG § 18 Rn 39; Claussen Bank- und Börsenrecht, § 7 Rn 158; Baumbach/Hopt/Kumpan § 18 Rn 1. Für die Wirksamkeit der Absendung Scherer/Scherer DepotG § 18 Rn 7; Baumbach/Hopt/Kumpan § 18 Rn 1; Opitz DepotG § 18 S. 271; Heinsius/Horn/Than DepotG § 18 Rn 40. Für die Form, soweit für die Verfügung über diese Art Papier notwendig, auch etwa Zustimmungserfordernisse (bei Vinkulierung) Baumbach/Hopt/Kumpan § 18 Rn 1; Scherer/Scherer DepotG § 18 Rn 6; Heinsius/Horn/Than DepotG § 18 Rn 21; Opitz DepotG § 18 Bem. 16. Zur dinglichen Verfügungswirkung auch eines Stückeverzeichnisses, das zwar nicht Abs. 1 S. 2 entspricht, aber noch dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügt: RG Urt. v. 29.1.1913 – V 462/12, RGZ 81, 257 (259). Vgl. Baumbach/Hopt/Kumpan § 18 Rn 1; Scherer/Scherer DepotG § 18 Rn 8; MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 97; Heinsius/Horn/Than DepotG § 24 Rn 26; Opitz DepotG 24 Bem. 8.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

gen die Frist, das Stückeverzeichnis zu übersenden (bzw. Eintragung nach § 24 Abs. 2 S. 1 DepotG vorzunehmen), ausgesetzt ist und erst durch Eintreten zusätzlicher Ereignisse anläuft. Dies ist einerseits die fehlende Erfüllung seitens des Kommittenten (§ 19 DepotG), andererseits die Verwendung von Sonderkonten, deren Nutzung erst durch besondere Aufforderung seitens des Kommittenten aktiviert wird (§ 20 DepotG). Beide Tatbestände können auch kombiniert werden, in diesem Fall müssen die Voraussetzungen für den Fristanlauf aus beiden Normen erfüllt sein (§ 21 DepotG). Komplexer ist der Tatbestand fehlender (vollständiger) Erfüllung seitens des Kommittenten (§ 19 DepotG), also die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (entspr. § 320 BGB). Von einem nicht erfüllten Vertrag ist nach Abs. 1 auszugehen, wenn Zahlung des Kaufpreises (allgemeiner: der »Forderungen aus der Ausführung des Auftrags«) aussteht und auch nicht gestundet ist. Dabei ist Einstellung in ein evtl. bestehendes Kontokorrent nicht als Stundung zu verstehen, wohl aber die (erstmalige) Saldoglattstellung am Ende eines Einzeltages (Abs. 4, unabhängig von evtl. bestehenden Kontokorrentabschlusszeitpunkten, sog. »Tagessaldo«, für jedes Konto gesondert zu rechnen).836 Insoweit gilt eine de minimis Ausnahme, so dass kleine Außenstände nach Treu und Glauben unberücksichtigt bleiben müssen (vgl. Abs. 5). Die Geltendmachung der Einrede des nicht erfüllten Vertrages ist dann angesichts ihrer Bedeutung – auch wegen fluktuierender Kurse – formalisiert (Abs. 2). Sie setzt eine gesonderte, ausdrückliche, schriftliche Warnung dahingehend voraus (ohne Verweis auf andere Urkunden, für jedes Geschäft gesondert), dass von ihr Gebrauch gemacht wird und dies innerhalb der üblichen 1-Wochenfrist (angesichts elektronischer Kommunikation heute praktisch unerheblich ob nur Absendung oder auch Zugang). Rechtsfolge dieser Warnung/Ankündigung ist, dass die Frist zur Versendung des Stückeverzeichnisses/Eintragung im Depotbuch nach §§ 18 Abs. 1, 24 Abs. 2 S. 1 DepotG erst mit Erfüllung durch den Kommittenten anläuft (Abs. 3). Im Falle des § 20 DepotG setzt Fristanlauf eine gesonderte Aufforderung (»Verlan- 368 gen«) durch den Kommittenten voraus. Hintergrund ist das Bestehen eines (Spekulations-)Kontos, auf dem Kommittenten auch Order – für begrenzte Zeit oder die gesamte Dauer der Geschäftsbeziehung – auf Kredit gestattet werden (»ohne alsbaldige Berichtigung des Kaufpreises«) (Abs. 1) und über die auch etwa automatische Order (z.B. bei Überschreiten bestimmter Schwellen) abgewickelt werden. In diesem Fall kann der Kommissionär/Eigenhändler vorsehen, dass für jede Order gesondert zur Erfüllung aufgefordert werden muss. Wirkung entfaltet diese zusätzliche Voraussetzung für Erfüllung nur, wenn sie einerseits bereits bei Etablierung der Geschäftsbeziehung mit Krediteinräumung vorbehalten wird (Abs. 1) und andererseits im jeweiligen Einzelfall dann darauf verwiesen wird (Abs. 2). Da der Kunde dann frei ist, die Erklärung abzugeben und Erfüllung zu »verlangen«, handelt es sich bei dem Arrangement nach § 20 DepotG nicht etwa um einen einseitigen Schutz, den sich die Bank ausbedingt, sondern um eines, mit dem die Bank beide Seiten schützt. Es wird (für den Kunden) besondere Aufmerksamkeit dafür angefordert, dass eine Order tatsächlich ausgeführt wird und dies auf Kredit. Zugleich werden – für die Bank – Missverständnisse bei diesen stärker hierfür anfälligen Transaktionen vermieden. Entsprechend ist Schriftlichkeit und Exaktheit der Erklärung des Kunden (das »Verlangen«) vorgeschrieben (Abs. 3).

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Werden Einzelgeschäfte getätigt, ist also (allein) deren Erfüllung maßgeblich, bei Einstellung in ein Kontokorrent dessen Gesamt-

saldo. Vgl. dazu Scherer/Scherer DepotG § 19 Rn 8; Baumbach/Hopt/Kumpan § 19 Rn 2.

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c) Erfüllung im grenzüberschreitenden Geschäft (§ 22 DepotG). Im grenzüberschreitenden Verkehr, aus deutscher Sicht namentlich bei Auslandsverwahrung, wirkt sich für Erfüllung und Verfügungsakte die Verschiedenheit des anwendbaren Rechts aus. § 22 DepotG schiebt formal die Pflichterfüllung aus dem (im Regelfall rein inländischen und dem deutschen Recht unterliegenden) Verpflichtungsgeschäft hinaus. Geschuldet ist dieses Hinausschieben dem Umstand, dass auf die Verschiedenheit der Statuten, die auf das Verfügungsgeschäft Anwendung finden können, reagiert werden muss. Dies ermöglicht das Abstellen auf ein individuelles Verlangen seitens des Kommittenten, in gesonderter, schriftlicher, die fraglichen Stücke genau spezifizierender Erklärung (Abs. 2), nach deren Zugang (wenn nicht § 19 DepotG, Einrede der Nichterfüllung, eingreift) die 1-WochenFrist des § 18 Abs. 1, 2 DepotG anläuft (Abs. 1). 370 Zweite Voraussetzung hierfür und für die Erfüllung auf dem Wege der Versendung des Stückeverzeichnisses auch im grenzüberschreitenden Verkehr ist jedoch (neben dem Verlangen), dass das anwendbare ausländische Recht dem Rechtsübergang durch Versendung des Stückeverzeichnisses nicht entgegensteht, diese Versendung also nicht irrelevant wäre.837 Für die Frage nach den Voraussetzungen einer wirksamen Verfügung ist – nach klassischem deutschen IPR – die lex cartae sitae berufen, vorrangig jedoch das Recht des Registers/Depotbuchs zum fraglichen Hinterlegungsgegenstand, soweit dieses Recht der Eintragung konstitutive Wirkung zuschreibt (oben Rn 358, 360). Soweit, wie bei der ungleich üblicheren Sammelverwahrung, Miteigentumsanteile auch unter Systemen, die sachenrechtlich konzipiert sind, ohnehin kraft Eintragung transferiert werden (so etwa § 24 Abs. 2 S. 1 DepotG), bleibt es hierbei auch im grenzüberschreitenden Verkehr. Soweit jedoch einzelne Stücke, nicht Miteigentumsanteile, übertragen werden, würde zwar nach deutschem Recht die Versendung des Stückeverzeichnisses Rechtsübertragung bewirken, nicht jedoch nach Rechten, die auch insoweit allein den Registereintrag für maßgeblich erklären.838 In sachenrechtlich ausgerichteten Systemen ist wiederum denkbar, dass sie zwar nicht ausdrücklich die Versendung von Stückeverzeichnissen als Übertragungsakt vorsehen und ausgestalten, sie jedoch unter allgemeinem Sachenrecht als Zustimmung zum Eigentumsübergang qualifizieren, sie also einer Übertragung entsprechend § 18 Abs. 3 DepotG nicht »entgegenstehen«. In der Praxis erfolgt die Rechtübertragung in allen Fällen so, dass inländische Verwahrer als Treuhänder bei der Auslandsverwahrung auftreten und den Kunden entsprechende Treuhand-Wertrechte vermitteln (Nr. 12 Sonderbedingungen Wertpapiergeschäfte).839 Rechtlicher Maßstab ist freilich, dass dies nur insoweit ausreicht, als

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Zum Entgegenstehen des ausländischen Statuts der Verfügung vgl. etwa BGH Urt. v. 1.2.1988 – II ZR 152/87, WM 1988, 402 (404); Heinsius/Horn/Than DepotG § 22 Rn 16–18; Scherer/Behrends DepotG § 22 Rn 27ff.; Schindelwick WM 1960, Sonderbeil. 10; Coing AcP 167 (1967), 99. Rechtvergleichende Übersichten zu den schuldrechtlich (und rein mit Depotbucheintrag) konzipierten und den verschiedenen (eher) sachenrechtlich konzipierten Systemen etwa bei Brink Rechtsbeziehungen und Rechtsübertragung, S. 108ff.; Hellner FS Heinsius, 1991, 211 (235ff.); Heinsius/ Horn/Than DepotG § 22 Rn 18; Schindel-

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wick WM 1960, Sonderbeil. 10; ders. WM 1961, Sonderbeil. 1 (englisches und US-amerikanisches Recht); Österreich wohl einzige ausländische Rechtsordnung, die Möglichkeit der Eigentumsübertragung durch Übersendung des Stückeverzeichnisses ebenfalls anerkennt: Scherer/Behrends DepotG § 22 Rn 38; Heinsius/Horn/Than DepotG § 22 Rn 18. Zu dieser Praxis und zur bloßen TreuhandWertrechte-Gutschrift bei Auslandsverwahrung vgl. BGH Urt. v. 30.11.2004 – XI ZR 200/03, BGHZ 161, 189 (191); Scherer/Behrends DepotG § 22 Rn 43–51; Böttcher DepotG § 22 Rn 6; BankR-Hdb/Klanten § 72 Rn 141, 148ff.; BuB/Decker Rn 8/123ff.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

damit auch eine Rechtsstellung eingeräumt wird, die das gleiche Schutzniveau erreicht wie diejenige aus Eigentum bzw. Miteigentum. 2. § 24 DepotG: Verfügung bei Sammelverwahrung a) Gesamtbild. Die gesetzliche Regelform, praktisch auch die ungleich wichtigere Ver- 371 wahr- und Verfügungsform, die Sammelverwahrung und Eintragung von Miteigentumsanteilen an dieser, bildet auch im 2. Abschnitt nur eine Variante zur – von der Gesetzessystematik her – primär geregelten Streifbandverwahrung und Versendung von Stückeverzeichnissen. Während bei der Verfügung selbst erhebliche Unterschiede bestehen (nächste Rn), ist jedoch ansonsten von einem gemeinsamen Bestand zu sprechen. Alle Anordnungen nach §§ 19–23 DepotG gelten für die Sammelverwahrung und Miteigentumsanteile genauso (oben Rn 364, 367–370). Ausdrücklich wird auch die Regel wiederaufgenommen, dass eine Übertragung nach §§ 929ff. BGB unberührt bleibt und die jeweils früher wirksam gewordene Verfügung Wirkung entfaltet (Abs. 2 S. 1). In § 24 DepotG ist freilich das Verhältnis zwischen weiteren depotrechtlichen Gehalten zum Verpflichtungsgeschäft und zum Verfügungsgeschäft umgekehrt. Zum Verpflichtungsgeschäft findet sich nur ein kleiner Annex in Abs. 2 S. 2, während die Sonderform für das Verfügungsgeschäft ganz im Vordergrund steht: Über die dingliche Verfügung nach § 24 DepotG ist unverzüglich Mitteilung zu geben. Bei Wertpapierkäufen im Zusammenhang mit dem Fünften Vermögensbildungsgesetz verlängert Abs. 3 diese Frist auf bis zu 13 Monate (wobei der Zusammenhang dadurch umrissen wird, dass die Käufe periodisch im 1-, 2- oder 3-Monatsrhythmus zu erfolgen haben und den nach diesem Gesetz möglichen Höchstförderbetrag höchstens um ein Dreifaches übersteigen dürfen).840 b) Verfügung durch Eintragung von Miteigentumsanteil (Abs. 1 und 2 S. 1). Den Kern 372 der Regel herkömmlich und auch heute bildet die Sonderform der Verfügung – durch Eintragung des Miteigentumsanteils –, die § 24 Abs. 2 S. 1 DepotG vorsieht und Abs. 1 als Erfüllung anerkennt. Erfüllungswirkung tritt freilich zustimmungsfrei nur ein, wenn die Regelverwahrung, d.h. Sammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank als Drittem gewählt wird (vgl. bereits §§ 3, 5 Abs. 1 DepotG, oben Rn 337, 338), während eine Zustimmung nötig ist im Falle jeglicher Sammelverwahrung bei einem anderen Verwahrer (einschließlich Hausverwahrung) (entsprechend §§ 3, 5 Abs. 1 DepotG). Den Verfügungstatbestand selbst umreißt Abs. 2 S. 1. Danach geht das Eigentum über, wenn der Kommissionär/Eigenhändler (als Eigentümer oder kraft Ermächtigung) verfügungsberechtigt war und ein Übertragungsvermerk ins Depotbuch eingetragen wurde (Übertragung also nicht durch Übergabe, sondern konstitutive Umbuchung).841 Wie beim Verfügungstatbestand nach § 18 Abs. 3 DepotG ist mit dem ersten Erfordernis zwar grundsätzlich ein Gutglaubenserwerb ausgeschlossen. Anders als dort (die Versendung des Stückeverzeichnisses) wird jedoch der Depotbucheintrag so sehr als erga omnes publik angesehen, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung Gutglaubenserwerb (zeitgleich) über §§ 929ff., 932 BGB bei Vorliegen der Voraussetzungen für möglich hält.842 Angesichts der Vorgabe 840

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Sog. Wertpapiersparen, Fünftes Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer vom 4. März 1994, BGBl. I 1994, S. 406. Näher zur Mitteilung nach diesem Absatz Scherer/Behrends DepotG § 24 Rn 92; Böttcher DepotG § 24 Rn 4. Vgl. dazu näher BGH Urt. v. 30.11.2004 – XI ZR 200/03, BGHZ 161, 189 (191); Sche-

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rer/Behrends DepotG § 24 Rn 45; Böttcher DepotG § 24 Rn 2; Heinsius/Horn/Than DepotG § 24 Rn 19; Baumbach/Hopt/Kumpan § 6 Rn 2. BGH Urt. v. 16.7.2004 – IXa ZB 24/04, BGHZ 160, 121 (124); BGH Urt. v. 4.2.1999 – III ZR 56–98, NJW 1999, 1393 (1393); zustimmend etwa Baumbach/Hopt/

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in Art. 3–4 CSDR, die ebendies fordert (unten Rn 376–378), jedenfalls für Wertpapiere, die zu einem geregelten Markt zugelassenen sind, ist diese Auslegung/Konstruktion von der Normhierarchie her gefordert (richtlinien-, hier verordnungskonforme Auslegung, oben 1. Teil Rn 112). Für Wertpapiere, die nicht zu einem geregelten Markt zugelassen sind, ist gleiches angesichts der internationalen Entwicklung hin zu einem reinen Buchungssystem m.E. jedenfalls gut vertretbar, namentlich auch, um eine einheitliche Regel im deutschen Recht zu erhalten. 3. §§ 25–31 DepotG: Flankierende Regeln (Leistungsstörungen, Zurückbehaltungsund Pfandrechte)

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a) Leistungsstörungen (§§ 25–27 DepotG). Neben den bereits angesprochenen Fragen, die §§ 28 und 31 DepotG regeln (Rn 363), betrifft das flankierende Regime Kernfragen des Leistungsstörungsregimes (hier Rn 373 f.) und Fragen zum Eintritt in den Verwahrerstatus und zur Beschränkung von Pfand- und Zurückbehaltungsrechten (unten Rn 375). Das Leistungsstörungsrecht der Einkaufskommission und des Eigenhandels für den Kunden komplettiert § 25 DepotG für den Nichterfüllungsschadensersatz (vgl. ansonsten bereits oben Rn 323). Bei verschuldeter Nichterfüllung (§ 18 Abs. 1, 2 DepotG, mit Verschuldensvermutung § 25 Abs. 1 S. 2 DepotG) kann der Kommittent/Käufer dem Kommissionär/Eigenhändler – wie im allgemein schuldrechtlichen Leistungsstörungsregime – eine Nachfrist setzen (unmissverständliche Aufforderung zu leisten, sog. »zweite Chance«), wobei freilich die Nachfrist selbst gesetzlich fixiert ist (drei Tage).843 Nach fruchtlosem Ablauf dieser Nach(holungs)frist ist der Nichterfüllungsschaden grds. verwirkt.844 Freilich hängt diese Wirkung davon ab, dass der Kommittent (formlos) innerhalb von drei Tagen den Nichterfüllungsschadensersatz für sich reklamiert (§ 25 Abs. 2 DepotG) und damit endgültig eine Nachlieferung ausschließt (eine solche lässt dann das [ausgeübte] Zurückweisungsrecht und den verwirkten Nichterfüllungsschadensersatzanspruch gänzlich unberührt, ist freilich bereicherungsrechtlich zu erstatten). Versäumt der Kommittent diese Erklärung, ist die Rechtslage so, als wäre nie Nachfrist gesetzt worden.

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Kumpan § 6 Rn 1; Heinsius/Horn/Than DepotG § 6 Rn 91; BuB/Decker Rn 8/73; Koller DB 1972, 1857 und 1905; ablehnend MünchKommHGB/Einsele Depotgeschäft Rn 107, 119; bei Dauer-Globalurkunden verneinend Habersack/Mayer WM 2000, 1678 (1680f.); Mentz/Fröhling NZG 2002, 201 (210). Zur Frage, ob die Frist verlängert werden kann (unstreitig nicht verkürzbar), und zur Entbehrlichkeit bei ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung: RG Urt. v. 13.2.1907 – I 348/06, I 444/06, RGZ 65, 177 (182); Baumbach/Hopt/Kumpan § 25 Rn 2; längere Fristsetzung nur dann, wenn Kommittent gewerbsmäßig Bankgeschäfte betreibt: Scherer/Scherer DepotG § 25 Rn 4; Heinsius/Horn/Than DepotG § 25 Rn 8. Im allgemeinen Schuldrecht streitig, ob nochmaliges Verschulden beim Unterlassen

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nötig, weil sich der Pflichtige (angesichts Verstreichens einer Frist, die kalendarisch nach dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses bestimmt ist) bereits im Verzug befindet (vgl. § 287 BGB). Vgl. dazu MünchKommBGB/ Ernst § 281 Rn 48; jurisPK-BGB/Seichter; speziell zur Verschuldensfrage bei § 25 DepotG: Heinsius/Horn/Than DepotG § 25 Rn 11 (nochmaliges Verschulden erforderlich); so auch Opitz DepotG § 25 Bem. 4 c). Wohl bei Teil-Nacherfüllung auch nur Teil-Nichterfüllungsschadensersatzanspruch, weil Leistung idR unschwer teilbar und Teilleistung nicht ohne Interesse: RG Urt. v. 6.4.1910 – I 169/09, RGZ 73, 244 (249); Baumbach/Hopt/Kumpan § 25 Rn 3; Scherer/Scherer DepotG § 25 Rn 5; EBJS/ Scherer BankR Rn VI 602; Opitz DepotG § 25 Bem.4 d).

Stefan Grundmann

2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

Ein gesondertes Leistungsstörungsregime für Aufträge zum Umtausch von Wertpapie- 374 ren oder Anteilen an Sammelbeständen findet sich in §§ 26 f. DepotG. Auf solche Aufträge finden §§ 18–24 DepotG umfassend entsprechende Anwendung, obwohl nun nicht nur Verschaffung geschuldet ist, sondern Verschaffung gegen Rücknahme der fraglichen Wertpapiere bzw. Anteile an Sammelbeständen (§ 26 S. 3 DepotG). Auch die Vorgabe genauer Benennung (§ 26 S. 2 DepotG) entspricht (wörtlich) derjenigen im allgemeinen Regime der §§ 18–24 DepotG, namentlich § 18 Abs. 1 S. 2 DepotG. Der einzige Unterschied im Pflichtenbestand liegt darin, dass wegen der größeren Komplexität der Transaktion eine Frist von zwei Wochen für die Erfüllung an diejenige von einer tritt. Modifiziert ist jedoch das Leistungsstörungsregime gegenüber dem allgemeinen. Bei Fristüberschreitung lässt § 27 DepotG – ohne Notwendigkeit einer Nachfristsetzung – den Provisionsanspruch ex lege entfallen.845 Umgekehrt soll jedoch § 26 S. 3 2. HS DepotG alle weiteren Ansprüche offensichtlich auf einen Schadensersatzanspruch wegen gänzlicher Nichterfüllung beschränken (in der Nomenklatur der Schuldrechtsmodernisierung: Schadensersatz statt der Leistung), also namentlich einen weiteren Verzugsschadensersatzanspruch (neben dem Entfall des Provisionsanspruchs) ausschließen, desgleichen offenbar auch ein Zurückweisungsrecht bei noch verspätet erfolgendem Austausch.846 Letzteres kann jedoch jedenfalls ab dem Zeitpunkt nicht mehr gelten, da Schadensersatz wegen Nichterfüllung begehrt wird, weil umgekehrt eine Eigeneindeckung bereits als Schadensminderungsmaßnahme geschuldet ist. b) Verwahrerstatus und Beschränkung von Pfand- und Zurückbehaltungsrechten 375 (§§ 29 f. DepotG). Die Schutzwirkung des Depotgesetzes greift nach §§ 29 f. DepotG früh ein, schon mit Einsetzen der Erfüllungshandlungen.847 Einkaufskommissionäre – für die erworbenen Stücke – und Eigenhändler, die dem Kunden Wertpapiere verkaufen, halten die fraglichen Stücke, an denen sie Besitz haben (auch mittelbaren oder Mitbesitz), wenn das Eigentum – auch das Miteigentum an einem Sammelbestand – auf den Kunden übergangen ist, automatisch als Verwahrer nach DepotG (§ 29 DepotG). Pfandrechte dürfen (und können) sie also allein nach § 4 DepotG begründen (nur für konnexe Forderungen). Parallel dazu unterwirft § 30 DepotG bei Einkaufskommission (durch eine Bank!) schon einen vom Einkaufskommissionär beauftragten Dritten dem Regime der Fremdvermutung, gestattet also in der Zeit zwischen eigenem Einkauf und Übertragung auf den Einkaufskommissionär (Bank) eine Pfandrechtsbegründung an den Stücken nur für konnexe Forderungen (allerdings dispositiv, § 28 DepotG, so dass Abreden nach §§ 12, 12a DepotG möglich sind, oben Rn 349–352). 4. Annex: EU-Vorgaben zu Buchung, Abwicklungszeitpunkt und -gewährleistung (Art. 3–8 CSDR) (Überblick) a) Art. 3–4 CSDR: Einbuchung im Effektengiro. Art. 3 CSDR schreibt verschiedenen 376 Teilnehmern am Handel an Handelsplätzen (iSd Art. 4 Abs. 1 Nr. 21–24 MiFID II, vgl.

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Ebenso Baumbach/Hopt/Kumpan § 27 Rn 1; Scherer/Scherer DepotG § 27 Rn 1; Böttcher DepotG § 27 Rn 5; Heinsius/Horn/Than DepotG §§ 26, 27 Rn 27. Ebenso (für beide Ausschlüsse) Baumbach/ Hopt/Kumpan § 26 Rn 1; Scherer/Scherer DepotG § 26 Rn 6; Heinsius/Horn/Than DepotG §§ 26, 27 Rn 24.

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(Erst) Auf den Moment des Eigentumserwerbs abstellend vorwiegend ältere Entscheide/Werke: RG Urt. v. 2.3.1932 – I 208/31, RGZ 135, 319 (321); Scherer/Scherer DepotG § 29 Rn 2; Heinsius/Horn/Than DepotG § 29 Rn.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

5. Teil Rn 66–71) vor, dass sie die Wertpapiere, die Gegenstand von Transaktionen an diesen werden sollen, (dem System) einer Buchung im Effektgiro zuführen. Art. 4 CSDR klärt, welche Behörden für die drei Arten von Teilnehmern zuständig sind und dass sie gegen diese die materiellrechtlichen Anforderungen durchzusetzen haben, die an diese in Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 1. und 2. UAbs. CSDR gestellt werden. 377 Für Emittenten mit Sitz in der Union schreibt Art. 3 Abs. 1 CSDR vor, dass sie für von ihnen emittierte Wertpapiere, die an Handelsplätzen zugelassen sind oder auch nur dort gehandelt werden, allgemein sicherstellen, dass sie durch Buchungen im Effektengiro erfasst werden, also Inhaberbestimmung und Inhaberwechsel durch Buchungen im Effektengiro erfolgt. Dies ist in Deutschland bei sammelverwahrten Globalurkunden und auch bei sammelverwahrten Einzelstücken der Fall (§ 24 Abs. 2 S. 1 DepotG, oben Rn 361, 370, 372), nicht jedoch bei in Sonderverwahrung gegebenen Einzelstücken (§ 18 Abs. 3 DepotG, Rn 364–366, 370). Art. 3 Abs. 1 CSDR schreibt außerdem das Mittel dieser Einbringung ins System der Buchung im Effektengiro vor: die Ausstellung allein in entmaterialisierter Form, die nach deutschem Recht nur möglich ist, wenn sie durch Verordnung gesondert zugelassen ist (oben Rn 318), bzw. die »Immobilisierung«. Mit Letzterer soll dauerhaft sichergestellt werden, dass jedes fragliche Stück jederzeit durch Buchung übertragen werden kann. Dies ist allein bei der Globalurkunde möglich, die sich in Sammelverwahrung befindet, und auch nur, wenn der Anspruch auf Auslieferung einzelner Stücke ausgeschlossen ist (vgl. § 9a Abs. 3 S. 2 DepotG, oben Rn 334).848 378 Nicht alle an deutschen oder EU-Handelsplätzen gehandelten Wertpapiere werden von inländischen oder EU-Emittenten emittiert. Flankierend sieht daher Abs. 2 1. und 2. UAbs. für andere Teilnehmer an Handelsplätzen vor, dass sie zumindest das fragliche Instrument vor einer von ihnen konkret intendierten Transaktion bei einem Zentralverwahrer, namentlich Wertpapiersammelbank, in Deutschland der Clearstream Banking AG, einbuchen. Das gilt für Marktteilnehmer, die Transaktionen an einem Handelsplatz intendieren (1. UAbs.), und solche, die Wertpapiere als Finanzsicherheiten nach Richtlinie 2002/47/EG verwenden wollen.849

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b) Art. 5–8 CSDR: Regeln zur Abwicklungsperiode und -disziplin. Regeln zur Abwicklungsperiode und deren Einhaltung sieht Art. 5 CSDR vor.850 Für Teilnehmer an Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (d.h. regelmäßig Kreditinstitute, die zu diesen Systemen (Kontokorrent-)Zugang haben) wird allgemein nur vorgesehen, dass die vereinbarten Abwicklungszeitpunkte einzuhalten sind (Abs. 1) – allerdings mit behördlichen Eingriffsbefugnissen (nach Abs. 3) und mit Sanktionsmöglichkeiten nach Art. 7 CSDR, bis hin zur Suspendierung im Extremfall (dort Abs. 9). Handelt es sich um Transaktionen an Handelsplätzen (iSd Art. 4 Abs. 1 Nr. 21–24 MiFID II, vgl. 5. Teil Rn 66–71) wird zudem auch der Abwicklungszeitpunkt selbst vorgegeben. Die Verkürzung auf zwei Tage (T+2) soll Ausfall-, Pfändungs- und Insolvenzrisiken in ihrer Wirkung auf diese Geschäfte minimieren.

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Ebenso und allgemeiner zu der Anforderung nach Art. 3 Abs. 1 CSDR an Emittenten Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder 38. Kapitel Rn 10; Born Europäisches Kollisionsrecht, S. 396; Schwarz Globaler Effektenhandel, S. 51; Steffen RdF 2014, 249 (252).

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Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.6.2002 über Finanzsicherheiten, ABl.EG 2002 L 168/43; zu dieser Anforderung nach Art. 3 Abs. 2 CSDR an Marktteilnehmer allgemein vgl. Steffen RdF 2014, 249 (252). Allgemein zu diesen Steffen RdF 2014, 249 (252).

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

Mit Art. 6 CSDR werden Betreiber von Handelsplätzen (Abs. 1), Wertpapierfirmen 380 (Abs. 2) und Zentralverwahrer (Abs. 3, 4) angehalten, mit Maßnahmen jeweils ihres Bereichs präventiv die Zahl gescheiterter Abwicklungen zu minimieren, etwa Geschäftsbestätigungen zu ermöglichen/erleichtern (Abs. 1 und auch 2) oder die Abwicklung möglichst früh am Tag zu ermöglichen und Anreize für Abwicklung zu setzen. Insgesamt handelt es sich eher um Aufträge an zentrale Marktteilnehmer, Gatekeeper-Funktionen zu übernehmen, als um konkrete Anforderungen. Ungleich konkreter ist der – primär an Zentralverwahrer gerichtete – Maßnahmenkatalog im Hinblick auf gescheiterte Abwicklungen (Art. 7 CSDR). Seinen zentralen Anwendungsbereich hat er bei den Leerverkäufen, Art. 7 CSDR ersetzte denn auch Art. 15 EU-Leerverkaufs-VO und wurde in diesem Zusammenhang ausführlicher kommentiert (vgl. daher oben 6. Teil Rn 619–623). Die Ausführungen dort gelten allgemein im Anwendungsbereich des Art. 7 CSDR (vgl. im einzelnen Abs. 10–13, neben zentral geclearten Geschäften i.Erg. auch alle Geschäfte von Mitgliedern von Handelsplätzen und Teilnehmern von Zentralverwahrern).

IV. Insolvenzrecht, Straf- und Schlussbestimmungen (§§ 32–43 DepotG) 3. Abschnitt Vorrang im Insolvenzverfahren § 32 Vorrangige Gläubiger (1) Im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines der in den §§ 1, 17 und 18 bezeichneten Verwahrer, Pfandgläubiger und Kommissionäre haben Vorrang nach den Absätzen 3 und 4: 1. Kommittenten, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Eigentum oder Miteigentum an Wertpapieren noch nicht erlangt, aber ihre Verpflichtungen aus dem Geschäft über diese Wertpapiere dem Kommissionär gegenüber vollständig erfüllt haben; dies gilt auch dann, wenn im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Kommissionär die Wertpapiere noch nicht angeschafft hat; 2. Hinterleger, Verpfänder und Kommittenten, deren Eigentum oder Miteigentum an Wertpapieren durch eine rechtswidrige Verfügung des Verwahrers, Pfandgläubigers oder Kommissionärs oder ihrer Leute verletzt worden ist, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Verpflichtungen aus dem Geschäft über diese Wertpapiere dem Schuldner gegenüber vollständig erfüllt haben; 3. die Gläubiger der Nummern 1 und 2, wenn der nichterfüllte Teil ihrer dort bezeichneten Verpflichtungen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens zehn vom Hundert des Wertes ihres Wertpapierlieferungsanspruchs nicht überschreitet und wenn sie binnen einer Woche nach Aufforderung des Insolvenzverwalters diese Verpflichtungen vollständig erfüllt haben. (2) Entsprechendes gilt im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Eigenhändlers, bei dem jemand Wertpapiere gekauft oder erworben hat, und im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Kommissionärs, der den Auftrag zum Einkauf oder zum Umtausch von Wertpapieren im Wege des Selbsteintritts ausgeführt hat (§ 31). (3) Die nach den Absätzen 1 und 2 vorrangigen Forderungen werden vor den Forderungen aller anderen Insolvenzgläubiger aus einer Sondermasse beglichen; diese wird gebildet aus den in der Masse vorhandenen Wertpapieren derselben Art und aus den Ansprüchen auf Lieferung solcher Wertpapiere. Die vorrangigen Forderungen werden durch Lieferung der vorhandenen Wertpapiere beglichen, soweit diese nach dem Verhältnis der Stefan Grundmann

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

Forderungsbeträge an alle vorrangigen Gläubiger verteilt werden können. Soweit eine solche Verteilung nicht möglich ist, wird der volle Erlös der nichtverteilten Wertpapiere unter die vorrangigen Gläubiger im Verhältnis ihrer Forderungsbeträge verteilt. (4) Die Gläubiger der Absätze 1 und 2 haben den beanspruchten Vorrang bei der Anmeldung der Forderung nach § 174 der Insolvenzordnung anzugeben. Sie können aus dem sonstigen Vermögen des Schuldners nur unter entsprechender Anwendung der für die Absonderungsberechtigten geltenden Vorschriften der §§ 52, 190 und 192 der Insolvenzordnung Befriedigung erlangen. Im übrigen bewendet es für sie bei den Vorschriften der Insolvenzordnung über Insolvenzgläubiger. (5) Das Insolvenzgericht hat, wenn es nach Lage des Falles erforderlich ist, den vorrangigen Gläubigern zur Wahrung der ihnen zustehenden Rechte einen Pfleger zu bestellen. Für die Pflegschaft tritt an die Stelle des Betreuungsgerichts das Insolvenzgericht. § 317 Absatz 2 bis 5 des Versicherungsaufsichtsgesetzes ist sinngemäß anzuwenden. § 33 Ausgleichsverfahren bei Verpfändung (1) Im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Verwahrers, dessen Pfandgläubiger die ihm nach § 12 Abs. 2 verpfändeten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile ganz oder zum Teil zu seiner Befriedigung verwertet hat, findet unter den Hinterlegern, die die dem Pfandgläubiger verpfändeten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile dem Verwahrer anvertraut haben, ein Ausgleichsverfahren mit dem Ziel der gleichmäßigen Befriedigung statt. (2) Die am Ausgleichsverfahren beteiligten Hinterleger werden aus einer Sondermasse befriedigt. In diese Sondermasse sind aufzunehmen: 1. die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, die dem Pfandgläubiger nach § 12 Abs. 2 verpfändet waren, von diesem aber nicht zu seiner Befriedigung verwertet worden sind; 2. der Erlös aus den Wertpapieren oder Sammelbestandanteilen, die der Pfandgläubiger verwertet hat, soweit er ihm zu seiner Befriedigung nicht gebührt; 3. die Forderungen gegen einen am Ausgleichsverfahren beteiligten Hinterleger aus dem ihm eingeräumten Kredit sowie Leistungen zur Abwendung einer drohenden Pfandverwertung. (3) Die Sondermasse ist unter den am Ausgleichsverfahren beteiligten Hinterlegern nach dem Verhältnis des Wertes der von ihnen dem Verwahrer anvertrauten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile zu verteilen. Maßgebend ist der Wert am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, es sei denn, daß die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile erst später verwertet worden sind. In diesem Falle ist der erzielte Erlös maßgebend. Ein nach Befriedigung aller am Ausgleichsverfahren beteiligter Hinterleger in der Sondermasse verbleibender Betrag ist an die Insolvenzmasse abzuführen. (4) Jeder am Ausgleichsverfahren Beteiligte ist berechtigt und verpflichtet, die von ihm dem Verwahrer anvertrauten und in der Sondermasse vorhandenen Wertpapiere oder Sammelbestandanteile zu dem Schätzungswert des Tages der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu übernehmen. Übersteigt dieser Wert den ihm aus der Sondermasse gebührenden Betrag, so hat er den Unterschied zur Sondermasse einzuzahlen. Die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile haften als Pfand für diese Forderung. (5) Jeder Hinterleger kann seine Forderungen, soweit er mit ihnen bei der Befriedigung aus der Sondermasse ausgefallen ist, zur Insolvenzmasse geltend machen. (6) § 32 Abs. 4 und 5 ist sinngemäß anzuwenden.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

4. Abschnitt Strafbestimmungen § 34 Depotunterschlagung (1) Wer, abgesehen von den Fällen der §§ 246 und 266 des Strafgesetzbuchs, eigenen oder fremden Vorteils wegen 1. über ein Wertpapier der in § 1 Abs. 1 bezeichneten Art, das ihm als Verwahrer oder Pfandgläubiger anvertraut worden ist oder das er als Kommissionär für den Kommittenten im Besitz hat oder das er im Falle des § 31 für den Kunden im Besitz hat, rechtswidrig verfügt, 2. einen Sammelbestand solcher Wertpapiere oder den Anteil an einem solchen Bestand dem § 6 Abs. 2 zuwider verringert oder darüber rechtswidrig verfügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) (weggefallen) § 35 Unwahre Angaben über das Eigentum Wer eigenen oder fremden Vorteils wegen eine Erklärung nach § 4 Abs. 2 wahrheitswidrig abgibt oder eine ihm nach § 4 Abs. 3 obliegende Mitteilung unterläßt, wird, wenn die Tat nicht nach anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. § 36 Strafantrag Ist in den Fällen der §§ 34 und 35 durch die Tat ein Angehöriger (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs) verletzt, so wird sie nur auf Antrag verfolgt. § 37 Strafbarkeit im Falle der Zahlungseinstellung oder des Insolvenzverfahrens Wer einer Vorschrift der §§ 2 und 14 oder einer sich aus den §§ 18 bis 24, 26 ergebenden Pflicht zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und wenn durch die Zuwiderhandlung ein Anspruch des Berechtigten auf Aussonderung der Wertpapiere vereitelt oder die Durchführung eines solchen Anspruchs erschwert wird. §§ 38 bis 40 (weggefallen)

5. Abschnitt Schlußbestimmungen § 41 (weggefallen) § 42 Anwendung auf Treuhänder, Erlass weiterer Bestimmungen Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes für Fälle vorschreiben, in denen Kaufleute als Treuhänder für Dritte Wertpapiere besitzen oder erwerben oder Beteiligungen oder Gläubigerrechte ausüben oder erwerben oder in öffentliche Schuldbücher oder sonstige Register eingetragen sind. Stefan Grundmann

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

§ 43 Übergangsregelung zum Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetz Ein Kreditinstitut, das am Tag, den die Bundesregierung nach Artikel 17 Absatz 3 Satz 2 des Gesetzes vom 30. Juni 2016 (BGBl. I S. 1514) im Bundesgesetzblatt bekannt gibt, über eine Anerkennung als Wertpapiersammelbank von der nach Landesrecht zuständigen Stelle des Landes, in dessen Gebiet das Kreditinstitut seinen Sitz hat, verfügt, gilt bis zur Bestandskraft der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung als Zentralverwahrer nach Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 weiterhin als Wertpapiersammelbank im Sinne dieses Gesetzes. 1. Depotrechtlicher Insolvenzvorrang (§§ 32, 33 DepotG).

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a) Gläubigervorrang in der Erwerbsphase (§ 32 DepotG). Während Hinterleger bei ordnungsgemäßem Ablauf der Verwahrung, aber auch der Verpfändung nach §§ 12, 12a DepotG, gegen Zwangsvollstreckungszugriff Dritter und Heranziehung ihrer Hinterlegungsgegenstände oder Miteigentumspositionen in der Insolvenz von Verwahrern und Pfandgläubigern geschützt sind (Rn 325 f., 341 f.), besteht während des Einkaufsvorgangs eine Zeitspanne, die zwingend ohne Absicherung bleibt. Auch gegen rechtswidrige verfügende Eingriffe seitens Verwahrern und Pfandgläubigern ist eine Absicherung praktisch nicht möglich. Diese Schutzlücke soll § 32 DepotG schließen, um die depotrechtliche Absicherung für Kunden zu komplettieren. Beim Erwerb von Wertpapieren ist ein Zug-umZug-Erwerb praktisch ausgeschlossen, der Kunde hat wegen § 19 DepotG vorzuleisten. Umgekehrt ist eine massenweise Absicherung der Vorauszahlung untunlich.851 § 32 DepotG schützt daher Kommittenten, die bei Insolvenzeröffnung über das Vermögen von Akteuren des Depotgeschäfts (Verwahrern, Pfandgläubigern oder Kommissionären und Eigenhändlern bzw. Kommissionären im Selbsteintritt nach § 31 DepotG, vgl. Abs. 2) bereits 100 % geleistet haben und/oder die den Kredit zu 100 % zurückgezahlt und damit das Pfand ausgelöst haben, indem die für sie bereits angeschafften Papiere – und vor deren Anschaffung die dafür vorgesehenen Gelder – einer Sondermasse zugeordnet werden (Abs. 1 Nr. 1). Gleiches gilt für Hinterleger, Verpfänder und Kommittenten, deren Eigentum oder Miteigentum durch rechtswidrige Verfügung seitens eines der genannten Akteure des Depotgeschäfts verletzt wurde (Abs. 1 Nr. 2). In allen Fällen wird der Leistung zu 100 % diejenige zu mindestens 90 % (bei Insolvenzeröffnung) gleichgestellt, wenn der Rest innerhalb einer Woche nach Aufforderung durch den Insolvenzverwalter nachgeleistet wird (Abs. 1 Nr. 3). 383 Für alle Gläubiger (Hinterleger, Kommittenten, Verpfänder), die sich in dieser Konstellation befinden, wird nach Abs. 3 je eine Sondermasse gebildet für jede Art von Wertpapieren, die für die genannten Gläubiger reserviert ist, und zwar aus den Wertpapieren, deren Eigentum noch nicht vorher zugeordnet war, und den Ansprüchen, die der Insolvenzschuldner noch auf Lieferung hat. Soweit aus dieser Masse alle beteiligten Gläubiger in Natur befriedigt werden können, werden die Stücke, ggf. nach Realisierung der Ansprüche, schlicht verteilt, andernfalls wird der Gewinn aus der Veräußerung der Sondermasse quotal (im Verhältnis der den Gläubigern zustehenden Stücke) verteilt (ebenfalls Abs. 3).852 Der Rest der Regelung (Abs. 4 und 5) betrifft Anmeldung der Forderungen und 851

Zu diesem Hintergrund und der genannten Zielsetzung etwa Scherer/Scherer DepotG § 32 Rn 1; Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Binder 38. Kapitel Rn 41; Heinsius/Horn/ Than DepotG § 32 Rn 1; vgl. auch Sethe Anlegerschutz, S. 125ff.

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Näher zur Einbeziehung von Werten in die Sondermasse und zu deren Verteilung etwa Scherer/Scherer DepotG § 32 Rn 13; Heinsius/Horn/Than DepotG § 32 Rn 49–53.

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2. Abschnitt. Depotgesetz (mit flankierenden Verordnungen (Anhang)

Verfahrensdurchführung. Soweit die genannten Gläubiger auch nach Durchführung dieses Verfahrens ausgefallen sind, können sie den Rest grds. als gewöhnliche Insolvenzgläubiger anmelden (im einzelnen Abs. 4 S. 2 und 3). b) Ausgleichsverfahren bei Verpfändung (§ 33 DepotG). Diejenigen Hinterleger, bei de- 384 nen eine Verpfändung nach dem gesetzlichen Modell durch Abrede zugelassen war (§ 12 Abs. 2 DepotG), sind deswegen wertungsmäßig gleichzustellen, weil sie alle Wertpapiere auf Kredit erworben und einer Haftung aller Wertpapiere für den Gesamtbestand der Kreditschulden von Hinterlegern für den Wertpapiererwerb zugestimmt haben (vgl. näher oben Rn 350). Ebensolch eine Gleichstellung vollzieht § 33 DepotG in der Insolvenz des Verwahrers (vgl. bereits Abs. 1), indem er alle noch verfügbaren Ressourcen zusammenfasst, die noch ausstehenden Kredite einbezieht und dann das Risiko auf alle Hinterleger verteilt, die eine Verpfändung nach dem gesetzlichen Modell durch Abrede zugelassen haben.853 Einbezogen werden dafür nach Abs. 2 die vom jeweiligen Pfandgläubiger für seine Befriedigung nicht benötigten Wertpapiere, erzielte Überschüsse bei der Verwertung verpfändeter Wertpapiere und die noch nicht erstatteten Zahlungen des Verwahrers an Hinterleger (verbleibende Kredite, erfolgte Zahlungen zur Vollstreckungsabwendung) (vgl. Abs. 2). Diese Sondermasse ist wiederum zu verteilen, ein verbleibender Rest an die Insolvenzmasse auszukehren (Abs. 3 S. 1 und 3), wobei Hinterleger ebenso wie Insolvenzverwalter (»berechtigt und verpflichtet«) auch die Übernahme der dem Hinterleger zukommenden Zahl an Wertpapieren zum Schätzwert am Tag der Insolvenzeröffnung verlangen können (unter Anrechnung, vgl. Abs. 4). Die Verteilung in natura wird also gefördert. Anders als im Rahmen von § 32 DepotG werden die Hinterleger, die Verpfändung nach dem gesetzlichen Modell durch Abrede zugelassen haben, sämtlich einbezogen – nicht nach Arten von Wertpapieren getrennt. Daher können die nach Abs. 2 zusammengestellte »Sondermasse« ebenso wie die betroffenen Wertpapiere erst nach einer Bewertung eingestellt werden und zwar grds. mit dem Wert am Tag der Insolvenzeröffnung, wenn jedoch eine Position noch danach realisiert wurde, diese mit diesem Wert (Abs. 2 S. 2). 2. Depotrechtliche Straftatbestände (§§ 34–37 DepotG). Das Depotrecht kennt drei 385 zentrale Straftatbestände, für die jeweils zu fragen ist, in welcher Art Konkurrenz sie zu den Tatbeständen des allgemeinen Strafrecht stehen.854 Zwei Tatbestände dienen dem Schutz des Hinterlegers vor Verlust an Dritte, und wurden bereits oben angesprochen (Rn 329 und 326). Dabei greift § 35 DepotG bereits bei Gefährdung dahingehend ein, dass das Recht des Hinterlegers nicht mehr nach außen zutreffend dokumentiert ist (und deswegen namentlich Drittzugriff droht), weswegen auch ausdrücklich Subsidiarität zu (strengeren) Tatbeständen des allgemeinen Strafrechts angeordnet ist (wichtig namentlich bei Eintritt der Schädigung). Hingegen handelt es sich bei § 37 DepotG um eine Insolvenzstraftat, die Schädigungen in Form der (auch nur faktischen) Verkürzung von Aussonde-

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Näher zur Einbeziehung von Werten in die Verteilungsmasse nach § 33 DepotG und zu deren Aufteilung etwa Scherer/Scherer DepotG § 33 Rn 4 f.; Böttcher DepotG § 33 Rn 3–5; Heinsius/Horn/Than DepotG § 33 Rn 12–25. Zu den Konkurrenzverhältnissen im Falle der Depotunterschlagung (§ 34 DepotG) im Text, zu denjenigen im Falle der Aussonderungserschwerung (§ 37 DepotG) (nament-

lich Tateinheit mit §§ 283, 283b StGB sowie §§ 246, 266 StGB oder § 34 DepotG) vgl. etwa Fichtner Die börsen- und depotrechtlichen Strafvorschriften und ihr Verhältnis zu den Eigentumsdelikten des StGB, S. 221, 228ff.; Erbs/Kohlhaas/Wehowsky DepotG § 37 Rn 8; Heinsius/Horn/Than DepotG § 37 Rn 14. Zu § 35 DepotG ebenfalls im Text.

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8. Teil. Regeln zur individuellen Kundenbeziehung

rungsrechten sanktioniert. Dabei werden alle wichtigen Normen des Depotrechts als Anknüpfungspunkt eines strafrechtlich sanktionierten Verstoßes in Bezug genommen.855 Dies gilt freilich nur im Insolvenzfall (noch nicht einmal im Zwangsvollstreckungsfall), weil sich hier der Schaden durch Ausfall des (nach Verwahrvertrag auch schadensersatzpflichtigen) Schuldners deutlich stärker konkretisiert hat. Es ist nötig Vereitelung der Aussonderung, mindestens Erschwernis (von einer gewissen Erheblichkeit). Von Letzterem ist auszugehen, wenn nicht trotz Verstoßes die vorrangige Berechtigung des Hinterlegers dennoch insolvenzrechtlich so offensichtlich ist, dass Freigabe durch den Insolvenzverwalter bei ordnungsgemäßer Handhabung unschwer zu erhalten ist.856 386 Umgekehrt sanktioniert § 34 DepotG die Depotunterschlagung, also den Zugriff seitens des Verwahrers. Durch den Verweis auf §§ 246 und 266 StGB wird deutlich, dass eine Strafbarkeitslücke – bei gleich gelagertem Unwertgehalt – geschlossen werden soll bzw. Zweifel an der Strafbarkeit ausgeräumt werden sollen.857 Gegenüber § 246 StGB bestehen solch eine Strafbarkeitslücke bzw. -zweifel, wenn nicht Eigentum entzogen wird, sondern nur wirtschaftliches Eigentum. Das ist offensichtlich der Fall beim Einkaufskommissionär, jedoch auch, wenn der Verwahrer ein Recht hat, sich die Hinterlegungsgegenstände anzueignen und durch andere zu ersetzen (so bei Tauschverwahrung u.a., vgl. oben Rn 348, 353).858 Zumindest zweifelhaft ist die Strafbarkeit bei den praktisch viel wichtigeren modernen Verwahrformen, jedenfalls bei Verwahrung von rein elektronisch gespeicherten Hinterlegungsgegenständen (Wertrechten), aber auch bei Verfügung über Anteile eines Sammelbestandes, namentlich bloße Anteile an Globalurkunde.859 Gegenüber § 266 StGB bestehen solch eine Strafbarkeitslücke bzw. –zweifel namentlich, wenn ein Treubruch nicht nachzuweisen ist, namentlich, wenn bei normalem Geschäftsverlauf eine Verfügung, namentlich Verpfändung, zugelassen ist (vgl. oben Rn 349–352).860 Die oben genannte Zielsetzung, Strafbarkeitslücken zu schließen, legt es nahe, dass die Grundtatbestände des allgemeinen Strafrechts, namentlich §§ 246, 266 StGB, wenn sie tatbestandsmäßig eingreifen, nicht verdrängt sein sollen (Gesetzeskonkurrenz).861

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Zum Kreis dieser Normen oben; dazu, dass damit praktisch das gesamte Depotrecht strafbewehrt ist, auch etwa Erbs/Kohlhaas/ Wehowsky DepotG § 34 Rn 2; Heinsius/ Horn/Than DepotG § 34 Rn 1. Näher zu diesem Zuschnitt des Erschwerniskriteriums etwa Böttcher DepotG § 37 Rn 2; Erbs/Kohlhaas/Wehowsky DepotG § 37 Rn 7; Heinsius/Horn/Than DepotG § 37 Rn 13. Zu dieser Zielsetzung etwa Otto, Bankentätigkeit und Strafrecht, S. 29; Erbs/Kohlhaas/ Wehowsky DepotG § 34 Rn 1; Heinsius/ Horn/Than DepotG § 34 Rn 3. Hierzu näher etwa Fichtner Die börsen- und depotrechtlichen Strafvorschriften und ihr Verhältnis zu den Eigentumsdelikten des StGB, S. 217, 226 f.; Erbs/Kohlhaas/Wehowsky DepotG § 34 Rn 16.

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Vgl. hierzu namentlich OLG Düsseldorf Urt. v. 7.7.1986 – 8 U 14/93, NJW 1987, 854; Graf/Jäger/Wittig/Temming § 246 StGB Rn 1; MünchKommStGB/Hohmann § 246 Rn 8. Zur Nichtanwendung von § 266 StGB wegen eines fehlenden Betreuungsverhältnisses vgl, Fichtner Die börsen- und depotrechtlichen Strafvorschriften und ihr Verhältnis zu den Eigentumsdelikten des StGB, S. 225 f., Schönke/Schröder/Lenckner/Perron § 266 Rn 23ff.; Erbs/Kohlhaas/Wehowsky DepotG § 34 Rn 16. So in der Tat die hM, vgl. etwa Erbs/Kohlhaas/Wehowsky DepotG § 34 Rn 15 (m.w.N.).

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Register

Register Die fetten Seitenzahlen verweisen auf die Teile der Kommentierung, die mageren Zahlen verweisen auf die Randnummern 10-Prozent-Schwelle 6 862 2. FiMaNoG 2017 7 31 A Abhilfemaßnahmen 7 56 Ablaufinformation 7 60 Ablauforganisation 7 1 Interessenkonflikte 7 64, 7 66 Referenzwertermittlung 7 131 zentrale Gegenparteien 7 191 Abschlussvermittlung 7 99 Abwehrmaßnahmen 6 977 ff. Ad-hoc-Publizität Anlegerhandeln 8 262 Anlegervertrauen in Normbefolgung 8 263 Haftung 8 258 ff. Haftungsmodalitäten 8 264 ff., s.a. dort Kapitalmarktrecht 8 18 Nichterfüllung 8 261 ff. Ordnungswidrigkeiten 8 308 Schlechterfüllung 8 261 ff. Administrator 6 821 ff. Aufsichtsbehörde 6 822 Aufsichtsfunktion 7 127 Aufzeichnungspflichten 7 129 Befugnisse 6 823 Behörde 6 822 Benchmark-VO 7 122 ff. Compliance-Funktion 7 126 Dokumentation 7 129 Funktionsauslagerung 7 129 Geheimnisweitergabe 6 823 Interessenkonflikte 7 126 IOSCO 7 123 Kontributoren 7 136 Kontrollrahmen 7 128 Notfallplanung 7 128 Organisationspflichten 7 122 ff. Organisationspflichten, kapitalmarktrechtliche 7 124 Rechenschaftslegung 7 129 Referenzwerte 6 816

Referenzwertermittlung 7 130 ff., s.a. dort Registrierung 6 821 Risikosteuerung 7 128 Überwachungsausschuss 7 127 Unternehmensführung 7 126 Zulassung 6 821 AGB s. Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte Akquisitionsfinanzierung 6 998 ff. Eigenmittel 6 1001 Finanzmittel 6 999 Fremdmittel 6 1002 Mittelaufbringung 6 1001 Mittelbedarf 6 999 no-tender-agreements 6 999 Zusatzposten 6 1000 Aktien Depotgeschäft 8 318 EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 568 Haupthandelsplatz in Drittländern 6 625 f. Leerverkäufe, ungedeckte 6 614 sicherheitsverwahrte 6 857 sicherungsübereignete 6 857 algorithmischer Handel 7 76 ff., 7 159, s.a. Hochfrequenzhandel angemessene Vorkehrungen 7 78 Aufzeichnungspflichten 7 77 BaFin 7 76 ESMA 7 76 Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte 7 77 Integrität der Kapitalmärkte 7 77 Legaldefinition 7 77 Market Making 7 77 Marktmanipulation 7 76 Überreaktion 7 76 Wertpapierdienstleistungen 8 84 alternative Handelsplätze 7 162 ff. Börsengesetz 7 163 Erlaubnispflicht 7 166 Freiverkehr 7 166

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Haftung 7 168 Wertpapierhandelsgesetz 7 162 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz 8 175 Analysekonto 8 247 Anderdepot 8 325 Andienung 6 993 Aneignungsermächtigung 8 353 Angebotsannahme 6 980 ff. Abwicklung 6 986 Änderungen des Angebots 6 983 Angebotsadressaten 6 980 Bindung an das Angebot 6 983 konkurrierende Angebote 6 985 Teilangebot 6 982 Verfahren 6 981 Wahlfreiheit 6 985 Angebotsdurchführung 6 965 ff. Angebotsunterlage 6 966 ff. Äquivalenzkontrolle 6 971 Gegenleistung 6 971 Stellungnahme 6 973 ff. Verfahren 6 970 f. Angebotsunterlage 6 966 ff. Haftung 6 968 f. Informationsfunktion 6 966 Inhalt 6 967 Pflichtangebot 6 934 übernahmebegleitende Banken 6 969 unrichtige 6 968 unvollständige 6 968 Veröffentlichung 6 935 Zweck 6 966 Anlageberatung Transparenzgebot 8 170 Wertpapierdienstleistungen 8 77, 8 82 Anlageempfehlungen 7 115 ff. Anzeigepflicht 7 117 Chinese Walls 7 118 Eigengeschäfte 7 118 Interessenkonflikte 7 118 Kontrollverfahren 7 118 Marktmissbrauchsverordnung 7 116 MiFID II 7 116 organisatorische Pflichten 7 118 Sorgfaltsmaßstab 7 116 Wertpapierhandelsgesetz 7 115 Wertpapiernebendienstleistung 7 116 Anlageinstrumente 8 61 ff. Anlageleitlinien 8 212 Anlegerschutz 8 126 Anleihen der öffentlichen Hand 8 318 Ansiedlung 6 804

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Anzeigepflicht 7 117 Äquivalenzkontrolle 6 971 Arbeitnehmerbeteiligungen 8 112 Asset Deal 6 876 Aufbauinformation 7 60 Aufbauorganisation 7 1 Interessenkonflikte 7 64 f. zentrale Gegenparteien 7 191 Aufklärungspflichten 7 47 Aufsichtsarbitrage 6 732 Aufsichtsfunktion 7 127 Aufstockungsangebot 6 922 Aufzeichnungspflichten 7 106 ff. Administrator 7 129 algorithmischer Handel 7 77 Aufbewahrungsfrist 7 109 Bedingungen 7 109 Beweiserleichterungen 7 110 elektronische Kommunikation 7 109 Funktionsschutz 7 110 Gesprächsprotokolle 7 110 Haftung 7 110 Herausgabeanspruch der Anleger 7 110 Individualschutz 7 110 MiFID II 7 107, 7 108 Ordnungswidrigkeiten 7 110 persönliche Gespräche 7 109 Rechtsgrundlage 7 108 f. Regelungsziel 7 110 Sanktionen 7 110 Telefongespräche 7 109 Transaktionsdokumentation 7 110 Wertpapierhandelsgesetz 7 106 zentrale Gegenparteien 7 191 Ausfallfonds 7 194 Ausführungsplätze 8 174 Auslagerungsvereinbarung 7 82 Ausland Drittverwahrung 8 331 Unternehmenstransaktionen 6 908 Auswirkungsprinzip 6 569 B BaFin algorithmischer Handel 7 76 Derivatekontrakte 6 692 Organisationspflichten 7 38 Pflichtangebot 6 934 Wertpapierhandelsgesetz 8 50, 8 115 Bankaufsichtsrecht 7 29 Banken Akquisitionsfinanzierung 6 998 ff., s.a. dort

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Bankdienstleistungen 6 872 Defense Manual 6 1024 Dokumentation 6 995 ff., s.a. dort Fairness Opinion 6 1027 ff., s.a. dort Finanzierungsbestätigung 6 1003 ff., s.a. dort Gewährleistungserklärung 6 1013 ff., s.a. dort Interessenkonflikte 6 891 f. Investment Banking 6 550 Kapitalmarktrecht 6 827 übernahmebegleitende 6 969 übernahmespezifische Bankdienstleistungen 6 878 Universalbanken 6 872 Unternehmenstransaktionen 6 994 ff., s.a. dort Zentralbanken 6 677 Basisinformationsblätter 8 109 Basiswert 8 69 Basler Ausschusses für Bankenaufsicht 7 53 Bearbeitung von Kundenaufträgen 8 236 ff. Abfolge 8 239 Frontrunning 8 242 Informationsmissbrauch 8 242 Priorität 8 239 Redlichkeit 8 239 Unverzüglichkeit 8 239 Weiterreichung von Aufträgen 8 253 f. Wohlverhaltensregeln 8 238 Zusammenlegung 8 241 behavioral finance 8 40 Behörde Administratoren 6 822 Benchmark-VO 6 804 EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 645 Benchmark s. Benchmark–VO, s. Referenzwerte Benchmark-VO 6 550, 6 765 ff. Administrator 7 122 Ansatz 6 775 Ansiedlung 6 804 Anwendungsbereich 6 786 f. Ausnahmen 6 787 ff. beaufsichtigte Unternehmen 6 802 Behörde 6 804 Berechnungsmechanismus 6 794 delegierte Rechtsakte 6 825 Diskriminierungsverbot 6 778 Durchführungsgesetzgebung 6 777, 6 825 Finanzinstrumente 6 801 Gegenstand 6 784 f. geschäftsbezogene Einzelangaben 6 789

Index-Anbieter 6 791 Indices 6 795 Investmentfonds 6 801 Investorenschutz 6 771 IOSCO 6 774 Kontributoren 7 135 Kontributorenangaben 6 771 f. Kontrolle über Bereitstellung 6 796 Kreditverträge 6 801 Leitungsorgane 6 802 Libor-/Euriborkrise 6 766 Marktintegrität 6 771 nationales Recht 6 778 Ordnungslösung 6 769, 6 784 Presse 6 788 Referenzwert-Familie 6 795 Referenzwertarten 7 139 Referenzwerte 6 795 ff., s.a. dort Referenzwertermittlung 7 130 Regulierungsentwicklung 6 774 Regulierungsziele 6 770 Rohdaten, 6 794 Rohstoff-Referenzwerte 6 791 Schadensersatz 6 782 Sittenwidrigkeit 6 781 Stabilitätspolitik 6 787 Übergangsfrist 6 826 Umgehungsschutz 6 773 Verbraucher 6 802 Verbraucherschutz 6 772 Vorfeldpflichten 6 780 Währungspolitik 6 787 Willensmängel 6 781 Zentralbanken 6 787 zentrale Gegenparteien 6 787 Zinssätze 6 790 Beobachtungsliste 7 66 Berechnungsmechanismus 6 794 Berichtspflichten 6 835 Beschleunigungsgebot 6 914 Beschwerdemanagement Compliance-Funktion 7 58 Organisationspflichten 7 75 zentrale Gegenparteien 6 749 Bestmögliche Ausführung 7 91 ff. Abschlussvermittlung 7 99 AGB 7 99 Auftragsmerkmale 7 100 Ausführungsgrundsätze 7 99 Ausführungsplätze 7 99 f., 7 105 Beweisprobleme 7 97 Börsenprivileg 7 94 Eigenhandel für Kunden 7 99

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Festpreisgeschäfte 7 99 fiduziarische Grundsätze 7 95 Finanzkommissionsgeschäft 7 99 Geschwindigkeit 7 100 Geschwindigkeit der Ausführung 7 94 Gestaltungsfreiheit 7 99 Haftung 7 96 Handelsplatz 7 100, 7 105 Informationspflichten, ergänzende 7 105 Kundenweisungen 7 103 MaComp 7 93 MiFID II 7 92 Ordnungswidrigkeiten 7 96 praktische Umsetzung 7 102 Privatkunden 7 100, 7 101 professionelle Kunden 7 100 Rechenschaftspflicht 7 102 regelmäßige Überprüfung 7 104 Sanktionen 7 96 Schadensermittlung 7 97 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte 7 97 systematische Internalisierer 7 105 Transaktionskosten 7 94 US-amerikanisches Recht 7 95 vertragsrechtliche Bedeutung 7 97 Wahrscheinlichkeit 7 100 Warnhinweise 7 103 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 7 105 Wertpapierhandelsgesetz 7 91 Zustimmung der Kunden 7 102 Beteiligungstransparenz 6 846 ff. 10-Prozent-Schwelle 6 862 abgestimmtes Verhalten 6 858 Analogieverbot 6 849 Änderung der unternehmerischen Ausrichtung 6 858 Anlegerschutz 6 848 Auslegung 6 849 Bußgeld 6 864 Cash Settled Equity Swaps 6 857 Clearing and Settlement 6 859 dingliche Optionen 6 857 EG-Transparenz-Richtlinie 6 847 Emittenten 6 851 Financial Service Action Plan 6 847 Finanzinstrumente 6 850 Folgepublizität 6 846 Fortbildung 6 849 Frist 6 855 Funktionsschutz 6 848

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isolierte Übertragung von Stimmrechten 6 857 Kapitalmarktrecht 6 829 Kettenzurechnung 6 857 Kursstabilisierung 6 859 Market-Maker 6 859 Meldepflichten 6 854 Mitteilungspflichten 6 850, 6 851 f. Mittelherkunft 6 862 Mutterunternehmen 6 856 Naming und Shaming 6 864 Nichtberücksichtigung von Anteilsrechten 6 856, 6 859 Ordnungswidrigkeit 6 864 sicherheitsverwahrte Aktien 6 857 sicherungsübereignete Aktien 6 857 Stimmrechte 6 857 Stimmrechten aus Aktien 6 850 Stimmrechtsschwellen 6 861 Tochterunternehmen 6 856 Vermögensverwaltungsgesellschaft 6 857 Veröffentlichungspflichten 6 865 f. Veröffentlichungsprozess 6 851 Verstöße 6 863 Vollharmonisierung 6 847 Wertpapierhandelsgesetz 8 117 Ziele des Erwerbs 6 862 Zurechnung von Anteilsrechten 6 856 Zweck 6 846 Bilanzeid 6 842 Bilanzrecht 6 835 Börsen Ausführungsqualität 7 161 Ausstattungspflicht 7 148 Betriebspflicht 7 145 Börsenhandel 7 158 Börsenorganisation 7 151 ff., s.a. dort Börsenpreis 7 157 dualistische Börsenstruktur 7 144 dualistische Verfassung 7 4 Funktionsauslagerung 7 149 Haftung 7 147 Handelsinfrastruktur s.a. dort Hochfrequenzhandel 7 159 Interessenkonflikte 7 149 Kurswahrheit 7 157 Market-Maker 7 160 marktgerechte Preise 7 157 Marktliquidität 7 147 Marktstabilität 7 147 MiFID II 7 145 Mindestpreisänderungsgrößen 7 145 Mistrades 7 157

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Mittelbereitstellung 7 148 Notfallmaßnahmen 7 150 Risikomanagement 7 149 technische Funktionsfähigkeit 7 150 Technische Regulierungsstandards 7 145 Tick-Größen 7 145 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 8 112 Whistleblower-System 7 150 Zulassungsvoraussetzungen 7 143 börsengehandelte Investmentvermögen 8 102 Börsengeschäftsführung 7 142 Börsengesetz alternative Handelsplätze 7 163 Börsenhandel 7 155 Börsenorganisation 7 151 Börsenpreisfeststellung 7 155 Handelsinfrastruktur 7 26, 7 141 Organisationspflichten 7 26 systematische Internalisierer 7 163 Börsenhandel 7 158 Börsenorganisation 7 151 ff. Benutzungsverhältnis 7 152 Börsengesetz 7 151 Direktzugang 7 152 elektronischer Zugang 7 152 Gebührenordnung 7 152 Nachhandelsphase 7 154 Sicherheitsleistungen 7 153 Zulassung der Handelsteilnehmer 7 152 Börsenpreis 7 157 Börsenprivileg 7 94 Börsenrat 7 142 Bsisinformationsblätter 8 179 Buchung Depotgeschäft 8 315, 8 317 Effektengiro 8 376 Bündelungsverbot 6 756 Bußgeld Beteiligungstransparenz 6 864 EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 565 C Cash Settled Equity Swaps 6 857 CCP s. zentrale Gegenparteien central counterparties 6 656, s. zentrale Gegenparteien Chinese Walls 8 152 Anlageempfehlungen 7 118 Interessenkonflikte 7 65 Churning 7 62 Clearing 6 703 ff.

Aufbewahrungspflichten 6 726 Begriff 6 682 f. Besicherungspflicht 6 738 Clearingkette 6 693 Clearingpflicht 6 703 f. Clearingsysteme 7 184 ff., s.a. dort Derivatekontrakte 6 693 EMIR 6 658, 6 682 f. Ersatzmeldung 6 720 Fehlen zugelassener zentraler Gegenparteien 6 716 Festlegungen 6 712 f. Gegenpartei 6 707, 6 715, 6 727 ff. Geheimhaltungspflichten 6 726 gruppeninterne Geschäfte 6 698 ff., 6 710 Handelsdaten 6 719 Handelsplatz 6 719 Hedging 6 729 Mehrfachmeldungen 6 721 Meldepflichten 6 720 Meldezeitpunkte 6 724 Meldungsinhalt 6 725 nichtfinanzielle Gegenpartei 6 727 ff. OTC-Derivate 6 706 OTC-Derivatekategorien 6 714 Parteien in Drittstaaten 6 708 Risikominimierung 6 730 Schwellenbestimmung 6 729 Spekulationsvolumen 6 730 Stichtag 6 709 technische Regulierungsstandards 6 713 Transaktionsregister 6 717 Underlying 6 730 Unmöglichkeit 6 716 zentrale Gegenparteien 6 670, 6 711, 6 718 Zugang 6 718 f. Clearing and Settlement 6 859 Clearingdienste 6 623 Clearingkette 6 693 Clearingpflicht 6 664 Clearingsysteme 7 184 ff. Ausnahmen 7 186 Handelsplatz 7 186 MiFIR 7 184 zentrale Gegenparteien 7 185 f. Zugang 7 185 Clearstream Banking AG 8 322 Compliance s.a. Compliance–Funktion Beauftragte 7 55 Organisationspflichten 7 36 organisatorische Umsetzung 7 55 Compliance-Berichterstattung 7 55

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Compliance-Funktion Abhilfemaßnahmen 7 56 Administrator 7 126 Aufgaben 7 56 Basler Ausschusses für Bankenaufsicht 7 53 Begriff 7 54 Behebung festgestellter Defizite 7 56 Beratungsaufgaben 7 57 Berichterstattung 7 55 Beschwerdemanagement 7 58 ESMA 7 50 Funktionsauslagerung 7 82 institutionell-organisatorische Absicherung 7 54 f. Interessenkonflikte 7 59 Intermediär-Kunden-Beziehung 7 52 IOSCO 7 53 Monitoring 7 56 Organisationspflichten 7 50 ff. Überwachung 7 56 Unterstützungsaufgaben 7 57 verfahrensbezogene Vorgaben 7 54 Vermeidung von Pflichtenverstößen 7 56 Watch Lists 7 56 Wohlverhaltensregeln 7 51 Conflict Clearing 7 63 Conflict of Interest Policy 7 64 Contract for Difference 8 70 Corporate Finance 6 871 Corporate Governance 7 8 Credit Default Options 8 71 Credit Default Swaps 6 579 Absicherungszweck 6 592 Behördenentscheidung 6 618 Derivate 8 71 Einzelfallausnahme 6 618 Marktfunktionalität 6 618 Meldepflichten 6 601 öffentliche Schuldtitel 6 591 f., 6 617 ungedeckte 6 591, 6 601, 6 617 Credit Linked Notes 8 71 CSDR 7 200 f. Depotrecht 8 315, 8 317 Effektengiro 8 376 Nachhandelsinfrastruktur 7 19 D Datenbereitstellungsdienste 6 829 Nachhandelsinfrastruktur 7 5 Wertpapierhandelsgesetz 8 105, 8 121 Datenschutz 6 646

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Datensicherung 7 49 dauerhafte Datenträger 8 108 Deal Logging 7 63 Defense Manual 6 1022 ff. Banken 6 1024 Haftung 6 1026 Inhalt 6 1023 Zweck 6 1022 Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 s. MiFID II Demutualisierung 7 16 Depotgeschäft 8 313 f. Abwicklungsperiode 8 379 Aktien 8 318 Anderdepot 8 325 Anleihen der öffentlichen Hand 8 318 Buchung 8 315, 8 317 Depotbuchführung 8 354 Depotvertrag 8 314, 8 319 dingliche Rechte 8 324 EG-Finalitäts-Richtlinie 8 360 Eigenhandel 8 363 Einkaufskommission 8 363 ff., s.a. dort Einrichtung des Depots 8 325 Formvorschriften 8 355 f. Gemeinschaftsdepot 8 325 Gläubigervorrang 8 282 grenzüberschreitendes 8 357 ff., 8 369 Insolvenz 8 282 ff., 8 316 Kollisionsrecht 8 358 Leistungsstörungen 8 373 f. Registereintrag 8 361 Sondermasse 8 283 Transaktionssicherheit 8 360 Treuhanddepot 8 325 Verfügung 8 316 Verpfändung 8 284 Verwahrung 8 313 f., 8 316, 8 319, s.a. dort Verwaltung 8 313 f., 8 317, 8 320 Wertpapiere 8 314, 8 318 Depotgesetz 8 311 ff. Depotrecht 8 26, 8 34 CSDR 8 315, 8 317 Depotgeschäft 8 313 f., s.a. dort Depotgesetz 8 311 ff. EG-Finalitäts-Richtlinie 8 317 grenzüberschreitendes 8 357 ff. Insolvenz 8 316 internationales Modell 8 315 Kollisionsrecht 8 358 Leistungsstörungen 8 373 f. Rechtsquellen 8 315 ff.

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Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte 8 317 Straftatbestände 8 384 f. Wertpapiersachstatut 8 358 Derivate 8 65 ff. Abschluss für einen zukünftigen Termin 8 68 Art des Bezugs 8 67 Basiswert 8 67, 8 69 Begriff 8 65 Contract for Difference 8 70 Credit Default Options 8 71 Credit Default Swaps 8 71 Credit Linked Notes 8 71 derivative Geschäfte 8 65 ff. EMIR s. EMIR Emissionszertifikate 8 69 Festkontrakte 8 66 finanzielle Differenzgeschäfte 8 70 forwards 8 68 Frachtsätze 8 69 futures 8 68 Indizes 8 69 Inflationsraten 8 69 Klimavariable 8 69 Kreditrisiken 8 70 f. Leerverkäufe 8 70 Marktsegment 8 67 Optionsrechte 8 66, 8 68 OTC-Derivate s. dort Swaps 8 66, 8 68 Termingeschäfte 8 68 Total Return Swaps 8 71 Underlying 8 66 Waren 8 69 Warenderivate 8 104 Wirtschaftsstatistiken 8 69 Derivatehandel 7 179 ff. Clearingpflicht 7 183 Clearingvereinbarungen 7 181 Gegenparteien 7 181 gruppeninterne Geschäfte 7 181 Handelspflicht 7 181 Handelsplatz 7 180 IOSCO 7 180 MiFIR 7 179 Risikominierung 7 180 Technische Regulierungsstandards 7 181 Transparenz 7 180 Derivatekontrakte 6 671, 6 685 Altersversorgungssysteme 6 688 Ausfallrisiko 6 688

BaFin 6 692 Clearing s. dort Clearingkette 6 693 Drittland 6 691 Einteilungen 6 686 finanzielle Gegenpartei 6 689 geregelter Markt 6 687 Kreditinstitute 6 689 Kunden 6 693 Meldepflichten 6 720, 6 722 nichtfinanzielle Gegenpartei 6 690 Tochterunternehmen 6 695 Transaktionsregister 6 720 Underlying 6 685 Unternehmensgruppe 6 694 Vertragsparteien 6 688 Wertpapierfirmen 6 689 derivative Geschäfte 8 65 ff. Finanztermingeschäfte 8 281 Differenzeinwand 8 284 Differenzschaden 8 266 direkter elektronischer Zugang 8 98 Diversifikationsgebot 8 212 Dokumentation 6 995 ff. Administrator 7 129 Interessenkonflikte 7 62 Mandatsvereinbarung 6 996 persönliche Geschäfte 7 74 Vertraulichkeitsvereinbarung 6 997 Dokumentationspflichten 8 275 Drei-Punkte-Erklärung Drittverwahrung 8 Dreipersonenverhältnis Sammelverwahrung 8 349 ff. Vergütung 8 245 ff. Drittland Funktionsauslagerung 7 82 Leerverkäufe 6 625 f. Market-Maker 6 630 Referenzwerte 6 816 Drittlandunternehmen 8 106 Drittstaat EU-OTC-Derivate- 6 745 Drittstaatsmärkte 8 290 Drittverwahrung 8 328 ff. Ausland 8 331 Bankgeschäft 8 329 Drei-Punkte-Erklärung 8 331 Gefährdung 8 329 Hinterleger 8 329 konnexe Forderungen 8 330 Pfandrecht 8 330 Rechte 8 328

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Verschulden 8 328 Zurückbehaltungsrecht 8 330 Due Diligence 6 960 Durchführungsgesetzgebung Benchmark-VO 6 777, 6 825 EMIR 6 662 E Effektengiro Buchung 8 376 CSDR 8 376 Sammelverwahrung 8 346 Effektenkommissionsrecht 8 26, 8 28 Effizienzparadigma 8 35 Effizienzsteigerungen 6 882 EG-Finalitäts-Richtlinie Depotgeschäft 8 360 Depotrecht 8 317 Nachhandelsinfrastruktur 7 20 EG-Insiderhandels-Richtlinie 8 1, 8 3 EG-Transparenz-Richtlinie 6 847 EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie 8 1, 8 3 Eigengeschäfte Anlageempfehlungen 7 118 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 8 112 Eigenhandel für Kunden 7 99 Eigenkapitalinstrumente 7 174 Eigenkapitalpflicht 6 740 Eigenplatzierung 7 86 Eigensammelverwahrung 8 338 Eindeutigkeitsgebot 8 166 Eingriffsbefugnisse 6 636 ff. Bedingungen 6 639 ESMA 6 643 Finanzstabilität 6 637 Kursverfall 6 641 Market-Maker 6 639 Marktvertrauen 6 637 Meldepflichten 6 638 Primärhändler 6 639 ungünstige Ereignisse 6 637 Verbote 6 639 Zusammenarbeit 6 640 Zuständigkeit 6 640 Einkaufskommission 8 363 ff. Einzelstücke 8 364 Erfüllung auf Verlangen 8 368 grenzüberschreitende 8 369 f. gutgläubiger Erwerb 8 366 Nichterfüllung 8 367 Pfandrechte 8 375

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Stückeverzeichnis 8 365 Verpflichtungsgeschäft 8 365 Verwahrer 8 375 Zurückbehaltungsrechte 8 375 Einschusszahlungen 7 194 Einsichtsrecht 6 752 Einstiegsbeteiligung 6 922 Einzelkunden-Trennung 6 759 Einzelstücke 8 364 EMIR 6 550, 6 654 ff., 6 660 Anwendungsbereich 6 670 f. Clearing 6 658, 6 682 f. Clearingpflicht 6 664 Derivatekontrakte 6 671, s. dort Drittstaat 6 745 Durchführungsgesetzgebung 6 662 Europäisches Kapitalmarktrecht 6 661 finanzielle Gegenpartei 6 670 Finanztermingeschäfte 8 283 Gatekeeper 6 680 f. Gegenstand 6 667 Generalausnahme 6 677 Gleichwertigkeitsprüfung 6 745 Handelsplatz 6 684 Larosière-Bericht 6 659 Marktmissbrauch 6 658 markttransaktionsbezogene Pflichten 6 668 Meldepflichten 6 658, 6 678 MiFID II 6 663 Nachhandelsinfrastruktur 7 19, 7 187 Naming and Shaming 6 743 nationales Recht 6 665 öffentliche Schuldenverwaltung 6 677 Ordnungswidrigkeiten 8 309 organisationsbezogene Anforderungen 6 669 Regulierungsentwicklung 6 659 ff. Regulierungsziele 6 657 Sanktionen 6 741 Schadensersatz 6 744 Teilausnahmen 6 674 Transaktionsregister 6 658, 6 662, 6 670, 6 681, 7 197 f. Transparenzrisiko 6 657 Zentralbanken 6 677 zentrale Gegenparteien 6 662, 6 670, 6 680, 7 189, 7 192 zivilrechtliche Verstoßfolgen 6 744 Emissionsgeschäft 6 828 Organisationspflichten 7 86 Emissionsgeschäfte 8 79 f.

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Emissionshandel 8 112 Emissionszertifikate 8 69 Emittenten Beteiligungstransparenz 6 851 Folgepublizität 6 830 Wertpapierhandelsgesetz 8 107 Empfehlungen 8 170 Energiegroßhandelsprodukte 8 100 Energiesektor 8 113 enge Verbindung 8 96 Entschädigung 6 621 Erstreckungsregeln 8 333 Erwerbsangebot 6 919 ff. Ablauf des Angebotsverfahrens 6 924 Angebotsannahme 6 980 ff., s.a. dort Aufstockungsangebot 6 922 einfaches 6 920 ff. Einstiegsbeteiligung 6 922 Kontrollschwelle 6 936 ff., s.a. dort Pflichtangebot 6 928 ff., s.a. dort Teilangebot 6 923 Übernahmeangebot 6 926 f. ESMA algorithmischer Handel 7 76 Compliance-Funktion 7 50 Eingriffsbefugnisse 6 643, s.a. dort EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 563 Leerverkäufe 6 602 ff. EU-Basisinformationsblatt 8 179 EU-Benchmark-Verordnung s. Benchmark–VO EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 550 ff. Aktien 6 568 Anwendungsbereich 6 568 ff. Aufsicht 6 645 ff. Ausnahmen 6 625 ff. Auswirkungsprinzip 6 569 Beschränkungsregime 6 606 ff. Bußgeld 6 565 Credit Default Swaps 6 579 Datenschutz 6 646 Eingriffsbefugnisse 6 608, 6 636 ff., s.a. dort Einzelfallmaßnahmen 6 563 ESMA 6 563 ESMA-Leitlinien 6 648 fehlende Markttransparenz 6 552 Finanzinstrument 6 568 Finanzkrise 6 552 Finanztermingeschäfte 8 283 Gegenstand 6 567 Geheimnisschutz 6 646 Handelsplatz 6 568

Handelstag 6 584 Herkunftsmitgliedstaat 6 581 Informationsbeschaffung 6 645 Leerverkäufe 6 577 f., s.a. dort Leerverkäufe, ungedeckte s. dort Long-Positionen 6 587 Marktteilnehmer 6 567, 6 583 Mindestbefugnisse 6 645 Naming and Shaming 6 649 nationales Recht 6 562 Nichtigkeitssanktion 6 650 öffentliche Emittenten 6 580 öffentliche Schuldtitel 6 571 OTC-Derivate 6 570 f. Rechtsakte, konkretisierende 6 652 regulierungsbedürftige Risiken 6 552 Regulierungsdilemma 6 553 Regulierungsstufen 6 554 Regulierungsziele 6 555 Sanktionen 6 647 Schadensersatz 6 650 Short Selling Regulation 6 560 Short-Positionen 6 586 Spekulationseignung 6 552 Strafmaßnahmen 6 647 Transaktionen 6 576 Transparenzregime 6 554 Übergangsfrist 6 653 Verwaltungsbefugnisse 6 565 zentrale Gegenpartei 6 619 ff. zivilrechtliche Ansprüche 6 650 Zulassungsmarkt 6 569 Zusammenarbeit 6 646 zuständige Behörde 6 645 EU-OTC-Derivate-Verordnung s. EMIR EU-PRIIP-VO 8 179 ff. EU-VO Nr. 236/2012 6 550 ff., s.a. EU–Leerverkaufs–Verordnung Euribor 6 767 Eurokrise 6 552 Europäisches Kapitalmarktrecht 6 661 Europass 8 7 European Market Infrastructure Regulation s. EMIR Experteneinschätzung 6 800 F Fairness Opinion 6 1027 ff. Begriff 6 1027 Ersteller 6 1029 f. Form 6 1032 Haftung 6 1033 f. Inhalt 6 1031

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Zeitpunkt 6 1032 Zweck 6 1028 fehlende Markttransparenz 6 552 Festkontrakte 8 66 Festpreisgeschäfte 8 33 Bestmögliche Ausführung 7 99 Honoraranlageberatung 8 216 Financial Service Action Plan 6 831, 6 847 Finanzanalyse 8 48 Finanzberichte 8 291 Bilanzeid 6 842 Folgepublizität 6 830, s.a. dort Halbjahresfinanzbericht 6 839, 6 841 Holzeinschlag 6 836, 6 843 Jahresfinanzbericht 6 840 Kapitalmarktrecht 6 829 konsolidierte Fassung 6 844 Konzern 6 844 mineralgewinnende Industrie 6 843 Mutterunternehmen 6 844 Veröffentlichung 6 839 Zahlungsbericht 6 843 Zwischenlagebericht 6 841 Finanzberichterstattung 6 829 Finanzdienstleistungsinstitute 7 3 finanzielle Gegenpartei Derivatekontrakte 6 689 EMIR 6 670 gruppeninterne Geschäfte 6 700 Finanzierung 6 962 f. Finanzierungsbestätigung 6 1003 ff. Barangebot 6 1004 Bestätigungsgeber 6 1005 Form 6 1007 Haftung 6 1010 Haftungsausschluss 6 1011 Haftungsumfang 6 1012 Inhalt 6 1009 Rechtsfolgen 6 1010 Schadensersatz 6 1010 Voraussetzungen 6 1004 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 6 1005 Zeitpunkt 6 1008 Finanzinstitute 8 106 Finanzinstrumente 8 63 ff. Benchmark-VO 6 801 Beteiligungstransparenz 6 850 börsengehandelte Investmentvermögen 8 102 Derivate 8 65 ff., s.a. dort EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 568 Geldmarktinstrumente 8 64

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Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaat 8 91 Investmentvermögen 8 72 f. Schutz von Kundengeldern 7 113 standardisierte Informationspflichten 8 173 strukturierte Finanzprodukte 8 103 Wertpapierhandelsgesetz 8 49 Zertifikate 8 103 Finanzkommissionsgeschäft 7 99 Finanzkrise EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 552 OTC-Derivate 6 655 Finanzmarkt-Richtlinie 8 7 Finanzportfolioverwaltung Anlageleitlinien 8 212 Diversifikationsgebot 8 212 Freistellungen 8 213 Geeignetheitsprüfung, kontinuierliche 8 220 f. individuelle Informationspflichten 8 209 ff. nichtmonetäre Zuwendungen 8 219 Organisationspflichten 7 85 Spekulationsverbot 8 212 Vergütung 8 246 Verhaltenspflichten 8 218 ff. Wertpapierdienstleistungen 8 77, 8 81 Zuwendungen Dritter 8 218 ff. Finanzsicherheiten 6 763 Finanzstabilität 6 637 Finanztermingeschäfte 8 281 ff. Aufklärungspflichten 8 287 derivative Geschäfte 8 281 Differenzeinwand 8 284 EMIR 8 283 EU-Leerverkaufs-VO 8 283 Insolvenzfestigkeit der Abreden 8 287 ISDA-Regelwerke 8 286 Kapitalmarktregulierung 8 283 Nichtigkeit 8 284 öffentlichrechtliche Körperschaften 8 284 OTC-Derivate 8 283, 8 286 Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte 8 286 Terminbörsen 8 286 Umgehungsschutz 8 285 verbotene derivative Geschäfte 8 285 Wertpapierhandelsgesetz 8 48 Folgepublizität 6 830 ff., 8 24 Anwendungsbereich 6 838 Bekanntmachung 6 839 Berichtspflichten 6 835

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Beteiligungstransparenz 6 846 Bilanzrecht 6 835 Durchsetzung 6 845 Emittenten 6 830 Europarecht 6 831 Financial Service Action Plan 6 831 Finanzberichte 6 830, s.a. dort Grundstock an Informationen 6 833 Haftung 6 845 Halbjahresfinanzbericht 6 839 Inlandsemittenten 6 838 Jahresfinanzbericht 6 840 Rechnungslegungsinformationen 6 833 Schutzgesetz 6 845 Transparenzrichtlinie 6 831 Unternehmensregister 6 839 Verdichtung kapitalmarktrechtlicher Information 6 830 Veröffentlichung der Finanzberichte 6 839 Vertrauen der Anleger 6 832 Wertpapiermärkte 6 832 Zahlungsbericht 6 836 forwards 8 68 Frachtsätze 8 69 Free Cash Flow-Theorie 6 882 freie Berufe 8 112 Freistellungen Finanzportfolioverwaltung 8 213 individuelle Informationspflichten 8 193 ff. Freiverkehr 7 166 Front Running 7 62, 8 242 Frontoffice 7 132 FRUG Organisationspflichten 7 30 Schutz von Kundengeldern 7 112 Wertpapierhandelsgesetz 8 12 Funktionsauslagerung 7 81 ff. Administrator 7 129 Auslagerungsvereinbarung 7 82 Auswahl 7 82 Börsen 7 149 Compliance-Funktion 7 82 Drittland 7 82 Grenzen für die Auslagerungsfähigkeit 7 82 Haftung 7 83 harmonisierte Anforderungen 7 81 internationale Standardsetzung 7 81 interne Revision 7 82 kritische Funktionen 7 82 MaComp 7 81

MaRisk 7 81 qualifizierte Anforderungen 7 82 Überwachung 7 82 Verantwortung des auslagernden Unternehmens 7 82 zentrale Gegenparteien 7 191 Funktionsschutz 7 110 futures 8 68 G Gatekeeper 6 680 f. Geeignetheitsprüfung 8 177 Gegenpartei s.a. zentrale Gegenparteien Besicherungspflicht 6 738 Clearing 6 707, 6 715, 6 727 ff. Derivatekontrakte 6 689 Eigenkapitalpflicht 6 740 EMIR 6 670 EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 619 ff. finanzielle 6 670, 6 689 gruppeninterne Geschäfte 6 700 Leerverkäufe, ungedeckte 6 619 ff. nichtfinanzielle 6 690, 6 727 ff. tägliche Bewertung 6 737 zentrale 6 619 ff. Gegenparteien zentrale s. dort Geheimnisschutz 6 646 Geheimnisweitergabe 6 823 Geldmarktinstrumente 8 64 Gemeinschaftsdepot 8 325 Gesamtpreis 8 174 Geschäftsleiter 7 36 Gesprächsprotokolle 7 110 Gewährleistungserklärung 6 1013 ff. Erklärungsgeber 6 1015 Form 6 1017 Inhalt 6 1016 Minderheitsaktionäre 6 1014 Rechtsfolgen 6 1018 Voraussetzungen 6 1014 Zahlungsanspruch 6 1018 Zahlungsversprechen 6 1013 Gleichbehandlungsgebot 6 911 Gleichwertigkeitsprüfung 6 745 Gruppen 8 95 gruppeninterne Geschäfte Besicherungspflicht 6 739 Clearing 6 698 ff., 6 710 finanzielle Gegenpartei 6 700 Gegenpartei 6 700 OTC-Derivate 6 698 ff. Gruppenmitglieder 8 95

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H Haftung Ad-hoc-Publizität 8 258 ff. alternative Handelsplätze 7 168 Angebotsunterlage 6 968 f. Aufzeichnungspflichten 7 110 Bestmögliche Ausführung 7 96 Börsen 7 147 Defense Manual 6 1026 Dokumentationspflichten 8 275 Fairness Opinion 6 1033 f. Finanzierungsbestätigung 6 1010 Folgepublizität 6 845 Funktionsauslagerung 7 83 Haftungsmodalitäten 8 264 ff., s.a. dort Interessenkonflikte 7 67 Organisationsanforderungen 8 274 Organisationspflichten 7 38, 7 41 Schutz von Kundengeldern 7 114 Trenngebote 8 276 Verjährung 8 277 ff. Wohlverhaltensregeln 8 273 ff. Haftungsdach 7 80 Haftungsmodalitäten 8 264 ff. deliktische Haftung 8 270 f. Differenzschaden 8 266 einzelfallbezogene konkrete Anlagestimmung 8 271 Emittentenhaftung 8 272 Erstattung des Kaufpreises 8 266 Haftungsmaßstab 8 264 Kausalität 8 265 konkurrierende Ansprüche 8 268 Organhaftung 8 272 professionelle Sorgfaltsanforderungen 8 264 Prospekthaftung 8 269 Verjährung 8 267 Halbjahresfinanzbericht Finanzberichte 6 841 Folgepublizität 6 839 Handelsinfrastruktur 7 4, 7 22 f. alternative Handelsplätze 7 162 ff., s.a. dort alternative Marktplätze 7 22 Börsen 7 4, s.a. dort Börsengeschäftsführung 7 142 Börsengesetz 7 26, 7 141 Börsenrat 7 142 börsenrechtliche Erlaubnis 7 142 Demutualisierung 7 16 Derivatehandel 7 179 ff., s.a. dort Effizienz 7 12

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Freiverkehr 7 4 Handelsplatz 7 4 Handelstransparenz 7 11 Handelsüberwachungsstelle 7 142 mittelbare Ansteckungsrisiken 7 18 Mutualisierung 7 16 operationelle Risiken 7 17 Organisationspflichten 7 22 prudenziell-institutsbezogene Risikomanagementpflichten 7 17 Regulierungsziele 7 11 Sanktionsausschuss 7 142 Wertpapierbörsen 7 13 Handelsplatz Bestmögliche Ausführung 7 100, 7 105 Clearing 6 719 Derivatehandel 7 180 Eigenkapitalinstrumente 7 174 EMIR 6 684 EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 568 Handelsinfrastruktur 7 4 Herkunftsmitgliedstaat 6 581 Leerverkäufe 6 595 MiFIR 7 170 Nichteigenkapitalinstrumente 7 174 Transparenz 7 170 ff. Wertpapierhandelsgesetz 8 89 ff. Zugang 7 186 Handelstag 6 584 Handelsüberwachungsstelle 7 142 Haussammelverwahrung 8 338 Hausverwahrung 8 326 f. Hedging 6 729 Herausgabeansprüche 8 344 f. Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaat 8 91 ff. Emittenten 8 91 Finanzinstrumente 8 91 Inlandsemittenten 8 91 multilaterales Handelssystem 8 93 organisiertes Handelssystem 8 93 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 8 92 Herkunftslandkontrolle 8 7 Herkunftslandprinzip internationaler Anwendungsbereich 7 25 Organisationspflichten 7 24 Qualifikationsanforderungen für Mitarbeiter 7 121 Herkunftsmitgliedstaat EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 581 Handelsplatz 6 581 Kreditinstitute 6 581

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Hinterleger Drittverwahrung 8 329 Sammelverwahrung 8 338 Hinterlegungsscheine 8 101 Hochfrequenzhandel 7 159, s.a. algorithmischer Handel Wertpapierdienstleistungen 8 84 Holzeinschlag 6 836, 6 843 Honoraranlageberatung Bezeichnungsschutz 8 215 Dualität der Möglichkeiten 8 216 Festpreisgeschäft 8 216 hinreichend breites Angebot 8 217 Informationspflicht 7 85 Interessenkonflikte 8 216 Kautelen 8 215 ff. Neutralitätspflichten 8 214 ff. Organisationspflichten 7 85 Qualitätssiegel 8 214 standardisierte Informationspflichten 8 177 Vergütung 8 246 Verhaltenspflichten 8 214 ff. Vertriebsvorgaben 7 85 Zuwendungen 7 85 Zuwendungen Dritter 8 216 I Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge 8 229 f. Index-Anbieter 6 791 Individualschutz 7 110 individuelle Informationspflichten 8 185 ff. Angaben des Kunden 8 196 Angemessenheit 8 191 Anlageziele des Kunden 8 201 Anlagezweck des Kunden 8 201 Aufbauregime 8 198 ff. Basisregime 8 189 ff. Benchmarks 8 211 beratungslose Finanzdienstleistungen 8 189 ff. finanzielle Risikotragfähigkeit des Kunden 8 200 Finanzportfolioverwaltung 8 209 ff. Freistellungen 8 193 ff. Geeignetheit 8 208 grob fahrlässige Nichterkennung 8 196 hinreichende Kenntnisse 8 195 hohe professionelle Standards 8 204 Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge 8 229 f. Informationsbereitstellung 8 205 ff.

Informationserhebung zum Anlageinstrument 8 203 f. Informationserhebung zum Kunden 8 198 ff. Kenntnisse des Kunden 8 199 know your customer 8 198 nichtkomplexe Geschäfte 8 193 professionelle Anleger 8 195 Prospektangaben 8 204 Reaktionsmöglichkeiten 8 192, 8 208 Standard 8 189 ff. suitability 8 208 Veranlassung des Kunden 8 194 Verständnisfähigkeit 8 207 Wertpapiererhebungsbögen 8 202 zweckdienliche Informationen 8 206 Indizes 6 795 Derivate 8 69 Inducements 8 243 ff., 8 245 Inflationsraten 8 69 Informationen 7 47 Informationsbarrieren 7 65 Informationsmanagement 7 48 Informationspflichten 8 18 Informationsregeln 8 129 Inlandsemittenten Folgepublizität 6 838 Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaat 8 91 Innenprovisionen 8 249 Innenrevision 7 35 Insiderinformationen 7 60, s.a. Ad–hoc– Publizität Insiderverbote Empfehlung 8 300 Insiderhandel 8 298 f. Kapitalmarktrecht 8 18 Leichtfertigkeit 8 299 Sanktionen 8 298 ff. Sanktionen, zivilrechtliche 8 305 ff. Sekundärinsider 8 300 Weitergabe 8 300 Wertpapierhandelsgesetz 8 24 Insolvenz Depotgeschäft 8 282 ff., 8 316 Sammelverwahrung 8 347 Interessenkonflikte 8 144 ff. Ablaufinformation 7 60 Ablauforganisation 7 64, 7 66 Administrator 7 126 Anlageempfehlungen 7 118 Aufbauinformation 7 60 Aufbauorganisation 7 64 f.

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Beobachtungsliste 7 66 bereichsübergreifender Informationsfluss 7 66 Börsen 7 149 Chinese Walls 7 65 Churning 7 62 Compliance-Funktion 7 59 Conflict Clearing 7 63 Conflict of Interest Policy 7 64 Datenbank 7 62 Deal Logging 7 63 Dokumentation 7 62 einzelfallbezogene Analyse 7 63 Erkennung 7 62 Front Running 7 62 Geschäftsaktivitäten 7 62 Haftung 7 67 Honoraranlageberatung 8 216 Informationsbarrieren 7 65 Insiderinformationen 7 60 Interessenkonfliktmanagement 7 64 Interessenwahrungspflicht 8 147 internationale Standards 7 59 Konfliktarten 8 149 Konfliktminimierung 8 148 Konfliktvermeidungsmittel 8 150 ff., s.a. dort Kontributoren 7 138 Kundenbezug 7 59 laufende Transaktionserfassung 7 63 Maßnahmen 7 64 Matrix 7 62 Meldepflichten 7 66 Minimierungsgebot 8 144 f. Organisationspflichten 7 36, 7 47, 7 59 ff. Prävention 8 146 präventive Abwendung 7 59 Prinzipal-Agent-Konflikt 7 60 Rechtsgrundlage 7 61 Restricted List 7 66 Scalping 7 62 Schutzziel 7 60 Screening 7 62 Sperrliste 7 66 Supra-Chinese-Wall-Status 7 65 Überwachung 7 64, 7 66 Unternehmensgruppen 7 64 unternehmensinterne Grundsätze 7 64 Verfahren 7 64 Vergütung 8 246 Vergütungsmodelle 7 64 Verhinderung unsachgemäßer Einflussnahme 7 64

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Vertraulichkeitsbereiche 7 65 Vertriebsvorgaben 7 69 Wall Crossing 7 66 Watch Lists 7 66 Wertpapierhandelsgesetz 8 38 Wissenszurechnung 7 68 Wohlverhaltensregeln 7 59 zentrale Gegenparteien 7 191 Zumutbarkeitsgrenze 8 148 Interessenkonfliktmanagement 7 64 Interessenwahrungsgebot 6 913 Interessenwahrungspflicht 8 128, 8 132 ff. Eigenhandel 8 139 Eigeninteresse 8 134, 8 137 Interesse Dritter 8 137 Interessenkonflikte 8 147 Kundeninteresse 8 135 f. Scalping 8 139 zentrale Gegenparteien 6 748 Intermediäre 7 1, 7 3, 7 21 Corporate Governance 7 8 MiFID II-DurchführungsVO 7 21 Organisationspflichten 7 21 Rechtsquellen 7 21 Wertpapierhandelsgesetz 8 24 Interoperabilitätsvereinbarungen 7 195 f. Investment Banking Kapitalmarktrecht 6 827 Sondergefahren 6 550 Übernahmerecht 6 868, s.a. dort Investmentbanken 6 872 Investmentfonds Benchmark-VO 6 801 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 8 112 Investmentvermögen 8 72 f. IOSCO Administrator 7 123 Benchmark-VO 6 774 Compliance-Funktion 7 53 Derivatehandel 7 180 Kontributoren 7 136 Irreführungseignung 8 166 ISDA-Regelwerke 8 286 J Jahresfinanzbericht 6 840 K Kapitalmarktinfrastruktur 7 4, 7 11 ff., 7 22 f. Anbieter von Intermediationsleistungen 78

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Handelsinfrastruktur 7 4, 7 11 ff., 7 22 f., s.a. dort Nachhandelsinfrastruktur 7 5, s.a. dort Kapitalmarktrecht 8 16 ff. Ad-hoc-Publizität 8 18, s.a. dort Begriff 8 17 f. Benchmark 6 829 Benchmark-VO s. dort Beteiligungstransparenz 6 829, 6 846 ff., s.a. dort Datenbereitstellungsdienste 6 829 Dokumentation 8 19 EMIR s. dort Emissionsgeschäft 6 828 EU-Leerverkaufs-Verordnung s. dort Finanzberichte 6 829, s.a. dort Finanzdienstleistungsinstitute 7 3 Folgepublizität 6 830 ff., s.a. dort funktionaler Ansatz 7 2 Informationspflichten 8 18 Insiderverbote 8 18 Intermediäre 7 3 Investment Banking 6 827 Kapitalmarktinfrastruktur 7 4, s.a. dort Konvergenz der organisationsrechtlichen Vorgaben 7 2 Kreditinstitute 7 3 Leerverkäufe 6 829 Marktbetreiber 6 829 Marktmissbrauchsrecht 6 829 Organisationspflichten 8 18 OTC-Derivate 6 829 Primärmarktrecht 6 828 Ratingagenturen 6 829 Reduktion von Ausfallrisiken 7 10 Sekundärmarktrecht 6 829, 8 20 Sicherung der Finanzstabilität 7 10 Übernahmerecht 6 867 ff., s.a. dort Warenderivate 6 829 Wertpapierdienstleister 6 829 Wertpapierdienstleistung 6 828 Kapitalmarktregulierung 8 283 Kettenzurechnung 6 857 Kick-back 8 244 ff., 8 248 ff. Kleinanleger standardisierte Informationspflichten 8 182 Wertpapierhandelsgesetz 8 37 Klimavariable 8 69 KMU 8 107 know your customer 8 198 Konfliktvermeidungsmittel 8 150 ff. Ablehnung der Kundenorder 8 157

Aufklärung 8 154 f. Chinese Walls 8 152 Entscheidungsmacht 8 153 Erkennungsanstrengungen 8 153 Gestaltung der Vergütung 8 153 Gleichbehandlungsgrundsatz 8 156 Informationsmacht 8 152 Organisation 8 151 Scalping 8 155 Konformitätserklärungen 7 140 konnexe Forderungen 8 330 Kontenführung 7 113 Kontrahierungszwang 7 176, 7 178 Kontributoren 7 135 ff. Administrator 7 136 beaufsichtigte 7 136 Eingabedaten 7 137 Interessenkonflikte 7 138 IOSCO 7 136 Kontrolle 7 138 Referenzwertermittlung 7 136 Technische Regulierungsstandards 7 137 Unternehmensführung 7 138 Verhaltenskodex 7 137 Wheatley-Report 7 136 Kontrollerwerb 6 928 Kontrollmacht 8 96 Kontrollmechanismen 7 45 Kontrollrahmen 7 128 Kontrollschwelle 6 936 ff. Begriff 6 937 Halten von Stimmrechten 6 939 Stimmrechtsanteil 6 940 Zielgesellschaft 6 938 Zurechnung s. dort Zurechnungsschranken 6 954 ff. Zurechnungstatbestände 6 941 ff. Kontrollverfahren 7 118 Konzern Beherrschungsvertrag 6 990 faktischer 6 989 Finanzberichte 6 844 Unternehmenstransaktionen 6 988 ff. Kredit-/Ausfallrisiko 6 657 Kreditinstitute Derivatekontrakte 6 689 Herkunftsmitgliedstaat 6 581 Kapitalmarktrecht 7 3 Organisationspflichten 7 32 Kreditrisiken 8 70 f. Kreditverträge 6 801 Kunden 8 232 ff. Absenkung der Schutzstandards 8 234

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geeignete Gegenparteien 8 234 Kundengruppen 8 233 Privatkunde 8 233 professionelle Kunden 8 233 f. Wechsel des Status 8 235 Kundeninteressenwahrung 8 158 ff. Konfliktvermeidungspflicht 8 158 Organisationsregeln 8 158 Produktgovernance 8 160 ff., s.a. dort Produktzuschnitt 8 160 ff. Vergütungspolitik 8 158 f. Kundenweisungen 7 103 Kurspflegeprogramme 6 632 Kursstabilisierung 6 859 Kursverfall 6 641 Kurswahrheit 7 157 L Larosière-Bericht 6 659 Leerverkäufe Aufsicht 6 645 ff. Begriff 6 577 Berechnung 6 588 ff. Credit Default Swaps 6 579 Derivate 8 70 Drittland 6 625 f. Eigentum 6 577 Eingriffsbefugnisse 6 636 ff., s.a. dort ESMA 6 602 ff. EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 550 ff., 6 577 f., s.a. dort Funktionen 6 553 gedeckte 6 607 Handelsplatz 6 595 Haupthandelsplatz in Drittländern 6 625 f. Kapitalmarktrecht 6 829 Kurspflegeprogramme 6 632 Long-Positionen 6 587 Market-Maker 6 627 ff. Marktmanipulation 6 556 f., 6 649 Meldepflichten 6 599 f. Meldeverfahren 6 602 ff. Meldung 6 596 Nachteile 6 556 Offenlegung 6 596 Offenlegungsverfahren 6 602 ff. Primärhändler 6 631 Regulierungsentwicklung 6 558 ff. Rückkaufprogramme 6 632 Schwellenanpassung 6 598 Short-Position 6 578 Short-Positionen 6 586

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signifikante 6 599 Stabilitätsrisiken 6 556 Strafbewehrung 6 649 Terminkontrakte 6 578 Transparenzregime 6 594 ungedeckte 6 554, 6 607, s.a. Leerverkäufe, ungedeckte Wertpapierhandelsgesetz 8 119 Wertpapierleihen 6 578 Wertpapierpensionsgeschäft 6 578 Wirkungen 6 555 wirtschaftliches Risiko 6 577 Leerverkäufe, ungedeckte 6 554, 6 607 Absicherung 6 609 ff. Absicherungsausnahme 6 615 Abwicklungsvorkehrung durch Dritte 6 612 Aktien 6 614 Begriff 6 609 Behördenentscheidung 6 616 Clearingdienste 6 623 Durchführungsverordnung 6 611 Eindeckungsverfahren 6 620 Eindeckungsvorkehrungen 6 613 Einzelfallausnahme 6 616 Entschädigung 6 621 Erstattung 6 622 Geschäftstypen 6 611 Leihvereinbarung 6 611 Liquiditätsengpass 6 616 Long-Position, stark korrelierende 6 615 öffentliche Schuldtitel 6 613 Strafzahlungen 6 623 Übergang der Verfügungsbefugnis 6 611 Unmöglichkeit 6 621 Verluste 6 621 Vertragsstrafe 6 623 Wertpapierleihe 6 610 zentrale Gegenpartei 6 619 ff. Leihvereinbarung 6 611 Leitungsorgane 6 802 Libor 6 767 Libor-/Euriborkrise 6 766 liquider Markt 8 94 Liquiditätsengpass 6 616 Londoner City Code 6 894 Long-Positionen 6 587 M MaComp Bestmögliche Ausführung 7 93 Funktionsauslagerung 7 81 Organisationspflichten 7 44, 7 48

Register

Mandatsvereinbarung 6 996 margins 7 194 MaRisk Funktionsauslagerung 7 81 Organisationspflichten 7 32 Market Abuse Directive II 8 293 Market-Maker algorithmischer Handel 7 77 Ausnahmeverfahren 6 633 f. Begriff 6 629 Beteiligungstransparenz 6 859 Börsen 7 160 Direktzugang 6 629 Drittland 6 630 Eingriffsbefugnisse 6 639 Informationspflicht 6 635 Leerverkäufe 6 627 ff. Liquiditätsbereitstellung 6 629 Wertpapierdienstleistungen 8 83 Marktbetreiber 6 829 Marktfunktionalität 6 618 Marktintegrität 6 771 Marktmanipulation algorithmischer Handel 7 76 Leerverkäufe 6 649 Marktmanipulationsverbote Sanktionen 8 295 f. Sanktionen, zivilrechtliche 8 305 ff. Wertpapierhandelsgesetz 8 24 Marktmissbrauch EMIR 6 658 Sanktionen 8 294 ff. Marktmissbrauchsrecht 6 829 Marktmissbrauchsüberwachung 8 116 Marktmissbrauchsverordnung Anlageempfehlungen 7 116 Wertpapierhandelsgesetz 8 36 Marktteilnehmer 6 567, 6 583, 7 1 Marktvertrauen 6 637 Marktverzerrungen 6 915 Matched Principal Trading 8 97 Meldepflichten Beteiligungstransparenz 6 854 Clearing 6 720 Credit Default Swaps 6 601 Derivatekontrakte 6 722 Eingriffsbefugnisse 6 638 EMIR 6 658, 6 678 Interessenkonflikte 7 66 Leerverkäufe 6 599 f. Unternehmensanleihen 6 638 Mergers and Acquisitions 6 868, 6 875, s.a. Unternehmenstransaktionen

MiFID I Sekundärmarktrecht 8 23 Wertpapierhandelsgesetz 8 7 MiFID II Anlageempfehlungen 7 116 Aufzeichnungspflichten 7 107, 7 108 Bestmögliche Ausführung 7 92 Börsen 7 145 Durchführungs-Rechtsakte 8 11 EMIR 6 663 MiFIR 8 9 Ordnungswidrigkeiten 8 309 Organisationspflichten 7 28 Schutz von Kundengeldern 7 112 Sekundärmarktrecht 8 23 Vergütung 8 244 Wertpapierhandelsgesetz 8 8 Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz 8 13 MiFID II-DurchführungsVO 7 21 MiFIR Clearingsysteme 7 184 Derivatehandel 7 179 Handelsplatz 7 170 Ordnungswidrigkeiten 8 309 systematische Internalisierer 7 175 Minderheitsaktionäre Ausschluss 6 991 f. Gewährleistungserklärung 6 1014 Unternehmenstransaktionen 6 888 Mindestpreisänderungsgrößen 7 145 mineralgewinnende Industrie 6 836, 6 843 Minimierungsgebot 8 144 f. Mistrades 7 157 Miteigentum 8 340, 8 372 Mitteilungspflichten 6 851 f. Monitoring 7 56 multilaterales Handelssystem 7 4, 7 164, 7 169, s.a. Handelsplatz Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaat 8 93 Wertpapierhandelsgesetz 8 89 Mutterunternehmen Beteiligungstransparenz 6 856 Finanzberichte 6 844 Mutualisierung 7 16 N Nachhandelsinformation 8 222 Nachhandelsinfrastruktur 7 5, 7 19 ff. Binnenmarkt für Kapitalmarktgeschäfte 7 19 CSDR 7 19

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Datenbereitstellungsdienste 7 5 Derivateclearing 7 187 ff. Effizienz 7 19 EG-Finalitäts-Richtlinie 7 20 EMIR 7 19, 7 187 grenzüberschreitende Integration 7 19 Organisationspflichten 7 23 Transaktionsregister 7 5 zentrale Gegenparteien 7 5, 7 188 ff., s.a. dort Zentralverwahrer 7 5 Nachhandelsphase Börsenorganisation 7 154 naked short-sales 6 609 Naming and Shaming Beteiligungstransparenz 6 864 EMIR 6 743 EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 649 zentrale Gegenparteien 6 758 Nichteigenkapitalinstrumente 7 174 Nichterfüllung 6 623 Nichtigkeitssanktion 6 650 no-tender-agreements 6 999 Notfallplanung 7 128 Notfallsysteme 7 49 O Offenlegungspflichten 6 757 öffentliche Emittenten 6 580 öffentliche Schuldtitel Credit Default Swaps 6 591 f., 6 617 EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 571 Leerverkäufe, ungedeckte 6 613 öffentliche Übernahme 6 877 Omnibus-Kunden-Trennung 6 759, 6 761 operationelles Risiko 6 657 Optionsrechte 8 66 Ordnungslösung 6 769 Ordnungswidrigkeiten Aufzeichnungspflichten 7 110 Bestmögliche Ausführung 7 96 Beteiligungstransparenz 6 864 Organisationspflichten 7 38 Schutz von Kundengeldern 7 114 Wertpapierhandelsgesetz 8 308 f. Organisationspflichten 8 122 ff. Administrator 7 122 ff., s.a. dort akzessorische Bedeutung 7 43 algorithmischer Handel 7 76 ff., s.a. dort allgemeine 7 36 allgemeine kapitalmarktrechtliche 7 44 ff. Anlageempfehlungen 7 115 ff., s.a. dort Aufklärungspflichten 7 47

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Aufzeichnungspflichten 7 106 ff., s.a. dort Auslagerung von Funktionen 7 36 BaFin 7 38 Bankaufsichtsrecht 7 29 bankaufsichtsrechtliche 7 32, 7 50 Benchmark-VO 7 122 ff. Berichterstattung 7 45 Beschwerdemanagement 7 75 Bestmögliche Ausführung 7 91 ff., s.a. dort Börsengesetz 7 26 Compliance 7 36 Compliance-Funktion 7 50 ff., s.a. dort Datensicherung 7 49 Dienstleistungen unter Einbeziehung Dritter 7 79 f. Dokumentation 7 45 Eigenplatzierung 7 86 Emissionsgeschäft 7 86 ergänzende 7 84 ff. externe Eingriffe 7 49 Finanzportfolioverwaltung 7 85 Flexibilisierung 7 37 FRUG 7 30 Funktionsauslagerung 7 81 ff., s.a. dort Geschäftsleiter 7 36 Geschäftsleiterverantwortung 7 89 f. Grundlagen für den Geschäftsbetrieb 7 45 Haftung, vertragliche 7 41 Haftung, zivilrechtliche 7 38 Haftungsdach 7 80 Handelsinfrastruktur 7 22, 7 141 ff., s.a. dort Herkunftslandprinzip 7 24 Honoraranlageberatung 7 85 Informationen 7 47 Informationsmanagement 7 48 Innenrevision 7 35 Interessenkonflikte 7 36, 7 47, 7 59 ff., s.a. dort Intermediäre 7 21, 7 27 ff. Kapitalmarktrecht 8 18 kapitalmarktrechtliche 7 32 Kontinuität 7 49 Kontributoren 7 135 ff., s.a. dort Kontrollmechanismen 7 45 Kreditinstitute 7 32 MaComp 7 44, 7 48 MaRisk 7 32 MiFID II 7 28 Nachhandelsinfrastruktur 7 23 Notfallsysteme 7 49

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Ordnungswidrigkeiten 7 38 Organisationsverschulden 7 41 organisatorische Segregation 7 85 persönliche Geschäfte 7 70 ff., s.a. dort physische Gefahren 7 49 Platzierungsgeschäft 7 86 prinzipienbasierte Regulierung 7 37 Produktfreigabeverfahren 7 87 f. Produktgovernance 7 87 f. prozedurales Regulierungskonzept 7 39 Qualifikation der Mitarbeiter 7 45 Qualifikationsanforderungen für Mitarbeiter 7 119 ff., s.a. dort Rechnungslegung 7 46 rechtmäßige Erbringung der Wertpapierdienstleistungen 7 44 Referenzwertarten 7 139 f. Referenzwertermittlung 7 130 ff., s.a. dort Risikomanagement 7 35 Sanktionen 7 38 Schutz von Kundengeldern 7 111 ff., s.a. dort Schutzgesetze 7 40 Systemstabilität 7 33 Überschneidungen 7 34 Verordnung (EU) 2016/1011 7 122 ff. vertraglich gebundene Vermittler 7 80 Vertraulichkeit der Informationen 7 47 Vertriebsvorgaben 7 69 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 7 29 Wertpapierfirmen 7 29, 7 32 Wertpapierhandelsgesetz 7 27 Wissenszurechnung 7 41 Organisationsverschulden 7 41 organisierter Markt 8 89 organisiertes Handelssystem 7 4, 7 164, 7 169, s.a. Handelsplatz Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaat 8 93 Wertpapierhandelsgesetz 8 89 OTC-Derivate 6 550 Aufsichtsarbitrage 6 732 central counterparties 6 656 Clearing 6 703 ff., 6 706, s.a. dort Derivatekontrakte 6 685, s.a. dort Eigenkapitalpflicht 6 740 EU-Derivate-Verordnung 6 654 ff. EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 570 f. Europäisches Kapitalmarktrecht 6 661 Finanzkrise 6 655 Finanztermingeschäfte 8 283, 8 286

geregelter Markt 6 687 gruppeninterne Geschäfte 6 698 ff. Kapitalmarktrecht 6 829 kein Clearing 6 731 Kontraktbedingungen 6 733 Kredit-/Ausfallrisiko 6 657 Minimalpflicht 6 733 operationelles Risiko 6 657 Portfolioabgleich 6 734 Portfoliokomprimierung 6 736 Regelungsentwicklung 6 659 Risikobeobachtung 6 735 Risikokanalisierungspflichten 6 734 Risikominimierung 6 731 ff. Streitschlichtung 6 735 systemisches Risiko 6 657 tägliche Bewertung 6 737 Outsourcing s. Funktionsauslagerung P Paketerwerb 6 877 Parallelerwerb 6 953 persönliche Geschäfte 7 70 ff. Dokumentation 7 74 einzelne Pflichten 7 74 Leitsätze für Mitarbeitergeschäfte 7 70 Meldeverfahren 7 74 Mitarbeiter 7 73 Regelungsziel 7 71 relevante Akteure 7 72 Weitergabe von Informationen 7 74 Pfandrechte Drittverwahrung 8 330 Einkaufskommission 8 375 Sammelverwahrung 8 349 ff. Pflichtangebot 6 928 ff. Adressat 6 930 Angebotspflicht 6 933 Angebotsunterlage 6 934 Angebotsunterlage, Veröffentlichung der 6 935 BaFin 6 934 Kontrollerwerb 6 928 mittelbare Kontrollerlangung 6 931 Pflichtveröffentlichungsverfahren 6 932 Veröffentlichung des Kontrollerwerbs 6 929 Pflichtveröffentlichungsverfahren 6 932 physische Gefahren 7 49 Platzierungsgeschäft 7 86 Portfolioabgleich 6 734 Portfoliokomprimierung 6 736 Positionslimits 8 120

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Post-Trading 7 5 Preisaufschlüsselung 6 756 Presse 6 788 PRIIP standardisierte Informationspflichten 8 179 ff. Wertpapierhandelsgesetz 8 109 Primärhändler Ausnahmeverfahren 6 633 f. Eingriffsbefugnisse 6 639 Informationspflicht 6 635 Leerverkäufe 6 631 Primärmarktrecht 6 828 Prinzipal-Agent-Konflikt Interessenkonflikte 7 60 PRIP Wertpapierhandelsgesetz 8 109 Privatkunden 8 233 Bestmögliche Ausführung 7 100 Produktfreigabeverfahren 7 87 f. Produktgovernance 8 160 ff. Informationsbasis 8 162 Organisationspflichten 7 87 f. Rückkopplung 8 164 Vertriebsphase 8 161 Zielmarkt 8 161 Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Vertrieb 8 163 professionelle Kunden 8 233 f. gekorene 8 235 Prospekte 6 815 Prospekthaftung 8 269 Prüfer 6 800 Publizitätsanforderungen 8 118 Q Qualifikationsanforderungen für Mitarbeiter 7 119 ff. Herkunftslandprinzip 7 121 Überwachungsaufgaben 7 121 Wertpapierhandelsgesetz 7 119 WpHGMaAnzV 7 120 Qualitätssiegel 8 214 R Ratingagenturen 6 829 Rechenschaftslegung 7 129 Rechenschaftspflicht 7 102 Rechnungslegung 7 46 Rechnungslegungsinformationen 6 833 Redlichkeit 8 166 Referenzwert-Erklärung 6 807 ff. Bereitstellung 6 808

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Frist 6 808 Inhalt 6 809 Schadensersatz 6 810 Zweck 6 807 Referenzwert-Familie 6 795 Referenzwerte 6 795 Aberkennungsgründe 6 817 Administratoren 6 816, 6 821 ff., s.a. dort Akteure 6 796 Änderung 6 811 Arten 6 803 Drittland 6 816 Drittland-Administratoren 6 816 ff. Eingabedaten 6 798 f. Einstellung 6 811 Erstellungsprozess 6 798 Experteneinschätzung 6 800 Kontrolle über Bereitstellung 6 796 kritische 6 803 nicht signifikante 6 803 Präventivpflichten 6 811 Prospekte 6 815 Prüfer 6 800 Referenzwert-Erklärung 6 807 ff., s.a. dort Referenzwert-Familie 6 795 Referenzzinssätze 6 803 Registrierung 6 814 regulierte Daten 6 803 Rohstoffreferenzwerte 6 803 signifikante 6 803 Stufen 6 803 Übernahme 6 819 Verwendung 6 797, 6 813 ff. Verwendungsschranken 6 814 f. Referenzwertermittlung 7 130 ff. Ablauforganisation 7 131 Eingabedaten 7 132 Frontoffice 7 132 Konformitätserklärungen 7 140 Kontributoren 7 136, s.a. dort kritische Referenzwerte 7 140 Qualitätsstandards 7 133 Referenzwertarten 7 139 f. Rerefenzwerte aus regulierten Daten 7 132 Rohstoff-Referenzwerte 7 140 signifikante Referenzwerte 7 140 Technische Regulierungsstandards 7 133 Transaktionsdaten 7 132 Transparenzpflichten 7 133

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Überwachung 7 134 Verhaltenskodex 7 137 Referenzzinssätze 6 803 Registrierung 6 814 regulierungsbedürftige Risiken 6 552 Regulierungsdilemma 6 553 Regulierungsstufen 6 554 Regulierungsziele 6 555 Restricted List 7 66 Risikoausschuss 7 191 Risikokanalisierungspflichten 6 734 Risikomanagement Börsen 7 149 Handelsinfrastruktur 7 17 Organisationspflichten 7 35 zentrale Gegenparteien 7 193 Risikosteuerung 7 128 Rohdaten 6 794 Rohstoffreferenzwerte Benchmark-VO 6 791 Referenzwerte 6 803 Rückkaufprogramme 6 632 Rückvergütungen 8 245, 8 248 ff. S Sammelverwahrer 8 322 Sammelverwahrung 8 332 ff. Besitzverhältnisse 8 343 Dreipersonenverhältnis 8 349 ff. Effektengiro 8 346 Eigensammelverwahrung 8 338 Eigentumsverhältnisse 8 342 Erstreckungsregeln 8 333 gleiche Rechte 8 334 Gleichwertigkeit im Schutz 8 347 grenzüberschreitender Effektengiro 8 346 Haussammelverwahrung 8 338 Herausgabeansprüche 8 344 f. Hinterleger 8 338 Hinterlegungsgegenstände 8 339 Insolvenz 8 347 mehrstufiges Verwahrverhältnis 8 344 Miteigentum 8 340, 8 372 Quote 8 342 Rechtsverhältnisse 8 341 ff. Sammeldepot 8 335 Sammelurkunde 8 334 Schadensersatz 8 345 Tauschverwahrung 8 348 Treuhänder 8 343 Verfügung 8 371 f. Verpfändung 8 349, 8 349 ff. Voraussetzungen 8 337 ff.

Wertpapiersammelbanken 8 337, 8 347 Zulässigkeit 8 336 ff. Sanktionen Administratoren 6 823 Aufzeichnungspflichten 7 110 Bestmögliche Ausführung 7 96 EMIR 6 741 EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 647 Insiderverbote 8 298 ff., s.a. dort internationale Sachverhalte 8 303 Market Abuse Directive II 8 293 Marktmanipulationsverbote 8 295 f. Marktmissbrauch 8 294 ff. Marktmissbrauchs-Richtlinie 8 293 Milderungen 8 301 Organisationspflichten 7 38 Schärfungen 8 301 Schutz von Kundengeldern 7 114 Strafrecht Allgemeiner Teil 8 302 Treibhausemissionszertifikate 8 297 Übernahmerecht 6 918 Verhaltenspflichten 8 223 ff. Versuch 8 301 Wertpapierhandelsgesetz 8 292 ff. Wohlverhaltensregeln 8 223 ff. Sanktionsausschuss 7 142 Satzungssitz 6 907 Scalping 7 62, 8 139, 8 155 Schadensersatz Benchmark-VO 6 782 EMIR 6 744 EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 650 Finanzierungsbestätigung 6 1010 Referenzwert-Erklärung 6 810 Sammelverwahrung 8 345 Schiedsvereinbarungen 8 288 f. Schuldenverwaltung 8 112 Schutz von Kundengeldern 7 111 ff. Beauftragte 7 113 Finanzinstrumente 7 113 FRUG 7 112 Haftung 7 114 Kontenführung 7 113 MiFID II 7 112 Nutzung der Finanzinstrumente 7 113 Nutzung von Kundengeldern 7 113 Obergrenzen 7 113 Ordnungswidrigkeiten 7 114 Sanktionen 7 114 Verwahrung 7 113 Vorkehrungen 7 113 Wertpapierhandelsgesetz 7 111 Schutzgesetze 7 40

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Schwellenanpassung 6 598 Screening 7 62 Sekundärinsider 8 300 Sekundärmarktrecht 6 829 Europäisches 8 22 Kapitaladäquanz-Richtlinie 8 23 MiFID I 8 23 MiFID II 8 23 Wertpapierhandelsgesetz 8 20 Selbstauskunft 8 226 ff. Share Deal 6 877 Short Selling Regulation 6 560 Short-Positionen EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 586 Leerverkäufe 6 578 Sicherheitsleistungen 7 153 Sittenwidrigkeit 6 781 Skalenerträge 8 37 soft commissions 8 247 Solvenzaufsicht 8 7 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte 8 26, 8 29 ff. Bestmögliche Ausführung 7 99 Depotrecht 8 317 Sondergefahren 6 550 Sonderverwahrung 8 326 ff. Drittverwahrung 8 328 ff., s.a. dort Hausverwahrung 8 326 f. Stückeverzeichnis 8 364 ff. Tauschverwahrung 8 348 Sorgfaltspflichten 8 128, 8 132 ff. erforderliche Sorgfalt 8 140 Individualabsprache 8 142 prozedurale Pflichten 8 143 relative 8 141 Verkehrskreis 8 133 zentrale Gegenparteien 6 748 Spekulationseignung 6 552 Spekulationsverbot 8 212 Sperrliste 7 66 Stabilitätspolitik 6 787 Stabilitätsrisiken 8 40 standardisierte Informationspflichten 8 171 ff. Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz 8 175 Angemessenheit 8 172 Anlagestrategien 8 173 Ausführungsplätze 8 174 Ausnahmen 8 175 Begriff 8 171 dauerhafte Form 8 171 deutsches Informationsblatt 8 182

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EU-Basisinformationsblatt 8 179 EU-PRIIP-VO 8 179 ff. Finanzinstrumente 8 173 Fondsbereich 8 178 Geeignetheitsprüfung 8 177 Gesamtpreis 8 174 Honoraranlageberatung 8 177 Kleinanleger 8 182 Mindestinhalt 8 173 Modalitäten 8 171 PRIIP 8 179 ff. Risiken 8 173 Transparenzregel 8 177 Verbraucherkreditrecht 8 175 verpackte Anlageprodukte 8 179 verständliche Form 8 171 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 8 173 zusätzliche 8 177 Standardmarktgröße 7 178 Stichtag 6 709 Stimmrechtsanteil 6 940 Stimmrechtsschwellen 6 861 Strafmaßnahmen 6 647 Strafzahlungen 6 623 Streifbandverwahrung s. Sonderverwahrung Streitschlichtung 6 735 strukturierte Einlagen 8 99 strukturierte Finanzprodukte 8 103 Stückeverzeichnis 8 365 suitability 8 208 Supra-Chinese-Wall-Status 7 65 Swaps 8 66, 8 68 Synergieeffekte 6 882 systematische Internalisierer Bestmögliche Ausführung 7 105 Börsengesetz 7 163 Kontrahierungszwang 7 176, 7 178 MiFIR 7 175 Standardmarktgröße 7 178 Technische Regulierungsstandards 7 178 verbindliche Kursofferten 7 178 Wertpapierdienstleistungen 8 85, 8 89 Wertpapierhandelsgesetz 7 162 T Tauschverwahrung 8 348 Technische Regulierungsstandards Börsen 7 145 Clearing 6 713 Derivatehandel 7 181 Kontributoren 7 137 Referenzwertermittlung 7 133

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systematische Internalisierer 7 178 zentrale Gegenparteien 7 191 Teilangebot Angebotsannahme 6 982 Erwerbsangebot 6 923 Terminbörsen 8 286 Termingeschäfte 8 68 Terminkontrakte 6 578 Theorie des Marktes für Unternehmenskontrolle 6 882 Tick-Größen 7 145 Tochterunternehmen Beteiligungstransparenz 6 856 Derivatekontrakte 6 695 Zurechnung 6 954 Total Return Swaps 8 71 Transaktionen 6 576 Transaktionsdokumentation 7 110 Transaktionskosten 7 94 Transaktionsregister Clearing 6 717 Derivatekontrakte 6 720 EMIR 6 658, 6 662, 6 670, 6 681, 7 197 f. Nachhandelsinfrastruktur 7 5 Transparenzgebot 8 165 ff. Anlageberatung 8 170 Eindeutigkeitsgebot 8 166 Empfehlungen 8 170 Grad der Unabhängigkeit 8 170 Irreführungseignung 8 166 Redlichkeit 8 166 Transparenzanforderungen 8 166 Werbeaussagen 8 167 ff. Transparenzpflichten 8 122 ff. Transparenzregel 8 177 Transparenzregime EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 554 Leerverkäufe 6 594 Transparenzrichtlinie 6 831 Treibhausemissionszertifikate 8 297 Trenngebote 8 276 Trennungspflicht 6 759 ff. Trennungsrechnung 6 760 Treuhanddepot 8 325 Treuhänder 8 343 U Übernahmeangebot 6 926 f. Übernahmerecht 6 867 ff. allgemeiner Rahmen 6 898 Anwendungsbereich 6 900 ff. Bankdienstleistungen 6 872 Corporate Finance 6 871

Entwicklung 6 894 ff. Erwerbsangebot 6 919 ff., s.a. dort Europäisierung 6 896 Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts 6 890 Interessenkonflikte der Banken 6 891 f. Investment Banking 6 868 Investmentbanken 6 872 Londoner City Code 6 894 Mergers and Acquisitions 6 868 Organisationsverfassung der Aufsichtsbehörde 6 917 Sanktionen 6 918 Schnittstellenmaterie 6 893 Schutzinteressen 6 886 ff. Strukturmaßnahmen 6 871 Theorie des Marktes für Unternehmenskontrolle 6 882 transaktionsbezogene Dienstleistungen 6 873 Übernahmerichtlinie 6 896 f. Universalbanken 6 872 Unternehmenstransaktionen 6 871, s.a. dort Verschwiegenheitspflicht 6 917 Vorbereitungsphase 6 958 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz 6 867 wirtschaftliche Beurteilung 6 880 ff. Zuständigkeit 6 916 Übertragungsnetzbetreiber 8 112 Überwachung Compliance-Funktion 7 56 Funktionsauslagerung 7 82 Interessenkonflikte 7 64, 7 66 Referenzwertermittlung 7 134 Überwachung von Unternehmensabschlüssen 8 291 Überwachungsausschuss 7 127 Umgehungsschutz 6 773 Underlying 6 685, 8 66 Clearing 6 730 Universalbanken 6 872 Unmöglichkeit 6 716 Unternehmensanleihen 6 638 Unternehmensgruppen 7 64 Unternehmenskauf 6 875 Unternehmensregister 6 839 Unternehmenstransaktionen Ablauf 6 957 ff. Abwehrmaßnahmen 6 977 ff. Akquisitionsfinanzierung 6 998 ff., s.a. dort

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Aktionärsgesamtheit 6 886 allgemeine Grundsätze 6 910 Andienung 6 993 Angebot 6 902 Angebotsannahme 6 980 ff., s.a. dort Angebotsdurchführung 6 965 ff., s.a. dort Arten 6 874 ff. Asset Deal 6 876 Ausschluss 6 991 f. Banken 6 994 ff. Beschleunigungsgebot 6 914 Defense Manual 6 1022 ff., s.a. dort Dokumentation 6 995 ff., 6 1020 f., s.a. dort Effizienzsteigerungen 6 882 Erwerbsangebot 6 919 ff., s.a. dort EWR-Ausland 6 908 Fairness Opinion 6 1027 ff., s.a. dort Finanzierung 6 962 f. Finanzierungsbestätigung 6 1003 ff., s.a. dort Free Cash Flow-Theorie 6 882 Gewährleistungserklärung 6 1013 ff., s.a. dort Gleichbehandlungsgebot 6 911 grenzüberschreitende Angebote 6 906, 6 909 informierte Entscheidung 6 912 Interessenwahrungsgebot 6 913 Kontaktaufnahme 6 963 Konzern 6 988 ff. Marktineffizienzen 6 883 Marktverzerrungen 6 915 Mergers and Acquisitions 6 875 Minderheitsaktionäre 6 884, 6 888, 6 991 Nachbereitung 6 987 ff. öffentliche Übernahme 6 877 ökonomische Analyse 6 882 organisierter Markt 6 905, 6 908 Paketerwerb 6 877 Satzungssitz 6 907 Schutzinteressen 6 886 ff. Share Deal 6 877 Strukturierung 6 961 Synergieeffekte 6 882 Theorie des Marktes für Unternehmenskontrolle 6 882 Übernahmerecht 6 871 übernahmespezifische Bankdienstleistungen 6 878 Umverteilungstheorien 6 884

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Unternehmenskauf 6 875 Verschmelzung 6 875 Verwaltungssitz 6 907 Vorbereitungsphase 6 958 ff., s.a. dort Wertpapiererwerb 6 903 wirtschaftliche Beurteilung 6 880 ff. Zeitabschnitte 6 957 Zielgesellschaft 6 886 ff., 6 904 V Verbraucher 6 802 Verbraucherkreditrecht 8 175 Verbraucherschutz 6 772 Verfügungsrecht Depotgeschäft 8 316 zentrale Gegenparteien 6 763 Vergütung 8 243 ff. Analysekonto 8 247 Aufklärung 8 246 Deutschland 8 244 Dreipersonenverhältnis 8 245 ff. Finanzportfolioverwaltung 8 246 Honoraranlageberatung 8 246 Innenprovisionen 8 249 Interessenkonflikte 8 246 Kick-back 8 244 ff., 8 248 ff. MiFID II 8 244 Rückvergütungen 8 245, 8 248 ff. soft commissions 8 247 Transparenz 8 250 Vereinigtes Königreich 8 244 Verstoßfolgen 8 251 Zuwendungen 8 245 Zuwendungen Dritter 8 244 Zuwendungen, geringfügige 8 246 Zuwendungen, qualitätssteigernde 8 247 Zweipersonenverhältnis 8 252 Vergütungsmodelle 7 64 Vergütungspolitik 8 158 f. Verhaltenspflichten 8 122 ff., s.a. Wohlverhaltensregeln Finanzportfolioverwaltung 8 218 ff., s.a. dort Honoraranlageberatung 8 214 ff., s.a. dort individuelle Informationspflichten 8 185 ff., s.a. dort Informationspflichten s. individuelle Informationspflichten, s. standardisierte Informationspflichten Informationsregeln 8 129 Interessenkonflikte 8 144 ff., s.a. dort

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Interessenwahrungspflicht 8 128, s.a. dort Komplexe 8 127 Kundeninteressenwahrung 8 158 ff., s.a. dort Mitverschulden 8 224 Nachhandelsinformation 8 222 Sanktionen 8 223 ff. Schranken bei der Bündelung von Dienstleistungen 8 184 Selbstauskunft 8 226 ff. Sorgfaltspflichten 8 128, s.a. dort standardisierte Informationspflichten 8 171 ff., s.a. dort Synopse 8 127 Transparenzgebot 8 165 ff., s.a. dort Vermögensverwaltungsgesellschaft 6 857 verpackte Anlageprodukte 8 179 Verpfändung 8 349 ff. Verschmelzung 6 875 Verschwiegenheitspflicht 6 917 Versicherungen 8 112 Vertragsstrafe 6 623 Vertraulichkeitsbereiche 7 65 Vertraulichkeitsvereinbarung 6 997 Vertriebsvorgaben Gefährdung von Kundeninteressen 7 69 Honoraranlageberatung 7 85 Interessenkonflikte 7 69 Organisationspflichten 7 69 unangemessener Vertriebsdruck 7 69 Verwahrer 8 321 Einkaufskommission 8 375 Sammelverwahrer 8 322 Zentralverwahrer 7 200 f., s.a. dort Verwahrung Aneignungsermächtigung 8 353 Clearstream Banking AG 8 322 Depotgeschäft 8 313 f., 8 316 Depotvertrag 8 319 Kollisionsrecht 8 359 Pfandverwahrung 8 356 Rechtsverhältnisse 8 324 Sammelverwahrer 8 322 Sammelverwahrung 8 332 ff., s.a. dort Schutz von Kundengeldern 7 113 Sonderverwahrung 8 326 ff., s.a. dort Streifbandverwahrung s. Sonderverwahrung Tauschverwahrung 8 348 unregelmäßige 8 353 Verwahrer 8 321 Verwahrformen 8 321 f.

Verwahrungsbuch 8 354 Wertpapiersammelbanken 8 322 Verwaltung 8 313 f., 8 317, 8 320 Verwaltungssitz 6 907 Vorbereitungsphase 6 958 ff. Due Diligence 6 960 Zielgesellschaft 6 959 Vorfeldpflichten 6 780 W Währungspolitik 6 787 Wall Crossing 7 66 Waren 8 74 Derivate 6 829, 8 69, 8 104 Waren-Spot-Kontrakte 8 75 Warnhinweise 7 103 Wasserfallprinzip 7 194 Watch Lists Compliance-Funktion 7 56 Interessenkonflikte 7 66 Werbeaussagen 8 167 ff. Wertpapierbörsen 7 13 Wertpapierdienstleistungen 6 828, 8 76 ff. Anlageberatung 8 77, 8 82 Austauschgeschäfte 8 80 Begriff 8 77 Emissionsgeschäfte 8 79 f. Finanzportfolioverwaltung 8 77, 8 81 Hochfrequenzhandel 8 84 Market-Maker 8 83 Marktbetreiber 8 85 systematische Internalisierer 8 85, 8 89 Wertpapierhandel 8 77, 8 79 f. Wertpapierhandelsgesetz 8 49 Wohlverhaltensregeln 8 53 Wertpapierdienstleistungsunternehmen Arbeitnehmerbeteiligungen 8 112 Ausnahmen 8 112 Bearbeitung von Kundenaufträgen 8 236 ff., s.a. dort Bestmögliche Ausführung 7 105 Börsen 8 112 derivatebezogene 8 112 Eigengeschäfte 8 112 Emissionshandel 8 112 Energiesektor 8 113 Finanzierungsbestätigung 6 1005 freie Berufe 8 112 grauer Kapitalmarkt 8 112 Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaat 8 92 Individualschutz 8 125 Inducements 8 243 ff.

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Informationsaufbereitungsfunktion 8 124 Interessenwahrungspflicht 8 128, 8 132 ff., s.a. dort Investmentfonds 8 112 investmentfondsbezogene 8 112 Kapitalmarktrecht 6 828, 6 829 Kunden 8 232 ff., s.a. dort Organisationspflichten 7 29, 8 122 ff., s.a. dort Schuldenverwaltung 8 112 Sorgfaltspflichten 8 128, 8 132 ff., s.a. dort standardisierte Informationspflichten 8 173 Transparenzpflichten 8 122 ff., s.a. dort Übertragungsnetzbetreiber 8 112 Vergütung 8 243 ff., s.a. dort Verhaltenspflichten 8 122 ff., s.a. dort Versicherungen 8 112 Wertpapierhandelsgesetz 8 87 Zentralbankwesen 8 112 Zentralverwahrer 8 112 Zurechnung 6 954 Wertpapiere 8 61 ff. Begriff 8 62 Depotgeschäft 8 314, 8 318 Finanzinstrumente 8 63 Geldmarktinstrumente 8 64 Wertpapiererhebungsbögen 8 202 Wertpapiererwerb 6 903 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz 6 867, s.a. Übernahmerecht Wertpapierfirmen Derivatekontrakte 6 689 Organisationspflichten 7 29, 7 32 Wertpapierhandel 8 79 f. Wertpapierhandelsgesetz alternative Handelsplätze 7 162 alternative Marktbetreiber 8 39 Anlageempfehlungen 7 115 Anlageinstrumente 8 61 ff. Anlegerschutz 8 126 Anwendungsbereich 8 45 Anwendungsbereich, räumlicher 8 43, 8 90 ff. Anwendungsbereich, sachlicher 8 46, 8 59 ff. Aufzeichnungspflichten 7 106 Auslegung 8 41 f. BaFin 8 50, 8 115 Bankengesellschaftsrecht 8 39 Basisinformationsblätter 8 109 Begrifflichkeiten 8 59 ff.

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behavioral finance 8 40 Bestmögliche Ausführung 7 91 Beteiligungstransparenz 8 117 börsengehandelte Investmentvermögen 8 102 Datenbereitstellungsdienst 8 105 Datenbereitstellungsdienste 8 121 dauerhafte Datenträger 8 108 Depotrecht 8 34 direkter elektronischer Zugang 8 98 Drittlandunternehmen 8 106 Drittstaatsmärkte 8 290 Effizienzparadigma 8 35 EG-Insiderhandels-Richtlinie 8 1, 8 3 EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie 8 1, 8 3 Emittenten 8 107 Energiegroßhandelsprodukte 8 100 enge Verbindung 8 96 Entwicklung 8 9 ff. Europass 8 7 Finanzanalyse 8 48 Finanzberichte 8 291 Finanzinstitute 8 106 Finanzinstrumente 8 49 Finanzmarkt-Richtlinie 8 7 Finanztermingeschäfte 8 48, 8 281 ff., s.a. dort Folgepublizität 8 24 FRUG 8 12 Gegenstand 8 46 ff. Grundgesetz des Wertpapierhandels 8 5 Gruppen 8 95 Gruppenmitglieder 8 95 Handelsplatz 8 89 ff. Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaat 8 91 ff., s.a. dort Herkunftslandkontrolle 8 7 Hinterlegungsscheine 8 101 Informationsaufbereitung 8 24 Inhaltsübersicht 8 44 Insiderverbote 8 24 Instrumente 8 24 Interessenkonflikte 8 38 Intermediäre 8 24 Kapitalmarktrecht 8 16 ff., s.a. dort klassisches Wertpapierhandelsrecht 8 26 ff. Kleinanleger 8 37 KMU 8 107 Konglomeratgesetz 8 12 Kontrollmacht 8 96 Leerverkäufe 8 119

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liquider Markt 8 94 Marktintegritätsregeln 8 36 Marktmanipulationsverbot 8 24 Marktmissbrauchsüberwachung 8 116 Marktmissbrauchsverordnung 8 36 Matched Principal Trading 8 97 MiFID I 8 7 MIFID II 8 8 multilaterales Handelssystem 8 89 Ordnungswidrigkeiten 8 308 f. Organisation der Wertpapierfirmen 8 6 Organisation von Wertpapierdienstleistern 8 39 Organisationspflichten 7 27, 8 122 ff., s.a. dort organisierter Markt 8 89 organisiertes Handelssystem 8 89 Positionslimits 8 120 PRIIP 8 109 PRIP 8 109 Publizitätsanforderungen 8 118 Qualifikationsanforderungen für Mitarbeiter 7 119 Regulierungsmaterien 8 48 Sanktionen 8 292 ff., s.a. dort Schiedsvereinbarungen 8 288 f. Schutz von Kundengeldern 7 111 Sekundärmarktrecht 8 20 Skalenerträge 8 37 Solvenzaufsicht 8 7 Stabilitätsrisiken 8 40 Strafvorschriften 8 294 ff., s.a. Sanktionen strukturierte Einlagen 8 99 strukturierte Finanzprodukte 8 103 Synopse 8 15 systematische Internalisierer 7 162 Transparenzpflichten 8 122 ff., s.a. dort Überwachung von Unternehmensabschlüssen 8 291 Verhaltenspflichten 8 122 ff., s.a. dort Wertpapierdienstleistungen 8 49, 8 76 ff., s.a. dort Wertpapierdienstleistungsunternehmen 8 87 Wertpapiere 8 61 ff., s.a. dort Wertpapiernebendienstleistungen 8 49, 8 86 Wohlverhaltensregeln 8 6, 8 37, 8 124 ff. zentrale Gegenparteien 8 106 Zertifikate 8 103 Zielsetzung 8 35 ff. Zweigniederlassung 8 95

Wertpapierleihe Leerverkäufe 6 578 Leerverkäufe, ungedeckte 6 610 Wertpapiernebendienstleistungen Anlageempfehlungen 7 116 Wertpapierhandelsgesetz 8 49, 8 86 Wertpapierpensionsgeschäft Leerverkäufe 6 578 Wertpapiersammelbanken Sammelverwahrung 8 337, 8 347 Verwahrung 8 322 Wheatley-Report 6 769, 7 136 Whistleblower-System 7 150 Willensmängel 6 781 Wirtschaftsstatistiken 8 69 Wissenszurechnung Interessenkonflikte 7 68 Organisationspflichten 7 41 Wohlverhaltensregeln 8 124 ff., s.a. Verhaltenspflichten Anwendungsbereich, räumlicher 8 52 ff. Bearbeitung von Kundenaufträgen 8 238 Compliance-Funktion 7 51 Drittstaaten 8 55 Durchführungs-Richtlinie 8 11 Entwicklung 8 9 EU-Mitgliedstaaten 8 56 Haftung 8 273 ff. Interessenkonflikte 7 59 Kollisionsnorm 8 55 Ordnungswidrigkeiten 8 308 Sanktionen 8 223 ff. Schutzgesetze 8 223 Vertragspflichten 8 224 Wertpapierdienstleistungen 8 53 zentrale Gegenparteien 6 747 ff. Z Zahlungsbericht Finanzberichte 6 843 Folgepublizität 6 836 Zahlungsversprechen 6 1013 Zentralbanken Benchmark-VO 6 787 EMIR 6 677 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 8 112 zentrale Gegenparteien 6 656, 7 188 ff. Ablauforganisation 7 191 Anfangskapital 7 188 Anforderungen an Clearingmitglieder 6 752 Aufbauorganisation 7 191

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Aufzeichnungspflichten 7 191 Ausfallfonds 7 194 Beendigung der Mitgliedschaft 6 753 f. Benchmark-VO 6 787 Beschwerdeverfahren 6 749 Bündelungsverbot 6 756 Clearing 6 670, 6 711, 6 718 Clearingsysteme 7 185 f. Eigenmittelanforderungen 7 188 Einschusszahlungen 7 194 Einsichtsrecht 6 752 Einzelkunden-Trennung 6 759 EMIR 6 670, 6 680, 7 187, 7 189, 7 192 Erlaubnispflicht 7 188 Finanzsicherheiten 6 763 Funktionsauslagerung 7 191 Insolvenzprophylaxe 7 193 institutionell-prudenzielle Anforderungen 7 190 Interessenkonflikte 7 191 Interessenwahrungspflicht 6 748 Interoperabilitätsvereinbarungen 7 195 f. Krisenbewältigung 7 188 margins 7 194 Naming and Shaming 6 758 Notfallplanung 7 191 Offenlegungspflichten 6 757 Omnibus-Kunden-Trennung 6 759, 6 761 Organisationsverantwortung 6 751 Preisaufschlüsselung 6 756 Qualität der Sicherheiten 7 194 Regulierungsinteresse 6 751 Risikoausschuss 7 191 Risikomanagement 7 193 Sonderpflichten 6 755 Sorgfaltspflicht 6 748 Systemrelevanz 7 193 Technische Regulierungsstandards 7 188, 7 191 Trennungspflicht 6 759 ff. Trennungsrechnung 6 760 Trennungswahl 6 762 Verfügungsrecht 6 763 Wasserfallprinzip 7 194 Wertpapierhandelsgesetz 8 106 Wohlverhaltensregeln 6 747 ff.

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Zugang 6 750 ff. Zulassungsverfahren 7 188 Zentralverwahrer 7 200 f. Nachhandelsinfrastruktur 7 5 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 8 112 Zertifikate 8 103 Zielgesellschaft Abwehrmaßnahmen 6 977 ff. Auswahl 6 959 Bewertung 6 960 Defense Manual 6 1022 ff., s.a. dort Due Diligence 6 960 Kontaktaufnahme 6 963 Kontrollschwelle 6 938 Stellungnahme 6 973 ff. Unternehmenstransaktionen 6 886 ff., 6 904 Vorbereitungsphase 6 959 Zulassungsmarkt 6 569 Zurechnung Abstimmungsinhalt 6 952 Beteiligte 6 950 gesellschaftsrechtliche 6 946 Parallelerwerb 6 953 rechtsbasierte 6 945 rein vertragsrechtliche 6 948 sachenrechtliche 6 947 Tochterunternehmen 6 954 verhaltensbasierte 6 949 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 6 954 Wertpapiere im Handelsbestand 6 955 Wirkungsweise 6 943 Zurechnungsschranken 6 954 ff. Zurückbehaltungsrechte Drittverwahrung 8 330 Einkaufskommission 8 375 Zusammenarbeit Eingriffsbefugnisse 6 640 EU-Leerverkaufs-Verordnung 6 646 Zuständigkeit Eingriffsbefugnisse 6 640 Übernahmerecht 6 916 Zweigniederlassung 8 95 Zwischenlagebericht 6 841